Turnier-Fehlstarter Tschechien holte sich im Duell mit Co-Gastgeber Polen heute den Gruppensieg. Nach 72 Minuten war es Flankenflitzer Jiracek, der in einem mittelklassigen Spiel dem dominanteren Team zum Sieg verhalf. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Hop-oder-Drop-Ausgangssituation ließen beide Teams das letzte Risiko vermissen.
Es ist nicht so, dass man den Tschechen oder den Polen Feigheit vorwerfen müsste. Ein Offensivspektakel sieht jedoch anders aus, und auch diese Anmerkung muss letztlich im Lichte der dem starken Regen geschuldeten Platzverhältnisse gesehen werden. Letztlich wirkte sich die Tatsache, dass Sieg und Niederlage heute mit Aufstieg oder Ausscheiden gleichbedeutend waren, aber doch lange auf das Geschehen am Rasen aus.
Kein Weg führt durchs Zentrum
Tschechen-Coach Michal Blek schickte ein 4-2-3-1 auf den Rasen, dessen Ausrichtung in der Defensive das Zustellen der Mitte war, während Angriffe in der Regel über die Seiten gefahren wurden.Ähnlich legte es auch Franciszek Smuda an, wenngleich sein Team über weiter Strecken als 4-1-4-1 mit Dudka als Vorstopper vor der Abwehr bzw. Antreiber im hinteren Zentrum agierte. Offensiv baute das Team auf die Dortmund-Achse Blaszczykowski-Lewandowski, was eine deutliche Rechtslastigkeit des Angriffspiels zur Folge hatte. Dort funktionierte das Zusammenspiel mit Obraniak und Murawski in der Regel auch harmonischer.
Im Zentrum neutralisierten sich beide Mannschaften über 70 Minuten. Ging der Ball doch einmal über die Mitte, wurde es dort sehr schnell so eng, dass die agierende Mannschaft entweder den Weg zurück bzw. auf die Seite antreten musste, oder den Ballbesitz durch einen ungenauen Pass oder im Zweikampf verlor. Hier standen beide Teams vor dem eigenen Sechzehner dicht, diszipliniert und verschoben ihre Reihen konsequent mit. Die Innenverteidiger beider Teams rückten nach vorne nicht besonders weit und oft erst mit Verzögerung nach.
Vertrauen in die Flügel
Auf den Flügeln war es individuelle Klassen, die den Unterschied darüber machte, ob einem der Teams ein Ball in den Strafraum glückte. Konkret hieß auf Seiten der Tschechen die treibende Kraft Jiracek, der gut mit Gebe Selassie zusammenarbeite und vorn Support von Kolar bekam. Bei den Polen ließ der bereits erwähnte Blaszczykowski seine Gegner im Zusammenspiel mit Obraniak verzweifeln. Sein Hintermann, Pisczek, spielte nach vorne deutlich verhaltener als sein Pendant bei den Tschechen. Die Feldbreite wurde von beiden Teams nicht übermäßig effizient genutzt.
Insgesamt wirkten die Tschechen frischer und besser abgestimmt, spielten weniger fehlerbehaftet und waren bereits in der an gefährlichen Chancen armen ersten Halbzeit feldüberlegen Für beide Mannschaften ergaben sich gefährliche Situationen aber oft nur aus hoch gespielten Standards und dem folgenden Getümmel im Strafraum. Vereinzelte Konter brachten aufgrund der stets auf Backup bedachten Matchpläne so gut wie keine Überzahlsituationen und endeten selten mit nennenswerter Gefahr. Angesichts dessen verwundert es wenig, dass ein Weitschuss von Boenisch auf das Tor vot.t, zumal auch das Spiel in die Breite bei den Polen eher mangelhaft.
Jiracek belohnt sich im Konter
In der zweiten Halbzeit änderte sich das Bild der Partie. Der Wandel war kein drastischer, jedoch erhöhten beide Truppen ihre Risikobereitschaft angesichts der verstreichenden Zeit und des Spielstands in der Parallelpartie, der bei einem 0:0 in Breslau sowohl die Griechen als auch die Russen in die KO-Runde geschickt hätte. Das punktuelle Pressing wurde verstärkt, die Abwehr- und Mittelfeldreihen rückten früher auf.
Es waren die Tschechen, die letztlich von dieser Veränderung profitieren sollten, obwohl Polen zuerst mit einer personellen Änderung aufwartete. Der für den brav ackernden, aber letztlich kaum auffallenden und immer unsichtbar werdenden Polanski schickte Smuda Grosicki auf das Grüne, der nach einer kurzen Schwungphase aber ebenfalls gesichtslos bleiben sollte. Nach einer Stunde war anhand des steigenden Drucks der Tschechen und einer wachsenden Fehlerquote beim Gastgeber langsam zu merken, an welchem Team die verstreichende Zeit größere Spuren hinterließ. Polen trug seine Angriffe zwar beherzt vor, scheiterte aber nicht selten schon deutlich vor der Strafraumgrenze in seinen Bemühungen.
So auch beim entscheidenden und einzigen Gegentor in der 72. Minute, als Unglücksrabe Wasilewski im vorderen Mittelfeld einen Kurzpass in den Lauf von Milan Baros setzte, der davonzog und schließlich Jiracek bediente, dem ein Haken ausreichte, um seinen Gegenspieler am nassen Rasen zu versetzen und den Ball mit einem Flachschuss einzunetzen. Der gerechte Lohn für das Arbeitstier am rechten Flügel und das überlegene Team.
Gastgeber bemüht, aber harmlos
Smuda reagierte mit einem Doppeltausch, jedoch konnten auch Brozek und Miercejewski das Ruder nicht mehr herumreissen. Die Tschechen gingen es nun gelassener an und strahlten selbst dabei noch mehr Gefahr aus, als die immer überstürzend spielenderen Polen. Im Verlauf der letzten zehn Minuten ersetzte Blek nicht nur den Torschützen, sondern auch sein Gegenüber auf der linken Seite, Pilar, mit frischen Kräften in Form von Rajtorac und Rezek. Kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit war dann auch für Baros der Arbeitstag vorbei.
Mehr durch Zufall als durch spielerisches Geschick hatte „Kuba“ in der letzten der vier Minuten Nachspielzeit dann doch noch den Ausgleich am Fuß. Gerettet hätte es die Russen, die nach einem beeindruckenden 4:1-Start gegen die Tschechen, deren Viertelfinalauftritt nun zur allgemeinen Überraschung daheim im TV verfolgen müssen. Genauso wie die Polen, die dafür zumindest kein Flugticket benötigen.