Es gab eine starke erste Hälfte, aber der Gegner aus Spanien war cleverer: Die ÖFB-Frauen haben nach dem 0:1 gegen Spanien die Chance auf das WM-Ticket endgültig nicht mehr in der eigenen Hand. Das liegt aber viel eher am bitteren 1:1 gegen Serbien: Ein Punktverlust, der nicht passieren hätte dürfen. Auch wenn der Gegner es gut gemacht hat.
0:1 gegen Spanien
In Details war es sicher speziell auf den Gegner ausgerichtet. Aber im Grunde sind die ÖFB-Frauen gegen Spanien zu jenem Spiel zurückgekehrt, mit dem sie schon diversen höher eingeschätzten Teams zu Leibe gerückt sind: Dem Treibjagd-Fußball, mit Vollgas die Gegner niederpressen, Bälle gewinnen, schnell umschalten; lästig sein und nicht nachlassen.
So haben sie schon im April 2015 Australien überfahren, die Matildas – Stammgast in WM-Viertelfinals – haben damals völlig die Nerven weggeworfen. Auch die Schweiz und Island bei der EM, Dänemark davor, auch Norwegen in der EM-Qualifikation wurde damit das Leben schwer gemacht.
Fast kein Erbarmen
Vom System her – einem 5-4-1 mit Puntigam als seitlich abkippender Sechs – war es exakt jenes vom EM-Viertelfinale in Tilburg, sogar das Personal war fast ident (bis zu ihrem Kreuzbandriss spielte in Tilburg Makas statt Prohaska). Aber die Taktik war eine völlig andere.
Die Spanierinnen bekamen praktisch keine Zeit am Ball. Vor allem in der Rückwärtsbewegung wurde ihnen von nachlaufenden Österreicherinnen jede Gelegenheit genommen, einen geordneten Querpass zu spielen oder sich gar selbst umzudrehen. Es blieben oft nur Rückpässe auf Torfrau Gallardo oder wilde Querpässe.
Auch, sobald eine Spanierin im Mittelfeld den Ball nicht sofort unter Kontrolle bringen konnte, wurde sie angelaufen. Die junge U-19-Europameisterin Guijarro und die routiniertere Putellas im spanischen Zentrum hatten ständig Österreicherinnen auf den Zehen stehen.
Zentralpunkt Zadrazil
Im österreichischen Mittelfeld war Sarah Zadrazil diejenige, die in diesen Situationen offenkundig die Federführung hatte. Wenn sie draufging, wurde sie von ihren Mitspielerinnen unterstützt; wenn sie zurückblieb, taten dies auch ihre Nebenleute. Es gab immer wieder kurze Phasen der Ruhe, in denen sich Österreich auf das tiefe 5-4-1 zurückzog. Aber es war nie ein Im-Block-Verschieben, mit dem man Spanien in Tilburg ein extrem statisches Spiel aufzwang.
Es war letztlich auch Zadrazil, die die größte Chance für Österreich vergab: Nach einer halben Stunde scheiterte sie aber im Eins-gegen-Eins an Spaniens Torhüterin Lola Gallardo. Sie lenkte Zadrazils Schuss noch ab, der Ball landete am Pfosten.
Tribut Zollen und Frust nach der Pause
Die Erfahrung der hochintensiven Spiele vor allem bei der EM haben gezeigt, dass Österreich nach 70 Minuten oft die Kräfte so weit verschossen hatte, dass ein Rückfall deutlich erkennbar war. In diesem Spiel schaltete man schon direkt nach der Pause ein, zwei Intensitäts-Gänge zurück und erwartete Spanien etwas tiefer. Mutmaßlich, um sich ein paar Körner für die Schlussphase aufzuheben.
Nach 58 Minuten aber ließ Puntigam in ihrem Rücken Hermoso entwischen, die spanische Stürmerin fackelte nicht lange und verwertete zum 1:0 für Spanien.
In der Folge musste Österreich dem kräfteraubenden Spiel vor der Pause und dem Nackenschlag des Rückstandes merklich Tribut zollen. Es gelang nicht mehr, jenen Druck auszuüben, dem man Spanien in der ersten Halbzeit ausgesetzt hatte. Die Pressingwege und -winkel passten nicht mehr, die Koordination ließ nach.
Die in der ersten Hälfte so starke Zadrazil war kaum noch ein Faktor, dafür wuchs bei einigen ihrer Kolleginnen der Frust-Level: Puntigam war schon vor der Pause oft am Fluchen, nach dem Rückstand taten es ihr beispielsweise Feiersinger und Burger ungewöhlich oft gleich. Ein Billard-Schuss hätte zehn Minuten vor dem Ende beinahe noch für den Ausgleich sorgen können, große Torgefahr konnte Österreich aber nicht mehr erzeugen.
Fazit: Die guten und die großartigen Teams
Österreich ist im europäischen Frauenfußball ein gutes Team. Man war bei der EM im Halbfinale (auch, weil man auf einer Welle dorthin geritten war) und ist trotz der jüngsten Resultate auf dem besten Weg, zum vierten Mal hintereinander Gruppenzweiter in einer WM- bzw. EM-Qualifikation zu werden. Man hat sich Respekt erarbeitet und wird nicht mehr unterschätzt.
Dass Spanien hingegen auf dem allerbesten Wege ist, ein großartiges Team zu werden, hat dieses Spiel gezeigt. Es war weniger der Fakt des dritten Zu-Null-Siegs gegen Österreich in Folge, sondern vielmehr das „Wie“. Bei der EM war Spanien schon in der Gruppe beinahe am nervlichen Druck zerbrochen, was Österreich im Viertelfinale nützte. In diesem Spiel wurde man eine Halbzeit lang geärgert, angelaufen, niedergepresst, man bekam keine Verschnaufpause, wurde von den ÖFB-Frauen gescheucht und gepiesakt.
Und blieb immer cool. Es war zwar eine schöne Szene, als Olga García kurz vor der Halbzeit-Pause einen österreichischen Freistoß sperrte, durchpustete und die Hände zu einer Geste hob, die „Jetzt aber mal a bissi runter vom Gas, ja?“ sagte – aber Spanien ließ sich nur einmal in eine kleine Unachtsamkeit hetzen. Diese blieb unbestraft. Selbst nützte man den einen kleinen Fehler bei Österreich hingegen zum Tor und spielte den 1:0-Sieg trocken runter.
Teamchef Dominik Thalhammer brachte das Problem nach dem Spiel auf den Punkt: Der nächste Schritt müsse sein, so ein Tempo spielen zu können, ohne dass man am Ende so viel nachlassen muss.
1:1 gegen Serbien
Auch harzige, zähe Spiele irgendwie rüberbiegen – Spanien hat das gegen Österreich getan. An sich ist das auch eine Qualität, die Österreich gegenüber schwächer klassierten Teams hat: In den 18 Pflichtspielen gegen „kleinere“ Gegner unter Thalhammer hatten die ÖFB-Frauen 17 gewonnen und einmal 0:0 gespielt.
Und da waren ein paar ziemlich harzige Partien dabei. Wie das 4:3 gegen Ungarn nach 3:0-Führung, oder das Match gegen ultra-defensive Israelinnen in Lod, oder eine Partie in Armenien, bei der man nach zehn Minuten schon 0:2 zurück lag. Hat mal alles noch irgendwie gewonnen. Das Ding gegen Serbien fünf Tage vor dem Spanien-Spiel aber nicht. Und dieser Punktverlust kann teuer werden.
Auch Serbiens neuer Trainer Miodrag Martac hatte Video geschaut. Er ließ sein Mittelfeld bzw. die beiden Spitzen vornehmlich auf Sarah Puntigam pressen, im Bedarfsfall wurde oft auch die österreichische Innenverteidigung angelaufen.
Dieser Effekt war beim Cyprus Cup schon desöfteren zu sehen: Wenn es dem Gegner gelingt, Puntigam von der Offensive abzuschneiden, hat man der ÖFB-Offensive viel von ihrer Gefährlichkeit genommen.
Die logische (und von Serbien offenkundig auch erhoffte) Reaktion von Österreich war, Vertikalbälle in Richtung von Aschauer und Feiersinger zu spielen. Auch darauf hatten die Serbinnen aber eine passende Antwort: Sie verteidigten diese Vertikalpässe konsequent nach außen und erlaubten es vor allem Aschauer nicht, in den Strafraum zu ziehen oder in diesen hinein zu flanken.
All das, verbunden mit einem frühen serbischen Tor, ließ das Spiel aus österreichischer Sicht zu einer äußerst zähen Angelegenheit werden.
Fehlende Abstimmung im Angriffsdrittel
Wenn die ÖFB-Frauen sich aber doch einmal ins Angriffsdrittel gespielt haben, kam der letzte Pass praktisch nie an und herausgespielte Torchancen blieben die absolute Ausnahme. Das Tor zum 1:1-Ausgleich nach einer halben Stunde fiel aus einem Gestocher im Strafraum und eigentlich war es ein Eigentor von Lazarevic. Schön für Nici Billa, dass ihr dennoch der Treffer offiziell zuerkannt wurde.
Aber die fehlende Präzision im Angriff blieb über das ganze Spiel hinweg bestehen. Es wirkte, als ob die beim Cyprus Cup neu definierten Laufwege noch nicht weit genug verinnerlicht waren. Passgeber und Passempfänger waren oft nicht auf der selben Seite des Playbooks, wie es schien.
Und doch war auch ein wenig Pech dabei, dass man das Spiel nicht mehr ganz drehen konnte. Die ÖFB-Frauen ergaben sich nie dem Schicksal, sondern drückten bis zum Schluss. Aber eben nicht mit dem Ergebnis, dass aus dem einen noch drei Punkte werden.
Die Lage in der Gruppe
Spanien ist mit dem Arbeitssieg über Österreich nun de facto durch. Im Juni (auswärts) und im September (auswärts) werden die ÖFB-Frauen die beiden Spiele gegen Finnland absolvieren. Hier wird sich entscheiden, ob das rot-weiß-rote Team Zweiter wird (wahrscheinlich) und, wenn ja, ob es für das Playoff reicht.
Da bei Punktgleichheit die direkten Duelle zählen, ist Österreich derzeit Gruppenzweiter (4 Pkt im Dreiervergleich), Finnland Dritter (3 Pkt) und Serbien Vierter (1 Pkt). Die Serbinnen haben mit dem 1:1 in Österreich zwar einen schönen Erfolg errungen und aktuell sieht die Tabelle gut für sie aus. Aber: Sie haben nur noch zwei Spiele zu absolvieren, davon eines in Spanien und eines daheim gegen Finnland. Es ist denkbar, dass Serbien Dritter werden kann. Es ist praktisch ausgeschlossen, dass Serbien Zweiter wird.
In der Tabelle der prognostizierten Zweiten – die vier besten kommen ins Playoff um ein einziges WM-Ticket – ist Österreich wegen des Punktverlustes gegen Serbien und der hohen Niederlage auswärts in Spanien jetzt mal hintendran. Zwei Spiele werden noch in die Wertung kommen, nämlich eben die beiden gegen Finnland.
Diese Tabelle heißt: Die ÖFB-Frauen haben es nicht mehr in der eigenen Hand, ob es sich für das Playoff ausgeht. Aber: Angesichts der Tatsache, dass jetzt, etwa zu Quali-Halbzeit, schon vier der sieben wahrscheinlichen Zweiten ebenso wie Österreich Punkte gegen schwächere Teams gelassen haben, ist es durchaus denkbar, dass es noch weitere erwischt.
EM-Finalist Dänemark etwa hat erst kurz vor Schluss das 1:0 gegen die Ukraine erzielt, Norwegen wurde bis weit in die zweite Halbzeit von Nordirland bei einem 0:0 gehalten, Schottland konnte Polen auch erst in den Schlussminuten und in Überzahl knacken. Belgien hat durch einen extra-dämlichen Elfmeter in der 93. Minute noch den Ausgleich gegen Portugal kassiert. Und das sind nur Beispiele von diesem Doppelspieltag.
Also, long story short: Österreich muss auf jeden Fall beide Spiele gegen Finnland gewinnen und ist zusätzlich auf Schützenhilfe angewiesen. Und der Gruppensieg und die Direkt-Qualifikation für die WM ist definitiv weg.