Es war irgendwie ein Dejavue. Ein traum-albtraumartiger Mix aus bitteren Niederlagen und großartigen Siegen. Irgendwie war es auch kein Dejavue, denn es gab keine Sieger und Verlierer – am Spielfeld. Moralisch war es ein zweistelliges Ergebnis trotz und wegen eines unglücklichen Schiedsrichtertrios.
Der Reihe nach: Drei hundertprozentige Chancen führten den Ball nicht ins Tor der Polen, sondern irgendwie daran vorbei. Die erste echte Torgelegenheit der Gäste hingegen ließ ihn in unseren Maschen landen, aus dem Abseits, unbemerkt von einem Linienrichter in einem unaufmerksamen Moment.
Die zweite Halbzeit brachte zuerst eine Fortsetzung der einseitigen Hausherrschaft, doch riss über eine Staffete gefährlicher Aktionen der Polen der rotweißrote Faden. Wie sein Gegenüber Boruc konnte sich nun auch Jürgen Macho auszeichnen. Die letzten Minuten wiederum riefen Erinnerungen an das Kroatien-Match wach. Österreich, verstärkt mit Kienast, Vastic und Säumel rannte an bis vor den Strafraum, doch die massierte Abwehr der Polen verhindert stets gefährliche Strafraumszenen. Mit letzter Hoffnung, gepaart mit stetem Willen und dem Mut der Verzweiflung wird das Leder schließlich nur noch hoch Richtung Strafraum geschlagen. Standardsituation folgt Standardsituation.
Als die Polen zu Beginn der Nachspielzeit wieder zu einem Corner kommen scheint unser Schicksal besiegelt zu sein. Das kopflose Niederdrücken von Sebastian Prödl durch einen Gegner, wohl in der sonst allerletzten Strafraumszene der Partie fährt wie ein Windhauch unter ein verkehrt liegendes Blatt. Den folgenden Elfer verwertet Ivo Vastic. Die Chance lebt, ein Sieg gegen Deutschland kann uns nun auch ohne Schützenhilfe aus Kroatien weiterbringen. Gegen Deutsche, die selbst unter Zwang stehen.
Vastic war keine Lichtgestalt. Sein Mitwirken an den letzten Angriffen blieb insgesamt eher unauffällig. Der Schnellste ist er nach wie vor nicht. Für den Elfmeter jedoch, da war er der richtige Mann. Als Stürmer mit Weltmeisterschaftserfahrung war er am ehesten jener Kicker, der nicht aus blanker Nervosität heraus verschießen würde. Ein trockener Ball ins rechte Eck, der auch ohne einem in die Gegenrichtung fallenden Torwart schwer haltbar gewesen wäre, besiegelte das Endergebnis. 1:1.
Unsere Chancen sind immer noch gering, eigentlich nicht viel größer als sie es bei einer Niederlage gewesen wären. Doch dieses Tor, das uns einen der erreichbaren drei Punkte zurückgab, war wichtig. Es könnte einen Knoten im Team gelöst haben. Einen im Kopf, und in den Beinen, vor dem Tor. Basti Prödl wird uns nach seiner zweiten gelben Karte freilich fehlen. Aber die Chance lebt, ein Wunder ist möglich, wenngleich am Papier alles andere als wahrscheinlich.
Das von vielen im Scherz prophezeihte „Endspiel“ wird stattfinden. Am 16. Juni, im Ernst-Happel-Stadion.