Olympia – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 23 Aug 2021 10:27:50 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Olympia in Japan: Wildes Turnier als große Zäsur https://ballverliebt.eu/2021/08/23/olympia-in-japan-wildes-turnier-als-grosse-zaesur/ https://ballverliebt.eu/2021/08/23/olympia-in-japan-wildes-turnier-als-grosse-zaesur/#comments Mon, 23 Aug 2021 10:27:48 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17772 Olympia in Japan: Wildes Turnier als große Zäsur weiterlesen ]]> Was für ein chaotisch-schönes Turnier – und so viele Aspekte und Storylines, die sich daraus ergeben. Nicht die WM vor zwei Jahren wird die große Generationen-Zäsur sein, auch nicht die Corona-Pandemie, die im Frauenfußball für noch viel größere Löcher gesorgt hat als bei den Männern. Sondern es ist dieses Olympia-Turnier in Japan.

Hier ist so viel Entwicklung hineinkulminiert, so viele unerwartete Twists haben sich ergeben und so viele Keimzellen für Neues sind entstanden. Vom überraschenden Gold-Gewinner Kanada bis zum erfrischenden Debütanten Sambia, von der Schwedischen Renaissance über die bröckelnde USA-Dominanz bis zum chinesischen Team, von dem nur Ruinen übrig sind.

Amerikanischer Umbruch – aber mit wem?

Eine taktische Maßnahme, die gut gemeint ist, geht nach hinten los und der Gegner bohrt die Schwächen an, nützt sie aus und gewinnt 3:0. An sich ist so etwas nicht ungewöhnlich und kann schon mal passieren. Wenn es aber dem Frauen-Team der USA passiert, das die letzten zehn Jahre beinahe nach Belieben dominiert hat, bekommt ein Match wie das allererste des haushohen Favoriten bei diesem Turnier eine geradezu seismische Dimension.

Die übelste Zurichtung des USWNT seit dem 0:4 im WM-Halbfinale von 2007 gegen Brasilien hat den Ton für das ganze restliche Turnier gesetzt, das Teamchef Vlatko Andonovski, Nachfolger von Doppel-Weltmeisterin Jill Ellis, mit massiv ramponiertem Standing hinterlässt. Was war passiert? Aus dem üblichen 4-3-3 ließ er einen der Achter auf die Zehnerposition nach vorne schieben.

Erstes Gruppenspiel: Schweden besiegt die USA 3:0 (1:0)

Dadurch wurden die Flügelstürmerinnen aber weiter nach außen gedrängt, was das üblicherweise sehr gute Zusammenspiel der Front-Three massiv behinderte. So konnte das US-Team kaum Bälle im Angriffsdrittel festmachen, gleichzeitig hetzte Schweden die per Notlösung zur Außenverteidigerin umgeschulte Stürmerin Crystal Dunn von einer defensiven Verlegenheit in die nächste.

Nach dem Katastrophen-Start schleppte man sich ins Halbfinale gegen Kanada, wo man es mit viel Kopf durch die Wand und ohne viel Zusammenspiel versuchte und ein drittes Mal im fünften Spiel ohne eigenen Treffer blieb. Gegen Australien im Bronze-Spiel rettete man ein 4:3. Und jetzt?

Morgan oder Lloyd? Rapinoe oder Heath? Press oder Williams? Vorne tauschte Andonovski wild durch. So entstand kein Rhythmus

Bei einem erfolgreichen Olympia-Turnier wäre es völlig selbstverständlich gewesen, dass dieses Team in dieser Besetzung auch die WM noch macht. Das olympische Fiasko aber – und das war dieses Turnier für die USA ohne Frage – stellt dieses Vorhaben in Frage. Einerseits.

Denn andererseits hat die einzige junge Spielerin, die in Japan wirklich Einsatzzeit bekommen hat – Verteidigerin Tierna Davidson – im Halbfinale den entscheidenden Elfmeter verschuldet und im Bronze-Spiel mit einem haarsträubenden Querpass vor dem eigenen Strafraum den zwischenzeitlichen Ausgleich ermöglicht. Catarina Macario, das von WoSo-Krösus Lyon aufgeschnappte Nachwuchs-Juwel, bekam ein paar Minuten gegen Neuseeland. Und die drittjüngste Spielerin im Kader war schon Rose Lavelle mit ihren 26 Jahren.

Das Jahr 2020 hat die NWSL coronabedingt de facto komplett verloren, damit auch junge Spielerinnen die (theoretische) Chance auf Einsatzzeit. Es kommt aber auch kaum was nach. Vom 21-köpfigen Kader, der 2018 bei der U-20-WM war und in der Vorrunde gescheitert ist, sind aktuell nur vier überhaupt Stammkräfte in der amerikanischen Liga (Smith, Hiatt, Fox und Sanchez). Mehr als steckengebliebene Talente (Pugh) und Mitläuferinnen bei Liga-Klubs ist in den Jahren davor auch nicht gewesen. Mit Carli Lloyd ist der erste Stein schon aus der Mauer gefallen. Die Heldin des WM-Triumphs von 2015, gerade 39 Jahre alt geworden, hat ihr Karriereende nach der laufenden Saison angekündigt.

Die Generation um Rapinoe, Morgan, Sauerbrunn und Co. wird die WM 2023 wohl noch machen. Aber es fühlt sich nach diesem Turnier eher nach Mangel an Alternativen an, weniger nach der historischen Chance, dass die Truppe in dieser Besetzung den historischen WM-Threepeat quasi im Vorbeigehen mitnimmt – fast genau zehn Jahre nach der Geburtsstunde dieser Generation mit „THAT Goal“ in Dresden.

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Kanada: Wie einst Portugal

2016 in Rio war Kanada das beste Team des Turniers, brachte die PS aber im Halbfinale gegen Deutschland nicht auf den Boden und musste sich mit Bronze begnügen. Der Titelgewinn nun fühlt sich ein wenig an wie jener von Portugals Herren bei der EM 2016: Eher so ein wenig für das Lebenswerk, begünstigt von äußeren Umständen, mit nicht gerade attraktivem Defensiv-Fußball und mit dem ersten großen Titel für den großen, alternden Star (damals Ronaldo, jetzt Sinclair).

Erster großer Titel: Kanada

Dabei kann das Team von Neo-Teamchefin Bev Priestman, die jünger ist als ihr Superstar Sinclair, kräftig danke sagen. Danke, dass Japan es verbockt hat und man so Gruppenzweiter wurde. Dass man damit im Viertelfinale nicht auf Schweden traf, sondern ein brasilianisches Team, dem genauso nichts einfiel wie Kanada selbst. Dass man im Halbfinale die USA traf, die das schlechteste Turnier seit sicher über einem Jahrzehnt gespielt hat. Dass Schweden im Finale zwar überlegen war, aber man eben – wie schon beim 0:0 gegen Brasilien und dem 1:0 über die USA – standhielt und im Shoot-Out die etwas weniger schlechten Elfmeter fabrizierte.

Eine Feel-Good-Story oder der Beginn einer großen Zeit für Vanessa Gilles, Jessie Fleming, Janine Beckie und Co.? Mal sehen.

Schweden: Ja, aber doch… leider nein

Ja, Schweden. „Die Farbe der Medaille mag sich gegenüber 2016 nicht verändert haben“, meinte Englands Frauenfußball-Lexikon Sophie Lawson nach dem Turnier, „aber diese beiden Teams sind Welten voneinander entfernt!“ Schweden, Finalist von Rio 2016, ist als Mitfavorit ins Turnier gegangen und setzte mit dem zuvor erwähnten 3:0 über die USA sofort ein Zeichen. Es folgte ein 4:2 über Australien, ein 2:0 der B-Elf gegen Neuseeland. Im Viertelfinale kickte man Japan aus dem Turnier. Als einziges Top-Team hatte Schweden aber sowas von abgeliefert.

Hauchdünn am verdienten Titel vorbei geschrammt

Aber was passierte dann? Es schien, als hätte man – wie Kanada 2016 – im Halbfinale plötzlich realisiert, dass man ja wirklich das beste Team war und das Gold vermeintlich zum Abholen bereit lag. Sowohl im Halbfinale gegen Australien (1:0) als auch im Finale gegen Kanada (1:1) war Schweden das bessere Team, aber die Souveränität war weg, der Schwung, die Überzeugung in sich selbst. Vielleicht auch die Puste? Alle drei Tage ein Spiel, und es ist keine junge Truppe mehr.

Das finale Elfmeterschießen war ein Clusterfuck, Caroline Seger verballerte den vermeintlich siegbringenden Schuss, gerade Seger, die große Alte Dame. Aber niemand hat gut geschossen.

Und doch, dem verpassten Titel zum Trotz, darf Schweden das olympische Turnier als Erfolg betrachten, weil man – anders als in Rio – nicht im ultra-defensiven Survival-Modus mit nur einem Sieg nach 90 Minuten zu Silber geschlichen war. Pia Sundhage hatte das Team bis 2015 kaputt gemacht und bis 2017 jegliches Leben aus der Truppe heraus gesaugt. Peter Gerhardsson hat aus dem Scherbenhaufen eine Mannschaft gemacht – nicht ohne Umwege, aber doch – die legitim als Top-3 in der Welt zu betrachten ist.

Holland: Vorne irre, aber ohne Sechser ist es schwer

Ob das auch Europameister und WM-Finalist Holland ist, kann man nicht eindeutig behaupten. Denn das Abschiedsturnier von Sarina Wiegman stand ganz im Zeichen des verletzungsbedingten Fehlens von Sechser Sherida Spitse.

So mussten die Niederlande ohne eine echte defensive Mittelfeldspielerin ran. Roord und Groenen sind spielgestaltende Achter, aber keine Balleroberer und das merkte man. Zehn Tore gegen Sambia, drei gegen Brasilien, nochmal acht gegen China. Nach vorne: Ein Hammer. Die Wahrheit ist aber auch, dass schon die drei Gegentore beim 10:3 gegen Sambia die Alarmglocken schrillen lassen mussten.

Ohne echten Sechser gab es 10 Gegentore in 4 Spielen

Eben drei Gegentore gegen Sambia und Brasilien, nochmal zwei gegen China: Ohne Deckung aus dem Mittelfeld stand die Abwehr eher hilflos da. Aniek Nouwen (die zu Chelsea geht) ist großartig in der Eröffnung, aber wenn da schnelle Gegenspielerinnen mit Tempo durch den freien Raum gelaufen kommen, waren sie und Stefanie van der Gragt machtlos.

So wurde die WM-Final-Revanche gegen die USA im Viertelfinale eben nicht eine glanzvolle Revanche und das aufgelegt beste Spiel des Turniers, sondern ein nervöses Fehlpass-Festival zweier Teams, die wussten, dass ihnen ein wichtiger Teil ihres Spiels fehlte – hier der Fels auf der Sechs, an der alles abprallt, dort das Selbstverständnis im Angriff, das durch allzu viel Rotation und eine ungewohnte Formation zerschossen wurde. Lieke Martens hatte zehn Minuten vor Schluss den Sieg am Fuß, sie verschoss aber einen Strafstoß. Es blieb beim 2:2, die USA gewann das Elfmeterschießen.

So wurde Sarina Wiegmans letztes Hurra als Bondscoach weder ein Erfolg noch ein Fehlschlag, sondern ein unbefriedigendes Was-wäre-wenn-Turnier, 23 Toren in vier Spielen zum Trotz. Mark Parsons, übernehmen Sie – und ja, die Aussicht auf den Erfolgstrainer der Portland Thorns in Europa ist überaus attraktiv. Es spricht auch für die Zugkraft des Angebotes, denn das Traineramt im Frauenfußball-Mekka Portland kann durchaus als das so ziemlich attraktivste der Welt angesehen werden.

Japan: Unter dem Druck erstarrt

Asako Takakura ist in den letzten fünf Jahren full-circle gegangen: 2016 hat sie Weltmeister-Trainer Norio Sasaki ersetzt, nachdem Olympia in Rio mit einer überalterten Truppe kläglich verpasst wurde. Ihre Aufgabe: Für Olympia in Tokio ein neues, junges, schlagkräftige Team aufbauen und dort möglichst Gold holen. Bei der WM 2019 sah das schon gut aus und man scheiterte als besseres Team mit viel Pech im Achtelfinale. Und nun? Ein Murksturnier und das Ende mit Ansage im Viertelfinale.

Der Verband hat es noch nicht offiziell bestätigt, aber die japanischen Spatzen pfeifen Takakuras Rauswurf von den Dächern. Futoshi Ikeda, ihr Nachfolger als U-20-Trainer, wird demnach auch ihr Nachfolger als Teamchef der Nadeshiko.

Was war passiert? Das 1:1 im Auftaktspiel gegen Kanada war eigentlich recht passabel. Man geriet früh in Rückstand, kann passieren, man war letztlich nur einen in der Schlussphase vergebenen Elfmeter vom Sieg entfernt. Der eigentliche Knackpunkt war das zweite Spiel gegen das Team GB. Takakura räumte völlig um: Hasegawa statt links plötzlich vorne, Einser-Stürmerin und England-Legionärin Iwabuchi nicht mal eingewechselt, dafür Sechser Hina Sugita auf der linken Außenbahn – mutmaßlich als Bremse für Englands Offensiv-Außenverteidigerin Lucy Bronze.

Das Spiel plätscherte vor sich hin und Japan war offenkundig zufrieden damit, die Britinnen zu kontrollieren, was an sich gut klappte. Bis man in der 74. Minute ein halbes Eigentor produzierte und 0:1 verlor. Damit brauchte es gegen Chile mutmaßlich einen Sieg, und es folgte eine unsagbar schlechte Vorstellung, unzusammenhängender Murks. Hasegawa war nun rechts, es spielte die dritte Linksverteidigerin im dritten Spiel, Stabilisator Nakajima blieb draußen, es ist einfach alles in sich zusammen gebrochen. Sicher ist Chile ein unguter Gegner, aber die hatten kaum Mühe, das 0:0 zu halten.

Man quälte sich zu einem späten 1:0-Sieg, aber im Viertelfinale stand Schweden da. Es gab auch tatsächlich eine vorzeigbare Leistung, sicher die beste im Turnier, aber als Japan beim Stand von 1:2 einen sehr soften Hand-Elfmeter hinnehmen und das 1:3 schlucken musste, war es vorbei.

Die Nadeshiko verfügen über sehr viel Talent und sind an guten Tagen so gut wie unschlagbar. Was Takakura aber nicht geschafft hat war, solche guten Tage regelmäßig produzieren zu lassen. Grandiose Vorstellungen wechselten sich mit kompletten Desaster-Tagen ab. Nach dem unglücklichen Punktverlust gegen Kanada drückte Takakura den Panik-Button und verunsicherte ihr Team zusätzlich. Das olympische Heim-Turnier war ein kompletter Fehlschlag.

Australien: Plötzlich gut dabei

Der Co-Gastgeber des nächsten Welt-Turnieres, der WM 2023, machte es genau anders als Japan: Vor Olympia musste man Schlimmes befürchten, aber Australien wurde mit jedem Spiel besser, gefestigter, mutiger, man stieß erstmals überhaupt in ein großes Halbfinale vor und verpasste Bronze nach einem wilden 3:4 im kleinen Finale gegen die USA nur knapp.

Australien ist immer besser geworden

Der Wechsel zum 3-4-3 vor einigen Monaten hat die davor besorgniserregend offene Defensive massiv stabilisiert, aber nach vorne ist nicht viel gegangen. Nun, mit einigen Spielen in kurzer Zeit, hat sich auch das gebessert. Es half, dass man mit dem 2:1-Sieg über Neuseeland schon nach dem ersten Match das Minimalziel Viertelfinale de facto gebucht hat. Man gab Schweden beim 2:4 einige Hausaufgaben und erreichte gegen das (zugegeben gerade in diesem Spiel sehr ambitionslose) US-Team problemlos ein 0:0. Das Viertelfinale gegen GB war aber wohl die eigentliche Geburtsstunde von Gustavsson-Australien.

Man ging zunächst in Führung, ehe England+ zwei Schnitzer nützte und 2:1 in Front ging – dann aber zu früh abstellte. Australien roch den Braten, ging aufs Ganze, glich noch aus und gewann nach Verlängerung. Und schwupps, plötzlich stand man im Halbfinale, wo man wiederum Schweden vieles abverlangte. Am Ende reichte es zwar nicht für eine Medaille, aber die Matildas gehören zu den klaren Gewinnern von Tokio.

Team GB: Muster ohne Wert

Ein britisches Team, das an sich das bessere in dem Match ist, zurecht führt, aber zu früh abschaltet und dafür bestraft wird. Klingt vertraut? Wie es Englands Herren im EM-Finale gemacht haben, hat es auch England+ beim olympischen Frauen-Turnier gemacht. Nur halt schon im Viertelfinale. Keine Medaille also.

England plus zwei Schottinnen (Little und Weir) und einer Waliserin (Ingle), die zweimal auf der Sechs startete.

Aus englischer Sicher war dieses Turnier immer ein Extra ohne Aussagekraft. Die drei Fremd-Spielerinnen, vor allem Little und Weir, werteten das Zentrum massiv auf, aber sie stehen als Schottinnen dem englischen Team danach nicht mehr zur Verfügung. Hege Riise war immer eine Interims-Lösung, zwischen dem zunehmend überforderten Phil Neville (als er zu Spezi Beckham nach Miami ging, lachten sie sich bei der FA einen Holzfuß, ihn so billig los zu sein) und Sarina Wiegman, die erst nach Tokio übernimmt.

Riise vertraute einem starken Block von Vizemeister Man City, war logisch ist, weil hier 80 Prozent der Einsatzzeit auf Engländerinnen fällt (verglichen mit 28% bei Meister Chelsea und 26% beim Dritten Arsenal); auch Caroline Weir spielt bei City. Team GB kam zu einem Arbeitssieg gegen Chile, bekam von Japan in einer 0:0-Partie den Sieg geschenkt und im letzten Gruppenspiel gegen Kanada durch ein spätes Eigentor das 1:1.

Auch gegen Australien war England+ nicht aufregend, aber grundsolide, ohne große Schnitzer, durchaus eingespielt und auf dem Weg zum Sieg. Bis man eben zu früh abdrehte und in der Verlängerung ein abgefälschtes Zufalls-Tor kassierte. Shit happens. Was bleibt? Nicht viel.

China: Blamage mit Anlauf

„Nicht viel“ ist es auch, was von den Steel Roses bleibt. „Eine Viertelfinal-Niederlage gegen die USA wäre zu verkraften. Ein Vorrunden-Aus, weil man es gegen Sambia verdaddelt hat, wäre hingegen ausgesprochen peinlich“, hieß es in unserer Turnier-Vorschau. Und China, äääh…. hat genau das geschafft. Unglaublich aber wahr: China, das stolze China, landete in seiner Gruppe sogar HINTER Sambia. Gerade mal so gegen den Debütanten nicht verloren, beim 4:4. Davor ein 0:5 gegen Brasilien. Und dann ein 2:8 gegen Holland. Acht!

Das völlig umformierte und vor allem defensiv komplett überforderte Team aus China

Olympia war für China eine Blamage mit Ansage, wiewohl das Ausmaß der sportlichen Katastrophe dann doch etwas gar extrem daher kam. Der Kader wurde für das Turnier auf den Kopf gestellt, viele neue Spielerinnen ohne internationale Erfahrung wurden nominiert und auch eingesetzt. Es gab gerade in der Offensive phasenweise gute Strecken – wie in der ersten Hälfte gegen Sambia – aber die Defensiv-Strukturen waren nicht vorhanden und vor allem gegen hohes Tempo war China heillos überfordert.

Den Sinn dahinter, neue Kräfte für ein Welt-Turnier zu nominieren, die noch nie in Nationalteam waren, wenn coronabedingt ohnehin niemand mehr als zehn Spiele in den letzten anderthalb Jahren in den Beinen hat, ist hinterfragenswert. Ebenso, ob es überhaupt die Entscheidung von Teamchef Jia Xiuquan war, zumal es heißt, er wäre kaum mehr als ein „ausführender Trainer“ ohne echte Entscheidungsgewalt. So oder so lässt einen China etwas ratlos zurück.

Brasilien: Old Girls On The Block

Wenn Pia Sundhage wirklich einen Generationswechsel bei Brasilien moderieren soll – und bei ihren bisherigen Stationen hat die Star-Trainerin diesen stets konsequent verweigert – wird er wohl bestenfalls „Step by Step“ geschehen, nicht „Tonight“. Beim olympischen Turnier war von großen Änderungen gegenüber ihrem mittlerweile verstorbenen Vorgänger Vadão nicht viel zu sehen.

Es waren die selben Namen wie immer – Himmel, sogar Formiga war mit ihren 43 Jahren immer noch dabei. Es war auch dieselbe Spielweise wie immer: Stabil im Zentrum, nach vorne auf den Außenbahnen. Immer ein wenig uninspiriert, immer getragen von individueller Qualität (vor allem von Marta, Debinha und Tamires). Immer noch ohne den echten Punch, wenn der Gegner defensiv etwas drauf hat. Das Viertelfinale gegen Kanada waren 120 nur sehr schwer ertragbare Minuten.

Das Durchschnittalter betrug 31,8 Jahre, selbst die gefühlt relativ neuen Kräfte wie Debinha und Beatriz gehen schon auf die 30 zu. Die Jungen, die beim SheBelieves-Cup im Februar mal große internationale Luft schnuppern haben dürfen, bekamen entweder Mini-Einsätze (Giovana, Julia Bianchi) oder waren gar nicht erst im Tokio-Kader dabei (Ivana Fuso, Tainara). Wo sonst, wenn nicht jetzt in Japan hätte Sundhage etwas mehr einbinden können? Angesichts des Chaos bei China war ein Vorrunden-Aus ohnehin praktisch ausgeschlossen.

Für Brasilien war es im doppelten Sinn ein verlorenes Turnier. Weder spielte man seriös um eine Medaille mit, noch trieb man die dringend nötige Verjüngung voran.

Neuseeland: Anwesend.

Neben Australien ist auch Neuseeland Ausrichter der WM in zwei Jahren und für die Ferns waren die drei Spiele in Japan ihre überhaupt ersten seit dem Corona-Ausbruch vor eineinhalb Jahren. Wie gewohnt saß man die drei Partien mehr oder weniger ab, man ließ das Spiel der überlegenen Gegner über sich ergehen (1:2 gegen Australien, 1:6 gegen die USA, 0:2 gegen Schwedens B-Elf), ohne an die eigenen Chancen zu glauben.

Erst 5-4-1, dann 4-4-2, aber stets nur auf Schadensbegrenzung aus

Mehr war angesichts der nicht vorhandenen Möglichkeiten einer Vorbereitung nicht zu erwarten, aber in den nächsten zwei Jahren wird man kräftig Gas geben müssen. Sobald der Nachfolger für Tom Sermanni in Amt und Würden ist, gibt es noch 12 Länderspiel-Fenster bis zur Endrunde. Es gilt weiterhin, dass Neuseeland eine vernünftige erste Elf stellen kann, es aber kaum Alternativen gibt. Es wird Testgegner auf Augenhöhe brauchen – also nicht die USA oder Australien, aber auch nicht Fidschi und die Salomonen, wie üblicherweise in der Qualifikation – und eine aktivere Spielidee, die man dann auch durchzieht. Nicht wie Sermanni, der bei der WM 2019 Angst vor der eigenen Courage bekommen hat.

Und: Lockerere Reisebestimmungen könnten helfen, schließlich sind von den Spielerinnen Nr. 15 aufwärts praktisch alle in Australien und Neuseeland aktiv. Beide Länder schotten sich bekanntermaßen komplett von der Corona-Außenwelt ab.

Chile: Wieder ein guter Eindruck

Auch alle drei Spielen verloren, aber einen deutlich gefestigteren Eindruck als Neuseeland hat Chile hinterlassen. Gut organisiert, für jeden Gegner eine eigene Idee – gegen Japan ging man es in einem 5-2-1-2 an, mit dem die Nadeshiko überhaupt nicht zurecht kam – und mittlerweile auch mit einer gewissen Routine auf der Weltbühne.

Chile: Unangenehm für jeden Gegner

Und natürlich verfügt Chile auch über eine Top-Torhüterin in Person von Christiane Endler. Trainer José Letelier hat weiterhin einen patente Truppe beinander, die das Maximum aus den Möglichkeiten herausholt. Der langsam etwas alternde Kader, seit dem überraschenden zweiten Platz bei der Südamerika-Meisterschaft 2018 praktisch unverändert, hat das WM-Turnier in zwei Jahren noch drin. Aber mittelfristig wird es davon abhängen, was nachkommt – sonst bleibt es eine gute Generation und Chile verschwindet wieder von der Bildfläche.

Sambia: Hinten naiv, vorne aufregend

Einen ausgesprochen erfrischenden Auftritt hat der afrikanische Vertreter aus Sambia hingelegt. Als bestenfalls fünft- oder sechstbestes Team vom Kontinent eher durch Zufall für Olympia qualifiziert, spielte man flockig-frech nach vorne. Alleine in den ersten beiden Spielen gegen Europameister Holland und das chinesische Team erzielten die flinken Stürmerinnen aus Sambia sieben (!) Tore und beinahe hätten sie gegen China sogar gewonnen.

Sambia: Flink und gefährlich vorne, ziemlich naiv hinten

Die andere Seite der Medaille war, dass man bei allem Drang nach vorne hinten oft haarsträubend offen war. Zehn Gegentore gegen Holland, nochmal vier gegen China (und alleine in der ersten Hälfte hätten es da schon fünf oder sechs sein müssen) – ja, der Grat zwischen mutig und naiv ist ein schmaler. Aber wenn schon sonst nichts, hat man sich und den Frauenfußball in der Heimat mal auf die Landkarte gebracht.

Wie es jetzt weitergeht

Corona als Ganzes und auch die damit einhergehende Olympia-Verschiebung um ein Jahr hat den ganzen Kalender ein wenig durcheinander gewirbelt.

In Europa steht im Sommer 2022 die ebenso um ein Jahr verschobene EM an. Österreich ist mit dabei und im dritten Topf, die Auslosung für die Endrunde in England erfolgt Ende Oktober. Schon davor startet im September die reguläre Qualifikation für die WM 2023 in Australien und Neuseeland. Europa hat elf Fixplätze und einen im interkontinentalen Playoff, Österreich ist in der Gruppe u.a. mit den EM-Teilnehmern England und Nordirland.

In der Nord- und Mittelamerika-Zone wurden WM-Quali für 2023 und Olymia-Quali für Paris 2024 zusammengelegt, statt in zwei separaten Turnieren ausgespielt zu werden. Wie es die Concacaf-Chefitäten geschafft haben, diese Streichung eines ganzen Turniers mit einer Steigerung an Spielen zu verkaufen, ist ein mathematischer Extrem-Stunt, auf den jeder Finanzminister dieser Welt stolz wäre.

In Asien geht es im September mit der Quali für den Asien-Cup in Indien im Jänner 2022 los, der wieder als WM-Quali (Australien plus fünf Fix-Tickets) dient. Running Gag: Nordkorea wäre nach der Doping-Sperre für 2015 und der Strafversetzung in den letzten Lostopf für 2019 nun wieder gesetzt gewesen, hat die Teilnahme aber auch schon wieder zurückgezogen.

In Afrika geht es nächstes Jahr in Marokko um die kontinentale Meisterschaft und um vier direkte WM-Tickets; das Feld wurde von acht auf zwölf Teams aufgestockt. Südamerika spielt kommendes Jahr ebenfalls kontinental-Meisterschaft/WM-Quali, wo weiß man noch nicht, aber es geht um drei Fix-Tickets. Und das mit Ozeanien wird im Sommer 2022 nur funktionieren, wenn sich an der Corona-Lage etwas ändert. Es geht um einen Platz im interkontinentalen Playoff, Neuseeland ist als WM-Gastgeber ja ohne Qualifikation mit dabei.

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Tokio 2021: Jagd auf die USA bei Mini-WM der Frauen https://ballverliebt.eu/2021/07/19/tokio-2021-jagd-auf-die-usa-bei-mini-wm-der-frauen/ https://ballverliebt.eu/2021/07/19/tokio-2021-jagd-auf-die-usa-bei-mini-wm-der-frauen/#comments Mon, 19 Jul 2021 08:51:19 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17715 Tokio 2021: Jagd auf die USA bei Mini-WM der Frauen weiterlesen ]]> Olympia ist nach der WM das zweitwichtigste Turnier im Welt-Frauenfußball. Normalerweise ist diese „Mini-WM“ eine Art Revanche ein Jahr nach dem großen Cup, aber dank Corona ist eben nicht alles ganz normal. Am Mittwoch, also zwei Tage vor der Eröffnungsfeier in Japans Hauptstadt, geht es traditionell los. Wer sind die Favoriten, was können die Herausforderer, welche großen Namen haben Probleme – und wie werden sich die Exoten schlagen?

Hier unsere große Vorschau auf das olympische Turnier.

Der Modus

Das Entscheidende für die große Bedeutung des Turniers bei den Frauen zunächst: Während die Männer nur mit U-23-Teams (diesmal ausnahmsweise U-24) plus drei älteren Spielern antreten dürfen, ist bei den Frauen das jeweilige A-Nationalteam vertreten. Das macht Olympia in der Tat zu einer Mini-WM.

Unverändert sind 12 Teams dabei, die in drei Vierergruppen um den Einzug ins Viertelfinale spielen. Die Gruppensieger und die Zweiten sind dabei, die beiden besten Gruppendritten auch. So, wie die drei Staffeln besetzt sind, ist die Sachlage relativ klar: Neun Teams kommen realistisch für die acht Viertelfinal-Plätze in Frage. Einer der „Großen“ muss also als schlechtester Gruppendritter hängen bleiben – für alle anderen geht es nur um die Positionierung im Turnierbaum.

Die Teams aus Chile, Neuseeland und Sambia werden um jeden Punkt froh sein müssen und wer gegen dieses Trio etwas liegen lässt, ist schon fest unter Zugzwang. Ansonsten ist die erste Woche für die Top-Teams nur ein Warmlaufen für die K.o.-Spiele.

Worauf es ankommt

Das IOC hat den zwölf Teilnehmern zugestanden, ausnahmsweise 22 statt der sonst üblichen 18 Spielerinnen mitzunehmen. Angesichts vom engen Spielplan mit Matches alle drei Tage – die Top-4 werden sechs Partien in 17 Tagen zu absolvieren haben – erleichtert dies die Belastungssteuerung erheblich.

Dass sich Japan die Vorrunde überwiegend im gemäßigten Sapporo vergönnt, während man die anderen Gruppen ins schwülwarme Miyagi und im subtropischen Großraum Tokio (Saitama) antreten lässt, ist sicher kein Zufall. Die Kunst ist, ab dem Viertelfinale voll da zu sein und vorher nicht zu viele Körner zu verschießen, aber gleichzeitig darauf zu achten, in den schnellen Rhythmus zu kommen.

Zusätzlich ist es für die neun Viertelfinal-Kandidaten stets ein Muss, den vermeintlich „Kleinen“ in der Gruppe zu besiegen, weil jeder Fehltritt schon das Aus bedeuten kann bzw. den Druck in den Partien gegen die starken Teams erhöht. Das gilt vor allem für jene Delegationen, die mit sportlichen Schwierigkeiten nach Japan kommen: Australien etwa, auch Kanada, China vor allem. Eine Viertelfinal-Niederlage gegen die USA wäre zu verkraften. Ein Vorrunden-Aus, weil man es gegen Sambia verdaddelt hat, wäre hingegen ausgesprochen peinlich.

Wer ist überhaupt dabei – und wer fehlt?

Weil im 12er-Feld nur drei europäische Teams Platz finden, sind natürlich zahlreiche potenzielle Medaillen-Kandidaten nicht mit von der Partie – namentlich Frankreich, Spanien und Deutschland. Für Europa qualifizierten sich die drei besten Teams bei der WM vor zwei Jahren, das waren Vize-Weltmeister Holland, die drittplatzierte Equipe aus Schweden und der Vierte England (als Team GB).

In den anderen Kontinenten gab es eigene Ausscheidungen. Für Asien sind neben Gastgeber Japan auch China und Australien dabei; Südkorea hat die Entscheidungsspiele gegen China verloren, Nordkorea hat sich zurückgezogen, mutmaßlich weil man nicht im Süden antreten wollte. Brasilien war als Südamerikameister 2018 qualifiziert, der damalige Zweite Chile gewann das Playoff gegen den gegen Sambia unterlegenen Afrika-Finalisten Kamerun. Und in Nordamerika holten sich die USA und Kanada die beiden Plätze ab, das war eine Formalität.

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Die USA-Gruppe (mit SWE, AUS, NZL)

USA

„Wir selbst sind unser härtester Gegner“, gab US-Kapitänin Becky Sauerbrunn im Vorfeld zu Protokoll. Sprich: Wenn die USA bei Olympia von jemandem besiegt werden, dann vor allem daran, weil man selbst daran die Schuld trägt. Denn besser als der Weltmeister von 2015 und 2019 ist niemand. In Wahrheit darf niemand auch nur nah dran sein. Denn den mit Abstand besten Kader hatte das USWNT schon vorher. Nun haben sie auch noch einen Trainer, der das Team optimal einsetzen kann.

Unter Jill Ellis verlegte man sich am Weg zum WM-Titel 2019 schon bei knappen Führungen oft eher auf das Verwalten des Vorsprungs und im Vorwärtsgang hing viel an der überragenden individuellen Qualität des Kaders. Nun, unter Vlatko Andonovski, wird ein gezieltes, konsequentes und den Gegner erstickendes Angriffspressing gespielt. Das nimmt selbst hochklassigen Gegnern die Luft zum Atmen. Die USA sind seit 44 Spielen ungeschlagen. 40 Siege, vier Remis.

Der Kader des Mazedoniers Andonovski, der mit 24 Jahren in die Staaten ausgewandert ist und als Trainer schon zweimal die Frauen-Profiliga NWSL gewonnen hat, ist auf allen Positionen doppelt Weltklasse besetzt. Die Spieleröffnung von hinten ist die Aufgabe von Abby Dahlkemper, davor ist mit Lindsey Horan eine der spielintelligentesten Taktgeberinnen der Welt postiert – je nach Geschmack auf der Sechs oder auf der Acht. Lavelle und Sam Mewis sind ballsicher und Catarina Macario wird seit Jahren als der kommende absolute Superstar im Frauenfußball gehandelt. Die Angriffsreihe schließlich steht für die volle Power von sechs Weltklasse-Leuten.

Die USA haben zuletzt vor fast genau zehn Jahren ein Pflichtspiel in 90 Minuten verloren (es war ein bedeutungsloses WM-Gruppenspiel gegen Schweden), danach noch zweimal im Elfmeterschießen (2011 im WM-Finale, 2016 im Olympia-Viertelfinale). Prognose: Becky Sauerbrunn wird recht haben: Wenn sich das US-Team nicht selbst schlägt, wird es wohl auch diesmal niemand schaffen. Alles andere als Gold wäre eine Enttäuschung.

Schweden

Erster Gruppengegner des US-Teams ist Schweden, und das schwedische Ziel ist klar: Im Finale will man sich wiedersehen. Der überraschende dritte Platz bei der WM 2019 hat großen Auftrieb gegeben und der lange etwas ziellose Stil von Peter Gerhardsson ist einer klaren, relativ simplen, aber perfekt eingedrillten Spielidee gewichen, die aus einer Vielzahl von verschiedenen Systemen in unzähligen verschiedenen personellen Varianten gespielt werden kann.

Welches System Schweden spielt, ändert sich von Spiel zu Spiel. Im Vorfeld war ein 4-4-2 zu sehen (gegen Österreich), ein 5-4-1 (beim 1:1 gegen die USA), ein 4-2-3-1 (gegen Australien und vom Reservisten-Team gegen Polen) und auch ein 3-4-1-2 (gegen Norwegen). Wenn man sich nicht gerade gegen die USA ein Remis ermauert, ist das schwedische Spiel darauf ausgelegt, mit dem Ball die freien Räume zu finden.

Ziel ist es, dass der Ball ohne großes Risiko mit kurzen und mittellangen Pässen an eine Mitspielerin kommt, die sich so in Räume postiert, dass Gegenspielerinnen möglichst nicht im Spiel sind. Das klingt banal und simpel, dafür sind aber eine hohe Spielintelligenz und eine schnelle Auffassungsgabe nötig. Diese Herangehensweise ermöglicht es der mittlerweile 36-jährigen Rekord-Teamspielerin Caroline Seger, trotz ihres schon lange deutlich eingeschränkten Tempos die Fäden ziehen zu können.

Ohne die Abwehr-Routiniers Linda Sembrant (Kreuzband) und Nilla Fischer (deren Frau Mika hochschwanger ist) kommt die Defensive ohne große Kadertiefe daher, was bei Varianten mit Dreierkette womöglich zum Problem werden kann. Ansonsten ist das Aufgebot aber so breit, dass praktisch alle Varianten in allen Besetzungen, je nach Gegner, möglich sind. Vom Silber-Kader von 2016 sind neun Spielerinnen wieder mit dabei. Prognose: Übersteht man das Viertelfinale – der Papierform nach gegen Holland – ist bis zu erneutem Silber alles möglich.

Australien

Mit einem schwedischen Trainer fährt Australien zu den Spielen und, so ist der Plan, geht man auch mit Tony Gustavsson in die Heim-WM in zwei Jahren. Dann wollen die Matildas voll da sein und ernsthaft um den Titel mitspielen. Im Moment stellt man aber ein höchst verunsichertes Team, das unter Gustavsson vor vier Monaten komplett bei Null angefangen hat.

Unter Gustavssons Vorgänger Milicic war Australien zu eindimensional und berechenbar geworden. Beim neuen Trainer soll nun der Fokus auf vermehrtes Spiel durch das Zentrum gelegt werden, anstatt mit der stets gleichen Passroute Außenverteidiger-Achter-Flügelstürmer-Kerr in gut vorbereitete Defensivreihen zu laufen. Nach den derben Blamagen in den ersten zwei Spielen (0:5 gegen Holland, 2:5 gegen Deutschland) legte Gustavsson das altbekannte 4-1-4-1 zu den Akten und installierte ein 3-4-2-1.

Die Idee ist auf dem Papier spannend: Die eingerückten Flügelstürmerinnen sorgen dafür, dass alle fünf Vertikal-Kanäle besetzt sind – die Flügel, die Halbräume und das Zentrum – und offensiv denkende Wing-Backs ziehen die gegnerische Abwehrkette auseinander. In der Praxis aber hat Australien schon dramatische Probleme, den Ball überhaupt aus der Dreier-Abwehr heraus zu bekommen, geschweige denn ihn durch das Mittelfeld zu kriegen. Das war schon im alten System so, nur dass dort zusätzlich auch die defensive Stabilität fehlte.

In den fünf Spielen unter Gustavsson blieb Australien dreimal ohne eigenen Treffer und auch wenn der Fokus ganz klar auf 2023 liegt, ist der Fortschritt bisher zu gering. Zwar stand man nach der Umstellung auf die Fünferkette gegen Schweden (0:0) und Japan (0:1) in der Defensive deutlich sicherer, aber die Matildas gehen mit großen sportlichen Sorgen in das Olympia-Turnier. Prognose: Das Verpassen des Viertelfinales wäre eine Blamage, mehr als das Viertelfinale wäre eine kleine Sensation.

Neuseeland

In zwei Jahren ist Neuseeland Co-Gastgeber der WM. Welche Bedeutung Tokio dabei für die Ferns hat, kann kaum überschätzt werden. Denn seit dem Algarve Cup 2020 hat das Team kein einziges Match absolviert – 16 Monate lang. Nach Olympia wird auch noch ein neuer Trainer oder eine neue Trainerin übernehmen, denn Tom Sermanni hat längst seinen Abschied nach diesem Turnier in Japan angekündigt.

Zusätzlich bekam er die beiden routiniertesten, wichtigsten Spielerinnen – Erceg und Riley – von deren Klubs in der US-Profiliga NWSL erst abgestellt, als alle anderen NWSL-Spielerinnen längst bei deren Nationalteams waren. Ein spätes Revanche-Foul aus Orlando, wo Sermanni vor einigen Jahren höchst erfolglos Trainer war?

Womöglich ist es aber auch inhaltlich gar nicht schlecht, dass Sermanni seinen Stuhl räumt. Bei der WM 2019 wurde aus dem aggressiven und attraktiven Vorwärtsverteidigen in den Aufbau-Spielen eine verstörend destruktive Taktik, mit der alle drei Spiele verloren wurden, anstatt die historische Chance einer erstmaligen WM-Achtelfinal-Teilnahme zu suchen. Auch bei den letzten Auftritten vor anderthalb Jahren stellten sich die Ferns in einem defensiven 5-4-1 auf und versuchten, sich mit Defensive zu erwehren.

Der Spieler-Pool ist naturgemäß relativ klein, aber Neuseeland hat durchaus eine vernünftige Stammformation zu bieten. Die meisten Start-Kandidaten sind in der guten australischen Liga aktiv, dazu kommt ein Trio aus der NWSL und einige, die in Europa spielen. Das Team ist seit vielen Jahren annähernd unverändert, man kennt sich und ist grundsätzlich gut aufeinander abgestimmt. Neuseeland könnte mit etwas weniger Kleinmut vermutlich besser sein, als man sich unter Sermanni präsentiert hat. Prognose: Es wäre ein großer Prestige-Erfolg, sollte sich Neuseeland – womöglich gar auf Kosten von Australien – für das Viertelfinale qualifizieren. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht.

Die Japan-Gruppe (mit GBR, CAN, CHI)

Japan

Seit Asako Takakura das Team aus Japan nach der Blamage der verpassten Olympia-Quali für 2016 übernommen hat, war der Fokus für den Neuaufbau der damals komplett überalterten Mannschaft dieses Turnier. Bei der WM 2019 haben die Nadeshiko schon gezeigt, was sie zu leisten im Stande sind, es gab ein unglückliches und unverdientes Achtelfinal-Aus gegen Holland nach einem späten Hand-Elfmeter.

Im Vorfeld des Heim-Turniers spielte Japan vor allem gegen kleinere Gegner und schoss diese vom Feld (7:0 gegen Paraguay und Panama, 8:0 gegen Ukraine, 5:1 gegen Mexiko), aber es war recht offensichtlich, dass es dabei nur darum ging, nach der coronabedingten einjährigen Spielpause die Automatismen wieder zu schärfen. Beim einzigen echten Härtetest gegen Australien eine Woche vor Turnierstart war Japan voll da.

Im Spiel der Nadeshiko dreht sich alles um das Hetzen des Gegners – aber mit Maß und in Ausbrüchen. Will der Gegner das Spiel von hinten eröffnen, lässt Japan zunächst ab, und rückt dann immer weiter im Verbund nach vorne, verkürzt den Platz immer mehr, bis entweder kein Platz mehr da ist, oder man von einem Moment auf den anderen von einer japanischen Meute angepresst wird. Im Mittelfeld regiert der One-Touch-Fußball, mit dem der Gegner gehetzt und zu vielen Richtungswechseln gezwungen wird, bis sich irgendwo ein Loch ergibt. Japan ist sich aber auch nicht zu schade, einen Ball auch einfach mal nach vorne zu dreschen und auf den zweiten Ball zu pressen.

Die Nadeshiko-Maschine macht einen als Gegner mürbe, Japan legt sich den Kontrahenten zurecht und schlägt dann zu. Das einzige Manko bei aller Kontrolle gegen Australien war, dass man dennoch kaum in gute Abschlusspositionen gekommen ist. In der Defensive muss Japan achtgeben, nicht in Zweikämpfe im Strafraum verwickelt zu werden, hier gibt es naturgemäß körperliche Nachteile. Prognose: Eine Medaille ist Pflicht. Dumm nur: Bei normalem Turnierverlauf wartet das US-Team schon im Halbfinale.

Team GB

England darf, garniert mit zwei Schottinnen (Little und Weir) und einer Waliserin (Ingle) nach 2012 ein zweites Mal unter dem Namen „Team GB“ teilnehmen. Schon unter der zunehmend ziellosen Führung von Phil Neville war England eines der besten Teams der Welt, daran will man auch unter Sarina Wiegman anschließen, die nach dem Olympia-Turnier übernimmt. Für Tokio hat man interimistisch nun Norwegens Legende Hege Riise auf die Trainerbank gesetzt.

In den drei Testspielen unter Riise spielte England in einem 4-4-1-1, aus dem heraus die gegnerische Abwehr an der Eröffnung durch gezieltes Anlaufen gehindert werden soll. Auch im Mittelfeld achtete man darauf, Raum und Zeit für Gegenspielerinnen eng zu machen, schnell umzuschalten und mit dem Tempo der Außenspielerinnen in die Spitze zu kommen.

Es gelang unter Riise aber bisher nicht – zumindest nicht gegen Kanada und Frankreich – in gute Abschlusspositionen zu kommen und im Angriffsdrittel ist zuweilen etwas gar viel Improvisation dabei. Zudem gibt es hinten zu viele individuelle Korken: Zwei horrende persönliche Schnitzer sorgten für das 0:2 gegen Kanada, auch beim 1:3 gegen Frankreich war die Defensive nicht immer im Bilde.

Die Integration der drei nicht-englischen Spielerinnen sollte nicht das große Problem sein. Little ist extrem spielintelligent und kennt viele Kolleginnen von Arsenal; und inwieweit Ingle (von Chelsea) und Weir (von Man City) überhaupt zum Einsatz kommen werden, steht in den Sternen. Vor allem aber ist dieses Team wohl ein Muster ohne dauerhaften Wert, weil Wiegmann wieder ihre eigenen Ideen einbringen wird. Sicher ist aber, dass Riises Idee vom Fußball mehr mit Wiegmann als mit Neville zu tun hat. Prognose: Landet man im richtigen Turnier-Ast, ist im Optimalfall Silber möglich. Aber nur wenn die Defensive hält.

Kanada

In London 2012 und Rio 2016 holte sich die goldene Generation Kanadas jeweils Olympia-Bronze. Der Generationswechsel und der Abgang von Erfolgstrainer John Herdman brachte das Programm spürbar ins Straucheln. Unter Herdmans Nachfolger Kenneth Heiner-Møller, eigentlich einem einfallsreichen Trainer, ging es nur rückwärts – inhaltlich ebenso wie von den Resultaten. Olympia ist nun die erste Standortbestimmung für Bev Priestman, die Kanada wieder auf Schiene bringen soll.

Der 35-jährigen Engländerin stehen noch alte Haudegen wie Weltrekord-Torschützin Christine Sinclair und Sechser Desiree Scott zur Verfügung, ihre Aufgabe ist es aber vor allem, rund um die junge Generation mit Jessie Fleming (23, von Chelsea) und Jordyn Huitema (20, von PSG) den Weg in die Zukunft zu bereiten. Die Zeit bis zum olympischen Turnier wurde genützt, aber Kanada ist definitiv noch Work in Progress.

Das Team fühlt sich wohl, wenn es den Druck des Gegners aufsaugen kann – Desiree Scott und den sich als non-binary identifizierenden Quinn auf der Sechs sind hierbei besonders wichtig – und wenn man selbst Druck auf die Spieleröffnung der Kontrahentinnen ausüben kann. Darin ist das Kanada unter Priestman dem Kanada unter Herdman nicht ganz unähnlich, wenn auch im Ganzen weniger aggressiv und immer mit einer kleinen, defensiven Handbremse im Hinterkopf.

Was hingegen schon unter Heiner-Möller kaum funktioniert hat und auch unter Priestman noch eine große Schwachstelle darstellt, ist der eigene Aufbau. Oft tut man sich schon schwer, die Kugel kontrolliert aus der Abwehr heraus zu bekommen; Quinn und Scott fällt in der Regel auch nicht viel mehr ein als den Ball auf die Flügel rauszugeben. Wenn Sinclair spielt – und in der Vorbereitung ging man mit der 38-Jährigen recht sparsam um, was Spielminuten angeht – gibt es natürlich eine Zielspielerin im Angriffszentrum. Das sind die große, aber schmale Huitema und die bulligere, aber auf höherem Niveau völlig unerfahrene Évelyne Viens sind. Prognose: Das Viertelfinale ist in der aktuellen Verfassung wohl das höchste der Gefühle.

Chile

Mit dem überraschenden zweiten Platz bei der Südamerika-Meisterschaft 2018 hat sich Chile quasi aus dem Nichts auf die Weltbühne katapultiert. Beim WM-Debüt 2019 hat nur ein einziges Tor zum Achtelfinal-Einzug gefehlt, feierte gegen Thailand einen Sieg und man hielt Schweden bis kurz vor Schluss bei einem 0:0. Und mit diesem zweiten Platz war man auch im Playoff um ein Olympia-Ticket, welches man im April gegen WM-Achtelfinalist Kamerun gewann.

Gegen die drei auf dem Papier klar übermächtigen Gruppengegner wird vor allem wieder die defensive Standhaftigkeit geprüft werden. Deutschland rang man in einem Test vor einigen Wochen ein 0:0 ab, vor dem Corona-Lockdown verlor man gegen Australien zweimal nur knapp, gegen die Slowakei gab es nur ein Gegentor. Ein Grund dafür ist Christiane Endler, die eine der weltbesten Torhüterinnen ist und der einzige wirklich bekannte Name im chilenischen Team.

Grundsätzlich ist das System ein 4-3-3, gegen den Ball rückt aber Rechtsaußen Daniela Zamora weit nach hinten und bildet de facto eine Fünferkette. Die drei 30-Jährigen im Mittelfeldzentrum – Yessenia López, Francisca Lara und Karen Araya, die allesamt teils mehrjährige Europa-Erfahrung in Spanien und Frankreich haben – verlieren selten die Übersicht. Gegen Chile zu spielen, ist kein Spaß.

Es ist kein Zufall, dass Chile an Kolumbien und Argentinien als Nummer zwei vom Kontinent vorbeigezogen ist. Seit einigen Jahren ist zumindest einigermaßen ernsthaftes Investment dahinter, mit José Letelier gibt es einen geschickten Trainer, der auch immer für eine unerwartete taktische Idee gut ist. In weiten Teilen ist es immer noch jene Truppe, die bei der Copa 2018 und der WM 2019 aufgezeigt hat, man hat mittlerweile also durchaus auch internationale Erfahrung. Prognose: Chile wird nach der Vorrunde ausscheiden, aber der eine oder andere Punkt ist nicht unrealistisch.

Die Holland-Gruppe (mit BRA, CHN, ZAM)

Niederlande

Sarina Wiegmans letztes Hurra: Nach diesem Turnier nimmt die niederländische Trainerin, die ihr Team zum EM-Titel 2017 und ins WM-Finale 2019 geführt hat, ihren Hut und übernimmt das englische Team. Das Ziel in Tokio ist unmissverständlich: Es soll beim Olympia-Debüt auch beim dritten großen Frauen-Turnierformat etwas Zählbares, sprich: eine Medaille, geben.

Personell sind die Oranje Leeuwinnen, die 2017 mit einem sehr jungen Team überraschend Europameisterinnen wurden, seit Jahren de facto unverändert. Vor allem die Offensiv-Abteilung ist perfekt eingespielt: Tormaschine Vivianne Miedema ganz vorne Die trickreiche Europacup-Siegerin Lieke Martens vom FC Barcelona auf der linken Seite, niemand hat so eine kurze Leitung zwischen Gehirn und Fuß. Die umsichtige Jackie Groenen, die so ein Gefühl für Räume hat. Die fleißige Danielle van de Donk, die immer ihre Füße mit im Spiel hat.

Das giftige Angriffspressing funktioniert praktisch fehlerfrei, so gab es zuletzt gegen Norwegen ein historischen 7:0 und gegen Australien ein 5:0. Die große Stärke des Teams birgt aber auch ein Risiko: Denn wenn sich ein Gegner befreien kann, ist das defensive Umschalten oftmals ein Problem, vor allem wenn man sich schnellen Spielerinnen gegenüber sieht. Vor allem aber mag man es gar nicht, wenn sich ein gutklassiger Gegner hinten reinstellt. So hat es zuletzt Italien nach einer frühen Führung gemacht, Oranje verlor 0:1.

In der EM-Quali für die auf 2022 verschobene EM war Holland unterfordert, in Testspielen fährt man oftmals auch über namhafte Konkurrenz drüber und seit 2015 wurde nur ein einziges Bewerbsspiel verloren – und zwar das WM-Finale. Zudem hat das niederländische Team 2019 gezeigt, dass man sich auch dann über einige K.o.-Spiele drüber retten kann, wenn die Form eigentlich nicht auf 100 Prozent ist. Prognose: Das Halbfinale hat Holland auf jeden Fall drin und das muss angesichts der letzten fünf Jahre auch das Ziel sein.

Brasilien

„Gib der Jugend eine Chance“, ist die Aufgabe von Pia Sundhage in Brasilien. Sie soll die Frage, was nach Marta kommt, beantworten. Einstweilen ist die Grand Dame des südamerikanischen Frauenfußballs, 35 Jahre alt, aber noch unverzichtbar. Ebenso wie die ewige Formiga – die 43-Jährige ist beim siebenten olympischen Frauenfußball-Turnier zum siebenten Mal mit dabei. Nur: Eine Moderatorin für einen Generationswechsel war Sundhage in Wahrheit noch nie. Schon in den USA und in Schweden sie einen solchen konsequent verweigert.

Unter Sundhages mittlerweile verstorbenem Vorgänger Vadão wurde vieles an Entwicklungsarbeit vernachlässigt. Dem Team fehlte eine Identität, die über „gib Marta den Ball“ hinausgeht und erlitt damit ein- ums andere Mal Schiffbruch. Taktisch sind aber auch unser der schwedischen Trainer-Altmeisterin, die mit ihrem geschulten Auge nachhaltige Strukturen bilden soll, keine Revolutionen zu erwarten.

Es bleibt beim 4-4-2, das schon unter Vadão gespielt wurde und das auch Sundhages präferiertes System ist. Der Vorwärtsgang wird überwiegend über die Außenbahnen eingelegt, wo es vor allem Tamires links oft nach vorne zieht. Die Mittelfeld-Außen sind üblicherweise mit Stürmerinnen besetzt, die vier Offensiv-Stellen können von den meisten Akteurinnen komplett bespielt werden. Das heißt: Debinha und Marta sind ebenso wie Ludmila auf dem Flügel ebenso daheim wie im Zentrum. Beatriz ist eher für den Strafraum eingeplant, Andressa Alves eher für die linke Seite.

Überraschend nicht im Kader ist Cristiane, Martas kongeniale Sturmpartnerin der letzten 15 Jahren. Auch einige der ganz Jungen, die beim SheBelieves Cup im Februar eine gute Figur abgegeben haben – Linksverteidigerin Tainara etwa oder Ivana Fuso, die bei Manchester United WSL-Luft schnuppern durfte – sind nicht berücksichtigt worden. Das Durchschnitts-Alter des 22-köpfigen Aufgebotes liegt bei 28,5 Jahren und niemand, der unter 26 Jahre auf dem Buckel hat, kommt ernsthaft für die Stammformation in Frage. Prognose: Ins Viertelfinale wird Brasilien schon kommen. Viel weiter vermutlich eher nicht.

China

Was China vor hat, ist schwer vorherzusagen. Das Quali-Playoff gegen Südkorea hätte man beinahe in den Sand gesetzt, es waren zwei fürchterliche Stop-and-Go-Partien ohne jeden Spielfluss, geprägt von viel Nervosität und noch mehr Ungenauigkeit. Das war sicher auch der Corona-Pause geschuldet, die China mangels Ausreisemöglichkeit noch härter getroffen hat als viele andere. Dennoch waren es die einzigen beiden Spiele, die man seit Februar 2020 gespielt hat und es gab auch keine Aufbauspiele vor Tokio.

Dennoch hat Trainer Jia Xiuquan bei der Kadernominierung keinen Stein auf dem anderen gelassen. Altgediente Routiniers (Sechser Ma Jun, Rechtsverteidigerin Lou Jiahui, Stürmerin Tang Jiali) blieben ohne ersichtlichen Anlass außer zweier unterdurchschnittlicher Playoff-Spiele unberücksichtigt, dafür kamen diverse Spielerinnen rein, die lange verletzt waren (Wang Yan und Wang Ying), eigentlich schon aufgehört haben (Verteidigerin Jin Kun, die verletzungsbedingt doch absagen musste) oder überhaupt noch nie im Kreis des Nationalteams aufgetaucht sind (Wang Yanwen, Liu Jing).

Über die Gründe dieses brutalen Schnittes lässt einen der Verband naturgemäß im Dunkeln, aber Tatsache ist, dass es den „Steel Roses“ seit Jahren massiv an der Kreativität mangelt. Das zentrale Mittelfeld ist rein nur zur Absicherung da, die Außenspieler – und da vor allem Wang Shuang, die mit deutlichem Abstand Beste ihres Teams – tragen den Ball nach vorne. Wie man von den Flügeln in gute Abschlusspositionen kommt, ist dafür wieder ein ständiger Quell chinesischer Ratlosigkeit.

Die rund 120 Millionen Euro, die Alipay in den chinesischen Frauenfußball investieren will, fließen praktisch komplett an die Basis – wenn sie das denn wirklich tun, seit der Ankündigung 2019 hört, liest und sieht man nicht mal in Werbefilmchen etwas davon – und die Liga versucht irgendwie, den Spielbetrieb am Leben zu erhalten, kommt aber letztes und dieses Jahr kaum auf mehr als zehn, zwölf Spiele im Jahr. Corona hat der chinesischen Suche nach dem Ausweg aus dem Mitläufertum einen schweren Schlag versetzt. Dazu passt, dass 2020 gerade das Team aus Wuhan nationaler Meister geworden ist. Prognose: Spielt China bei Olympia so wie im Quali-Playoff, wird man sich sogar gegen Sambia strecken müssen. Mehr als ein Durchschleichen ins Viertelfinale scheint kaum möglich.

Sambia

Drei Wochen vor Turnierstart war der sambische Verband offenbar immer noch bemüht, Geldgeber für die Reise der „Copper Queens“ nach Tokio aufzustellen. Ein Test gegen England in Stoke ist den coronabedingten Reisebeschränkungen geplatzt, ein Test in Kenia und einer in Mosambik genauso. Man behalf sich mit einem Match gegen einen heimischen Männer-Drittligisten (das man 2:0 gewann). Die Teilnahme von Sambia, völlig überraschender Sieger der afrikanischen Olympia-Qualifikation, ist nicht mit normalen Maßstäben messbar.

Sambia profitierte in der im K.o.-Modus ausgetragenen Quali davon, dass andere Teams ihnen die Favoriten aus Südafrika und Ghana aus dem Weg geräumt haben; aber im Finale gegen den WM-Achtelfinalisten Kamerun hat sich Sambia fair and square durchgesetzt – 2:3-Niederlage auswärts, 2:1-Sieg daheim, Auswärtstorregel.

Ganz so aus dem Nichts wie die Teilnahme von Simbabwe 2016 kommt jene von Sambia aber nicht. Schon beim Afrikacup 2018 zeigte das Team mit damals 20,6 Jahren Durchschnittsalter mit erstaunlich reifen und disziplinierten Defensiv-Vorstellungen auf und man nützte Abwehrfehler der Gegner gut aus, dem späteren Finalisten Südafrika rang Sambia ein 1:1 ab. Letzten Herbst gewann man einen Test in Chile mit 2:1 – ein weiteres Zeichen, dass man zumindest ein unangenehmer Gegner sein kann. Trainer Bruce Mwape, der das Team mit sehr wenigen Ressourcen seit Jahren führt, leistet offenkundig eine gute Arbeit.

Die Schwächen des Teams, selbst einen geregelten Aufbau auf die Reihe zu bekommen, werden beim Turnier in Japan wohl keine Rolle spielen. Es wird eher darum gehen, das Ausmaß der Niederlagen in Grenzen zu halten und sich in der Heimat ins Rampenlicht zu spielen. Erstmals sind die Copper Queens bei einem Weltturnier dabei, außer ihnen sind nur sechs andere Athleten aus dem südafrikanischen Land in Tokio – drei Boxer, zwei Sprinter und ein Judoka. Ein achtbares Abschneiden mit erhobenem Haupt wäre vor allem für das Standing des Frauenfußballs im eigenen Land wichtig. Prognose: Natürlich wird Sambia in der Vorrunde ausscheiden. Aber ein Punkt – am ehesten gegen China – ist womöglich nicht völlig außer Reichweite.

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Das Männer-Turnier

Die Herren sind auch in Japan vertreten und spielen um Gold, Silber und Bronze, jedoch nur mit U-24-Teams und vor allem ohne Abstellpflicht. Es wird sich also jeder über Edelmetall freuen und über ein frühes Aus ärgern, aber eine wirkliche Bedeutung im großen Weltfußball hat Olympia nicht.

Wer sind die bekannteren Spieler unter den U-24-Jährigen bzw. unter den drei älteren Akteuren, die jedes Team nominieren durfte?

Titelverteidiger Brasilien wird vom bereits 38-jährigen Dani Alves angeführt, auch Richarlison (Everton), Cunha (Hertha BSC) und Arsenals Gabriel Martinelli ist dabei. Bei Deutschland sind Max Kruse, Maxi Arnold und Nadiem Amiri dabei, die Ivorer vertrauen u.a. auf Franck Kessié von Milan und Eric Bailly von Manchester United.

Frankreich hat Mexiko-Legionär André-Pierre Gignac im Kader, Mexiko Goalie-Oldboy Guillermo Ochoa. Argentinien hat nach dem Copa-América-Titel keinen namhaften Spieler in Tokio, Saudi-Arabien will sich mit drei Schlüsselspielern aus dem A-Team (Al-Dosary, Al-Faraj und Al-Shahrani) behaupten.

Und bei Spanien sind gleich sechs Spieler in Japan, die vor zwei Wochen noch im EM-Halbfinale waren: Der wunderbare Pedri, dazu die Offensiven Olmo, Oyarzabal, die Abwehrspieler Eric Garcia und Pau Torres sowie Stammgoalie Unai Simon. Und auch zwei der Over-Age-Player sind keine Unbekannten: Marco Asensio und Dani Ceballos. Hier geht man wohl dann doch voll auf Gold.

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Rio 2016: Neid geht vergoldet, Favoriten unter Wert und ein Rant gegen Teamkollegen https://ballverliebt.eu/2016/08/29/rio-2016-deutschland-neid-schweden-sundhage-solo-pauw-necib-marta/ https://ballverliebt.eu/2016/08/29/rio-2016-deutschland-neid-schweden-sundhage-solo-pauw-necib-marta/#comments Mon, 29 Aug 2016 17:14:42 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12959 In ihrem siebenten Turnier als Bundestrainerin war Silvia Neid erstmals mit einer Brille aufgereuzt. Das auffällige weiße Modell, passend abgestimmt zur weißen Weste des deutschen Olympia-Teams, suggerierte eine Weiterentwicklung gegenüber der inhaltlichen Kurzsichtigkeit, mit der Neid ihr Team in den letzten Jahren stets auf das Feld geführt hatte. Doch dem Turniersieg zu ihrem Abschied vom Posten zum Trotz: Noch nie haben die DFB-Frauen im Vergleich mit ihrer Gegnerschaft so steinzeitlich und im Vorwärtsgang so ideenarm agiert wie nun in Brasilien.

Wie schon beim EM-Titel 2013 hatte es völlig ausgereicht, in den entscheidenden Momenten keinen kompletten Bockmist zu fabrizieren, um am Ende jubeln zu können. Und auf individuelle Genie-Momente von Dzsenifer Marozsan zu bauen.

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Silvia Neid

Nun, nach elf Jahren im Amt, verabschiedet sich Neid auf ihren neuen Posten im DFB. Ihr IV-Duo mit Saskia Bartusiak (33) und Annike Krahn (31) – gute Spielübersicht, aber technisch limitiert und langsam –, mit dem Neid eine unterschütterliche Nibelungentreue verbunden hatte, lässt das Kapitel Nationalteam ebenso hinter sich. Genau wie Melanie Behringer,  mitten in ihrem zweiten Frühling. Ein recht radikaler Schnitt steht bevor. Personell zumindest. Und auch was die inhaltliche Ausrichtung angeht, ist bei Deutschland eine völlige Neukonzeption nötig.

Neids Amtszeit kann man gut in zwei Abschnitte trennen: Vor der Heim-WM 2011 und nach jenem Turnier. Davor verfügte Neid über das mit recht dramatischem Abstand beste Team der Welt, spazierte 2007 zum WM-Titel und wurde dabei nur ein einziges Mal gefordert. 2009 bei der EM sehen die Ergebnisse klarer aus als die Spiele waren (vor allem das 6:2 über England im Finale, wo der Gegner bis zur 70. Minute mithielt und erst danach komplett einbrach), aber wirklich gefährdet war dieser Titelgewinn auch nicht.

Erst überlegen sein…

Das DFB-Team profitierte von der überragenden körperlichen Konstitution seiner Spielerinnen, in sich auf die drei dominiernden Klubs jener Zeit aufteilten (Frankfurt, Potsdam und Duisburg). Und davon, dass man einfach so viel besser war als alle anderen, dass man sich gar nicht speziell taktisch auf die Konkurrenz einstellen hätte müssen.

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Neid war 11 Jahre Teamchefin.

Dann kam die Heim-WM. Hier traten Neids Defizite in taktischer Hinsicht genauso wie in puncto Teamführung erstmals offen zu Tage. Unter der immensen Erwartungshaltung der Öffentlichkeit – weltweit dominierendes Team des letzten Jahrzehnts, Heim-Turnier, großer medialer Push – und nach einem harzigen Spiel zum Auftakt vor 75.000 in Berlin gegen Kanada (2:1) überließ Neid die formschwache Birgit Prinz, beste Stürmerin und Aushängeschild des Teams, mit ihren Selbstzweifeln auf der Schlachtbank der Öffentlichkeit.

Deutschland agierte vorhersehbar, starr, wirkte von der Aufmerksamkeit gelähmt und erhielt von Neid keine erkennbare mentale Rückendeckung. Im Viertelfinale war dann erstmals ein Team da, dass sowohl wirklich gut war und dem DFB-Team auch inhaltlich überlegen – Japan. Neid hingegen blieb nach der frühen Kreuzbandverletung von Sechser Kim Kulig (der letztlich ihre vielversprechende Karriere beendete) in ihrem strikten 4-4-2, obwohl das gewechselte Personal nicht mehr passte. Japan gewann und wurde eine Woche später Weltmeister.

…dann hinterher hecheln

Damit begann der zweite Abschnitt von Neids Amtszeit. Frankreich war vom reinen Talent her an Deutschland vorbeigezogen, Schweden hatte sich konsolidiert; selbst aber war man in der Entwicklung stecken geblieben. Bei der EM 2013 spielte man eine mäßige Vorrunde, quälte sich danach auch mit etwas Glück (v.a. beim Halbfinale gegen Schweden) ins Finale, wo Gegner Norwegen gleich zwei Elfmeter verschoss und Deutschland 1:0 siegte.

Spätestens 2015 bei der WM wurde klar, dass Deutschland – im Gefühl der totalen Überlegenheit der ersten sechs Neid-Jahre – den Zug zum modernen, taktisch ausgeklügelteren Spiel komplett verpasst hatte. Es war immer noch das selbe 4-4-2 (obwohl es der DFB nun, warum auch immer, als 4-2-3-1 zu verkaufen versuchte). Es war immer noch der selbe Flügelfokus (der mit den Jahren sogar noch ärger wurde). Es waren immer noch Zweikämpfer statt Spieleröffner in der Innenverteidigung.

Ein in Identitätskrise und Grüppchen zerfallendes schwedisches Team war im Achtelfinale noch leichte Beute. Aber Frankreich und die USA zeigten in Viertel- und Halbfinale die tiefgraue Altbackenheit des Teams auf, England im kleinen Finale auch.

Experimente und Alternativen werden verweigert

Selbst in Qualifikationen zu EM und WM, die selbst eine deutsche U-19-Auswahl ohne nennenswerte Probleme erfolgreich absolvieren würde, achtete Neid daruf, jeden noch so unterlegenen Gegner möglichst zweistellig abzuschießen, anstatt gefahrlos alternative Matchpläne oder gar echte Experimente zu wagen (wie etwa England das hervorragend macht).

Auch personell gab es in den elf Jahren so gut wie keine Veränderungen, die Neid nicht von Verletzungen (vor allem vor der EM 2013) oder Rücktritten aufgezwungen worden wären.  Das 4-3-3, das kurz vor Neids nunmehr letztem Turnier in Rio 2016 installiert wurde, war so gesehen eine ähnlich angenehme Überraschung wie die invers aufgestellten Außenverteidiger (Maier links statt rechts, Kemme rechts statt links). Aber im Grunde verstärkte diese Maßnahme nur die fast schon krampfhafte Verlagerung auf die Außenbahnen.

Olympia: Schlechteste Vorrunde der DFB-Geschichte

Die Folge war die schlechteste Gruppenphase, die vermutlich jemals ein deutsches Frauen-Team absolviert hat. Einem mühseligen 6:1 gegen Simbabwe folgte das Spiel gegen Australien, in dem Deutschland nach Stich und Faden hergespielt wurde. Australien agierte schneller, härter, direkter, besser im Umschalten auf die Offensive, ohne wirkliche Löcher in der Defensive. Das DFB-Team wurde hergespielt und lag zwischenzeitlich 0:2 zurück. Nur weil Australien zahlreiche Chancen auf das dritte, vierte und fünfte Tor ausließ, rettete in der Nachspielzeit ein über die Linie genudelter Eckball noch das deutsche 2:2.

Im dritten Match gegen Kanada wurde man vom überaus intelligent eingestellten Team inhaltlich ausmanövriert. Ohne die üblichen Aufbauwege und mit viel eigenem Ballbesitz kam man weder spielerisch vor das Tor, noch konnte man den Gegner hoch anpressen. Das deutsche Spiel zerfiel in Einzelaktionen und Ratlosigkeit. Man verlor 1:2.

Stets stark: Die mentale Komponente

Die sicherlich größte Stärke von Neid-Teams – vor allem nach 2011 – war die mentale Kraft. Deutschland hatte im 2013er-Halbfinale gegen Schweden praktisch null Chance. Wurde im 2015er-Viertelfinale von Frankreich nach Strich und Faden lächerlich gemacht. Man gewann beide Spiele, weil man dennoch niemals in Hektik verfiel. Es gab keine Frust-Fouls, kein äußerliches Anzeichen von Verzagtheit. So groß konnte die spielerische Ratlosigkeit gar nicht sein, dass man darüber die Nerven verlor.

Nur so gelang es dann auch, das eigentliche Schlüsselspiel bei Olympia 2016 – das Halbfinale gegen Kanada – zu gewinnen. Anders als bei der WM im eigenen Land vor einem Jahr erwartete in Rio 2016 niemand etwas von Kanada, so konnte man befreit aufspielen, gewann als einziges Team alle drei Vorrunden-Spiele und kickte im Viertelfinale Gold-Kandidat Frankreich aus dem Turnier. Als man dann als Favorit ins Halbfinale gegen Deutschland ging, war’s allerdings wieder vorbei mit der Lockerheit. Kanada agierte so verkrampft wie letztes Jahr bei der WM, Deutschland ging routiniert mit der Drucksituation um und gewann verdient.

Zehn Monate für den Neustart

2016 08 16 Ger-Swe 2-1
Deutschland – Schweden 2:1 (Finale)

Nach dem ebenso verdienten 2:1-Finalsieg gegen eine schwedische Truppe (Deutschland hatte da alle Versuche und Änderungen zurückgenommen, spielte wieder im alten 4-4-2), die zuvor den Weltmeister und den Gastgeber jeweils im Elfmeterschießen besiegt hatte, übernimmt nun Steffi Jones gemeinsam mit ihren Co-Trainern Marcus Högner und Verena Hagedorn. Es ist zu erwarten, dass Högner (der viele Jahre sehr solide Arbeit bei Bundesliga-Mittelständler Essen geleistet hat) und Hagedorn (die schon länger im DFB-Stab ist) die hauptsächliche inhaltliche Arbeit erledigen und Jones das prominente Gesicht des DFB-Teams wird.

Jones war in den Neunziger- und Nuller-Jahren als Libero bzw. im defensiven Mittelfeld eine feste Größe im Nationalteam und danach OK-Chefin der Heim-WM 2011. Sie kann aber auf keinerlei Erfahrung als Trainerin zurückgreifen – abgesehen vom letzten Jahr, als sie als „Co“ von Neid an die Mannschaft herangeführt wurde. Wenn man sie als „Franz Beckenbauer des Frauenfußballs“ bezeichnen würde, wäre das Jones gegenüber angesichts der zunehmenden Gaga-Aussagen des Kaisers unfair, ihr Werdegang innerhalb des DFB ähnelt sich aber zumindest.

Sie hat nun zehn Monate Zeit, um zwischen Rio 2016 und der EM 2017 in Holland (für die Deutschland längst qualifiziert ist) ein neues Team ohne Behringer, Bartusiak und Krahn zu formen. Das wird spannend, weil es gerade in der Innenverteidigung – von Jo Henning abgesehen – keine gibt, die Neid auch nur nominiert hat. Denkbar ist, dass Lena Goeßling vom DM in die IV zurückgeht – vor allem für den Aufbau wäre das ein dramatischer Schritt nach vorne. Außerdem hat sie für Wolfsburg schon in genau dieser Rolle agiert.

Auch was den Spielaufbau, die Anlage und die Raumaufteilung angeht, ist es durchaus denkbar, dass Jones, Högner und Hagedorn Anpassungen vornehmen, um das Team varbiabler und vielseitiger zu machen. Es werden auf jeden Fall spannende nächste Monate für das deutsche Team.

olympia

Die anderen Teams bei Rio 2016

Schweden ist mit dem Finale zwei Runden weiter gekommen, als man sich realistischerweise erwarten hatte können. Nach einem mühsamen 1:0-Auftakterfolg über Südafrika – dem einzigen Sieg in 90 Minuten im ganzen Turnier – lief man Brasilien ins offene Messer, verlor 1:5. Daraufhin schaltete Teamchefin Pia Sundhage wieder in den Survival-Modus, den man schon im Quali-Turnier gesehen hat: Defensives 4-5-1, Gegenstöße in die Schnittstellen zwischen AV und IV der Gegner mit den schnellen Schelin und Schough auf den Außen und mit den jungen Rolfö bzw. Blackstenius vorne.

Das reichte zu drei Remis gegen China (0:0), USA (1:1) und Brasilien (0:0). Es war weder besonders anregend noch besonders unterhaltsam, aber der extrem pragmatische Minimalisten-Fußball erfüllte seinen Zweck. Recht schnell nach dem verlorenen Finale freute man sich über das völlig unerwartete, gewonnene Silber, anstatt dem verpassten Gold nachzutrauen.

Nach dem WM-Desaster letztes Jahr stand Sundhage schon vor der Entlassung, die mit mehr Glück als Geschick überstandne Olympia-Quali schien ihr bestenfalls Galgenfrist zu gewähren. Nun würde sie wieder fest im Sattel sitzen, sollte sie das wollen. Die 56-Jährige, auf die medial im letzten Jahr viel (und auch zu Recht) eingeprügelt wurde, ziert sich aber noch mit einer festen, längerfristigen Zusage.

Das übers Turnier gesehen wohl beste Team war jenes aus Kanada. Alleine an der mentalen Komponente müsste John Herdman noch ein wenig feilen.

Gefallene (Mit-)Favoriten…

USA - Frankreich 1:0 (Gruppenspiel)
USA – Frankreich 1:0 (Gruppenspiel)

Die USA absolvierte bei Rio 2016 eine ziemlich souveräne Gruppenphase mit einem 1:0-Sieg über Frankreich, zerschellte dann aber im Viertelfinale am Schweden-Beton. Das auf dem Papier das schlechteste Abschneiden bei einem WM- oder Olympia-Turnier überhaupt ist aber eher nur eine verpasste Chance als wirklich ein größeres Drama. Mit einem Turnier-Sieg hätte man die kommenden drei Jahre als praktisch unantastbares Nummer-eins-Team der Welt verbracht. Bis zur WM 2019 spielen die USA kein wirklich relevantes Pflichtspiel mehr.

Dennoch: Man verfügt über den vermutlich besten Kader der Welt und hat mit Pugh, Horan und Dunn auch mit Augenmaß verjüngt, ohne an Qualität einzubüßen. Lediglich die Torhüter-Position wird 2019 womöglich nicht mehr absolute Weltklasse besetzt sein – Hope Solo arbeitet ja gerade fleißig an einem unrühmlichen Karriere-Ende.

Bei Frankreich war alles wie immer: Problemlose Vorrunde, aber fehlender Punch in der K.o.-Runde. Das 0:1 gegen die USA in der Gruppe war für sich gesehen nicht schlimm, aber es zeigte schon auf, woran man ein paar Tage später im Viertelfinale gegen Kanada gescheitert ist. Es fehlt das Selbstverständnis, wenn man einem Spielstand hinterher jagen muss. Klar: Das müssen die Französinnen, die überwiegend in Lyon spielen, im Klub so gut wie nie. Gute Spiele gewinnen sie dort 9:0, weniger gute Leistungen reichen immer noch zu lockeren 3:0-Siegen. So steht wieder einmal ein viel zu frühes Ausscheiden. Der Druck bei der Heim-WM 2019 – dann ohne Louisa Nécib, die ihre aktive Karriere beendet – wird dadurch nicht kleiner.

Brasilien fing toll an – 3:0 gegen China, 5:1 gegen Schweden. Obwohl personell nur an zwei, drei Positionen verändert, war es ein völlig anderes Team als bei der schwachen WM vor einem Jahr. Nicht nur Marta zeigte Spiellaune, auch das Pressing funktionierte, auch andere Spielerinnen – wie Beatriz oder das ZM mit Formiga und Thaisa – übernahmen Verantwortung. Aber als es darum ging, das in den entscheidenden Spielen zu zeigen, war auf einmal nicht mehr viel los. Nach einem Viertelfinale-0:0 gegen Australien im Elferschießen weitergekommen, nach einem Halbfinal-0:0 gegen Schweden im Elferschießen gescheitert, nicht komplett genug im Bronze-Spiel gegen Kanada. Man weiß also nicht so recht, wie man das Turnier aus Sicht von Brasilien einordnen soll.

…und der Rest

2016 08 12 Bra-Aus 0-0 nV
Brasilien – Australien 0:0 nV, 7:6 iE (Viertelf.)

Australien hätte fast Geschichte geschrieben mit einem hochverdienten Sieg gegen Deutschland, die fehlende Qualität im Abschluss und zu viele vergebene Chancen waren der Sargnagel. Im Viertelfinale neutralisierte man Brasilien in einem Spiel, bei dem schon in der 10. Minute klar schien, dass noch weitere 110 Minuten kein Tor fallen würde. Olympia war für die Matildas weder eine Enttäuschung, noch ein signifikanter Schritt nach vorne: Man ist eine konstante Viertelfinal-Truppe.

Für China war Rio aber sehr wohl eine Enttäuschung, obwohl man es wie Australien ins Viertelfinale geschafft hat. Aber unter Ex-Frankreich-Coach Bruno Bini konnte China nie an das starke Quali-Turnier anknüpfen: Beim 0:3 gegen Brasilien war man nur körperlich anwesend. Gegen Südafrika gab es einen biederen Arbeitssieg. Gegen Schweden keine echten Anstrengungen, den Beton zu knacken. Und eine schwache deutsche Mannschaft baute man mit seltsamer Passivität auf.

Neuseeland hat endlich mal wieder einen Sieg bei einem großen Turnier eingefahen, das 1:0 gegen Kolumbien war aber zu wenig für das Viertelfinale; beide konnten wie erwartet Frankreich und USA keine Paroli bieten. Die Glückskinder aus Simbabwe verteidigten sich rustikal, kassierten von Deutschland nur sechs Gegentore und von Kanada gar nur drei. Das war zwar im Ganzen weit weg davon, reif für ein großes Welt-Turnier zu sein, war aber gemessen am Potenzial okay.

Ärgerlich und traurig: Vera Pauw und Hope Solo

Südafrika zog sich sehr achtbar aus der Affäre: Nur knappe Niederlagen gegen Schweden und China und ein schönes Remis gegen Brasilien. Man hätte mit großer Zuversicht in die Qualifikation für die WM 2019 gehen können, wäre da nicht der Rücktritt von Südafrikas holländischer Teamchefin Vera Pauw – sie hatte tolle Aufbauarbeit geleistet, warf nach dem Turnier aber die Brocken hin. Torhüterin Roxanne Barker ist sehr sauer, aber weniger auf Pauw, sondern auf einige ihrer Teamkolleginen:

„Unverantwortliche Spieler… Die Leute wissen nicht mal die Hälfte von dem, was Vera alles erdulden musste. Es ist furchtbar, wie ein Haufen von ,Frauen‘ sich wie fünfjährige Gören aufführen! Sobald die Trainerin sie nicht aufstellt, werfen sie ihr Spielzeug aus dem Gitterbett. Vera ist das Beste, was Südafrikas Frauenfußball jemals passiert ist und der Beweis ist der Fortschritt, den wir unter ihr gemacht haben. Wenn wir vereint aufgetreten wären, wären wir im Turnier noch weiter gekommen. Es ist eine Schande! Sie hat ihre Heimat und ihren Ehemann für zwei Jahre hinter sich gelassen, um eine bessere Zukunft für diese Mädchen zu schaffen, und diese drehen sich einfach um und verhalten sich so…“

Die andere, medial natürlich deutlich größer gespielte Personalie nach dem olympischen Turnier ist jene von Hope Solo. Die US-Torfrau hatte sich nach dem Viertelfinale in einem Field-Interview zu der Aussage herabgelassen, Schweden habe „wie ein Haufen von Feiglingen“, gespielt, „like a bunch of cowards“. Das war nicht besonders freundlich und so gut wie alle ihre Teamkolleginnen haben auch von dieser Aussage distanziert. Aber wirklich skandalös war die Aussage, noch dazu vollgepumpt mit Adrenalin ein paar Minuten nach dem Spiel, auch nicht. Jedenfalls für sich gesehen sicher kein Grund für den US-Verband, Solo für ein halbes Jahr zu sperren.

War es auch nicht. Es war nur ein willkommener Anlass.

Solo, mittlerweile 36 Jahre alt und immer noch eine der besten Torhüterinnen der Welt, ist abseits des Rasens nicht gerade unumstritten. Ihre Festnahme wegen Fahrlässiger Körperverletzung (Juni 2014) bzw. der fällige Gerichtsprozess (Jänner 2015) führten zu keiner Strafe, ihr Widerstand gegen die Staatsgewalt bei einer 1,5-Promille-Fahrt ihres damaligen Ehemannes (Februar 2015) zu einer nur 30-tägigen Sperre. Hintergrund: Ein paar Monate später war die WM, da wollte man nicht auf Solo verzichten müssen.

Nun endet ihr Vertrag mit dem US-Verband ohnehin in ein paar Monaten. Das ist die Gelegenheit, gegenüber Solo mal Konseqenz zu zeigen. Und das macht Verbands-Boss Sunil Gulati nun. Solo hat ihre (noch bis Oktober laufende) Saison beim US-Profiklub Seattle Reign – die von der Sperre nicht betroffen gewesen wäre – mittlerweile ebenfalls für beendet erklärt.

Die Vermutung liegt nahe, dass das Viertelfinale gegen Schweden ihr letztes Fußball-Pflichtspiel gewesen ist.

Ein Wort noch zum Männer-Turnier

Brasilien hat im Männer-Turnier von Rio 2016 im Finale Deutschland im Elferschießen bezwungen, Nigeria sicherte sich die Bronze-Medaille. Da es sich bei den Herren aber um ein Turnier voll mit Teams handelt, die reine Kunstprodukte sind und für das größere Narrativ im Weltfußball keine wirkliche Relevanz hat, lassen wir das hier auch mal außen vor.

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USA und Frankreich die Favoriten in Rio 2016 https://ballverliebt.eu/2016/08/01/usa-und-frankreich-die-favoriten-in-rio-2016/ https://ballverliebt.eu/2016/08/01/usa-und-frankreich-die-favoriten-in-rio-2016/#comments Mon, 01 Aug 2016 14:09:37 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12807 USA und Frankreich die Favoriten in Rio 2016 weiterlesen ]]> Zum sechsten Mal geht es bei den Olympischen Spielen in Rio um Gold, Silber und Bronze im Frauen-Fußball. Im Gegensatz zu den Männern gibt es dabei keinerlei Beschränkungen, was die Spieler angeht – alle Teilnehmer kommen also mit den stärktsten Formationen daher. Hier unsere Vorschau: Rio 2016, das Frauen-Fußball-Turnier.

Stellenwert, Kontext und Abwesende

Eben weil die besten Teams der Welt mit den besten Spielerinnen der Welt antreten, ist der Stellenwert des Turniers auch ungleich höher als bei den Männern. Die WM ist immer noch die WM und damit schon die Nummer eins unter den Titeln, aber viel steht Olympia-Gold in der Bedeutung nicht nach. Seit der Frauen-Fußball 1996 in Atlanta erstmals im Programm war, haben mit einer Ausnahme (Norwegen 2000) stets die USA das Turnier gewonnen.

Der dreifache Weltmeister und vierfache Olympia-Sieger ist auch 2016 der ganz große Favorit. War der WM-Titel vor ziemlich genau einem Jahr angesichts der hölzernen Vorstellungen in der Vorbereitung (und im Turnier bis zum Viertelfinale) eher überraschend, ist nun klar: Der Titel führt nur über das US-Team.

Das prominenteste Team, das beim olympischen Turnier in Brasilien nicht dabei sein wird, ist Japan. Nach drei großen Finals in Folge (WM-Sieg 2011, Olympia-Silber 2012, WM-Finalist 2015) zollte die Nadeshiko beim Asien-Quali-Turnier dem verpassten Generations-Wechel Tribut und sah so aus, wie sie war: alt. Ebenfalls nicht dabei ist England – der WM-Dritte von 2015, eines der spannendsten und flexibelsten Teams der Welt, dürfte bei Olympia ja nur als Team GB antreten, und das wollen vor allem Wales und Nordirland nicht.

Norwegen (EM-Finalist 2013) verpasste die Qualifikation, ebenso die afrikanischen WM-Teilnehmer Nigeria und Côte d’Ivoire sowie der Afrika-Champion von 2010, Äquatorialguinea. Wenn man bei einem Welt-Turnier nur 12 Plätze hat, gibt es nun mal prominente Opfer.

frauen spielplan rio

Gruppe G: Der Favorit und sein Herausforderer

USA, amtierende Weltmeister
USA, der amtierende Weltmeister

Die letzten beiden Großturniere – eben Olympia 2012 in London und die WM 2015 in Kanada – hat das US-Team für sich entscheiden können. Neben der Tatsache, dass es keine offensichtlichen Schwachstellen im Team gibt und sich die eher farblose Teamchefin Jill Ellis mit starken Maßnahmen im Laufe der WM großen Respekt verschafft hat, spricht vor allem ein Aspekt für dieses Team: die NWSL.

Im dritten Anlauf nämlich schaffte man es mit der „National Women’s Soccer League“ endlich, eine Profi-Liga über mehrere Jahre hinweg zu etablieren. Die „Role Players“, also die Mitläuferinnen, leben dort ob der kargen Bezahlung zwar oft in prekären Verhältnissen (was der finanziellen Vorsicht nach den letzten Crashes gechuldet ist), aber die Stars werden nun Woche für Woche auf höchstem Niveau gefordert, und nicht nur in internen Trainingsspielchen auf den diversen Länderspiel-Touren.

Nach der WM gab es moderate personelle Änderungen, vor allem Mega-Talent Mallory Pugh (unerhört schnell, technisch stark und komplett unerschrocken) sollte massiv auf sich aufmerksam machen. Auf der anderen Seite hat sich die bullige, kraftvolle Crystal Dunn festgespielt – da muss sich die von einem Kreuzbandriss genesene Megan Rapinoe, neben Weltfußballerin Carli Lloyd der eigentlich Star des Teams, schon strecken. Zumal Trainerin Ellis mit der oft eigensinnigen Rapinoe eh keine wirkliche Freude haben dürfte.

Dazu wurde das Mittelfeld-Zentrum verjüngt (mit der talentierten Horan und der willensstarken Long), aber sonst ist es im Grunde das Weltmeister-Team, dass da auf die Konkurrenz losgelassen wird.

Frankreich, der erste Herausforderer
Frankreich, der erste Herausforderer

Das einzige Team, dem man es realistisch zutrauen kann, die USA auf dem Weg zu Gold zu stoppen, ist jenes aus Frankreich. Dieses war eigentlich schon bei der WM letztes Jahr das beste des Turniers, scheiterte aber im Viertelfinale an der schlechten Chancenverwertung und einmal mehr den Nerven.

Und genau das ist das Haupt-Feature von Frankreich: Im entscheidenden Moment schafft man es immer, glorios zu scheitern. 2015 bei der WM und 2013 bei der EM, jeweils als Turnier-Top-Favorit, im Elfmeterschießen; 2012 bei Olympia und 2011 bei der WM jeweils im Halbfinale als eigentlich besseres Team auf dem Feld.

Frankreich will den Ball haben, agiert offensiv, ist technisch beschlagen und auch auf jeder Position gut besetzt und es kommt auch immer wieder hohe Qualität nach – wie Amel Majri (die vermutlich aufregendste Linksverteidigerin der Welt), Kheira Hamraoui (als Anker im Mittelfeld) und Claire Lavogez – die Nachfolgerin von Louisa Nécib, die nach Olympia ihre große Karriere beenden wird.

Wenn man es endlich schafft, im entscheidenden Moment nicht die Psyche über das Können gewinnen zu lassen, ist Frankreich der erste Herausforderer der USA.

Mit Kolumbien haben beide Teams schlechte Erfahrungen gemacht: Frankreich verlor sensationell bei der WM letztes Jahr ein Gruppenspiel gegen den krassen Außenseiter mit 0:2 (ein Freak Game, Frankreich spielte auf ein Tor und lief in zwei Konter); die USA lieferte sich mit Kolumbien ein giftiges Achtelfinale voller alter Ressentiments. Dass Kolumbien letztes Jahr das Achtelfinale erreichte, bestätigt die leise, aber stetige Entwicklung – aber ohne wirkliche Strukturen und auch ohne eine landesweite Frauen-Liga wird es keine großen Sprünge geben. Ein Viertelfinal-Einzug als einer der besseren Dritten ist das höchste der Gefühle.

Das gilt auch für Neuseeland: Die Football Ferns sind mangels Konkurrenz in der Ozeanien-Gruppe bei allen großen Turnieren dabei, halten immer gut mit, blamieren sich nie, gewinnen aber trotzdem nur höchst selten ein Spiel. Vor vier Jahren ging es als Gruppendritter ins Viertelfinale – wo es ein 0:2 gegen die USA gab. Man trifft sich eben immer wieder.

Das Spiel gegen Kolumbien wird entscheiden, wer als Dritter die Chance auf die nächste Runde hat; Kolumbien und Neuseeland sind ähnlich stark. Dass eines der beiden Teams ins Halbfinale einzieht, ist so gut wie auszuschließen.

Gruppe F: Gruppensieg als Nachteil

Der Zweite der Brasilien/Frankreich-Gruppe spielt im Viertelfinale gegen die Sieger der Staffel mit Europameister Deutschland, WM-Viertelfinalist Australien und Kanada, dem Bronzemedaillen-Gewinner von London 2012. Das heißt: Wer die Gruppe F gewinnt, ist eher im Nachteil gegenüber dem Zweiten.

Kanada
Kanada kann viel, ruft’s aber nicht immer ab

Der etwas glückliche 2:1-Finalsieg der USA gegen Japan vor vier Jahren im Londoner Wembley war ein ganz gutes, aber kein denkwürdiges Spiel. Ein ebensolches war aber das epische 4:3 der US-Girls gegen Kanada im Halbfinale im Old Trafford. Es war der Durchbruch für das Herdman-Kanada: Ein defensiv äußerst geschicktes und offensiv extrem variables Team, das individuell – obwohl die meisten in der starken NWSL spielen – nicht absolute Weltklasse darstellt, aber unangenehm zu spielen und ein harter Gegner für jeder sein kann. Nur ein paar wunderliche Weitschuss-Tore retteten die USA damals in Manchester.

Bei der Heim-WM kam man mit dem Druck, plötzlich ein Titel-Kandidat zu sein, nicht zurecht, außerdem war zu viel auf Christine Sinclair, die Grand Dame des kanadischen Fußballs, ausgerichtet – außerdem gab es Grüppchenbildungen im Kader. Wenn Kanada aus der enttäuschenden Heim-WM gelernt hat (und den Gruppensieg vermeidet), ist das Halbfinale absolut realistisch.

Deutschland im letzten Test mit 4-3-3
Deutschland im letzten Test mit 4-3-3

Eine ganz traditionelle Frauenfußball-Großmacht ist Deutschland. Der Weltmeister von 2003 und 2007 (und Europameister bei jedem Turnier seit 1995) ist mittlerweile aber an einem Punkt angekommen, wo sich die Frage stellt: Kommt das DFB-Team mit der absoluten Weltspitze noch mit oder stehen magere Jahre bevor?

Nach elf Jahren absolviert Silvia Neid ihr letztes Turnier als Bundestrainerin, ehe sie auf den Chef-Posten der neuen Frauen-Scouting-Abteilung des DFB wegbefördert wird. In diesen elf Jahren spielte Deutschland stets gleich: ein 4-4-2, Aufbauweg aus dem zentralen Mittelfeld auf die Außen, hohes Pressing vor allem gegen deutlich schwächere Teams. Athletisch, aber nicht besonders ausgeklügelt – für jeden Trainer, der nicht völlig porös in der Birne ist, nach zweieinhalb Minuten Videostudium zu durchschauen. Was Deutschland noch immer gerettet hat, war die individuelle Klasse – aber angesichts einer eher primitiven Vorstellung bei der U-19-EM zuletzt und der neuen Position von Neid ist auch das bald keine Selbstverständlichkeit mehr.

Im letzten Test gegen Ghana agierte Deutschland völlig ungewohnt in einem 4-3-3, es änderte sich aber nur die Raumaufteilung, nichts grundsätzliches – außer, dass es vermutlich einen noch stärkeren Flügelfokus geben wird (echte Rückschlüsse kann man aus einem Spiel, in dem es zur Halbzeit schon 9:0 stand, natürlich nicht ziehen). Wenn Deutschland die Gruppe gewinnt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit im Viertelfinale Schluss (sowohl gegen Frankreich als auch gegen die USA war man letzes Jahr bei der WM auf fast beschämende Weise chancenlos). Als Gruppenzweiter ist mit einer Halbfinal-Teilnahme zu rechnen.

Anders als bei der USA/Frankreich-Gruppe haben es Deutschland und Kanada noch mit einem dritten Team aus der erweiterten Weltklasse zu tun, nämlich WM-Viertelfinalist Australien. Die Matildas überzeugten bei der WM mit einem robusten, grundsätzlich nach vorne ausgerichteten Spiel, mit einem durchaus wirksamen Angriffspressing und Kampfgeist bis zum Abpfiff. Diese Qualitäten sicherten ihnen auch den Sieg über Japan in der Qualifikation und damit den Platz bei diesem olympischen Turnier.

Australien ist individuell wohl nur das drittbeste Team dieser Gruppe, hat aber keine gravierenden, allzu offensichtliche Schwächen und würde auch als Dritter mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ins Viertelfinale kommen (und dort womöglich auf jenes Team aus Brasilien treffen, das man letztes Jahr im WM-Achtelfinale besiegt hat). Die Matildas haben auf jeden Fall das Zeug, zur Überraschung des Turniers zu werden.

Der Grund, aus dem der Dritte dieser Gruppe wohl einer der beiden besseren Dritten wird, ist Simbabwe. Selbst im nicht besonders niveauvollen afrikanischen Vergleich ist diese No-Name-Truppe bestenfalls die Nummer sieben oder acht und verdankt die Teilnahme glücklichen Umständen (wie dem Rückzug von Viertelfinalgegner Côte d’Ivoire und der Tatsache, dass sich die stärksten Teams dank unglücklicher Auslosung gegenseitig eliminierten), aber kaum der eigenen Stärke. Es ist fast damit zu rechnen, dass Simbabwe in den drei Spielen 25 oder mehr Gegentore fängt, gegen Deutschland darf man durchaus mit einem Resultat in der Gegend von 0:15 spekulieren.

Gruppe E: Anspruch und Wirklichkeit

Brasilien: Hohe
Brasilien peilt Gold an. Das wird… schwer.

In der frühen Zeit der „Ära Marta“ erreichte Brasilien drei Finals in Folge (Olympia 2004, WM 2007, Olympia 2008) – und verlor alle drei. Seither geht es für die Seleção immer weiter zurück, mit dem völlig ambitionslosen Auftritt bei der WM letztes Jahr als vorläufigem Tiefpunkt. Der Anspruch und die Zielsetzung ist es natürlich, beim olympischen Heim-Turnier das Gold zu holen. Wirklich realistisch ist das aber nicht.

Immer noch ist Brasilien auf Gedeih und Verderb den unberechenbaren Launen von Marta ausgeliefert, auch bei der WM war wieder weit und breit niemand in Sicht, der sich nicht bereitwillig hinter der Wahl-Schwedin verstecken würde. Dabei wäre durchaus das Potenzial für mehr da: Der Stamm ist bei zumeist recht respektablen Klub-Teams in den USA, Europa und auch China beschäftigt, mit Olympia-Rekord-Spielerin Formiga (die schon 1996 dabei war) gibt es massenhaft Routine im Zentrum.

Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden genau jene zehn Feldspielerinnen, die bei der WM so enttäuschten, auch bei Olympia den Stamm bilden. Die Auslosung hat es gut gemeint, geht es nach Papierform, wird Brasilien das Halbfinale erreichen. Es wird aber schon eine außergewöhnliche Leistungsexplosion (oder passende Referee-Entscheidungen, man weiß ja nie) geben müssen, damit mehr möglich ist. Im Normalfall wäre schon Bronze ein riesengroßer Erfolg für Brasilien.

China zeigt aufsteigenden Form
China zeigt aufsteigenden Form

Auch bei China klafft sein der großen Zeit von Sun Wen (mit Olympia-Finale 1996 und WM-Finale 1999) ein großes Loch zwischen Anspruch und Wirklichkeit, vom Super-GAU der verpassten WM 2011 erholte man sich nur langsam. Der Verband baute von Grund auf ein völlig neues Team auf, zielgerichtet und mit gewohntem chinesischem Drill.

Mit Erfolg: Quasi aus dem Nichts erreichte man letztes Jahr das WM-Viertelfinale und mit der Verpflichtung von Bruno Bini gelang danach ein echter Coup. Der Franzose, der das Frauen-Team seiner Heimat an die Weltspitze geführt hat, musste sich nicht mehr um die Grundlagen-Arbeit kümmern, sondern konnte ein bestehendes und eingespieltes Team nach seinen Vorstellungen weiter verfeinern. Das Ergebnis sah man in der Olympia-Quali: China sah da so ein wenig aus wie ein Frankreich in roten Trikots. Man machte die kleinen Dinge richtig, wirkte kompakt und gleichzeitig spielfreudig. Aber auch in Sachen Killer-Instinkt war China da wie Frankreich – dieser ging nämlich ein wenig ab. Man war fußballerisch sicher das klar beste Team, erzielte aber nur sieben Tore in den fünf Spielen.

Auch China gehört zum großen Kreis der Medaillen-Anwärter, zumindest Bronze ist auf jeden Fall realistisch. Sicher ist nur, dass dieses olympische Turnier der wahre Test für die Stärke dieser chinesischen Generation ist: Bestätigt sich der Aufwärts-Trend weiter oder stagniert man auf Viertelfinal-Niveau?

Selbst von Viertelfinal-Niveau entfernte man sich bei Schweden in den letzten drei Jahren ein erhebliches Stück. Unter Pia Sundhage, die zuvor die USA zu zwei Olympia-Goldenen und einem WM-Finale geführt hat, stagniert Schweden nicht nur, sondern entwickelte sich sogar zurück. Die WM war ein siegloses Fiasko, das mit einem 1:4 gegen Deutschland endete, in einem enttäuschend schwachen Qualifikations-Turnier setzte man sich mit Anti-Fußball, Schiri-Fehlern und fürchterlichen gegnerischen Abwehrschnitzern durch.

Sundhage bekam Galgenfrist und versucht es nun mit der gelernten Stürmerin Kosse Asllani (mit der sie sich bei der WM eigentlich überworfen hatte) auf der Acht, mit Alt-Star Lotta Schelin auf der Außenbahn und Fridolina Rolfö (mit 22 Jahren für Sundhage-Verhältnisse ein absolutes Team-Baby) ganz vorne. Das 4-3-3 wird vermutlich nicht ganz so defensiv ausgelegt werden wir beim Quali-Turnier, als es einzig ums Überleben ging. Allerdings: Ein Offensiv-Feuerwerk, wie bei der Heim-EM vor drei Jahren, wird es sicher auch nicht geben. Das Viertelfinale ist das Minimal-Ziel, mehr wäre angesichts der trostlosen jüngeren Vergangenheit aber eine Überraschung.

Südafrika, das vierte Team im Bunde, wird vermutlich zerrieben werden von dem Trio, das sich auf dem Weg zurück zu alter Stärke beweisen will. Die äußerst fähige Holländerin Vera Pauw (die ihre Heimat 2009 aus dem Nichts ins EM-Halbfinale geführt hat) agiert seit einigen Jahren als Entwicklungshelferin in Südafrika, verpasste die WM-Teilnahme nur hauchdünn und qualifizierte sich nun ungeschlagen für Olympia. Für dieses Team sind es nach London 2012 die zweiten olympischen Spiele, jeder Punktgewinn wäre ein großer Erfolg. Der Einzug ins Viertelfinale wäre eine Riesen-Sensation.

Spielorte und Modus

Wie im Spielplan oben ersichtlich: Es handelt sich um drei Vierergruppen, neben den Ersten und den Zweiten ziehen auch die zwei besseren Gruppendritten ins Viertelfinale ein. Bei Punktgleichheit zählt die Tordifferenz. Aufgrund des engen Zeitrahmens wird das Turnier ziemlich durchgepeitscht – so finden alle Viertelfinals am selben Tag statt, auch in der Vorrunde sind immer alle sechs Matches eines Spieltags am selben Tag angesetzt.

Als Spielorte fungieren (mit Ausnahme des Olympiastadions in Rio in der ersten Turnier-Woche, ehe dieses für die Leichtathletik-Bewerbe gebraucht wird) ausschließlich Stadien, die 2014 bei der Herren-WM in Verwendung waren: Die Halbfinal-Arenen von Sao Paulo und Belo Horizonte, dazu Salvador an der Küste, Hauptstadt Brasilia und für zwei Spiele auch die Tropen-Hölle von Manaus.

Live im Fernsehen wird es nur sehr wenig zu sehen geben, weil bei Olympia natürlich noch 27 andere Sportarten komprimiert in zwei Wochen laufen und maximal ARD und ZDF für die deutschen Frauen zwei Sendestunden hergeben. Die offiziellen Übertragungen im Internet (in London ohne Kommentar, quasi im Stadion-Originalton) sind aber recht verlässlich.

siegerliste olympia frauen

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Die Herren Kicker in Rio: Zwischen ungewollt und vollem Willen https://ballverliebt.eu/2016/08/01/olympia-rio-2016-herren-fussball-vorschau-brasilien-deutschland-bender/ https://ballverliebt.eu/2016/08/01/olympia-rio-2016-herren-fussball-vorschau-brasilien-deutschland-bender/#comments Mon, 01 Aug 2016 14:09:16 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12829 Die Herren Kicker in Rio: Zwischen ungewollt und vollem Willen weiterlesen ]]> Es ist so eine Sache mit dem olympischen Männer-Fußball-Turnier. Im Kontext der Spiele ist es kaum mehr als eine Randnotiz, die meisten Spiele werden weit von der eigentlichen Olympia-Stadt ausgetragen, viele bekannte Kicker sind – anders als bei den Frauen – auch nicht dabei und gerade in Europa sind vor allem Klub-Vertreter froh, wenn sich ihr Land nicht qualifiziert. Dennoch hat dieses Turnier, wenn man es für sich betrachtet, einen gewissen Reiz. Hier unsere Vorschau: Rio 2016, das Herren-Fußball-Turnier.

Vor dem Fall des Kommunismus und dem einherhenden Ende des Staats-Amateurtums – dank dem die Ostblock-Staaten de facto mit ihren Nationalteams antreten durften, während Profis aus dem Westen ausgesperrt blieben – gingen sämtliche möglichen Goldmedaillen in den Ostblock (der 1984 die Spiele boykottierte, weshalb dort Frankreich siegte).

Seit dem spanischen Sieg in Barcelona 1992 (mit Guardiola und Luis Enrique) in einem reinen U-23-Turnier und der 1996 in Kraft tretenden Regelung mit 15 Unter-23-Jährigen und drei älteren Spielern im Kader kam kein einziges europäisches Team auch nur ins Finale des Turniers. Spaniens Silber und Italiens Bronze 2004 waren überhaupt die einzigen europäischen Medaillen seit Atlanta.

Gründe für das Image-Problem in Europa

Das europäische Dilemma ist vielschichtig. Zum einen fallen die Spiele genau in den Saisonstart der großen Ligen, oftmals stehen auch schon Europacup-Partien an. Da dann auch noch keine Abstellungspflicht herrscht, ist das Gezänk um die endgültigen Kader fast schon Tradition.

Hinzu kommt, dass jene Spieler, die sich qualifizieren, zu einem großen Teil gar nicht teilnehmen dürfen: Bei einem U-21-EM (die als Quali-Turnier gilt) gilt als Teilnahme-Bedinunung, dass die Kicker am 1. Jänner jenes Jahres, in dem die Qualifikation beginnt, das 21. Lebensjahr vollendet haben müssen. Das heißt, dass beim Turnier anderthalb Jahre später in der Realität die meisten schon 23 Jahre alt sind.

Und damit ein Jahr zu alt für den Stichtag des IOC. Sprich: Die vier Halbfinalisten bei der U-21-EM letztes Jahr (Sieger Schweden, Finalist Portugal sowie die im Semifinale gescheiterten Deutschen und Dänen) haben nicht sich selbst das Ticket nach Rio gesichert, sondern dem nächstjüngeren Jahrgang.

Selbst starke Nationen schaffen es meistens nicht, zwei Jahrgänge hintereinander europäische Spitze zu sein – kleinere Nationen wie Schweden und Dänemark (oder, wie es in London war, Schweiz und Weißrussland) noch viel weniger.

Andere Kontinente, höhere Bedeutung

Die selbst-auferlegte Schwächung der europäischen Teilnehmer macht das Turnier für alle anderen Kontinente umso interessanter, weil somit auch Länder um den Titel mitspielen können, denen bei einer WM die Vielzahl an starken Europäern die finalen Plätze verbaut. Das trägt massiv dazu bei, dass das Olympia-Turnier auf allen anderen Kontinenten einen ungleich höheren Stellenwert genießt als in Europa.

Außerdem gelten in Asien, Afrika sowie Nord- und Mittelamerika schon in der Qualifikation genau die Jahrgänge, die dann auch bei Olympia antreten. In Südamerika ist die U-20-Meisterschaft maßgeblich, womit die Burschen nicht nur selbst teilnehmen können, sondern noch zwei ältere Jahrgänge zu den Spielen dürfen, ohne das Kontingent der drei Over-Aged Players angetastet zu haben.

Nicht umsonst holte sich etwa Argentinien 2004 mit einem Quasi-Nationalteam den Titel: Praktisch alle eingesetzten U-23-Spieler hatten schon A-Länderspiele absolviert (wie Mascherano, Saviola, Tévez, D’Alessandro, Lucho González, Rosales und Coloccini), hinzu kamen noch Ayala, Heinze und Kily González. Na eh klar war die Konkurrenz chancenlos.

Aber das erklärt schon, warum seit Einführung der aktuellen Zugangsregularien 1996 nur Latein-Amerikaner (Argentinien 2x sowie Mexiko) und Afrikaner (Nigeria und Kamerun) den Titel holten und Länder wie Südkorea, Japan und der Irak ins Halbfinale einziehen konnten.

spielplan herren

Für Fußball-Nostalgiker kann das Olympia-Turnier aber durchaus eine gewisse Anziehungskraft ausstrahlen. Denn bei 15 der 16 Teilnehmern spielt der Großteil der Akteure in der jeweils eigenen Liga und gerade die weniger bedeutenden Fußball-Nationen sind überwiegend fast völlige Unbekannte.

Also so wie bis etwa 1990 oder 1994 bei der „großen“ WM.

Gruppe A: Brasilien gegen den Olympia-Fluch

Team BrasilienErstaunlich, aber wahr: Brasilien hat noch nie Olympia-Gold im Fußball geholt. Der großangelegte Angriff in London (mit Neymar, Oscar, Thiago Silva und Marcelo) endete mit einer 1:2-Finalniederlage gegen Mexiko.

Objekitv gesehen war das damalige Team individuell stärker und der Druck auch noch nicht ganz so groß wie jetzt beim Heim-Turnier, wo endgültig nur noch der Sieg zählt. Neymar ist wieder an Bord, der Ex-Leverkusener Renato Augusto ist der zweiter Over-Aged Player. Der Dritte, Goalie Fernando Prass, musste kurzfristig verletzt passen.

Die meisten Spieler ist noch weitgehend unbeschriebene Blätter aus der heimischen Liga, die den Sprung nach Europa (noch) nicht geschafft haben. Es wird der erste wirklich verantwortungsvolle Auftritt von Barcelonas Rafinha werden (dem Bruder des Bayern-Spielers Thiago), dem 19-jährigen Mittelstürmer Gabriel wird großes Talent nachgesagt.

Große Zauberei sollte man von Brasilien nicht erwarten: Der absolute Siegzwang wird das künstlerische Element, wie auch seit Jahrzehnten in der A-Mannschaft zu sehen, merklich verdrängen. Bis zum Halbfinale sollte es keine elementaren Stolpersteine geben und eine Medaille ist das Minimal-Ziel. Dem ganz großen Rummel in Rio kann man sich übrigens lange entziehen: Frühestens im Halbfinale spielt die Selecao erstmals in Rio selbst.

Team DänemarkIm Gegensatz zu Brasilien ist Dänemark, das europäische Team in der Gruppe A, extrem anonym besetzt – vor allem nach der Last-Minute-Absage von Leipzig-Stürmer Yussuf Poulsen. Vom Halbfinal-Team der U-21-EM sind nur noch Sechser Jönsson und Sturmtank Nicolai Brock-Madsen übrig, der Rest rekrutiert sich überwiegend aus der dänischen Liga. Diese hat einige taktisch sehr interessante Teams zu bieten, aber die individuelle Klasse ist in etwa mit der österreichischen vergleichbar.

Das heißt, dass man es aus dänischer Sicht durchaus als Erfolg ansehen müsste, überhaupt aus der Gruppe herauszukommen. Erster dänischer Gegner ist der Irak, Dritter der Asien-Qualifikation. Der mit sehr viel Abstand beste Kicker im Kader ist der linke Außenbahn-Spieler Ali Adnan, der letzte Saison Stammspieler bei Udinese war, dazu gibt es zwei Türkei- und einen Schweiz-Legionär. Keiner der drei „älteren“ Spieler hat das 26. Lebensjahr überschritten. Großte olympische Sternstunde des Irak war der Halbfinal-Einzug 2004, ehe man das Bronze-Spiel gegen Italien (mit Pirlo, De Rossi, Chiellini und Gilardino) verlor.

Südafrika ist erstmals seit 16 Jahren bei Olympia dabei. Damals in Sydney hat man Brasilien 3:1 besiegt, blieb aber dennoch in der Vorrunde hängen. Diesmal setzt sich das Team überwiegend aus Spielern von bekannten, aber zuletzt mäßigen Klubs der ohnehin selbst im kontinentalen Vergleich ziemlich schwachen südafrikanischen Liga zusammen – vier von den Orlando Pirates (7. der letzten Saison), zwei von den Kaizer Chiefs (Fünfter). Bekanntester Kaderspieler ist der langjährige Team-Keeper Ithumeleng Khune, TV-Kommentatoren werden sich besonders auf Innenverteidiger Kwandakwensizwa Mngonyama freuen.

Gruppe B in der Hölle von Manaus

Team SchwedenWas für ein Glück für Schweden: Der vielseitige Alleskönner Simon Tibbling, Angriffs-Einleiter Robin Quaison und Linksverteidiger Pa Konaté waren beim U-21-Titel letztes Jahr jung genug, um auch noch den Olympia-Stichtag erwischt zu haben. Mit Abdul Khalili und Abwehrchef Alexander Milosevic fahren noch zwei weitere Europameister als Over-Aged Players mit – von den echten Stützen des Titel-Kaders fehlen also nur Stürmer John Guidetti und Achter Oscar Hiljemark (die ja auch beide im EM-Kader der „Großen“ waren).

Schweden verfügt über eine hervorragende Jugend-Arbeit, auch schon einige Legionäre die regelmäßig spielen, viel Selbstvertrauen und das Wissen, dass sie die schwedische Zukunft nach Zlatan Ibrahimovic sind und als Kollektiv mittelfristig sicherlich deutlich stärker als die aktuelle A-Nationalmannschaft.

Was allerdings gegen Schweden und auch die drei anderen Teams in der Gruppe spricht: Jeder muss die ersten beiden Spiele in der Amazonas-Tropenhölle von Manaus absolvieren. Von der WM vor zwei Jahren ist bekannt, was das mit den Spielern macht – die meisten waren schon nach einem Spiel in Manaus so kaputt, dass die kurze Regenerationszeit nicht ausreichte.

Womöglich besser als Schweden könnte damit Nigeria zurecht kommen. Auch das bevölkerungsreichste Land Afrikas liegt ja in einer heißeren Klima-Zone, außerdem ist Nigeria dank der unglaublichen Fülle an talentierten und auch ehrgeizigen Nachwuchs-Spielern ein fast schon traditionell starkes Team bei Olympia – 1996 holte man Gold, 2008 Silber.

Der von John Obi Mikel angeführte Kader ist übrigens der einzige der 16 Teilnehmer, der fast ausschließlich aus Legionären besteht – vor allem Mittelständler aus Portugal und Belgien kommen vermehrt vor. Rein vom Potenzial her dürfte Nigeria der stärkste aus dem afrikanischen Trio sein, wie der Sieg beim Qualifikations-Turnier gezeigt hat. Teamchef Samson Siasia ist außerdem sehr vertraut mit Turnier-Situationen mit jungen Spielern: Unter ihm holte Nigeria 2008 das Olympia-Silber und kam ins Finale der U-20-WM 2005.

Auch die Spieler aus Kolumbien kennen sich mit hoher Luftfeuchtigkeit gut aus. Die Caféteros eliminierten im Play-Off die US-Mannschaft von Teamchef Andreas Herzog. Zu erwarten sind typische kolumbianische Fußballer-Eigenschaften: Gute Technik, sicheres Zusammenspiel, durchaus eine gewisse Robustheit; aber auch ein nicht immer sattelfestes Nervenkostüm. Téo Gutiérrez, der auch seit Jahren für das kolumbianische A-Team stürmt, soll vorne gemeinsam mit Mexiko-Legionär Dario Pabón für die Tore sorgen.

Team JapanDie Kolumbianer sind vermutlich nicht ganz so stark wie andere Teams aus Latein-Amerika wie Mexiko und Brasilien, aber das Viertelfinale kann sich schon ausgehen. Auf jeden Fall aber muss man in dieser Gruppe nach dem ersten Platz trachten, um in der ersten K.o.-Runde nicht auf Brasilien zu treffen.

Das wird sich für Japan, Vierter bei den Spielen in London, wohl eher nicht ausgehen. Mit dabei ist auch ein Österreich-Legionär: Takumi Minamino von Meister Salzburg ist fix auf der Außenbahn eingeplant. Davon abgesehen kommt Japan mit international völlig unbekannten Spielern aus der heimischen Liga; das gilt auch für die drei älteren Spieler. Allerdings: Japan ist mit dieser Mannschaft Sieger der Asien-Qualifikation geworden, das muss man auch erst einmal schaffen. Andererseits gab es im letzten Test gegen Brasilien ein 0:2, bei dem man locker auch sieben, acht Gegentore kassieren hätte können.

Realistischerweise hat nur der Sieger dieser Gruppe eine Chance auf eine Medaille, und das auch nur dann, wenn die Strapazen der klimatischen Bedingungen in Manaus schnell aus dem Organismus gebracht werden. Individuell mag Schweden sogar das beste Team der Gruppe sein, Nigeria und Kolumbien ist aber dennoch mehr zuzutrauen.

Gruppe C: Deutschland und der Titelverteidiger

Team DeutschlandDer Sieger (Mexiko) und der Dritte (Südkorea) des letzten Turniers spielen in einer Gruppe, und doch stellt vermutlich keiner der beiden die stärkste Mannschaft der Gruppe C.

Denn allem Ärger um die Abstellungen zum Trotz kann Deutschland bei der ersten Teilnahme seit Seoul 1988 (als Klinsmann, Riedle, Häßler, Bommer und Reck die Brozemedaille holten) ein äußest patentes Team auf die Beine stellen. Die Bender-Zwillinge, die bei WM- und EM-Turnieren so oft wegen Verletzungen passen mussten, werden als Leitwölfe agieren. Um sie herum: Talent, wohin man schaut.

Innenverteidiger Süle hat mit 20 Jahren schon drei Saisonen als Bundesliga-Stammkraft hinter sich, die Schalke-Jungstars Goretzka und Meyer sind künftige National-Stammspieler, der im Frühjahr überragende Julian Brandt von Leverkusen ebenso. Timo Horn ist, was seine statistischen Werte angeht, längst einer der drei besten Keeper der Bundesliga. Lediglich die Frage, wo Leipzig-Stürmer Davie Selke spielt, da ja Nils Petersen als dritter älterer Spieler nominell den Posten in der Sturmspitze besetzt, ist noch nicht ganz klar. Klar ist aber: Wenn dieses deutsche Team nicht um die Medaillen oder gar um den Turniersieg spielt, wäre das eine grobe Under-Performance.

Team MexikoStärkster Gruppengegner wird ziemlich sicher Mexiko sein. Der Sieger von London – Stürmer Oribe Peralta ist wie 2012 auch diesmal wieder dabei – stellt eine grundsolide Mannschaft aus gewohnt gut ausgebildeten, jungen Spielern aus der sowohl sportlich als auch finanziell durchaus zugkräftigen eigenen Liga (die gemeinsam mit der argentinischen und der brasilianischen zu den drei ganz klar stärksten auf dem amerikanischen Kontinent zählt).

Neben Peralta sind auch Linksverteidiger Torres-Nilo und Keeper Talavera, die anderen beiden älteren Spieler, routinierte Kräfte aus der mexikanischen A-Mannschaft. Sie sollen für die internationale Abgeklärtheit sorgen. Es ist damit zu rechnen, dass Mexiko eher über die schnellen Außenbahn-Spieler aufbauen wird und eine solides, aber taktisch nicht besonders aufregendes Spiel zeigt. Völlig wilde Varianten wie das 3-Raute-3 der A-Mannschaft zuletzt bei der Copa América gibt es bei Raúl Gutiérrez (in den 90ern selbst Nationalspieler) eher nicht.

Südkorea errang vor vier Jahren in London eher überraschend die Bronze-Medaille. Angesichts der Konkurrenz in der Gruppe wäre es diesmal aber schon eine kleine Überraschung, sollte man die Vorrunde überstehen – obwohl mit dem Tottenham-Legionär Son Heung-Min der derzeit wohl beste Südkoreaner als einer der der Over-Aged Players die Taeguk Warriors verstärkt. Von Son abgesehen ist der hierzulande wohl „bekannteste“ Akteur der Koreaner Hwang Hee-Chan aus der Red-Bull-Lager, der vor allem in der Ersten Liga beim FC Liefering regelmäßig zum Einsatz kommt.

Überhaupt keine Chance wird das Südsee-Team aus Fidschi haben: Die Insulaner profitierten davon, dass Neuseeland im Halbfinale der Qualifikation einen nicht einsatzberechtigten Spieler aufstellte und daraufhin disqualifiziert wurde. Trainiert wird Fidschi von Frank Farina, der fast ein Jahrzehnt australischer Teamchef war. Im 18-Mann-Kader gibt es mit Stürmer Roy Krishna (der in der australischen A-League kickt) nur einen einzigen Spieler, der nicht in der völlig wertlosen heimischen Liga unter Vertrag steht. Alles andere als drei krachende Niederlagen wären eine Sensation.

Gruppe D: Argentinien wie in den 80ern

Als Argentinien 1986 Weltmeister wurde, wurde die Albiceleste als „Maradona plus ein paar beliebige Andere“ aufgefasst. Das ist den Sleeperblokes vor, neben und hinter Maradona gegenüber ein bissi unfair, aber weil in Argentinien (wie auch in Österreich) bei der Besetzung von Trainerposten Name oft vor Können geht, dürfen sie alle mal irgendwo ran, meist mit überschaubarem Erfolg.

Ja, Keeper Pumpido gewann als Coach die Copa Libertadores und Stürmer Valdano die spanische Liga. Aber Sechser Batista war als A-Teamchef ein chaotisches Desaster, Rechtsaußen Claudio Borghi ruinierte beinahe Bielsas Chile, Libero Brown bekleidete keinen Posten lange, Achter Burruchaga war bestenfalls Durchschnitt, Rechtsverteidiger Clausen hatte 14 Jobs in 14 Jahren, Manndecker Ruggeri trainierte zuletzt vor zehn Jahren ein Profi-Team. Und über Maradonas Zeit als Nationaltrainer braucht man eh keine Worte mehr zu verlieren.

Team ArgentinienNun darf Julio Olarticoechea, damals Linksverteidiger der Weltmeister-Mannschaft, mit dem Olympia-Team ran. Vom intensiven Pressing eines Bielsa oder dem aktuellen Vorwärtsspiel á la Messi / Di María / Higuaín ist sein Olympia-Team weit entfernt, vom unglaublichen Talent der Gold-Truppen von 2004 und 2008 auch. Unter Olarticoechea spielt Argentinien so wie unter seinem Teamchef 1986 und 1990, Carlos Bilardo: Defensiv, zynisch, dreckig.

Kein einziger Spieler im argentinischen Kader hat schon wirklich auf sich aufmerksam gemacht, selbst die zwei älteren Spieler (Turhüter Rulli und Verteidiger Cuesta) haben keinen klingenden Namen – und Achter Manuel Lanzini von West Ham sagte kurzfristig angeschlagen ab. So liegen die Hoffnungen auf einer stabilen Defensive und dem talentierten Zehner Angel Correa. Im letzten Test, einem überhitzten 0:0 gegen Mexiko lief das Team in einem 3-4-1-2 auf, davor in der Regel mit einem 4-2-3-1. Die Vermutung liegt nahe, dass Olarticoechea das System auf den Gegner anpasst.

Team PortugalPortugal verlor das Finale der U-21-EM erst im Elfmeterschießen, aber auch bei ihnen ist nicht mehr so furchtbar viel von dieser Mannschaft übrig. Dennoch: Da Portugal fast immer über gute Junioren-Teams verfügt, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit auch jenes Team, das man nach Rio schickt, nicht völlig untauglich.

Aber es ist halt auch nicht wirklich prominent. Achter Bruno Fernandes von Udinese ist noch der bekannteste Spieler, Sergio Oliveira vom FC Porto war 2011 U-20-Vizeweltmeister. Dazu herrscht im Kader ein (beinahe schon gewohnter) Überhang an bei Sporting ausgebildeten Spielern; die Grünen aus der Hauptstadt bildeten auch drei Viertel der frischgebackenen A-Europameister aus. Die Innenverteidiger Figueiredo, Ilori und Edgar Ié, Rechtsverteidiger Esgaio, Achter André Martins, Rechtsaußen Carlos Mané – alle von Sporting.

Ja, ab dem Viertelfinale wird es vermutlich sehr schwer, aber die Gruppe müsste Portugal schon überstehen können. Dabei sollte man die beiden „kleinen“ Teams der Gruppe aber nicht unterschätzen. Denn die Liga in Algerien ist eine der drei, vier stärksten in Afrika (neben jenen von Ägypten, Tunesien und der DR Kongo) und gleich fünf Kaderspieler Algerien kommen vom Meister USM Algier, zwei weitere von Sétif, dem Afrika-Champions-League-Sieger von 2014. Spannend ist, dass dies tatsächlich ein Team von in Algerien geborenen und aufgewachsenen Spielern ist und nur zwei „Franzosen“ dabei sind.

Auch bei Honduras rekturiert sich der Kader vornehmlich aus den nationalen Spitzenklubs Olimpia Tegucigalpa und Real Espana. Das sind zwar keine internationalen Kapazunder, messen sich aber regelmäßig mit den besten Teams aus Mexiko, den USA und Costa Rica in der Concacaf-Champions-League und sind grundsätzlich schon auch mit dem Ball vertraut. Und Honduras eliminierte in der Qualifikation die USA auswärts mit 2:0. Natürlich wäre es eher unerwartet, wenn Honduras die Gruppe übersteht, aber im Vorbeigehen besiegt man dieses Team auch nicht.

Spielorte und Modus

Wie im Spielplan oben ersichtlich: Es handelt sich um vier Vierergruppen, die Ersten und den Zweiten ziehen ins Viertelfinale ein. Bei Punktgleichheit zählt die Tordifferenz. Aufgrund des engen Zeitrahmens wird das Turnier ziemlich durchgepeitscht – so finden alle Viertelfinals am selben Tag statt, auch in der Vorrunde sind immer alle acht Matches eines Spieltags am selben Tag angesetzt.

Als Spielorte fungieren (mit Ausnahme des Olympiastadions in Rio in der ersten Turnier-Woche, ehe dieses für die Leichtathletik-Bewerbe gebraucht wird) ausschließlich Stadien, die 2014 bei der WM in Verwendung waren: Die Halbfinal-Arenen von Sao Paulo und Belo Horizonte, dazu Salvador an der Küste, Hauptstadt Brasilia und die Tropen-Hölle von Manaus.

Live im Fernsehen wird es nur sehr wenig zu sehen geben, weil bei Olympia natürlich noch 27 andere Sportarten komprimiert in zwei Wochen laufen und maximal ARD und ZDF für das deutsche Team zwei Sendestunden hergeben. Die offiziellen Übertragungen im Internet (in London ohne Kommentar, quasi im Stadion-Originalton) sind aber recht verlässlich.

herren übersicht

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Österreich gewinnt den Cyprus-Cup (plus: noch viel mehr) https://ballverliebt.eu/2016/03/12/oesterreich-cyprus-olympia-frauenfussball-shebelieves-nadeshiko/ https://ballverliebt.eu/2016/03/12/oesterreich-cyprus-olympia-frauenfussball-shebelieves-nadeshiko/#comments Sat, 12 Mar 2016 19:30:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12148 Österreich gewinnt den Cyprus-Cup (plus: noch viel mehr) weiterlesen ]]> Ein Freistoß von der halbrechten Seite segelt in den polnischen Strafraum, eine Abwehrspielern verlängert die Kugel genau vor Katharina Schiechtl – und die Bremen-Legionärin sagt „Danke“. Das entscheidende 2:1 im Finale des Cyprus Cup für Österreich, es war die 89. Minute. Der erste Sieg bei einem der renommierten März-Turniere für Österreich.

Dies ist ein ziemlich ausführlicher Artikel. Zur Übersicht, folgende Themen werden behandelt: Erst geht es im Österreich beim Cyprus Cup, die ÖFB-Frauen haben mit drei Siegen und einem Remis das durchaus namhafte Turnier gewonnen. Dann werfen wir einen Blick auf das europäische Olympia-Quali-Turnier und dort im Speziellen auf das Team der Schweiz. Außerdem fand noch der hochkarätig besetzte SheBelieves Cup in den USA statt, wo die vier derzeit besten Nationalteams der Welt untereinander waren. Und am Ende geht der Blick noch nach Japan, weil der Teilnehmer an den letzten drei Finals von großen Welt-Turnieren die Qualifikation für Olympia sensationell verpasst hat.

Österreich gewinnt den Cyprus Cup

„Im Herbst haben wir mit zwei Sechsern gespielt“, erklärt Teamchef Dominik Thalhammer, nun nur noch mit einem. Das Grundgerüst mit dem Ball war ein 4-1-4-1 bzw. 4-3-3, mit nur einer defensiven Mittelfeld-Spielerin. Durch die doppelte Besetzung auf der Acht/Zehn konnten die Außenstürmer auch wirklich außen bleiben. „Im alten System tendierten die Mittelfeld-Außen dazu, früh einzurücken. So hat uns die Breite gefehlt, wenn die Außenverteidigerinnen nicht sehr weit nach vorne gerückt sind“, so der Teamchef.

Nun kann die Abwehrkette ein wenig flacher bleiben, mit zwei hohen Außenstürmern und zwei offensiv denkenden Achtern stellt man die Abwehr eines destruktiven und tief stehenden Gegners vor die Frage, wie sie es anstellen soll, nicht auseinander gezogen zu werden.

Experiment gegen Irland

Österreich - Irland 2:0 (1:0)
Österreich – Irland 2:0 (1:0)

Gegen Irland im ersten Spiel probierte man aber noch eine weitere Neuerung aus: Aus der Abwehr rückte Viki Schnaderbeck in den Sechserraum auf. So standen zwei Sechser (eher eng), davor zwei Achter (mit größerem Abstand), zwei weit agierende Außenstürmer und Mittelstürmerin Nina Burger. Ein wenig in Richtung WM-System, so wie ganz früher, mit einem aufbauenden, zentralen Viereck.

Wirklich funktioniert hat es offenbar noch nicht, die Abstände zwischen den Spielerinnen waren oft nicht optimal, „aber das ist nicht ungewöhnlich, wenn man etwas zum ersten Mal in einem echten Match ausprobiert“, so der Trainer. In jedem Fall aber hat man Irland doch einigermaßen verwirrt, mit dieser Raumaufteilung, und mit zwei vertikalen Pässen (einmal an die Strafraumgrenzen und einmal in den Rücken der aufgerückten irischen Abwehr) wurden die beiden Tore zum 2:0-Sieg eingeleitet.

In der letzten halben Stunde, nach dem Tor zum 2:0, zog sich das österreichische Team etwas zurück und testete das staubige Nach-Hause-Bringen eines Ergebnisses. Die Folge war eine optische irische Überlegenheit, die aber nicht wirklich etwas einbrachte.

Riegelknacken gegen Ungarn

Österreich - Ungarn 2:1 (0:0)
Österreich – Ungarn 2:1 (0:0)

Die Irinnen wollten durchaus mitspielen, Ungarn zwei Tage später nicht. Das war genau so erwartet worden; die ÖFB-Frauen stellten sich in einem 4-3-3 auf, erstmals mit Barbara Dunst in der Startformation. Die 18-Jährige vom nationalen Meister FSK St. Pölten ist eine Starkstrom-Spielerin, rastlos und unangenehm für jede Gegenspielerin. Mit ihr war der Teamchef auch recht zu zufrieden.

Die Vorgabe für dieses Spiel war, Geduld zu haben. „Oft wurde in der Vergangenheit zu schnell der vertikale Pass gespielt, obwohl dieser nur mit hohem Risiko oder nur ungenau spielbar war“, so Thalhammer. Die Schlussfolgerung: Länger den Ball auch öfter mal quer spielen, den Gegner zum Verschieben zwingen, Löcher abwarten. Eine Vorgabe, die erfüllt wurde: „Das erste Tor entstand aus dem 14. Ballkontakt dieser Ballbesitz-Phase“, freut sich der Teamchef, Sarah Zadrazil war als letzte am Ball, als kurz nach dem Seitenwechsel das 1:0 fiel.

Am Ende stand ein 2:1 (Billa erzielte nach einer Ecke das Siegtor, Bernadett Zágor hatte entgegen des Spielverlaufs den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt) zu Buche, und weil Italien gegen Irland nur zu einem Remis kam, bedeutete das: Ein Punkt im letzten Gruppen-Match, und Österreich würde im Finale stehen.

Defensiv-Test gegen Italien

Österreich - Italien 0:0
Österreich – Italien 0:0

Das Spiel gegen den laut Weltrangliste stärksten Teilnehmer am Cyprus Cup, Italien (Nr. 13, Österreich ist derzeit 27.), war eher eine Trockenheizer-Partie. Die spanische Unparteiische Frías Acedo pfiff auf beiden Seiten viel ab, es gab viele Standard-Situationen, aber sehr wenig Spielfluss.

Italiens Teamchef Antonio Cabrini, Weltmeister von 1982, ging in diesem Turnier vom gewohnten 4-3-3 ab und spielte mit einem 4-4-2 durch. Sprich: konsequentere Besetzung der Außenpositionen und zwei Mittelstürmer, dafür ein Posten weniger zum Aufbauen. So segelten vor allem die langen Bälle von den Vieren hinten auf die Vier da vorne, bzw. die Flanken von den Mittelfeld-Außen in Richtung Strafraum. Italien hatte aber grundsätzlich zunächst mehr vom Spiel und traf auch einmal die Torumrandung.

Nach einer halben Stunde lief die österreichische Pressing-Maschine dann an, was Italien merklich zu schaffen machte und sichtlich nervte, auch kam die Defensive der Azzurre schon ein wenig ins Schwimmen, wenn Druck auf sie ausgeübt wurde. Halb durch die zweite Halbzeit änderte sich das Spiel wiederum radikal, weil Sarah Puntigam nach einem Handspiel mit Gelb-Rot vom Platz musste. Der erste Ausschluss bei den ÖFB-Frauen seit 21 Jahren (damals Gerti Stallinger in einem EM-Quali-Spiel im Horr-Stadion gegen Jugoslawien).

In den verbleibenden 25 Minuten konnte Österreich damit die Variante „Abwehrschlacht“ probieren – das entspricht nicht den Vorstellungen und dem Naturell des Teams, kann aber auch mal nötig sein. Italien machte wiederum Druck, vor allem über die Außenpositionen. „Da haben wir zu viel zugelassen“, moniert Thalhammer, „die Flanken müssen wir besser verteidigen.“ Vor allem, da Norwegen (in vier Wochen Gegner in der EM-Quali) auf eine praktisch idente Spielanlage baut wie Italien in diesem Spiel. Allerdings sagt Thalhammer auch: „Ausgespielt haben die uns nicht!“ Womit es beim 0:0 blieb, Nina Burger hatte in der Nachspielzeit sogar noch die Chance auf den Siegtreffer.

Mühsam gegen Polen

Österreich - Polen 2:1 (1:1)
Österreich – Polen 2:1 (1:1)

In der anderen Gruppe hatte sich Polen durchgesetzt, war deshalb der Finalgegner des ÖFB-Teams. Schnaderbeck rückte für die gesperrte Puntigam auf die Sechs, dafür verteidigte hinten Gini Kirchberger von Köln neben Carina Wenninger von den Bayern innen.

Polens Teamcher Wojciech Basiuk, das wurde schnell deutlich, wusste, wie Österreich spielen will. Er wies seine Spielerinnen an, dem ÖFB-Team gar nicht erst die Gelegenheit zu geben, in das Pressingspiel zu kommen, indem die Bälle schnell los zu werden waren – und zwar hoch und weit in die Richtung von Stürmerin Ewa Pajor. Das funktionierte einerseits ganz gut, weil Österreich tatsächlich nicht so richtig ins gewünschte Spiel kam (dem frühen 1:0 durch Nina Burger zum Trotz), andererseits aber wiederum nicht so richtig, weil Pajor alleine relativ wenig ausrichtete und der Ball zumeist längst wieder bei Österreich war, ehe das polnische Mittelfeld aufrücken konnte. Der Ausgleich (rund 10 Minuten nach dem 1:0) kam hingegen zustande, weil es Polen einmal schaffte, auf spielerischem Weg die erste Pressinglinie zu umspielen, die folgende Flanke verwertete Ewelina Kamczyk (die 19-Jährige stieg vor zwei Jahren direkt von der U-17 ins A-Team auf).

Dieses Spiel zeigte, dass gerade Topf-3-Teams, die sich etwas überlegen, Österreich zuweilen noch vor Probleme stellen können (wie im Herbst auch Wales mit einem durchaus geschickt aufgestellten 3-4-3). Das schnelle Rausbringen des Balles aus der Abwehr in Verbindung mit „drei, vier sehr schnellen Spielerinnen“ (O-Ton Thalhammer) machte Polen zu einem unguten Gegner. Österreich hatte in der Folge mehr vom Spiel, traf auch einmal die Latte (Billa), zwingende Torchancen gab es aber kaum – ehe Schiechtl aus einem Standard kurz vor dem Ende doch noch das Tor erzielte.

Bilanz

„Im Grunde haben wir alle Ziele erreicht“, ist Teamchef Thalhammer zufrieden: „Es war eine Weiterentwicklung in allen Bereichen und wir arbeiten gezielt an Details. Es gab einige gute Erkenntnisse was das Offensivspiel betrifft und unser Verhalten im Ballbesitz, aber auch bei Pressing-Situationen. Da sind wir oft nicht genau genug im Anlaufen, und das Gegenpressing ist manchmal etwas zu ungestüm.“ Sprich: Wenn man im Gegenpressing ein Foul verursacht, ist das nicht so furchtbar hilfreich.

Und Negatives? „Da kann ich nichts finden“, überlegt der Trainer, „alle sind fit wieder heimgekommen, das ist sehr wichtig. Außerdem haben wir gesehen, dass da ein Team auf dem Platz steht, das sehr stabil ist, egal was passiert. Ob es nun ein vermeidbares Gegentor, ein Ausgleich oder gar ein Ausschluss ist.“

Die nächsten Aufgaben warten am 6. und am 10. April im Vorwärts-Stadion von Steyr. Da kommen in der EM-Qualifikation Kasachstan (sollte ein klarer Sieg für Österreich werden) und Gruppenfavorit Norwegen. Und, nur um es noch einmal zu erwähnen: Die ÖFB-Frauen sind nun seit 17 Spielen oder ziemlich exakt zwei Jahren ungeschlagen, Gegner waren in dieser Zeit etwa Australien (WM-Viertelfinalist), Finnland (EM-Teilnehmer), Spanien (WM-Teilnehmer) und Italien (EM-Viertelfinalist).

Die Olympia-Quali

Schweden - Norwegen 1:0 (1:0)
Schweden – Norwegen 1:0 (1:0)

Norwegen spielte parallel zum Cyprus Cup in der europäischen Olympia-Qualifikation (Deutschland und Frankreich sind wegen ihrer WM-Leistungen schon qualifiziert, hier ging es um den dritten und letzten UEFA-Platz) und verpasste das Turnier in Rio, für das in der Vierergruppe (mit Schweden, Schweiz und Turnier-Gastgeber Holland) der ersten Platz notwendig gewesen wäre.

Unter Roger Finjord, seit einem halben Jahr Chef-Trainer, spielt der Weltmeister von 1995 und Olympiasieger von 2000 in einem 4-4-2, das im Aufbau eigentlich ein 4-2-4 ist: Zwei statische Sechser im Zentrum, gelernte Außenstürmer an den Flanken, eine bullige und eine trickreiche Stürmerin im Zentrum.

Wenn Norwegen aber gezwungen ist, das Spiel gegen einen Gegner von halbwegs Klasse zu gestalten, wird das alles sehr bieder – was aber zum insgesamt eher enttäuschenden Niveau bei diesem Mini-Turnier passt. Schweden etwa machte in erster Linie zu (passive Viererkette hinten, drei zentrale und defensiv denkende Leute im Mittelfeld), schlich und mauerte und mogelte sich zum Gruppensieg (frühes Tor und dann nix mehr beim 1:0 gegen Norwegen, klares Abseits-Tor beim 1:0 gegen die Schweiz, profitiert von einem Mörder-Bock in der holländischen Abwehr beim 1:1).

Schweden hat sich seit der Heim-EM 2013 in eine gravierende spielerische Krise manövriert, auch wegen personeller Aderlässe: Öqvist ist Mama, Göransson in der Anonymität von Mittelständler Vittsjö untergetaucht, Sjögran ist Sportdirektorin in Malmö und die dünnhäutige Asllani hat sich mit der zuweilen undiplomatischen Teamchefin Pia Sundhage überworfen. Kurz: Schweden hat derzeit nicht das Personal für ein Offensivspiel der Marke Sundhage, weshalb Pia den pragmatischen Weg gewählt hat und mauerte.

Holland war die einzige Mannschaft, die konsequent versucht hat, selbst ein Spiel aufzuziehen, das diesen Namen auch verdient, zerlegte so die Schweiz, aber gegen Schweden und Norwegen fehlte die individuelle Klasse (wohl auch, weil Außenstürmerin Lieke Martens und Abwehrchefin Stefanie van der Gragt verletzt fehlten). Der Weg zur Heim-EM im kommenden Jahr stimmt bei Oranje unter Bondscoach Arjan van der Laan aber.

Die Sache mit der Schweiz und Martina Voss

Holland - Schweiz 4:3 (1:1)
Holland – Schweiz 4:3 (1:1)

Das einigermaßen deutlich schwächste Team im Turnier war das aus der Schweiz. Das lag zum einen daran, dass Führungsspielerinnen wie Ramona Bachmann und Lara Dickenmann komplett von der Rolle waren. Aber auch daran, dass das System und die Spielanlage an Naivität kaum zu überbieten waren.

Die deutsche Trainierin Martina Voss-Tecklenburg stellte nach der WM vom flachen 4-4-2 auf ein 4-1-3-2 um, in dem die Außen im Mittelfeld recht breit stehen. Ziel: Mit vier Offensiven auf der ganzen Breite angreifen, plus einen zentralen Zehner, plus offensiv denkene Außenverteidiger (wie Ana Maria Crnogorcevic, die eigentlich Außenstürmerin ist). So überfährt man unterklassige Gegner wie Georgien und Nordirland in der EM-Quali im Herbst 4:0 und 8:1, eh klar. Beim 3:0 in Italien im Oktober hatte man schon Glück, dass Italien (damals im 4-3-3) die klare Überzahl im Zentrum wegen akutem Kreativitätsmangel nicht nützte – und, dass Azzurre-Goalie Giuliani zweimal grob daneben griff; das Resultat von 3:0 täuscht darüber hinweg, dass die Schweiz in Cesena sicherlich nicht die bessere Mannschaft war.

Italien - Schweiz 0:3 (0:0)
Italien – Schweiz 0:3 (0:0)

Nun ging es aber gegen wirklich gute Gegner, und schon die realtiv spielstarken Holländerinnen machten die offenen Halbräume, die Schweiz über 70 Minuten nicht zumachte, zu ihrem persönlichen Spielplatz. Spielerinnen wie Trainerin beklagten sich nach der Lehrstunde (in der man nur wegen konditioneller Mängel bei Holland in der Schlussphase noch von 1:4 auf 3:4 verkürzt hatte) über „zu große Räume“, die man Oranje im Mittelfeld gewährt hatte. Das ist aber außschließlich Voss anzukreiden.

Die Erkenntnisse der WM und der Spiele seither sprechen eine eindeutige Sprache: Geht es gegen deutlich schwächere Teams (wie Ecuador bei der WM), spielt man die individuelle Überlegenheit und die relative Offensivstärke gnadenlos aus. Gegen stärkere Gegner aber passt man die Strategie nicht an und rennt blindlings in offene Messer. So war es bis zu einem gewissen Grad beim eher peinlichen 1:2 gegen Kamerun bei der WM, so hätte es in Cesena gegen Italien werden können (wenn die es etwas intelligenter gespielt hätten), und so war es absolut bei 3:4 in Holland nun in der Olympia-Quali.

Immerhin: Gegen die zentral stark aufgestellten Schwedinnen stellte Voss tatsächlich auf ein 4-2-3-1 um (mit Zehnder und Wälti auf der Sechs) und hielt Schweden halbwegs an der Leine, ehe man das Pech hatte, dass das Referee-Gespann ein Tor für das Trekronor-Team anerkannte, bei der Torschützin Caroline Seger auf der Torlinie stand, also klar Abseits war. Im letzten Spiel gegen Norwegen (als die Schweiz schon aus dem Rennen um das Olympia-Ticket war) kam wieder das offene 4-1-3-2 zum Einsatz, was nur deshalb funktionierte, weil Norwegen eben ohne Aufbau via Zentrum spielt.

Österreich - Schweiz 1:2 (0:1)
Österreich – Schweiz 1:2 (0:1)

Martina Voss war als Spielerin gemeinsam Europameisterin und Vize-Weltmeisterin mit Silvia Neid, und gemeinsam ist ihnen das Vertrauen auf individuelle Klasse, das Überrennen der Gegner über die Flügel und offenbar auch die Abneigung, den eigenen Matchplan auf den Gegner anzupassen (womöglich, weil sie es unter ihrem damaligen Teamchef Gero Bisanz auch nicht anders gelernt hatten). Für die EM im kommenden Jahr wird sich die Schweiz natürlich völlig ohne Probleme qualifizieren, aber dort wird es das nächste Mal wieder spannend, inwieweit sich Voss da auf starke Gegner anpasst. Interessant wäre wieder mal ein Spiel der Schweiz gegen Österreich: Derzeit sieht es so aus, als wäre die Schweiz individuell besser aufgestellt, Österreich inhaltlich.

Das letzte Duell gab es im August 2012 in Altach, die Schweiz gewann damals 2:1 (Tore von Moser und Dickenmann bzw. Puntigam). Gerade Österreich, damals noch am Anfang der Entwicklung ist inhaltlich aber überhaupt nicht mit 2012 zu vergleichen.

Das Turnier der Großen in den USA

Das März-Turnier mit dem vermutlich dämlichsten Namen aller Zeiten („SheBelieves Cup“) war jenes mit dem wohl höchsten Niveau aller Zeiten. Gastgeber und Weltmeister USA gewann die Premiere mit drei Siege in drei Spielen vor Deutschland (6 Punkte), England und Frankreich (je 1 Punkt). Nun haben manche das Turnier ernster genommen (USA) als andere (Frankreich), ein paar schöne Erkenntnisse lassen sich auch dem durchaus ansehnlichen Cup aber schon ziehen.

USA - England 1:0 (0:0)
USA – England 1:0 (0:0)

Erstaunlich ist vor allem, dass die USA ohne Abby Wambach (der Sturmtank hat aufgehört) und Megan Rapinoe (die oft eigensinnige Flügelflitzerin riss sich das Kreuzband) viel flexibler ist. Im aktuellen Mix aus 4-2-3-1 und 4-4-1-1 kippen die beiden Sechser in der Regel seitlich ab, um die aufrückenden AV abzusichern; WM-Final-Star Carli Lloyd nimmt sich im Dienste der Mannschaft eher zurück. Und: Trainerin Jill Ellis baut jetzt, noch vor Rio, die Jungen ein.

Lindsey Horan, eigentlich ein Offensivgeist, fremdelt mit ihrer Rolle im defensiven Mittelfeld noch etwas. Emily Sonnett, der Nr.-1-Draft-Pick, spielte in der Innenverteidigung auf sicher und hielt sich an der routinierten Becky Sauerbrunn an. Und Mallory Pugh ist the real deal: Das 17-jährige Mädel (die schon vor anderthalb Jahren bei der U-20-WM die einzige US-Spielerin war, die auf der Höhe des Geschehens war) ist unerhört schnell, technisch schon extrem gut und hat auch durchaus Spielverständnis.

Allerdings: Furchtbar viel kommt, von diesen drei abgesehen, auf absehbare Zeit auch nicht nach und Trainerin Ellis rotiert auch eher ungarn. Mit Crystal Dunn als bullige und Christen Press als international routinierte Alternative für Pugh, und eher wieder mit Julie Johnston (wie bei der WM) statt Sonnett wird Ellis so in die Olympischen Spiele gehen. Ob Rapinoe rechtzeitig fit wird, muss sich zeigen – und ob ihre Rückkehr dem US-Spiel überhaupt gut täte, ebenso.

2016 03 03 Ger-Fra 1-0Bei Deutschland wurden von Noch-Bundestrainerin Silvia Neid ein paar neue Leute ausprobiert (Kerschowski und Blässe am Flügel, Hendrich als RV, Doorsoun als LV), andere Leute weiter mit einer kaum nachvollziehbahren Nibelungen-Treue bedacht (die IV mit Krahn, 30, und Bartusiak, 33, beide eher von der Holzfuß-Fraktion und nicht gerade die weiblichen Wiedergänger von Javi Martinez und Jerome Boateng) und im ersten Spiel mit einem 4-1-4-1 geteasert.

Dieser System-Test wurde aber extrem halbherzig absolviert, schnell kam man wieder auf das gewohnte, berechenbare Neid’sche 4-4-2, das dann auch beinhart durch das restliche Turnier durchgezogen wurde. So als ob Neid sagen würde: Ich habe mich zehn Jahre nicht um die Entwicklung einer taktischen Alternative geschert, warum sollte ich jetzt, ein paar Monate vor Ende meiner Amtszeit, damit anfangen. Nach Olympia übernimmt Steffi Jones, ob sie das Amt der Bundestrainerin etwas weltoffener anlegt als Neid, weiß noch niemand.

England zeigte sich etwas weniger systemvariabel als sonst, spielte aus einem 4-1-3-2 heraus das Turnier weitgehend durch und testete vor allem das Stören des Aufbaus von spielstärkeren Teams. Das gelang gut: Die USA fand trotz des 1:0-Sieges nie eine wirkliche Lösung, genauso die berechenbaren Deutschen (die nur wegen eines Eigentors und eines geschenkten Elfers 2:1 gewannen) und das Spiel gegen Frankreich endete 0:0. Zwar holte England also nur einen Punkt aus den drei Spielen, furchtbar unzufrieden wird Trainer Mark Sampson aber nicht sein.

Dafür spielte Frankreich diesmal ein bisschen „Little Britain“ und variierte das System (4-1-4-1 gegen Deutschland, 4-4-2 gegen die USA, 4-2-3-1 gegen England) – wenn auch nicht die Spielanlage. Frankreich will natürlich immer noch den Ball, ist technisch exzellent, erarbeitet sich Chancen – braucht aber zu viele und im entscheidenden Moment klappts einfach nicht. Irgendwie wie immer halt. Immerhin: Kheira Hamraoui zeigte im DM auf und ist eine echte Alternative zu Cammy Abily und Amandine Henry.

Was das für Rio bedeutet? Einerseits sollte man natürlich erst einmal die Auslosung der drei Gruppen am 14. April abwarten. Aber: Weltmeister USA ist stärker als bei der WM im letzten Jahr und ist der klare Favorit auf die fünfte Goldmedaille im sechsten olympischen Frauen-Turnier. Frankreich – bei der WM die deutlich stärkste Mannschaft, aber im Viertelfinale im Elferschießen an Deutschland gescheitert – hat es drauf, muss es aber erst einmal im Kopf zusammenbringen.

Deutschland wird genauso daherkommen wie immer und von jedem Gegner mit einem kleinen Stück Hirnschmalz und der nötigen individuellen Klasse dazu vor gravierende Schwierigkeiten gestellt werden. Algarve-Cup-Sieger Kanada ist Außenseiter, Veranstalter Brasilien (beim heuer mäßig besetzten Algarve Cup immerhin im Finale) ist nicht so gut und hat den größten Druck.

Sayonara, Norio-san

Und Japan? Nun ja: Jenes Team, das in allen drei großen Finals seit 2011 stand (2x Weltmeisterschaft und 1x Olympia) ist die größte Sensation der #RoadToRio. Nach einem verdienten 1:3 gegen Australien, einem peinlichen 1:1 gegen Südkorea und einem bitteren 1:2 gegen China stand schon nach drei der fünf Spiele fest, dass die Nadeshiko keine Chance mehr auf eines der beiden asiatischen Tickets für Olympia hat.

Trainer Norio Sasaki, der vor acht Jahren ein Mitläufer-Team übernommen und es zur zeitweise deutlich besten Mannschaft der Welt gemacht hat, nahm seinen Hut. Das blamable Scheitern ist zu einem gewissen Grad auch seine Schuld: Er hat es verabsäumt, einen wirklichen Generationswechsel zu vollziehen. Das Team, das sich letztes Jahr ins WM-Finale schleppte, hatte ein geradezu biblisches Durchschnitts-Alter, bis auf Homare Sawa (die 36-jährig ihre Karriere beendete) sortierte er aber weiterhin niemanden aus.

Ob Sasaki aber auch an der Schlampigkeit im Passspiel Schuld ist, das sein Team bei dem Olympia-Quali-Turnier gezeigt hat? Japans Anlage ist auf präzisen Pässen in der gegnerischen Hälfte ausgelegt, um die körperlichen Nachteile auszugleichen. Ständig aber musste Spielerinnen ungenauen Pässen nachlaufen, passierte billige Abspielfehler, wurde das Tempo heraus genommen. So kann man selbst als Japan Teams wie Australien und China nicht unter Druck setzen, selbst gegen die beiden koreanischen Teams mühte man sich ab. Eine entsetzte Homare Sawa gab zu Protokoll, dass der Fokus fehle, die Bereitschaft, auch wenn es nicht läuft konzentriert zu bleiben. Kurz: Japan wirkte alt und satt.

Aya Miyama, die das Spiel gestalten soll, spielt nur Alibi-Pässe. Die routinierte Yuki Ogimi konnte sich im Strafraum überhaupt nicht durchsetzen, die Zeit von RM Shinobu Ohno ist längst vorbei. Und Innenverteidigerin Azusa Iwashimizu, die wirklich schon alles gesehen hat, ist seit dem für sie desaströsen WM-Finale gegen die USA und Carli Lloyd komplett neben der Spur.

Wer auch immer Norio Sasaki nachfolgt – heißeste Kandidatin ist Japans Junioren-Teamchefin Asasko Takakura – hat nun gemütlich drei Jahre Zeit, um bis zur WM 2019 in Frankreich einen Generationswechsel zu vollziehen. Normalerweise dürften aus der aktuellen Stammformation dann kaum noch mehr als drei oder vier Leute übrig sein.

By the way: Australien und China fliegen für den asiatischen Verband nach Rio.

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Zwei völlig verschiedene Spielanlagen schärfen https://ballverliebt.eu/2016/02/26/oesterreich-frauen-cyprus-cup-italien-irland-ungarn-olympia/ https://ballverliebt.eu/2016/02/26/oesterreich-frauen-cyprus-cup-italien-irland-ungarn-olympia/#respond Fri, 26 Feb 2016 19:57:43 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12086 Zwei völlig verschiedene Spielanlagen schärfen weiterlesen ]]> Das Leistungsgefälle ist, allen Fortschritten der Mittelklasse zum Trotz, im Frauenfußball immer noch gewaltig. Das heißt: Schwächere Teams bunkern sich gegen bessere extrem hinten ein und verbarrikadieren die gefährliche Zone vor dem Tor.  Nun gehört Österreich mittlerweile auch zu den stärkeren Nationalteams.

Das dadurch entstehende Dilemma: Die auf extrem aggressives Pressing und hohe körperliche Robustheit ausgelegte Spielanlage kann oftmals nicht zur Anwendung gebracht werden, weil der Gegner den Ball gar nicht haben will und man dadurch auch niemanden anpressen kann. Darum ist ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer gezwungen, der Mannschaft eine zweite, völlig entgegengesetzte Spielanlage einzuimpfen. Dazu dient der kommende Cyprus Cup.

Vier Monate ist das letzte Länderspiel der ÖFB-Frauen nun her. Das 1:0 in der EM-Quali in Israel war ein furchbar zähes Spiel: Über 500 Pässe spielte Österreich da, hatte um die 80 Prozent Ballbesitz, kreierte aber kaum echte Torgefahr gegen einen ultra-defensiven Gegner.  „Es muss uns gegen solche Teams besser gelingen, zwischen die Linien zu kommen und auch konsequenter dorthin kommen, wo es zählt – in den Strafraum, vor das Tor“, fordert Teamchef Thalhammer, der zuletzt zum sportlichen Leiter der Traineraus- und -fortbildung im ÖFB befördert wurde.

Anders gesagt: Viel Ballbesitz alleine bringt gar nichts, wenn man nicht vors Gehäuse kommt. Genau das kann im zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn (am 4. März) trainiert werden. Thalhammer erwartet ein ähnliches Spiel wie vor genau einem Jahr, als Österreich beim Istrien Cup gegen Ungarn spielte und in einem ähnlichen Spiel wie zuletzt in Israel ebenso 1:0 gewann.

cypruscup

Irland, Ungarn, Italien

Dafür will Thalhammer eine erhöhrte System-Flexibilität etablieren. Vom 4-4-2, das in den letzten Jahren immer die Basis war, ging man im Herbst schon oftmals zugusten eines 4-2-3-1 ab, aber generell soll das System selbst den Gegebenheiten nahtlos angepasst werden können. Gegen Irland, zwei Tage davor, wird Österreich wohl ein wenig eher die in den letzten Jahren gewonnene körperliche Robustheit ausspielen können, mit der man das irische Team schon letztes Jahr in Istrien bis zum Gehtnichtmehr genervt hat.

Im letzten Gruppenspiel dürfte dann wieder der komplette Furor des ultra-aggressiven Pressings ausgepackt werden, den Österreich gegen die stärkeren Teams in den letzten Jahren ausgezeichnet hat – wenn die Italienerinnen sie lassen. In ihrem letzten Spiel gegen ernst zu nehmende Konkurrenz nämlich, im Herbst in der EM-Quali gegen die Schweiz, gefiel sich Italien darin, mit einem 4-3-3 und einer flachen Offensivreihe die gegnerische Spieleröffnung durch Stellungsspiel zu kappen.

Womoglich wird, so seltaam das klingen mag, dieses Spiel mehr über Italien aussagen als über Österreich. Italien, Viertelfinalist der letzten EM, ist in der Theorie ein Team der erweiterten europäischen Spitze, in der Praxis aber ein Scheinriese auf der Suche nach sich selbst.

Österreich - Italien 1:3 (1:3)
Österreich – Italien 1:3 (1:3)

Der nationale Meister Verona hatte die ärgste Mühe, im Herbst im Europacup den österreichischen Vertreten St. Pölten zu eliminieren (5:4 und 2:2), die beste Spielerin der letzten 20 Jahre, Patrizia Panico, hat mit 41 Jahren nun doch ihre Team-Karriere beendet, und bis auf Melania Gabbiadini (die Schwester von Napoli-Stürmer Manolo) und Bayern-Linksverteidigerin Raffaela Manieri (die im Nationalteam Innenverteidigerin spielen muss) ist keine Akteurin von europäischer Klasse in Sicht. Orientiert sich Cabrini an der österreichischen Spielanlage oder will er selbst das Spiel in die Hand nehmen? Kühne Prognose: Stellt sich Italien eher passiv mit den der Offensiven vor die österreichische Eröffnung, hat Italien gute Karten. Will Italien spielen, kann es aber schlimme Dresche von Österreich geben.

Das bisher einzige Spiel Österreichs gegen Italien (wo 1982er-Weltmeister Antonio Cabrini der Teamchef ist) wurde vor drei Jahren 1:3 verloren, das war in der Frühphase des sich entwickelnden österreichischen Pressing-Spiels: Vorne wurde kräftig drauf gegangen, im Mittelfeld aber nicht nachgerückt. Es war auch das letzte Spiel von Marion Gröbner, Susi Höller und der eingewechselten Maria Gstöttner, zwei langjährigen Stützen des ÖFB-Teams.

Das Spiel in Larnaca ist nun eine schöne Vergleichsmöglichkeit. Danach wartet noch ein viertes Spiel bei diesem Turnier, das Platzierungsspiel – gegen ein Team aus der anderen Gruppe. Dort spielen Turnier-Organisator Finnland, dazu Wales, Polen und Tschechien. Was passiert, sollte es zu einem Spiel gegen Wales kommen, ist nicht ganz klar, schließlich sind die Waliserinnen Gegner von Österreich in der derzeit laufenden EM-Quali. „Das wäre subobtimal“, sagt auch Thalhammer, „andererseits kennen wir uns ohnehin in- und auswendig. Zudem stellt sich die Frage, ob man das Spiel dann wirklich ernst nimmt.“

Ob es möglich ist, bei einem etwaigen Platzierungsspiel gegen Wales den Modus kurzfristig umzudrehen (es ist am Ende ja doch nur ein Test-Turnier, keine Pflichtspiel-Veranstaltung), sei mal dahingestellt. Gegen Finnland spielte Österreich in der letzten Quali für die WM 2015 (1:2 in Turku und 3:1 in Wr. Neustadt), gegen Tschechien in der Quali davor für die EM 2013 (1:1 in Vöcklabruck und 3:2 im Schlüsselspiel in Prag), beide ließ man hinter sich. Am interssantesten wäre wohl ein Duell gegen Polen, da liegen die letzten Spiele nämlich schon lange zurück: In der Quali für die EM 2009 verlor Österreich 0:1 in Freistadt und gewann 4:2 in Kutno, mit Carina Wenninger und Nina Burger sind aber nur noch zwei Spielerinnen von damals noch mit dabei.

Ein Wort zum ÖFB-Kader: Grundsätzlich sind alle dabei, bis auf Offensiv-Allrounderin Lisa Makas (erneuter Kreuzbandriss) und Goalie Anna-Carina Kristler (beruflich verhindert).

Olympia-Qualifikation

Zeitgleich wird noch an jeder Menge anderen Orten Frauenfußball gespielt. Vor allem in der Olympia-Quali geht es heiß her.

In Rotterdam rittern Holland, Norwegen, Schweden und die Schweiz um den letzten europäischen Platz im olympischen Turnier in Brasilien im Sommer, nachdem Deutschland und Frankreich ihr Ticket schon bei der WM letztes Jahr gebucht haben (England als bestes europäisches Team der WM darf ja nicht mitmachen, weil sich die anderen Home Nations querlegen).

Nun spielen also die vier im Achtelfinale der WM eliminierten europäischen Teams aus, wer die Deutschen (im letzten Turnier unter Silvia Neid) und Frankreich begleitet. Norwegen (Österreichs Gruppengegner in der EM) planiert Test- und Qualigegner unter dem neuen Teamchef Roger Finjord nach Belieben (4:0 gegen Wales, 6:0 gegen Rumänien, 4:0 in Schottland – nur gegen Frankreich gab’s zuletzt ein knappes 0:1); die Schweiz besiegte auswärts in der EM-Quali Italien und sieht stabil (wenn auch nicht vesinders aufregend) aus, der kommende EM-Gastgeber Holland ist unter dem neuen Trainer Arjan van der Laan überhaupt noch ungeschlagen (mit Siegen gegen Weltklasse-Team Frankreich, WM-Finalist Japan und zweimal gegen Dänemark). Nur die Schweden scheinen sich nach der katastrophalen WM noch immer nicht zurück in die Spur begeben zu haben. Wer sich da durchsetzt? Unmöglich vorherzusagen. Hier geht’s wirklich um was – kein Wunder, dass Eurosport statt (wie in den letzten Jahren) den Algarve Cup heute die Olympia-Quali überträgt.

Parallel werden in Osaka die beiden asiatischen Tickets ausgespielt. Japan gilt in dem Mini-Turnier als Favorit, China und Australien (beide im WM-Viertelfinale) sind die heißesten Kandidaten auf den zweiten Platz. Nordkorea (bei der WM ausgeschlossen) und Südkorea (im WM-Achtelfinale) haben wohl nur Außenseiterchancen, Vietnam gar keine.

Schon letzte Woche wurde das CONCACAF-Quali-Turnier absolviert, wie erwartet kamen da Weltmeister USA und WM-Viertelfinalist Kanada durch (das konsequenzlose Finale des Turniers gewann die USA mit 2:0), dahinter ist nun endgültig klar, dass Costa Rica als klare Nummer drei des Kontinents Mexiko deutlich den Rang abgelaufen hat.

olympia

USA, Algarve, Istrien

Weil Schweden und Norwegen, zwei Stammgäste beim Algarve-Cup, eben indisponiert sind, verlor das prestigeträchtigste März-Turnier deutlich an sportlichem Stellenwert, weswegen die USA nun ihr eigenes Turnier ausrichtet – den „SheBelieves Cup“, mit Deutschland, England und Frankreich. Vier der fünf besten Nationalteams der Welt treffen da in Tampa, Nashville und Boca Raton aufeinander. Ein Leckerbissen.

Ohne die USA, Deutschland, Norwegen und Schweden kommt der Algarve Cup heuer extrem gerupft daher. Statt der üblichen 12 sind es diesmal nur acht Teilnehmer, darunter auch Kanada – dieses Team spielte, wie Frankreich, England und Holland, traditionell immer beim Cyprus Cup mit. Womit dieses Turnier, das Österreich nun erstmals bestreitet, auch nicht mehr ganz das Niveau der letzten Jahre hat.

Umso wichtiger, dass es mit einer österreichischen Teilnahme in Zypern klappte, denn der Istrien-Cup (wo Österreich ja letztes Jahr spielte) ist heuer komplett wertlos und in dieser Form sicher nicht dauerhaft überlebensfähig. Neben den drittklassigen Teams aus Kroatien, Slowenien, der Slowakei und Nordirland füllen die B-Teams von Frankreich und Ungarn, die U-23 der USA und die U-20 aus Polen das Feld auf. Die Zweitverwertungen des USWNT und der Équipe Tricolores sollten das unter sich ausmachen, im Normalfall.

Der Kader für den Cyprus Cup

Österreich: Tor: Jasmin Pal (19, Innsbruck, 0 Länderspiele/0 Tore), Manuela Zinsberger (20, Bayern/GER, 13/0). Abwehr: Verena Aschauer (22, Freiburg/GER, 26/3), Barbara Dunst (18, St. Pölten, 1/0), Virginia Kirchberger (22, Köln/GER, 30/0), Sophie Maierhofer (20, Werder Bremen/GER, 6/1), Katharina Schiechtl (22, Werder Bremen/GER, 8/2), Viktoria Schnaderbeck (25, Bayern/GER, 43/2), Lisi Tieber (25, Neunkirch/SUI, 23/1), Carina Wenninger (25, Bayern/GER, 48/3). Mittelfeld: Jasmin Eder (23, St. Pölten, 24/0), Laura Feiersinger (22, Bayern/GER, 35/6), Jenny Pöltl (22, St. Pölten, 31/3), Nadine Prohaska (25, St. Pölten, 55/7), Sarah Puntigam (23, Freiburg/GER, 53/9), Sarah Zadrazil (23, Eastern Tennessee/USA, 28/2). Angriff: Nici Billa (19, Hoffenheim/GER, 13/6), Nina Burger (28, Sand/GER, 70/38), Stefanie Enzinger (25, Sturm Graz, 1/0), Simona Koren (22, Eastern Tennessee/USA, 6/0).

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Wieder verloren! Seit 18 Jahren heißt Schwedens Albtraum „Tyskland“ https://ballverliebt.eu/2013/07/25/wieder-verloren-seit-18-jahren-heist-schwedens-albtraum-tyskland/ https://ballverliebt.eu/2013/07/25/wieder-verloren-seit-18-jahren-heist-schwedens-albtraum-tyskland/#comments Wed, 24 Jul 2013 23:10:47 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9207 Wieder verloren! Seit 18 Jahren heißt Schwedens Albtraum „Tyskland“ weiterlesen ]]> Schweden drückte.Warf alles nach vorne, traf einmal aus Abseitsstellung, einmal den Pfosten, mehr als einmal rettete Nadine Angerer in höchster Not. Nachdem man selbst den offensivsten Fußball des Turniers gezeigt hat und sich Deutschland ins Halbfinale gewurschtelt hatte, war am Ende doch alles wie immer: Es ist knapp, es ist eng, aber am Ende hat die DFB-Elf die Nase vorn. Diesmal, im Halbfinale der schwedischen Heim-EM, hieß es 0:1. So war es in den letzten 18 Jahren immer: Nie konnte Sverige in diesem Zeitraum ein wichtiges Spiel gegen Tyskland gewinnen…

EM-Semifinale 2013: Deutschland gewinnt 1:0
EM-Semifinale 2013: Deutschland gewinnt 1:0

„Ich bin stolz auf mein Team“, sagte Schwedens Teamchefin Pia Sundhage nach der bitteren Niederlage, „weil wir ein sehr gutes Spiel gezeigt haben. Alles versucht haben. Am Ende hatten wir da und dort ein wenig Pech, waren da und dort auch nicht gut genug.“ So oder so ähnlich lautete das Fazit aber fast immer, wenn Schwedens Frauen in den letzten 18 Jahren gegen Deutschland spielten: Am Ende gibt’s nur Lob (Neid: „Pia macht einen tollen Job, bei der WM in zwei Jahren wird die Mannschaft ein heißer Tipp sein!“), aber den Sieg nehmen dann doch die Deutschen mit.

Das begann schon, als die mittlerweile 52-Jährige Sundhage noch selbst auf dem Platz stand – im Finale der Europameisterschaft 1995. Als die Serie von fünf deutschen EM-Titeln in Folge begann. Und die Leidenszeit des Trekronor-Teams gegen die „großen und brutalen Deutschen“ (O-Ton Kosse Asllani).

Angstgegner seit fast zwei Jahrzehnten

EM-Finale 1995: Deutschland gewinnt 3:2
EM-Finale 1995: Deutschland gewinnt 3:2

Im Spiel um Platz drei bei der ersten Frauen-WM 1991 behielt Schweden noch mit einem klaren 4:0 die Oberhand. Aber vier Jahre später, als sich die beiden Teams das nächste Mal zu einem bedeutenden Spiel trafen, ging’s los – eben im Finale des EM-Turniers von 1995. Die Schwedinnen, die drei Monate später ihre Heim-WM vor der Türe hatten, mussten im Endspiel nach Kaiserslautern – und verloren. Der schnellen Führung durch Malin Andersson (3.) folgten drei deutsche Tore (durch Meinert, Prinz und Wiegmann). Der Anschlusstreffer von Anneli Andelén kurz vor dem Schlusspfiff war zu spät. Für Deutschland war es der erste von fünf EM-Titeln in Folge, für Schweden ein schlechtes Omen für die Heim-WM. Dort besiegte man zwar Deutschland in der Gruppenphase, scheiterte aber im Viertelfinale von Helsingborg an China – Annica Nessvold versagten im Elferschießen die Nerven, ihren ganz schwach ins linke Torwart-Eck geschossenen Versuch parierte Gao Hong problemlos. Deutschland kam ins Finale, verlor im strömenden Regen von Stockholm aber 0:2 gegen Norwegen.

Generationswechsel bei beiden Teams

Nach der WM 1995 und Olympia 1996 erfolgte bei beiden Teams ein Generationswechsel. Bei beiden Teams hörten langjährige Stützen auf (etwa Sundhage, Videkull und Leidinge bei Schweden; Neid, Mohr und Pohlmann bei Deutschland); beide Teams wechselten ihre Teamchefs – Tina Theune-Meyer statt Gero Bisanz, bzw. Marika Domanski-Lyfors statt Bengt Simonsson.

EM-Halbinale 1997 - 1:0 für Deutschland
EM-Halbinale 1997: Deutschland gewinnt 1:0

Die beiden Teams waren im kommenden Jahrzehnt die dominiernden in Europa, aber Deutschland war immer knapp voran. Wie bei der EM 1997, die in Schweden und Norwegen stattfand. Schweden war locker durch die Vorrunde marschiert, Deutschland hatte (wenn auch in einer schwereren Gruppe) mehr Mühe. Im Halbfinale empfing Schweden im ausverkauften Stadion von Karlstad das Team von Deutschland, dominierte es vor allem in der ersten Halbzeit nach Belieben – aber ein Tor von Bettina Wiegmann – ein unmögliches Ding aus noch unmöglicherem Winkel – in Minute 84 besiegelte das schwedische Aus. Drei Tage später besiegte die DFB-Elf im Finale Italien mit 2:0 und verteidigte so den EM-Titel.

Zwei Final-Schlappen mit Golden Goals

Nach einem 1:0 für Deutschland in einem Gruppenspiel von Olympia 2000 in Sydney kam es ein Jahr danach zum nächsten bedeutenden Spiel zwischen den ewigen Rivalen: Bei der EM 2001 in Deutschland.

EM-Finale 2001: Deutschland gewinnt 1:0 n.V.
EM-Finale 2001: Deutschland gewinnt 1:0 n.V.

Als Stürmerin Hanna Ljungberg, die im Semifinale von 1997 verletzt fehlte und noch heute Schwedens erfolgreichste Torschützin ist, und Malin Moström – die wohl beste Mittelfeld-Strategin, die das Trekronor-Team jemals hatte – die Bühne betraten, setzte sich Schweden sukzessive endgültig von Norwegen ab. Mit den beiden kam man nach einem 1:3 in der Gruppenphase gegen die Deutschen in Erfurt mit einem 1:0 über Dänemark im Semifinale ins Endspiel der EM 2001.

Wo man in Ulm dem DFB-Team Paroli bot, sich mit einem torlosen Remis nach 90 Minuten in die Verlängerung kämpfte – nur, um dort in Minute 98 das Golden Goal durch die nach einer Stunde für Sandra Smisek eingewechselte Claudia Müller zu schlucken. Deren Jubel mit ausgezogenen Trikot im Sport-BH wurde zu einem der bekanntesten Bilder im Frauen-Fußball, zwei Jahre nach Brandi Chastains noch bekannterem Freudenschrei nach dem gewonnen WM-Finale.

2003 trafen bei der WM in den Staaten die Turnier-Favoriten Deutschland und USA im Halbfinale aufeinander. Die DFB-Elf hatte in einem hochklassigen Spiel, das alle als das vorgezogenen Finale betrachteten, ganz knapp die Nase vorne, die beiden Tore in den Minuten 91 und 94 zum 3:0-Endstand verzerren die Optik. Schweden hingegen profitierte davon, dass Halbfinal-Gegner Kanada zuvor schon Mitfavorit China eliminiert hatte. Einmal den Überraschungs-Gegner mit einem schnell abgespielten Freistoß übertölpelt, dann stand die damals 20-jährige Jossan Öqvist am langen Pfosten frei: Schweden gewann 2:1, war im Finale.

WM-Finale 2003: Deutschland gewinnt 2:1 n.V.
WM-Finale 2003: Deutschland gewinnt 2:1 n.V.

Und ging im Endspiel von Los Angeles, das um 10.00 Uhr vormittags (!!!) Ortszeit angepfiffen wurde, kurz vor der Pause durch Hanna Ljungberg sogar in Führung, ehe Maren Meinert – die für die WM nach ihrem Team-Rücktritt reaktiviert worden war – gleich nach Wiederanpfiff den Ausgleich markierte. Mit dem 1:1 ging es in die Verlängerung, wo Stürmerin Victoria Svensson mit einem unnötigen Foul einen Freistoß für Deutschland hergab. Renate Lingor brachte diesen hoch in den Strafraum, Nia Künzer (kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit für Pia Wunderlich gekommen) bekam ihren Kopf dran – Tor.

Wieder ein Golden Goal, wieder in der 98. Minute, wie zwei Jahre zuvor im EM-Endspiel. Dennoch: Mit dem Erreichen des Finales 2003 schaffte das Team in Schweden den absoluten Durchbruch. 13.000 Fans feierten das Team im Kungsträdsgården von Stockholm wie Weltmeister, das Finale sahen 3,8 Millionen Schweden im Fernsehen – also fast die halbe Bevölkerung des Landes. Spielerinnen wie Hanna Ljungberg, Malin Moström, Victoria Svensson und Malin Andersson sind noch heute Stars in Schweden.

Auch bei Olympia 2004 ging’s schief…

Um Olympia-Bronze 2004: Deutschland siegt 1:0
Um Olympia-Bronze 2004: Deutschland siegt 1:0

Bei den olympischen Spielen in Athen scheiterte Schweden im Halbfinale mit 0:1 an Brasilien, mit Marta die neue Kraft im Frauen-Fußball; während ein Patzer von Torfrau Silke Rottenberg den Deutschen in der Verlängerung gegen die USA das Final-Ticket kostete. So trafen die ewigen Konkurrenten im Spiel um Bronze aufeinander.

Wo nur eine Mannschaft spielte, nämlich die in gelb. Alleine Torfrau Silke Rottenberg und ihren unglaublichen Reflexen war es zu verdanken, dass man nicht bis zur 25. Minute schon aussichtslos 1:3 in Rückstand lag, nachdem Renate Lingor das DFB-Team früh in Führung gebracht hatte. Deutschland zitterte das 1:0 über die Zeit und hatte Bronze gewonnen.

Bei der EM 2005 in England hießen die Favoriten logischerweise wieder Deutschland und Schweden, aber das Trekronor-Team verlor das Halbfinale gegen Norwegen hauchdünn mit 2:3 nach Verlängerung. Es folgte der Schnitt, nach dem (verletzungsbedingten) Karriere-Ende von Hanna Ljungberg und dem (freiwilligen) Karriere-Ende von Malin Moström neigte sich auch die große Zeit der ganzen Mannschaft dem Ende zu.

Thomas Dennerby übernahm von Marika Domanski-Lyfors, bei der WM 2007 in China ging es aber nach der Vorrunde in den Flieger nach Hause: In der „Todesgruppe“ mit den USA und Nordkorea reichte es nur für Rang drei, während Deutschland – mittlerweile war Silvia Neid von der Co-Trainerin zum Chef aufgestiegen – ohne im ganzen Turnier auch nur ein Gegentor zu kassieren souverän den WM-Titel verteidigte.

Olympia-Viertelfinale 2008: Deutschland, 2:0 n.V.
Olympia-Viertelfinale ’08: Deutschland, 2:0 n.V.

…und 2008 wieder

Mit neuen Kräften wie Lotta Schelin vorne und Caroline Seger im Mittelfeld-Zentrum kam es bei Olympia 2008 schon im Viertelfinale zum Duell der beiden Teams, die sich nun also längst nicht mehr auf Augenhöhe befanden. Dennoch: Wieder ging es nach 90 torlosen Minuten in die Verlängerung. Dort aber schlief Schweden erst bei einem Eckball zum 0:1, dann griff Torfrau Hedvig Lindahl daneben. Nach dem 0:2 war die Reise für Schweden beendet, Deutschland lief drei Tage später in eine 1:4-Ohrfeige von Brasilien und rettete danach noch Bronze.

Dass sich die Blau-Goldenen für Olympia 2012 qualifizierten, und nicht Schwarz-Rot-Gold, war gut für das Selbstverständnis und führte Schelin und Co. nach dem dritten Platz bei der WM ins Viertelfinale von London (wo gegen Frankreich Schluss war), war aber letztlich vor allem die Folge einer glücklichen Auslosung bei der WM und dem überraschend frühen deutschen Aus bei ihrem Heim-Turnier.

Kein Wunder, dass nach dem 1:0 von Göteborg nun Saskia Bartusiak, die überragende Deutsche auf dem Feld, sagte: „Ich kann mich schon reinfühlen, wie es denen jetzt gehen muss…“

(phe)

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Premier Leaks #7: Der große Herr Bale darf nicht zu Olympia https://ballverliebt.eu/2011/01/13/premier-leaks-7-der-grose-herr-bale-darf-nicht-zu-olympia/ https://ballverliebt.eu/2011/01/13/premier-leaks-7-der-grose-herr-bale-darf-nicht-zu-olympia/#respond Thu, 13 Jan 2011 00:50:48 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8093 Premier Leaks #7: Der große Herr Bale darf nicht zu Olympia weiterlesen ]]> Der im Tottenham-Trikot in diesem Jahr zum Superstar gereifte Gareth Bale bekundete jüngst sein Interesse, 2012 in London am olympischen Fußballturnier teilzunehmen. Der 21-jährige Waliser erfüllt formal alle Voraussetzungen dafür. Er ist Staatsbürger einer Teilnehmernation, hat weniger als 23 Lenze am Buckel und allgemein würde kein Team der Welt im Moment auf ihn verzichten. Doch der walisische Verband legt sich quer. – Diesmal wieder exklusiv für derStandard.at

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Olympia und der Fußball https://ballverliebt.eu/2008/07/23/olympia-und-der-fusball/ https://ballverliebt.eu/2008/07/23/olympia-und-der-fusball/#comments Wed, 23 Jul 2008 18:01:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=296 Olympia und der Fußball weiterlesen ]]> Nun geht es also sogar schon vor den CAS, den internationalen Sportgerichtshof in Lausanne: Werder Bremen und Schalke 04 klagen an, dass ihre Stars lieber ein paar Wochen bei den Olympischen Spielen in Peking sehen, als bei ihren Vereinen. Es betrifft vor allem Südamerikaner und Afrikaner, die ihren Klubverantwortlichen Sorgen bereiten.

Nun muss man wissen, dass der Fußball im Zeichen der fünf Ringe in Europa praktisch nicht wahrgenommen wird – die mit lediglich drei älteren Spielern aufgebesserte U23-Auswahlen, die die FIFA dem IOC zugesteht, reißen hierzulande keinen wirklich vom Hocker. Schließlich ist, wenn Olympia ansteht, die letzte Europameisterschaft immer gerade einen Monat her, zudem läuft schon die Vorbereitung für die neue Saison (oder, wie im Fall Deutschland, läuft während der Spiele schon). In Südamerika und in Afrika hingegen ist Olympia ein Ereignis, das nicht weit unter Copa-America und African Nations Cup steht – wenn überhaupt. Als Argentinien in Athen vor vier Jahren überlegen das Turnier gewann, waren zum Beispiel Carlos Tevez, Gabriel Heinze (heute Man Utd) und Javier Mascherano (heute Liverpool) dabei, genauso wie Roberto Ayala und Kily Gonzalez (damals Valencia), Fabio Coloccini (Villarreal), Mauro Rosales (Ajax) und Andres d’Alessandro (Wolfsburg). Javier Saviola saß im Finale sogar nur auf der Bank. Ähnlich gelagert die Fälle von Kamerun in Sydney 2000 (Kameni, Wome, Lauren, Geremi, Mboma, Eto’o) und Nigeria in Atlanta 1996 (Babayaro, West, Oliseh, Okocha, Kanu, Ikpeba) – bei Finalgegner Argentinien jagten Ortega, Crespo, Zanetti, Sensini, Ayala, Chamot und Claudio Lopez dem Gold hinterer. Man sieht also: Anders als in Europa, zählt Olympisches Gold auf anderen Kontinenten etwas. Nicht umsonst ist es 16 Jahre her, dass letztmals ein europäisches Team gewann (und in Barcelona 1992 kamen auch die Spanier mit nicht wenigen Stars daher).

Einerseits bekunden die Manager wie Klaus Allofs, Andreas Müller und Karl-Heinz Rummenigge zwar, wie wichtig ihnen das Wohlbefinden ihrer Stars ist, jedoch lassen sie bei dieser Sache, die den Spielern wirklich ungemein wichtig zu sein scheint, jegliches Gespür vermissen. Ein Nigerianer wie Chinedu Obasi von Hoffenheim riskiert nicht seinen (äußerst gut dotierten) Job beim Verein, indem er heimlich ins Olympia-Teamcamp einrückt, wenn es ihm im Grunde egal wäre. Ähnlich der Fall bei den Brasilianern Diego (Bremen) und Rafinha (Schalke). Natürlich fehlen diese Spieler ihren Vereinen einen Monat. Aber ich sage: Lieber fehlt mir ein Spieler einen Monat, weil er sich einen sportlichen Lebenstraum erfüllt und womöglich mit einem schönen Erfolgserlebnis daherkommt (Brasilien und Nigiera sind durchaus Medaillenkandidaten), als wenn er sich in einem Testspiel das Knie verdreht, psychisch down ist und noch mühselig Reha machen muss. Es ist ja nicht so, dass die Spieler in Peking nur das olympische Flair genießen und auf der faulen Haut liegen würden.

Die Vereine wirken unglaubwürdig, wenn sie einerseits ihre Stars mit Millionen erschlagen und mit allen Annehmlichkeiten verwöhnen, aber andererseits gegen einen Wunsch vor alle Gerichte ziehen, den die Spieler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur einmal die Chance haben zu ergreifen. So dürfen sich die Herren nicht wundern, wenn ihre Spieler den Dienst bei ihren Vereinen nur mit demonstrativem Widerwillen erfüllen, während andere Kicker statt ihren die Spieler um Gold, Silber und Bronze absolvieren.

Vielleicht sollten sie das bei ihren Entscheidungen auch bedenken.

(phe)

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