Früher attackieren, den Gegner ärgern, selbst die Entscheidung suchen – so ging Real Madrid das Cupfinale an. Um in der zweiten Halbzeit zu sehen, wie Barcelona stärker wird, das Spiel in gewohnter Manier kontrolliert. Und in der Verlängerung mit einer erstaunlichen Maßnahme den 1:0-Sieg davonzutragen!
Des Dramas zweiter Teil: Nach dem 1:1 in der Meisterschaft, das angesichts der klaren Tabellensituation kaum mehr als ein Waum-up war, das die restlichen drei Spiele auflegt, ging’s in Valencia schon um mehr – um den Pokalsieg. In einem Jahr, in dem beide Teams diesen sonst eher vernachlässigten Bewerb ernst nahmen, war es klar, dass es zum logischen Finale kommen musste.
Bei Barcelona musste Puyol passen, für ihn spielte Mascherano, wie schon beim Rückspiel in Donetsk getestet, den Innenverteidiger. Außerdem durfte José Manuel Pinto im Tor statt Valdes ran, sonst war alles wie erwartet. Mourinho nahm gegenüber dem ersten Spiel zwei Änderungen vor: Arbeloa spielte rechts hinten, dafür rückte Ramos für den gesperrten Albiol ein. Und vorne verzichtete er auf Benzema bzw. Adebayor und ließ Cristiano Ronaldo als Falsche Neun vorne spielen, mit Özil auf der rechten und Di María auf der linken Flanke.
Der Hauptunterschied in der Herangehensweise war, dass Real viel aggressiver zu Werke ging als beim 1:1 am Wochenende, deutlich früher störte, auf den Gegner presste und teilweise verteufelt hoch stand – die Mittelfeldreihe machte sich genau dort breit, wo Barcelona eigentlich das eigene Spiel aufziehen wollte. So kamen die Katalanen aber kaum wirklich dazu und Real war gut im Spiel.
Auch Pepe interpretierte seine Rolle etwas anders als zuletzt: Er blieb nicht einigermaßen eisern im defensiven Mittelfeld, sondern tauschte sehr oft mit Xabi Alonso die Plätze, ging mit nach vorne, und übte Druck auf die Spieleröffnung von Barcelona aus – gemeinsam mit Khedira. Der Deutsch schob aus der halbrechten Position mitunter weit nach vorne und ließ Busquets überhaupt keine Zeit am Ball.
Barcelona reagiert
Messi ließ sich immer öfter immer weiter nach hinten zurückfallen, weil er vorne keine Bälle sah – der Versuch, wie gegen Real gewohnt mit Steilpässen in die Spitze zu kommen, wäre zwar grundsätzlich richtig gewesen, scheiterte aber in der Regel an der Ausführung und an der umsichtigen Defensive der Königlichen.
Einen Effekt hatte es aber, dass Messi zurück ging: Im der Zentrale hatte Barcelona nun einen Spieler mehr. Dafür orientierte sich Villa vom linken Flügel etwas mehr in eine zentralere Position, die Breite kam auf dieser Seite nun nur noch von Adriano Correia. Oder, sollte kommen: Denn der war mit Özil so beschäftigt, dass er viel weniger zu Flankenläufen kam als Dani Alves auf der anderen Seite.
Dieser versuchte, deutlich mehr als beim ersten Spiel nach vorne mitzugehen, auch, weil ihm der diesmal nicht so starke Angel di María auch die Gelegenheiten dazu ließ. Marcelo stellte sich dann aber zumeist als Schlusspunkt von Alves‘ Angriffsbemühungen heraus.
Chancenplus bei Real
So unterschied sich die Partie ganz massiv von dem Geduldsspiel am Samstag: Beide Mannschaften waren gewillt, selbst etwas nach vorne zu tun, den Gegner niederzupressen, aggressiv zu sein und die Entscheidung zu suchen. So entwickelte sich ein sehr intensives Spiel, aber keines mit allzu vielen wirklich sehenswerten Aktionen: Zu viel Gift war in der Partie drin, zu wenig konnte Referee Undiano Mallenco zur Deeskalation beitragen, zu aggressiv gingen beide Teams zu Werke.
Die besseren Chancen hatten vor der Pause aber Real: Einmal, als Mascherano einen Schuss von Cristiano Ronaldo von der Linie kratzte (13.), und dann kurz vor der Pause, als der aufgerückte Pepe sich im Luftkampf gegen Dani Alves durchsetzte und sein Kopfball als Torgestänge ging.
Barça bekommt Oberwasser
Nach der Pause änderte sich zumächt nicht allzu viel, mit der Ausnahme, dass das Gift, das weite Teile der ersten Hälfte bestimmt hatte, merklich gewichen war. Mit Fortdauer der Zeit schienen aber bei Real immer mehr die Kräfte zu schwinden – nicht bei allen, aber bei einigen für die Kontrolle der ersten Hälfte maßgeblichen Spielern. Besonders auffällig war das bei Khedira, der zunehmend den exorbitanten Druck, den er zuvor ausgeübt hatte, vermissen ließ. So hatten Busquets und Xavi mehr Zeit am Ball.
Auch Pepe hielt sich in der Folge immer mehr zurück. Barcelona hatte nun den Platz und auch die Zeit im Mittelfeld, das gewohnte Ballbesitz-Spiel aufzuziehen. Marcelo rückte zudem zunehmend etwas ein, was Dani Alves mehr Platz gab, wiewohl der Brasilianer selbst immer mehr Drall ins Zentrum aufwies.
Mourinho nahm in der 70. Minute Özil vom Platz und brachte dafür Adebayor, womit die Grunformation von Spiel eins wieder hergestellt war – mit Adebayor vorne, Ronaldo und Di María auf den Flanken. Xavi Alonso machte zunehmend mehr den Sechser, während sich Pepe grundsätzlich etwas weiter vorne postierte und sich aber viel nach hinten bewegte.
Das Spiel glich nun einem typischen Barcelona-Spiel: Die Katalanen sind bestimmend, aber Real war, ähnlich wie Donetsk im Champions-League-Hinspiel im Camp Nou, aus Kontern brandgefährlich. Auffällig war, dass Di María sich immer weiter zurückzog und Dani Alves verteidigte, während Marcelo zunehmend das Zentrum, oder zumindest das Halbfeld verstärkte. So sammelte Barcelona bis zum Ablauf der regulären Spielzeit Ballbesitz, aber Real war vor dem gegnerischen Tor gefährlicher.
Was Barcelona fehlte, war zwingendes Flügelspiel – es ging zu viel durch die Mitte. Vor allem Adriano Correia schaffte es nie wirklich, bei seinen Vorstößen auch gefährlich zu werden. Dani Alves ging viel ins Zentrum – so war Barça zu sehr auf die Mitte beschränkt und somit durchaus ausrechenbar.
Di María, der Wing-Back
Für die Verlängerung baute Mourinho ein wenig um, ohne aber zunächst sein Personal zu verändern. Pepe ging nun auf die Zehn – allerdings nicht, um das Spiel zu gestalten. Sondern, wie schon Khedira im ersten Spiel, den Druck auf die Spieleröffnung von Barcelona auzuüben. Er arbeitete aber auch weiterhin viel nach hinten.
Dazu wurde eine Entwicklung, die sich schon in der regulären Spielzeit angedeutet hatte, nun endgültig fixiert: Marcelo ging ins Zentrum, um dort für personellen Ausgleich zu sorgen. Das hieß für Angel di María, dass er nun nicht nur den linken Mittelfeldmann geben musste, sondern auch nach hinten viel Verantwortung hatte – der Argentinier spielte nun im Grunde nichts anderes als einen Wing-Back.
Mourinho hatte erkannt, dass sich auch Dani Alves immer mehr ins Zentrum bewegt und seine Flanke somit gefährlich offen ließ. So hatte Di María den Platz, um immer wieder gefährlich nach vorne zu stoßen – und letztlich in der 103. Minute auch das goldene Tor vorzubereiten. Er ging bis zur Grundlinie durch, flanke, und Cristiano Ronaldo verwertete zum 1:0 für Real.
Neues Personal
Unmittelbar nach der Führung ersetzte Mourinho den müden Khedira mit Granero; Guardiola warf Afellay (statt Villa) in die Schlacht und ersetzte Busquets duch Seydou Keita. Der Malier ging aber nicht auf die Sechs – sicherlich vor allem, weil das zuletzt nicht funktioniert hat. Nein, Keita ging auf halbrechts, dafür Xavi eher nach links und Iniesta auf die Sechs.
Real verlegte sich in der zweiten Hälfte der Verlängerung darauf, das 1:0 rauszuverteidigen. Barcelona spielte somit wie ein Handball-Team um den Real-Strafraum herum, aber der Ausgleich gelang nicht mehr. Dass mit Angel di María der letztlich entscheidende Mann des Spiels kurz vor Schluss noch mit Gelb-Rot vom Platz musste, war dann nicht mehr als eine Fußnote.
Fazit: Drei Phasen
Das Spiel lässt sich wunderbar in drei Phasen unterteilen. Die erste Halbzeit, in der es mit hoher Intensität zur Sache ging, Real hoch stand und früh attackierte und Barcelona so recht gut unter Kontrolle hatte. Die zweite Halbzeit, in der sich Real zurückzog, den Gegner kommen ließ und auf Konter spielte. Und die Verlängerung, in der die Königlichen die Schwachstelle bei Barcelona – wie schon am Samstag Dani Alves defensiv – erkannte und sie mit Di María als Wing-Back ausnützte.
So geht eine ausgeglichene Partie letztlich an Real, was für Mourinho sicherlich nicht unwichtig ist – so hat er zumindest einen nationalen Titel geholt, wenn schon die Meisterschaft längst gelaufen ist. Vorentscheidend war, dass Di María sich während der regulären Spielzeit gegenüber seinen Kollegen eher zurückgehalten hat und dann in der Verlängerung als Flügelflitzer voll aufdrehen konnte.
Real hat zurückgeschlagen. Die womöglich wichtigste Partie, in der man von gröberen Experimenten nicht überrascht sein darf, folgt als nächstes – das Hinspiel im Champions-League-Semifinale. An Titeln steht es zwischen Barcelona und Real Madrid jetzt unentschieden.
Jetzt geht es um den wohl wichtigsten. Den europäischen.
(phe)