Spanien – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Thu, 04 Jul 2024 20:28:55 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.1 Verdient eine EURO 2024 ohne Österreich überhaupt einen Sieger? https://ballverliebt.eu/2024/07/04/verdient-eine-euro-2024-ohne-oesterreich-ueberhaupt-einen-sieger/ https://ballverliebt.eu/2024/07/04/verdient-eine-euro-2024-ohne-oesterreich-ueberhaupt-einen-sieger/#respond Thu, 04 Jul 2024 20:10:33 +0000 Österreich scheidet gegen die Türkei aus. Nix wars mit dem Geheimfavoriten-Dasein. War alles nur Schall und Rauch?

Und wer soll dieses Turnier nun noch gewinnen? Kommt es im Viertelfinale bei Spanien gegen Deutschland zum vorzeitigen Finale? Frankreich hat mit Portugal eine echte Hürde vor sich. England muss sich gegen die Schweiz steigern. Und die Niederlande kriegen es mit der Türkei zu tun. Der neue Ballverliebt-Podcast diskutiert die heiße Phase des Turniers.

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Die Top-8 der EM: Echte Top-Teams und einige Glücksritter https://ballverliebt.eu/2021/07/12/die-top-8-der-em-echte-top-teams-und-einige-gluecksritter/ https://ballverliebt.eu/2021/07/12/die-top-8-der-em-echte-top-teams-und-einige-gluecksritter/#comments Mon, 12 Jul 2021 15:38:02 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17680 Die Top-8 der EM: Echte Top-Teams und einige Glücksritter weiterlesen ]]> Europameister Italien, Finalist England, Halbfinalist Spanien: Auch wenn sich viele prominente Namen schon im Achtelfinale aus dieser EM verabschiedet haben, hatte die Finalphase immer noch einiges an Prominenz zu bieten. Die meisten Teams, die im Viertelfinale vertreten waren, haben sich den Platz unter den Top-8 der EM redlich verdient. Es waren aber auch Glücksritter dabei, die es bei einem Turnier mit 16 Teams wohl eher nicht so weit geschafft hätten.

Hier der dritte und letzte Teil unserer Team-Analysen der nun zu Ende gegangenen EM: Jene acht Teams, die im Viertelfinale, Semifinale und Finale dabei waren.

Italien: Stabil, balanciert, clever

Da schau her: Italien kann auch feinen, attraktiven Vorwärts-Fußball spielen. Die Truppe ohne echte Superstars begeisterte in der Vorrunde, in der sie – zugegeben ohne allzu große Gegenwehr – dreimal locker gewann. In der K.o.-Runde zeigte Italien, dass man auch harzige Spiele (wie gegen Österreich im Achtelfinale) gewinnen, solche gegen wirklich starke Teams drüberverteidigen (wie gegen Belgien im Viertelfinale) und solche gegen dominante Teams ohne großen Schaden aussitzen kann (wie gegen Spanien im Halbfinale).

Das prominenteste Feature war die asymmetrische Angriffsformation, in der links der Außenverteidiger Leonardo Spinazzola – bis zu seiner Verletzung gegen Belgien – hoch aufrückte, um Insigne nach innen dribbeln zu lassen, während rechts der Achter Nicolò Barella erst Berardi, dann Chiesa ähnlich unterstützte. Dafür sorgten Jorginho und Verratti aus dem Sechserraum für die Gestaltung und der defensivere Rechtsverteidiger Di Lorenzo gemainsam mit den Juve-Zwillingen für die stabile Abwehr.

Italien zeigte sich als gut balanciertes Team mit einer Handvoll Alternativen im Kader – Locatelli vertrat Verratti in der Vorrunde stark, Emerson war als Spinazzola-Ersatz sehr ordentlich, Belotti und Bernardeschi sorgten im Angriff für Entlastung der Starter. Mancini musste allerdings auch nie wirklich tief in seinen Kader greifen.

Ob das jetzt wirklich der strukturelle Neustart ist, der nach der verpassten WM-Teilnahme von 2018 nötig war, oder doch „nur“ wieder ein gutes Abschneiden aufgrund von sehr gutem Coaching, wie 2012 mit Prandelli und 2016 mit Conte, bleibt aber trotz des EM-Titels noch abzuwarten. Gerade die Innenverteidigung wird spannend – denn hinter Bonucci und Chiellini ist aktuell nur Inters Alessandro Bastoni als gutklassiger Nachrücker in Sicht.

England: Viel Talent, tendenziell zu zögerlich

45 Minuten lang hatte England die Dänen im Halbfinale hergespielt. Als das Tor in der 104. Minute endlich fiel, stellte Southgate auf ein 5-4-1 um und erweckte den Halbfinal-Gegner wieder zum Leben. Im Endspiel gelang schon in der 2. Minute das Führungstor, aber danach kam nicht mehr allzu viel – und bis zur 120. Minute gab es nur einen einzigen offensiven Wechsel.

Das junge englische Team, das ein Produkt von 10 Jahren gezielter Aufbauarbeit (Stichwort „England DNA“) ist, langweilte sich kraftsparend durch die Vorrunde, trieb im Achtelfinale die deutschen Geister der Vergangenheit aus und überfuhr ein defensiv heillos überfordertes Team der Ukraine im Viertelfinale mühelos. Aber Southgate scheute in Halbfinale und vor allem im Finale, nach einem sich erarbeiteten Vorteil weiter die Daumenschrauben anzuziehen. Die Defensive war mega-stabil (kein einziges Gegentor aus dem Spiel in sieben Partien), das Mittelfeld mit Rice und Phillips defensive herausragend, aber die Verbindung ins Angriffsdrittel war ausbaufähig. Es war am Ende etwas zu viel Kontrolle und etwas zu wenig Kaltblütigkeit.

England hatte den ersten großen Titel seit 1966 mit sechs Heimspielen, einer unproblematischen Gruppe und den jeweils leichteren Gegnern in Viertel- und Halbfinale auf dem Tablett, ließ die Möglichkeit aber aus den Händen flutschen. Dieses englische Team kann über Jahre hinweg eine starke Rolle bei WM- und EM-Turnieren einnehmen. Aber ob die Chance noch einmal so groß wird wie 2021?

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Spanien: Neue Spieler, alter Stil

Es ist ein neues Spanien, aber mit altbekannten Tugenden. Es war das Team mit dem meisten Ballbesitz der EM (67,2 Prozent) und der höchste Passgenauigkeit (89,6 Prozent), übte damit Dominanz über die Spiele aus – wobei sich zumindest fünf der sechs Gegner auch bewusst defensiv eingestellt hatten. Es gab unzählige Halbchancen, von denen in den ersten zwei Spielen nur eine genützt wurde. Es gab auch zahlreiche Top-Chancen – in den kommenden zwei Matches erzielte Spanien ZEHN Tore.

Aber am Ende, als es darauf an kam, fehlten einfach wieder die Tore. Es war wieder der ewige spanische Grat zwischen einem Stürmer, der sich aufreibt, aber im Strafraum präsent ist (Morata) und einer falschen Neun, die für mehr Dominanz in Mittelfeld und Zehnerraum sorgt, dafür ist im Strafraum zu wenig los. Das geht sich mit einer starken Abwehr aus – wie 2010 und 2012, als man in zusammen 13 Spielen nur drei Tore kassierte, davon kein einziges in einem K.o.-Spiel.

Diesmal war das Mittelfeld mit dem unfassbaren Pedri extrem stark, die Angriffsreihe zumindest in Ordnung, aber die Abwehr der Schwachpunkt. Weder die Paarung Laporte/Pau Torres noch die Paarung Laporte/Eric Garcia überzeugte vollends und Unai Simón war ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Fünf Gegentore in drei K.o.-Spielen, das geht sich einfach irgendwann nicht mehr aus.

Dennoch: Die stark verjüngte Truppe hat Zukunft. Mit Pedri (der für seine 18 Jahre eine nicht zu glaubende Reife und Übersicht bewies) als legitinem Xavi-Nachfogler, mit den jungen Flügelspielern Ferrán Torres und Dani Olmo, mit dem immer noch erst 24-jährigen Rodri als demjenigen, der Busquets auf der Sechs ablösen wird und, durchaus bemerkenswert, keinem einzigen Kaderspieler von Real Madrid. Luis Enrique ist vor der EM alles andere als unumstritten gewesen. Im Ganzen hat er und sein Team aber für überwiegend zufriedene Gemüter im eigenen Land gesorgt.

Dänemark: Kein normales Turnier

Mit normalen Maßstäben ist die Performance des dänischen Teams bei diesem Turnier nicht zu beurteilen. Der Herzstillstand von Christian Eriksen nach 44 Minuten des ersten Spiels hat alles verändert: Von der mentalen Einstellung des Teams über die Wahrnehmung von Außen bis hin zum System und auch ein wenig des Spielstils.

Ohne Eriksen fehlte Hjulmand der Zehner, um den herum das 4-2-3-1 aufgebaut war. Also installierte er ein 3-4-3 ohne Zehner, dafür mit einer offensiveren Doppelbesetzung der Außenbahnen – vor allem das Duo mit dem großartigen Joakim Mæhle und dem jungen Mikkel Damsgaard auf der linken Seite sorgte für ordentlich Wirbel. Da Damsgaard erst für Eriksen ins Team gerutscht war, hätte es dieses Wirbelwind-Duo sonst gar nicht gegeben.

Ein weiterer Aspekt der dänischen Flexibilität war das situative Aufrücken von Andreas Christensen in den Sechserraum – vor allem gegen Russland beim 4:1-Sieg im emotionalen dritten Gruppenspiel im gefühlt randvollen Parken – um im Mittelfeld-Zentrum schon für mehr Stabilität zu sorgen. Das Aufrücken eines Innenverteidigers wurde somit zum defensiven Move.

Der körperliche Stress, den vor allem die drei Spiele gegen Russland (daheim), Wales (in Amsterdam) und Tschechien (in Baku) verursacht haben sorgte in Kombination mit dem nicht besonders tiefen Kader dafür, dass die emotionale Welle, auf der Dänemark ins Halbfinale geritten ist, dort an einer englischen Mauer gebrochen wurde. Ja, den entscheidenden Elfmeter hätte es eher nicht geben sollen. Aber das Team war einfach leer.

Dennoch: Diese EM war für Dänemark mit der dritten EM-Halbfinal-Teilnahme nicht nur ein sportlicher Team-Erfolg – und für den überragenden Kasper Schmeichel auch ein persönlicher – sondern sie hat auch den Weg in eine wahrscheinliche Zukunft ohne Eriksen vorgezeigt. Und, dass es Danish Dynamite nach der quälend lähmenden Spielweise unter Hjulmands Vorgänger Åge Hareide doch noch gibt.

Belgien: Letzte Chance… vorbei?

Durch die Vorrunde war Belgien im Cruise-Modus gegangen, mit kurzen Tempo-Verschärfungen. Eden Hazard und Kevin de Bruyne, angeschlagen ins Turnier gegangen, wurden geschont. Die betagten Herren in der Abwehr rotierten raus und wieder rein. Das Achtelfinale gegen Portugal wurde zu einer Demonstration in der richtigen Balance aus Vorsicht und und Gegner locken, einem Katz-und-Maus-Spiel mit den ähnlich veranlagten Portugiesen, das ein Glücksschuss entschied.

Belgien schien sich immer irgendwie für die spätere Turnierphase schonen zu wollen, ja nicht zu früh zu viele Körner verpulvern, die man später brauchen könnte. Zu diesem „später“ ist es aber nicht mehr gekommen. Weil man im Viertelfinale im wahrscheinlich hochklassigsten Spiel dieses Turnieres den Italienern zweimal einen halben Meter zu viel Platz ließ, aus wenig zwei Tore kassierte, und man das gegen Italien nun mal nicht wieder gut machen kann.

Natürlich werden Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku, die beide ein recht vernünftiges Turnier gespielt haben, zumindest noch einen EM-Zyklus zur Weltspitze gehören; wird Youri Tielemans ein großartiger Sechser bleiben und Jérémy Doku ein großartiger Außenstürmer werden. Und doch fühlt es sich so an, als wäre dies die letzte Chance für Belgien gewesen. Die Abwehr ist zu alt und zunehmend zu langsam, das hat das Italien-Spiel gezeigt. Kein Innenverteidiger im Kader war jünger als 25 Jahre, zehn Spieler gehören schon zur Ü-30-Fraktion.

Das auf Augenhöhe geführte, aber durch einen Eckball 0:1 verlorene WM-Halbfinale gegen Frankreich 2018 – ein Wendepunkt wie das gegen Maradona verlorene WM-Halbfinale von 1986?

Schweiz: Gläsernen Plafond durchbrochen

Die Vorrunden-Spiele der Schweiz ließen einen Exploit wie jenen im Achtelfinale gegen Frankreich nicht gerade erahnen. Tempolos beim 1:1 gegen Wales, heillos überfordert beim 0:3 gegen Italien und, ja, klar besser beim 3:1 über die Türkei, aber die Türken waren bei dieser EM auch wirklich unterirdisch schlecht.

Teamchef Petkovic baute nach den ersten beiden Spielen seine linke Seite etwas um – Rodriguez einen Schritt nach hinten, dafür der gerade gegen die Türkei überragende Zuber rein und Innenverteidiger Schär raus – und das sorgte für spürbare Belebung. Ebenso viel wird es aber wohl die psychologische Gemengelage gewesen sein, welche den Schweizern das erstmalige Durchbrechen des gläsernen Achtelfinal-Plafonds ermöglicht hat. Man ging die Franzosen von Beginn an aktiv an und erkannte die französische Arroganz, als der Weltmeister das Match vermeintlich doch gewonnen hatte.

Man sah Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri an, dass sie das Gefühl hatten, allen etwas beweisen zu müssen. Für Seferovic galt ähnliches. Sie trugen die Nati gemeinsam mit dem gewohnt starken Torhüter Yann Sommer, sie führten das Comeback gegen Frankreich an und auch ohne den im Viertelfinale gelbgesperrten Xhaka setzten sie dem Gegner 120 Minuten lang zu, weil dieser es wiederum mit verringertem Tempo versucht hatte, einen Führung gegen die Schweizer über die Zeit zu bringen.

Ein wenig erinnerten die K.o.-Partien der Schweizer an jene der ÖFB-Frauen bei der EM 2017: Im ersten Spiel einen auf dem Papier deutlich besseren Kontrahenten ins Elferschießen hinein nerven und ihn dort mit breiter Brust bezwingen, aber in der nächsten Runde – trotz bester Absichten – mit der noch historischeren Chance vor Augen nicht mehr die 100 Prozent im Kopf zusammen zu bekommen. Gegen Frankreich haben alle fünf Schweizer getroffen. Gegen Spanien haben drei von vier vergeben.

Was machen die Schweizer nun mit diesem Turnier? Der als etwas unbeweglich gescholtene Vladimir Petkovic geht auf jeden Fall gestärkt aus der EM hervor. Die Teilnahme an der WM in Katar wird dennoch ein Kraftakt. Man ist in der Quali-Gruppe mit Italien gelandet – und wird vermutlich durch die Playoff-Lotterie müssen.

Tschechien: Solide wie immer

Gehört Tschechien zu den besten acht Teams Europas? Nein, ganz sicher nicht. Aber man machte das Maximum aus den Möglichkeiten. Bezwang ein im Spiel klar besseres, aber auch sehr harmloses schottisches Team. Kam gegen ein undynamisches und suchendes Kroatien zu einem 1:1, was schon für das Achtelfinale reichte. Neutralisierte dort Holland geschickt und schlug zu, als sich Oranje dezimierte.

Patrik Schick machte die Tore, fünf an der Zahl, niemand traf bei dieser EM öfter. Souček war ein umsichtiger und fleißiger Motor im Mittelfeldzentrum, man merkt ihm die Erfahrung aus der Premier League an. Slavia Prag war in den letzten drei Jahren zweimal im Europa-League-Viertelfinale, hat dabei etwa Sevilla und Leicester besiegt, holte in der Champions League Auswärtspunkte bei Inter und in Barcelona. An Qualität fehlt es nicht.

Die Tschechen verstanden es gut, den Gegnern – vor allem Kroatien in der ersten Hälfte, Holland im Achtelfinale und Dänemark im Viertelfinale in der zweiten Hälfte – die Zeit zum Spielaufbau zu nehmen. Die Anlaufstrukturen waren gut, Tschechien ein unangenehmer und vor allem einigermaßen furchtloser Gegner. Die eigene Kreation lief vor allem über Außenverteidiger Coufal, Souček und lange Bälle, aber in erster Linie war das Spiel darauf angelegt, den Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen.

Immerhin: Das war deutlich weniger plump als der ultra-defensive Zugang, der 2016 zum EM-Desaster geführt hat. Und es war auch erfolgreicher. Gute Mittelklasse kann man den Tschechen nun guten Gewissens zuschreiben. Vom Unterhaltungswert war es eher nur so mittel, aber was die Tschechen gemacht haben, hat durchaus funktioniert.

Ukraine: Mehr als zugestanden

Was ist jetzt die wahre Ukraine? Jene, die sich gegen Holland und Schweden ins Spiel zurück gekämpft hat? Oder jene, die sich Österreich und England ohne spürbare Gegenwehr opferte und dabei erstaunliche defensive Unzulänglichkeiten offenbarte?

Dass die erste Wahl auf der Sechs (Taras Stepanenko) verletzungsbedingt nur sporadisch zur Verfügung stand, merkte man vor allem, wenn er nicht dabei war (also gegen Österreich und England). Dass Shevchenko die erste Wahl auf der linken Außenbahn (Viktor Tsygankov) verletzungsbedingt nur sporadisch und dessen Back-up (Marlos) aus dem gleichen Grund de facto gar nicht zur Verfügung stand, merkte man vor allem, weil die linke Seite immer die Problemzone war. Malinovski, eigentlich ein Achter, war dort so schwach, dass der Teamchef ihn in der K.o.-Phase strich und lieber auf ein 5-3-2 umstellte.

Das hat im Achtelfinale gegen Schweden funktioniert, weil er Alexander Zinchenko als linken Wing-Back postierte und dieser dort Raum vorfand, den er bespielen konnte. Das ging im Viertelfinale gegen England gar nicht, weil Zinchenko als Achter von Rice und Phillips aufgeschluckt wurde. Hinzu kam, dass Jarmolenko als einzige wirkliche Alternative im Vorwärtsspiel gewohnt unkonstant war und gegen starke Gegenspieler wie Alaba oder Maguire kein Land sah.

Die Ukraine hat zumindest eine Runde mehr erreicht, als dem jungen und nicht gänzlich talentfreien, aber doch überwiegend biederem Team mit zwei bis drei Spielern von internationalem Potenzial zustehen würde. Denn die Limits nicht nur in der Offensive, sondern vor allem in der Abwehr wurden beim 0:4 gegen England im Viertelfinale nur allzu offensichtlich.

Kurzer Ausblick

Die zweite EM-Endrunde mit 24 Teams war wesentlich unterhaltsamer und kurzweiliger als die ausgesprochen zähe Erstauflage von 2016. Die kommende Europameisterschaft steigt in drei Jahren in Deutschland, die zehn Spielorte sind Berlin, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart.

Schon zuvor ist natürlich die WM in eineinhalb Jahren in Katar auf dem Spielplan, zu der die Qualifikation ja bereits im Gange ist und für die sich 13 europäische Teams qualifizieren werden – die offensichtlichen Kandidaten auf die zehn Direkt-Tickets sind Italien, England, Spanien, Dänemark, Belgien, Frankreich, Portugal, Deutschland, Kroatien und Holland. Die zehn Gruppenzweiten und die zwei besten nicht anderweitig qualifizierten Nations-League-Gruppensieger spielen im März 2022 um die verbleibenden drei Plätze. Das wird ein Gemetzel.

Link Tipps:
Analyse der Vorrunden-Verlierer (FIN, HUN, MKD, POL, RUS, SCO, SVK, TUR)
Analyse der Achtelfinalisten (AUT, CRO, FRA, GER, NED, POR, SWE, WAL)

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Der Fußball ist auch im Geisterhaus ganz lebendig (DAS COMEBACK) https://ballverliebt.eu/2020/06/02/der-fussball-ist-auch-im-geisterhaus-ganz-lebendig-das-comeback/ https://ballverliebt.eu/2020/06/02/der-fussball-ist-auch-im-geisterhaus-ganz-lebendig-das-comeback/#respond Tue, 02 Jun 2020 18:26:46 +0000 Der Fußball ist zurück, und damit auch wir! Zweieinhalb Wochen nach dem Start in Deutschland und mit dem Re-Start in den anderen großen Ligen vor der Tür, sprechen Tom und Phil über die ersten Geisterspiel-Erkenntnisse. Wie komisch fühlt es sich an? Ist die sportliche Qualität der Spiele womöglich sogar besser? Und gibt es auch Teams, die speziell von der Null-Kulisse benachteiligt werden?

Außerdem auf dem Spielplan: Franco Fodas Vertragsverlängung und die realpolitische Realität dahinter, die Causa LASK in der Bundesliga und ein kleiner Ausblick darauf, was der verzögerte Saisonschluss für 2020/21 und eventuell sogar in Richtung WM 2022 bedeuten kann.

Anmerkung von Tom: Dass die Info mit dem 12-Punkte-Abzug für den LASK vor der Punkteteilung, die ursprünglich in den Medien zu lesen war, vom Senat 1 der Bundesliga als falsch dementiert wurde, hat sich bis zu mir nie durchgesprochen. Mein Fehler. Würde der Grunddurchgang gewertet werden, hätte der LASK tatsächlich ebenfalls 6 Punkte verloren. 

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Vor 20 Jahren: Der Kegelabend von Valencia https://ballverliebt.eu/2019/03/26/vor-20-jahren-der-kegelabend-von-valencia/ https://ballverliebt.eu/2019/03/26/vor-20-jahren-der-kegelabend-von-valencia/#respond Tue, 26 Mar 2019 08:51:40 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15624 Vor 20 Jahren: Der Kegelabend von Valencia weiterlesen ]]> Pep Guardiola hat den Ball am Fuß und viel Raum vor sich. Raúl bietet sich an, indem er aus dem Strafraum heraus entgegen kommt, weder Manndecker Schöttel noch Libero Feiersinger erwarten den Pass. Raúl bekommt den Ball, dreht sich, legt schnell rechts auf Nebenmann Urzaiz ab und zieht wieder in den Strafraum hinein. Urzaiz gibt den Ball auf Raúl zurück, dieser steht vor Wohlfahrt, zieht ab, trifft. Das 1:0 für Spanien, fünfeinhalb Minuten sind gespielt.

Valencia, 27. März 1999, 21.50 Uhr. Das Unheil nimmt seinen Lauf.

Spanien – Österreich 9:0 (5:0)

Bis auf Landskrona neun Jahre zuvor hat wohl kein anderes Spiel Österreichs immerwährenden fußballerischen Minderwertigkeits-Komplex so nachhaltig Nahrung gegeben wie der Kegelabend von Valencia, das 0:9 in Spanien. Der Abend, an dem Raúl und Co. dem ÖFB-Team die sprichwörtlichen „alle Neune“ einschenkten.

Und kaum ein anderes Zitat ist im heimischen Fußball so berühmt geworden wie Toni Pfeffers lakonischer Kommentar in der Halbzeitpause. „Na, hoch wer‘ ma’s nimmer g’winnen, des is amoi kloa“, keuchte er Andi Felber ins ORF-Mikro. Da stand es bereits 0:5.

Aber wie konnte es so weit kommen? War das 0:9 ein schmerzhafter, historischer Zufall oder eher ein sich anbahnendes Desaster, das irgendwann einfach passieren musste? Und wurden die richtigen Schlüsse daraus gezogen – oder wurde überhaupt aus der Blamage gelernt?

Hier der Versuch einer Einordnung.

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Die Vorgeschichte

Spanien hatte bei der WM enttäuscht, agierte zu verhalten und schied schon nach der Vorrunde aus. Die EM-Quali begann zudem mit einem peinlichen 2:3 in Zypern – einer Mischung aus schlampiger Defensive, kopfloser Offensive und auch ein wenig Pech. Die Blamage von Larnaca jedenfalls kostete dem angezählten Trainer Javier Clemente endgültig den Job. Sein Nachfolger José Antonio Camacho führte sich mit einem 2:1-Sieg in Israel ein.

Spanien und Österreich bei der WM 1998

Österreich war ebenso in der WM-Vorrunde ausgeschieden. Man haderte ein wenig mit der allzu vorsichtigen Spielweise, aber im Grunde war alles in Ordnung. Dass Teamchef Herbert Prohaska weitermachen würde, stand nie zur Debatte und die Verabschiedungen von Torhüter Konsel (eher freiwillig) und Goalgetter Polster (dezidiert gegen den Willen des Spielers) waren aufgrund des Alters der beiden argumentierbar. Nach seiner Rückkehr von Bremen nach Salzburg wurde auch Heimo Pfeifenberger nicht mehr berücksichtigt. Die tendenzielle Überalterung des Stammpersonals blieb vor allem in der Abwehr aber bestehen.

Nach der WM rang man in einem Freundschaftsspiel Weltmeister Frankreich ein 2:2 ab, in die EM-Quali startete man mit einem 1:1 in einer Regen-Lotterie gegen Israel. Es folgten ein solides 3:0 über das Team aus Zypern, welches man nach deren Überraschung gegen Spanien ernst nahm und ein 4:1 in San Marino. Man war im Plansoll.

Zypern hatte neben dem Spanien-Sieg noch die beiden Pflichterfolge über San Marino auf dem Konto, führte daher vor jenem 27. März 1999 die Gruppe an. Der Gruppensieger fuhr fix zur EM in Belgien und Holland, der beste der neun Gruppenzweiten ebenso; die restlichen acht Zweiten spielen im Playoff um vier weitere EM-Startplätze.

Im erwarteten Zweikampf zwischen Spanien und Österreich ging das ÖFB-Team also mit einem kleinen Vorteil ins Spiel im Mestalla von Valencia. Allgemeiner Tenor: Ein Punkt wäre schön, würde die Chance auf den Gruppensieg intakt halten und auf jeden Fall ein Bonus im Rennen um den besten Zweiten sein. Eine Niederlage wäre aber auch kein Drama. Man hat ja immer noch das Heimspiel gegen Spanien und zumindest Platz zwei wird’s schon werden.

Herbert Prohaska bot zudem eine Wette um seinen Bart an: Wenn Österreich in Spanien zumindest einen Punkt holt, kommt sein Markenzeichen weg. Der Schnurrbart blieb noch sieben Jahre dran.

Personal und Taktik

Didi Kühbauer, der bei Real Sociedad in der spanischen Liga spielte, kämpfte mit einer zähen Fußverletzung, die damals als nicht näher definierbare Knöchelblessur Rätsel aufgab und erst viel später als Riss des Syndesmosebandes diagnostiziert wurde. Ivica Vastic hatte sich beim 4:1 gegen San Marino die zweite gelbe Karte abgeholt und war gesperrt. Andi Herzog hatte Probleme mit dem Knie, bekam erst am Tag vor dem Match grünes Licht für einen Einsatz. Ohne personelle Sorgen war Prohaska also nicht.

Spanien – Österreich 9:0 (5:0)

Im Vorfeld wurden vor allem die spanischen Flügelspieler thematisiert. Den jungen Joseba Etxeberria (Bilbao) rechts und den routinierten Luis Enrique (Barcelona) links gelte es zu neutralisieren. Daran änderte sich auch nichts, als sich Luis Enrique im letzten Liga-Spiel vor dem Ländermatch verletzte und durch Fran von Deportivo La Coruña ersetzt wurde.

Daher entschied sich Prohaska dafür, die Außenbahnen jeweils doppelt zu besetzen – rechts mit Neukirchner gegen Fran und Cerny in der offensiveren Rolle, um Außenverteidiger Sergi zu binden. Links mit Wetl gegen Etxeberria und dessen Hintermann Salgado sowie mit Prosenik, der eher im Halbfeld agierte und Wetl defensiv helfen sollte.

Im Zentrum verlieb Roman Mählich, der die defensive Arbeit für Spielmacher Andi Herzog zu erledigen hatte. Als Solo-Spitze entschied sich Prohaska für den schnellen Mario Haas. Die Abwehr war ohnehin klar: Torhüter Wohlfahrt, Libero Feiersinger und die Manndecker Pfeffer (gegen den bulligen Urzaiz) und Schöttel (gegen den wendigen Raúl).

Man sieht schon: Sieben der zehn Feldspieler Österreichs waren in manndeckender Mission aufgestellt, das Zentrum wurde de facto abgeschenkt. Offenbar erwartete man von Guardiola und Valerón keine entscheidenden Aktionen – den Flügeln galt der volle Fokus.

Was für eine fatale Fehleinschätzung.

Spanischer Spielplatz in der Spielfeldmitte

Bei Spanien hatte Javier Clemente den Libero schon einige Jahre zuvor entsorgt, nach der WM 1994 nämlich. Schon bei der EM 1996 agierte man mit der Viererkette, wie auch 1998 mit Hierro als Sechser davor. Camacho sah dann aber das Potenzial mit Guardiola und Valerón im Zentrum.

Guardiola war zwar auch ein Sechser, aber kein Zweikämpfer und Ballgewinner, sondern ein Taktgeber und Ballverteiler. Einer, der Räume sieht und bespielt und von hinten heraus als Quarterback das Spiel seines Teams orchestriert. Er hatte fast das komplette Jahr 1998 mit einer Wadenverletzung passen müssen, der auf Zweikampf und Direktheit gepolte Ex-Teamchef Clemente hatte mit der Spielweise Guardiolas aber ohnehin nichts anfangen können. Der spätere Trainer Guardiola aber hätte den einstigen Spieler Guardiola geliebt.

Pep und Valerón jedenfalls mussten sich innerlich über Österreichs Taktik kaputtgelacht haben. Der defensiv nicht gerade begnadete und zudem angeschlagene Herzog, dazu Mählich als Solo-Abräumer für 45 Meter Spielfeldbreite – das spanische Zentrum hatte einen Heidenspaß. Guardiola alleine kam auf 114 Ballkontakte, Valerón und der später eingewechselte Mendieta gemeinsam auf 102.

Die unbekannte Dimension „Raum“

Besonders schonungslos aufgedeckt wurden aber die Schwächen des Manndeckungs-Fußballs. Im Spiel gegen den Ball klebten Pfeffer, Schöttel, Neukirchner und auch Wetl sklavisch an ihren zugeteilten Gegenspielern. Mählich orientierte sich an Valerón.

Somit war es für die Spanier ein Kinderspiel, bizarre Löcher in die ÖFB-Formation zu reißen. Die Dimension „Raum“ kam im Denken eines österreichischen Fußballers (und eines österreichischen Fans, Journalisten, Trainers, etc.) schlicht nicht vor. Abwehrspieler hatten ihre Gegenspieler zu verfolgen, und wenn alle Stricke reißen, steht hinten noch der Libero zum ausputzen.

Das 1:0 durch Raúl: Schöttel im Rücken, Feiersinger herausgezogen, Doppelpass mit Urzaiz, alleine vorm Tor. Und bumm.

Schon beim oben beschriebenen Tor zum 1:0 in der 6. Minute wurde dies schön deutlich. Neukirchner stellte Fran an der Außenlinie, Mählich hing an Valerón. Zwischen Herzog und den beiden Manndeckern dafür: Freier Raum, wohin man auch blickt. Diesen konnten die Spanier bespielen.

Dafür brauchten sie noch nicht einmal Überzahl zu haben. Es reichte der Lockvogel-Lauf eines Spielers, um Platz zu schaffen – ohne dass Österreich einen Gedanken daran verschwendete, was mit dem Raum im frei gewordenen Rücken passiert. Wenn auch noch, wie beim Tor zur spanischen Führung, Libero Feiersinger gemeinsam mit Schöttel Raúls Lockvogel-Lauf mitmacht, spielt das dem Torschützen natürlich zusätzlich in die Hände.

Das 2:0 in Minute 17

Ganz ähnlich beim 2:0 rund zehn Minuten später. Fran zieht von außen ins Zentrum, nimmt Neukirchner mit. Valeron kreuzt vor ihm, um Mählich wie ein Magnet aus dem Zentrum zu nehmen, weil Mählich ihm natürlich nachläuft. Feiersinger orientiert sich erst zum Knäuel mit Valeron und Urzaiz, um dort Überzahl herzustellen – der Sechserraum ist völlig frei.

Weil Fran so frei ist, stürzen Feiersinger und auch Raúls Manndecker Schöttel auf Fran zu, Raúl hat in deren Rücken keinen Gegenspieler mehr. Fran spielt Raúl den Ball zu, dieser lupft ihn über den heraus stürmenden Wohlfahrt. Dass Mählich dem Ball bis zum Pfosten nachrennt und diesem dort gebannt zusieht, anstatt ihn wegzudreschen und/oder Raúl daran zu hindern, den Ball endgültig über die Linie zu drücken, passt ins patscherte Gesamtbild.

Beim 3:0 nach einer halben Stunde setzt sich Fran außen im Laufduell gegen Neukirchner durch, seine Traum-Flanke hechtet Urzaiz per Flugkopfball in die Maschen – ein kaum zu verhinderndes Traumtor. Spätestens jetzt wäre Spanien in Führung gegangen.

Fünf Minuten später kann sich Wetl gegen Etxeberria nur mit einem Foul wehren. Dummerweise war das im Strafraum, Hierro verwertet den fälligen Elfmeter zum 4:0. Quasi mit dem Halbzeitpfiff legt Raúl eine flach gespielte Flanke zentral vor den Strafraum, wo Pfeffer meterweit von Urzaiz weg steht. Dieser zieht ab und trifft zum 5:0.

Ach ja, die Flügelzange?

„Ich kann’s nur so erklären, dass wir zu weit weg waren vom Mann“, sagte Toni Pfeffer wenige Augenblicke danach im ORF-Interview, mit dem Nachsatz: „Wir müssen wirklich näher dran sein am Mann, denn sonst wird es ein schlimmes Debakel.“

Dieses Interview verrät sehr viel über die Art und Weise, wie Fußball damals gedacht wurde. Denn ja, bei den Toren zum 3:0 und zum 5:0 – ein schneller Lauf an der Außenlinie und ein Gegenstoß – war tatsächlich er selbst zu weit weg von Urzaiz. Gerade bei den ersten zwei spanischen Treffern aber war es gerade das Problem, dass die Österreicher allzu nah an den ihnen zugewiesenen Spielern klebten – und dabei zu viel freien Raum ließen. Das klassische Manndecker-Dilemma.

Andreas Felber sprach auch die Flügelzange an, auf welche Österreich die Taktik ausgerichtet hatte. Ja, wo war sie denn? Nur ein einziges der neun Tore wurde tatsächlich klassisch von den Außenbahnen vorbereitet. Dazu kommen ein Eckball, ein Elfmeter (bei dem Etxeberria gefoult wurde, ja, ein Außenspieler) – und sechs Tore, die durch das Zentrum eingeleitet wurden.

Die Andeutung von Gefährlichkeit

Etwas zynisch formuliert: Die Hauptaufgabe der vier spanischen Flügelspieler war es, den Österreichern die Illusion vorzugaukeln, dass sie wichtig wären. So nämlich banden sie immer vier der sechs nominellen Mittelfeldspieler und im Zentrum konnte sich das Quartett mit Hierro, Guardiola, Valerón und Raúl ungehindert austoben. Die nackten Zahlen: Raúl verbuchte vier Tore und drei Assists, Pep Guardiola spielte bei fünf Treffern den vorletzten Pass.

Die Außenverteidiger Sergi und Salgado hatten 54 bzw. 53 Ballkontakte, Fran links ebenfalls 53; Etxeberria und der in der Schlussphase für ihn eingewechselte Dani kamen zusammen auf 57 Ballaktionen. Man sieht: Sehr gleichmäßig verteilt. Auch die Rollenverteilung – die AV hinterlaufen die einrückenden Flügelstürmer – war schon sehr modern für diese Zeit.

Fran erzielte ein Tor (nach einer einstudierten Freistoß-Variante) und bereitete drei vor (eine Flanke, ein Eckball, ein Lochpass aus dem Sechserraum). Etxeberria zog den Elfmeter zum 4:0. Sie waren gefährlich, wann immer sie einrückten. Salgado und Sergi sorgten dafür, dass sich nur ja nicht zu viele Österreicher mit ins Zentrum bewegten.

6:0 reicht uns… oder geht’s etwa zweistellig?

Das 6:0, wieder Raúl nach Doppelpass mit Urzaiz in den Rücken von Schöttel

Gleich nach Wiederanpfiff erhöhte Raúl auf 6:0, wieder konnte er ein Zuspiel von Guardiola im Entgegenkommen zu Urzaiz weiterspielen, sich umdrehen, in den Rücken von Schöttel kommen, den Doppelpass von Urzaiz annehmen und Wohlfahrt umkurven. Eine Kopie des ersten Tores. Die österreichischen Spieler – alle stur auf Manndeckung bedacht, weil sie nichts anderes kannten – waren so unglaublich leicht zu manipulieren.

In der Folge nahmen die Spanier deutlich den Zug zum Tor heraus. Das 6:0 reichte ihnen offensichtlich. Man verlegte sich darauf, den Ball in den eigenen Reihen zu halten – die längste Ballstaffette ging über 20 Stationen.

Marcelino, Guardiola, Valerón, Guardiola, Fran, Valerón, Raúl, Guardiola, Salgado, Valerón, Guardiola, Fran, Marcelino, Urzaiz, Hierro, Valerón, Fran, Guardiola, Raúl, Sergi. Es folge ein Foul von Cerny an Sergi, man schrieb die 59. Minute.

Das Publikum in Valencia forderte schon während des Tores zum 6:0 mit lauten Stimmen „Mendieta! Mendieta!“ Der Blondschopf feierte an jenem Tag seinen 25. Geburtstag, war der Star des heimischen FC Valencia und hatte bis zu diesem Match noch kein Länderspiel absolviert. In der 71. Minute kam Mendieta dann auch rein, er ersetzte Valerón, und wenig später versenkte Raúl einen Eckball zum 7:0.

Da bekamen die Spanier, vermehrt angetrieben von Mendieta, dann doch wieder ein wenig Lust. Na, geht sich das vielleicht sogar noch zweistellig aus? In der 77. Minute landete Wetls Versuch, eine Flanke von Raúl zu klären, zum 8:0 im Netz. In der 84. Minute hatte Fran eine diebische Freude daran, eine einstudierte Freistoßvariante zum 9:0 im Tor zu versenken.

Der ÖFB-Teamchef heizte sich auf der Bank eine Tschick an, seine Spieler waren längst sturmreif geschossen. Der für Urzaiz ins Spiel gekommene Munitis narrte Kogler (der Feiersinger als Libero ersetzt hatte) und Wetl mit vier 180-Grad-Drehungen in sieben Sekunden (86.). Dann traf Dani nach einem schnellen Doppelpass mit Munitis aus zu spitz gewordenem Winkel nur das Außennetz (90.). Dann musste Wohlfahrt auch noch ein Geschoss von Mendieta parieren (93.).

Aber, nein, mit aller Macht ging Spanien nicht mehr auf das zehnte Tor. Kurz vor dem neunten hatte Hierro sich ja auch noch die gelbe Karte abgeholt. Wegen Zeitverzögerung.

Kein Witz.

Harsche Reaktionen…

Nach 94 Minuten und 18 Sekunden hatte der französische Referee Gilles Veissière ein Erbarmen und beendete das Spiel. Die große Zerfleischung in der österreichischen Medienlandschaft konnte beginnen.

Die „Krone“ reihte das 0:9 gar in eine Reihe von Tragödien wie jene der tödlich verunglückten Skifahrer Rudi Nierlich und Ulli Maier ein, während direkt daneben Andi Herzog mit den Worten „Das war eine Hinrichtung“ zitiert wurde. Deutlich weniger geschmacklos, aber nicht weniger scharf kritisierten die OÖN, dass auch am Tag nach der „Weltblamage“ weder Prohaska zurückgetreten ist, noch ÖFB-Präsident Mauhart. Dieser weigerte sich trotz des 0:9, den Teamchef zu entlassen.

Wie Mauhart stellten sich auch die Spieler demonstrativ hinter Prohaska. „Aufstellung und Konzept waren in Ordnung“, sagte Herzog. „Es wäre nicht korrekt, wenn es jetzt den Unschuldigsten trifft“, meinte Wohlfahrt. Dennoch: Zwei Tage nach dem 0:9 warf Prohaska ob des öffentlichen Drucks das Handtuch. Er wäre als Teamchef untragbar geworden, erklärte er, er habe die Fans nicht mehr auf seiner Seite und ohne deren Rückhalt kann niemand ein glaubhafter Teamchef sein.

… aber keine Grundsatzfragen

Was in Valencia aber wirklich passiert ist, war nie wirklich ein Thema. Dass das 0:9 aufgezeigt hat, dass die Spielidee mit Libero und Manndeckern dem Untergang geweiht war – wie es fast alle anderen Länder der Fußballwelt erkannten. Bei der WM 1998 hatten noch 18 der 32 Teams mit diesem System gespielt (56 Prozent), bei der WM 2000 waren es nur mehr drei von 16 (19 Prozent).

In Österreich wurde nur diskutiert, wer denn nun den Libero geben könnte, jetzt wo Wolfgang Feiersinger endgültig zu alt für internationales Niveau war. Prohaskas Nachfolger Otto Baric stellte lieber Stürmer Ivica Vastic als Abwehrchef auf, anstatt auch nur darüber nachzudenken, wie alle anderen auf Viererkette und Raumdeckung zu wechseln.

„Wir haben Anschauungsunterricht in modernem Fußball, Raumaufteilung und Technik bekommen“, gab Kapitän Herzog zwar zu Protokoll. Auf den Einfall, aus diesem Unterricht zu lernen, kam aber fast niemand.

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Nur Leo Windtner, damals noch Vize-Präsident des ÖFB und Landespräsident von Oberösterreich, brachte bei der Suche nach Prohaskas Nachfolger leise den Namen Roy Hodgson ins Spiel. Hodgson hatte von 1992 bis 1995 die Schweizer von den Vorzügen des Verzichts auf den Libero überzeugt und die Eidgenossen so zu WM 1994 und EM 1996 geführt. Nach fast drei Jahrzehnten ohne jegliche Endrunden-Teilnahme.

Aber Hodgson hatte nie eine Chance. In Österreich hatten in den Jahren zuvor zwei Trainer die Viererkette probiert. Per Brogeland beim LASK und Wolfgang Frank bei der Austria, und beide waren krachend gescheitert. An der geistigen Unbeweglichkeit der österreichischen Fußballer und deren Unwillen, sich von vermeintlich Bewährtem zu trennen. Ein halbes Jahr vor dem 0:9 Österreichs hatte sich schon Berti Vogts daran versucht, eine Viererkette im DFB-Team zu installieren. Die Spieler verweigerten ihm die Gefolgschaft nach einem holprigen 2:1 über Malta und dramatisch unzunlänglichen 45 Minuten gegen Rumänien istallierte er in der Halbzeit wieder einen Libero. Und trat kurz darauf als Bundestrainer zurück.

Wir haben’s schon immer so gemacht in Österreich. Wir sind eben nicht die Spanier oder die Italiener. um eine Viererkette zu spielen, muss man ein perfekter Fußballer sein. Wir bleiben beim Libero und bei der Manndeckung. Das kennen wir, das können wir.

Jüngere Geschichte vernebelte den Blick

Immerhin waren Salzburg 1994 und Rapid 1996 mit Libero jeweils ins Europacup-Finale eingezogen, immerhin hatte sich Österreich mit Libero als Gruppensieger für die WM 1998 qualifiziert.

Ja, eh.

Aber gerade im Nationalteam wurden die Warnzeichen wegen der guten Resultate nicht erkannt. In der Qualifikation spielte man gegen Schweden und Schottland. Zwei Raumdeckungs-Teams. Nur: Schweden besiegte man einmal eher glücklich und einmal mit Mega-Dusel. Gegen Schottland holte man einen Punkt aus zwei Spielen.

Bei der WM spielte man gegen Italien, Chile und Kamerun. Es war die letzte Gruppe in der Geschichte des internationalen Fußballs, in der alle vier Teams mit Libero aufliefen.

Und so wurde weiter eisern dem zugeteilten Gegenspieler nachgedackelt, wohin er auch rannte, und welche Räume auch immer man damit aufmachte. Otto Baric kam, holte sich sein persönliches Debakel drei Monate später beim 0:5 in Tel-Aviv ab und brachte die EM-Quali auf Gruppenplatz drei zu Ende. Dieses Debakel gegen Israel – ein Libero-Team – verstärkte den Eindruck: Es liegt nicht an der Spielweise. Die Spieler sind nur einfach nicht gut genug.

Fatale Blindheit für das Offensichtliche

Nach Landskrona, der Niederlage gegen die Färöer, war praktisch allen sofort bewusst, was los war. Das WM-Team von 1990 hatte nie die Qualität, die man ihm fälschlicherweise zugeschrieben hatte. Das Ticket wurde in einer leichten Gruppen gesichert, die starken Testspiele vor der WM waren eben nur Testspiele, und die Spieler glaubten, dass sie die Insel-Kicker arrogant aus dem Stand abschießen können würden.

In der Folge gab es danach noch weitere Lehrstunden wie das 1:9 von Ernst Happels Innsbruckern gegen Real Madrid oder das 2:6 der Austria gegen Arsenal. Österreichs Spieler waren einfach nicht besonders gut und sie ergaben sich nach Landskrona zusätzlich in Fatalismus.

Das Fatale am Kegelabend von Valencia war, dass man es nicht für das begriff, was es war: Die bittere Vorführung der Tatsache, dass das mit dem raumdenkenden Spiel und der Abkehr vom Libero eben nicht nur eine mögliche Variante von vielen ist, sondern die radikalste Revolution des Fußballspiels an sich seit den 1920er-Jahren.

Schweiz – Österreich 3:2

Es dauerte drei Jahre und fünf Monate, ehe Österreich erstmals ohne Libero antrat. Erst musste Zoran Barisic, Michael Streiter, Ivica Vastic, Günther Neukirchner, Martin Hiden und Michael Baur den Ausputzer hinter den Manndeckern spielen.

Als Hans Krankl in einem Testspiel in der Schweiz im August 2002 eine Viererkette aufstellte, war sie so heillos damit überfordert, dass Krankl in der Folge lieber doch wieder auf das alte System zurückgriff.

Baur stürmte in gewohnter Manier schon nach wenigen Minuten ungeniert in die gegnerische Hälfte. Die Außenverteidiger Wimmer und Panis standen so verschüchtert hinten und so eng am eigenen Strafraum, als wollten sie die eigenen Innenverteidiger decken. Das hatte nicht einmal Schülerliga-Niveau. Die Schweizer spielten das Jahrzehnt, das sie an Viererketten-Erfahrung Vorsprung hatten, cool aus.

Langsames Erwachen

Andererseits: Woher hätte das Wissen darüber, wie man eine Viererkette ohne Libero spielt, auch kommen sollen? Alle zehn Trainer in der Liga hatten im Frühjahr 1999 ihren Ausputzer hinter den Manndeckern. Osim, Weber, Augenthaler, Krankl, Koljanin, Jara, Verdenik und später Koncilia, Roitinger, Stöhr und Sundermann – die Herkunft der Bundesliga-Coaches zu diesem Zeitpunkt sind genau jene Regionen, die am längsten am Libero festgehalten haben. Österreich, Deutschland und der Balkan.

Und auch die Legionäre im ÖFB-Team spielten überwiegend im klassischen Libero-Land Deutschland. Kühbauer, der in Spanien unter dem deutschen Viererketten-Pionier Bernd Krauss trainierte, war die einzige echte Ausnahme.

Erst mit Walter Schachner, der 2001 mit einer Viererkette (übrigens mit dem ganz jungen Emanuel Pogatetz) beim FC Kärnten in die Bundesliga aufstieg und Cupsieger wurde, kamen auch andere Teams auf den Geschmack. Als Krankl im August 2002 sein Experiment gegen die Schweiz startete, spielten die Austria (eben mit Schachner) und Salzburg (mit dem Dänen Lars Söndergaard) mit einem 4-4-2. Immerhin zwei Teams.

Zwei.

Der letzte Trainer, der sich in Österreichs Bundesliga vom Libero verabschiedet hat, war Franz Lederer. Dieser ließ Mattersburg noch 2006 mit den Manndeckern Patocka und Ratajczyk vor Libero Mravac im Cupfinale spielen.

Der perfekte Sturm

Beim Spiel in Valencia ist alles zusammen gekommen. Eine veraltete Spielweise, die gegen das moderne Raum-Spiel eklatante Nachteile hatte. Eine Häufung von Österreichern, die auch davon abgesehen einen schlechten Tag hatten. Eine komplette Fehlleistung im Scouting des Gegners und die Unfähigkeit, den Fehler zu sehen und zu korrigieren. Ein Kontrahent, der dringend ein Ergebnis brauchte, der nicht nach dem 3:0 völlig abstellte und bei dem auch annähernd jeder Schuss ein Treffer war.

Das 0:9 war der perfekte Sturm.

Der eigentliche Wahnsinn aber ist, dass man – vom Trainerwechsel abgesehen – völlig zur Tagesordnung übergegangen ist und NICHTS in Frage gestellt hat. Und zwar noch viele Jahre nicht.

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Blick auf die Zuseherzahlen der ÖFB-Frauen – und ein WoSo-Roundup https://ballverliebt.eu/2018/08/29/oefb-frauen-finnland-zuseher-quali-spanien/ https://ballverliebt.eu/2018/08/29/oefb-frauen-finnland-zuseher-quali-spanien/#respond Wed, 29 Aug 2018 20:17:37 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15153 Blick auf die Zuseherzahlen der ÖFB-Frauen – und ein WoSo-Roundup weiterlesen ]]> Es geht um alles! Naja, nicht wirklich. Schon bevor am Dienstag die ÖFB-Frauen zum abschließenden WM-Quali-Spiel in Wr. Neustadt gegen Finnland antreten, sind die maßgeblichen Entscheidungen zumindest höchstwahrscheinlich gefallen. Weshalb ein Blick auf die Zuschauerzahlen lohnt – diese Zahlen gut. Aber längst nicht so gut wie anderswo.

Die Ausgangslage

Sollen wir noch über die Konstellation in der Gruppe reden? Zahlt sich eigentlich kaum aus. Österreich wird Gruppenzweiter, wenn man das letzte Spiel am Dienstag gegen Finnland nicht hoch genug verliert, um nach dem 2:0-Auswärtssieg in Helsinki doch noch irgendwie den Direktvergleich zu verlieren. Wird nicht passieren. Und selbst bei einem Punktgewinn von Finnland in Spanien reicht Österreich ein eigenes Remis.

Gut. Sollen wir noch über die Chance reden, ins Playoff der vier besten Gruppenzweiten zu kommen? Damit Österreich da noch reinrutscht, müsste vieles passieren, was nicht passieren wird.  Wer einen Euro auf eine Kombiwette mit allen Spielen setzt, die richtig ausgehen müssten, würde im Erfolgsfall rund 15.000 Euro rausbekommen. Viel Glück.

Sollen wir dann noch über die Topfeinteilung für die Auslosung zur Qualifikation für die EM 2021 reden? Die ÖFB-Frauen werden den zweiten Topf gehalten haben, gar kein Zweifel. Bei der letzten Veröffentlichung des Rankings im April war Österreich auf Platz 14, für den zweiten Topf reicht Platz 17 – und seither hat Österreich zweimal gewonnen, während die ohnehin schon dahinter platzierten Russinnen (2x) und Finninnen (1x) verloren haben.

Alles nicht mehr besonders spannend, ja, ich weiß.

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Die Zuschauerzahlen steigen…

Also reden wir über Zuschauerzahlen. Hier schneidet Österreich zweischneidig ab. Ja, der Matchtag-Besuch ist seit der EM deutlich besser geworden. Nein, wirklich gut sind er im internationalen Vergleich noch immer nicht.

Im Schnitt waren 2.700 Menschen bei den drei bisherigen Heimspielen in der Südstadt live dabei. Letzten Herbst setzten sich zudem immerhin 2.500 Menschen ins Stadion in St. Pölten, wo sie aber mehr den Nebel als das Freundschaftsspiel gegen Holland sahen. Der EM-Effekt ist klar: Das ist beinahe eine Verdreifachung gegenüber vorher. Es ist die Folge eines singulären Ereignisses, welches die ÖFB-Frauen in die öffentliche Wahrnehmung gebracht hatte.

Denn davor hatte man sich stets im Bereich um die 1.000 Zuseher bewegt.In der EM-Quali für 2013 trieb die unerwartete Aussicht auf eine Playoff-Chance die Zahlen kurzfristig in die Höhe (2.300 gegen Portugal in Wr. Neustadt, 2.600 gegen Dänemark in St. Pölten). Das waren aber eher Ausreißer nach oben.

Potenziell zugkräftige Heimspiele gegen Frankreich im Oktober 2013 (vor 600 Leuten im burgenländischen Nirgendwo in Ritzing) und Norwegen im April 2016 (vor 1.200 in Steyr, weil sich der LASK ein ÖFB-Spiel in Pasching allzu fürstlich entlohnen lassen wollte) blieben wegen der Austragungsorte ungenützt. Nach Ritzing kommt niemand, in Steyr war die Sitzplatz-Kapazität begrenzt.

Seit dem letzten Bewerbs-Heimspiel der ÖFB-Frauen im letzten Qualifikationsdurchgang – dem 4:0 gegen Israel in Horn vor knapp über 1.000 Zusehern im Juni 2016 – sind zwei Dinge passiert. Zum einen der Halbfinal-Einzug bei der EM. Und zum anderen wurden die Heimspiele nun direkt vor den Tore von Wien ausgetragen.

Der absolute Rekord (3.600 im Playoff gegen Russland vor sechs Jahren) wird zwar auch auch gegen Finnland nicht fallen – auch wegen der ungünstigen, aber von der UEFA vorgegebenen Anstoßzeit um 17.00 Uhr an einem Dienstag. Aber selbst ein Geisterspiel könnte nicht mehr verhindern, dass es die bestbesuchte Qualifikation in der Geschichte der ÖFB-Frauen wird.

…aber anderswo steigen sie noch mehr

In der aktuellen WM-Quali belegt Österreich im Zuschauer-Ranking den zwölften Platz. Es wird noch ein wenig nach hinten gehen – gegen Finnland wird der Besuch vermutlich relativ schwach sein, dazu haben Wales und Island noch die Heimspiele gegen England bzw. Deutschland vor sich. Gerade Island: Das Stadion  gegen Deutschland ist mit 15.000 Zusehern ausverkauft, damit springt der Schnitt auf 6.500 nach oben.

Mit irgendwas zwischen 2.000 und 2.500, die es für Österreich am Ende werden, stinkt man beispielsweise gegen Belgien deutlich ab. Obwohl der Besuch dort noch vor wenigen Jahren kaum vierstellig war und man bei der EM letztes Jahr in der Vorrunde ausgeschieden ist, kommen nun doppelt so viele Fans zu den Heimspielen als bei Österreich.

Von den Sphären des Europameisters Holland reden wir hier gar nicht. Das Team aus den Niederlanden hat alle vier WM-Quali-Heimspiele (in Groningen, Nijmegen, Eindhoven und Heerenveen), ausverkauft. Ähnliches gilt für England (Heimspiele in den etwas kleineren Stadien von Birkenhead, Walsall, Colchester und Southampton). Auch bei Dänemark ist nach dem EM-Finale eine Eurphorie zu spüren, Schweden ist sowieso ein klassisches Frauenfußball-Land.

In Wales wird die Rodney Parade in Newport beim Spiel gegen England aus allen Nähten platzen, weil man sich mit einem Sieg für die WM qualifizieren und den großen Nachbarn ins Playoff schicken würde. Vor zwei Jahren beim 0:0 gegen Österreich waren 700 Leute im selben Stadion, nun werden es knapp 8.000 sein. Spannend ist andererseits, dass die Schweiz seit einem Jahrzehnt zwischen 1.200 und 1.900 stagniert – obwohl man in Qualifikationen seit fünf Jahren unbesiegt ist.

Die anderen Gruppen

Reden wir auch noch kurz über die anderen sechs Gruppen. Schließlich sind mit Spanien und Italien erst zwei der acht europäischen WM-Tickets für die Endrunde 2019 in Frankreich vergeben.

Also: Wales und England treffen am Freitag in Newport aufeinander, im Hinspiel ermauerte Wales in 0:0 – überhaupt sind Fishlock und Co. seit 729 Pflichtspiel-Minuten ohne ein einziges Gegentor. Sehr beeindruckend.

Auch Schottland und die Schweiz haben ihr zweites direktes Duell. Das Match in Schaffhausen haben die Eidgenossinnen 1:0 gewonnen, ein Remis im St. Mirren Park reicht fix zum WM-Ticket zum Abschied von Langzeit-Teamchefin Martina Voss. Diese nämlich übernimmt nach dieser Qualifikation die Nationalmannschaft ihrer Heimat Deutschland. Dort braucht es unter Interims-Trainer Horst Hrubesch zwingend einen Sieg in Island, um sich die Peinlichkeit des Umwegs Playoff zu ersparen – und die damit verbundene Zitterei um eine WM-Teilnahme. Durch die 2:3-Heimniederlage gegen Island ist das DFB-Team erst in diese Situation gekommen.

Europameister Holland braucht in Oslo zumindest ein Remis, um Norwegen auf Distanz zu halten. EM-Finalist Dänemark kann mit einem Heimsieg gegen Schweden den großen Nachbarn auch noch ins Playoff schicken – das Hinspiel ließen die damals streikenden Däninnen zwar platzen, Schweden leistete sich zuletzt aber eine 0:1-Blamage in der Ukraine.

Im Ranking der Gruppenzweiten hätten England, Island und die Schweiz (sollten sie jeweils noch abgefangen werden) das Playoff-Ticket der besten vier Zweiten mehr oder weniger sicher, selbiges gilt für Holland bzw. Norwegen und für Dänemark/Schweden. Am wahrscheinlichsten sind die Playoff-Teilnehmer Island, Norwegen, Dänemark/Schweden und einer aus dem Trio Schottland, Wales, Belgien. Die Belgierinnen haben aber nur dann noch eine Chance, wenn sie Italien besiegen.

Was sich in der WM-Quali anderswo tut

Beim Asien-Cup in Jordanien haben sich exakt jene fünf Teams die fünf WM-Tickets gesichert, von denen das zu erwarten war: Der nicht immer überzeugende Finalsieger Japan, das im Endspiel 0:1 unterlegene Team aus Australien, die Halbfinalisten China und Thailand  sowie Südkorea. Das Team aus Nordkorea (als Zehnter im FIFA-Ranking eigentlich das drittbeste Team Asiens) ist schon in der Asien-Cup-Qualifikation an Südkorea gescheitert.

Links: Asiencup-Finale Japan-Australien 1:0. Rechts: Südamerika-Finalrundenspiel Chile-Brasilien 1:3.

Bei der Copa América Femenina in Chile wurden zwei Fixplätze und einer für das Playoff gegen den Concacaf-Vierten ausgespielt. Der völlig unterforderte Turniersieger (Brasilien) war keine Überraschung, der sensationelle Zweite (die flexible und exzellent eingestellte Truppe aus Chile) sehr wohl. Der programmierte Zweite Kolumbien ist nach einer souveränen Vorrunde in der Finalphase völlig verreckt und hat nicht einmal das Playoff erreicht. So wird im November Argentinien um ein WM-Ticket spielen (vermutlich gegen Mexiko oder Costa Rica).

In Afrika sind über den Sommer zwei K.o.-Runden gespielt worden, um die acht Teilnehmer am Finalturnier im November zu ermitteln. Die Elfenbeinküste (WM-Teilnehmer 2015) und Simbabwe (Olympia-Teilnehmer 2016) sind dabei ausgeschieden, die Großen den Kontinents und Favoriten auf die drei WM-Tickets – Nigeria, Südafrika, Kamerun – hatten keine Probleme.

In Nord- und Mittelamerika ist die Qualifikation für die Finalrunde im Oktober (bei der es um drei WM-Fixtickets und eines für das Playoff gegen Argentinien geht) voll im Laufen. In der Karibik-Zone wurde schon die Vorqualifikation absolviert. Weltmeister USA ist neben Kanada und Mexiko für das Turnier mit acht Teams gesetzt. In der letzten Augustwoche rittern nun vier Teams aus Zentralamerika und die fünf verbleibenden aus der Karibik um die Teilnahme an der Finalrunde.

Und in Ozeanien war der Rauswurf von Neuseelands Teamchef und Verbands-Sportchef Andi Heraf das größte Frauenfußball-Thema. Der Österreicher hat es sich mit einer (dem Vernehmen nach) allzu autoritären Menschenführung und einer (für jeden sichtbar) allzu strikt destruktiven Spielweise viele Feinde gemacht. Man wird sich beim Finalturnier im November dennoch selbst mit verbundenen Augen das eine verfügbare WM-Ticket sichern. Sportlich wird in der letzten Augustwoche ausgesiebt, wer noch an der Finalrunde teilnehmen wird. In Ozeanien herrscht erstmals Teilnahmepflicht.

Spaniens Nachwuchs im nächsten Finale

Außerdem fand im August die U-20-Weltmeisterschaft in der Brétagne statt. Japan holte sich mit einem 3:1-Finalsieg über Spanien erstmals diesen Titel und ist nun der erste Verband, der sowohl bei den Großen (2011), als auch mit der U-20 (2018) und mit der U-17 (2014) ein WM-Turnier gewinnen konnte.

Die Halbfinal-Spiele der U-20-WM in Frankreich

Der spanische 1998er-Jahrgang gilt als einer der besten Junioren-Jahrgänge, den es jemals gegeben hat. Zusammen wurde man U-17-Europameister (sieben Spielerinnen sind noch dabei) und letztes Jahr auch U-19-Europameister. Nun ging es wieder ins Finale. Wie für spanische Teams eigentlich immer.

Seit 2014 waren die spanischen Juniorinnen in ALLEN ZEHN möglichen EM-Finals. Es ist zehn Jahre her, dass beide europäischen U-Endspiele ohne spanische Beteiligung über die Bühne gegangen sind. Dazu kam nun das vierte Halbfinale bei fünf WM-Teilnahmen und wenn im November in Uruguay die nächste U-17-Weltmeisterschaft stattfindet, ist Spanien als amtierender Europa-Champion sicher kein Außenseiter.

Dabei ist der 98er-Jahrgang eigentlich gar kein reiner 98er. Denn die vier wohl besten Spielerinnen dieses Teams sind im Jahr 2000 geboren – nämlich Patricia Guijarro, Aitana Bonmatí, Carmen Menayo und Maite Oroz. Dieses Quartett hat es in sich.

Als sie 15 Jahre alt waren, wurden sie U-17-Europameister. Als sie 16 Jahre alt waren, wären sie beinahe U-19-Europameister geworden – wenn ihnen das Finale nicht buchstäblich versenkt worden wäre, als dieses bei Sintflut-Regen unter schwer irregulären Verhältnissen durchgepeitscht wurde. Als sie 17 Jahre alt waren, holten sie den U-19-EM-Titel nach. Und nun, als 18-Jährige, waren sie im U-20-WM-Finale. Sie könnten in zwei Jahren noch einen Anlauf starten, U-20-Weltmeister zu werden. Wenn sie das überhaupt wollen. Guijarro ist längst Stammkraft im A-Nationalteam, Bonmatí hat auch schon Einsätze bei den Großen gehabt.

Die anderen gewohnt europäischen Mannschaften schnitten im Rahmen der Erwartungen gut ab. England und Frankreich trafen sich im Spiel um den dritten Platz, Holland und Deutschland blieben im Viertelfinale an England bzw. Japan hängen. Eher erstaunlich hingegen war das Vorrunden-Aus des US-Teams (das sich auf Junioren-Ebene andererseits selten besonders glorreich präsentiert) und der sieglose Auftritt von Brasilien.

Der Kader von Österreich gegen Finnland

Im letzten Aufgebot der WM-Qualifikation fehlen Kapitänin Viktoria Schnaderbeck (schon wieder eine Knie-OP) und Katharina Naschenweng (Kreuzbandriss). Dafür ist erstmals seit der EM die von ihrem dritten Kreuzbandriss seit 2015 genesene Lisa Makas wieder zurück. Erstmals überhaupt im Kader ist Yvonne Weilharter von Sturm Graz.

Tor: Carolin Größinger (21 Jahre, Bergheim, 0 Länderspiele/0 Tore), Jasmin Pal (22, Innsbruck, 0/0), Manuela Zinsberger (22, Bayern/GER, 47/0). Abwehr: Verena Aschauer (24, Frankfurt/GER, 56/7), Marina Georgieva (21, Sand/GER, 3/0), Adina Hamidovic (20, Bremen/GER, 0/0), Gini Kirchberger (25, Freiburg/GER, 61/1), Katharina Schiechtl (25, Bremen, 40/6), Yvonne Weilharter (17, Sturm Graz, 0/0), Carina Wenninger (27, Bayern/GER, 82/4), Laura Wienroither (19, Hoffenheim/GER, 1/0). Mittelfeld: Barbara Dunst (20, Duisburg/GER, 19/0), Jasmin Eder (25, St. Pölten, 39/1), Laura Feiersinger (25, Frankfurt/GER, 64/11), Nadine Prohaska (28, Sand/GER, 85/7), Jenny Klein (19, Hoffenheim/GER, 7/0), Sarah Puntigam (25, Montpellier/FRA, 86/13), Sarah Zadrazil (25, Potsdam/GER, 61/7). Angriff: Nicole Billa (22, Hoffenheim, 45/15), Nina Burger (30, Sand/GER, 104/52), Julia Hickelsberger (19, Neulengbach, 0/0), Lisa Makas (26, Duisburg/GER, 52/18), Viktoria Pinther (19, Sand/GER, 18/0). Teamchef: Dominik Thalhammer (47).

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Europas Große bei der WM 2018: Dominanz trotz zwei Totalausfällen https://ballverliebt.eu/2018/07/16/wm-2018-bilanz-europa-frankreich-kroatien-belgien-england-spanien-portugal-deutschland-italien-holland/ https://ballverliebt.eu/2018/07/16/wm-2018-bilanz-europa-frankreich-kroatien-belgien-england-spanien-portugal-deutschland-italien-holland/#comments Mon, 16 Jul 2018 17:18:47 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15055 Europas Große bei der WM 2018: Dominanz trotz zwei Totalausfällen weiterlesen ]]> Einer von Europas Schwergewichten war gar nicht dabei (Italien), ein weiteres ist in der Vorrunde gescheitert (Deutschland), die Sieger der letzten drei EM-Turniere (Spanien und Portugal) haben es nur bis ins Achtelfinale geschafft – und dennoch kamen alle vier Halbfinalisten bei diesem WM-Turnier aus Europa.

Die Vorherrschaft des alten Kontinents war 2018 in Russland so erdrückend wie selten zuvor. Frankreich darf sich ab sofort einen zweiten Stern in sein Verbandslogo stellen. Aber auch Kroatien, Belgien und England gehen allesamt mit gestärkten Positionen aus dieser WM hervor.

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LINK-TIPP: Europas Große bei der WM 2014

Frankreich: Zum zweiten Mal Weltmeister

Dass es immer Spaß gemacht hätte, den Franzosen zuzusehen, könnte man nicht behaupten. Aber: Als erst drittes Team in der WM-Geschichte haben sie vier K.o.-Spiele in 90 Minuten gewonnen. Sie haben in vier der sieben Spiele kein Gegentor erhalten. Und wenn es notwendig war, stets selbst die Tore erzielt. Sie haben sich im Finale gegen Kroatien nicht eine einzige echte Torchance herausgespielt und dennoch 4:2 gewonnen.

Frankreich ist sicher ein korrekter Weltmeister. Sie haben, wenn es darauf ankam, die wenigsten Schwächen gezeigt. Sie lagen im ganzen Turnier nur in 8 von 679 gespielten Minuten im Rückstand. Und man hatte stets den Eindruck, dass man immer noch zusetzen könnte, wenn man müsste.

Die Grundausrichtung von Didier Deschamps war defensiv. Das ist angesichts der zur Verfügung stehenden Offensiv-Kräfte zwar etwas frustrierend, passt aber sehr gut zu Spielern wie Antoine Griezmann und vor allem Kylian Mbappé. Deren Tempo, kombiniert mit Olivier Giroud (der zwar null Torgefahr ausstrahlte, aber stets Gegenspieler band und somit Räume freimachte) und dem unauffälligen, aber hoch-effektiven Spiel von Paul Pogba – es funktionierte einfach. Dazu passt auch, dass mit Pavard und Hernández eher die defensivstärkeren Außenverteidiger gegenüber Sidibé und Mendy zum Einsatz gekommen sind.

Diese französische Generation ist nur ein Tor gegen Portugal vor zwei Jahren davon entfernt, nun Welt- UND Europameister zu sein. Und angesichts der Jugend des Weltmeisterteams und der enormen Qualität vieler Spieler, die es nicht einmal in den 23-Mann-Kader geschafft haben, spricht wenig dagegen, dass auch die kommenden Turniersiege nur über Frankreich gehen. Wie bei Spanien vor zehn Jahren. Wie bei den Franzosen selbst vor 20 Jahren.

Kroatien: Verdienter Finaleinzug

„Vizeweltmeister Kroatien“ klingt einerseits immer noch ein wenig seltsam. Andererseits hat das Vier-Millionen-Land vom Balkan in seinen Reihen Leistungsträger von Real Madrid, FC Barcelona, Juventus Turin, Inter Mailand, Atlético Madrid und Liverpool.

Zlatko Dalić, der als Spieler keine große Nummer war und als Trainer bislang auch nicht, hatte grundsätzlich zwei Formationen, unter denen er wählte. Die eine, gegen Nigeria und gegen Russland, war  ein 4-2-3-1 mit Modrić und Rakitić vor der Abwehr und Kramarić auf der Zehn. Es brannte wenig an, aber die Abstände im Aufbau waren oft zu groß. Viel besser funktionierte das 4-3-3, welches in allen anderen Spielen zum Einsatz kam: Hier agierte das kreative Duo höher und mit Brozović gab es eine Absicherung. Diese Raumaufteilung war die Basis zu jener Balance, welche die Kroaten auszeichnete.

Angesichts der Abwehr, die den individuell schwächsten Teil der Mannschaft darstellt, setzte Kroatien auf Ballbesitz (55 Prozent im Turnierverlauf – das ist der höchste Wert der Halbfinalisten und Platz 7 generell) und Luka Modrić war der Lenker, er hatte die Ideen, er verteilte die Bälle. Rebić (nur Tempo) und Perišić (Tempo und Technik) brachten die Pace in ein sonst eher von gemäßigter Geschwindigkeit geprägtes Team.

Kroatien stellte ein gut balanciertes Team, das unermüdlich kämpfte, in jedem der vier K.o.-Spiele im Rückstand lag, drei davon noch drehte und dabei dreimal über 120 Minuten musste. Man hat sich den Finaleinzug redlich verdient.

Belgien: Nuancen haben entschieden

Ähnlich wie Kroatien (bisherige Bestmarke: Platz drei 1998) hat auch Belgien mit dem Bronze-Rang (bisherige Bestmarke Vierter 1986) das beste WM-Resultat der Verbandsgeschichte erreicht. Vollauf verdient – und selbst im Halbfinale gegen Frankreich haben nur Nuancen gegen Belgien entschieden. Ein verlorenes Kopfballduell, ein nicht gegebener Freistoß. Und dann wird man eben „nur“ Dritter.

Roberto Martínez stellte die wohl spannendste Truppe der WM auf den Rasen. Aus dem gewohnten 3-4-3 heraus, zunächst mit De Bruyne neben Witsel in der Mittelfeld-Zentrale, war man gegen Panama und Tunesien überlegen, geriet im Achtelfinale gegen Japan aber schwer in die Bredouille. Erst, als der Teamchef Mertens opferte, De Bruyne nach vorne stellte und Marouane Fellaini für die Zentrale brachte, erhielt man Oberhand im Mittelfeld. Das schützte die eher langsame Abwehr (sicher am Ehesten die Schwachstelle) und belebte gleichzeitig die Offensive. Innerhalb einer halben Stunde wurde gegen Japan aus einem 0:2 ein 3:2.

Gegen Brasilien wurde De Bruyne als falsche Neun ins Zentrum gestellt und der Gegner bei Kontern aufgemacht – assistiert, wie schon gegen Japan, vom überragenden Romelu Lukaku. Seine Laufwege waren das mit Abstand Beste, was Spieler auf seiner Position an dieser Weltmeisterschaft zeigten. Dazu kam noch Eden Hazard, der (anders als noch unter Wilmots) mannschaftsdientlich arbeitete und gleichzeitig dennoch für individuelle Glanzpunkte sorgte. Und dass der großartige und unterschätzte Rechts-Verteidiger Thomas Meunier im Halbfinale gegen Frankreich gelbgesperrt fehlte, war auch ein wichtiger Faktor zur 0:1-Niederlage.

Martínez war sich auch nicht zu schade, auch mal Gegner in Manndeckung zu nehmen (wie Pogba, dem Fellaini im Halbfinale permanent auf den Füßen stand). Das asymmetrische Pendel-System zwischen 3-4-3 und 4-3-3 (mit Meunier bzw. Chadli, die gegen den Ball nach hinten rückten) neutralisierte viel von der brasilianischen bzw. französischen Offensive.

38 Jahre nach dem EM-Finale und 32 Jahre nach dem WM-Halbfinale (mit Ceuelemans, Gerets, Pfaff, Vercauteren und dem jungen Scifo) hat diese belgische Generation nun gezeigt, dass sie tatsächlich echte Weltklasse ist. Die Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 hatten das ja lediglich andegeutet.

England: Das Ende der Lethargie

Fast ein Jahrzehnt lang waren die englischen Fans gegenüber ihrem Nationalteam in einer gewissen Lethargie versunken. Die bleiernen Jahre unter Roy Hodgson, der erst nur den Verfall verwaltete und dann die Verjüngung nur halbherzig anging, rissen auf der Insel niemanden mit.

Und dann wurde die FA zu ihrem Glück gezwungen. Nach dem ebenso schnellen wie unrühmlichen Ende der Amtszeit von Sam Allardyce legte man die Three Lions in die Hände von Gareth Southgate. Jener Spieler, dessen Elfer-Fehlschuss im Halbfinale der Heim-EM 1996 den Engländern mutmaßlich den Titel gekostet hat, krempelte alles um – vor allem die mentale Seite. Er ist der Meinung, dass man sich eben doch auf ein Elferschießen einstellen kann – und ließ es methodisch und psychologisch unterstützt trainieren.

Er verstand es, zwischendurch auch mal für Lockerheit im Team zu sorgen (wie die Plansch-Einlage mit den aufblasbaren Einhörnen), während es unter Capello schon mal halbe Meutereien gab, weil der Trainer Nutella vom Speiseplan gestrichen hat. Auf die Medien gingen Southgate und sein Team vor dem Team aktiv zu, nachdem man zwei Jahrzehnte – begonnen vor allem mit den Gascoigne-Eskapaden – ein feindseliges Misstrauen gehegt hatte.

Und: Es wurde intensiv an Standards gefeilt. Neun der zwölf Tore Englands fielen aus Freistößen, Eckbällen und Elfmetern. Spielerisch war man, das sagte Southgate nach dem verlorenen Platz-drei-Spiel auch selbst, sicher nicht unter den Top-4 des Turniers. Aber: Nun haben es Verband und auch Fans schwarz auf weiß, dass diese Generation durchaus Potenzial hat. Individuell sind sie wohl schwächer als in den Nuller-Jahren mit Gerrard, Lampard, Ferdinand, Beckham und Rooney. Aber die jetzigen Spieler sind teamfähiger.

Spanien: Sich selbst ins Bein geschossen

Das Kontrastprogramm zum demonstrativen, ruhigen Zusammenhalt im englischen Lager war die Delegation aus Spanien. Mit dem Rauswurf von Teamchef Julen Lopetegui zwei Tage vor dem ersten Spiel hat sich der Weltmeister von 2010 eindrucksvoll selbst ins Knie geschossen. Zumal hier keinerlei sportliche Gründe ausschlaggebend waren – Lopetegui hatte dem Team die lange vermisste Vertikalität zurück gegeben – sondern ausschließlich das gekrängte Ego von Verbands-Präsident Rubiales. Weil er vom bevorstehenden Wechsel des Trainers Real Madrid nur ein paar Minuten vor allen anderen informiert worden war.

Mit dem eilig installierten Hierro als Ersatz-Trainer ohne Detailwissen um die Pläne und Gedankengänge Lopeteguis kehrten die Spanier zu jenem Horizontal-Geschiebe ohne Drang nach vorne zurück, dessen Vorhersebarkeit und relativ leichte Kontrollierbarkeit ihnen schon in den späten Del-Bosque-Jahren immer wieder zum Verhängnis geworden war. Das fiel im wilden Auftakt-3:3 noch nicht so auf, mit Nachos Wundertor und Diego Costas individueller Bulligkeit. Aber schon gegen den Iran kam damit nur ein äußerst dünnes 1:0 heraus, gegen Marokko hätte Spanien schon beinahe verloren und in 120 Minuten gegen Russland spielte man zwar über 1.100 Pässe, blieb aber völlig harmlos und verlor dann auch noch das Elfmeterschießen.

2008, 2010 und 2012 hat Spanien die Turniere gewonnen. Das letzte Mal, dass Spanien bei einer anderen Endrunde als diesen dreien ein K.o.-Spiel überstanden hat, ist 16 Jahre her – ein Elferschießen-Sieg im Achtelfinale 2002 gegen Irland. Weiterin stellt Spanien einen der unbestreitbar besten Kader der Welt. Aber wie vor dem Titel-Hattrick ist man auch diesmal viel zu früh ausgeschieden.

Luis Enrique (der neue Teamchef) und José Francisco Molína (der neue Verbands-Sportchef) werden mittelfristig vor der Aufgabe stehen, das Team peronsell etwas umzubauen, schließlich stehen nach dem Rücktritt von Iniesta auch die internationalen Karrieren von langjähirgen Stützen wie Kapitän Ramos, Verteidiger Piqué und Offensiv-Allrounder David Silva tendenziell vor dem Ende. Der spanische Talente-Pool scheint unerschöpflich, aber gerade in der Defensive kommt gerade eher keine Weltklasse nach.

Portugal: Wenig Flair, wenig Blödsinn

Der Europameister hatte einst ein Überangebot an Offensiv-Superstars. Figo, Rui Costa, Deco, dann auch noch Cristiano Ronaldo – jetzt es es nur noch einer, und selbst der wird nicht jünger. Auch, wenn Ronaldo gerade für viel Geld zu Juventus Turin gewechselt ist: Viel mehr als die EM 2020 hat er wohl nicht mehr drin. Bei der WM in Katar ist Ronaldo knapp 38 Jahre alt.

Das gegenüber dem EM-Titel nur an zwei Positionen veränderte Team (Guedes statt Nani, Bernardo Silva statt Renato Sanches) zeigte sich wieder sehr solide und mit der Tendenz, keinen Blödsinn zu machen. Ein Ronaldo-Hattrick rettete das 3:3 gegen Spanien, dann verteidigte man den knappen Sieg gegen Marokko über die Zeit und gegen den Iran sah es bis kurz vor Schluss genauso aus. Im Achtelfinale zerschellte man an der individuellen Klasse von Cavani und der humorlosen Defensive aus Uruguay, aber das ist auch anderen schon passiert. Die Maßnahme, es gegen die Urus konsequent mit Flanken vor das Tor zu probieren, ist auf jeden Fall hinterfragenswert. Aber davon abgesehen kann sich Portugal nicht allzu viele Vorwürfe machen.

Und wie sieht es um die Zukunft aus? Gonçalo Guedes ist ein potenziell hoch-aufregender Spieler, der vor allem über die linke Außenbahn Weltklasse sein kann. Bernardo Silva gehört rechts zum Stammpersonal von Manchester City. Diese beiden können das Team ein Jahrzehnt tragen. Mehr als ordentlicher europäischer Durschnitt ist der Rest zwar sicher nicht. Aber das war es vor zwei Jahren beim EM-Titel auch nicht – und doch holte man den Titel. Weil Portugal ein gut coachbares Team ist und man im Verband auch immer ein Händchen für passende Teamchefs hat. Der Superstar-Streichler Scolari, der frech spielende Bento, der pragmatische Santos.

Santos hat einen Vertrag bis zur EM 2020 und der Verband steht zu diesem Kontrakt. Sollte sich Ronaldo – mit 154 Einsätzen Portugals Rekord-Teamspieler – entschließen, dass er schon jetzt seine internationale Karriere zu beenden, kann Santos‘ Pragmatismus der richtige Ansatz sein, oder aber genau der falsche. Dies ist eine Frage, die der portugiesische Verband für sich selbst beantworten wird müssen. Spätestens in zwei Jahren.

Deutschland: Zu selbstzufrieden und mit Wirbel

Da fliegt der Titelverteidiger nach der Vorrunde nach Hause und es wird über alles diskutiert, nur nicht über das Sportliche. Dass Sportdirektor Bierhoff und DFB-Präsident Grindel nun der Öffentlichkeit Özil nach dem Turnier als Sündenbock zum Fraß vorwerfen, nachdem sie selbst vor dem Turnier den Umgang mit den Erdogan-Fotos mit-verbockt haben. Über das teflon-hafte, überbordende Marketing-Blabla, mit dem Bierhoff das DFB-Team einhüllt. Darüber, ob es richtig ist, die Weiterarbeit von Löw einfach so durchzuwinken.

Tatsache ist jedenfalls: Dem Ballbesitz-Spiel fehlte die defensive Absicherung, weswegen Deutschland anfällig für Konter wurde. Das hat Mexiko gnadenlos ausgenützt, auch gegen Schweden geriet man deswegen in Rückstand. Das Offensivspiel an sich mit 67 Prozent Ballbesitz war gar nicht so sehr das Problem. Ja, man hatte Schwierigkeiten, massierte Defensiven wie jede der Schweden und der Koreaner auszuspielen. Aber: Der Expected-Goals-Wert ist der sechstbeste aller Teams in der Vorrunde. Mesut Özil spielte – wenn man alle Ressentiments bezüglich seines Verhaltens vor und während des Turniers beiseite schiebt  sich nicht von seiner Körpersprache täuschen lässt – ein sehr ordentliches Turnier. Andere aber nicht.

Sami Khedira war ein Haupt-Baustein der fehlenden Absicherung nach hinten. Thomas Müller wirkte überspielt und über seinem Zenit. Timo Werner konnte gegen destruktive Kontahenten sein Tempo nie ausspielen. Es gibt keinen Linksverteidiger von internationalem Format. Warnzeichen vor der WM in Form von mäßigen Testspiel-Auftritten wurden nicht als Warnzeichen erkannt, weil mäßige Testspiele eher die Regel als die Ausnahme sind. Selbst nach dem 0:1 gegen Mexiko und dem Last-Minute-2:1 gegen Schweden schimmerte die Einstellung durch, dass man natürlich gegen Südkorea den nötigen Sieg einfahren würde, weil man eben Deutschland ist.

Das Team, welches im Kern seit 2010 zusammen spielt, ist nun an seinem Ende angelangt. Mehr über Hintergründe und ein kleiner Ausblick auf die unmittelbare Zukunft gibt es HIER.

Wer hat gefehlt?

Italien und Holland. Die Probleme der Italiener, die nach langem Überlegen nun Robert Mancini als neuen Trainer installierten, haben wir HIER schon ausführlich dargelegt.

Neuer niederländischer Bondscoach ist seit einem halben Jahr Ronald Koeman. Der ehemalige Everton, der Ajax und Eindhoven schon insgesamt drei holländischer Meistertiteln geführt hat, steht vor einer Mammutaufgabe. Seit bald einem Jahrzehnt ist der ständige Strom an neuen Oranje-Talenten weitgehend versiegt – für vier der letzten fünf U-21-EM-Endrunden hat man sich nicht qualifiziert.

In der WM-Quali wirkte die von Danny Blind Elftal ungecoacht, beging elementare taktische Fehler, war leicht auszurechnen und relativ easy zu neutralisieren. Die Niederländer mit dem höchsten internationalen Profil sind derzeit ein Innenverteidiger (Virgil van Dijk) und  ein Spieler, der bei seinem ersten Anlauf in der Premier League gescheitert ist (Memphis Depay), dazu noch Georgino Wijnaldum. Große Stücke hält man auf Nachwuchs-Talent Tahith Chong – der 18-jährige Außenstürmer mit der wuscheligen Frisur wird bei Manchester United an Premier-League-Niveau herangeführt.

Das Minimalziel kann es nur sein, sich nach zwei verpassten Turnieren – sowas hat es bei den Niederlanden seit 30 Jahren nicht mehr gegeben – zumindest mal wieder für die WM 2020 zu qualifizieren.

So geht es weiter

Alle diese sieben Teams spielen im Herbst in der Top-Gruppe der neuen Nations League um den Sieg in diesem Bewerb und um eine Hintertür, sollte die 2019 gespielte EM-Qualifikation in die Binsen gehen.

Weltmeister Frankreich trifft in seiner Dreiergruppe auf Deutschland und die Niederlange. Belgien bekommt es mit Island und der Schweiz zu tun. Europameister Portugal trifft auch Italien und Polen. Und schließlich muss Kroatien gegen England und Spanien antreten.

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Vor Frauen-WM-Quali-Doppel – und: Kommt die Heim-EM? https://ballverliebt.eu/2018/03/30/frauen-heim-em-wm-quali-junioren/ https://ballverliebt.eu/2018/03/30/frauen-heim-em-wm-quali-junioren/#comments Fri, 30 Mar 2018 07:54:24 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14571 Vor Frauen-WM-Quali-Doppel – und: Kommt die Heim-EM? weiterlesen ]]> Die Jagd nach einem WM-Ticket geht weiter: Vier Monate nach dem 0:4 in der WM-Quali in Spanien bzw. einen Monat nach dem Cyprus Cup stehen die ersten Pflichtspiele für die ÖFB-Frauen im neuen Jahr an. In der Südstadt warten Serbien (Donnerstag, 5. April) und Spanien (Dienstag, 10. April). Wir erklären, welche Bedeutung diese Spiele haben.

Eine Woche vor dem Länderspiel-Doppel hatte Sue Campbell von der englischen FA in der BBC erklärt, neben ihrem eigenen Verband würde sich auch der österreichische um die Ausrichtung der EM 2021 bemühen. Wir erklären, was es damit auf sich hat.

Und die U-17-Mädchen haben den Sprung zu ihrer Europameisterschaft verpasst. Wir erklären, warum das besonders ärgerlich ist.

Die Sache mit der EM-Bewerbung 2021

Österreich? Das war auch uns neu. Es war vor ein paar Jahren kurzzeitig überlegt worden, sich eventuell für die EM 2017 zu bewerben, aus dem Stadium „Grobe Idee“ ist dieses Vorhaben aber nie herausgekommen. Und jetzt soll sich Österreich praktisch aus dem Nichts um die Endrunde von 2021 bemühen?

Hier eine Einschätzung der Lage und der Wahrscheinlichkeit (or lack thereof), dass der nächste Europameister im Frauenfußball in Österreich gekürt wird.

Ist die Bewerbung schon offziell?

Nein. Die Einreichfrist läuft noch bis Sommer, selbst die englische Bewerbung (die intern schon letzten August fixiert wurde) ist noch nicht dokumentiert bei der UEFA eingegangen. Sehr wohl aber muss der ÖFB bei der UEFA irgendwann zwischen letztem Sommer und jetzt sein grundsätzliches Interesse deponiert haben, sonst hätte auch Sue Campbell diese Information nicht.

Schon letzten August aber, als England sich öffentlich meldete, war die allgemeine Wahrnehmung: Jetzt muss sich gar kein anderer mehr bewerben. Denn das Interesse der FA wirkte schon damals seriös, zumal es kam, bevor der Sampson-Skandal öffentlich wurde (wenn auch nur zwei Wochen).

Wie groß sind die Chancen, dass die EM 2021 in Österreich stattfinden?

Äußerst minimal. Wenn England es mit der Bewerbung ernst meint – und alle Anzeichen deuten darauf hin – wird England die Zuschlag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bekommen. Es sind laut Medienberichten schon 21 Städte an die FA herangetreten, die Spiele ausrichten wollen. Zwar hat England erst 2005 die EM ausgetragen, aber das war ein völlig anderes Zeitalter im europäischen Frauenfußball.

Was spricht gegen Österreich als Austragungs-Ort?

Nach dem katastrophalen Zuschauer-Zuspruch bei der EM 2009 in Finnland setzt die UEFA eher auf Sicherheit, um das mediale Wachstum des Frauenfußballs nicht mit Bildern gähnend leerer Stadien bei EM-Endrunden zu torpedieren. Schon Holland 2017 war ein kleines Risiko – die Niederlande sind kein klassisches Frauenfußball-Land – und bei aller Begeisterung, die hierzulande im letzten Sommer herrschte: Der Rekord bei einem Frauenfußball-Spiel in Österreich liegt immer noch bei 3.600 Zusehern (im Playoff-Heimspiel gegen Russland 2012).

Zum Vergleich: Der Schnitt bei den Matches OHNE finnische Beteiligung bei der so enttäuschenden EM 2009 lag bei 3.800 – vier Jahre später waren es 7.600 in Spielen ohne das schwedische Heimteam und voriges Jahr 6.800 in Partien ohne die Gastgeber aus den Niederlanden.

Was spricht gegen Ungarn als Austragungs-Ort?

Praktisch alles. Im Gegensatz zu Ungarn hat Österreich ein konkurrenzfähiges Team und seit letztem Jahr auch (zumindest relativ) bemerkbares Interesse am Frauenfußball. Beides hat Ungarn nicht, darum ist unser östlicher Nachbar vermutlich noch chancenloser bei der Vergabe des Turniers.

Könnte Österreich die EM infrastrukturell stemmen?

Selbstverständlich, so wie ungefähr 30 andere europäische Länder auch. Es braucht erfahrungsgemäß sechs bis sieben Stadien. Eines davon sollte zumindest rund 30.000 Leute für das Finale fassen – also selbst wenn man auf das längst nicht mehr zeitgemäße Happel-Stadion verzichtet, ist man dank Salzburg und Klagenfurt auf der sicheren Seite. Bei den restlichen Stadien reichen acht- bis fünfzehntausend Plätze locker aus.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Bis Sommer läuft die Einreichfrist, im Dezember fällt die Entscheidung, im Februar 2019 werden die Qualifikationsgruppen ausgelosen.

Sollte sich der ÖFB offiziell bewerben?

Ansichtssache. Realistische Hoffnungen, die EM 2021 wirklich auszutragen, braucht sich der ÖFB nicht machen. Eine offizielle Bewerbung wäre eher ein Signal nach innen, dass man es mit dem Frauenfußball auch weiterhin ernst meint.

Die WM-Quali gegen SRB und ESP

Also lenken wir die Konzentration auf die WM 2019 in Frankreich, denn hier geht für die ÖFB-Frauen ganz konkret, auf dem Platz, die Qualifikation weiter. Jeweils in der Südstadt kommt es zu Spielen gegen Serbien (Donnerstag, 19.00 Uhr) und Spanien (Dienstag, 20.30 Uhr).

In letzterem entscheidet sich, ob noch eine Chance auf den Gruppensieg und die Direkt-Qualifikation besteht. In ersterem muss ein Sieg her, um im Falle des zweiten Gruppenplatzes zumindest ins Playoff zu kommen.

Warum? Nun, Österreich hat im November das Auswärtsspiel in Spanien eben 0:4 verloren. Um aus eigener Kraft Gruppensieger werden zu können, müssten die ÖFB-Frauen Spanien also mit 5:0 besiegen – und, bei allem Respekt, das geht nicht. Spanien hat seit sechs Jahren nie höher als mit zwei Toren Differenz verloren. Österreich braucht mindestens ein Remis, um die theoretische Chance zu wahren und bei einem weiteren Patzer der Spanierinnen abstauben zu können.

Das alles gilt natürlich unter der Voraussetzung, dass man im ersten Match dieses Länderspiel-Doppels Serbien bezwingt. Das ist Pflicht, Punkt. Im Auswärtsspiel hat Österreich im September 4:0 gewonnen, ohne dabei übertrieben gut gespielt zu haben. Andererseits hat Spanien erst mit einem Last-Minute-Tor überhaupt 2:1 in Belgrad gewonnen.

Warum dieses Spiel für ein eventuelles Playoff so wichtig ist, verdeutlicht ein Blick auf das (zugegeben noch nicht wirklich aussagekräftige) der wahrscheinlichen Gruppenzweiten.

Grün: Bisherige Resultate gegen die Gruppenköpfe. Rot: Punktverluste gegen schwächer klassierte Teams. Resultate gegen Gruppenletzte zählen nicht. Gereicht nach „Punkten im Fahrplan“ – also kalkuliert mit null Zählern gegen die Gruppensieger und ohne Punktverlust gegen die schwächeren Teams.

Die besseren vier der sieben Gruppenzweiten machen sich im K.o.-System einen verbleibenden WM-Platz aus. Island liegt in diesem Ranking nach einem Drittel der Qualifikation voran, mit einem Punkt mehr als erwartet (Auswärtssieg in Deutschland, aber nur Remis gegen Tschechien). Ansonsten hat sich noch nichts getan, was unerwartete Resultate angeht.

Allerdings: Wer gegen ein schwächer klassiertes Team Punkte hergibt, ist schnell (vor)-entscheidend im Hintertreffen. Darum ist es so wichtig, dass sich Österreich (Topf 2) gegen Serbien (Topf 4) und danach in den beiden Spielen gegen Finnland (Topf 3) keine Blöße gibt.

Worauf es ankommen wird? Dass man die Serbinnen nicht unterschätzt und ihr Aufbauspiel gar nicht erst erlaubt – Serbien stellt sich nämlich eher nicht nur hinten rein, sondern will auch selbst etwas tun. Und, ob man Spanien nach drei Duellen seit letzten Sommer (Elferschießen-Sieg bei der EM im Juli, 0:4-Debakel in der WM-Quali im November, 0:2 in einem Testspiel beim Cyprus Cup vor einem Monat) noch mit etwas überraschen kann.

Und, dass man Spanien nach 300 diesbezüglich erfolglosen Minuten auch mal ein Tor schießt.

Das bittere Scheitern der U-17

Der 1997er-Jahrgang gilt als der bisher beste im österreichischen Juniorinnen-Fußball, er qualifizierte sich sowohl für die U-17-EM im Winter 2013/14 als auch für die U-19-EM im Sommer 2016. Katharina Naschenweng, Barbara Dunst, Viktoria Pinther und Marina Georgieva sind aus diesem Team schon zu A-Einsätzen gekommen; zumindest im Kader bei den Großen waren auch Kathi Aufhauser, Sandy Sobotka, Adina Hamidovic und Isabella Kresche schon.

Der 2001er-Jahrgang, also die aktuelle U-17, wird ähnlich großes Potenzial bescheinigt, wenn nicht sogar noch größeres. Und zwar auch von außerhalb des ÖFB, von den Trainern und Beobachtern der heimischen Bundesliga. Es waren sich eigentlich alle sicher, dass sich die Truppe ohne größere Schwierigkeiten für die EM im Mai qualifzieren würde und auch dort eine gute Rollen spielen kann.

Und dann das: Nur 0:0 trotz 25 Torschüssen gegen die Türkei, dem ein mühsames 3:0 gegen Bosnien folgte. In der letzten Partie gegen Polen brauchte es einen Sieg, es stand lange 1:1. Man drückte auf das nötige Tor, fing sich kurz vor Schluss einen Konter ein, verlor. Ernüchterung.

Sicher, es war auch Pech dabei: Vier Pfostenschüsse gegen die Türkei und eine Gemeinheit von einem Platz, der nicht vom Schnee geräumt war und somit viel Kraft gekostet hat. Das Tempo vor allem einer Linda Mittermair konnte auf den schlechten Plätzen in Nordost-Bosnien nicht ausgespielt werden. Unter dem Druck des Gewinnen-Müssens wirkte das Team vor allem beim Sieg gegen Bosnien (den es auf YouTube gibt – besonders urig war der halb zerfallene Traktorschuppen hinter dem Tor und der Handwerker, der in der Halbzeit deutlich hörbar die Flex ausgepackt hat) fahrig.

Das Team, das fast durchgängig aus Stammspielerinnen der heimischen Bundesliga besteht – und im Falle des Quartetts von Union Kleinmünchen aus Linz sogar absoluten Leistungsträgern – kann aus diesem unerwarteten Scheitern lernen. Und wenn es nur ist, wie man mit Erwartungsdruck und Misserfolg umgeht.

Die U-19 als klarer Außenseiter

Nachdem die 17er-Mädchen ebenso gescheitert sind wie die 17er-Burschen und die 19er-Burschen, kann nun nur noch das U-19-Team der Mädchen ein zweites Endrunden-loses Jahr für den ÖFB-Nachwuchs verhindern. Die Chancen dafür sind aber eher gering.

Zum einen, weil es in der Eliterunde (neben Irland und Georgien) gegen Spanien geht. Dieser spanische Jahrgang war vor zwei Jahren Vize-Europameister in der U-17, die letzte U-19-EM voriges Jahr wurde von Spanien gewonnen. Und zum anderen, weil die Leistungsdichte im zur Verfügung stehenden Kader lange nicht so groß ist wie etwa bei den 97ern oder auch den 2001ern.

Jenny Klein, die noch U-19 spielen dürfte, ist beim A-Team; Julia Hickelsberger von Neulengbach fehlt verletzt, Sandra Mayrhofer (St. Pölten) ist nach einer Knieverletzung seit Sommer out, Laura Krumböck (St. Pölten) und Jana Scharnböck (Neulengbach) waren auch lange verletzt und ihnen geht Matchpraxis ab.

Platz zwei vor Irland und Georgen muss der Anspruch sein. Aber um vor Spanien zu landen, dafür braucht es – realistisch betrachtet – eine größere Überraschung.

KADER A-Nationalteam: Tor: Jasmin Pal (21 Jahre, Wacker Innsbruck 0 Länderspiele/0 Tore), Jasmin Pfeiler (33, Landhaus, 22/0), Manuela Zinsberger (22, Bayern/GER, 43/0). Abwehr: Verena Aschauer (24, Sand/GER, 52/6), Marina Georgieva (20, Potsdam/GER, 3/0), Gini Kirchberger (24, Duisburg/GER, 58/1), Sophie Maierhofer (21, Univ. of Kansas/USA, 21/1), Kathi Naschenweng (20, Sturm Graz, 11/0), Katharina Schiechtl (25, Bremen/GER, 36/4), Viktoria Schnaderbeck (27, Bayern/GER, 63/2), Carina Wenninger (27, Bayern/GER, 78/3). Mittelfeld: Barbara Dunst (20, Duisburg/GER, 18/0), Jasmin Eder (25, St. Pölten, 39/1), Laura Feiersinger (25, Sand/GER, 60/10), Jenny Klein (19, St. Pölten, 4/0), Nadine Prohaska (27, St. Pölten, 82/7), Sarah Puntigam (25, Freiburg/GER, 82/12), Sarah Zadrazil (24, Potsdam/GER, 57/7). Angriff: Nici Billa (22, Hoffenheim/GER, 41/14), Nina Burger (30, Sand/GER, 100/52), Stefanie Enzinger (27, St. Pölten, 14/1), Simona Koren (25, Sunderland/ENG, 9/0), Viktoria Pinther (19, St. Pölten, 16/0). Teamchef Dominik Thalhammer.

KADER U-19-Nationalteam: Tor: Vanessa Kuttner (Landhaus), Milena Zink (Neulengbach). Abwehr: Lena Kovar (Landhaus), Julia Mak (Sturm Graz), Maileen Mössner (Schott Mainz/GER), Jana Sachs (Vorderland), Johanna Schneider (LUV Graz), Yvonne Weilharter (Sturm Graz), Carina Widauer (Bergheim), Laura Wienroither (St. Pölten, 1 A-Länderspiel). Mittelfeld: Melanie Brunnthaler (Landhaus), Katharina Fellhofer (Kleinmünchen), Jasmin Fiebiger (Landhaus), Laura Krumböck (St. Pölten), Miriam Grgic (Neulengbach), Besi Pireci (Sturm Graz), Chiara Schaub (Altenmarkt). Angriff: Magdalena Bachler (Neulengbach), Jana Scharnböck (Neulengbach), Stefanie Schneeberger (Altenmarkt). Teamchef: Michael Steiner.

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ÖFB-Frauen beim Cyprus Cup: Neues probiert, nicht alles funktioniert https://ballverliebt.eu/2018/03/09/cyprus-cup-oesterreich-2018-bilanz/ https://ballverliebt.eu/2018/03/09/cyprus-cup-oesterreich-2018-bilanz/#comments Fri, 09 Mar 2018 11:19:19 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14518 ÖFB-Frauen beim Cyprus Cup: Neues probiert, nicht alles funktioniert weiterlesen ]]> „Die Ergebnisse hätten besser sein können.“ Ein Sieg, ein Remis, zwei Niederlagen und der siebente Platz – dass der Auftritt der ÖFB-Frauen rein von den Zahlen her kein Grund für Jubelstürme war, weiß auch Teamchef Dominik Thalhammer. Es war erkennbar, was ihm vorschwebt. Es war aber auch erkennbar, dass es noch Zeit braucht.

Mehr Varianten im Spiel nach vorne hatte Thalhammer angekündigt. In der Praxis stellte sich dem eigenen Gestalten aber vor allem ein Problem: Der Verbindung zwischen Abwehr und Sechserraum zur den offensiven Spielerinnen. Es klappte selten, den Ball durch die gegnerischen Mittelfeld-Ketten nach vorne zu bringen. So folgen viele lange Bälle über das Mittelfeld drüber.

Warum das so war? Zum einen, weil nach der EM niemand mehr Österreich unterschätzt und jeder weiß, wie wichtig Puntigam und Zadrazil für das Spiel sind (und zwar in jeder der vielen möglichen) Spielanlagen – und entsprecht spielt. Zum anderen, weil nun neue Automatismen einstudiert werden und diese noch nicht greifen. „Es ist komplexer geworden“, sagt Thalhammer über die Weiterentwicklung gegenüber dem erfolgreichen EM-Jahr 2017.

Komplexere Strategie

Bei der EM gab es gegen starke Teams (Frankreich, Spanien) eine Zielspielerin vorne, das Spiel war sehr direkt. Thalhammer: „Jetzt ist es komplexer, darum wurden auch mehr Fehler gemacht.“ Der Idealvorstelung kommt das Tor zum 2:0 gegen Tschechien am nächsten – ein Chip von Zadrazil auf Feiersinger, die im Rücken der aufrückenden tschechischen Abwehr plötzlich völlig frei stand.

„Wir können nicht fünf Abwehrspielerinnen ausdribbeln. Darum müssen wir andere Wege finden, im Angriffsdrittel zu agieren, um zu Chancen zu kommen.“ Aufeinander abgestimmte Laufwege, um Löcher zu reißen: So soll es gehen. Thalhammer: „So bekommt die gegnerische Abwehr Stress. Aber man muss dafür selbst viel wahrnehmen und schnell entsprechend reagieren können. Das ist sehr anspruchsvoll.“ Und das braucht Zeit.

Diese Laufwege sind auch der Grund, weshalb Laura Feiersinger – eigentlich auf dem rechten Flügel daheim – viel im Mittelfeld-Zentrum gespielt hat. „Sie ist sehr laufstark und hat ein gutes Gespür für die richtigen Wege“, erklärt Thalhammer. Wenn einen der Gegner einlädt, wie Tschechien, klappt die Umsetzung schon gut. Wenn einen der Gegner anläuft oder sich eisern hinten einbunkert (wie Belgien bzw. Wales), haut das noch nicht so hin.

Zu wenig Tore, Besetzung der linken Seite

Drei Tore in vier Spielen, davon eines (jenes gegen Wales) eher ein Flipper-Zufallstreffer – viel ist das nicht. „Man kann immer noch mehr herausspielen, das ist uns auch bewusst. Es hat viele Situationen gegeben, in denen wir im Spiel nach vorne nicht die Schnittstelle treffen, oder eine falsche Entscheidung treffen.“ Aber auch beim Finale zwischen Spanien und Italien (2:0) habe es nicht viele Torszenen gegeben.

Die etatmäßige linke Seite mit Verena Aschauer und Lisa Makas hat verletzungsbedingt gefehlt, das merkte man auch. Katharina Naschenweng von Sturm Graz ist die Körperlichkeit auf internationalem Niveau nicht gewohnt und dass sich Routinier Nadine Prohaska vor ihr in der Defensive tendenziell zu passiv verhielt, half ihr auch nicht gerade. Recht zufrieden ist der Teamchef mit Sophie Maierhofer: „Sehr solide.“

Die neue Vision

Vor dem Turnier wurde angekündigt, dass es eine „neue Vision“ braucht, einen neuen Grund-Antrieb. Die öffentliche Anerkennung, dessen Erreichen jahrelang Triebfeder war, ist ja nun da. Von heute auf morgen geht das aber nicht. „Wir sind diesbezüglich noch in der Findungsphase, aber auch die alte Vision hatte sich ja nicht von heute auf morgen gebildet“ so der Trainer.

Wichtig war ihm beim Cyprus Cup vor allem, die Zeit zu nützen, sowohl was sportliche Dinge anbelangt („Man kann viel im Detail arbeiten und wir haben Veränderungsprozesse eingeläutet“) als auch gruppendynamische Gesichtspunkte („Es sind viele Prozesse im Bereich der Teamentwicklung angestoßen worden“).

Der enge Zeitplan von vier Spielen in acht Tagen war „grenzwertig“: „Die Belastungssteuerung bei den Aufstellungen viel bestimmt“, sagt Thalhammer. Der sich andererseits über die Gelegenheit freute, Back-up-Torhüterin Jasmin Pfeiler Einsatzzeit geben zu können und auch junge Spielerinnen auf das Feld zu schicken – wie Jenny Klein und Viktoria Pinther, die mehr als nur Kurzauftritte erhielten.

Und Laura Wienroither, die nachnominiert wurde, durfte debütieren. Laura junior, die im Herbst auch oft mit der gleichen Frisur wie Feiersinger gespielt hatte, ist die erste Oberösterreicherin im Nationalteam seit acht Jahren. Die energiegeladene 19-Jährige ist mit 1.65m kleinste Spielerin im Kader und bei Meister SKN St. Pölten Linksverteidigerin. In der letzten Viertelstunde gegen Wales spielte sie rechts hinten.

0:2 gegen Spanien

Österreich – Spanien 0:2 (0:1)

Im Auftaktspiel gegen Spanien stellte sich Österreich in einem 4-4-2 (defensiv) bzw. 4-3-3 (im Ballbesitz) auf und Unterschiede zur Spielanlage beim 0:0 n.V. im EM-Viertelfinale und zum 0:4 im November in der WM-Quali waren deutlich zu erkennen.

Die ÖFB-Frauen standen viel höher, Sarah Puntigam rückte zumindest vor der Pause fast nie in die Abwehrkette zurück. Die Zweikampfführung war deutlich aggressiver. In diesem (rein vom Resultat) belanglosen Spiel ging man also das Risiko ein, hinten Räume oder Standards herzugeben, mit dem Benefit, dass man aktiv Ballgewinne suchte, um schnell umzuschalten.

Der Unterschied zu den beiden Spielen letztes Jahr war hierbei, dass nicht eine Spielerin in Kopf-durch-die-Wand-Manier alleine auf die spanische Abwehr zulief, sondern mit drei, vier Spielerinnen Passoptionen auch im Angriffsdrittel gestellt wurden.

Andererseits jedoch wurde im Angriffspressing nicht konsequent aus dem Mittelfeld heraus nachgerückt, was Raum hinter der Pressingwelle eröffnete. Das 0:1 resultierte aus einer Unterzahl auf der linken Abwehrseite (Prohaska wurde zunächst beim spanischen Pass auf Sampedro überhoben, dann half sie Naschenweng nicht, als auch Spaniens RV Corredera aufrückte), das 0:2 aus einem individuellen Fehler der eingewechselten Marina Georgieva.

Erstmals seit dem EM-Halbfinale war auch Viktoria Schnaderbeck wieder im Einsatz, die verletzt den ganzen Herbst gefehlt hatte.

Tore: 0:1 (35.) O. García, 0:2 (78.) Mari Paz. Wechsel: Schnaderbeck für Wenninger (Halbzeit), Maierhofer für Naschenweng (Halbzeit), Enzinger für Pinther (64.), Georgieva für Kirchberger (75.), Dunst für Prohaska (75.), Eder für Puntigam (82.).

2:0 gegen Tschechien

Österreich – Tschechien 2:0 (0:0)

Im Spiel gegen eine tschechische B-Elf (nur vier Stammkräfte wurden von Trainer Karel Rada eingesetzt) kam bei Österreich erstmals ein 3-1-4-2 zum Einsatz.

Solange die beiden tschechischen Viererketten einigermaßen diszipliniert standen (also in der ersten Hälfe), wurde das Problem mit der Involvierung des Mittelfeld-Zentrums bei Österreich erstmals bei diesem Turnier wirklich sichtbar. So hatte Tschechien zwei große Chancen auf die Führung (einmal nach Ballverlust von Schnaderbeck, einmal durch Elfmeter nach zu kurzem Rückpass der aufgerückten Kirchberger).

In der zweiten Halbzeit  rissen die beiden tschechischen Sechser (Buzkova und Svitkova) aber riesige Löcher auf. Österreich schaffte es sehr gut, Gegner aus der Position zu ziehen und damit auch in Tornähe Räume zu schaffen und zwei Tore zu erzielen (jeweils Assist Zadrazil und Abschluss Feierisinger).

Dennoch: es waren nicht alle auf der Höhe. Prohaska war (wie schon gegen Spanien) defensiv nicht immer konsequent und nach vorne uneffektiv, und Gini Kirchberger wurde zwischen ihrer höheren Positionierung (um für Prohaska abzudecken) und den ungewohnten Aufgaben in der Spieleröffnung (was generell nicht ihre große Stärke ist) aufgerieben. Sie stabilisierte sich in der zweiten Hälfte aber merklich.

Tore: 1:0 (68.) Feiersinger, 2:0 (70.) Feiersinger. Wechsel: Zinsberger für Pfeiler (Halbzeit), Schiechtl für Prohaska (Halbzeit), Zadrazil für Klein (Halbzeit), Dunst für Feiersinger (71.), Enzinger für Burger (75.), Georgieva für Schnaderbeck (75.).

0:2 gegen Belgien

Österreich – Belgien 0:2 (0:1)

68 Spiele hintereinander war Nina Burger immer in der Startformation gestanden – mutmaßlich ein Rekord für die Ewigkeit. Erstmals seit Oktober 2011 (gegen Armenien) startete ein Spiel ohne Burger. Gegen Belgien begannen Pinther und die von einer Grippe genesene Billa ganz vorne.

Wieder gab es aber Probleme, die Offensive einzusetzen. Das Team aus Belgien ging gezielt die österreichische Abwehrkette an und hinderte sie so schon am ersten Pass. Dabei agierte Belgien sehr fluid, aus dem grundsätzlichen 4-1-3-2 wurde schnell auch ein 4-2-3-1, je nach Bedarf und Situation. Diese Vorwärts-Verteidigung ist bei den in der Vergangenheit eher staubigen Belgierinnen neu.

Bis zum 0:1-Rückstand (Fehler Zinsberger) fand Österreich kaum ein passendes Mittel, die größte Chance resultierte aus einem Solo von Schiechtl. Erst als sich die ÖFB-Frauen nach dem Rückstand etwas zurücknahmen und Belgien mehr selbst machen musste, merkte man, dass das eigene Kreieren bei den Belgierinnen auch keine Offenbarung war.

Das Hauptproblem aus österreichischer Sicht war, dass man die Räume nicht nützte, die Belgien im Anlaufen aufmachte. „Und in der zweiten Hälfte haben wir dann oft auch zu kurz gespielt“, moniert Thalhammer. Ein Gegentor nach einem Freistoß brachte die Entscheidung.

Tore: 0:1 (36.) Coryn, 0:2 (74.) Jaques. Wechsel: Burger für Pinther (34.), Puntigam für Klein (Halbzeit), Dunst für Billa (Halbzeit), Naschenweng für Prohaska (63.), Enzinger für Feiersinger (70.), Maierhofer für Schnaderbeck (81.).

1:1 gegen Wales

Österreich – Wales 1:1 (1:0)

Im Spiel um Platz sieben gegen Wales war Steineklopfen angesagt. Die Waliserinnen agierten sehr defensiv, die Grundordnung des 5-4-1 wurde erst in der Schlussphase aufgelöst.

Österreich versuchte aus einem 4-2-2-2 (mit Nina Burger in ihrem 100. Länderspiel wieder zurück in der Startformation) heraus, wiederum durch gegenläufige Laufwege Löcher zu reißen – daher auch die eingerückte Positionierung der Mittelfeld-Außen Zadrazil und Dunst; die AV Schiechtl und Maierhofer sorgten für die offensive Breite. Auch nach der frühen Führung (Weitschuss von Puntigam) blieb Wales beim passiven Stellen der Ketten, ohne wirklich Druck auszuüben.

Die walisische Abwehr agierte zuweilen etwas schwindlig, aber große Torgefahr kam dennoch fast nie auf. Auf der anderen Seite kam Wales zwar zu zwei, drei guten Einschussmöglichkeiten, aber dass ein Missverständnis zwischen Zinsberger und Kirchberger nach einem verunglückten Rückpass von Maierhofer kurz vor Schluss tatsächlich für den Ausgleich sorgt, hatte sich ganz und gar nicht abgezeichnet.

Tore: 1:0 (13.) Puntigam, 1:1 (86.) Green. Wechsel: Zinsberger für Pfeiler (Halbzeit), Wenninger für Schnaderbeck (Halbzeit), Dunst für Feiersinger (Halbzeit), Enzinger für Billa (62.), Klein für Eder (65.), Wienroither für Schiechtl (78.).

Was bedeutet der Cyprus Cup für die WM-Quali?

Am 5. April (Heimspiel gegen Serbien) und 10. April (Heimspiel gegen Spanien) geht es in der WM-Qualifikaiton weiter. „Wir haben auch jetzt in Zypern wieder gesehen, dass wir gegen alle Gegner Lösungen finden können. Aber: Wir dürfen natürlich nicht so viele Fehler machen“, sagt Thalhammer mit einem Blick auf diese Spiele. Spanien hat das Turnier auf Zypern gewonnen, dabei aber recht wenig rotiert – die Aufstellung gegen Österreich war exakt jene wie beim 2:0 im Finale gegen Italien. Der Turniersieg war das klare Ziel der spanischen Delegation, wie diese auch selbst bestätigte.

Finnland hat im Jänner beim 0:0 in Israel Punkte in der WM-Quali abgegeben und war auch beim Cyprus Cup nicht direkt überragend (0:4 gegen die Schweiz, 0:1 gegen Wales). Video-Analyst Wolfgang Fiala war abgestellt, um die finnischen Spiele zu beobachten. „Sie agieren noch direkter als 2013/14, als wir gegen sie in der damaligen WM-Quali gespielt haben“, berichtet Thalhammer. „Sie sind mit ihrer neuen Trainerin noch in der Phase der Findung, aber wir dürfen sie auf keinen Fall unterschätzen.“

Weniger diplomatisch formuliert könnte man auch sagen: Finnland spielt einen schönen Mist und die größte Gefahr ist, dass man schon vor den beiden Spielen im Juni (auswärts) und September (daheim) glaubt, dass es eine g’mahte Wies’n wird.

Die drei anderen März-Turniere

Beim SheBelieves Cup in den USA standen alle vier Teilnehmer (die Nummern 1, 2, 3 und 6 der Weltrangliste) unter Erwartungsdruck. Deutschland, nachdem Bundestrainerin Steffi Jones schon vor dem Turnier schwer angezählt war – erschütternde Auftritte, nur ein Punkt und ein 0:3 gegen Frankreich (die höchste Niederlage seit acht Jahren) haben ihre Position nicht gerade gestärkt. Frankreich, weil es nach einem 0:4-Test-Debakel in Deutschland (ohne das Jones wohl schon damals gefeuert worden wäre) im Herbst um Rehabilitation ging – die Leistungen schwankten zwischen blutleer beim 1:4 gegen England und stark beim 3:0 gegen Deutschland.

England, weil es nach der peinlichen Posse um seine Bestellung die ersten Spiele überhaupt für Neo-Teamchef Phil Neville waren – der Eindruck war positiv, das Team willig und fast hätte man das Turnier sogar gewonnen. Ein vielversprechender Beginn. Und Weltmeister USA, weil man jetzt, anderthalb Jahre vor der nächsten WM, schön langsam wissen möchte, wie und mit welchem Personal sich Trainerin Jill Ellis die Marschroute zur Titelverteidiung denn nun wirklich vorstellt. Eine echte Antwort darauf gab es nicht, aber immerhin den Turniersieg.

Die dritte Auflage des SheBelieves Cups könnte auch die letzte gewesen sein: Deutschland überlegt die Rückkehr an die Algarve, England jene nach Zypern – der logistische Aufwand der USA-Reise steht für sie in keinem Verhältnis zum Nutzen des Turniers.

Zumal der Algarve Cup weiterhin stark besetzt ist. Die Jubiläums-Auflage des Turniers (Nummer 25) sah erstmals zwei Sieger: Schweden und Europameister Holland, die im Finale gestanden wären, wurden beide zum Sieger erklärt, nachdem das Endspiel buchstäblich ins Wasser gefallen war.

Portugal hat mit Siegen gegen Norwegen (!), China (!!) und Australien (!!!) und dem resultierenden dritten Platz die Erwartungen auf unglaubliche Weise übertroffen. Japan ist in ein 2:6 gegen Holland gelaufen, Norwegen tritt auf der Stelle, China wurde erstaunlicher Vorletzter. Der erste Auftritt von Lars Söndergaard als Trainer von Vize-Europameister Dänemark verlief zwar sieglos, aber zwei Remis gegen Island und knappe Niederlagen gegen Holland und Vize-Weltmeister Japan sind keine Schande.

Der erstmals ausgetragene Turkish Women’s Cup in Alanya ersetzt den gestrichenen Istria Cup, gewonnen wurde er von Frankreich B (verstärkt etwa mit Claire Lavogez). Final-Gegner Mexiko dürfte unter dem neuen Trainer Fortschritte machen, erst dahinter folgen die europäischen Topf-3-Teams wie Ukraine, Polen, Rumänien und Nordirland.

100. Länderspiel, einmal anders

Während Nina Burger ihr 100. Länderspiel 90 Minuten plus Elfmeterschießen auskosten durfte, hat DFB-Bundestrainerin Steffi Jones ihrer Spielerin Lena Goeßling den Hunderter gleich zweimal vergällt: Im Herbst wurde sie für das Spiel gegen Frankreich in ihrer Heimatstadt Bielefeld gar nicht einberufen, nun war es doch so weit – mit einer Einwechslung in der Nachspielzeit.

Auch so kann man sich Feinde machen.

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Cyprus Cup: Sanfter Re-Boot bei den ÖFB-Frauen (plus: WoSo-Roundup) https://ballverliebt.eu/2018/02/26/cyprus-cup-oesterreich-frauen-woso-reboot/ https://ballverliebt.eu/2018/02/26/cyprus-cup-oesterreich-frauen-woso-reboot/#comments Mon, 26 Feb 2018 18:35:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14488 Cyprus Cup: Sanfter Re-Boot bei den ÖFB-Frauen (plus: WoSo-Roundup) weiterlesen ]]> 2017 hat im österreichischen Frauenfußball viel Staub aufgewirbelt. Das Nischenprogramm ist in den Mainstream eingetreten. Aber 2017 ist vorbei. Das neue Länderspieljahr beginnt für die ÖFB-Frauen mit dem Cyprus Cup, live übertragen von ORF Sport plus, mit Spielen gegen alte Bekannte – und mit einer Suche. Einer Suche nach einem erneuerten Selbst.

„Wir brauchen auch eine neue Vision. Wir haben jahrelang darum gekämpft, Anerkennung zu bekommen und den Frauenfußball in Österreich zu etablieren. Nach der EM war das da, man ist präsent, wird geehrt, wird Sport-Team des Jahres. Jetzt muss man neue Visionen schaffen. Das ist ein wesentlicher Faktor. Um diesen inneren Antrieb, warum man das alles tut, am Laufen zu halten.“

Boom.

Für Dominik Thalhammer geht es beim dritten Auftritt der ÖFB-Frauen beim Cyprus Cup (den Österreich 2016 gewonnen hat) nicht nur um Sportliches, sondern vor allem darum, gedanklich wie sportlich nicht im so erfolgreichen Jahr 2017 stecken zu bleiben. „Natürlich will man Spiele gewinnen, aber das will jeder“, sagt der Teamchef. Aber auch er weiß: Die Mentalität war in den letzten sechs Jahren ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Erfolg.

Auch sportliche Re-Orientierung

Das Jahr 2017 endete mit einem zähen 2:0-Sieg über Israel und einem 0:4-Debakel in Spanien. Spiele, in denen es so wirkte, als würde die geistige Frische nach einem intensiven Jahr ohne Sommerpause fehlen. Wie das neudefinierte Fernziel aussehen soll, wird Teil der Arbeit beim Cyprus Cup sein. In gleichem Maße geht es aber auch um sportliches Tuning.

Gerade gegen stärkere Teams (also England und 2x Holland in Tests und gegen Frankreich und 2x Spanien bei der EM bzw. der WM-Quali) agierten den ÖFB-Frauen sehr defensiv. Gerade beim 0:4 auf Mallorca hatte Spanien die verwundbaren Punkte des Systems und der Spielweise aufgedeckt. Österreich – jenes Team, das sich über seine flexible Unberechenbarkeit definierte – war berechenbar geworden.

Darum wird der Fokus auf das Spiel nach vorne gelegt. „Wir müssen im Ballbesitz schon variantenreicher werden“, fordert Thalhammer. Und zwar nicht nur gegen die Israels und Serbiens dieser Welt, sondern auch gegen die richtig Guten. Also auch gegen Spanien.

Wieder mal Spanien

Dass Österreich 2017/18 zweimal gegen Spanien spielen würde – Stichwort WM-Quali – ist schon seit einem Jahr klar. Dann kam das EM-Viertelfinale dazu. Und dann, am 7. Dezember, ergab die Auslosung zum Cyprus Cup ein viertes Spiel gegen diesen Gegner im Zeitraum von Juli 2017 bis April 2018. „Dass Spanien bei uns in der Gruppe ist, ist vielleicht etwas eigenartig“, sagt Thalhammer. Kann man wohl übersetzen mit: Hätte nicht sein müssen.

Wie man das Spiel gegen Spanien anlegt, mit dem es am Mittwoch (28. Februar, 17.00 Uhr MEZ) in Zypern beginnt? „Anders als in Mallorca“, kündigt Thalhammer an. No na. Aber wirklich in die Karten wird er sich auch in Larnaca nicht blicken lassen: „Entscheidend ist, was wir im WM-Quali-Spiel am 10. April in der Südstadt gegen Spanien machen!“

Tschechien und Belgien

Die anderen beiden Gruppengegner sind Tschechien (Freitag, 2. März, 12 Uhr MEZ) und Belgien (Montag, 5. März, 17 Uhr MEZ). In der Weltrangliste (siehe die Klammern in der Übersicht oben) ist Österreich vor diesen beiden Teams klassiert, aber das muss gerade in so einem Testspiel-Turnier nicht viel heißen.

„Tschechien hat sich im Herbst gegen Deutschland gut verkauft“, erinnert sich Thalhammer. Das tschechische Team um Bayern-Legionärin Lucie Vonkova agierte im WM-Qualispiel forsch und frech, presste die Deutschen an und unterlag nur wegen eines reichlich dümmlichen Eigentores mit 0:1.

Belgien debütierte letztes Jahr, wie Österreich, bei der EM und machte trotz des Vorrunden-Aus eine ordentliche Figur – nicht nur beim Sieg gegen Norwegen, sondern auch bei den knappen Niederlagen gegen die späteren Finalisten Holland und Dänemark. „Es sind beide Teams schwere Gegner, bei denen man davon ausgehen kann, dass es schwer wird.“

Aber das ist ja auch der Sinn der Sache.

Am Mittwoch (7. März) folgt noch das Platzierungsspiel gegen eine Mannschaft aus einer anderen Gruppe. Das kann im Grunde jeder sein, auch Nordkorea: Die Asiatinnen sind kurzfristig für das ursprünglich genannte Team aus Trinidad & Tobago eingesprungen. Der einzige Teilnehmer, gegen den die ÖFB-Frauen noch nie gespielt haben, ist Südafrika. Deren Teamchefin Desiree Ellis ist eine von nur zwei weiblichen UND schwarzen Nationaltrainerinnen unter Afrikas Top-Teams (die andere ist Clémentine Touré von der Elfenbeinküste).

100er für Burger, Comeback von Schnaderbeck

Erstmals seit dem EM-Halbfinale gegen Dänemark letzten Sommer ist auch Kapitänin Viktoria Schnaderbeck wieder mit an Bord, sie hat den kompletten Herbst wegen einer Patellasehnenverletzung passen müssen. Zuletzt hat sie schon für Bayern München die ersten beiden Bundesliga-Spiele nach der Winterpause jeweils über 90 Minuten absolviert – so auch bei der 1:3-Niederlage gegen den SC Freiburg mit Sarah Puntigam.

„Sicher fehlt ihr ein halbes Jahr Spielpraxis, aber sie hat ja nun eben schon in der Liga gespielt“, sagt Thalhammer: „und alleine, dass sie wieder dabei ist, ist aufgrund ihrer Persönlichkeit wichtig.“ Es war nicht zuletzt ihre Routine und ihre ordnende Hand, die beim 0:4 in Mallorca gefehlt hat.

Nicht dabei ist neben Flügelstürmerin Lisa Makas (Kreuzbandriss) auch Offensiv-Allrounderin Nici Billa (Grippe) und Angreiferin Simona Koren (Knöchel). Außenspielerin Verena Aschauer ist nicht ganz fit, ein Einsatz in den späteren Spielen dürfte aber möglich sein. Erstmals dabei ist U-19-Teamspielerin Julia Hickelsberger, auch Annelie Leitner könnte ihr Debüt geben.

Und für Nina Burger gibt es gleich zwei spezielle Anlässe: Zum einen wird das Platzierungsspiel ihr 100. Einsatz im Nationalteam sein (wenn sie in allen Partien zum Einsatz kommt, wovon auszugehen ist). Sie wird die erste Österreicherin überhaupt mit einer dreistelligen Länderspiel-Zahl sein. Und: Sie wird auch die erste Spielerin über 30 sein, die in der seit 2011 dauernden Ära von Dominik Thalhammer in der Start-Elf sein wird. Im Dezember hatte sie ihren runden Geburtstag gefeiert und wäre Torhüterin Jasmin Pfeiler letztes Jahr nicht in einem Testspiel eingewechselt worden, wäre Burger überhaupt die erste.

(Nur der Vollständigkeit halber: Die letzte Ü-30-Spielerin in der Start-Elf war Sonja Spieler im August 2010 unter Thalhammers Vorgänger Ernst Weber.)

Kader Österreich: Tor: Jasmin Pal (21, Innsbruck, 0 Länderspiele, 0 Tore), Jasmin Pfeiler (33, Landhaus, 20/0), Manuela Zinsberger (22, Bayern/GER, 39/0). Abwehr: Marina Georgieva (20, Potsdam/GER, 1/0), Gini Kirchberger (24, Duisburg/GER, 54/1), Sophie Maierhofer (21, Univ. Kansas/USA, 17/1), Katharina Naschenweng (20, Sturm Graz, 9/0), Katharina Schiechtl (25, Bremen/GER, 32/4), Viktoria Schnaderbeck (28, Bayern/GER, 59/2), Carina Wenninger (28, Bayern/GER, 74/3). Mittelfeld: Verena Aschauer (24, Sand/GER, 52/6), Barbara Dunst (20, Duisburg/GER, 14/0), Jasmin Eder (25, St. Pölten, 37/1), Laura Feiersinger (24, Sand/GER, 56/8), Julia Hickelsberger (18, Neulengbach, 0/0), Nadine Prohaska (27, St. Pölten, 79/7), Jenny Klein (19, St. Pölten, 1/0), Sarah Puntigam (25, Freiburg/GER, 78/11), Sarah Zadrazil (25, Potsdam, 53/7). Angriff: Nina Burger (30, Sand/GER, 96/52), Stefanie Enzinger (27, St. Pölten, 10/1), Annelie Leitner (21, Univ. Indiana/USA, 0/0), Viktoria Pinther (19, St. Pölten, 13/0). Teamchef: Dominik Thalhammer (47).

Sarah Zadrazil hat ihren Vertrag in Potsdam übrigens um zwei Jahre bis 2020 verlängert, bei den Bayern ist Manu Zinsberger nun die unumstrittene Nummer eins (Finnlands Team-Keeperin Tinni Korpela, die im Herbst schon nur noch auf der Bank saß, ging im Winter zu Vålerenga Oslo) und Viktoria Pinther wird im Sommer in die deutsche Bundesliga zum SC Sand wechseln.

Was passiert 2018 in der WoSo-Welt?

Was große Turniere angeht: Nix („WoSo“ ist im Übrigen eine gängige Abkürzung für „Women’s Soccer“). 2015 war die Weltmeisterschaft (mit dem Titel für die USA), 2016 war Olympia (mit der Goldmedaille für Deutschland zum Abschied von Silvia Neid), 2017 war die Europamesiterschaft (mit dem österreichischen Halbfinal-Einzug und dem Heimtriumph von Holland).

Nach diesem schon traditionellen Dreier-Rhythmus – WM, Olympia, EM – folgt stets ein Zwischenjahr, und zwar immer im Jahr einer Herren-WM. Für die Frauen steht dieses immer ganz im Zeichen der Qualifikation für die kommende Weltmeisterschaft. Das ist auch heuer der Fall: Neben den sieben Quali-Gruppen und dem folgenen Playoff in Europa gibt es dieses Jahr die anderen kontinentalen Turniere, bei denen es auch um die Vergabe der WM-Tickets geht.

Den Anfang machen der Asien-Cup (im April in Jordanien, fünf Tickets) und die Copa América Femenino (im April in Chile, zwei Fix- und ein Playoff-Ticket). Im Oktober spielen die CONCACAF-Teams (drei Fixplätze, ein Playoff-Platz) und schließlich gibt es im November noch den Ozeanien-Cup (ein Ticket, höchstwahrscheinlich für Neuseeland) und den Afrikacup (in Ghana, drei WM-Plätze).

Ein Österreicher ist quasi fix bei der WM

Neben der Europa-Quali ist aus österreichischer Sicht vor allem das Ozeanien-Turnier interessant. Klingt komisch, liegt aber an Andi Heraf: Der Ex-Teamspieler, der als Trainer schon zwei ÖFB-U-20-Weltmeisterschaften bestritten hat, wurde letzten Sommer ja Sportdirektor des neuseeländischen Verbandes und im Winter, nach dem Rücktritt von Tony Readings, auch Teamchef der „Football Ferns“, also des Frauen-Nationalteams.

Da in Ozeanien erstmals Teilnahmepflicht herrscht, sind in der Vorqualifikation (ein Mini-Turnier auf US-Samoa, kein Schmäh) Spiele von der Qualität von bestenfalls heimischen Landesliga-Frauenspielen zu erwarten und beim Turnier selbst einige Resultate, die jeden NFL-Fan die Köpfe schütteln lassen würden (also 24:0 aufwärts).

Dass Neuseeland sich hier selbst dann locker durchsetzen würde, wenn Heraf eine U-17-Auswahl auf das Feld schickt, steht außer Frage. Daher ist es auch wesentlich entscheidender, wie sich Neuseeland bei den diversen Länderspiel-Touren anstellt. Im Rahmen des Trainingslagers in Spanien wird beispielsweise am 4. und 6. März jeweils gegen Schottland getestet.

Die Causa Phil Neville

England war sowohl bei der WM 2015 als auch bei der EM 2017 im Halbfinale, über Fußball wird im Lager der Lionesses aber seit einem halben Jahr schon nicht mehr geredet. Da war erst der Rassismusskandal um Erfolgstrainer Mark Sampson. Dann kam auch noch auf, dass sich Sampson bereits vor seinem Engagement bei der FA einigen Spielerinnen eher unsittlich genährt hat, das spülte ihn endgültig aus dem Amt.

Nicht aber jene Herren bei der FA, welche die (intern wohlbekannten) Vorwürfe ignoriert hatten, als sie Sampson 2014 engagierten. Entsprechend dilettantisch lief dann auch die Suche nach einem Nachfolger. Der Name von Phil Neville soll erstmals zu später Stunde an einer Hotelbar gefallen sein, er selbst hatte sich weder beworben noch sonst irgendwo jemals als Chef-Trainer gearbeitet. Schon gar nicht im Frauenfußball.

Jedenfalls bekam er im Jänner tatsächlich den Zuschlag. Er entfernte noch hastig ein paar (recht offensichtlich augenzwinkernd gemeinte, aber dennoch ausnehmend ungeschickte) frauenfeindliche Tweets aus seiner Timeline und gab sich danach sichtlich Mühe, seine Arbeit möglichst seriös anzugehen. Er holte sich Ex-Lionesses-Kapitänin Casey Stoney als Co-Trainerin – die Liverpool-Verteidigerin absolvierte am Wochenende ihre letzes Spiel als Aktive.

Beim dritten SheBelieves Cup in den USA (diesmal in Columbus, New York und Orlando) trifft England wie immer beim SBC auf die Amerikanerinnen, die Deutschen und die Französinnen.

Dänemark-Streik auch juristisch erledigt

Die Spielerinnen von EM-Finalist Dänemark haben ja im Herbst das Qualifikationsspiel in Schweden platzen lassen – im Streik gegen den Verband. Dieser hatte sich nämlich beharrlich geweigert, die Versicherung für die Spielerinnen während ihrer Zeit beim Nationalteam zu übernehmen, was diese nicht auf sich sitzen lassen wollen.

Der Streit zwischen DBU und Spielerinnen ist beigelegt, das Spiel gegen Schweden wurde mit 0:3 strafbeglaubigt. Dänemark bekam eine Geldstrafe und eine Sperre auf Bewährung. Schweden berief gegen dieses Urteil und ließ es auf einen Ausschluss Dänemarks aus der laufenden WM-Qualifikation ankommen, aber die UEFA hat kürzlich entschieden: Nein, Dänemark darf weiterspielen.

Ein Ausschluss hätte Dänemark mehr geschadet als Schweden genützt – denn durch den 3:0-„Heimsieg“ gegen den Nachbarn auf dem grünen Tisch ist das WM-Ticket für Schweden, WM-Finalist von 2003, ohnehin nur noch Formsache. Gegen die anderen in der Gruppe nicht blamieren und in Dänemark nicht mit minus vier verlieren, das schafft auch ein Schweden im Umbau.

Dänemark nimmt übrigens (wie auch Schweden, Europameister Holland, Norwegen, Kanada, Japan und Australien sowie China) in dieser Woche beim Algarve Cup teil. Der Istrien-Cup, der seit 2013 ausgetragen worden war, ist nicht mehr zustande gekommen – angesichts des dünnen Teilnehmerfeldes und der horrend schlechten Plätze in den letzten Jahren keine Überraschung.

Neu ist dafür der Turkish Women’s Cup in Antalya, bei dem beispielsweise Polen, Rumänien, die Ukraine und auch Mexiko teilnehmen.

Kanada: Zu den Männern degradiert

Einen nicht ganz alltäglichen Wechsel gab es in Kanada. John Herdman, der in seiner sechsjährigen Amtszeit aus einem guten Mitläufer eine auch taktisch sehr interessante Weltklasse-Truppe geformt hatte, ist nicht mehr Teamchef der kanadischen Frauen. Er wurde im Gegenzug zur einer fetten Gehaltserhöhung zu den kanadischen Männern degradiert.

Hä?

Hintergrund ist vermutlich, dass Herdman (ein Engländer) ein sehr interessantes Angebot hatte, Englands Frauen zu übernehmen. Es ist auch genauso möglich (und bei den Dilettanten bei der FA sogar recht wahrscheinlich), dass Herdman KEIN Angebot aus England hatte, aber entweder so tat, als hätte er eines – oder aber, der kanadische Verband machte sich in die Hose, dass Herdman ein Angebot aus England haben könnte.

Long story short: Man bezahlte Herdman viel Geld, dass er die Männer übernimmt und damit dem Verband erhalten bleibt. Kanadas Männer sind sinnlos, vor ein paar Jahren gab es ein 0:8 in Honduras, selbst die Finalrunde der WM-Qualifikation wurde gefühlt seit der Stummfilmzeit nicht mehr erreicht. Ein sportlicher Aufstieg ist der Wechsel nicht.

Ebenso erstaunlich: Die Qualität des Coachings dürfte beim Frauen-Team dennoch nicht schlechter werden, wenn überhaupt. Kenneth Heiner-Møller, der Dänemarks Frauen 2013 als mit Abstand am Besten gecoachtes Team des Turniers ins EM-Halbfinale geführt hatte (hier unser Interview mit ihm von damals) und zuletzt Herdmans Co, übernimmt.

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Nach Sieg über Israel: 0:4-Debakel in Spanien kostet ÖFB-Frauen wohl Gruppensieg https://ballverliebt.eu/2017/11/28/oesterreich-frauen-spanien-debakel-israel/ https://ballverliebt.eu/2017/11/28/oesterreich-frauen-spanien-debakel-israel/#comments Tue, 28 Nov 2017 22:52:11 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14429 Nach Sieg über Israel: 0:4-Debakel in Spanien kostet ÖFB-Frauen wohl Gruppensieg weiterlesen ]]> Gegen Israel wurde die Pflicht in Form eines 2:0-Arbeitssieges erfüllt, an dem nur die eigenwillige 3-2-1-4-Formation Österreichs bemerkenswert war. Aber die 0:4-Ohrfeige in Mallorca wurde zu einer Lehrstunde für die ÖFB-Frauen. Allerdings eine, die man sich selbst erteilt hat – und nicht der (zugegeben gut spielende) Gruppenkopf Spanien.

Es war der frustrierende Schlusspunkt eines tollen Jahres – natürlich mit dem EM-Halbfinale als Höhepunkt. Die direkte Qualifikation für die WM 2019 in Frankreich ist nach der Packung von Palma aber fast schon auszuschließen.

Spanien – Österreich 4:0 (3:0)

Jorge Vilda hat offenbar eine Schwäche im 5-4-1-Block Österreichs endteckt. In jenem System, mit dem die ÖFB-Frauen bei der EM Frankreich und eben auch Spanien zur Verzweiflung getrieben haben. Ein simpler Move, aber aber gleich für die ersten zwei Tore sorgte und auch beim dritten zum Einsatz kam.

Pass zur Grundlinie auf der Außenbahn, den ÖFB-Block dorthin schieben lassen, und Pass entweder gerade zurück (wenn die Mittelfeld-Kette der Österrecherinnen mit nach hinten schob, wie vor dem ersten und beim dritten Tor) oder vor das Tor zwischen die Ketten (wenn die Mittelfeld-Kette nicht mit nach hinten schob, wie vor dem zweiten Tor).

Kombiniert mit falschen Entscheidungen von Gini Kirchberger (vorm 0:1 nach vorne aus der Position ziehen lassen, vorm 0:2 zurückgezogen, anstatt in die Flanke reinzulaufen), schlechter Abstimmung von Puntigam und Aschauer (0:1) bzw. Stellungsfehler von Wenninger (0:2), und fertig war die Vorentscheidung nach einer Viertelstunde.

Wobei: Gerade das 1:0 von Spanien nach zwei Minuten war auch einfach wirklich genial herausgespielt, das war praktisch nicht zu verteidigen.

Asymmetrisch gegen Aschauer und Puntigam

Spanien beging im EM-Viertelfinale einen großen, taktischen Fehler: Das Offensiv-Quartett hatte sich zwischen den österreichischen Ketten einklemmen lassen und das restliche Team fand keinen Weg, die Stürmerinnen einzusetzen. Zweimal ließ sich Spanien aber nicht vom selben Trick legen.

Man ließ sich nicht, wie in Tilburg, auf Querpässe vor dem ÖFB-Block limitieren, sondern ging vermehrt eben auch über die Seiten nach vorne, versuchte es mit Chips über die Mittelfeld-Kette und man hatte auch eine andere Raumaufteilung. Statt dem 4-2-4 im EM-Viertelfinale kam nun ein leicht asymmetrisches 4-1-4-1 zum Einsatz. Der linke Achter, Alexia Putellas, agierte höher als Guijarro im rechten Halbfeld.

So konnte sie gemeinsam mit Sampedro zu zweit auf Aschauer spielen und auch die kurz durch die Pendel-Bewegungen von Puntigam von Mittelfeld- in die Abwehrkette entstehenden Räume ausnützen – kein Zufall, dass beide aus dem Spiel gefallenen Tore über diese Seite eingeleitet wurden. Das Punti-Pendel hatte bei der EM so gut funktioniert, dass es nun sogar Islands Herren kopieren. Diesmal wurden die Schwächen des Modells bestraft.

Nervenzusammenbruch

Was bei den ÖFB-Frauen nach dem Fehlstart in dieses Spiel folgte, war der schlimmste Nervenzusammenbruch seit dem 4:3-Sieg gegen Ungarn im September 2014, wo aus einer schnellen 3:0-Führung zwischenzeitlich ein 3:3 geworden war.

Es wurde nun vermehrt auf Pressing umgestellt und es wurden auch einige Bälle selbst in der gegnerischen Hälfte gewonnen, aber die folgenden Pässe waren extrem ungenau. Durch das vermehrte Herausrücken ergaben sich im Gegenzug für Spanien Chancen, mit schnellen Vertikalpässen vor das österreichische Tor zu kommen; dort wurden die Bälle von der ÖFB-Verteidigung aber immer wieder zentral nach vorne „geklärt“.

Befreiungsschläge wie auch Versuche gezielter Eröffnungspässe (vornehmlich von Wenninger) landeten regelmäßig bei Spanierinnen. Kurz vor der Pause setzte sich Paredes gegen Burger im Kopfballduell durch, nachdem der Außenpass-Rückpass-Schmäh der ersten beiden Tore auch bei einem Freistoß funktioniert hatte. Nach dem Seitenwechsel klärte Wenninger ohne große Not und zittrig eine Hereingabe zur Ecke, die in der Folge zum spanischen 4:0 führte.

Vor allem nach der Pause gingen Burger, Feiersinger und Billa vorne drauf, aber hinten wurde nicht mehr nachgerückt, womit sich viel Platz für Spanien bot. Nina Burger war sichtlich frustriert (wofür sie sich früh einen Rüffel vom Referee abholte), Zadrazil wirkte übermotiviert, dafür ließ Billa die Schultern hängen. Dass Burger im Gewühl einmal sogar der schussbereiten Laura Feiersinger den Ball vom Fuß wegspitzelte, war fast symbolhaft.

Nase voran gegen eine Wand gelaufen

Es war ein völliger Black-Out. Als ob die Festplatte runtergefallen und in tausend Teile zersprungen wäre; als ob es die letzten sechs Jahre nicht gegeben hätte. Da spielte natürlich alles mit: Das geschickte Spiel Spaniens, der frühe 0:2-Rückstand. Vielleicht ein gewisses Gefühl von Unverwundbarkeit, nach diesem herausragenden Jahr, das sich durch den Spielverlauf ins Gegenteil verkehrte.

Müdigkeit womöglich, geistig wie körperlich, im 16. (!) Länderspiel dieses Jahres, zumsl die Ende Juli und Anfang August stattfindende EM den Spielerinnen die Sommerpause gekostet hat. Die Abwesenheit der (wenn halbwegs gesund) abgeklärten Viktoria Schnaderbeck und der schnellen Lisa Makas hat sicher auch eine Rolle gespielt.

Nein, Palma ist natürlich nicht das Gegenstück zum Kegelabend von Valencia, der 1999 die Herren erwischt hatte. Hier ist keine Generation am Ende ihres Zyklus mit einem Knall abgetreten, wie damals. Hier ist ein Team mit Vollgas und Nase voran gegen eine Wand gelaufen. Ein junges Team, das außerdem erstmals mit hohen öffentlichen Erwartungen konfrontiert ist.

Palma ist jetzt passiert. Hilft nix, kann man nimmer ändern. Es ist vermutlich gar nicht schlecht, dass jetzt mal bald Winterpause ist, dass erst in drei Monaten die nächsten Länderspiele anstehen – vier Stück, und zwar Testspiele ohne großen Druck (es ist davon auszugehen, dass es wie in den letzten Jahren der Cyprus Cup wird). Am 5. und am 10. April erst geht’s dann daheim gegen Serbien und Spanien in der WM-Quali weiter.

2:0 über Israel mit spezieller 3-2-1-4-Formation

Österreich – Israel 2:0 (1:0)

Diese hohen öffentlichen Erwartungen konnten letzten Donnerstag auch nicht zu 100 % erfüllt werden. Gegen den designierten Gruppenletzten Israel gab es in der Südstadt einen zähen 2:0-Pflichtsieg. Dass dieser knapper ausfiel als erhofft (z.B. gegenüber dem 6:0 der Spanierinnen davor oder dem 4:0 von Finnland danach), war ärgerlich, lag aber auch am guten israelischen Spiel gegen den Ball.

Israel trat personell fast völlig anders auf als bei Österreichs 4:0-Erfolg in Horn vor anderthalb Jahren. Wie damals verlegten sich die Gäste völlig auf die Defensive – sie hatten in 90 Minuten nicht eine einzige Ballaktion im österreichischen Strafraum! – aber es war sehr organisiert. Nicht unähnlich wie beim mühsamen 1:0 der ÖFB-Frauen vor zwei Jahren auswärts in Israel.

Die Gäste stellten sich im 5-4-1 auf und erwarteten Österreich am eigenen Strafraum. Dominik Thalhammer stellte dem ein bisher nicht praktiziertes 3-2-1-4 gegenüber. Damit wollte man Personal zwischen die israelischen Ketten bringen und die immer knapp am Abseits agierende Offensivreihe auch mit Chips aus der Tiefe bedienen. Das funktionierte zu Beginn gut und auch das 1:0 durch Sarah Puntigam nach zwölf Minuten wurde mit einem solchen Pass eingeleitet.

Grundsätzlich eröffneten die äußeren Spielerinnen in der Abwehrkette (Wenninger rechts, Naschenweng links) das Spiel – nach außen auf Aschauer bzw. Prohaska, kurz auf Schiechtl oder Puntigam, oder der lange Chip nach vorne auf Zadrazil oder die beiden Zentrums-Stürmerinnen. Bot sich keine Option an, wurde der Ball via Kirchberger auf die andere Seite gelenkt.

Das erlaubte große Stabilität, verhinderte aber größeres Tempo.

Österreich spielte mit einer Dreier-„Abwehr“, welche die Angriffe einletete. Vorne lauerten vier Spielerinnen an der Abseits-Linie. Israel stand defensiv im 5-4-1.

Die beiden Ketten bei Israel funktionierten ganz gut. Shayna Levy (die halbrechte Spielerin in der Fünfer-Abwehr) ließ sich zwar oft aus der Position ziehen und öffnete damit Löcher, die ÖFB-Frauen bohrten das jedoch nicht an. Österreich bekam die beiden Zentrumsstürmerinnen Burger und Billa selten eingesetzt, gerade an Billa lief das Spiel vorbei.

Die Mittelfeld-Kette Israels hatte den Job, im Zentrum gegen Puntigam zuzumachen und die Pässe innerhalb des österreichischen Mittelfeld-Trios zu unterbinden, das klappte exzellent. Opal Sofer begleitete die mögliche Passempfängerin, während Alina Mektalov die ballführende Österreicherin störte. Ein wirkliches Zusammenspiel von Puntigam, Schiechtl und Zadrazil gab es nicht.

Wenn Österreich versuchte, die Außenspielerinnen Aschauer und Prohaska in Szene zu setzen, wurden diese von den beiden jeweiligen Außenspielerinnen Israels schnell gedoppelt. Damit war auch hier der Weg in den Strafraum versperrt. Die Folge war ein Spiel, das vor den 3.100 Zusehern in der Südstadt weitgehend ereignisarm vor sich hinplätscherte.

Der Sieg stand quasi schon in der 12. Minute mit dem 1:0 fest, Burgers Tor zum 2:0-Endstand (Pass in den Rücken einer herausgerückten Verteidigerin) besiegelte ihn endgültig. Israel kam nie auch nur in die Nähe des Tores – Österreich verbuchte 16:0 Torschüsse (wenn auch die wenigsten wirklich gefährlich waren), 11:0 Eckbälle (wenn auch diese wenig brachten) und wieder an die 700 Ballaktionen (letzten Jahr in Horn waren es sogar noch mehr).

Die Lage in der Gruppe

Das Spiel von Spanien gegen Österreich in Palma war das erste in der WM-Quali-Gruppe 7, in dem zwei Teams aus dem Top-Trio aufeinander getroffen sind. Mit dem 4:0 hat Spanien nun natürlich alle Trümpfe in der Hand, was den Gruppensieg und die damit verbundene direkte Qualifikation für die WM angeht. Den Direktvergleich gegen Österreich wird Spanien nicht mehr verlieren – das heißt: Wenn Spanien gegen die anderen drei nicht patzt, kann sich die Seleccion sogar eine Niederlage im April in Österreich erlauben. Das mit der Pflichterfüllung wäre aber schon beim Last-Minute-2:1 in Serbien vor ein par Tagen beinahe schief gegangen.

Finnland (1:0 gegen Serbien und 4:0 gegen Israel) wird vor Österreich überwintern und im Jänner vermutlich mit einem Sieg in Israel weiter davon ziehen – hat aber in der ganzen restlichen Qualifikation dann nur noch ein einziges vermeintlich leichtes Spiel, aber noch alle vier Matches gegen die im Ranking besser klassierten Teams aus Spanien und Österreich vor sich.

Österreich braucht spanische Ausrutscher, so gut wie sicher einen eigenen Heimsieg gegen Spanien am 10. April sowie alle sechs Punkte gegen Finnland, um noch selbst Gruppensieger werden zu können. Jedes für sich ist nicht ausgeschlossen, dass dies alles eintritt, ist aber nicht zu erwarten. Am 8. Juni (auswärts) sowie im letzten Match am 4. September (daheim) geht es gegen Finnland – hier wird sich entscheiden, ob Österreich Zweiter wird.

Und natürlich muss der Blick jetzt auch auf die anderen Gruppen gehen. Denn nur die vier besten der sieben Gruppenzweiten dürfen um den einen verbleibenden Platz spielen. Vor der nun anstehenden Winterpause liegt Österreich im Ranking der designierten Gruppenzweiten auf dem sechsten Platz, das sagt zu diesem frühen Zeitpunkt aber noch nicht viel aus.

Wenn man, um die Golfsprache zu verwenden, zwei Niederlagen gegen den Gruppensieger und vier Siege gegen den Dritten und Vierten als „Par“ rechnet (Resultate gegen den Letzten werden im Zweiten-Ranking nicht berücksichtigt), hat erst ein einziger vermutlicher Zweiter ein „Birdie“ fabriziert – das war Island mit dem 3:2-Sieg in Deutschland. Weil Island danach aber gegen Tschechien nur remisierte, liegt das Team derzeit quasi auf „1 unter Par“.

Es hat auch erst ein anderer Zweiter ein „Bogey“ auf dem Konto, und das ist wahlweise Russland oder Wales. Diese beiden werden sich den zweiten Platz in der England-Gruppe untereinander ausmachen, im ersten direkten Duell gab es ein 0:0 – wer immer hier zweiter wird, liegt also „2 über Par“, wenn (was zu erwarten ist) jeweils beide Spiele gegen England verloren gehen.

Alle anderen desiginierten Zweiten haben gegen die hinteren Teams noch nichts liegenlassen und gegen die Top-Teams noch nichts Zählbares geholt. Darunter auch Österreich. Will man spitzfindig sein, kann man sie nach derzeitiger Tordifferenz reihen. Das wären: Belgien (4:2 Tore aus zwei Spielen) oder Italien (5:0 aus 3 Spielen), Norwegen (4:2 aus zwei Spielen), Dänemark (4:3 aus zwei Spielen, darunter die Strafverifizierung des verweigerten Matches gegen Schweden), Schottland (2:1 aus 1 Spiel) und Österreich (4:4 aus 2 Spielen).

Aber, wie gesagt, es ist noch früh und die allermeisten Spiele zwischen den zwei, drei Top-Teams der jeweiligen Gruppen haben noch gar nicht stattgefunden. Also: Eigene Hausaufgaben machen, und dann weiterschauen.

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