Die Chance lebt weiter! Nachdem Österreich den hohen Erwartungen gerecht wurde und mit Schweden den eigentlichen Favoriten um den zweiten Gruppenplatz im vollen Happel-Stadion mit 2:1 besiegt hat. Weil man nach nervösem Beginn auch wegen der da noch eher glücklichen Führung zur Sicherheit fand. Und vor allem, weil man Schweden geschickt die Stärken nahm. Es war keine glanzvolle Leistung, sondern in erster Linie eine disziplinierte – was den Sieg aber fast noch wertvoller macht.
Nervös war er, der Beginn der Österreicher. Und gleich mehrere Aspekte sorgten dafür, dass die Schweden in der Anfangsphase die klar spielbestimmende Mannschaft waren, und es war nur dem ziemlich erstaunlichen Unvermögen von Elmander und Olsson (West Broms Jonas von den „Olsson Twins“, sein nicht verwandter Namenskollege Martin von Blackburn war nicht im Kader) vor dem Tor zu verdanken, dass Österreich nicht schon nach zehn Minuten 0:2 hinten lag.
Österreichs Probleme zu Beginn
Das ÖFB-Team presste die Schweden vor allem dann an, wenn diese sich in der Rückwärtsbewegung befanden. So sollte es dem Gegner schwer gemacht werden, aus der Bedrängnis heraus einen ordentlichen Spielaufbau zu gestalten. Ansonsten hielt sich Österreich mit dem Druck ausüben aber ziemlich zurück. Vor allem wurde zum Problem, dass sich Achter Alaba nach vorne orientierte, Baumgartlinger aber etwas zu weit zurück hing und so den sich zurück fallen lassenden Ibrahimovic und auch das schwedische Zentral-Duo Elm/Källström gegen sich hatte.
Zudem zeigte sich Österreich zunächst von der körperlich robusten Gangart der Schweden beeindruckt und das Passspiel war äußerst unpräzise. Die Trekronor hielten den Ball besser, kontrollierter und länger in den eigenen Reihen und hatten vor allem den Zentrum gut unter Kontrolle. Auch auf den Außenbahnen war Schweden zunächst etwas besser, weil sich die österreichischen AV Garics und Fuchs etwas zu sehr zurückhielten.
Präsenz im Zentrum…
Schon in den Minuten vor dem Elfmeter wurde das Mittelfeld von Österreich etwas kompakter, auch weil Alaba und Junuzovic zuweilen die Positionen tauschten. Nach dem 1:0 – ein Elfmeter, bei dessen Entstehung Isaksson die Suppe auslöffeln musste, die ihm Olsson mit ziemlich ungeschicktem Stellungsspiel eingebrockt hatte – stieg auch die Selbstsicherheit, nach dem 2:0 – Janko-Kopfball, nachdem Harnik völlig unbedrängt flanken durfte und Granqvist nicht dicht genug am Mann war – sogar noch mehr. Baumgartlinger rückte nun mit deutlich mehr Präsenz auf und auch die Abwehrkette dahinter ließ das Loch nicht zu groß werden. So wurden Elm und Källström gut aus dem Spiel gehalten.
Was den Schweden zusätzlich immer mehr Sorgen bereitete, waren die unglaublichen Aktionsradien, die Alaba und Junuzovic an den Tag legten. Der Bremen-Legionär presste nicht nur die schwedischen Innenverteidiger an, sondern schaltete sich auch in den Aufbau ein und wich dazu viel in Richtung der Außenbahnen aus, um dort zu helfen, die nötigen Dreiecke zu bilden. Es gab kaum eine gezielte Aktion nach vorne, an der Junuzovic nicht beteiligt gewesen wäre.
…und Kontrolle auf den Außenbahnen
Höchst unterschiedlich gestaltete sich bei Österreich die Spielgestaltung auf den beiden Flanken. Defensiv aber lange mit dem gleichen Effekt: Schweden wurde in Schach gehalten. Das geschah auf der rechten Seite mit dem unglaublich forschen und vor allem ungeheuer schnellen Martin Harnik. Nachdem er über weite Strecken der frustrierenden Saison mit Stuttgart ein Formtief mit sich herumschleppte, scheint ihm sein Doppelpack im Pokal-Finale deutlichen Auftrieb gegeben zu haben. Jedenfalls sprühte Harnik nur so vor Spielfreude und machte dem ziemlich überforderten Gladbacher Oscar Wendt den Abend zu einer nicht gerade vergnügenssteuerpflichtigen Veranstaltung. Dass Hamrén den armen Teufel durchspielen ließ, muss man nicht zwingend verstehen.
Auf der linken Seite war Marko Arnautovic trotz seiner Suspendierung bei Bremen dabei. Im Vorwärtsgang wirkte er, wenn es in Richtung Tor ging, oft etwas überhastet. Er zog nach innen und suchte zumeist zu früh den Abschluss, war mit seinen Versuchen aus der Distanz nicht der größte Gefahrenherd. Was er aber sehr gut machte: Er war ein unglaublich mühsamer, zäher und unguter Gegenspieler für Mikael Lustig. Arnautovic degradierte den Mann von Celtic offensiv zum Statisten.
Kein schwedischer Schablonen-Fußball mehr? Doch.
Damit waren den Schweden beide Außenverteidiger genommen, was sich im flachen 4-4-1-1 mit zwei Sechsern aber ohne Kreativität im Zentrum ein recht massives Hindernis für die Gäste war. Denn ohne die Unterstützung von hinten waren die Mittelfeld-Außen Kacaniklic und Seb Larsson ziemlich auf sich alleine gestellt und die offensiv weiterhin vergleichsweise zurückhaltenden Garics und Fuchs hatten wenig Mühe, ihre direkten Gegner unter Kontrolle zu halten.
Seit Erik Hamrén das Teamchef-Amt von Lars Lagerbäck übernommen hat, heißt es, gab es so ein wenig die Abkehr vom althergebrachten, schematischen und etwas hölzernen 4-4-2-Fußball schwedischer Prägung. Das mag so sein, wenn die Außenverteidiger etwas Raum zum Atmen haben. In diesem Spiel aber zeigten die Schweden 90er-Jahre-Fußball par excellence. Weil eben auch Elm und Källström keine Ideen hatten, bliebe nur noch ein Mittel: Lange Bälle auf die beiden Stürmer, zumeist auf Ibrahimovic, die möglichst die Kopfbälle holen sollen und entweder den Sturmparter einsetzen sollen, oder den Ball halten, bis Kollegen aufgerückt sind.
Bei einem dieser Kopfballduelle holte sich Emanuel Pogatetz jenes Cut, das sein Spiel nach einer halben Stunde zu Gusten von Sebastian Prödl beendete. In der Regel bereitete das aber keine wirklichen Probleme.
Hamrén stellt um…
Und zwar deshalb, weil die rot-weiß-rote Defensive wusste, worauf sie sich einzustellen hatte. Zudem lief im Spiel nach vorne vor allem über die Schaltstelle Alaba und den ständig bohrenden Harnik einiges, es gab zahlreiche Chancen, den Sack zuzumachen. Erst mit einer leichtes System-Adjustierung von Hamrén kamen die Schweden wieder zurück ins Spiel.
Nach 70 Minuten nämlich nahm er Sechser Källström vom Feld und brachte mit Ola Toivonen einen nominellen Stürmer. Hamrén stellte damit auf ein 4-1-3-2 um, in dem Svensson (zuvor schon für Elm gekommen) alleine vor der Abwehr stand, und nun mit Toivonen ein viel horizontal verschiebender Zehner auf dem Platz war. Damit wurde der de facto als Spielgestalter sehr hoch agierende Alaba zwischen die Stühle gerückt, er musste weiter nach hinten gehen – womit die österreichische Kontrolle im Zentrum weg war.
…und Koller reagiert sofort
Koller reagierte sofort und brachte mit Schiemer (statt Junuzovic) einen zweikampf- und kopfballstarkten Mann als Gegenspieler von Toivonen, das erlaubte es Alaba, wieder etwas aufzurücken und sich im Zweifel um Anders Svensson zu kümmern. Bei Entlastungsangriffen hieß die Abwesenheit von Junuzovic nun, dass Arnautovic immer mehr auf eigene Faust versuchte, eine Positionierung zwischen Zehner und Außenbahn wählte; aber den für den verletzten Janko spielenden Weimann zu selten einsetzte.
Hinten schlug es zehn Minuten vor Schluss durch Elmander doch noch ein, nachdem der ansonsten sehr sichere Garics das Abseits aufgehoben hatte. Kurz darauf ging der müdegelaufene Torschütze raus, Toivonen übernahm die Position in der Spitze und Jimmy Durmaz jene auf der Zehn. In der Tat entwickelte Schweden noch einmal sehr viel Druck. Dabei kamen zwar keine zwingenden Torchancen heraus, aber immerhin ein klares Elfer-Foul von Schiemer am aufgerückten Granqvist. Das der italienische Referee aber, wie so vieles in diesem Spiel auf beiden Seiten, aber nicht sah. Zum Glück für Österreich.
Fazit: Zwei Teams auf Augenhöhe
„Das Schlimmste an dieser Niederlage“, schreibt Anders Lindblad von der Broadsheet-Zeitung Svenska Dagbladet, „ist, dass Österreich nicht mal speziell gut war!“ Das ist wohl ein etwas zu harsches Urteil. Aber in der Tat: Es war vor allem ein Spiel, in dem in erster Linie kein Österreicher negativ auffiel und kaum ein blöder individueller Schnitzer passiert ist. Nach dem nervösen Start wurde zudem die Ruhe bewahrt, zwei individuelle Böcke – erst von Olsson, dann von Granqvist – zur Toren umgemünzt und die Spielanlage von Schweden geschickt neutralisiert.
Kurzum: Österreich machte nichts Spektakuläres, nahm den Schweden aber deren Stärken. Es wurde halbwegs gepresst, aber nicht annähernd so wild wie gegen die Türkei. Es wurde schnell umgeschaltet, aber nicht so überfallsartig wie gegen Deutschland. Es war – von den ersten 15 und den letzten 15 Minuten abgesehen – eine ausgewogene Leistung. Keine absolut glanzvolle, aber eine über weite Strecken sehr disziplinierte. Außerdem reagierte Koller diesmal sofort auf eine Umstellung beim Gegner und wartete nicht zu, wozu er ja sonst neigt.
Vor allem für die Selbstsicherheit im Team ist dieser 2:1-Sieg wichtig. Weil er eingefahren wurde in eine Phase des extremen Hypes in einer absoluten Schnittpartie gegen einen direkten Gegner um Platz zwei, gegen ein Team das (vermeintlich) auf Augenhöhe ist. Die Situation war vor zwei Jahren beim 0:2 gegen Belgien genauso. Dieses Team ist nun zwei Jahre weiter, was sie gezeigt hat. Schweden ist ein guter Gegner, aber vom individuellen Potential her doch annähernd auf Augenhöhe. Eine knappe Partie, bei der sich über ein Remis auch keiner beschweren hätte dürfen, wurde gewonnen. Das sind die wichtigen Erfahrungen.
Und was noch viel wichtiger ist als der Sieg an sich und die damit immer noch lebende Chance auf Endrang zwei: Mögliche Gegner einer Vertragsverlängerung mit Marcel Koller bzw. der Fortsetzung des eingeschlagenen Weges stehen jetzt argumentativ auf ziemlich dünnem Eis.
(phe)