Schön war’s nicht. Erfolgreich auch nicht. Aber war beim 0:2 gegen Belgien wirklich alles schlecht beim ÖFB-Team? Sicher, kaum ein Österreicher erreichte Normalform – es war eine seltsam gehemmte Leistung einer Mannschaft, die sich nicht genug zutraute. Was zeigt: Mit hohen Erwartungen kann das Team nicht umgehen.
Was war beim 4:4 im Hinspiel die große Stärke der Österreicher? Exakt – das Dreigestirn im offensiven Mittelfeld. Darum wusste George Leekens auch: Der Schlüssel dazu, das Spiel in den Griff zu bekommen, bestand darin, diese drei aus selbigem zu nehmen.
So wurden Arnautovic (hauptsächlich zentral), Junuzovic (zumeist links) und Harnik (über rechts) ziemlich in Manndeckung genommen – Ciman, Simons und Vertonghen hatten kaum eine andere Aufgabe als diese drei Österreicher zu bewachen. Das hieß für die Außenstürmer Dembélé und Chadli, dass sie sich relativ tief postierten mussten, um für Anspiele auch von ganz hinten bereit zu sein, weil von den Außenverteidigern und vom Sechser hier nicht immer viel zu erwarten war. So kam es, dass die beiden zentralen Mittelfeldspieler im nominellen 4-3-3 (in der Praxis war’s ein 4-1-4-1) der Belgier nicht selten sogar höher standen als Chadli und Dembélé.
Was den Belgiern natürlich zusätzlich in die Hände spielte, war das frühe 1:0 durch Axel Witsel. Er hatte sich im Luftkampf gegen Macho durchgesetzt und schon in der sechten Minute die Führung für die „Roden Duivels“ besorgt.
Österreich der größten Stärke beraubt
Warum es hier bisher nur um die Belgier ging? Nun, Leekens war eindeutig derjenige Teamchef, der reagierte, während Constantini aus der Ausrichtung seiner Mannschaft nie ein großes Geheimnis gemacht hatte und die Stärken und Schwächen des Teams relativ offensichtlich sind. Das ist jetzt nicht gut oder schlecht, es ist einfach so – die Aufstellung der Mannschaft war genau so zu erwarten und richtet sich auch bestmöglich nach den Fähigkeiten des Personals. Das war bei Constantini ja nicht immer so, und es gehört auch gesagt, wenn er’s mal gut erwischt.
Ohne die drei trickreichen Spielgestalter fand das ÖFB-Team nur ganz selten gefährlich vor das Tor von Sunderland-Goalie Simon Mignolet. Außen gab’s kein Durchkommen und gegen den trichterförmig (also nach innen) verteidigenden Rest wurde es in der Mitte fast immer zu eng. Die Folge: Die Österreicher waren gezwungen, sich gegen die zumeist recht tief stehenden Belgier den Ball in der Abwehr und im defensiven Mittelfeld hin- und herzuschieben.
Zudem zeigten die Belgier auch ein recht effektives Pressing, sodass es zumeist nicht einmal gelang, Arnautovic in der Zentrale oder (noch seltener) Junuzovic links anzuspielen. Die beste Figur machte da noch Martin Harnik, wohl auch, weil Ekrem Dag hinter ihm sehr viel nach vorne marschierte und sich im Halbfeld zwischen Harnik und Arnautovic als zusätzliche Anspielstation anbot. Die Idee war gut, aber zu oft schloss der Besiktas-Legionär überhastet aus der Distanz ab.
Die belgischen Außen
Zwar nicht die besten, aber die interessantesten Spieler bei den Belgiern waren die beiden Außenstürmer. Auch, weil sie sich sehr unterschiedlich verhielten: Nacer Chadli, beim FC Twente Teamkollege von Marc Janko, ging oft steil und brachte Dag so ein- ums andere Mal in Bedrängnis. Die Optimallösung als Rechtsverteidiger ist Dag auch nicht, aber er machte weniger Fehler als Klein zuletzt und traut sich auch nach vorne viel mehr als der Austrianer. Das Glück der Österreicher: Chadli agierte zu wenig geradlinig, um die Defensivschwächen von Dag auszunützen, und seine Flanken landeten fast immer im Nirgendwo.
Moussa Dembélé hingegen ging gegen Fuchs praktisch nie steil, sondern rückte sehr früh ein, mitunter bis zur Mitte des Platzes. Das war aber ebenso wenig effektiv, weil sich Fuchs nicht locken ließ und der sehr spielintelligente Alaba den Mann von Fulham übernahm. So hing Ogunjimi vorne in der Luft.
Was für das Spiel hieß: Bei Belgien kamen Chadli und Dembélé nicht gewinnbringend in die Partie, bei Österreich machten Arnautovic und Junuzovic keinen Stich. So hatte das Heimteam mehr Ballbesitz – logisch, schließlich zogen sich die Belgier nach der Führung zurück – echte Torgefahr konnte aber keine der beiden Mannschaften erzeugen.
Der Genickbrecher
Der Start zur zweiten Hälfte ähnelte jenem in die erste Hälfte frappant – denn schon wieder gelang Axel Witsel ein frühes Tor. Martin Harnik ließ die weite Flanke beim belgischen Wuschelkopf ankommen und dieser versenkte gnadenlos mit dem linken Fuß. Es war die Vorentscheidung, der endgültige Genickbrecher.
Denn so konnte die fehlende Überzeugung, mit der sich die Offensive aus der belgischen Umklammerung hätte lösen können, natürlich noch mehr gesenkt – und das belgische Selbstvertrauen stieg im gleichen Maße. Zudem blieben viele Österreicher unter ihrem Potential. Wie David Alaba, der das Spiel zwar an sich gut las und Dembélé wenig Raum ließ, aber in der Spieleröffnung nur höchst selten eine Anspielstation fand. Er machte es zwar richtig, sich schon zum Ende der ersten Hälfte weiter nach vorne zu orientieren und so de facto in die Dreier-Offensive vorzustoßen, aber besser wurde seine Performance dadurch nicht.
Das wurde erst so richtig deutlich, als nach dem Gegentreffer für ihn Yasin Pehlivan eingewechselt wurde. Er übernahm die Rolle von Alaba als Achter und zeigte sich deutlich frischer und vor allem sicherer. Mit ihm kam noch einmal kurz so etwas wie Schwung auf – zu wenig aber, um die Belgier in Gefahr zu bringen.
Läderter Kapitän als Sinnbild
Auch Marc Janko musste vorzeitig das Feld räumen. Nachdem er schon in der 10. Minute unglücklich auf die Schulter gefallen war, wirkte er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschrenkt und hatte so auch gegen die kompromisslosen Van Buyten und Kompany keine Chance – zumal er auch keine Anspiele bekam. Für ihn kam Stefan Maierhofer. Und letztlich war es ein Sinnbild, als Janko danach mit leerem Blick und einem Eisbeutel auf der linken Schulter auf der Bank saß und zusehen musste, wie seine Kollegen kein Mittel fanden.
Zlatko Junuzovic etwa fand überhaupt nicht statt, auch bei ihm versuchte der Spieler, der für ihn eingewechselt wurde – Ümit Korkmaz – sofort, deutlich mehr Wirbel zu veranstalten. Was letztlich zu spät war. Martin Harnik erkannte die Zeichen der Zeit zu spät, orientierte sich erst in den letzten 10, 15 Minuten ins Zentrum als hängende Spitze. Marko Arnautovic wurde von den Belgiern schon vor der Pause ziemlich abgeklopft und verlor die Lust am Spiel recht schnell. Julian Baumgartlinger war zwar fraglos auffälliger und sicherer als Alaba, in der Spieleröffnung ähnlich wirkungslos.
Kurzum: Kaum einer im österreichischen Team erreichte eine Tagesform, die es erlaubte, gegen die staubtrockenen und grundsoliden Belgier einen Zwei-Tore-Rückstand aufzuholen.
War auch was gut? Ja, schon
Doch trotz des matten Spiels, das ereignisarm dem Endstand von 0:2 entgegen plätscherte, war nicht alles komplett schlecht. Man muss zugestehen, dass immer die spielerische Lösung gesucht wurde, anstatt die Bälle blind weg zu dreschen, wie das die Belgien mitunter gemacht haben. Von der Devise „kontrollierter Aufbau von hinten heraus“ wurde nie abgerückt – man kann das als einfallslos und mangelde Kampfbereitschaft auslegen, war vom Prinzip her aber okay. Zumal die wenigen langen Bälle, die Richtung Janko bzw. Maierhofer kamen, nie von einem Österreicher unter Kontrolle gebracht werden konnten.
Und der Teamchef? Hat mit seinen Wechseln zumindest nichts schlechter gemacht. Pehlivan und Korkmaz waren besser als Alaba und Junuzovic; Janko war körperlich nicht auf der Höhe. Was diesmal fehlte, war bei zu vielen Österreichern die Leistung von damals. Außerdem fielen die Tore zu für die Belgier günstigen Zeitpunkten.
Fazit: Mit hohen Erwartungen kann das Team nicht umgehen
Ein Schritt in die richtige Richtung? Ja und nein. Ja, weil auch in Bedrängnis das Bemühen erkennbar war, mit spielerischen Mitteln zur Lösung zu kommen. Nein, weil das von An- bis Abpfiff nicht geklappt hat. Das darf aber nun nicht bedeuten, dass alles, was in den letzten nicht immer schlechten Spielen – im Speziellen das gegen Griechenland und das in Belgien – nun über den Haufen geworfen werden darf.
Das Prinzip, mit spielstarken offensiven Leuten das Spiel selbst gestalten zu wollen, ist mit Leuten wie Junuzovic, Arnautovic und etwa Veli Kavlak richtig. Sicher, beim 0:2 gegen Belgien hat’s nicht funktioniert. Aber besser als zwei Leuchttürmer vorne und ein gefühlt fünf Quadrat-km großes Loch dahinter ist es allemal.
Was jedoch deutilch wurde: Mit hohen Erwartungen kann das Team nicht umgehen. Die ganze Woche wurde alles hochgejubelt, ein Sieg schien schon beschlossene Sache zu sein. Dem wurde das Team nicht gerecht. In Istanbul erwartet sicher kaum jemand etwas von der Mannschaft.
Beste Voraussetzungen eigentlich.
(phe)