Mit einem 1:3 gegen Kroatien endete die erste Nations-League-Kampagne für Österreich mit dem Abstieg. Wie in den meisten Spielen zeigte das ÖFB-Team auch hier gute Ansätze und starke Phasen, letztlich trafen die Kroatien im Spielverlauf aber die besseren Entscheidungen. So sicherten sie sich selbst den Gruppensieg.
Wie schon beim 3:0 in Osijek vertraute Ralf Rangnick auf ein System mit Dreier-Abwehr. Damals hat es überhaupt nicht funktioniert und wurde nach einer halben Stunde für jenes 4-2-2-2 aufgegeben, das seither das Stamm-System war. Posch, Danso und Alaba bildeten die Dreierkette, Trimmel und Sabitzer (!) gaben die Wing-Backs, Schlager und Seiwald das Mittelfeld-Zentrum. Vor einem Christoph Baumgartner mit großem Aktionsradius stürmten Arnautovic (der mit dem 104. Länderspiel nun alleinige Rekordhalter auf der Männer-Seite ist) und Michael Gregoritsch.
Nach außen verteidigen
Die rasche Antwort auf das 0:1 in Form des Ausgleiches war wichtig, weil Österreich dadurch nicht lange dem Spielstand nachjagen musste. Kroatien hatte ein deutliches Übergewicht an Ballbesitz, das ÖFB-Team verteidigte die Gegner (im gewohnten 4-3-3 aufgestellt) nach außen. Anders als Österreich selbst drei Tage zuvor in Paris lief sich Kroatien dort aber nur bedingt fest. Die Qualität der Spieler und ihere Ballsicherheit erlaubte es ihnen, sich in den offensiven Halbräumen festzusetzen: Mit kurzen, schnellen Pässen wurde das österreichische Anlaufen umspielt.
Als Marcelo Brozovic nach einer Viertelstunde verletzt ausschied, änderte sich die Statik des Spiels ein wenig. Das lag aber weniger an Lovro Majer, der für Brozovic ins Spiel kam, sondern an daran, dass sich zunächst Baumgartner, dann vermehrt auch Gregoritsch in diese Halbräume fallen ließen. Wo zuvor nur Schlager und Seiwald für das Engmachen der Räume zuständig waren, gab es nun geringere Abstände.
Relais-Station ohne Impulse
Das Umschalten, wenn es Ballgewinne gab – vor allem in der eigenen Hälfte – war nicht gerade überfallsartig. Eher wurde darauf geachtet, den Ballbesitz zu sichern. Schlager und Seiwald hielten sich mit Vorwärtspässen auffällig zurück. Der gelegentliche Diagonalpass auf den aufgerückten Wing-Back, der gelegentliche Dribbling-Vorstoß (so wie bei Schlager, der kurz vor der Pause Arnautovic‘ große Torchance auflegte), aber viel mehr kam offensiv von den beiden nicht.
Dies führte dazu, dass Österreich das Spiel mit Fortdauer des Matches immer mehr beruhigen konnte und auch in der Ballbesitz-Statistik den früh verlorenen Boden wieder ein wenig aufholen konnte. Das führte aber nicht dazu, dass sich Österreich in der gegnerischen Hälfte gewinnbringend festsetzen hätte können. Versuche, hinter die kroatische Abwehr zu kommen (und sei es nur, um Eckbälle zu provozieren) waren absolute Mangelware.
Kroatische Adaptierung, österreichische Umstellung
Nach Brozovic‘ Auswechslung ging Kovacic auf die Sechs, Majer und Modric besetzten die Achter-Positionen. In der zweiten Halbzeit wurde aus dem 4-3-3 bei Kroatien ein 4-2-3-1, in dem Lovro Majer auf die Zehner-Position ging und situativ sogar neben Mittelstürmer Budimir (bzw. danach Livaja) auftauchte. Damit fiel Österreich der erste Pass schwerer und in der Folge auch die Tiefenbewegung. Nicht, dass Kroatien plötzlich wieder Oberwasser hatte, aber das Spiel schlief ein wenig ein.
Das wird Rangnick wohl zu dem Dreifachwechsel und der Systemumstellung nach 60 Minuten bewogen haben. Wie Zlatko Dalic zuvor ging nun auch er auf ein 4-2-3-1, mit Wöber und Lainer auf den Außenverteidiger-Positionen, Sabitzer und Cham (bei dessen Debüt) auf den Flügeln und Baumgartner hinter Gregoritsch. Bevor sich Österreich in der neuen Formation wirklich eingrooven konnte, kassierte man aber das 1:2 und gleich darauf das 1:3 – jeweils aus Hereingaben von der rechten Abwehrseite, bei denen die Abstimmung im Zentrum nicht passte.
Damit war die Luft bei Österreich entwichen. Die Kroaten ließen in der Folge den Ball wieder vermehrt in den eigenen Reihen zirkulieren, ohne mit Nachdruck den Weg nach vorne zu suchen und die Begegnung plätscherte ihrem Ende entgegen.
Fazit: Versuch war da, Limitationen auch
Dass die Umstellung nach einer Stunde ein Schuss in den Ofen war, räumte ja auch Ralf Rangnick selbst unmittelbar nach dem Spiel ein. Wobei der Gedanke wohl kein falscher war, ein einschlafendes Spiel mit eigenem Schwung neu in Gang zu bringen. Wie oft haben wir uns bei Foda aufgeregt, dass er nach einer Stunde ein Spiel bremsen wollte, anstatt die Daumenschrauben anzulegen. Was hätte es geholfen, ein Remis über die Zeit zu schaukeln? Nichts. Zum einen entspricht es nicht Rangnicks Denkweise – man erinnere sich an seinen Ärger nach dem späten Ausgleich durch Frankreich in Wien – und zum anderen hätte man so oder so nur mit einem Sieg die Chancen auf den Verbleib in der A-Gruppe nützen können.
Sofern der Gegner es zulässt, ist die Spielanlage unter Rangnick initiativer als unter Foda, das bleibt so, auch wenn man es in Paris nicht so richtig gesehen hat. Es wird versucht, selbst eine Entscheidung herbeizuführen – nicht, eine Entscheidung für den Gegner zu verhindern. Die Gegner in der Gruppe waren stark (Weltmeister, Vize-Weltmeister, EM-Halbfinalist), in vier der sechs Spiele hat man entweder angeschrieben und hatte die realistische Chance darauf.
Das ist gut, aber es wurden auch die Limitierungen des Teams deutlich. Es gibt ein Überangebot an tauglichen zentralen Mittelfeldspielern (Laimer und Grillitsch verleihen dem Zentrum nochmal andere Elemente als Schlager und Seiwald), gute Innenverteidiger sowie Stürmer, die grundsätzlich wissen, wo das Tor steht. Aber die Außenbahnen sind echte, teils dramatische Problemzonen. Um das Fehlen eines Zehners (und auch einen solchen hat Österreich nicht wirklich) kann man herumspielen, um fehlende Außenspieler nicht.
Das Team ist gut genug aufgestellt, um ohne große Sorgen in die EM-Qualifikation zu gehen (die am 9. Oktober ausgelost wird und Ende März 2023 startet) und die Teilnahme an der Endrunde in Deutschland muss das logische Ziel sein. Mit den echten Big Boys kann Österreich aber nicht ganz mithalten. Dafür müsste Rangnick ein Zauberer sein und sich auf magische Weise ein paar Flügelspieler herzauben, die auch in die Tiefe gehen.
So lange es die nicht gibt, hilft nur eines: So gut wie möglich darum herum spielen. Das hat Rangnick in dieser Nations League probiert. Er wird seine Schlüsse aus dem Gesehenen ziehen.