Eigentlich war ja das Team aus den Staaten das dominierende gewesen, in diesem WM-Finale. Aber die Frauen aus Japan zeigten großen Kampfgeist und retteten sich auch das Aussetzer in der US-Defensive ins Elfmeterschießen. Wo sich die Töchter Nippons zum verdienten Titel schossen.
Japan hatte Gastgeber und Topfavorit Deutschland geschlagen und im Semifinale dem Team aus Schweden eine wahre Lehrstunde erteilt. Das machte sie in den Augen vieler zum klaren Favoriten. Die US-Girls, obwohl mit einigem Glück ins Finale gekommen, sind aber das Team mit dem großen Namen, das noch nie gegen Japan verloren hat. Das machte sie bei vielen anderen zu klaren Favoriten. Torhüterin Hope Solo hatte aber schon im Vorfeld gewarnt: „Die Chance wird mit jedem Spiel größer, dass uns ein so gutes Team wie das aus Japan auch mal schlägt – und das macht mir ein wenig Angst…“
Ganz furchtlos begannen Amerikanerinnen aber gleich wie die Feuerwehr: Mit hoher Energie im Zenturm und schnellem Spiel über die Außen versuchten sie, die Japanerinnen schnell zu überraschen. Als sich der Staub des Anfangswirbels ein wenig gelegt hatte, wurde der Plan des US-Teams schnell sichtbar: Über die Außenpositionen wurde so viel Druck ausgeübt, dass die gegen Schweden noch überragenden Ohne (rechts), sowie Sameshima und Miyama kaum zur Geltung kamen.
Zudem wurde in der Mitte von Boxx und Lloyd so konsequent zugemacht, dass die japanische Spielgestalterin Homare Sawa kaum einen Ball sah, geschweige denn ihn sinnvoll in die Spitze weiterleiten hätte können. Die agile Rapinoe und die unangenehme O’Reilly pressten die japanischen Flügelspielerinnen so nach hinten, dass sich Chancen fast zwangsläufig ergaben. Und erreichte doch einmal ein japanischer Ball die gegnerische Hälfte, pressten die US-Girls schnell, sodass den Japanerinnen überhaupt keine Zeit blieb, ihn auch zu kontrollieren.
Schockphase überwunden
Die Japanerinnen waren rund 20, 25 Minuten wie in Schockstarre über die Bewegungsunfähigkeit, die ihnen das US-Team verpasste. Dann aber fing man sich wieder und attackierte selbst wieder früher, wodurch der Angriffsfluss der Amerikanerinnen schon merklich gebremst wurde – Wambach knallte zwar einen Ball an die Latte, aber die Dominanz war etwas verfolgen.
Weil auch das Mittelfeld mit Boxx und Lloyd damit etwas zurückweichen musste, hatte Sawa nun deutlich mehr Platz um und vor allem vor sich. Es gelang zwar immer noch nicht, Ando und vor allem die bis dahin weitgehend unsichtbare Kawasumi zu bedienen, aber immerhin brachte Nippon bis zur Halbzeit deutlich Ruhe ins Spiel. Die erste Phase des US-Angriffs war überstanden, aber letztlich musste Japan froh sein, mit einem 0:0 in die Kabinen zu kommen.
US-Spiel immer enger
Auch in die zweite Hälfte starteten die Amerikanerinnen mit deutlich mehr Verve und auch einer Riesenchance – aber angesichts der Tatsache, dass die Außen im Mittelfeld immer mehr Tendenz zum Zentrum zeigten, fehlte es alsbald so ein wenig an der Breite. Vor allem Megan Rapinoe überließ immer wieder die komplette Seite ihrer Außenverteidigern Amy LePeilbet. Die spielte zwar defensiv eine ordentliche Partie (was im Turnierverlauf ja nicht immer so war), konnte aber offensiv nicht für Akzente sorgen.
So bekam das US-Team immer weniger Zugriff auf den Strafraum und dem Team aus Japan fiel es immer leichter, das Spiel zumindest defensiv zu kontrollieren – mehr war aber nicht möglich. Nach etwas mehr als einer Stunde brachte Norio Sasaki zwei neue Kräfte: Karina Maruyama für die müdegelaufene Ohno im rechten Mittelfeld und Yuki Nagasato für die glücklose Ando vorne. Das Signal war klar: Selbst etwas mehr nach vorne machen.
Zweimal kurze Unordnung
Es war aber sicher nicht so gedacht, dass man bei eigenen Angriffen hinten alles offenlässt. Genau das ist kurz nach dem Doppelwechsel aber geschehen, und nachdem ein lange Befreiungsschlag von Rapinoe vorne die eingewechselte Alex Morgan fand, fackelte die 22-Jährige nicht lange und drückte zur längst hochverdienten 1:0-Führung für das US-Team ab.
Was den Amerikanerinnen natürlich in die Hände spielte, denn defensiv hatten sie gegen die weitgehend gestutzten Flügel des japanischen Teams kaum wirkliche Probleme und in der Mitte räumte Christi Rampone, wenn notwendig, ab. Auch das weiß man aus dem Turnierverlauf: Neben Rachel Buehler, zweifellos die mit Abstand größte Schwachstelle in der Mannschaft, ist das auch dringend nötig.
Und so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das US-Team das 1:0 ohne gröbere Mühe nach Hause verwaltet hätten, wie es sich in den zehn Minuten nach dem Tor andeutete. Doch dann schlug Rachel Buehler zu: Ihrem blinden Versuch eines Befreiungsschlages quer durch den Strafraum konnte Ali Krieger nicht mehr ausweichen, den Abpraller verwertete Miyama zum 1:1 – ein Ausgleich aus heiterem Himmel und das Ticket für die Verlängerung.
Stehend K.o.
Spätestens in den 30 Extra-Minuten wurde bei beiden Teams die rapide schwindenen Kräfte immer mehr ein Faktor. Durchdachte Angriffe wurden immer mehr zur Seltenheit, obwohl jede der Spielerinnen ganz deutlich versuchte, die Müdigkeit durch vermehrten Einsatz wettzumachen.
Dennoch ist es kaum verwunderlich, dass die Amerikanerinnen nach einem endlich wieder über die Seite vorgetragenen Angriff zum Erfolg kamen: Rapinoe blieb mit ihrer Flanke erst noch hängen, die viel auf die Seiten ausweichende Morgan kam dann durch und Wambach wuchtete einen weiteren ihrer kraftvollen Kopfbälle zum 2:1 ins Tor.
Die Reaktion darauf: Wambach, die sich zuvor schon immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen hatte lassen, ging nun endgültig dorthin um in der Zentrale eine Überzahl gegen Sakaguchi und vor allem Sawa zu erzielen. Wie groß die Auswirkungen waren, lässt sich angesichts der allgemeinen Zerfahrenheit des Spiels kaum sagen.
Comeback
Erstaunlich war, dass es Japan praktisch über die gesamte Spielzeit verabsäumte, die einmal mehr enorm unsichere Rachel Buehler anzugehen, erst in der unmittelbaren Schlussphase wurde sie vermehrt unter Druck gesetzt. Und so ist es beinahe logisch, dasssich nach einem Eckball die kleine Sawa gegen Buehler holte und die leicht angeschlagene Hope Solo nicht mehr retten konnte.
Wieder rettete ein Ausgleichstreffer die Japanerinnen wenige Minuten vor Ablauf der Zeit – diesmal eben ins Elfmeterschießen. Da machte der Ausschluss für Innenverteidigerin Iwashimizu in der 120. Minute wegen einer Notbremse keinen Unterschied mehr, weil der fällige Freistoß nicht verwertet wurde.
Ebensowenig, wie es mit Shannon Boxx, Carli Lloyd und Tobin Heath die ersten drei US-Schützinnen im Shoot-Out nicht verwandelten. Womit Japan erstmals Weltmeister wird!
Fazit: Glücklicher Finalsieg, verdienter Titel
Nimmt man nur das Finale her, hätte eigentlich die USA den Titel holen müssen – über 120 Minuten betrachtet war das Team aus den Staaten das aktivere, bessere. Aber wenn man das ganze Turnier betrachtet, ist Japan zweifellos ein verdienter Weltmeister: Wer Deutschland und Schweden eliminiert, hat es sich verdient; zumal das US-Team gegen Brasilien und Frankreich das Glück schon ziemlich strapaziert hatte.
Es war kein glanzvolles Finale, aber ein hochdramatisches und spannendes. Japan tat sich extrem schwer, weil ihr Flügelspiel gegen die dort geschickt verteidigenden Amerikanerinnen kaum zur Geltung kam und Spielmacherin Sawa in der Spitze den Anspielstationen fehlten. So haben die US-Girls das Finale mit groben Schnitzern in der Abwehr – vor allem zum 1:1, aber auch beim 2:2 sah man nicht glücklich aus – eher selbst verloren.
Den Japanerinnen wird’s recht sein.
(phe)