Alex Schriebl: Trainer mit klarer Linie für einen ÖFB ohne klare Richtung

Die erste Antwort war immer die selbe. „Ein wirklich supernetter Typ, ein Menschenfänger“ sei Alexander Schriebl, und „zwischenmenschlich wird das ganz sicher passen!“ Wenn man Menschen fragt, die den neuen Teamchef der ÖFB-Frauen näher kennen, wird stets seine außerordentliche soziale Kompetenz betont. Sportlich setzte er beim Red-Bull-Klub in Bergheim auf hartes Pressing, eine gewisse Kompatibilität mit den Stärken des Nationalteams ist also sicher gegeben.

Aber kann er die Defizite im Aufbauspiel mit Ballbesitz beheben? Ist der Sprung vom Frauen-Team aus dem beschaulichen Salzburger Vorort direkt in die höchste Klasse der Nations League nicht doch sehr groß? Vor allem jedoch: Was sagt seine Verpflichtung und der Weg dorthin über den ÖFB aus – und dessen längerfristigen Plan für die Frauensektion, und gibt es eine solchen überhaupt?

Die ersten Bewährungsproben des 46-jährigen Salzburgers kommen jedenfalls rasch, am 21. Februar steht in Ried das erste Nations-League-Spiel gegen Schottland an, vier Tage später geht es in Nürnberg gegen Deutschland.

Rätselraten hat ein Ende

Am 21. Dezember trat Liése Brancão als Trainerin von Serienmeister SKN St. Pölten zurück. Eine Woche später, ab 27. Dezember wurde die Trennung von Irene Fuhrmann und dem ÖFB offiziell. Die Vermutung lag nahe, dass Li wiederum nur wenige Tage später als neue Teamchefin vorgestellt wird. Doch dann passierte… nichts. Über Wochen. Zuletzt hieß es, sie wäre nie eine ernsthafte Kandidatin gewesen.

Natürlich sagt niemand etwas on the record, aber es war zu vernehmen, dass sich die Suche erst in den letzten Tagen intensiviert haben könnte oder dürfte – ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel selbst gab an, „ab Anfang Jänner intensiv mit Kandidaten, denen ich den Job zutraue“, gesprochen zu haben. Aus welchem Pool suchte man? Wenn die Vorgaben waren „aus Österreich“ und „hat Erfahrung im Frauenfußball“, verbunden mit der vorgeschriebenen Trainer-Pro-Lizenz, sind die Möglichkeiten begrenzt. Dominik Thalhammer, Markus Hackl, Sargon Duran, Michael Steiner, Andreas Heraf, Kurt Russ und Alexander Schriebl, technically auch Johannes Uhlig, dazu Irene Fuhrmann und Maria Wolf sowie Liése Brancão, die aktuell den Pro-Lizenz-Kurs absolviert.

Konkret darauf angesprochen, sagte Schöttel:

„Ich habe auch über Kandidaten aus dem Ausland nachgedacht, es gab auch Gespräche, aber in den Endgesprächen am Schluss waren ausschließlich österreichische Kandidaten. Ich denke schon, dass man die Verpflichtung von Alex als Signal an die österreichische Liga werten kann, dass hier spannende Trainer am Werk sind und… ja.“

Und genau das offenbart so ein wenig das Problem.

Trainersuche per Namedropping

Denn ein echtes, inhaltliches Anforderungsprofil für den Posten – hat es das überhaupt gegeben? Es ist schon okay, als Verband zu sagen: Wir wollen das hier in Ruhe über die Bühne bringen, ohne eine öffentliche Debatte – die es auf der Frauen-Seite des ÖFB aber ohnehin eher als Stürmchen im Wasserglas gegeben hätte, nicht als ausgewachsenes Massenphänomen wie bei den Männern.

Wo waren die Problemfelder der letzten Monate unter Fuhrmann, wie kann man die beheben?

Wie soll der Fußball der ÖFB-Frauen mittel- und langfristig aussehen?

Welche Ziele setzt man sich für die nächsten fünf Jahre, zehn Jahre?

Ganz platt formuliert: Welche Vision gibt man sich für das Frauen-Team?

Diese Fragen müssten eigentlich beantwortet werden, ehe man mit diesen Antworten eine Shortlist an Namen erstellt, unabhängig davon, ob man dann in Österreich oder beispielsweise auch in Deutschland oder der Schweiz fündig wird oder womöglich ganz wo anders – der belgische Verband holte sich als Nachfolger von Langzeit-Teamchef Ives Serneels etwa Elisabet Gunnarsdottir, eine Isländerin, die 15 Jahre in Kristiansand in der schwedischen Liga Trainerin war. ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel hatte ja schon bei der Rangnick-Verpflichtung zugegeben, dass es jenseits seiner Phantasie war, ihn überhaupt zu fragen – Rangnick bot sich vor knapp drei Jahren praktisch selbst an.

Wer passt zum Status Quo?

Nun hat Schöttel dieses Netzwerk in der Frauen-Szene nicht, aber das macht nichts, es gibt im Umfeld genug, die das haben. ÖFB-Frauenfußball-Direktorin Isabel Hochstöger etwa. Die Sportchefin des SKN St. Pölten, Tanja Schulte, ist selbst Deutsche und hat schon vor 15 Jahren mit ihren Kontakten Transfers österreichischer Talente nach Deutschland eingefädelt. Man kennt sich ja.

Tatsächlich wirkt die Schriebl-Verpflichtung auf den ersten Blick so, als würde man sich im ÖFB auf eine Handvoll Möglichkeiten beschränken, Namen streichen die nicht gehen oder die man nicht will, dann sich für den entscheiden, der übrig bleibt – um hinterher eine Erklärung retro-fitten zu können, warum genau diese Entscheidung genau die ist, die inhaltlich optimal war.

„Die Art und Weise, wie seine Mannschaft Fußball spielt, deckt sich aus meiner Sicht sehr mit der Spielidee, die wir beim ÖFB eingeführt haben“, erklärte Schöttel bei der Vorstellungs-PK. Also: Wer passt zum Status Quo? Fein, mit dir machen wir das dann, zumindest bis zum Ende der WM-Quali für Brasilien 2027. Dann schauen wir mal, wie der neue Status Quo aussieht.

Über den Tellerrand der Komfortzone

Alexander Schriebl selbst, der nun also den Zuschlag bekommen hat, ist unbenommen von all dem aber sehr wohl eine spannende Persönlichkeit. Neben seiner Tätigkeit als Trainer von Red-Bull-Kooperationsklub FC Bergheim in der Frauen-Bundesliga bietet er verschiedene Fortbildungs-Kurse an, darunter auch „Train The Trainer“ – also Seminare für Coaches. Auch Camps für vereinslose Profis sowie für Kinder und Junioren.

Diese Tätigkeit ist es auch, weswegen er im Sommer so oder so als Chef-Trainer in Bergheim von Dušan Pavlović abgelöst worden und als Trainer in den Nachwuchsbereich gewechselt wäre – auf eigenen Wunsch, wie es heißt. Pavlović übernimmt in Bergheim nun eben schon jetzt.

Von Juli bis Dezember 2023 begab sich Schriebl zudem mit seiner Frau – Lehrerin und psyochosoziale Betreuerin – und den beiden Kindern auf eine „Auswandern-auf-Zeit“-Reise nach Mexiko. Das schult den Blick über den Tellerrand des Lebens und mit dem Verlassen von Komfortzonen hat Schriebl ganz offenkundig keine Probleme.

Ein Pressing, dass die Fetzen fliegen

Vorweg: Es ist sehr problematisch, die Details aus dem Bergheim-Spiel direkt auf ein österreichisches Nationalteam umzulegen. Andere Spielerinnen, andere Typen, auch andere Gegner und andere Gegebenheiten. Es kann hier nur um die generelle Attitude gehen, die grobe Sicht darauf, wie der Fußball gedacht wird.

Und wie spielt Bergheim nun inhaltlich? Ganz klar, hier wird nach der Handschrift von Red Bull agiert, und zwar nicht das lauwarme Irgendwas von Lijnders oder mit Struber’schen Mauer-Elementen, sondern quasi Old School Red Bull.

Anders gesagt: Hier wird angelaufen, dass die Fetzen fliegen.

Dabei ist es Schriebl und dem Team komplett wurscht, ob sie da mit Kleinmünchen/Blau-Weiß oder dem LASK auf dem Feld stehen, die gegen den Abstieg spielen, oder mit dem SKN St. Pölten oder der Austria, die um die Meisterschaft rittern. Hinten rausschieben, schon im Mittelfeld den Gegner unter Stress setzen, den Raum eng machen und die Zeit knapp. Es wurde in der Liga im Herbst 2024 zum Running Gag, dass Bergheim daheim immer 0:0 spielt.

Ein Hochfrequenzbohrer, der weh tut

0:0 gegen Lustenau/Dornbirn, 0:0 gegen die Austria, 0:0 gegen St. Pölten, 0:0 gegen Sturm Graz, 0:0 gegen Altach. Aber was nach Beton-Kick klingt, war das ganz und gar nicht, zumindest nicht im klassischen Sinn. Gegen Bergheim spielen zu müssen, ist grindig, macht keinen Spaß, es ist wie ein Zahnarztbesuch: Der Hochfrequenz-Bohrer verursacht Schmerzen.

Was Bergheim jedoch nicht zeigt, oder nur in Spurenelementen, ist ein eigenes Aufbauspiel. Kurze Abstoß-Varianten, wie sie in in den letzten Jahren modern wurden, gibt es bei Schriebls Bergheim nicht; das ist eher Dump-and-Chase: Weit nach vorne das Ding, und dann in Mannschaftsstärke nachpressen, die Abwehrreihe schiebt dabei bis zur Mittellinie vor. Auch hier gilt: Und wenn das der SKN ist, dann ist das halt der SKN. Wir schieben hoch.

Wie kann das für die ÖFB-Frauen passen?

Beim Frauen-Nationalteam des ÖFB, war es genau die Schwäche im Spielaufbau, die gegen vernünftige Teams auf Augenhöhe nötig wurde, die im letzten Jahr zum Misserfolg der verpassten EM geführt hatten. Bergheim hat quasi gar keinen eigenen Aufbau und in der Liga ist dieser auch nicht nötig: Es stellt sich da praktisch niemand eisenhart hinten rein, zumindest nicht gegen Bergheim. Nicht mal der LASK, der mit einer Passiv-Taktik gegen das reichlich unkreative Team aus Neulengbach einen überraschenden Sieg einfahren konnte.

Da Bergheim den Raum um den Ball extrem verdichtet, ist es nach einem Ballgewinn auch oft sehr eng, und da sind Laufwege und Entscheidungsfindung ziemlich oft eher off. Trotz Tuchfühlung zu den Top-4 in der Tabelle und bei allem Talent, das vor allem Alessia Pamminger hat, aber auch die Spinn-Schwestern und etwa auch Sara Grabovac unbestritten haben – es ist kein Zufall, dass Bergheim in den 13 Spielen im Herbst nur sieben Tore erzielt hat, davon fünf gegen den Letzten und den Vorletzten.

Freilich, die Auffassungsgabe und die Umsetzung ist bei einer Sarah Zadrazil von den Bayern, einer Marie Höbinger von Liverpool oder einer Eileen Campbell von Freiburg eine andere als bei einer Horde von 16- und 17-Jährigen. Bergheim stellt eine extrem junge Truppe. Furchtlos, lernwillig, aber zuweilen auch naiv und jedenfalls noch ziemlich unroutiniert.

Die Attitude aber: Lust am Fehler provozieren, nicht Angst vorm Fehler machen. „Unser Fußball ist nicht typisch und nicht alltäglich im Frauenfußball in Bergheim, das ist es, was ich auch mit dem Nationalteam machen möchte“, kündigt Schriebl an.

Seekirchen, Horn, Bergheim …

Als Spieler hat Schriebl, normalerweise in der Offensive daheim, zwischen 1998 und 2010 für Prä-RB-Salzburg, Braunau, Lustenau, Schwanenstadt, die Austria-Amateure und Hartberg in Bundesliga und 2. Liga gespielt. Dann war er Co-Trainer bei Austria Salzburg, ehe er mit einem starken Frühjahr 2016 als Cheftrainer bei Kuchl in der Salzburger Liga auf sich aufmerksam machte.

Es folgten vier Regionalliga-Jahre in Seekirchen, wo er mit einer über diese vier Jahre personell nur minimal veränderten Mannschaft die Plätze zehn, zwölf, fünf und drei einfuhr – und schon da war die Prämisse: Egal wie übermächtig ein Gegner ist, die Spielidee steht, und die Spielidee war da schon die selbe wie später in Bergheim. „Das ging so weit, dass wir in einem Testspiel gegen Red Bull Salzburg, damals unter Marco Rose, selbst unser Spiel im Red-Bull-Stil umzusetzen probiert haben“, erzählt Benjamin Taferner, langjähriger Stürmer unter Schriebl beim Flachgauer Verein.

Von 2016 bis 2020 war Schriebl Trainer in Seekirchen, mit einer über Jahre kaum veränderten Mannschaft. Sebastian Rauter kam auf diversen Positionen zum Einsatz, wenn da und dort mal jemand fehlte.

Die ausgesprochen geringe Fluktuation in Seekirchen – und auch beim Nationalteam kann man ja nicht mal so eben sechs neue Leute holen, wenn’s nicht passt – fällt auf. „Er nimmt alle Spieler mit, auch die Nummer 16 und die Nummer 20“, erzählt Taferner, „niemand hört gerne, dass er nicht im Kader ist, aber alle waren gerne da. Alex hatte überall nur gute Nachrede, auch von Leuten, die sportlich nicht so zum Zug gekommen sind. Am Platz und in der Kabine kann er auch ein harter Hund sein, aber außerhalb des Platzes war er gleich wieder eine Frohnatur mit einem offenen Ohr für die Anliegen seiner Spieler.“

In Bergheim hat er mit Mittelfeld-Raute spielen lassen, in Seekirchen zuvor üblicherweise ein flaches 4-4-2, wobei das System der Gegner gegebenenfalls gespiegelt wurde. „Wir waren meistens selbst verantwortlich für Erfolg oder Misserfolg“, erinnert sich Taferner, „wenn wir gewonnen haben, wussten wir im Normalfall, warum. Wenn wir verloren haben, auch.“ Das klingt banaler, als es ist. Dieses Wissen erleichtert die Analyse, macht auch die Spieler offener für Adaptierungen.

Im September 2020 ging Schriebl von Seekirchen direkt zu Zweitligist Horn – als vierter Trainer am 6. Spieltag – und musste den von UFA-Media hinterlassenen, wild zusammen gestoppelten und schnell auch wieder halb zerflogenen Kader-Schweinestall irgendwie sportlich moderieren, ein Himmelfahrtskommando. Im Sommer 2022 war er ein paar Monate in der Regionalliga bei Saalfelden, es folgte der Ausladsaufenthalt in Mexiko. Seit einem Jahr war Schriebl Trainer beim FC Bergheim – dem Kooperations-Klub von Red Bull Salzburg, der im Sommer vollends im RB-Branding aufgehen wird. Bernd Winkler, Leiter der Frauen-Abteilung von RB Salzburg und einst Teamkollege bei Salzburg-Alt und Braunau, hat Schriebl dort installiert.

… Nations League

Man sieht schon – Kuchl, Seekirchen, Horn, Bergheim, nein also die große Fußballwelt ist das nicht. Beim ÖFB erwartet Schriebl ein vielköpfiges Trainerteam und ein noch umfangreicherer Staff. Was er bisher machte, war von regionalem Interesse oder in einer ziemlich kleinen Nische ohne eine echte Öffentlichkeit. Nun wird er in ein paar Wochen in die Nations League starten – es ist alles ziemlich hochskaliert. „Es ist ein Sprung und der tollste Job im Frauenfußball in Österreich“, so Schriebl bei seiner Vorstellung.

Aber einen Einblick, was im internationalen Frauenfußball auf diesem Niveau geboten ist, was Möglichkeiten und Infrastruktur betrifft, aber auch das Umfeld, konnte er zwangsläufig noch nicht aus erster Hand gewinnen. Der Posten als Teamchef der ÖFB-Frauen ist, was den öffentlichen Rechtfertigungsdruck angeht, nicht mit Trainer-Jobs bei Rapid, bei Sturm oder beim Männer-Team vergleichbar. Er ist aber sehr wohl mit mehr (nicht selten auch untergriffig formulierter) öffentlicher Kritik verbunden als jene in Seekirchen und Bergheim.

„Egal, welches Niveau“, wehrte Schriebl aber ab, „es geht um den Menschen – Liebe,  Wertschätzung, Anerkennung, Zugehörigkeit. Ich sehe nicht viel Druck, es ist Fußball, es ist ein Spiel. Du kannst dich nur bestmöglich vorbereiten.“

An den Ansprüchen messen

„Es gibt Erwartungen und das ist ja gut und soll auch in Zukunft so sein“, so Schriebl weiter, und er betont in Hinblick auf EM- und WM-Endrunden: „Die Erwartungen sind, dass wir uns qualifizieren. Und wir können ein Publikum nur begeistern, wenn wir selber begeistert sind und wir ein Spiel auf den Platz bringen, das begeistert, Leidenschaft zeigt, Wille zeigt. Dann können wir viel bewegen.“

Ja, es ist durchaus möglich, dass der ÖFB mit Alexander Schriebl über eine Goldmine gestolpert ist – ein absolut geerdeter Mensch, für den seine Teams durchs Feuer gehen und dessen Vorstellung vom Fußball zum Team passt. Es kann sein, dass er die spielerischen Probleme vielleicht nicht löst, aber einen funktionierenden Weg findet, um diese Probleme herum zu spielen.

Es kann auch sein, dass es nicht funktioniert. Dass man aus der Nations League absteigt und dann im WM-Playoff aus einem dann vermutlich recht starken Team hängen bleibt, dass die gewünschte Entwicklung nicht stattfindet.

Wohin soll es jetzt wirklich gehen?

Wobei, und hier schließt sich der Kreis wieder: Was ist eigentlich die gewünschte Entwicklung? Darauf gab es auch bei der Vorstellungs-PK keine echten Antworten. „Wichtig ist, dass wir sehr klar sind in dem, was wir wollen“, forderte Schriebl zwar, „alle, ich genauso, und die Rahmenbedingungen vorgeben.“

Aber mit welchen klaren Strategien will man im ÖFB den Frauenfußball nun entwickeln, Peter Schöttel? „Wir können alle miteinander nur den Stellenwert des Frauenfußballs erhöhen durch Maßnahmen in den unterschiedlichsten Abteilungen, aber natürlich auch von außerhalb, dass wir alles unternehmen, um das, was sehr schleppend voran geht, zu beschleunigen.“

Na, wenn das mal keine klare Aussage ist.

Ein Ziel vor Augen

Als Willi Ruttensteiner damals im Frühjahr 2011 Dominik Thalhammer als Leiter der frisch aufgestellten ÖFB-Frauen-Akademie in St. Pölten verpflichtete – und Thalhammer wenige Wochen später nach dem Tod von Ernst Weber auch das Nationalteam übernahm – war das noch mehr eine Personalie aus der ganz tiefen Tiefe des Raumes als es Schriebl jetzt war.

Thalhammer arbeitete mit einem langfristigen Plan, den er konsequent verfolgte. Es war ganz klar, wie das Team spielen sollte, der Weg dorthin dauerte einige Jahre, aber die erfolgreiche EM 2017 mit dem Halbfinale bestätigte die Richtigkeit des Weges. Einige seiner Ideen in den Jahren danach waren womöglich etwas zu avantgardistisch, um sie in der Praxis gewinnbringend umsetzen zu können, aber sein Credo war immer: Ständige Weiterentwicklung, stets neue Inputs liefern und immer ein ambitioniertes, langfristiges Ziel anvisieren.

Er war genauso mit Herzblut bei der Sache wie danach Irene Fuhrmann, die etwas andere fußballerische Prioritäten setzte – taktisch weniger komplex, Arbeitsethos im Zweifel wichtiger als Körpergröße und Tempo, es galt zudem einen Generationswechsel zu vollziehen. Es gab schöne Erfolge und den Einbau einiger junger Spielerinnen für das nächste Jahrzehnt, das Pressing klappte meistens gut, am Ende ging der Amtszeit aber spürbar die Luft aus und auch die Ideen in der Spielgestaltung.

Mach mal, Trainer

Was Schriebl bei Bergheim spielen hat lassen ist tatsächlich sehr nahe an der Spielweise, für die auch der österreichische Nationalteamfußball steht – Anfang der Zehner-Jahre eingeführt von Marcel Koller bei den Männern und eben Thalhammer bei den Frauen. So gesehen ist die Entscheidung für ihn durchaus folgerichtig. Und doch stiehlt sich der ÖFB ein wenig aus der Verantwortung, so macht es zumindest den Anschein.

Fuhrmann hatte in ihrer allerletzten PK als Teamchefin, nach dem 0:1 in Wien gegen Polen, dem Verband nochmal so öffentlichkeitswirksam wie möglich mitgegeben, dass es mehr Investment braucht, etwa in den Trainerstab, in dem sie tatsächlich die einzige ist, die auch zwischen den Terminen hauptamtlich beim ÖFB arbeitet. Wird Schriebl froh sein, überhaupt zum ersten Mal so einen großen Staff zu haben und eben nicht unbequem mehr fordern? Nicht ausgeschlossen.

Und auch auf Aussagen zu einer strategischen Ausrichtung, die über ein „So wie bisher, nur bitte erfolgreicher“ hinausgehen, wartet man aus der sportlichen Leitung des ÖFB vergebens. Mach mal, Trainer, passt schon. Was wollen wir mittelfristig? Bei EM-Endrunden dabei sein. Ja, eh, aber das logische Ziel als ausreichend verkaufen?

Ins kalte Wasser

Schriebl gilt als Entwickler, als Tüftler. Er kommt nicht daher und stülpt ein System drüber – sehr wohl aber ist die Spielidee unumstößlich. So gesehen ist klar, was in den nächsten Jahren von den ÖFB-Frauen auf dem Platz zu erwarten ist. Und doch wird vieles von dem, was Aufgabe des Verbandes ist – langfristige Strategien, klare und ambitionierte Zielvorgaben, Richtungsentscheidungen, Aufmerksamkeit für das Team kreieren – auf den Trainer abgeladen, dieser ins kalte Wasser geworfen. „Am Beckenrand lernt man nicht schwimmen, ich springe gerne ins kalte Wasser“, grinste Schriebl zwar.

Aber der ÖFB tut so nicht viel dafür, den Eindruck seines Desinteresses am Frauenfußball zu zerstreuen.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.