Gerechtigkeit und Gastgeschenke

Vor 18.000 Zusehern traf Österreich im Wörthersee-Stadion im „Sommerländerspiel“ auf die WM-Teilnehmer und Nachbarn aus der Schweiz. Nach einem 2:1-Holpersieg gegen schwächelnde Dänen und einem 0:1 gegen Kroatien ging die ÖFB-Elf in ihr drittes Länderspiel des Jahres. Für die Schweiz war es die erste Partie nach der WM-Teilnahme, für Österreich wurde es ein weiteres Experiment.

Österreich - Schweiz 0:1

Schlechten Dag erwischt

Bundestrainer Didi Constantini mischte ordentlich durch und versuchte sich mit einem 4-5-1 (real zumeist ein 4-1-4-1) an den Eidgenossen, die nominell ein 4-4-2 aufboten, was sich als 4-1-3-2 mit variabler, hängender Spitze gestaltete (dem 4-1-4-1 also nahe kommend, aber tendentiell offensiver).

Einem fünfminütigen Abtasten folgten erste Gelegenheiten, die sich aber nur aus Standardsituationen ergaben. In der 10. Minute patzte Benaglio vor Pogatetz nach einem weiten Fuchs-Freistoß, es reichte aber nur zu einer Ecke. Kurz darauf bediente Hoffer nach Sololauf Wolf, der den  Ball aber von der Strafraumgrenze in die Ränge beförderte.

Die Schweizer kamen nun langsam aus ihrer Verhaltenheit und hatten einen Defensivschwachpunkt der Gastgeber erspäht. Stocker wirbelte links an Dag vorbei und bediente den freistehenden Yakin. Dem wurde der Winkel aber zu spitz und sein Ball aufs lange Eck rollte vorbei. An der Stange stand Dag, der das Leder zum Abstoß heraus rollen lassen wollte und dabei einen Gegner übersah. Aus dem folgenden Chaos in der Abwehr vermochte die Hitzfeld-Truppe aber kein Kapital zu schlagen.

In der Folge musste sich der heute in Superform agierende Goalie Gratzei auszeichnen. In Minute 23 parierte er einen Derdiyok-Kopfball, den Schiemer zugelassen hatte, zwei Minuten darauf entscheid er eine 1-gege-1-Situation mit Yakin für sich. Pogatetz hatte da gepatzt und generell nicht seinen besten Tag erwischt.

Pausenerkenntnis

Neben Dag, der immer mehr zum Unsicherheitsfaktor der rechten Abwehrseite avancierte, schwächelte nun auch ein weiterer Spieler: Patrick Wolf. Er hatte bis dato ohnehin nicht besonders viele Bälle gesehen, zeigte sich im Vorwärtsspiel aber wenigstens bemüht. Gegen Ende der ersten dreißig Minuten präsentierte sich der Wiener-Neustadt-Kicker als kaum noch vorhanden, nachdem seine Arbeit nach hinten ohnehin bereits mangelhaft war. Das sorgte über die rechte Aussenbahn freilich für noch mehr Last, die nun auf Dag und Pogatetz abfiel und für brenzlige Szenen im Strafraum sorgte, die zumeist vereinte Kräfte zur Klärung benötigten.

Nach einer kurzen „Verletzungspause“ für Jimmy Hoffer, der nach anfänglich gutem Spiel ebenfalls langsam verblasste und immer weniger Ballkontakte hatte, kamen die Schweizer über Stocker noch einmal gefährlich vors Tor. Den unplatzierten Schuss parierte Gratzei aber nur sicherheitshalber.

Es folgten die ersten fünf starken Minuten Österreichs, darunter ein Junuzovic-Weitschuss der Marke „okay“ und ein (schlecht getroffener) Freistoß-Nachschuss von Pogatetz.

In der Halbzeit wechselte Constantini dann – spät aber doch – die drei bisher größten Schwachpunkte aus (Klein kam für Dag, Korkmaz für Wolf und Harnik für Hoffer), was die Offensive in Schwung brachte. Denn mit Beginn der zweiten Hälfte nahm das rot-weiß-rote Heimteam das Heft wieder in die Hand.

Elfer und Latte

Korkmaz bereitete seinen Gegnern einiges Kopfzerbrechen und nahm damit den Druck von der rechten Defensivseite, wo Klein deutlich souveräner agierte als Dag. Auch Harnik wusste sich im Laufe der Zeit besser einzuschalten als Hoffer.

Wiederum zeigte die Schweiz Schwächen bei Standards, Schiemer konnte eine Ecke in der 49. Minute beinahe per Kopf  ins Eck setzen, ein Freistoß-Nachschuss von Fuchs wurde kurz darauf unerwartet lang. 20 Minuten lang gelang den Schweizern keine gefährliche Reaktion, Österreich machte aus der erspielten Dominanz jedoch zuwenig. Erst in der 60. bediente der eingewechselte Padalino die Sturmabteilung mit einem Querpass, Yakin (knapp vorei) und Stocker (sehr knapp vorbei) vermochten daraus aber nichts Zählbares zu machen.

Schließlich hätte ein Gastgeschenk in der 63. Minute die Constantini-Elf erlösen können. Beschenkt wurde das Heimteam allerdings nicht von der Schweiz, sondern vom spanischen Schiri Perez.  Ein leichtes Foul an Harnik, das zudem ausserhalb des 16ers begann, wurde als Elfer gegeben. Fuchs schoß jedoch viel zu unplatziert und ermöglichte Benaglio eine Parade. Der sich daraus ergebende Kopfball für den Schützen traf nur die Latte, es blieb beim 0:0.

Es dauerte weitere sieben Minuten, dann war es Baumgartlinger – der sich einige Male gut in Szene setzte – der Benaglios Können herausforderte. Ein Schuss vom Strafraumeck konnte der eidgenössische Goalie mit Mühe übers Tor lenken, die Ecke blieb harmlos.

Österreich = Spanien?

Hitzfelds Goldhändchen führte schließlich zum Goldtor. Costanzo wurde eingetauscht, für ihn ging Yakin. Wenige Augenblicke später verfehlte Florian Klein eine Klärung und ermöglichte eine gelupfte Vorlage auf den eben Aufgelaufenen. Der ließ aus kurzer Distanz Gratzei keine Chance.

Der Treffer – entgegen des Spielverlaufs der zweiten Häfte – drehte die Verhältnisse am Rasen langsam wieder zugunsten der Schweizer. Nur Harnik eröffnete in der 88., nach einem weiten Fuchs-Zuspiel, noch einmal eine Ausgleichschance – sein Schuß touchierte aber nur leicht die Stange.  Und ich weiß nicht, was den ORF-Kommentator Thomas König da wieder geritten hatte, denn er kam just darauf auf die Idee, Österreich mit Spanien zu vergleichen.

Zur Erinnerung: Spanien hatte im ersten WM-Gruppenspiel die Schweiz fast über 90 Minuten im Griff, schaffte aber gegen eine massierte Defensive den hochverdienten Ausgleich nicht, nachdem Gelson Fernandes die Eidgenossen via Konter in Führung gebracht hatte).

Den Abschluss des Spiels setzte schließlich Inler, der nach Vorlage von Ben Khalifa Gratzei zu einer weiteren Großtat nötigte.

Fazit

Was bleibt ist eine 0:1 Niederlage gegen die Schweiz, die gemessen am Spielverlauf durchaus verdient ist. Die Gäste waren-  über 90 Minuten betrachtet – überlegen und wussten vor allem ihre Überlegenheit wesentlich besser in Gefahr umzuwandeln. Ein Fehlgriff des Schiedsrichters hätte das Spiel anders drehen können, dass dem aber nicht so kam, kann als „gerecht“ betrachtet werden. Positiv zu sehen ist, dass DiCos Wechselpolitik heute durchaus nachvollziehbar und entsprechend erfolgreich war. Insbesondere der Dreiertausch in der Pause stabilisierte das Team enorm.

Negativ ist, dass der Bundestrainer die Niederlage – indirekt aber doch – auf Fuchs verschossenen Penalty schob, was ein weiteres Indiz seiner Kommunikationsunfähigkeit darstellt. Wichtig wäre es, zum nächsten Spiel ein Angriffskonzept zu entwickeln, denn ein solches war nur selten zu erkennen – die Offensive baut noch zu sehr auf spontanen Ideen auf, denn auf ausgereiften Konzepten. Insbesondere hapert es an der Anbindung zwischen Mittelfeld und Sturm, wo viel Geschwindigkeit und Chancenpotential verloren geht. Das Experiment „Patrick Wolf“ ist nicht nur in dieser Hinsicht reif für seine Beendigung. Eine weitere Baustelle ist die Defensive, für die immer noch keine harmonierende Besetzung gefunden wurde.

(gpi)