Bayern vor Dortmund und Leverkusen: Wer vor der Saison auf diesen Einlauf wettete, hat damit nicht viel Gewinn gemacht. Ein Hochgenuss war diese Spielzeit allerdings nicht: Vom Top-Duo abgesehen, fehlt es der Liga eklatant an konstant starken Teams, sodass die Qualität im Kampf um die Europacup-Plätze schon arg zu wünschen übrig ließ. Auch gibt es nur sehr wenige Trainer, die ihre Teams markant vom konservativen Mainstream abweichend spielen lassen.
Wir blicken noch einmal kurz auf die 18 Teams und ziehen eine Bilanz über diese Bundesliga-Saison.
Der Titelkampf
In seiner dritten Saison als Bayern-Trainer schien Pep Guardiola eingesehen zu haben, dass er die grundsätzlich konservative deutsche Fußball-Kultur nicht ändern wird können. Dass ein Großteil der deutschen Fußball-Öffentlichkeit sich nicht für die spannenden Details seiner Positionsspiel-Philosophie interessiert und von seinen zuweilen dadaistisch anmutenden Interviews zunehmend genervt ist.
Ex-Leverkusen-Stürmer Ulf Kirsten umriss in seiner Meinung über Guardiola nach dem CL-Aus gegen Atlético die deutsche Haltung zum Fußball kurz und bündig: „Lieber spiel‘ ich scheiße und gewinn‘, als mit fliegenden Fahnen auszuscheiden!“ Dagegen kam selbst ein Weltstar wie Guardiola nicht an.
Wie überhaupt seine dritte und letzte Saison in München von einem Pragmatismus geprägt war, den man von Guardiola nicht kannte. Er spielte die Saison quasi mit zwei Systemen durch – eine Quote, die er in den Jahren davor oft noch nach einer halben Stunde überboten hat. Vereinzelt gab es noch echte Glanzlichter (wie die Spiele gegen Wolfsburg, Dortmund und Arsenal, die sehr nahe an der Perfektion waren), aber es häuften sich die Spiele, in denen am Ende halt ein knapper Sieg stand. Glanz geht anders.
Zudem war auch diese Saison von vielen Verletzungen geprägt, die ihn zwangen, oft mit Alaba und Kimmich in der Innenverteidigung zu spielen. Die Bayern waren immer noch stabil, gewannen immer noch fast jedes Spiel, aber das Team selbst schien immer mehr genervt zu sein von Gegnern, die sich mit Fünfer-Abwehrketten hinten einbunkern. Es ist kein Zufall, dass der unkonventionelle Müller und der agile Lewandowski alleine zwei Drittel der Tore erzielten.
Die Bayern sind ein verdienter Meister, weil sie gegen die „Kleinen“ fast nichts hergaben und in den direkten Duellen gegen Dortmund die Oberhand behielten: mit einem 5:1 im mit Abstand besten Bundesliga-Spiel der Saison im Herbst und einem kontrollierten, aber eher drögen 0:0 in Dortmund im Frühjahr. Sehr viel mehr an Qualitätsunterschied gab es aber zum BVB nicht: Die Borussia spielte im ersten Jahr unter Thomas Tuchel eine herausragende Saison und scheiterte im Grunde nur daran, dass die Bayern einfach noch ein bisschen stabiler waren.
Tuchel vollführte keinen kompletten Umbruch und warf nicht alles über den Haufen, sondern übernahm fast vollständig den Kader aus der letzten Saison, als man unter Klopp als Letzter überwinterte. Er drehte an ein paar Stellschrauben und entwickelte so aus dem (in besten Zeiten) unglaublich dynamischen Umschaltfußball von Klopp eine kontrolliertere, mehr auf den eigenen Aufbau ausgerichtete Spielanlage. In dieser Saison hat Dortmund als eine von nur zwei Bundesliga-Teams einen Ballbesitz-Wert von signifikant über 50 Prozent. Bei Klopp bewegte sich der Ballbesitz über die Saisonen meist zwischen 53 und 54 Prozent, nun unter Tuchel sind es 60.
Eine Maßnahme, die etwa Henrikh Mkhitaryan sehr zu Gute kam; der in der letzten Saison gebrochen wirkende Armenier blühte auf. Aubameyang ist ein Stürmer, der auch gegen statische Abwehrketten seine Stärken ausspielen kann. Und Julian Weigl, von 1860 München gekommen, war vom ersten Moment an Stammkraft auf der Sechs und sorgte gleichzeitig für Stabilität und – vor allem – für eine ungeheure Passsicherheit. 95 Prozent der Zuspiele des 20-Jährigen kamen an.
Da bei der Borussia nun alles läuft und bei den Bayern ein gewisser Umbruch ansteht, ist Dortmund sicherlich kein Außenseiter im Titelrennen der nächsten Saison
Die erwarteten Internationalen
In seinem zweiten Jahr als Leverkusen-Trainer nahm das Image von Roger Schmidt erste merkliche Schrammen an. Zum einen war da natürlich sein unmögliches Benehmen gegenüber Referee Felix Zwayer (wiewohl man den Hitzkopf in Schmidt ja auch aus seiner Salzburger Zeit kennt), zum anderen natürlich sportlich. Statt sich als ernsthafter Bayern-Verfolger zu etablieren, war Bayer schon im Herbst ziemlich hintennach. Zum einen franzte das auf enorme kollektive Arbeit ausgelegte Pressing- und Umschaltspiel ziemlich aus, zum anderen konzentrierte sich zu viel auf Hakan Calhanoglu. In der Champions League krachte man in einer nicht übertrieben problematischen Gruppe aus 100% eigenem Verschulden raus, in der Liga war phasenweise sogar ein Europacup-Platz in Gefahr.
Zwei Spieler zogen Leverkusen in der Schlussphase der Saison aus dem Sumpf heraus: Javier Hernández, Chicharito genannt, und Julian Brandt. Ersterer mit seinen Toren am Fließband, der junge Blondschopf mit einer herausragenden Rückserie. Davon abgesehen fehlt es aber an der Konstanz auf hohem Niveau: Karim Bellarabi ließ seiner tollen ersten Bayer-Saison nun eine eher anonyme folgen; Hakan Calhanoglu schießt zu viel selbst, Kevin Kampl (der gegenüber allen anderen einen Zwei-Jahres-Vorsprung im Roger-Schmidt-Fußball hat) fehlte lange verletzt; die Außenverteidigern haben Potenzial, aber noch nicht ganz internationale Reife. Dazu fehlte Lars Bender im Grunde das ganze Jahr.
Bayer hat eine deutlich von der Mehrzahl der Liga-Teams abweichende Spielanlage, das ist positiv zu vermerken. Stellt sich Leverkusen aber nicht breiter auf, wird es auch weiterhin genug sein für einen CL-Platz, aber nicht, um Bayern und Dortmund ernsthaft über eine ganze Saison zu fordern.
Als der am wenigsten schlechte der Verfolger hat es am Ende die Gladbacher erwischt, die auf Platz vier und damit in der CL-Quali landen. Nach einem katastrophalen Saisonstart und dem Rücktritt von Lucien Favre nach fünf Spielen ohne Punkt konnte Nachfolger André Schubert auf einer Welle schwimmen, die die Fohlen wieder an die internationalen Plätze heranbrachte.
Der unverwechselbare Favre-Stil aber, die Ketten eng zu stellen und dem Gegner viele Torschüsse zu gewähren, aber nur aus aussichtsloser Position, war dahin. Von seiner Umstellung auf ein 3-4-1-2-System im Laufe der Rückrunde abgesehen, gibt es bei Gladbach nun recht gewöhnlichen Fußball zu sehen, der sich vor allem auf die beiden Hochbegabten im Zentrum stützt: Granit Xhaka, der das Spiel von hinten heraus lenkt und wohl vor dem Absprung in die Premier League steht, und Mahmoud Dahoud, der davor für die individuellen Ideen im Spiel nach vorne sorgt. Neben Weigl, Brandt und Kimmich ist Dahoud sicherlich eine der Entdeckungen der Saison.
Allerdings: Vier Auswärtssiege in 17 Versuchen (zwischen Oktober und Mai kein einziger) sind jetzt echt nicht so arg viel.
Niemand aber symbolisiert die Niveaulosigkeit des Schneckenrennens um den Titel „Best of the Rest“ so sehr wie Schalke 04. In André Breitenreiter glaubte man vor einem Jahr den richtigen Trainer für die gerade im Vorwärtsgang grandios talentierte, sehr junge und damit entwicklungsfähige Mannschaft gefunden haben.
Doch Breitenreiter etablierte einen starren Safety-First-Fußball, der so gar nicht zu den Spielertypen passen wollte. Leroy Sané konnte aufgrund seiner Position auf der Außenbahn aufzeigen und wurde schnell auch recht überhitzt als neues Jahrhundert-Talent gepriesen, aber die Stärken von Goretzka, Geis und Meyer verpufften.
Der ultimative Beweis, wie völlig verkehrt Breitenreiter sein Personal einsetzte, ist der Umstand, dass noch am vorletzten Spieltag eine negative Tordifferenz zu Buche stand. Es war keine Überraschung, als der neue Sportchef Christian Heidel (der nach vielen Jahren in Mainz den in Schalke letztlich grandios gescheiterten Horst Heldt beerbt) als erste Amtshandlung die Trennung von Breitenreiter vollzog. Augsburg-Coach Markus Weinzierl gilt als Favorit auf den Job.
Die überraschenden Internationalen
Apropos Mainz. Dort hinterlässt Heidel einen kerngesunden Verein mit einer grundsoliden Mannschaft, die nicht viel wirklich Spannendes macht, aber auch nicht viel Blödsinn. Das reicht in der aktuellen Verfassung der Bundesliga schon, um sich einen Platz in der Europa League zu sichern.
Natürlich: Die Mainzer haben auch ein paar echte Grundpfeiler; richtige Qualitätsspieler, die durchaus gehobene Bundesliga-Klasse haben. Neben dem bärenstarken Loris Karius im Tor (kein BL-Keeper vereitelte mehr Großchancen als er) sind das Sechser Julian Baumgartlinger und Zehner Yunus Mallı.
Der Rest ist bestenfalls Bundesliga-Durchschnittsware, aber es fällt auch niemand wirklich ab. Diese Verbindung aus drei, vier Schlüsselkräften (den routinierten Niko Bungert kann man vielleicht noch dazuzählen) und einem anonsten recht ausgeglichenen Kader war die richtige Mischung. Klar ist aber auch: Das ist der Plafond für Mainz.
Mehrere Etagen über dem erwarteten Plafond rangierte Hertha BSC über weite Strecken der Saison. Als Pal Dardai vor anderthalb Jahren übernahm, rettete er das in das Hauptstadt-Team mit viel Schwitzen und Keuchen, dafür mir sehr wenig vorzeigbarem Fußball über die Klassenerhalts-Ziellinie.
Viel ansehnlicher wurde der Fußball in dieser Saison nicht, dafür die Ergebnisse deutlich besser. Die Neuen fügten sich sofort ein (Weiser von den Bayern, Darida aus Freiburg, Ibisevic von Stuttgart) und auch Salomon Kalou zeigte nun etwas mehr Interesse.
Unterhaltsam ist der Hertha-Fußball aber keineswegs. Im Gegenteil, die Berliner sind so ein wenig das Island der Bundesliga: Kreuzbiederes 4-4-2, wenig Ballbesitz, Räume eng machen, Nach-vorne-Verschieben des ballnahen Mittelfeld-Außen gegen den Ball. Bis zum 29. Spieltag reichte das für den dritten Platz, bis sich die fehlende personelle und vor allem inhaltliche Substanz aber doch zeigte. AmSaisonnde gab es zwei Punkt aus sieben Spielen und einen Europa-League-Platz. Ist immer noch mehr, als in der Mannschaft eigentlich drin ist.
Die Abgestürzten
Dieter Hecking ist (wie etwa Breitenreiter und Schubert) so einer, den taktik-affine Beobachter der Bundesliga mit Argwohn betrachten. Und nach dieser Saison wird erst so richtig klar, wie sehr Hecking wohl eigentlich Kevin de Bruyne abbusseln müsste, dass er ihm 2015 Cup-Sieg und Vizemeister-Titel einbrachte.
Denn ohne das belgische Babyface, das nun bei Man City spielt, fehlte es am individuellen Momentum im Offensiv-Spiel. Hatte De Bruyne in der Saison 2014/15 noch sagenhafte 21 Assists geliefert, ist der beste Wolfsburger Torvorlagengeber in dieser Saison Max Kruse – mit sieben Assists.
Das liegt zum einen natürlich auch daran, dass der als De-Bryune-Ersatz verpflichtete Julian Draxler lange vergeblich nach seiner Rolle suchte, aber natürlich auch daran, dass Hecking keine wirklichen Strategien entwickelte, um diese Problemzone im Zentrum herum zu spielen. Die Konkurrenz erkannte das und nützte das aus – zudem kamen externe Storys wie der allzu öffentlich ausgetragene Zusammensturz von Stürmer Max Kruse, die eine ohnehin schon verunsicherte Truppe weiter nach unten zog.
So wird sportlich das einzig bemerkenswerte an dieser Saison ein 2:0 gegen Real Madrid bleiben. Von Augsburg bleibt immerhin ein augenzwinkernder Twitter-Hashtag: #KeineSau
Denn anders als der Vizemeister 2015 hat der FC Augsburg natürlich nicht damit gerechnet, den fünften Platz aus der Vorsaison wiederholen zu können. Den Europapokal-Herbst, in den man selbst von Vereinsseite mit einem „In Europa kennt uns keine Sau“ ging, genoss man in vollen Zügen und mit einem Last-Minute-Tor im letzten Spiel überstand man sogar die Gruppenphase (gegen Liverpool war dann in der ersten K.o.-Runde Schluss). Aber die Bundesliga-Performance litt darunter gewaltig.
Denn der verhältnismäßig dünne und personell gegenüber der Vorsaison kaum veränderte Kader war nicht auf die Doppelbelastung ausgelegt – vor allem mental nicht. Nach den Europacup-Schlachten gegen Bilbao, Alkmaar und Partizan fehlte im Liga-Alltag der Fokus. Zudem konnte Achter Daniel Baier seine unglaubliche Performance aus dem letzten Jahr nicht konservieren. Und da hatte Augsburg den Salat.
Doch selbst, als man nach dem Europacup-Aus lange nicht von hinten weg kam, brach nie Panik aus. Der Lohn: In den letzten anderthalb Saison-Monaten holte man (mitunter mit sehr viel Glück, aber doch) die entscheidenden Punkte zum Klassenerhalt.
(Angstvoller) Blick nach unten
Eine ausgesprochen solide Debüt-Saison in der Bundesliga hat Ingolstadt hinter sich. Ralph Hasenhüttl hat dem Team ein klares Gesicht verpasst, agierte auch gegen die starken Teams mit Mut und einer hohen Abwehrlinie (und dennoch einer recht geringen Gegentor-Quote) und verstand es, aus einem für diese Liga sicherlich eher unterdurchschnittlichen Kader einen Mittelfeldplatz, ein Abrutschen in die Abstiegs-Zone drohte den Schanzern zu keinem Zeitpunkt.
Natürlich: Gerade im Herbst war fast alles auf die Ideen von Pascal Groß angewiesen, es gab nicht so furchtbar viele Tore. Aber einzelne gute Formentwicklungen (Hartmann im Herbst, Hinterseer und Lezcano im Frühjahr) retteten Ingolstadt über harzige Phasen drüber. Roger Schmidt adelte Hasenhüttls Herangehensweise und lobte Ingolstadt dafür, ein Team mit einer eigenen, unverwechselbaren Identität zu sein.
Es ist nicht schwer vorherzusagen, dass man den wahren Wert von Hasenhüttls Arbeit in der Audi-Stadt erst dann wirklich ermessen kann, wenn es nächstes Jahr unter seinem Nachfolger Markus Kauczinski (einem soliden, aber inhaltlich recht gewöhnlichen Coach ohne außergewöhnlichen Ideen, zuletzt lange in Karlsruhe) wieder krachend in Richtung Tabellenkeller gehen sollte (was recht wahrscheinlich ist).
In Köln ist man grundsätzlich weiterhin froh, ohne allzu großes Drama ein weiteres Jahr in der Bundesliga überstanden zu haben. Dass der Fußball unter Peter Stöger außerhalb der Effzeh-Fangemeinde weiterhin kein besonders gutes Image hat (zu langweilig) und eine erkennbare Weiterentwicklung (auch den finanziellen Gegebenheiten geschuldet) nicht stattgefunden hat, wird sicherlich mit weniger Sorge betrachtet als die generelle Performance in der Rückrunde. Diese war nämlich sicherlich die schwächste Halbserie in den mittlerweile drei Jahren unter Peter Stöger.
So wanderte vor allem im April der Blick schon einigermaßen angstvoll in Richtung Abstiegszone. Über weite Strecken der Saison waren es vor allem der weiterhin überragende Torhüter Timo Horn, die Agilität von Marcel Risse und die Tore von Anthony Modeste, die Köln einigermaßen im Mittelfeld mitschwimmen ließen.
Stöger probierte gerne mit seiner Formation (öfter mal 3er/5er-Kette) und mit der Position einzelner Spieler (Teamspieler Hector öfter mal im zentralen Mittelfeld), an der grundsätzlichen Anlage änderte sich aber nichts. Stöger-Köln ähnelt deutlich mehr dem Stöger-Wr.-Neustadt als der Stöger-Austria oder gar dem furienhaften Offensiv-Pressing des Stöger-GAK. Leichter wird’s in der nächsten Saison vermutlich auch nicht werden.
Verglichen mit den letzten beiden Jahren (als der HSV jeweils in der Relegation mit deutlich mehr Glück als Klasse jeweils die Bundesliga hielt), war diese Spielzeit für Hamburg ein Schritt nach vorne. Von einer kurzen Phase im April abgesehen, verbrachte man die Saison quasi im defensiven Mittelfeld der Bundesliga.
Bruno Labbadia ließ den HSV spielen, wie Bruno Labbadia eigentlich immer spielen lässt: Vier Offensive an der Abseitslinie, die sich als Zielspieler für lange Bälle anbiete, gepaart mit okayem Tempo (Müller, Ilicevic) und körperlicher Robustheit (Lasogga, wenn fit; Rudnevs ist auch in seinem vierten HSV-Jahr ein Fremdkörper); defensiv gleichzeitig möglichst wenig Risiko. Das ist nicht besonders aufregend und eignet sich nicht wirklich zum Gestalten von Spielen. Nicht verwunderlich also, dass man gegen passive Teams oft schlechter aussah (kein Sieg gegen Köln und Darmstadt, Niederlage gegen Hannover), gegen aktive aber nicht selten gute Resultate holte (Siege gegen Dortmund, das Zorniger-Stuttgart, zweimal gegen Bremen; Remis gegen Leverkusen, keine Niederlage gegen Ingolstadt).
Die undankbare Aufgabe, einen ohne sichtbaren Plan erstellten Kader voller eigentlich eh nicht schlechter, aber halt nicht zusammen passender Spieler zu einem Ganzen zu formen, erledigte Labbadia ordentlich und es war nach zwei totalen Chaos-Jahren auch eine gewisse Struktur erkennbar, aber vor allem so manches Heimspiel war an der Grenze zur Zuseher-Folter: acht Heimniederlagen gab’s – nur die Absteiger Stuttgart und Hannover haben mehr. Und Darmstadt
Gekämpft und gerettet
Gleichzeitig brachten die Lilien gar nur zwei Heimsiege zu Stande. Dennoch stand der Klassenerhalt von Darmstadt sogar schon vor dem letzten Spieltag fest, nachdem der Aufsteiger quasi die ganze Saison zwischen Platz zehn und vierzehn verbracht hat – weil nur die Top-3 der Liga (Bayern, Dortmund, Bayer) mehr Punkte in der Fremde geholt haben.
Das spricht natürlich Bände über die Spielweise von Darmstadt, die in all ihrer Primitivität selbst unter den schöngeistigeren Beobachtern der Liga schon mit ein wenig kultischer Bewunderung betrachtet wurde. Nur 41 Prozent Ballbesitz (und damit noch fünf Prozent weniger als das nächste Team), bei Ballgewinn Langholz in Richtung Sandro Wagner, oder das Vertrauen auf Standardsituationen: Viel mehr hat Darmstadt nicht anzubieten. Nur: Das, was Darmstadt macht, macht Darmstadt gut. Sogar Guardiola hatte beim Spiel der Bayern am Böllenfalltor – ein 70er-Jahre-Stadion, das inmitten der modernen Bundesliga-Infrastruktur völlig aus der Zeit gefallen wirkt – so viel Respekt davor, dass er sein Team recht tief agieren ließ.
„Die Sonne scheint“ für Darmstadt also zumindest noch ein weiteres Bundesliga-Jahr. Dass sich an Spielweise (und Kultfaktor) des Klubs, der sein Underdog-Image mit offenen Armen aufnimmt und kultiviert, etwas ändert, ist nicht zu erwarten.
Dafür wird es auch in der kommenden Saison ein Bundesliga-Team geben, wo sich zumindest das Spielsystem Woche für Woche ändern dürfte: So nämlich, mit viel System-Flexibilität und wieder einer deutlich mehr auf Initiative ausgelegten Spielanlage nämlich trat Hoffenheim unter Jung-Trainer Julian Nagelsmann auf.
Markus Gisdol war an der von der Klub-Philosophie massiv abweichenden Transferpolitik im letzten Sommer (wirklich, Hoffenheim, Kevin Kuranyi???) und dem Substanz-Verlust durch diverse Abgänge (Firmino, Modeste) gescheitert. Sein Nachfolger Huub Stevens führte das Team mit einer (ebenfalls massiv von der Klub-Philosophie abweichenden) unbeweglichen Passiv-Spielweise zielsicher knietief in den Abstiegsmorast, ehe der 28-Jährige Nagelsmann kam und aus Hoffenheim wieder Hoffenheim machte.
Aus 44 Prozent Ballbesitz (unter Stevens) wurden 48 Prozent (unter Nagelsmann), dennoch wurde das Spiel nach vorne deutlich aktiver und geradliniger (51 Pässe pro Torschuss unter Stevens, nur noch 34 Pässe pro Torschuss unter Nagelsmann). die Torquote pro Spiel wurde damit von unterirdischen 0,6 (unter Stevens) auf 1,4 (unter Nagelsmann) mehr als verdoppelt und aus 0,8 Punkten pro Spiel (Stevens) wurden 1,6 Punkte pro Spiel (unter Nagelsmann).
Dabei veränderte Nagelsmann das System je nach Bedarf (Dreier-, Vierer-, Fünfer-Kette, ein Stürmer/zwei Stürmer) – das sieht alles wieder nach dem Hoffenheim aus, das man schätzen gelernt hat: Junge, talentierte Spieler, hohes Tempo, im Zweifel lieber ein Tor mehr schießen als der Gegner als eines weniger kassieren.
Große Namen im Abstiegsstrudel
Glanzleistungen wie das 6:2 gegen Stuttgart und das 4:1 in Leverkusen einerseits, aber auch dümmliche Spielverläufe wie beim 1:2 trotz drückender Überlegenheit gegen Augsburg und komplette Zusammenbrüche wie beim 0:6 in Wolfsburg oder dem 1:5 in Gladbach – konstant war Bremen nur in seiner Unkonstanz.
Das hat bei Werder aber ebenso schon Tradition wie die Diskrepanz zwischen durchaus tauglicher Offensiv-Abteilung (Ujah im Herbst und Pizarro im Frühjahr trafen regelmäßig, Junuzovic ist drittbester Torvorbereiter der Liga) und unsicherer Defensive – nur Stuttgart kassierte noch mehr Tore. Jannik Vestergaard ist einer der besseren Spieleröffner der Liga, aber es gibt keinen IV-Partner, der die Aufrückbewegungen des kopfballstarken Dänen adäquat abdecken würde. Die AV-Positionen sind weiterhin womöglich am schlechtesten von allen Bundesligisten besetzt, eine Etage davor gibt’s auf den Außen auch eher nur gehobenes Zweitliga-Niveau.
Der Umstand, dass sich Werder im Frühjahr merklich stabilisiert hat und in der oberen Hälfte der Rückrunden-Tabelle zu finden ist (als Achter), macht Hoffnung, dass es in der kommenden Saison nicht mehr ganz so viel zum Zittern sein sollte wie diesmal, bis zur 88. Minute des letztes Spiels. Andererseits hat man diese Hoffnung bei Bremen seit Jahren – die Troubles, in die Werder auch heuer wieder kam, waren ja auch in den vergangenen Saisonen nicht fremd an der Weser.
Als „Team ohne Stärken“ bezeichnete Eintracht-Frankfurt-Blogger Björn Wisker die Mannschaft seines Herzensklubs im Laufe der Rückrunde. In der Tat ließ die Eintracht vor allem unter Armin Veh lange Zeit jedes Zeichen vermissen, was man den nun für einen Fußball spielen wollte.
Schon letzte Saison, als Frankfurt unter Thomas Schaaf einen respektablen neunten Rang erreicht hat, monierte viele kritische Beobachter eine gefährliche Selbstzufriedenheit innerhalb des Klubs und der Umstand, dass man in dieser Spielzeit lange die Augen vor der Realität namens immer näher kommender Abstiegskampf verschloss, bestätigt diese Warnungen im Nachhinein. Veh probierte einiges aus, aber alles halbherzig. Dabei wurde sein Team immer harmloser, immer verunsicherter. Das alles noch in Verbindung mit einer Transferpolitik, die zu überwiegenden Teilen als verfehlt bezeichnet werden muss, führte zu einem immer schnelleren Absturz.
Niko Kovac kam im März und versuchte vor allem durch Handauflegen und Gut-Zureden, ein totes Team wieder zum Leben zu erwecken. Er legte sich (bis auf die Spiele gegen Bayern, Dortmund und Bremen) auf ein recht klares 4-1-4-1 fest, mit Flügelspieler Szabolcs Huszti und dem talentierten Marc Stendera im offensiven Zentrum. In Kovac‘ ersten fünf Spielen gab es nur ein Tor, dafür vier Niederlagen – erst durch pure Willenskraft, blinde Wucht und auch Glück mit Referee-Entscheidungen robbte man sich noch so weit heran, das man am letzten Spieltag noch die Chance hatte, sich direkt zu retten. Der Versuch, sich am Ende mit einem 5-4-1 gegen Bremen ein Remis zu ermauern scheiterte, aber immerhin hat nun nun eine zweite Chance gegen Nürnberg bekommen.
Nur: Selbst wenn es gegen den Club gut gehen sollte, wird es schon etwas mehr brauchen als Kovac‘ Feuerwehrmann-Motivations-Künste, damit es nächste Saison wieder besser werden soll.
Sonst nämlich geht es der Eintracht, wie es Stuttgart ergangen ist. Der VfB bettelt zwar schon seit mehreren Jahren um den Abstieg, aber noch nie ist man das Unternehmen so konsequent angegangen wie in dieser Saison. Zu Saisonbeginn wollte der neue Trainer Alexander Zorniger ein Brutalpressing-Spiel der Marke Roger Schmidt aufziehen, aber erst gab es (vornehmlich durch Pech bzw. schlechte Chancenverwertung) viele Niederlagen, obwohl man viele Spiele klar gewinnen hätte müssen.
So kam es zur Verunsicherung, die Pressingformationen klappten zusammen, die Resultate wurden noch schlechter, und weil offenbar auch Schwächen in Zornigers Umgang mit Menschen dazu kamen, wurde er im November gegangen. Nachfolger Jürgen Kramny arbeiete nicht dramatisch anders als Kovac: Für gute Stimmung sorgen, die geprügelten Seelen streicheln. Dazu kam statt dem ballorientieren Zorniger-Spiel nun eine sehr mannorientierte Herangehensweise. Sprich: Manndeckung im Mittelfeld.
Dieser Mix brachte einige Gegner aus der Fassung und einige Siege auf das Stuttgarter Konto. Weil das aber das einzige war, was Kramny (der davor die VfB-Reserve am letzten Platz der 3. Liga festgebunkert hatte) dem Team sichtbar beibrachte, und die anderen Teams auch nicht alle blöd sind, wurden die Räume, die man im Mittelfeld bot, immer mehr angebohrt. Der hüftsteife Niedermeier und sein jeweiliger Partner (Schwaab, Sunjic, Barba, Baumgartl) konnten das nicht mehr ausgleichen, und so schlug es immer öfter ein – öfter als bei jedem anderen Klub.
Weil dann auch noch im Vorwärtsgang kaum ein anderes Schema erkennbar war, als die Verantwortung auf die schmalen Schultern von Daniel Didavi zu schieben und keiner der zahlreich probierten Stürmer (Werner, Kravets, auch Harnik; Ginczek fiel verletzt praktisch die ganze Saison aus) regelmäßig traf, gab es ab Anfang März in neun Spielen nur noch zwei Punkte, dafür 26 Gegentore, ift eines dämlicher als das andere.
Logische Konsequenz: Der Meister von 2007 steigt erstmals seit 1975 ab. Damals dauerte es zwei Jahre bis zur Rückkehr ins Oberhaus.
Mit Pauken und Trompeten
Eine ziemlich erstaunliche Saison legte Hannover hin. Wer davor an den Trainerqualitäten von Michael Frontzeck zweifelte (das waren nicht so wenige), wurde im Herbst endgültig in seiner Meinung bestätigt. Frontzeck konnte den ziemlich beliebig und eher gesichtslos konzipierten Kader nie eine wirkliche Linie einpflanzen.
Ein erstaunlicher Beitrag des Hannover-Fan-Blogs „Niemals allein“ erklärte im Herbst die Deutung von Statistiken am Beispiel von 96, und kommt bezüglich Frontzeck zu einem vernichtenden Urteil. Unter Slomka war Hannover einer der Pioniere des schnellen Umschaltspiels und jahrelang fixer Kandidat für die Europacup-Plätze, erreichten sogar das Europa-League-Viertelfinale. Davon ist nichts mehr übrig.
Wenig überraschend wurde Frontzeck im Winter entlassen. Eher schon überraschend war, dass es unter Nachfolger Thomas Schaaf sogar noch schlimmer wurde. Zehn Niederlagen in elf Spielen bei 4:23 Toren zementieren den letzten Platz und den Abstieg nach 14 Bundesliga-Jahren (dem klar längsten Stint der Klubgeschichte). Daniel Stendel hatte nach dem Schaaf-Abgang nur noch die Aufgabe, das Jahr vernünftig zu Ende zu bringen. Das schaffte er (8 Punkte aus seinen 6 Spielen).
Fazit
Der Titel der Bayern sieht selbstverständlicher aus als er ist, weil Dortmund wirklich eine herausragend gute Saison gespielt hat. Dahinter aber offenbart sich, das Dilemma: Zum einen der eklatante Abstand dieses Duos zum Rest des Feldes, zum anderen die fehlende Fähigkeit jedweden anderen Teams, konstant über einen längeren Zeitraum als ein paar Wochen auf hohem Niveau zu bleiben.
Außerdem gibt es nur eine Handvoll Teams, die wirklich einen nennenswert eigenen Stil besitzen (Bayern, Dortmund, Leverkusen sicher, auch Ingolstadt und wieder Hoffenheim; Darmstadt muss man auch dazuzählen). Der Rest: Einheitsbrei. Konservativer Safety-First-Fußball, lieber – wie es Ulf Kirsten gesagt hat – „Scheiße spielen und gewinnen“.
Vor allem darum tut sich die Bundesliga so schwer, außerhalb Europas wirklich Fuß zu fassen, wie es Spanien und vor allem England geschafft haben: Ein Duell Dritter gegen Fünfter, Hertha gegen Schalke, klingt zwar ganz okay – aber es gibt auf dem Platz nicht viel her.
Wer weiß, vielleicht kann Leipzig daran ja mittelfristig was ändern.