Südafrika 2010 – Tag 6 | Überlegen Chilenen hatten hart zu arbeiten, die Eidgenossen betätigten sich erfolgreich als Dompteure und der WM-Gastgeber muss in wenigen Tagen Frankreich besiegen.
Honduras – Chile 0:1 (0:1)
Es dauerte 34 Minuten, ehe der Chilene mit dem am wenigsten lateinamerikanisch klingenden Namen sein Team zurecht erlöste. Nachdem die Chilenen mal wieder auf der Seite durchgebrochen waren, war es Mauricio Isla, der Beausejour den Ball ans Becken knallte, von wo er schließlich ins Tor flog. Es war Chiles erster WM-Sieg seit 48 Jahren.
Und der Treffer hatte sich angekündigt, denn nach einer sehr kurzen Abtastphase fanden sich die in Weiß spielenden Honduraner schnell in einer David vs. Goliath Situation wieder. Weil deren Trainer, Alexis Mendoza, das schon geahnt hatte, probierte man auch kaum, das Spiel zu kontrollieren. Der Plan war, die Chilenen kommen zu lassen und dann auszukontern. Ersteres lief zu gut für die Chilenen, Zweiteres dafür zu schlecht für Honduras. Zu Buche standen am Schluß nur wenige zwingende Chancen für die Mittelamerikaner.
Zurück zu den Seiten: Am liebsten spielten die Rotblauen sich halb-rechts oder halb-links nach vorne, waren aber auch in der Mitte die Herren des Platzes. Jedenfalls bis vor de 16ern, dann verließen sie die Ideen und die Präzision. Das Resultat: Ein Haufen von den meist gut stehenden Honduranern geblockter Pässe und Flanken sowie eine erkleckliche Menge an versandeten Dribblings. Das zweite Tor lag in der Luft, wäre auch verdient gewesen, fiel aber nie.
Die Konter der in Weiß spielenden Hondurander erwiesen sich meist als zu langsam oder zu ungenau, Fehlpässe fabrizierten aber beide Teams einige im vorderen Mittelfeld.
Fazit: Was am Ende übrig blieb kann als verdienter Arbeitssieg der Chilenen gewertet werden. An Effizienz und Präzision muss aber noch gearbeitet werden, sonst sind die Schweizer im Kampf um Platz 2 klar zu favorisieren.
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Schweiz – Spanien 1:0 (0:0)
Selbe Gruppe, anderes Spiel: Im Gegensatz zum Sieg der Chilenen blieben die Mühen der Spanier gänzlich unbelohnt. Der Grund: Der eidgenössische Goalie Benaglio, zu große Ballverliebtheit und Gelson Fernandes (auch dessen Name klingt nicht so wirklich nach Schweizer Bergidylle).
Die selbstenannte „beste Mannschaft des Planeten“ machte von Beginn an Druck. Del Bosques Wunsch war klar: Heute muss ein Sieg her, ist man doch klarer Gruppenfavorit. Trotzdem konnte man das gegnerische Tor nicht all zu fleißig unter Beschuss nehmen, Hitzfelds Hintermannen standen nämlich gut und agierten sehr diszipliniert. Also verlief der Angriff der Spanier in Zyklen. Zuerst Dribbeln. Wenn das nicht klappte, versuchte man im Strafraum einen anderen Mitspieler anzupassen. Auch das gelang nicht gut. So sollten Schüsse aus der Distanz das Problem lösen
Über das Resultat der Fernschüsse freute sich insgesamt das Publikum aber weit mehr als Benaglio im Schweizer Kasten. Der hatte mit denen nämlich kaum was zu tun, zeichnete sich dafür auf kurze Distanz aus, als er etwa Navas den Winkel aus wenigen Metern abdeckte. Später musste man doch noch einmal aufatmen, denn einer der Distanzschüsse – ein 30-Meter-Hammer von Xabi Alonso – krachte hinter einem chancenlosen Torwart an die Latte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Iberer jedoch bereits hinten.
Zurück in die erste Halbzeit: Nach 36 Minuten vollbracht einer der Schweizer Verteidiger ein gar seltsames Kunststück und tackelte seinen Teamkollegen Phillip Senderos. Der verletzte sich unglücklicherweise dabei auch noch. Für ihn kam Bergen, der ihn gut vertrat.
Zu Halbzeit stand es also – enttäuschenderweise für die Spanier – nur 0:0. Nach Wiederanpfiff begann das gleiche Spiel von vorne, Spanien drückend überlegen aber ineffizient im Angriff, die Schweiz meist eingekerkert mit wenigenAusbrüchen, die das Offensivduo Derdiyok/Nkufo selten gefährlich gestaltete.
Beinahe gelang dann noch ein weiteres Kontertor, denn die Spanier rannten jetzt noch verzweifelter gegen das eidgenössische Abwehrbollwerk an, dass stabil wie das Matterhorn im Strafraum stand. Was trotzdem durchkam schnappte sich Benaglio. Spanien starb in Schöhnheit, die „rote Furie“ war gezähmt.
Das Mittelfeld war fest in spanischer Hand und selbst bis ins letzte Drittel hinein vermochten die Schweizer wenig auszurichten. Die Abwehr hatte wenig zu tun, war bei „normalen“ Angriffen nie in Gefahr, rückte aber selbst zu weit auf, was die Konter des Gegners begünstigte. Die Schweiz igelte sich ein und versuchte zwischendurch schnell herauszufahren. Zumeist konnte das Mittelfeld nicht schnell genug überbrückt werden, so dass die Spanier sich in der Defensive wieder sammeln konnten. Aufgrund der Taktik hielt sich die spielerische Eigeninitative in Grenzen, die Schweizer reagierten zumeist nur.
Fazit: Spanien ist sicherlich das spielstärkste Team der Gruppe H, brillierte aber heute nicht mit überragender Effizienz. Wenn sich das ändert, ist sicherlich jeder Gegner schlagbar. Die Schweiz hingegen versucht erst gar nicht gegen klar überlegene Gegner das Spiel zu machen, sondern verläßt sich auf Kontertore in die Abwehr. Solange letztere weiter so gut steht und der Keeper einen guten Tag erwischt, geht das gut. Dafür ist man in der Pflicht, „kleinere“ Gegner zu schlagen – das wird nicht leicht gegen Honduras und erst recht nicht gegen Chile.
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Südafrika – Uruguay 0:3 (0:1)
Dieses Spiel stand für die Gastgeber der WM unter keinem guten Stern. Obwohl gleich viel im Ballbesitz wie die südamerikanischen Gäste, vermochte man nicht viel daraus zu machen.
Und das ist im wesentlichen das bezeichnendste Wort für die Spielanlage der Bafana, Bafana heute: Mittelfeldgeschiebe. Man wollte zwar vorwärts kommen – schaffte das auch ein paar mal, aber nur selten gefährlich – oft rotierte die Wuchtel aber nur zentral. Die Urus standen gut, waren am Beginn des Spiels etwas zu vorsichtig. Die Himmelblauen entdeckten aber langsam, dass man den Südafrikanern etwas mehr zu Leibe rücken kann, weil bei ihnen ohnehin nicht viel nach vorn passiert.
Die Mühe darf man der Truppe rund um den Eröffnungstorschützen Siphiwe Tschbalala nicht absprechen – das Team war auf 3 Punkte aus, bekam aber letztlich 3 Tore.
Nachdem zwei Fernschüsse von Tshbalala recht deutlich vorbei gingen, krachte es in Minute 25 hinter Ithumeleng Khune. Forlan zog aus rund 25 Metern ab, der Ball wurde abgefälscht und senkte sich dann sehr plötzlich hinter dem Bafana-Keeper. Die Urus, die bis dato nocht nicht viel gezeigt hatten, waren plötzlich in Front. Nach einem sehenswerten Dribbling hätte der zweite Star, Luis Suarez, beinahe auf 2:0 erhöht, traf aber nur das Außennetz.
In Halbzeit zwei versuchte Südafrika den Druck zu erhöhen, war aber nur mäßig erfolgreich. Lugano wiederum hatte aus einem Freistoß eine riesige Kopfballchance auf das 2:0 der Urus, traf den Ball aber nicht gut genug. Ähnliches gelang dann auch Mphela für das Heimteam.
Zirka eine Viertelstunde vor Spielende war es dann Südafrika-Goalie Khune, der für die Vorentscheidung sorgte. In einem 1-gegen-1 mit Suarez verschätzte er sich beim Tackling und streifte den Uruguayner, der schließlich zu Fall kam. Obwohl es keine besonders harte Berührung gab, entschied der Referee aus der Schweiz, Massimo Busacca, zurecht auf Torraub und Elfmeter.
Khune musste vom Platz, Pienaar ging gleich mit und wurde für den Ersatz Keeper Moneeb Josephs ausgetauscht. Diego Forlan drückte den Elfer höchstpersönlich und mit ordentlich Wumms in die Maschen, ohne dem Reservegoalie nur den Hauch einer Chance zu lassen.
Was dann geschah war absehbar. 9 südafrikanische Feldspieler versuchten noch irgendwie an einen Anschlußtreffer zu kommen, kamen aber auch nicht weiter als bisher. Dafür wurden für die Urus die Räume offener, so dass sie im Ballbesitz Spiel und Tempo fast nach Belieben dominierten – wenngleich sie nicht mehr sonderlich offensiv auf ein drittes Tor spielten. Das fiel aber trotzdem- in der fünften und letzten Minute der Nachspielzeit staubte Pereira gegen eine zerfallene Bafana-Abwehr zum 3:0 Endstand ab.
Die Schwachpunkte der Südafrikaner lagen das ganze Spiel über vorne und hinten. Die Abwehr wirkte nie optimal koordiniert und profitierte stark davon, dass Uruguay im Angriff lange zu harmlos war. Als noch harmloser erwies sich jedoch die Offensive der Südafrikaner. Weitschüsse und Standards waren das einzige Anzeichen von Gefahr, gelungnges Spiel in den Strafraum sah man selten und auch die Anbindung zum Mittelfeld war nicht immer optimal.
Fazit: Südafrika muss in den kommenden Tagen stark an der Offensive arbeiten und die Abwehr besser aufstellen und disziplinieren. Das heutige Spiel zeigte die Schwächen auf, die zur Eröffnung wohl aufrund des großen Motivationsschub nicht so stark zum Vorschein kamen. Uruguay ist dem Aufstieg sehr nahe, um Frankreich zu besigen muss für Südafrika wohl ein halbes Wunder her.
(gpi)