Im beinahe ausverkauften Old Trafford trafen die Red Devils aus Manchester auf die Red Devils aus Crawley. Neben den geografischen Verhältnissen trennen die Premier Leage Leader und das Team aus West Sussex ganze vier Ligen. Crawley ist Tabellenzweiter der Blue Square Bet Premier und damit ein Non-Leaguer, der sich heute eine Verlängerung verdient gehabt hätte.
Das Omen
Was ist eigentlich so ein Non-Leaguer? Non-League football bezeichnet in England den Fussballbetrieb unterhalb der Premier League und der Bewerbe der „The Football League“, welche die Championship sowie League One und League Two umfasst. Der Papierform nach, wäre dieses Spiel eine klare Angelegenheit gewesen. Die Vorgeschichte dieses Spiels hätte für United jedoch ein Hinweis sein müssen, dass Papier im Zweifelsfall eben nur ein Schreibmedium ist.
Zum Einen hatte Manchester United in der Viertrunden-Begegnung gegen den League One-Club Southhampton, bereits einige Mühe. Die Drittligisten waren im heimischen St. Mary’s Stadium zur Pause sogar mit 1:0 in Front, ehe Fergusons Startruppe den (verdienten) Turnaround schaffte und mit 2:1 siegte. Zum anderen hatten die Kicker aus Crawley in ihren bisherigen vier Cupspielen drei Vereine aus höheren Spielklassen ausgeschaltet. In zeitlicher Reihenfolge waren dies Swindon Town (League One), Derby County (Championship) und Torquay United (League Two).
Trotzdem liefen die Gastgeber mit einer Mannschaft auf, die zu erheblichen Teilen aus Spielern der zweiten Reihe bestand. Den Kasten hütete Kopenhagen-Neuzugang Anders Lindegaard, vor ihm verteidigten Rafael, Brown, O’Shea und Rafael. In der Zentrale liefen Carrick, Anderson, Gibson und Bebe auf. Letzterer kam zu seinem erst vierten Einsatz und dazu den ersten in der Startformation. Ganz vorne standen JAvier „Chicarito“ Hernandez und Gabriel Obertan.
Im Gegensatz zur TV-Einblendung erwies sich das System nicht als 4-4-2, sondern als eher lasches 4-3-3 (das im Insert einige Spieler auf der falschen Seite aufgestellt waren, erschwerte die Arbeit zusätzlich).
Crawley-Trainer Steve Evans schickte diese Personalien aufs Feld: Kuipers (Tor) – Hunt, McFadzean, Mills, Howell (Abwehr) – Bulman, Sergio Torres, Willie gibson, Smith, McAllister (Mittelfeld) und den Führenden der Blue Square-Torschützenliste, Matt Tubs im Sturm. Das nominelle 4-5-1 wurde auch als solches gespielt, mangels Kenntnis kann ich über die Qualität der Aufstellung im Verhältnis zum Kader nicht mehr sagen.
Vom Nichts zum Paukenschlag
Die ersten 25 Minuten passierte in dieser Partie … so gut wie gar nichts. Die Hausherren waren deutlich feldüberlegen, Crawley versprühte nur durch Standards ansatzweise Gefahr. Carrick und Co kombinierten sich locker und gefällig nach vorne. Dort stellte sich dann ein gewisser Mangel an Ideen und fehlende Präzision im letzten Pass ein. Bis zur 28. Minute. Da bediente Gibson seinen Kollegen Hernandez mustergültig, doch der zögerte zu lange und so wurde aus der Einschussgelegenheit „nur“ ein Eckball.
Den Corner von der linken Seite trat Gibson gefühlvoll in den Strafraum. Dort schraute sich Wes Brown am höchsten und brachte den Ball aus gut zehn Metern im langen Eck unter. Sein erstes FA Cup-Tor überhaupt.
Der Treffer verschaffte Fergusons Truppe kurzfristig Aufwind. Zehn Minuten lang erzeugte man nun konsequent Druck auf die Gäste aus dem Nirgendwo der unteren Ligen. Es roch nach 2:0. Wieder war es Gibson, der selbiges beinahe herbeiführen konnte. Er schickte den aufgerückten Fabio geschickt durch das Loch in der rechten Abwehrseite. Der Linksverteidger überlieg McFadzean relativ mühelos, schob das Leder dann aber am kurzen Eck vorbei (34′). Chance vertan. Eine Minute später sorgte Rafael für Elferalarm, die Berührung von McFadzean war dem Referee Lee Probert aber richtigerweise zuwenig für einen Strafstoß.
Wenige Momente später spielte Obertan am rechten Strafraumrand seinen Gegner schwindlig und prüfte den niederländischen Crawley-Keeper mit einem scharfen, jedoch wenig platzierten Schuss (38′). Und auch Hernandez überwand etwas später seinen Gegner auf der anderen Seite. Der schönen Dribbeleinlage folgte ein gut getimeter Querpass, der sein Ziel jedoch verfehlte (41′).
Die letzten Minuten dieser Halbzeit bäumten sich die Gäste noch einmal auf. Es langte aber nur zu einem nicht gegebenen Freistoss, nachdem Carrick Mills auf etwas ungeschickte Weise knapp vor dem Strafraum gelegt hatte. Mit einer 1:0-Führung ging der Goliath in die Pause. Auch wenn man mit dem Gebotenen seitens der Heimfans nicht zufrieden sein durfte, so wähnte man die Führung zumindest nicht in ernsthafter Gefahr.
Gabriel, the Invisible
In der Pause reagierte Sir Alex Ferguson auf die enttäuschende Performance und nahm den weitgehend unsichtbar gebliebenen Anderson für Wayne Rooney vom Platz. Freilich hätte er nach diesem Kriterium mehr Auswahl gehabt, der Tausch war aber ein klares Zugeständnis an die Offensive. Motiviert durch sein spektakuläres Entscheidungstor im Manchester Derby, sollte er nun für mehr Gefahr im Angriff sorgen. Rooney hatte das letzte seiner bisher 11 Cup-Tore vor zwei Jahren gegen Fulham erzielt.
Der Eingewechselte ordnete sich vor Obertan ein, nach einer höchst durchschnittlichen ersten Hälfte nun in der Versenkung verschwinden sollte.
Die Halbzeit begann mit einer guten Gelegenheit für United: Obertan wurde entlang der linken Seite geschickt, brachte den Ball dann gut in Richtung Chicarito, dessen Großchance in letzter Sekunde von Mills vereitelt wurde (48′). Es sollte dies das letzte Lebenszeichen des Heimteams für knapp 10 Minuten sein. Die Folgen des Tauschs machten sich bemerkbar.
Obertan war auf seiner neuen Position als eine Art offensiver Außenmittelfeldspieler schlecht aufgehoben. Und Rooney fand – auch deswegen – keinen Anschluss ans Mittelfeld. Dazu zog es ihn selbst immer wieder nach Aussen, sodass im Spiel nach vorne zwischen ihm und Hernandez ein Loch entstand, das nun Rafael füllen musste, da Gibson wiederum als Ballverteiler gebraucht wurde. Wenig verwunderlich zog das eine merkbare Behäbigkeit in der Angriffsbewegung und Zuordnungsprobleme im Mittelfeld nach sich. Crawley hatte seine Zentrale dichter zusammen- und die Abwehrreihe etwas nach vorne gezogen und attackierte ballführende Gegner nun oft mit zwei Spielern, um den Druck zu erhöhen.
Luxusverzicht als Problem
Erschwerend kam hinzu, dass dem bemüht spielenden Youngster Bebe in den zweiten 45 Minuten nur noch wenig gelingen sollte. Zahllose erfolgose Dribblings und vereitelte Flanken und Pässe kennzeichneten das Spiel des Portugiesen, der zunehmend frustrierter dreinschaute. Sollte diese Partie wirklich eine Nagelprobe für Tiago Manuel Dias Correia (so sein bürgerlicher Name) gewesen sein, wie die englische Presse munkelte, dann stehen seine Karten für den Sprung in den Stammkader schlecht.
Das Man United eine Flanke in Minute 49 partout nicht aus dem Strafraum bringen konnte, darf ruhig als Vorbote des sich anbahnenden Chaos gesehen werden. Hier stand letztlich ein Verteidiger im Volleyversuch von Smith. Es gab nun wieder Elferalarm, diesmal im Strafraum des Heimteams. Der Körperkontakt (diesmal zwischen Gibson und Tubbs) war den Referee aber erneut, und wieder korrekterweise, zuwenig für einen Penalty. Weit kam das Premier League Team mit dem Ball aber nicht. Der Gegner aus der fünften Spielklasse brachte in den Folgeminuten ein paar ggute Bälle in den Strafraum, ehe Sergio Torres sich mit einem Foul an Rafael die erste gelbe Karte des Spiels holte (54′).
Ob und wann Alex Ferguson taktisch auf die offensichtlichen Probleme reagiert hätte, läßt sich nicht sagen. Denn nach dem musste der Rechtsverteidiger angeschlagen von Feld. Für ihn kam Smalling und O’Shea – auch kein gelernter AV – rückte auf die Abwehrseite.Alternativen dazu gab es nicht, denn Ferguson hatte – offenbar in der Erwartung eines Kantersiegs – drei Plätze auf der Bank mit völlig unbekannten Namen aus dem Nachwuchs besetzt. Auch als Man United-Sympathisant muss man Paul Pogba (17, MF), Joshua King (19, ST) und Ryan Tunnicliffe (DEF, 18) nicht unbedingt kennen. Dass er deren Einsatz in Anbetracht der Situation nicht riskieren wollte, ist verständlich. Die Komplikationen, freilich, hatte man sich selbst eingehandelt.
Der Trainer der „kleinen“ Red Devils nahm im selben Atemzug ebenfalls eine Veränderung vor und opferte seinen Außenmittelfeldspieler McAllister für Stürmer Brodie, der sich hinter Tubbs anhängte. Kurz darauf musste sich Chris Smalling auszeichnen, als er einen Tubbs-Alleingang fair und erfolgreich vereitelte. Ansonsten war United kaum vorhanden (ein ungefährlicher Weitschuss von Fabio gab in der 56. zumindest Zeugnis einer physischen Präsenz), brachte nach einer gespielten Stunde aber wieder etwas Ruhe in die Partie. Es folgte ein zehnminütiges Stalemate, in dessen Verlauf den müdegewordenen McAllister durch Brodie ersetzte, der nun Jamie Cooks Gegenpart auf der gegenüberliegenden Seite gab.
Dass schließlich auch Fabio ausgetauscht werden musste – auch er hatte sich offenbar verletzt – sorgte für veritable Kopfschmerzen bei „Sir Alex“. Da auf der Bank neben den drei Frischlingen nur noch Darren Fletcher und Tomasz Kusczak weilten, und Letzterer nunmal ein Torwart ist, musste erstgenannter Mittelfeldspieler nun den Außenverteidiger geben. Steve Evans nahm seinen anderen Offensiv-AM Willie Gibson vom Feld und ersetzte ihn mit dem baugleichen Jamie Cook, der gegen Ende des Spiels immer mehr zum Außenstürmer wurde und noch gehörig für Unruhe stiften sollte.
With heads held high
Mit diesem zweiten Umbau auf beiden Seiten war der Waffenstillstand denn auch beendet. David Hunt vergab mit einem Volleyschuss auf Elferhöhe die zweitbeste Chance von Crawley in der regulären Spielzeitregulären (72′). 120 Sekunden schummelte sich Cook an O’Shea vorbei und brachte eine Flanke in den 5-Meter-Raum. Smalling verhinderte zwar den Kopfball von Smith, klärte aber nur unzureichend. So kam Tubbs (?) aus kürzester Distanz zu einem Seitfallzieher, den er über das Tor setzte. Die beste Gelegenheit für den Fünftligisten, wenngleich Probert die Szene bereits wegen Foulspiel abgepfiffen hatte.
Bis zum Ende des Spiels hatte der Underdog das Heft in der Hand und verbriet dabei noch zwei gute Freistossgelegenheiten. United fing sich noch zwei gelbe Karten ein (Brown, und eine besonders dämliche Frustattacke von Rooney) und war die meiste Zeit damit beschäftigt, den Strafraum zu verbarrikadieren. Enomre Schwierigkeiten bereitete Jamie Cook, der John O’Shea mehrere Male recht alt aussehen ließ.
Als sich die Heimmannschaft schon fast in der nächsten Runde wähnen konnte, setzte Brodie nach einer Ecke den Ball über Lindegaard hinweg an die Latte. Ein Konter von United, mit einem brauchbaren Drehschuss von Rooney als Abschluss, markierte schließlich das Ende dieses Spieles. Manchester United erspielte sich den erwarteten Sieg, wenn auch nicht in der zu erwartenden Weise. Der Non-Leaguer, der 45 km südlich von London seine Heimat hat, war die Mannschaft des Abends und verließ das Old Trafford mit wehenden Fahnen.
Dass United nach dem mageren Auftritt gegen Southhampton und nur zwei Wochen nach der Niederlage gegen die Wolverhampton Wanderer erneut mit großer Überheblichkeit in dieses Spiel ging, darf zu denken geben. Dass man dafür nicht entsprechend bestraft wurde, war pures Glück. (gp)