„Als wir im Februar in Belgien getestet haben, sind wir hergespielt worden. Nach dem Play-Off gegen Russland war mir spätestens da klar: So reicht das nicht. Wir brauchen mehr Kontrolle im Ballbesitz, mehr gedankenschnelles Handeln. Heute, ein halbes Jahr später, haben wir gegen den gleichen Gegner das Spiel kontrolliert, wenn wir den Ball hatten – und eigentlich auch, wenn wir ihn nicht hatten!“
– Dominik Thalhammer, 14. August 2013
Fünf Testpiele hatten die ÖFB-Frauen, um sich auf die im September startende WM-Qualifikation vorzubereiten – davon vier gegen zum Zeitpunkt des Spiels in der Weltrangliste besser klassierte Teams. Und die über weite Strcken absolut überzeugende Vorstellung beim 2:1 gegen Belgien legt den Schluss nahe: Man ist gerüstet.
Adjustierungen im Mittelfeld
Die Devise in der Zeit zwischen EM-Play-Off gegen Russland und dem ersten WM-Quali-Spiel am 21. September gegen Bulgarien war klar: Gegen gute Teams mehr Initiative und gegen Kanonenfutter konsequenter im Spiel nach vorne. Der Schlüssel dazu ist die Raumaufteilung im Mittelfeld und das Breitmachen des Spiels im eigenen Ballbesitz. Vom grundsätzlichen System des 4-4-2 ging Thalhammer nicht ab, sehr wohl wurden aber entscheidende Feinheiten in der Interpretation der einzelnen Positionen adjustiert.
Sehr positiv ist, dass das zentrale Mittelfeld-Duo mit Sarah Puntigam und Neo-Kapitänin Viki Schnaderbeck sehr gut aufeinander abgestimmt ist. Die beiden wechselten sich in der Vergangenheit schon ab, wenn es darum ging, sich nach vorne einzuschalten, bzw. dafür abzusichern. Neu ist aber, dass die defensivere der beiden – zumeist Schnaderbeck – zwischen die Innenverteidiger abkippt und so den Außenverteidigern erlaubt, weiter nach vorne zu schieben. Ganz ohne Probleme funktioniert das aber noch nicht – zuweilen war der Abstand zwischen der Reihe mit den IV und dem abgekippten Sechser zum Rest der Mannschaft etwas gar groß.
So wurde aus dem tendenziell flachen 4-4-2 von früher zuweilen ein 4-1-3-2. Eine weitere Möglichkeit, die die Mannschaft aus der Schublade ziehen kann, ist nun ein weites Aufrücken der Mittelfeld-Außen Feiersinger und Prohaska. Immer wieder spielten sie auf einer Linie mit den Sturmspitzen Burger und Makas, wodurch ein 4-2-4 entstand. Das hatte gleich zwei Effekte, die den Belgierinnen extrem zusetzten.
Belgiens Abwehrkette…
Zum einen nämlich konnte Belgien so nicht von hinten heraus einen geordneten Spielaufbau etablieren, weil jeder aus der Viererkette sofort eine Österreicherin auf den Zehen stand – so war der Ball sehr oft sehr schnell wieder weg, weil auch mögliche schnelle Passrouten gut zugestellt wurde (Stichwort: Gedankenschnelles Handeln). Österreich stellte geschickt Überzahlsituationen her und ließ Belgien so nie zur Entfaltung kommen.
Und zum anderen zeigte sich die belgische Abwehr extrem anfällig bei Steilpässen in den Rücken der Abwehr. Weil Österreich die Abseitslinie oft mit vier Spielerinnen bearbeitete, war es den Belgierinnen zumeist unmöglich, immer alle unter Kontrolle zu halten, wodurch es Österreich oft gelang, das Abseits auszuhebeln. So entstand das 1:0 in der 12. Minute: Feiner Pass von Feiersinger in den Lauf von Makas hinter die belgische Kette, Querpass auf die mitgelaufene Burger, Tor.
Erstaunlicherweise ließ sich vor allem Heleen Jaques, in der letzten Saison immerhin beim deutschen Top-Klub Turbine Potsdam unter Vertrag, beinahe im Minutentakt von solchen Steilpässen ausmanövrieren.
…wirkte überfordert
Sehr erfreulich aus österreichischer Sicht ist, dass Laura Feiersinger ihre Form-Delle vom Frühjahr – womöglich auch verursacht von System-Experimenten bei ihrem Klub Bayern München – überwunden haben durfte. Sie war überall zu finden, scheute keinen Zweikampf, hatte ein blendendes Auge für kluge Pässe und bildete vor allem mit Nina Burger ein Duo, das die belgische Abwehr vor beinahe unlösbare Probleme stellte. Hier war es vor allem Lorca van de Putte – die bei Kristianstad in der starken schwedischen Liga spielt – die einen arg verwirrten Eindruck machte.
Immer öfter rückte sie nämlich ein, vermutlich um Anspiele auf Nina Burger zu verhindern – dabei ließ sie aber ihre Außenbahn völlig frei, und weil auch die belgische LM Demoustier nicht half, hatte Feiersinger immer und immer wieder ganz freie Bahn und weit und breit keinen Gegenspieler.
Dass Österreich zur Halbzeit nur mit 1:0 führte, schmeichelte den Belgierinnen ganz massiv – sie hatten nur eine einzige echte eigene Torchance (Pfostenschuss von Mermans), hinten aber mehr Glück als Geschick.
Fünffach-Wechsel hilft Belgien
Nach einem Fünffach-Wechsel für die zweite Halbzeit kam Belgien nicht nur personell komplett neu auf’s Feld, sondern agierte auch deutlich aktiver. Ohne Jaques, Van de Putte und Demoustier (die allesamt einen rabenschwarzen Tag erwischten) machte das Gästeteam einen deutlich kompakteren und willigeren Eindruck. Was sich aber nicht änderte: Die wackelige Defensive.
Zwar hatte man durch die aktivere eigene Spielweise und eine bessere Abdeckung der Spielfeldbreite nun die allergrößten Problemzonen beseitigt, aber wie unfassbar passiv die belgischen Abwehr-Leute einer Makas-Flanke zusahen, die ewig in der Luft hing, und sich keine für die am zweiten Pfosten stehende Nina Burger zuständig fühlte, war schon eher erstaunlich. Das 2:0 für Österreich war die Folge.
In der Schlussphase war dann schließlich nur noch Belgien am Drücker. Das war vor allem auf den körperlichen Zustand der Spielerinnen zurückzuführen: Während Belgiens Teamchef Yves Serneels insgesamt sechs Wechsel durchführte und damit nur vier Feldspielerinnen die volle Distanz gingen, wechselte Thalhammer nur zweimal – ein signifikanter Unterschied. Belgien kam jedenfalls noch zum Anschlusstreffer, aber nicht mehr zum Ausgleich – anders als etwa Irland im Testspiel Mitte Juni. Da endete das Spiel nach 2:0-Führung für Österreich noch 2:2.
Fazit: Große Schritte vorwärts wurden schon gemacht – aber die Bewährungsprobe kommt erst
Das ist die Formation, mit der Teamchef Thalhammer in die WM-Qualifikation gehen will – daher ließ er diese schon in Dublin praktisch unverändert durchspielen, darum tauschte er auch gegen Belgien nur äußerst sparsam. Einspielen war angesagt. Und über weite Strecken sah das richtig gut aus: Die Belgierinnen – gegen die es zuvor in fünf Spielen ebensoviele Niederlagen und 4:15 Tore gegeben hatte – kamen erst zur Geltung, als sie durch die Wechsel Kräftevorteile hatten. Bis dahin aber erlaubte ihnen Österreich kaum einmal einen echten Spielaufbau, wurden die Schwächen erkannt und angebohrt, hatte Österreich alles im Griff.
Was aber nicht heißt, dass alles supergut war. Bei eigenen Eckbällen ist etwa noch ziemlich Luft nach oben, da fehlt noch die Variation (die mit Finnland etwa ein Gegner in der WM-Quali sogar in einem ziemlich gehobenem Maße hat) und auch die Genauigkeit. Auch die Chancenverwertung wird noch besser werden müssen, um in Bewerbsspielen gegen Teams wie Finnland (und natürlich auch Frankreich) auch etwas holen zu können. Dass es nach 70 Minuten „nur“ 2:0 stand, ist angesichts der vor allem inhaltlichen Dominanz zu wenig und es wurde auch deutlich, dass mit einem Gegentor und nachlassenden Kräften durchaus noch eine gewisse Labilität vorhanden ist.
Das wird am 21. September in Vöcklabruck beim Quali-Start gegen Bulgarien wohl noch kein Problem sein – bei allem Respekt, aber gegen ein Team, das in den zehn Spielen der EM-Quali für 2013 null Punkte holte und 1:54 Tore ansammelte, muss ein klarer und deutlicher Sieg her. Aber schon vier Tage später in Turku, wenn es zum wohl einzigen relevanten Gegner um Gruppenplatz zwei geht (dem Team aus Finnland nämlich), wird man sehen, wie weit das Team ist, wenn es im Ernstkampf gegen einen EM-Teilnehmer geht.
(phe)