Vor einem 2:2 bei Kroatiens Spiel gegen Spanien mussten niemand jemals Angst haben. Die Kroaten verteidigten geschickt, nützten aber ihre wenigen Chancen nicht und liefen in einen Konter, als sie alles nach vorne werfen mussten. So kommen die Italiener trotz einer nicht gerade berauschenden Leistung gegen Irland auf Kosten von Kroatien weiter.
Viel Überraschendes hatte Slaven Bilić nicht bereit gehalten, aber was er seinen Kroaten mitgab, funktionierte gegen die Spanier durchaus nicht so schlecht. Wie schon in der zweiten Hälfte gegen Italien stellte er Rakitić statt auf der rechten Flügel ins Mittelfeld-Zentrum neben Vukojević, Modrić agierte davor. Weil die Kroaten dabei aber (natürlich) das überwiegende Augenmerk auf die Defensive gerichtet hatte, standen sie in einem 4-4-1-1 auf dem Feld. Die Kroaten wussten, dass die Spanier über die Flanken das wohl harmloseste Team des Turniers sind und verlegten sich deswegen darauf, das Zentrum zu verdichten.
Drei Aspekte in der kroatischen Defensiv-Arbeit
Das Defensiv-Konzept der Kroaten fußte auf drei Hauptaspekten. Zum einen standen die beiden Viererketten sehr eng zusammen. Das verunmöglichte es Iniesta und Silva, zwischen den Reihen in die Mitte zu ziehen und dort ihre Technich auszuspielen: Es war schlicht und einfach kein Platz da. Weiters nahm das natürlich auch Fernando Torres den Anspiele: Durch acht geschickt stehende Kroaten hindurch war er von der restlichen Mannschaft abgeschnitten. So wich er immer wieder auf die Flügel aus (vor allem den rechten), aber dann fehlte wiederum innen ein Spanier – Thema „Zug zum Tor aus dem Mittelfeld“, war ja schon beim 1:1 gegen Italien so.
Weiters achtete die kroatische Mittelfeld-Reihe gemeinsam mit dem scheinbar extra darauf angewiesenen Luka Modrić darauf, Xavi möglichst wenig Ballkontakte zu ermöglichen. Den Taktgeber im spanischen Team verfolgten fast immer zwei Kroaten, so konnte Xavi dem Spiel der Spanier nicht die gewohnte Struktur verleihen. Und zum Dritten trauten sich die Kroaten sogar, die Spanier im Mittelfeld anzupressen. Das war möglich, weil die Mannschaft so kompakt stand und sich so intelligent stellte, dass das Risiko minimiert wurde. Der Weltmeister tat sich dadurch enorm schwer, Zugriff auf den kroatischen Strafraum zu bekommen.
Kroatien reagiert zögerlich
Allerdings änderte sich am defensiv sicheren, aber offensiv kaum vorhandenen Spiel der Kroaten auch wenig, als die Italiener in Führung gegangen waren und damit ein eigenes Tor nötig geworden war. Weiterhin verlegte man sich darauf, von hinten heraus nach Ballgewinn möglichst schnell umzuschalten und via Modrić den extrem viel laufenden Mandžukić vorne zu suchen. Wenn das gelang, wurde es prompt gefährlich. Wie in der ersten Hälfte, als den Kroaten ein klarer Elfmeter vorenthalten wurde. Und auch noch einmal nach dem Seitenwechsel, als ein schneller Konter nur knapp nicht das 1:0 für Kroatien bedeutete.
Nach einer Stunde kam mir Jelavić ein echter zweiter Stürmer statt Rechtsverteidiger Vida, dafür ging Srna nach hinten, Rakitić auf die rechte Seite und Modrić rückte in die Mittelfeld-Kette. Das sollte den Kroaten durch Modrić‘ Fähigkeit zum intelligenten Passspiel mehr Plan im Mittelfeld beim Umschalten geben.
Offenere Schlussphase
Del Bosque erkannte, dass Torres zwischen den vielen Kroaten nie eine Chance haben würde, ernsthaft ins Spiel einzugreifen, und stellte nach einer Stunde auf die Variante mit der Falschen Neun um: Navas kam für Torres und machte das Spiel zumindest mal über die rechte Seite etwas breiter, dafür rückte Silva ins Zentrum. Dort kam er aus der Tiefe und versuchte, mit Tempo das dichte Zentrum auszuhebeln. Was nicht gelang, weshalb er später für Fàbregas aus dem Spiel ging.
Navas aber hatte einen deutlichen Einfluss auf das Spiel. Dadurch, dass mit ihm nun endlich eine brauchbare Alternative auf dem Flügel vorhanden war, wurde das zähe Mittelfeld-Spiel der Spanier nun deutlich konkreter. Dennoch begannen sie ab etwa der 70. Minute begannen aber merklich unruhig zu werden. Das lag natürlich zum Teil an der Rochade bei den Kroaten, die dem Zentrum tatsächlich mehr Struktur verleihen konnte. Und das lag sicherlich auch daran, dass die Spanier wussten: Wenn die Kroaten jetzt ein Tor schießen, kann man die Koffer packen, ist das Turnier für sie nach der Vorrunde vorbei.
In der Schlussphase riskierte Bilić dann alles, warf mit Eduardo statt Sechser Vukojević einen dritten Stürmer auf’s Feld. Er wusste: Das Remis reicht nicht, es muss ein Tor her – und ob man mit einem 0:0 oder einem 0:1 rausgeht, macht nicht den geringsten Unterschied. Die Maßnahme ging nicht auf. Kurz vor Schluss rannte Kroatien in einen Konter, Iniesta legte auf Navas quer, und dieser netzte zum 1:0 für Spanien. Das war letztlich für Kroatien ohne Bedeutung, machte aber Spanien zum Gruppensieger.
Fazit: Bilić‘ Strategie wäre aufgegangen, hätte ein 0:0 genügt
Es war im Grunde die erwartbare Partie: Die Kroaten verdichten das Zentrum und lassen die Spanier nicht durch kombinieren; während sie sich nach vorne auf Konter verließen. Neu war dabei, dass speziell Xavi aus der Partie genommen werden sollte und es durchaus Pressing gab. Die Spanier versuchten, wie gewohnt, ihr Ballbesitz-Spiel aufzuziehen und waren so lange mit dem 0:0 zufrieden, bis ihnen dämmerte, dass ein Fehler das Turnier-Aus bedeuten könnte.
Bilić musste am Ende mehr riskieren und warf am Ende alles nach vorne. Das musste er machen, und sein Team lief letztlich in einen Konter – kann passieren. Machte aber keinen Unterschied mehr. Ein wenig schade ist es schon, dass so eine interessante Mannschaft wie die Kroaten nun schon nach der Vorrunde die Koffer packen müssen. Aber sie hatten auch ein wenig Pech mit einer starken Gruppe.
Cesare Prandelli hat für das Spiel gegen Irland seine Dreierkette wieder ins Regal verstaut – diesmal vertraute er dem ur-italienischen 4-3-1-2. Mit Abate und Balzaretti kamen zwei echte Außenverteidiger anstelle der Wink-Backs Maggio und Giaccherini in die Start-Formation, Daniele de Rossi rückte aus dem Abwehrzentrum auf die halblinke Mittelfeld-Position, dafür spielte Thiago Motta eher ungewohnt auf der Zehn.
Die Iren fast wie immer
Die Iren konnten nur noch den Party-Crasher spielen, sich ein versöhnliches Ende erspielen und Trap einen Prestige-Erfolg gegen sein Heimatland ermöglichen. Sie spielten wieder im gewohnten 4-4-2, interpretierten das aber deutlich offener als in den ersten beiden Spielen
Das lag vor allem an Keith Andrews, der aus dem Zentrum heraus gerne nach vorne aufrückte und so etwas Variabilität in das ansonsten ja erschreckend vorhersehbare Spiel der extrem biederen Mannschaft brachte: McGeady und Duff mit Tempo über die Flanken, dann hoch Richtung Keane und Doyle. Alles bekannt, alles schon gesehen, nichts Neues.
Pirlo gestaltet, Motta legt ab
Bei den Italiener stand zwar Motta auf der Zehn, seine Rolle sah aber eher vor, Gegenspieler zu binden und Bälle abzulegen. Klar, denn der eigentliche Spielmacher war Andrea Pirlo. Ihn ließen die Iren auch völlig unbehelligt, er hatte viel Zeit, sich die Anspielstationen zu suchen und sie anzuspielen.
Das altbekannte Problem im 4-3-1-2 sind natürlich die fehlende Breite im Spiel. Balzaretti und Abate waren zwar nach vorne durchaus aktiv, aber sie waren halt auf sich alleine gestellt, konnten niemanden hinterlaufen – und hatten auch Defensiv-Arbeit zu verrichten, wodurch sie sich natürlich nicht so frei nach vorne bewegen konnten wie das Maggio und Giaccherini mit Hilfe der Dreierkette tun hatten können.
Italien trifft nur aus Standards
So verteidigten die limitierten, aber beherzten Iren aus dem Spiel heraus recht ordentlich und ließen den Gegner, der ja unbedingt gewinnen musste, kaum zu Torchancen kommen. Umso bitterer, dass es einmal mehr nach einer Standard-Situation einschlug: Cassano verwertete einen Eckball zum 1:0 nach einer halben Stunde. Womit das Spiel mehr oder weniger schon in Sack und Tüten war. Denn trotz des eigentlich nur knappen Vorsprungs musste man nie Angst haben, dass die Iren ein Tor schießen könnten.
Allerdings taten sich auch die Italiener schwer. Prandelli machte das Spiel seiner Mannschaft nach einer Stunde noch enger, als er Diamanti für Cassano brachte – der neue Mann orientierte sich etwas tiefer, sehr lauffreudig, aber ohne echten Vorwärtsdrang. So plätscherte das Spiel seinem Ende entgegen, bis der für Di Natale eingewechselte Balotelli – wieder aus einem Eckball – ein wunderbares Tor im Fallen erzielte. Das 2:0, die endgültige Entscheidung in einem Spiel, in dem die Entscheidung eigentlich schon lange gefallen war.
Fazit: Unspektakulärer Arbeitssieg
Schön, spektakulär und so richtig überzeugend war sie nicht, die Vorstellung der Italiener. Was aber auch daran lag, dass das 4-3-1-2 der Spielweise der Iren eigentlich entgegen kommt: Alles durch die mit Whelan und Andrews äußerst zweikampfstark besetzte Zentrum, mit Di Natale (1.70m) und Cassano (1.75m) eher kleingewachsene Stürmer gegen die Kanten in der irischen Verteidigung – da war es klar, dass es über Tempo und Technik gehen musste. Diese konnte Motta auf der Zehn aber nicht bieten; und die Außen waren bei den Italienern systembedingt etwas unterbesetzt.
Dass es letztlich dennoch zu einem eigentlich nie gefährdeten 2:0-Sieg reichte, lag auch daran, dass Irland die Italiener trotz einer engagierten Leistung nie wirklich unter Druck setzen konnten. Weil die Italiener natürlich genau wussten, wie sie gegen diese Mannschaft verteidigen muss. Es ist schon logisch und richtig, dass Irland mit der schwächsten Bilanz aller Teilnehmer ausscheidet. Weil man einfach mit sehr viel Abstand das schlechteste Team war.
(phe)