Noch ist es ein riesiges Loch, in dem sich Bagger und Lastwägen tummeln. Darüber thront noch der große Bogen über der Haupttribüne des San Mamés. Des alten Stadions, in dem Athletic Bilbao noch bis Sommer 2014 spielt, ehe die neue Arena bezugsfertig ist. Um jenes Bauwerk abzulösen, das für die WM 1982 komplett renoviert wurde und seither vor sich hin altert; das nach dann 101 Jahren seine Schuldigkeit endgültig getan hat und abgerissen wird. In der modernisierten Stadt ist der alte Ground ein charmanter Anachronismus. Und mit „El Loco“ Marcelo Bielsa erlebt das San Mamés sein letztes Hurra.
Was mit dem gewonnen Platz des dann abgerissenen Stadions passiert, weiß man schon – die Univertistät bekommt neue Gebäude. Der Verbleib des großen Bogens über der Haupttribüne ist dafür noch unklar. Ein Vorschlag sieht vor, ihn in tausend Teile zu zerschneiden und diese als Andenken an die Meistbietenden zu veräußern. Andere meinen wiederum, man sollte ihn erhalten und über die Ría del Bilbao spannen. Inmitten der vielen modernen Brücken, die das durch die Stadt verlaufende Gewässer queren, wäre der Bogen sicher gut aufgehoben.
Schließlich ist die baskische Stadt, in dessen Großraum fast eine Million Menschen leben, architektonisch äußerst progressiv geworden, seit 1997 das Guggenheim-Museum eröffnet hat. Santiago Calatrava, der auch den Olympiapark von Athen entworfen hat, steuerte das Design für eine Fußgängerbrücke bei. Die Haupt-Einfallsstraße aus Richtung Norden führt über eine Hängebrücke, dessen großer Pfeiler des Nächtens eine Lichtshow abliefert.
Und nicht zuletzt natürlich das große Museum für moderne Kunst mit dem bekannten Namen – oder etwa die knallig grüne, moderne Konstruktion der erst vor eineinhalb Jahren eröffneten Basketball-Arena im Miribilla-Park, die sich an den doch relativ steilen Hügel hinunter zur Altstadt schmiegt. Inmitten all dieser neu entworfenen und errichteten Bauwerke ist das 1913 eröffnete Stadion schon ein Anachronismus. Aber ein unter den Fans liebgewonnener, ein tränenreicher Abschied ist vorgrammiert. Nicht nur wegen der vielen Erinnerungen, die unter anderem acht spanische Titel mit sich brachten.
Sondern auch, weil das Stadion selbst einige schrullige Eigenheiten aufweisen kann. Wie etwa das Telefon auf der Ehrentribüne, das direkt mit der Trainerbank verbunden ist – reserviert für den Coach, falls dieser vom Referee auf die Tribüne verbannt wird. Oder dem Andenken an eine verlorene Wette des damaligen Präsidenten vom baskischen Rivalen CD Alavés, der nach Bilbaos Titel 1983 meinte: „Das schafft ihr nächste Saison nicht nochmal – und wenn doch, bekommt ihr meinen ausgestopften Löwen!“ Womit der gute Mann nicht rechnete: Athletic holte 1984 sogar das Double. Seither steht die Jagdtrophäe im VIP-Club des San Mamés.
Mit Bielsa auf dem Weg nach oben
Es war der letzte Titel jenes Klubs, in dem nur Spieler aus dem Baskenland spielen dürfen. Das verschafft Athletic gegenüber der Konkurrenz von der Größenordnung Real Madrids oder des FC Barcelona natürlich einen ordentlichen Wettbewerbsnachteil, weshalb der Vizemeister-Titel 1997 unter Jupp Heynckes (und der damit verbundenen Teilnahme an der Champions League) seither den größten Erfolg darstellt.
Ehe es nun, mit Marcelo Bielsa als Trainer, wieder Hoffnung unter den Fans gibt. Der Argentinier, der als Teamchef von Chile bei der WM in Südafrika die Fachwelt begeisterte, fand nach seiner Ankunft im Sommer eine Vereinsführung vor, die ausdrücklich mit ihm einen längerfristigen Weg gehen wollte – weshalb er auch nach dem komplett missglückten Saisonstart nicht, wie bei anderen Vereinen üblich, gleich wieder geschasst wurde. Kontinuität, die sich auszahlt.
Denn nach nur zwei Pünktchen aus den ersten fünf Spielen gab es seither 24 Punkte in 13 Spielen, dabei nur eine einzige Niederlage und dazu den souveränen Gruppensieg in der Gruppenphase der Europa League gegen Paris St. Germain, Salzburg und Slovan Bratislava; sowie den Einzug ins Cup-Viertelfinale. Nach dem 3:0 gegen Levante, zu diesem Spiel unten mehr, ist Athletic Fünfter mit Tuchfühlung zum Champions-League-Platz.
Die Ruhe, mit der „El Loco“ bei Athletic arbeiten kann, wird durch das eigentliche Zentrum des Vereins ganz gut symbolisiert. Dazu muss man aber raus aus der Stadt.
Das Hauptquartier im Provinzkaff
Eine etwa 30-minütige Fahrt mit dem Regionalzug bringt einen von Bilbao nach Lezama. Der Ort an sich ist ein verschlafenes Kaff: Kaum fünf Straßen, kaum nennenswerte Geschäfte, trotz der relativen Nähe zum modernen Bilbao im Grunde tiefste baskische Provinz. Da grasen in einem Garten Schafe, der Nachbar hat ein paar Weinreben stehen, dann hört man einen Hahn krächzen.
Bekannt ist Lezama dennoch – wegen des 1971 eröffneten großen Trainingszentrums von Athletic. Hier hat der Klub seine eigentliche Homebase: Auf den insgesamt sieben Plätzen wird nicht nur trainiert, bis auf die Primera-Division-Herren tragen auch sämtliche Mannschaften des Vereins, von den Bambini bis zu den Frauen, ihre Heimspiele hier aus.
Rekordmeister und Barça-Jäger
Als vierfacher Titelträger sind die Athletic-Frauen sogar Rekordmeister der seit 1988 ausgetragenen Meisterschaft. In der aktuellen Saison liegt das Team, das wie die Herren ausschließlich auf Personal aus dem Baskenland baut, drei Punkte hinter dem FC Barcelona auf Platz zwei, an diesem Wochenende – Anpfiff am Sonntag mittag um Punkt 12 Uhr – ging’s gegen den Mittelständler aus Olivenza. Das liegt irgendwo im Nirgendwo der Region Extremadura nahe der Granze zu Portugal. Muss man also nicht kennen.
Der spanische Frauen-Fußball entwickelt sich, letztens trotze man dem DFB-Team in der EM-Quali einen Punkt ab, die U17-Mädels sind gar Europameister. Das Leistungsgefälle in der Liga mit 18 Teams (!) ist aber ganz enorm, wie dieses Spiel klar zeigte. Die Formation der Gäste war von der Grundidee ein 4-1-4-1, aber da Sechser Desi ganz extrem weit zurückgezogen agierte, stellte Olivenza effektiv eine Fünfer-Abwehrkette auf und versuchte von Beginn an, das Ausmaß der zu erwartenden sportlichen Katastrophe in Grenzen zu halten. Wohlgemerkt als Team aus dem Tabellen-Mittelfeld, längst jeder echter Abstiegs-Angst entledigt.
Ähnlich wie die Männer
Die Gäste überließen Athletic die Spielgestaltung komplett, das Heimteam kam sicher auf 80% Ballbesitz, versuchte das Spiel über nach vorne preschende Außenverteidiger (vor allem Iraia auf der rechten Seite) breit zu machen. Die beiden Innenverteidigerinnen übernahmen die Spieleröffnung.
Tzibi Juaristi erinnert dabei nicht nur von der Frisur so ein wenig an Carles Puyol, Partnerin Irene Paredes, mit ihren 1.76m die Größte im Team, nicht nur von der Statur an Gerard Piqué – von hinten ohne lange Bälle, sondern mit Spielkultur aufbauen, lautet die Devise. Außerdem rochierte das Angriffstrio permanent durch – also durchaus ähnlich der Philosophie, wie sie Marcelo Bielsa den Männern mit wachsendem Erfolg zu vermitteln versucht. Dennoch tat sich der Favorit schwer, wirklich Torchancen zu kreieren. Zweimal klatschte der Ball an die Latte (23. nach einem Eckball und 39. aus einem Weitschuss), aber ansonsten hatten die Opas aus dem Dorf einiges zu lamentieren.
Olivenza? Naja. In den seltenen Fällen, in denen die Blauen den Ball hatten, konnten sie absolut nichts damit anfangen. So gut wie nie gelangen drei Pässe hintereinander, ehe der Ball entweder beim durchaus mit Pressing spielenden Gegner, außerhalb des Spielfeldes oder im Nirvana der praktisch verwaisten Hälfte von Bilbao landete – Solo-Spitze Nerea erreichte kaum einen der schlampig gespielten Pässe. Die Gäste strahlten kaum mehr Gefahr aus als ein Fünfjähriger gegen Vitali Klitschko, hielten aber zur Halbzeit immerhin das torlose Remis.
Mit der Müdigkeit geht’s dahin
Mit Guru Fernández (statt Nekane) brachte Atheltic-Coach Juan Luís Fuentes für die zweite Hälfte eine neue Spielerin für die rechte Seite. Damit kam deutlich mehr Geradlinigkeit in das Spiel des Heim-Teams und durch einen Foul-Elfmeter, von der Neuen eher humorlos ins Zentrum verwandelt, gelang kurz nach Wiederanpfiff auch das längst überfällige Führungstor.
Das Team aus Olivenza muss gewusst haben, dass das Spiel damit verloren war. Denn zur Harm- und Tatenlosigkeit der ersten Hälfte gesellte sich nun auch noch Müdigkeit und die Gegenwehr sank rapide. Nachdem Erika in zwei Flanken nur noch den Fuß hineinhalten musste (60., 62.) und dann einen Goalie-Fehler zum 4:0 (74.) nützte, entsprach das den Kräfteverhältnissen absolut.
Eine Umstellung bei Athletic nach dem 3:0 gab den zerfallenden Gästen dann den Rest: Mit Stürmerin Beristain (statt Rechtsaußen Ibarra) drehte das Heim-Team das Dreieck im Mittelfeld um, Beristain spielte ein Mittelding aus Zehn und Stürmerin. Was Olivenza-Sechser Desi dazu veranlasste, wieder nach vorne zu rücken, um die Neue zu Bewachen. Was hinter ihr beträchtliche Räume ließ und die Abwehr zusätzlich entblößte.
Neben dem 5:0 durch Guru (78., Abwehr brachte den Ball nicht raus) und dem Tor zum 6:0-Endstand wieder durch Erika (80., von einem Solo auf der linken Seite freigespielt) holzte Athletic zweimal auf die Latte (64., 68.) und einmal auf den Pfosten (88.), testete also insgesamt fünfmal das Aluminium. Obwohl es zur Halbzeit also 0:0 gestanden hatte, waren die Gäste mit dem 0:6 noch gut bedient.
Athletic Club – Olivenza 6:0 (0:0)
Lezama, 250, SR Elexpuru-Sanz. Tore: 1:0 (48., Elfmeter) Guru, 2:0 (60.), 3:0 (62.) und 4:0 (74.) Erika, 5:0 (78.) Guru, 6:0 (80.) Erika. Athletic: Ainhoa; Iraia, Irene, Tzibi, Saioa; Orueta (55. Flaviano), Olabarrieta, Itsuso (62. Manu); Nekane (46. Guru), Erika, Ibarra (64. Beristain). Olivenza: Cristina; Lucky, Idaira (61. Alicia), Laly, Conchi; Desi; Lourdes, Marina, Martita, Amanda (75. Beatriz); Nerea (61. Esperanza).
Jung gegen Alt
23,8 Jahre – die Mannschaft, die Marcelo Bielsa am selben Tag gegen Überraschungsteam Levante auflaufen ließ, ist eine unglaublich junge. Gespickt mit Spielern, denen eine große Zukunft vorausgesagt wird. Nicht nur bei Athletic, denn wenn die wirklich großen, auch internationalen Namen anklopfen, werden einige kaum zu halten sein. So wie die U21-Europameister Javi Martínez und Ander Herrera oder Jungstar Iker Muniain.
Levante andererseits, der kleine Lokalrivale von Valencia, ist das genaue Gegenteil. Die Granotas haben sich zu einer Anlaufstelle von Ehemaligen entwickelt, die sich noch mal auf höchstem Niveau beweisen wollen. Leute wie Farinós, der mit Valencia 2000 im Champions-Leauge-Finale spielte. Wie Javi Venta, der 2006 mit Villarreal das Halbfinale erreichte. Wie Juanfran, dessen Karriere nach einer verunglückten WM 2002 nicht so recht in die Gänge kam. Oder wie Asier del Horno, der bei Athletic zum Nationalspieler wurde, aber mit dem Wechsel auf die Chelsea-Bank 2005 nur seinem Konto, nicht aber seiner Karriere einen Gefallen tat. Und nicht zuletzt wie Kapitän Sergio Ballesteros, 2001 mit Außenseiter Rayo Vallecano im Uefa-Cup-Viertelfinale, der zwar Stammspieler war, wo immer er unter Vertrag stand, aber letztlich nie wirklich etwas gewonnen hat.
So ist in einer Truppe, die ein Durchschnittsalter von 31,4 Jahren aufweist, der zentrale Mittelfelspieler Xavi Torres (zuvor bei Barcelona und Málaga) mit seinen 25 Lenzen das absolute Team-Baby – keiner bei den Blau-Roten ist jünger als er. Doch die vielen alten Recken könnten diese Saison durchaus zeigen, dass sie was drauf haben, schließlich führte sie Trainer Juan Ignácio Martínez auf den vierten Tabellenplatz. Der für die Qualifikation zur Champions League reichen würde! Aber gegen Athletic war sein Team im Grunde chancenlos.
Gutes Zusammenspiel vorne
Levante spielte in einem 4-4-1-1 und vor allem die beiden Stürmer, José Barkero und Arouna Koné zeigten mit gutem Zusammenspiel, warum Levante die viertmeisten Tore der Primera Division erzielt hatte: Barkero arbeitete viel, kam aus der Tiefe, bot sich als Anspielstation für Farinós und Xavi Torres – von denen im Ballbesitz einer aufrückte und einer absicherte – an. Koné bewegte sich gut und bot sich an, so gut es ging. Vom Ivorer und dem Basken im Trikot von Levante ging die größte Gefahr aus.
Oder besser: Die einzige. Denn weder Juanfran noch El Zhar auf den Flanken konnten viel beitragen, weil sie wegen der Raumaufteilung von Athletic viel mit Defensivaufgaben beschäftigt waren. Sie rückten bei Ballbesitz zwar weit auf – genauso wie bei Abstößen vom eigenen Torwart – boten aber wenig Gefährliches an.
Mitte absichern, über Außen nach vorne
Marcelo Bielsa ist bekannt dafür, seine Formation, was die Organisation in der Defensive betrifft, auf das System des Gegners auszurichten. Das war in Südamerika zumeist eine Dreierkette, weil in der spanischen Liga aber üblicherweise mit einem einzelnen zentralen Stürmer agiert wird, lässt er sein Team üblicherweise mit einer Viererkette agieren, um im Zentrum Überzahl zu haben.
Nun spielt Levante aber doch mit zwei Stürmern – umso mehr zeigte sich, was sich im modernen Fußball bei vielen Teams zeigt: Der Sechser lässt sich zwischen die Innenverteidiger fallen, die Außenverteidiger pressen nach vorne (also nicht so wie die am Mittag bei Olivenza).
Dieses Spielchen spielte Athletic hier praktisch immer. Iturraspe spielte zwischen Amorebieta und Javi Martínez, einder der beiden verbleibenden zentralen Mittelfeldspieler (zumeist eher Ander Herrera) ließ sich etwas fallen und agierte als Verbindungsspieler, die Außenstürmer (Muniain links mehr als Susaeta rechts) konnten einrücken und durch die aufrückenden Außenverteidiger blieb immer noch genügend Breite im Spiel.
Führung bringt Kontrolle
Schon nach zehn Minuten brachte der bei einem Eckball aufgerückte Innenverteidiger Amorebieta Athletic mit 1:0 in Führung, und die Heimischen hatten das Geschehen, von einigen nicht ungefährlichen Vorstößen von Koné abgesehen, recht sicher im Griff. Vor allem die Tatsache, dass mit Iturraspe und Javi Martínez zwei gelernte Mittelfeldspieler in der hinteren Dreierkette spielten, verlieh dem Spiel von Athletic eine gute Basis. De Marcos beschäftigte Xavi Torres und Farinós sehr gut, auch zogen die Außenstürmer Levantes Außenverteidiger aus der Position, sodass auf den Flügeln Raum entstand.
Und Ballesteros (36) und Nano (31) sahen ihrem Alter entsprechend aus. Ersterer konnte noch viel mit seiner Erfahrung und entsprechend gutem Stellungsspiel machen, aber Nano – der vor einem Engagement in China steht – übersah immer wieder Llorente in seinem Rücken, der alle Freiheiten hatte und immer wieder gesucht und gefunden wurde. Der Ansatz von Bilbao war schnell und direkt, mit Pressing nach Ballverlust und möglichst konsequentem Spiel über die Flügel.
Attraktiver Fußball wird belohnt
Nach einem halben Jahr hat das System und die Philosophie von Marcelo Bielsa ganz deutlich gegriffen, Athletic zeigte echten Augenweiden-Fußball und die Altherren-Truppe aus Valencia hatte dem kaum etwas entgegen zu setzen. So war das 2:0 vor der Pause nicht nur die logische Folge einer dominanten Darbietung und den entblößten Schwächen eines routinierten, aber eben langsamen Teams von Levante, sondern gleichzeitig ein Sinnbild eben dafür und natürlich die Vorentscheidung.
Óscar de Marcos (auch erst 22 Jahre alt) lief auf der halbrechten Seite Farinós davon, Ballesteros zögerte – De Marcos angehen oder gegen den von Nano immer wieder alleine gelassenen Llorente absichern? – und machte letztlich nicht so wirklich, De Marcos beendete seinen Lauf, mit der er sich wie ein Dartpfeil in die gegnerische Abwehr gebohrt hatte, mit einer hohen Flanke über Ballesteros und Torhüte Munúa hinweg ab – und am zweiten Pfosten stand Llorente goldrichtig und Nano nirgendwo in seiner Nähe. Der Weltmeister netzte ein – 2:0.
Richtige, aber nutzlose Reaktion
Levante hatte in der ganzen ersten Halbzeit nur zwei ernsthafte Torchancen: Einen Schuss von Koné, der knapp links am Tor vorbeistrich, und einen Freistoß, der das Gehäuse knapp rechts verfehlte. Aber allzu offensichtlich war die defensive Überforderung beim Tabellenvierten, und Trainer Martínez stellte seine Abwehr für den zweiten Durchgang um: Der heillos überforderte Nano („Ist mit den Gedanken wohl schon in China“, kommentierte die Marca seine Leistung süffisant) blieb in der Kabine, Del Horno rückte nach innen und Juanfran, ohnehin gelernter Außenverteidiger, ging nach links hinten; Valdo übernahm die Position im rechten Mittelfeld.
Was letztlich aber nutzlos war, weil Athletic in der zweiten Hälfte den Sicherheitsgang einlegte. Die Wing-Backs drückten längst nicht mehr so vehement nach vorne, und wenn doch, sicherten Muniain bzw. Susaeta ab. Für Llorente betrat nach 70 Minuten Toquero das Feld als Solo-Spitze: Der ist zwar von einem Dasein als Edeltechniker so weit entfernt wie die Erde vom Mond, wegen seinen Einsatzwillens ist die Kampfsau aber ein Publikumsliebling. Er presste auf die Verteidiger von Levante, um die Spieleröffnung zu verhindern. Abwehrarbeit beginnt eben schon ganz vorne.
Druck absorbieren, Muniain machen lassen
Es ging nur noch darum, den möglichen Druck von Levante zu absorbieren und den Gegner nicht zurück ins Spiel kommen zu lassen. So bekamen die Gäste zwar etwas mehr vom Spiel, prüfen konnten sie Iraizoz im Tor aber kaum. So konnte Bielsa auch Iker Muniain bis kurz vor Schluss auf dem Feld lassen. Der 19-Jährige versuchte vor allem in der zweiten Hälfte, als das Spiel entschieden war, viel auf eigene Faust und blieb mit diesem Kopf-durch-die-Wand-Ansatz aber fast immer hängen.
Die Nerven verlor dann aber mit Juanfran ein Spieler von Levante: Bei einem Strafraum-Gerangel vor einem Eckball für Athletic holte er sich in Minute 89 die gelb-rote Karte ab. Wie zur Strafe versenkte der kurz zuvor eingewechselte San José mit dem dritten Kopfballtor des Abends diese Ecke zum 3:0-Endstand. Folge: Athletic springt auf Platz fünf und liegt nur noch drei Punkte hinter Levante. Und damit dem Platz für die Champions-League-Qualifikation.
Athletic Club – Levante 3:0 (2:0)
San Mamés, 35.000, SR Velasco Carballo. Tore: 1:0 (10.) Amorebieta, 2:0 (40.) Llorente, 3:0 (90.) San José. Athletic: Iraizoz; Iraola, Javi Martínez, Amorebieta, Aurtenetxe; De Marcos, Iturraspe, Herrera (81. San José); Susaeta, Llorente (73. Toquero), Muniain (88. Iñigo Pérez). Levante: Munua; Javi Venta, Nano (46. Valdo), Ballesteros, Del Horno; El Zhar (68. Rubén Suárez), Xavi Torres (80. Roger), Farinós, Juanfran; Barkero; Arouna Koné. Gelb-Rot: Juanfran (89.).
Das Atotxa-Schicksal
Es wäre nochmal ein besonderes Highlight, sollte das alte San Mamés vor seinem Abriss noch einmal die Königsklasse erleben dürfen. Ehe es das Schicksal erleidet, das der früheren Spielstätte im 100 Kilometer entfernten San Sebastián (oder Donostia, wie die Stadt im Baskischen heißt) vor bald zwanzig Jahren widerfahren ist.
Real Sociedad ist zwar der große baskische Rivale von Athletic, wirkliche Animositäten zwischen den Klubs gibt es aber nicht. Zu sehr ist man in der Abneigung gegen die Teams aus Madrid vereint, zu ähnlich waren lange Zeit die Vereinsphilosphien was die Spieler angeht. Bis vor Kurzem ließ der Verein nur baskische und ausländische Spieler zu, aber in den letzten Jahren liefen auch vermehrt Akteure aus Rest-Spanien auf. Mit knapp drei Millionen Einwohnern ist die Auswahl für zwei Top-Klubs eben limitiert, wenn man strikt nur baskische Spieler auflaufen lassen will.
Der Sportkomplex Anoeta…
Im Jahr 1993 hat Real Sociedad das Anoeta-Stadion bezogen. Das 33.000 Zuschaern Platz bietende Stadion mit Laufbahn ist Teil eines großen Sportkomplexes im Süden der Stadt, das auch ein Rugby-Stadion, ein Velodrom und eine Kampfsporthalle beherbergt. Highlight ist dort aber die Stierkampf-Arena, die ein modernes Dach bekommen hat und das Basketball-Team der Stadt beherbergt. Zweifellos ist die Illunbe-Arena das architektische Highlight .
Und, wenn man die Laufbahn im Stadion als Stimmungskiller betrachtet, wohl auch vom Abiente her. Am Wochenende sahen über 8.000 Zuschauer in der damit annähernd vollen Halle das 56:71 gegen den FC Barcelona (der sich auch im in Spanien äußerst populären Baskebtall mit Real Madrid um die Spitze streitet).
…löste das Atotxa ab
Stimmungsvoller war wohl auch das alte Atotxa-Stadion, mitten in der Stadt. Das wurde aber mit seiner Kapazität von nur 17.000 Plätzen einfach zu klein und auch verkehrstechnisch schwierig. Dort, wo Real Sociedad die beiden Meistertitel feierte, steht nun eine große Wohnhausanlage. Mit einem Café (das noch heute „Tribuna Norte“ heißt), mit ein paar Geschäften in einem eher wie ein Container-Dorf anmutenden Häuschen in der Mitte, und einem der im Baskenland allgegenwärtigen Kinder-Spielplätzen.
Nur eins darf man dort, wo einst ein Fußballstadion stand, heute nicht mehr. Das wird einem auf Schildern an jedem Eingang klar gemacht.
(phe)
Alle Fotos: Philipp Eitzinger