Nüchterner Ergebnis-Fußball zeichnet die Ivorer bei diesem Turnier aus. Auch, wenn beim hochverdienten Halbfinal-Sieg gegen Mali in der ersten halben Stunde Chancen am laufenden Band herausgespielt (und vergeben) wurden, bestätigte sich dieser Eindruck auch hier. Denn nach der Führung ging es vor allem darum, nichts mehr Anbrennen zu lassen.
Irgendwie hat es Mali geschafft, sich ins Semifinale durchzumogeln. Da ging es aber gegen den Top-Turnierfavoriten Côte d’Ivoire. Teamchef Alain Giresse griff dabei wieder auf das gewohnte 4-2-3-1 zurück, allerdings in etwas anderer Besetzung als beim mit mehr Glück als Verstand überstandenen Viertelfinale gegen Gabun: Zwar stellte er mit Samba Sow erneut einen gelernten Sechser auf die offensive Außenbahn (diesmal die linke), aber er eliminierte mit Abdou Traoré und Modibo Maiga zwei Stammkräfte des Turniers komplett aus dem Kader.
Die Rolle von Yaya Touré
Was sich auch nicht veränderte, war die hohe Rolle von Seydou Keita. Dieser sollte Didier Zokora und Cheikh Tioté, die beiden tief stehenden Ivorer im nominellen 4-3-3, am Spielaufbau stören. Das machte er an sich nicht so schlecht, es brachte aber relativ wenig, weil Yaya Touré dafür seine Gegenspieler narrte. Und zwar mit seiner Flexibilität im Positionsspiel und seinem guten Auge für Laufwege: Er tauchte praktisch überall auf, wo der Ball in der Nähe war. Das wiederum erlaubte vor allem Salomon Kalou, sich mitunter neben Drogba als zweite Spitze zu orientieren.
Gegen den Ball agierten die Ivorer in einem 4-1-4-1, in dem Zokora den Sechser gab und Tioté mit Yaya Touré die Mitte zumachte. Im Ball verwandelte sich die Formation der Ivorer aber blitzschnell in jenes 4-2-4, das sie schon im Eröffnungsspiel gegen den Sudan angewendet haben. Darin marschierte vor allem Rechtsverteidiger Gosso mit nach vorne. Die Folge war ein brutales Übergewicht der Ivorer, das sich auch in vielen guten Tormöglichkeiten zeigte.
Gosso als ivorische Schwachstelle
Zwei Pfostenschüsse, zwei recht unsichere Aktionen des im Turnierverlauf eigentlich recht sicheren Torhüters Soumbeila Diakité, ein Schuss von Kalou knapp über das Tor – die Favoriten hätten das Spiel schon in der ersten halben Stunde komfortabel für sich entscheiden können, über einen 0:3-Rückstand hätte sich Mali nicht beschweren können.
Nach und nach aber entdeckten die Malier die große Schwachstelle beim Gegner: Rechtsvertediger Jean-Jacques Gosso. Der ist eigentlich gelernter Sechser und ist rechts hinten nur ein Notnagel, weil Igor Lolo dort auch nicht überzeugen konnte. Wann immer schnelles Umschalten nach hinten gefragt war, hatte Gosso große Probleme und der schon das ganze Turnier beeindruckend starke malische Linksverteidiger Adama Tamboura lief in Gossos Rücken immer und immer wieder davon.
Mali kommt auf und wird bestraft
Alleine, Kapital konnte man auch aus dem konsequenten Anbohren dieser Schwäche nicht schlagen, weil die Flanken sichere Beute der bombensicheren ivorischen Innenverteidigung wurden. Aber immerhin gelang es Mali so, nach etwa einer halben Stunde die Wucht aus dem Angriffsspiel des Gegners merklich rauszuziehen und alles sah nach einem 0:0 zur Pause aus.
Ehe Gervinho an der Mittellinie den Ball bekam, einen Malier tunnelte und der robusten, aber langsamen Verteidigung Malis davonlief. Der Flügelstürmer von Arsenal blieb auch vor dem Tor (ungewohnt) cool und verwertete zur verdienten 1:0-Führung. Eine späte Belohnung für eine aktive Performance, genau zu einem Zeitpunkt, als Mali das Schlimmste überstanden zu haben glaubte.
Ivorer lassen sich nicht locken
Damit musste Mali im zweiten Spielabschnitt zwar eigentlich mehr tun, aber weil die Ivorer sich nicht locken ließen und ihr gewohnt trockenes Defensivspiel nicht aufgaben, fand man schlicht kein Mittel. Mit hohen Bällen auf den an sich eh dafür prädestinierten Mittelstürmer-Hünen Diabaté konnte man Kolo Touré und Bamba nicht im Ansatz gefährden, zumal die Flanken oft viel zu ungenau kamen.
Und um mit spielerischen Mitteln nach vorne zu kommen, fehlte es Mali zum einen an der individuellen Qualität auf den Außenpositionen im Mittelfeld und vor allem am eklatant fehlenden Tempo. So hatte man nie wirklich das Gefühl, Mali könnte ernsthaft den Ausgleich erzielen – zumal es nie gelang, in einen Spiel- und Angriffsrhythmus zu kommen. Die Partie versandete in vielen Nicklichkeiten und Unterbrechungen – so war der Sieg für die Ivorer, so knapp das Resultat auch war, kaum jemals in Gefahr.
Auch nicht, als mit Garra Dembélé eine neue Offensivkraft für den wirkungslosen Yatabaré eingewechselt wurde. Der körperlich robuste Dembélé hätte zwar theoretisch vorne gemeinsam mit Diabaté etwas umrühren können, aber so richtig traute sich Giresse sein System nicht aufzugeben. So kam Dembélé auch eher über die Flanke und war dort kaum ein Faktor.
Fazit: Côte d’Ivoire bleibt unspektakulär und unüberwindbar
Natürlich waren die Ivorer die um längen bessere Mannschaft, aber das waren ja schließlich auch Gabun und Guinea gewesen. Den einzigen Vorwurf, den sich der Favorit gefallen lassen muss, ist dass der Sack nicht schon in der ersten halben Stunde zugemacht wurde und es einer (wenn auch wirklich exzellenten) Einzelaktion bedurfte, um aus der klaren Überlegenheit auch Zählbares herauszuholen.
Aber immerhin: Diesmal kamen Drogba, Kalou und Co. wenigstens zu vielen guten Chancen. Im bisherigen Turnierverlauf zeichneten sich die „Elefanten“ eher dadurch aus, nach vorne eher nüchtern zu spielen und Fehler der Gegner eiskalt auszunützen. Es bleibt aber dabei, dass die Ivorer einen recht unterkühlten Eindruck machen und im Endeffekt puren Ergebnisfußball zeigen. Das wird sich sicher auch im Finale gegen Sambia nicht ändern, denn wie in allen Spielen zuvor ist die Côte d’Ivoire auch da der klare Favorit.
(phe)