Mit einer großteils würdelosen letzten Runde ging die Bundesliga am Wochenende in die Winterpause. Besonders am Samstag waren nicht nur grauenhafte Platzverhältnisse in Wiener Neustadt eine offensichtliche Wunde der österreichischen Fußball-Infrastruktur, sondern auch die Zuseherzahlen in allen drei stattfindenden Spielen (das vierte Spiel in Ried konnte mangels Rasenheizung nicht ausgetragen werden, obwohl der Verein seit 1995 nur zwei Jahre nicht Erstligist war).
Alle Spiele zusammen lockten gerade einmal 11.000 Zuseher in die Stadien. Innsbruck gilt eigentlich als eine Stadt mit aktiver Fanszene in Österreich, Salzburg ist der amtierende Meister und Cupsieger. Beide mussten sich mit weniger als 4.000 Zusehern zufrieden geben. 3.000 besuchten das Spiel in Wiener Neustadt, bei dem der größte österreichische Klub, der Rekordmeister aus der 50 Kilometer entfernten Hauptstadt zu Gast war.
In unserer Facebook-Gruppe entstand eine Diskussion darüber in der allerlei vermeintliche Gründe gefunden wurden. Die Stadien seien nicht überdacht, es wäre kalt gewesen und der Kick uninteressant. All das deutet auf Probleme hin, bietet aber keine erschöpfend Erklärung.
Erstens sind im konkreten Beispiel die EM-Stadien in Innsbruck und Salzburg sehr wohl überdacht (wie auch die meisten anderen). Zweitens war es auch am Vorabend kalt, als allein in Kaiserslautern 23.000 Menschen in der zweiten Deutschen Liga gegen den Aufsteiger Aalen ins Stadion gingen. Der Kick dort war, wie wir beschrieben, auch nicht begeisternd.
Schlechter Herbst auf den Tribünen
Aber die Bundesliga-Zuseherzahlen waren ohnehin nicht nur in dieser Mitte-Dezember Runde grauenhaft. Die gesamte Herbstsaison deutete einmal mehr auf strukturelle Probleme hin. Nur Sturm, Austria und Aufsteiger WAC können auf steigende Besucherzahlen blicken, die anderen sieben Klubs haben zum Teil ein dickes Minus zu verzeichnen. Rapid, Innsbruck und die Admira haben ein zweistelliges Prozentminus.
Das Folgende soll keine umfassende Erklärung, sondern einen Beleg liefern. Wir haben den Schnitt in Österreichs Stadien mit jenem in Deutschlands zweiter Liga gegenüber gestellt. Nimmt man die dortigen 18 Vereinen und die 10 österreichischen zusammen, schaffen es nur zwei Klubs aus Österreichs in die erste Listenhälfte.
Zwar ist Deutschland insgesamt größer als Österreich, das allein genügt als Erklärung aber nicht, denn die regionalen Gegebenheiten sind oft gut vergleichbar. Viele kleinere deutsche Städte bringen Klubs hervor, die solche aus größeren österreichischen Städten deutlich abhängen, obwohl sie nur in der Zweiten Liga spielen.
So hat Kaiserslautern nur 100.000 Einwohner (etwa so viel wie Klagenfurt, 20.000 weniger als Innsbruck), bringt aber sogar deutlich mehr Fans als die Klubs in Wien, Graz und Salzburg ins Stadion. Paderborn ist mit 150.000 Einwohnern vergleichbar mit Salzburg. Das nur 15.000 Zuseher fassende Stadion beherbergt im Schnitt auch gleich viele Zuseher wie das des österreichischen Meisters, mehr als die Austria, nur wenig weniger als Sturm. Braunschweig hat 250.000 Bewohner, so viele wie Graz, bringt aber im Schnitt fast doppelt so viele Leute zu Heimspielen, wie Sturm (das natürlich ein etwas kleineres Stadion hat, aber wohl kaum behaupten kann, in einem 25.000er-Stadion die Anwesenheit verdoppel zu können)
Und die Schweiz?
Nimmt man sich trotzdem das Argument zu Herzen, dass Deutschland nunmal wesentlich größer sei, dann könnte man sich in der Schweiz umsehen. Die Schweiz hat bekanntermaßen eine halbe Million Einwohner weniger als Österreich, kann fußballerisch und wirtschaftlich nicht als unerreichbar gelten, war bei der Ausrichtung der Europameisterschaft das Partnerland und beherbergt ebenfalls eine Zehnerliga. Auch da sieht die Bilanz für die Bundesliga allerdings nicht besser aus. Betrachtet man Zuseherzahlen, so landen lediglich drei Klubs in die erste Tabellenhälfte und gleich fünf österreichische Klubs am Tabellenende.
Ganz genau gehen in der Schweiz gehen im Schnitt 12.619 Menschen ins Stadion, in Österreich 6988. Hier fällt das Argument des größeren Landes oder der größeren Städte vollends in sich zusammen. Basel (170.000 Einwohner), Zürich (375.000), Bern (125.000), Luzern (75.000), St. Gallen (73.000) und Sion (30.000) bringen Klubs hervor, die (deutlich) bessere (oder vergleichbare) Zuseherzahlen ins Stadion locken, als die beiden stärksten Klubs Österreichs – Rapid (Wien, ~1.7500.000) und Sturm (Graz, ~270.000). Die Schweiz hat übrigens am Wochenende nicht mehr gespielt, die alpinen Gegebenheiten lassen dort die Winterpause bereits zwei Wochen früher beginnen.
Bei den kleineren Städten und Orten (Ried, Wolfsberg, Mattersburg) ist hingegen erklärbar, warum man nicht mithalten kann. Hier stellt sich das Problem, dass in größeren österreichischen Städten wie Linz, St. Pölten oder Klagenfurt keine Bundesligaklubs vorhanden sind. Im kommenden Jahr droht die Liga sogar mit Innsbruck oder Wiener Neustadt eine größere Stadt zu verlieren und mit Lustenau eine kleine dazu zu bekommen (was sich aber trotzdem zumindest kurzfristig positiv auf die Zuseherzahlen auswirken könnte). Trotzdem ist diese Provizinalisierung (ganz ohne abwertend gegenüber diesen Kleinstädten sein zu wollen) der österreichischen Liga ein Problem für das Fanaufkommen im internationalen Vergleich.
Warum die österreichische Bundesliga eine so grauenhafte Bilanz zu vermelden hat, ist sicher ein vielschichtiges Problem. Verfehlungen der Vergangenheit und Gegenwart vereinen sich zu einer Misere, die sich nicht über Nacht auslösen lässt. Es hilft allerdings nicht, weiter so zu tun, als gäbe es keines. Machen wir uns auf die Suche nach dem, was zu tun ist.
Was hält euch oder eure Bekannten davon ab, (öfter) ins Stadion zu gehen?
Wir freuen uns auf eine eifrige Diskussion! (tsc (auf Twitter))