Valencia, 27. März 1999, 21.50 Uhr. Das Unheil nimmt seinen Lauf.
Bis auf Landskrona neun Jahre zuvor hat wohl kein anderes Spiel Österreichs immerwährenden fußballerischen Minderwertigkeits-Komplex so nachhaltig Nahrung gegeben wie der Kegelabend von Valencia, das 0:9 in Spanien. Der Abend, an dem Raúl und Co. dem ÖFB-Team die sprichwörtlichen „alle Neune“ einschenkten.
Und kaum ein anderes Zitat ist im heimischen Fußball so berühmt geworden wie Toni Pfeffers lakonischer Kommentar in der Halbzeitpause. „Na, hoch wer‘ ma’s nimmer g’winnen, des is amoi kloa“, keuchte er Andi Felber ins ORF-Mikro. Da stand es bereits 0:5.
Aber wie konnte es so weit kommen? War das 0:9 ein schmerzhafter, historischer Zufall oder eher ein sich anbahnendes Desaster, das irgendwann einfach passieren musste? Und wurden die richtigen Schlüsse daraus gezogen – oder wurde überhaupt aus der Blamage gelernt?
Hier der Versuch einer Einordnung.
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Spanien hatte bei der WM enttäuscht, agierte zu verhalten und schied schon nach der Vorrunde aus. Die EM-Quali begann zudem mit einem peinlichen 2:3 in Zypern – einer Mischung aus schlampiger Defensive, kopfloser Offensive und auch ein wenig Pech. Die Blamage von Larnaca jedenfalls kostete dem angezählten Trainer Javier Clemente endgültig den Job. Sein Nachfolger José Antonio Camacho führte sich mit einem 2:1-Sieg in Israel ein.
Österreich war ebenso in der WM-Vorrunde ausgeschieden. Man haderte ein wenig mit der allzu vorsichtigen Spielweise, aber im Grunde war alles in Ordnung. Dass Teamchef Herbert Prohaska weitermachen würde, stand nie zur Debatte und die Verabschiedungen von Torhüter Konsel (eher freiwillig) und Goalgetter Polster (dezidiert gegen den Willen des Spielers) waren aufgrund des Alters der beiden argumentierbar. Nach seiner Rückkehr von Bremen nach Salzburg wurde auch Heimo Pfeifenberger nicht mehr berücksichtigt. Die tendenzielle Überalterung des Stammpersonals blieb vor allem in der Abwehr aber bestehen.
Nach der WM rang man in einem Freundschaftsspiel Weltmeister Frankreich ein 2:2 ab, in die EM-Quali startete man mit einem 1:1 in einer Regen-Lotterie gegen Israel. Es folgten ein solides 3:0 über das Team aus Zypern, welches man nach deren Überraschung gegen Spanien ernst nahm und ein 4:1 in San Marino. Man war im Plansoll.
Zypern hatte neben dem Spanien-Sieg noch die beiden Pflichterfolge über San Marino auf dem Konto, führte daher vor jenem 27. März 1999 die Gruppe an. Der Gruppensieger fuhr fix zur EM in Belgien und Holland, der beste der neun Gruppenzweiten ebenso; die restlichen acht Zweiten spielen im Playoff um vier weitere EM-Startplätze.
Im erwarteten Zweikampf zwischen Spanien und Österreich ging das ÖFB-Team also mit einem kleinen Vorteil ins Spiel im Mestalla von Valencia. Allgemeiner Tenor: Ein Punkt wäre schön, würde die Chance auf den Gruppensieg intakt halten und auf jeden Fall ein Bonus im Rennen um den besten Zweiten sein. Eine Niederlage wäre aber auch kein Drama. Man hat ja immer noch das Heimspiel gegen Spanien und zumindest Platz zwei wird’s schon werden.
Herbert Prohaska bot zudem eine Wette um seinen Bart an: Wenn Österreich in Spanien zumindest einen Punkt holt, kommt sein Markenzeichen weg. Der Schnurrbart blieb noch sieben Jahre dran.
Didi Kühbauer, der bei Real Sociedad in der spanischen Liga spielte, kämpfte mit einer zähen Fußverletzung, die damals als nicht näher definierbare Knöchelblessur Rätsel aufgab und erst viel später als Riss des Syndesmosebandes diagnostiziert wurde. Ivica Vastic hatte sich beim 4:1 gegen San Marino die zweite gelbe Karte abgeholt und war gesperrt. Andi Herzog hatte Probleme mit dem Knie, bekam erst am Tag vor dem Match grünes Licht für einen Einsatz. Ohne personelle Sorgen war Prohaska also nicht.
Im Vorfeld wurden vor allem die spanischen Flügelspieler thematisiert. Den jungen Joseba Etxeberria (Bilbao) rechts und den routinierten Luis Enrique (Barcelona) links gelte es zu neutralisieren. Daran änderte sich auch nichts, als sich Luis Enrique im letzten Liga-Spiel vor dem Ländermatch verletzte und durch Fran von Deportivo La Coruña ersetzt wurde.
Daher entschied sich Prohaska dafür, die Außenbahnen jeweils doppelt zu besetzen – rechts mit Neukirchner gegen Fran und Cerny in der offensiveren Rolle, um Außenverteidiger Sergi zu binden. Links mit Wetl gegen Etxeberria und dessen Hintermann Salgado sowie mit Prosenik, der eher im Halbfeld agierte und Wetl defensiv helfen sollte.
Im Zentrum verlieb Roman Mählich, der die defensive Arbeit für Spielmacher Andi Herzog zu erledigen hatte. Als Solo-Spitze entschied sich Prohaska für den schnellen Mario Haas. Die Abwehr war ohnehin klar: Torhüter Wohlfahrt, Libero Feiersinger und die Manndecker Pfeffer (gegen den bulligen Urzaiz) und Schöttel (gegen den wendigen Raúl).
Man sieht schon: Sieben der zehn Feldspieler Österreichs waren in manndeckender Mission aufgestellt, das Zentrum wurde de facto abgeschenkt. Offenbar erwartete man von Guardiola und Valerón keine entscheidenden Aktionen – den Flügeln galt der volle Fokus.
Was für eine fatale Fehleinschätzung.
Bei Spanien hatte Javier Clemente den Libero schon einige Jahre zuvor entsorgt, nach der WM 1994 nämlich. Schon bei der EM 1996 agierte man mit der Viererkette, wie auch 1998 mit Hierro als Sechser davor. Camacho sah dann aber das Potenzial mit Guardiola und Valerón im Zentrum.
Guardiola war zwar auch ein Sechser, aber kein Zweikämpfer und Ballgewinner, sondern ein Taktgeber und Ballverteiler. Einer, der Räume sieht und bespielt und von hinten heraus als Quarterback das Spiel seines Teams orchestriert. Er hatte fast das komplette Jahr 1998 mit einer Wadenverletzung passen müssen, der auf Zweikampf und Direktheit gepolte Ex-Teamchef Clemente hatte mit der Spielweise Guardiolas aber ohnehin nichts anfangen können. Der spätere Trainer Guardiola aber hätte den einstigen Spieler Guardiola geliebt.
Pep und Valerón jedenfalls mussten sich innerlich über Österreichs Taktik kaputtgelacht haben. Der defensiv nicht gerade begnadete und zudem angeschlagene Herzog, dazu Mählich als Solo-Abräumer für 45 Meter Spielfeldbreite – das spanische Zentrum hatte einen Heidenspaß. Guardiola alleine kam auf 114 Ballkontakte, Valerón und der später eingewechselte Mendieta gemeinsam auf 102.
Besonders schonungslos aufgedeckt wurden aber die Schwächen des Manndeckungs-Fußballs. Im Spiel gegen den Ball klebten Pfeffer, Schöttel, Neukirchner und auch Wetl sklavisch an ihren zugeteilten Gegenspielern. Mählich orientierte sich an Valerón.
Somit war es für die Spanier ein Kinderspiel, bizarre Löcher in die ÖFB-Formation zu reißen. Die Dimension „Raum“ kam im Denken eines österreichischen Fußballers (und eines österreichischen Fans, Journalisten, Trainers, etc.) schlicht nicht vor. Abwehrspieler hatten ihre Gegenspieler zu verfolgen, und wenn alle Stricke reißen, steht hinten noch der Libero zum ausputzen.
Schon beim oben beschriebenen Tor zum 1:0 in der 6. Minute wurde dies schön deutlich. Neukirchner stellte Fran an der Außenlinie, Mählich hing an Valerón. Zwischen Herzog und den beiden Manndeckern dafür: Freier Raum, wohin man auch blickt. Diesen konnten die Spanier bespielen.
Dafür brauchten sie noch nicht einmal Überzahl zu haben. Es reichte der Lockvogel-Lauf eines Spielers, um Platz zu schaffen – ohne dass Österreich einen Gedanken daran verschwendete, was mit dem Raum im frei gewordenen Rücken passiert. Wenn auch noch, wie beim Tor zur spanischen Führung, Libero Feiersinger gemeinsam mit Schöttel Raúls Lockvogel-Lauf mitmacht, spielt das dem Torschützen natürlich zusätzlich in die Hände.
Ganz ähnlich beim 2:0 rund zehn Minuten später. Fran zieht von außen ins Zentrum, nimmt Neukirchner mit. Valeron kreuzt vor ihm, um Mählich wie ein Magnet aus dem Zentrum zu nehmen, weil Mählich ihm natürlich nachläuft. Feiersinger orientiert sich erst zum Knäuel mit Valeron und Urzaiz, um dort Überzahl herzustellen – der Sechserraum ist völlig frei.
Weil Fran so frei ist, stürzen Feiersinger und auch Raúls Manndecker Schöttel auf Fran zu, Raúl hat in deren Rücken keinen Gegenspieler mehr. Fran spielt Raúl den Ball zu, dieser lupft ihn über den heraus stürmenden Wohlfahrt. Dass Mählich dem Ball bis zum Pfosten nachrennt und diesem dort gebannt zusieht, anstatt ihn wegzudreschen und/oder Raúl daran zu hindern, den Ball endgültig über die Linie zu drücken, passt ins patscherte Gesamtbild.
Beim 3:0 nach einer halben Stunde setzt sich Fran außen im Laufduell gegen Neukirchner durch, seine Traum-Flanke hechtet Urzaiz per Flugkopfball in die Maschen – ein kaum zu verhinderndes Traumtor. Spätestens jetzt wäre Spanien in Führung gegangen.
Fünf Minuten später kann sich Wetl gegen Etxeberria nur mit einem Foul wehren. Dummerweise war das im Strafraum, Hierro verwertet den fälligen Elfmeter zum 4:0. Quasi mit dem Halbzeitpfiff legt Raúl eine flach gespielte Flanke zentral vor den Strafraum, wo Pfeffer meterweit von Urzaiz weg steht. Dieser zieht ab und trifft zum 5:0.
„Ich kann’s nur so erklären, dass wir zu weit weg waren vom Mann“, sagte Toni Pfeffer wenige Augenblicke danach im ORF-Interview, mit dem Nachsatz: „Wir müssen wirklich näher dran sein am Mann, denn sonst wird es ein schlimmes Debakel.“
Dieses Interview verrät sehr viel über die Art und Weise, wie Fußball damals gedacht wurde. Denn ja, bei den Toren zum 3:0 und zum 5:0 – ein schneller Lauf an der Außenlinie und ein Gegenstoß – war tatsächlich er selbst zu weit weg von Urzaiz. Gerade bei den ersten zwei spanischen Treffern aber war es gerade das Problem, dass die Österreicher allzu nah an den ihnen zugewiesenen Spielern klebten – und dabei zu viel freien Raum ließen. Das klassische Manndecker-Dilemma.
Andreas Felber sprach auch die Flügelzange an, auf welche Österreich die Taktik ausgerichtet hatte. Ja, wo war sie denn? Nur ein einziges der neun Tore wurde tatsächlich klassisch von den Außenbahnen vorbereitet. Dazu kommen ein Eckball, ein Elfmeter (bei dem Etxeberria gefoult wurde, ja, ein Außenspieler) – und sechs Tore, die durch das Zentrum eingeleitet wurden.
Etwas zynisch formuliert: Die Hauptaufgabe der vier spanischen Flügelspieler war es, den Österreichern die Illusion vorzugaukeln, dass sie wichtig wären. So nämlich banden sie immer vier der sechs nominellen Mittelfeldspieler und im Zentrum konnte sich das Quartett mit Hierro, Guardiola, Valerón und Raúl ungehindert austoben. Die nackten Zahlen: Raúl verbuchte vier Tore und drei Assists, Pep Guardiola spielte bei fünf Treffern den vorletzten Pass.
Die Außenverteidiger Sergi und Salgado hatten 54 bzw. 53 Ballkontakte, Fran links ebenfalls 53; Etxeberria und der in der Schlussphase für ihn eingewechselte Dani kamen zusammen auf 57 Ballaktionen. Man sieht: Sehr gleichmäßig verteilt. Auch die Rollenverteilung – die AV hinterlaufen die einrückenden Flügelstürmer – war schon sehr modern für diese Zeit.
Fran erzielte ein Tor (nach einer einstudierten Freistoß-Variante) und bereitete drei vor (eine Flanke, ein Eckball, ein Lochpass aus dem Sechserraum). Etxeberria zog den Elfmeter zum 4:0. Sie waren gefährlich, wann immer sie einrückten. Salgado und Sergi sorgten dafür, dass sich nur ja nicht zu viele Österreicher mit ins Zentrum bewegten.
Gleich nach Wiederanpfiff erhöhte Raúl auf 6:0, wieder konnte er ein Zuspiel von Guardiola im Entgegenkommen zu Urzaiz weiterspielen, sich umdrehen, in den Rücken von Schöttel kommen, den Doppelpass von Urzaiz annehmen und Wohlfahrt umkurven. Eine Kopie des ersten Tores. Die österreichischen Spieler – alle stur auf Manndeckung bedacht, weil sie nichts anderes kannten – waren so unglaublich leicht zu manipulieren.
In der Folge nahmen die Spanier deutlich den Zug zum Tor heraus. Das 6:0 reichte ihnen offensichtlich. Man verlegte sich darauf, den Ball in den eigenen Reihen zu halten – die längste Ballstaffette ging über 20 Stationen.
Marcelino, Guardiola, Valerón, Guardiola, Fran, Valerón, Raúl, Guardiola, Salgado, Valerón, Guardiola, Fran, Marcelino, Urzaiz, Hierro, Valerón, Fran, Guardiola, Raúl, Sergi. Es folge ein Foul von Cerny an Sergi, man schrieb die 59. Minute.
Das Publikum in Valencia forderte schon während des Tores zum 6:0 mit lauten Stimmen „Mendieta! Mendieta!“ Der Blondschopf feierte an jenem Tag seinen 25. Geburtstag, war der Star des heimischen FC Valencia und hatte bis zu diesem Match noch kein Länderspiel absolviert. In der 71. Minute kam Mendieta dann auch rein, er ersetzte Valerón, und wenig später versenkte Raúl einen Eckball zum 7:0.
Da bekamen die Spanier, vermehrt angetrieben von Mendieta, dann doch wieder ein wenig Lust. Na, geht sich das vielleicht sogar noch zweistellig aus? In der 77. Minute landete Wetls Versuch, eine Flanke von Raúl zu klären, zum 8:0 im Netz. In der 84. Minute hatte Fran eine diebische Freude daran, eine einstudierte Freistoßvariante zum 9:0 im Tor zu versenken.
Der ÖFB-Teamchef heizte sich auf der Bank eine Tschick an, seine Spieler waren längst sturmreif geschossen. Der für Urzaiz ins Spiel gekommene Munitis narrte Kogler (der Feiersinger als Libero ersetzt hatte) und Wetl mit vier 180-Grad-Drehungen in sieben Sekunden (86.). Dann traf Dani nach einem schnellen Doppelpass mit Munitis aus zu spitz gewordenem Winkel nur das Außennetz (90.). Dann musste Wohlfahrt auch noch ein Geschoss von Mendieta parieren (93.).
Aber, nein, mit aller Macht ging Spanien nicht mehr auf das zehnte Tor. Kurz vor dem neunten hatte Hierro sich ja auch noch die gelbe Karte abgeholt. Wegen Zeitverzögerung.
Kein Witz.
Nach 94 Minuten und 18 Sekunden hatte der französische Referee Gilles Veissière ein Erbarmen und beendete das Spiel. Die große Zerfleischung in der österreichischen Medienlandschaft konnte beginnen.
Die „Krone“ reihte das 0:9 gar in eine Reihe von Tragödien wie jene der tödlich verunglückten Skifahrer Rudi Nierlich und Ulli Maier ein, während direkt daneben Andi Herzog mit den Worten „Das war eine Hinrichtung“ zitiert wurde. Deutlich weniger geschmacklos, aber nicht weniger scharf kritisierten die OÖN, dass auch am Tag nach der „Weltblamage“ weder Prohaska zurückgetreten ist, noch ÖFB-Präsident Mauhart. Dieser weigerte sich trotz des 0:9, den Teamchef zu entlassen.
Wie Mauhart stellten sich auch die Spieler demonstrativ hinter Prohaska. „Aufstellung und Konzept waren in Ordnung“, sagte Herzog. „Es wäre nicht korrekt, wenn es jetzt den Unschuldigsten trifft“, meinte Wohlfahrt. Dennoch: Zwei Tage nach dem 0:9 warf Prohaska ob des öffentlichen Drucks das Handtuch. Er wäre als Teamchef untragbar geworden, erklärte er, er habe die Fans nicht mehr auf seiner Seite und ohne deren Rückhalt kann niemand ein glaubhafter Teamchef sein.
Was in Valencia aber wirklich passiert ist, war nie wirklich ein Thema. Dass das 0:9 aufgezeigt hat, dass die Spielidee mit Libero und Manndeckern dem Untergang geweiht war – wie es fast alle anderen Länder der Fußballwelt erkannten. Bei der WM 1998 hatten noch 18 der 32 Teams mit diesem System gespielt (56 Prozent), bei der WM 2000 waren es nur mehr drei von 16 (19 Prozent).
In Österreich wurde nur diskutiert, wer denn nun den Libero geben könnte, jetzt wo Wolfgang Feiersinger endgültig zu alt für internationales Niveau war. Prohaskas Nachfolger Otto Baric stellte lieber Stürmer Ivica Vastic als Abwehrchef auf, anstatt auch nur darüber nachzudenken, wie alle anderen auf Viererkette und Raumdeckung zu wechseln.
„Wir haben Anschauungsunterricht in modernem Fußball, Raumaufteilung und Technik bekommen“, gab Kapitän Herzog zwar zu Protokoll. Auf den Einfall, aus diesem Unterricht zu lernen, kam aber fast niemand.
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Nur Leo Windtner, damals noch Vize-Präsident des ÖFB und Landespräsident von Oberösterreich, brachte bei der Suche nach Prohaskas Nachfolger leise den Namen Roy Hodgson ins Spiel. Hodgson hatte von 1992 bis 1995 die Schweizer von den Vorzügen des Verzichts auf den Libero überzeugt und die Eidgenossen so zu WM 1994 und EM 1996 geführt. Nach fast drei Jahrzehnten ohne jegliche Endrunden-Teilnahme.
Aber Hodgson hatte nie eine Chance. In Österreich hatten in den Jahren zuvor zwei Trainer die Viererkette probiert. Per Brogeland beim LASK und Wolfgang Frank bei der Austria, und beide waren krachend gescheitert. An der geistigen Unbeweglichkeit der österreichischen Fußballer und deren Unwillen, sich von vermeintlich Bewährtem zu trennen. Ein halbes Jahr vor dem 0:9 Österreichs hatte sich schon Berti Vogts daran versucht, eine Viererkette im DFB-Team zu installieren. Die Spieler verweigerten ihm die Gefolgschaft nach einem holprigen 2:1 über Malta und dramatisch unzunlänglichen 45 Minuten gegen Rumänien istallierte er in der Halbzeit wieder einen Libero. Und trat kurz darauf als Bundestrainer zurück.
Wir haben’s schon immer so gemacht in Österreich. Wir sind eben nicht die Spanier oder die Italiener. um eine Viererkette zu spielen, muss man ein perfekter Fußballer sein. Wir bleiben beim Libero und bei der Manndeckung. Das kennen wir, das können wir.
Immerhin waren Salzburg 1994 und Rapid 1996 mit Libero jeweils ins Europacup-Finale eingezogen, immerhin hatte sich Österreich mit Libero als Gruppensieger für die WM 1998 qualifiziert.
Ja, eh.
Aber gerade im Nationalteam wurden die Warnzeichen wegen der guten Resultate nicht erkannt. In der Qualifikation spielte man gegen Schweden und Schottland. Zwei Raumdeckungs-Teams. Nur: Schweden besiegte man einmal eher glücklich und einmal mit Mega-Dusel. Gegen Schottland holte man einen Punkt aus zwei Spielen.
Bei der WM spielte man gegen Italien, Chile und Kamerun. Es war die letzte Gruppe in der Geschichte des internationalen Fußballs, in der alle vier Teams mit Libero aufliefen.
Und so wurde weiter eisern dem zugeteilten Gegenspieler nachgedackelt, wohin er auch rannte, und welche Räume auch immer man damit aufmachte. Otto Baric kam, holte sich sein persönliches Debakel drei Monate später beim 0:5 in Tel-Aviv ab und brachte die EM-Quali auf Gruppenplatz drei zu Ende. Dieses Debakel gegen Israel – ein Libero-Team – verstärkte den Eindruck: Es liegt nicht an der Spielweise. Die Spieler sind nur einfach nicht gut genug.
Nach Landskrona, der Niederlage gegen die Färöer, war praktisch allen sofort bewusst, was los war. Das WM-Team von 1990 hatte nie die Qualität, die man ihm fälschlicherweise zugeschrieben hatte. Das Ticket wurde in einer leichten Gruppen gesichert, die starken Testspiele vor der WM waren eben nur Testspiele, und die Spieler glaubten, dass sie die Insel-Kicker arrogant aus dem Stand abschießen können würden.
In der Folge gab es danach noch weitere Lehrstunden wie das 1:9 von Ernst Happels Innsbruckern gegen Real Madrid oder das 2:6 der Austria gegen Arsenal. Österreichs Spieler waren einfach nicht besonders gut und sie ergaben sich nach Landskrona zusätzlich in Fatalismus.
Das Fatale am Kegelabend von Valencia war, dass man es nicht für das begriff, was es war: Die bittere Vorführung der Tatsache, dass das mit dem raumdenkenden Spiel und der Abkehr vom Libero eben nicht nur eine mögliche Variante von vielen ist, sondern die radikalste Revolution des Fußballspiels an sich seit den 1920er-Jahren.
Es dauerte drei Jahre und fünf Monate, ehe Österreich erstmals ohne Libero antrat. Erst musste Zoran Barisic, Michael Streiter, Ivica Vastic, Günther Neukirchner, Martin Hiden und Michael Baur den Ausputzer hinter den Manndeckern spielen.
Als Hans Krankl in einem Testspiel in der Schweiz im August 2002 eine Viererkette aufstellte, war sie so heillos damit überfordert, dass Krankl in der Folge lieber doch wieder auf das alte System zurückgriff.
Baur stürmte in gewohnter Manier schon nach wenigen Minuten ungeniert in die gegnerische Hälfte. Die Außenverteidiger Wimmer und Panis standen so verschüchtert hinten und so eng am eigenen Strafraum, als wollten sie die eigenen Innenverteidiger decken. Das hatte nicht einmal Schülerliga-Niveau. Die Schweizer spielten das Jahrzehnt, das sie an Viererketten-Erfahrung Vorsprung hatten, cool aus.
Andererseits: Woher hätte das Wissen darüber, wie man eine Viererkette ohne Libero spielt, auch kommen sollen? Alle zehn Trainer in der Liga hatten im Frühjahr 1999 ihren Ausputzer hinter den Manndeckern. Osim, Weber, Augenthaler, Krankl, Koljanin, Jara, Verdenik und später Koncilia, Roitinger, Stöhr und Sundermann – die Herkunft der Bundesliga-Coaches zu diesem Zeitpunkt sind genau jene Regionen, die am längsten am Libero festgehalten haben. Österreich, Deutschland und der Balkan.
Und auch die Legionäre im ÖFB-Team spielten überwiegend im klassischen Libero-Land Deutschland. Kühbauer, der in Spanien unter dem deutschen Viererketten-Pionier Bernd Krauss trainierte, war die einzige echte Ausnahme.
Erst mit Walter Schachner, der 2001 mit einer Viererkette (übrigens mit dem ganz jungen Emanuel Pogatetz) beim FC Kärnten in die Bundesliga aufstieg und Cupsieger wurde, kamen auch andere Teams auf den Geschmack. Als Krankl im August 2002 sein Experiment gegen die Schweiz startete, spielten die Austria (eben mit Schachner) und Salzburg (mit dem Dänen Lars Söndergaard) mit einem 4-4-2. Immerhin zwei Teams.
Zwei.
Der letzte Trainer, der sich in Österreichs Bundesliga vom Libero verabschiedet hat, war Franz Lederer. Dieser ließ Mattersburg noch 2006 mit den Manndeckern Patocka und Ratajczyk vor Libero Mravac im Cupfinale spielen.
Beim Spiel in Valencia ist alles zusammen gekommen. Eine veraltete Spielweise, die gegen das moderne Raum-Spiel eklatante Nachteile hatte. Eine Häufung von Österreichern, die auch davon abgesehen einen schlechten Tag hatten. Eine komplette Fehlleistung im Scouting des Gegners und die Unfähigkeit, den Fehler zu sehen und zu korrigieren. Ein Kontrahent, der dringend ein Ergebnis brauchte, der nicht nach dem 3:0 völlig abstellte und bei dem auch annähernd jeder Schuss ein Treffer war.
Das 0:9 war der perfekte Sturm.
Der eigentliche Wahnsinn aber ist, dass man – vom Trainerwechsel abgesehen – völlig zur Tagesordnung übergegangen ist und NICHTS in Frage gestellt hat. Und zwar noch viele Jahre nicht.
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Der Schlüssel zum Erfolg des aktuellen Teams von Real Madrid liegt in der Balance und der Stabilität, welche Zinedine Zidane mit seinem System und seiner Taktik verleiht. Als in den letzten Wochen Isco – der immer eher Edel-Joker war – für den verletzten Bale in die erste Elf rückte, wurde diese noch einmal auf ein neues Level gehoben.
Die beiden Achter von Real – also Modric und Kroos – agieren in der Grundformation recht weit hinten und kippen gerne ein wenig seitlich ab. Das erlaubt den Außenverteidigern – also Marcelo und Carvajal – ein schwungvolles Aufrücken, weil sie in ihrem Rücken keine Löcher offenbaren. Wenn man so spielt, entsteht aber in der Regel ein Loch im Halbfeld, weil das der Raum ist, um den sich sonst der Achter kümmert.
Und hier kommt Isco ins Spiel. Er ist nicht fix an eine Position gebunden, sondern hat einen extremen Radius und er ist auch nicht eine Nummer zehn im klassischen Sinn, sondern eher der ultimative Balance-Geber, wo immer er gerade gebraucht wird. Der vor vier Jahren von Málaga gekommene Isco ist die Rückversicherung für alle Bereiche des Offensivspiels – und des Defensivspiels.
Da Modric und Kroos seitlich defensiv agieren können, ohne vor ihnen Platz zu geben (weil ja Isco da ist), konnten die raumgreifenden Laufwege von Dybala – von einer recht wild von Juventus gestalteten Anfangsphase – nie eine wirkliche Wirkung entfalten. Sobald sich das Spiel nach ein paar Minuten gelegt hatte, kamen die Italiener kaum zur Geltung.
Juve verteidigte in zwei Viererketten. Isco wurde mit Back-up übergeben, konnte so offensiv keine Wirkung entfalten; die Außenspieler im Mittelfeld (Dani Alves rechts, Mandzukic links) rückten immer wieder ein, um die Kreise von Kroos und Modric einzuengen. Juve-Linksverteidiger Alex Sandro wusste genau, wie er gegen Carvajal spielen musste; Marcelo war zwar aktiv, hatte mit Barzagli aber einen gelernten Innenverteidiger gegen sich.
Erst ein Real-Konter mit schlechter Staffelung bei Juventus, ein gescheitert Doppelpass und ein abgefälschter Schuss von Ronaldo sorgten für die Real-Führung, die dank Mandzukic‘ Fallrückzieher nicht lange hielt. Das Spiel war auf höchstem taktischen Niveau, aber relativ statisch – bis zu Casemiros krummem Ding nach einer Stunde.
Das war weder besonders gut gemacht von Real Madrid noch dramatisch schlecht gemacht von Juventus, es war letztlich einfach Glück/Pech (je nach Sichtweise). Drei Minuten nach dem 2:1 war die Juve-Innenverteidiger noch ein zweites mal nicht gut postiert und es hieß 3:1 – die Entscheidung. Man kann nicht mal mehr wirklich von „Faden verlieren“ sprechen, es war einfach vorbei. Asensios Tor in der Nachspielzeit hatte nur noch kosmetischen Wert.
Real Madrid hat nun drei der letzten vier CL-Titel geholt. Das ist eine unglaubliche Leistung, die gerade bei der Leistungsdichte im modernen Spitzenfußball umso erstaulicher ist. Das zieht automatisch Vergleiche mit zwei anderen großen Teams nach sich: Das Milan der Sacchi-Jahre (die letzten Back-to-Back-Sieger) und das Barcelona der Guardiola-Jahre (zwei Siege in drei Jahren und Grundstock für die Dominanz auch des spanischen Nationalteams).
Sacchi brachte mit seiner Vorstellung vom Fußball beinahe eine Revolution in Gang. Extrem enge Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, Abkehr von der gerade in Italien als heiliger Kuh behandelten Manndeckung, Vielseitigkeit der Spieler und eine Neuinterpretation der Viererkette.
Milan gewann so den Meistercup 1989 (mit einem 5:0 im Halbfinale gegen Real Madrid sowie einem 4:0 im Endspiel gegen Steaua Bukarest) und wiederholte den Triumph 1990 beim Finale in Wien mit einem 1:0 über Benfica Lissabon mit Trainer Sven-Göran Eriksson.
Das war stilprägend für viele Jahre und noch in den mittleren und späten Nuller-Jahren betrachtete etwa Walter Schachner diese Interpretation des 4-4-2 als Höhepunkt der Fußballgeschichte und er versuchte, dem Vorbild entsprechend nahe zu kommen (wie beim Titel mit dem GAK 2004). Sacchis Vorbild strahlte also nicht nur auf andere Spitzenteams aus, sondern hatte großen Einfluss selbst auf die Verästelungen der Fußballwelt.
Und auch auf Milan selbst: Sacchis Nachfolger Fabio Capello baute auf dem Fundament auf, erreichte von 1993 bis 1995 dreimal hintereinander das Champions-League-Finale und gewann jenes von 1994 mit einem überragenden 4:0 gegen den FC Barcelona.
Jener FC Barcelona installierte 2008 Pep Guardiola und er verwandelte das RIjkaard-Team, das er übernommen hat, von einer direkten und auch mit relativ vielen langen Bällen agierenden Mannschaft in die ultimative Ballbesitz-, Pressing- und Dominanzmaschine. Schon in seinem ersten Jahr gewann er das Triple – inklusive einem 2:0 im CL-Finale gegen Manchster United, zwei Jahre später gab es im Endspiel ein unerhört dominantes 3:1 gegen den selben Gegner.
In seinen vier Jahren beim Klub gewann Guardiola 3x die Meisterschaft, 2x die Champions League, 2x den Weltpokal und 2x den spanischen Pokal, dazu 3x den spanischen und 2x den europäischen Supercup. Das spanischen Nationalteam, das unter Vicente del Bosque den Barcelona-Stil kopierte, wurde 2010 Welt- und 2012 Europameister.
Verschüchterte Gegner verbunkerten nur noch die Strafräume, viele andere Teams übernahmen vor allem das Pressing-Element – mache besser (Dortmund), manche weniger gut (die meisten Teams der österreichischen Liga, zum Beispiel). Der viel zu früh verstorbene Tito Vilanova und dessen Nachfolger Luis Enrique übernahmen das breite Fundamet, Enrique gewann 2015 ebenso das Triple.
Und Zidane? Er ist kein Innovator wie Sacchi und Guardiola. Er gewinnt, weil er es versteht, sein Team bestmöglich nach seinen Stärken einzustellen und er versteht es, bestmöglich um Schwächen herum zu spielen. Zidane verleiht seinem Team eine extreme Balance, er hat ein unglaublich starkes zentrales Mittelfeld zu Verfügung.
Er ist, dem Vernehmen nach, kein kühl-distanzierter Chef wie Ancelotti oder ein Reibebaum wie Mourinho, von atmosphärischen Störungen ist in seinen anderthalb Jahren im Amt praktisch nie etwas zu hören gewesen. Und Zidane profitiert davon, dass er nun schon über längere Zeit den de facto unveränderten Kader zur Verfügung hat.
Völlig sinnlose Mega-Transfers wie zur Zeit, als Klub-Präsident Florentino Pérez die Galacticos wieder aufleben lassen wollte (mit sündteuren Flops wie James Rodríguez und Asier Illarramendi, die alleine über 100 Millionen Euro gekostet haben) finden in letzter Zeit nicht mehr statt. Beim 4:1 über Juventus waren nur zwei Spieler vom 2016er-Finale nicht wieder in der Startformation – Bale und Pepe, beide verletzt bzw. noch nicht ganz fit. Neun der 14 eingesetzten Spieler beim CL-Sieg 2014 waren gegen Juventus wieder dabei.
Zidanes Real Madrid ist eine Mannschaft, die sehr viel gewinnt und alleine dadurch schon ihren Platz in der langfristigen Fußball-Geschichte haben wird. Aber: Diese vielen Siege werden keinen Einfluss auf viele andere Teams haben, welche die Spielweise von Real nun kopieren könnten.
Sacchis Milan lebte von der Innovation, Guardiolas Barcelona lebte von der Innovation. Zidanes Real lebt von der Stabilität und zeigt eine hohe Qualität, sie macht aber nichts wirklich besonderes oder dramatisch andersartiges. Das Team ist über Jahre hinweg einfach richtig, richtig gut und vereint großartiges individuelles Talent (wie Ronaldo in seinem vermutlich letzten Frühling) mit einem kompakten und funktionierenden Teamgefüge.
Zidane hat sein Team komplett im Griff und hat die richtige Mischung aus taktischem Korsett und dem Auslebenlassen individueller Qualität gefunden. Unter den richtigen Umständen ist das alles, was es braucht. Auch ohne revolutionäre Andersartigkeit.
]]>„So“, sagt Pep, der Bayern-Trainer zum Dortmund-Coach, „zeig mal, was du dir ausgedacht hast!“
Dortmund startete das Spiel mit einem 4-3-3, in dem Kagawa als zentraler Spieler in der Offensivreihe agierte, aber nicht als Mittelstürmer. Der Japaner legte im Gegenteil Xabi Alonso, der bei den Bayern auf der Sechs spielte, an die Kette. Links und rechts von ihm versuchten Aubameyang und Mkhitaryan, in die Kanäle zu kommen und die Bayern-Abwehr von der Seite anzugehen. Das klappte gleich schon mal ganz gut, Alaba konnte Mkhitaryan in Minute 3 erst im letzten Moment stoppen – und hatte Glück, dass Referee Fritz einen seiner ganz wenigen Fehler beging: Wenn er die Aktion als Foul ahndet, muss er Alaba vom Platz stellen. Der Österreicher kam mit Gelb davon.
Außerdem stellte Tuchel ein Dreier-Mittelfeld auf, in dem Julian Weigl als zentraler Mann agierte, in dem aber die Halbraumspieler deutlich größere Verantwortung trugen. Gündogan verschob nämlich in der Regel nach außen, um Rechtsverteidiger Sokratis Papastathopoulos gegen den brutal schnellen Douglas Costa zu helfen, Castro links unterstützte Piszczek gegen Götze.
Die Bayern wussten nicht so recht, wie sie mit dieser speziell auf sie abgestimmten Spielanlage der Dortmunder umgehen sollten und sahen sich die Sache mal 20 Minuten an. Die Borussia hatte das Spiel im Griff.
Guardiola ließ sein Team in einem etwas schrägen 3-1-4-2 spielen. Dabei agierte Alaba als linker Mann in der Dreierkette tiefer als Martínez rechts. Boateng orientierte sich aus der zentrale oftmals eher in Richtung Alaba, um ihn gegen den geradlinigen Aubameyang zu unterstützen, während Martínez seinen Gegenspieler Mkhitaryan – eher ein Passgeber – etwas unmittelbarer anging. Zudem hatte Martínez auch Lahm (als rechten Achter) zu Hilfe, der eher defensivere Aufgaben übernahm.
Thiago Alcantara, der linke Achter, positionierte sich höher und spielte deutlich vertikaler als Lahm und war quasi der Verbindungsspieler zwischen Alonso, Douglas Costa und Lewandowski. Rechts ließ sich Müller (als Stürmer) immer wieder etwas fallen und Götze (rechts draußen, nominell) machte, was er am besten kann: Als Balancespieler Räume und Laufwege besetzen, die seine Mitspieler offenlassen, um die Gegner zu beschäftigen.
Dank der präzisen Umsetzung des BVB-Plans kamen die Bayern dabei aber nicht so recht auf einen grünen Zweig. So musste ein 70-Meter-Pass von Boateng in Richtung Müller herhalten, mit dem die Dortmund-Defensive sichtlich nicht gerechnet hatte. Torhüter Bürki verschätzte sich beim Herauslaufen, Müller netzte zum 1:0.
Dortmund antwortete darauf, indem der ganze Mannschaftsverbund etwas nach vorne rückte, um die Bayern noch früher unter Druck zu setzen. Und prompt lief man in einen Konter – Mkhitaryan berührte Alcantara im Strafraum, Elfmeter, Müller zum 2:0.
Der Dortmund-Trainer beorderte daraufhin Castro auf die rechte Außenbahn und installierte so ein 4-2-3-1. Deutlich erkennbar wollte er so die Außenräume neben der Bayern-Dreierkette nützen bzw. diese zum Rausverschieben zwingen, wodurch auf der jeweils anderen Seite Räume für Aubameyang (nun im Zentrum) und die Außenstürmer entstehen sollten.
Es dauerte keine zwei Minuten, da schlief Martínez bei einem Stanglpass von links (eben durch Castro) und Aubameyang drückte den Ball zum 1:2 über die Linie.
Guardiola reagierte prompt und ließ Javi Martínez in die Innenverteidigung neben Boateng spielen und Lahm, der ja zuvor schon bei defensiven Aufgaben mitgeholfen hatte, positionierte sich nun als rechter Verteidiger. Somit entstand bei den Bayern hinten eine recht klare Viererkette und aus dem System wurde ein 4-4-1-1, mit Lewandowski ganz vorne und Müller etwas hinter ihm. Gündogan und Weigl hatten nun zwar einen Spieler weniger bei sich, um vernünftig auf die Bayern-Außenstürmer schieben zu können, durch die höhere Positionierung der Dortmund-Außenstürmer fehlte es ihnen aber ohnehin so ein wenig an der Unterstützung.
Guardiolas Reaktion bedeutete, dass die Umstellung von Tuchel neutralisiert wurde und die Bayern den Gegner nun kontrollierend vom eigenen Tor weghielten. Mit dem 2:1 ging es in die Pause, mit unverändertem Personal ging es in den zweiten Durchgang, und da war es erneut ein 70-Meter-Pass von Boateng, der nach wenigen Sekunden Lewandowski auf die Reise schickte, dieser ließ Bender und Hummels stehen und Bürki vertat sich erneut beim herauslaufen.
20 Sekunden in der zweiten Hälfte gespielt, die Bayern führten 3:1.
In direkter Folge mussten Castro und Mkhitaryan – beides eher Passgeber als Spieler, die geradlinig den Strafraum attackieren – von den Außenbahnen weichen und für sie kamen Reus und Januzaj. Mit ihnen sollte mehr Tempo und mehr Geradlinigkeit auf die offensiven Außenbahnen der Borussia kommen. Erhoffter Nebeneffekt: Dadurch, dass die Bayern-AV Lahm und Alaba mehr in der Defensive zu tun haben sollten, würden auch die Bayern-Außenstürmer Costa und Götze mehr isoliert.
Guardiola schien zu sagen, muy bien, du willst unsere defensiven Außenräume haben, dann kriegst du sie. Als Reaktion packte Pep einen alten Schachzug wieder aus: Seine Außenverteidiger Alaba und Lahm, beide auch im zentralen Mittelfeld durchaus in ihrer Wohlfühlzone, gingen nicht mehr die Seitenlinien entlang, sondern rückten ein. Somit waren mit Alonso, Lahm und Alaba drei versierte Ballverteiler im defensiven Mittelfeldzentrum, mit Martínez – also einem ebensolchen Spieler – und Long-Ball-Boateng dahinter. Und, ach ja, mit Thiago Alcantara davor.
War es davor so, das Kagawa auf Alonso aufpasste und stattdessen halt Martínez und Boateng die öffnenden Pässe spielten, wussten die Dortmunder nun endgültig nicht mehr, wen sie anpressen sollten – ein kurzer Querpass, und der Ball war beim nächsten potenziellen Spielmacher. Reus und Januzaj konnten die Räume, die sich auf den Seiten boten, zwar durchaus für ihre Dribblings nützen, viel rum kam dabei aber nicht.
Auch, weil nun die Bayern-Außenstürmer Douglas Costa und Götze extra hoch standen und so ihrerseits Januzaj und Reus von der Unterstützung abkoppelten. Müller spielte nun im rechten Halbfeld und sorgte dafür, dass Weigl auch nicht nach Lust und Laune nach vorne preschen konnte. Nach rund einer Stunde ging es dann wieder schnell: Dortmund war aufgerückt, Lahm bediente den rechts im Rücken von Reus startenden Götze (wohl leicht im Abseits), dessen Flanke fand punktgenau Lewandowski, das 4:1.
War das 3:1 gleich nach Wiederanpfiff der Genickschlag, so wirkte das 4:1 in der 58. Minute natürlich als endgültige Entscheidung. Der ständige Gefahrenherd Lewandowski, der oft durch für Guardiola-Teams ungewohnte lange Bälle vertikal geschickt wurde und die Tempo-Defizite, die Hummels und Bender dem Polen gegenüber haben, verleitete auch Dortmund-Goalie Roman Bürki dazu, immer wieder gewagt aus seinem Tor zu kommen – dabei flog er beim 0:1 und beim 1:3 kräftig daneben, ein weiterer missglückter Ausflug hätte beinahe ein weiteres Gegentor durch Götze zur Folge gehabt.
Dortmund wusste, dass das Spiel verloren war und die Partie beruhigte sich zusehends. Was aber nichts daran änderte, dass Götze noch von einem Zuspiel per Ferse von Douglas Costa und einem Loch in der Dortmund-Abwehr profitierte und sogar zum 5:1 erhöhte.
Um Tuchel gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen zu lassen, brachte Guardiola mit Enforcer Arturo Vidal unmittelbar nach dem 5:1 einen frischen Mann für das Mittelfeld, der im Zweifel auch schon mal kräftiger hinlangen kann. In der Folge (und nach zwei Wechseln) reihten sich die Bayern in einem 4-1-4-1 auf und ließen die Zeit von der Uhr laufen.
Guardiola und Tuchel stehen auf, geben sich die Hand und gehen ihres Weges. „Im März“, gibt Tuchel seinem spanischen Kontrahenten beim Verlassen des Stadions noch mit, „im März sehen wir uns wieder.“ Guardiola grinst. „Gerne“, sagt er, „ich freu‘ mich drauf!“ Wohl wissend, dass die Meisterschaft da vermutlich schon so gut wie entschieden sein könnte.
5:1 gegen den amtierenden Vizemeister. 5:1 gegen den schärfsten Kontrahenten in dieser Saison. Sieben Spiele, sieben Siege, 28:4 Tore. Wer soll diese Bayern stoppen?
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Als 4-2-3-1 war die Formation der Bayern offiziell angekündigt. War nicht mal in der selben Galaxie mit der Realität. Denn in dieser schickte Guardiola – der ja schon vor drei Jahren ein 3-3-4 auf die Welt (bzw. auf Villarreal) losgelassen hatte – ein Systemgebilde auf den Rasen, das so haargenau auf den Gegner abgestimmt war, dass die Roma machen konnte, was sie wollte, sie lief immer in die zahlreich lauernden offenen Messer.
Am Ehesten ist das System der Bayern mit einem 3-4-3 bzw. einem 3-4-2-1 beschrieben, im Angriffsfall wurde es zu einem 2-3-5. Dabei kamen Robben und Bernat als Wing-Backs über die Außenbahnen. Gerade Robben richtete durch seine Positionierung im System enormen Schaden bei der Roma aus. Weil er mit Tempo auf Roma-LV Ashley Cole zugehen konnte, dieser damit heillos überfordert war – bis zu seinem Tor in der 9. Minute war Robben schon dreimal an Cole locker vorbeigegangen – musste der Rest der Mannschaft reagieren.
Hieß: Entweder Yanga-Mbiwa aus der Innenverteidigung oder Nainggolan aus dem zentralen Mittelfeld in Rudi Garcias gewohntem 4-3-3 mussten helfen. Was Lücken riss. Denn Müller (und auch Götze und Lewandowski, der sich tendenziell nach halblinks orientierte) waren im Zentrum da, um in diese Löcher reinzustoßen. Robben hatte so immer mehrere Optionen: Selber gehen, zurück legen, ins Zentrum passen. Alle Wege konnte die Roma gar nicht zustellen.
Was die Benennung des Systems der Bayern so schwierig macht, ist ihre Asymmetrie. Rechts agierte Robben hoch, wurde dabei von Lahm (der im Zentrum neben Xabi Alonso aufgestellt war) abgesichtert und zur Not stand hinten auch noch Benatia aus der Dreier-Abwehr. Links aber ging Benatias Pendant Alaba so konsequent nach vorne mit, wie das ein Linksverteidiger macht – er wurde dabei abgesichert von Xabi Alonso.
Die Bayern nahmen so alles aus dem Spiel, was die Roma potenziell gefährlich machen könnte. Die aufrückenden Außenverteidiger waren brutal hinten gebunden (Cole durch Robben; Torosidis durch Bernat). Das Pressing, das die Römer gerne aus dem Mittelfeld-Zentrum heraus anbieten, konnte gar nicht erst angesetzt werden, weil die Bayern vier zentrale Mittelfelspieler hatten, also in Überzahl waren.
Dazu sah Totti, der oft alleine im Viereck von Alonso, Lahm, Götze und Müller war, praktisch keinen Ball. Wenn die Roma nach vorne kam, dann über die Außenbahn hinter Alaba und Bernat, also zumeist durch Gervinho.
Aber hinten herrschte gegen die de facto fünf Bayern-Angreifer plus Alaba, bei denen noch dazu die drei mittleren (also Götze, Müller und Lewandowski) permanent rochierten, die totale Überforderung. Sei es Robben mit einem simplen Doppelpass (wie beim 1:0 und beim 4:0), schnelles Kreuzen von Götze und Müller (wie beim 2:0), Verwirrung durch die Doppelbesetzung auf der linken Angriffsseite (wie beim 3:0 und beim Elfer zum 5:0): An keiner Ecke der Abwehr fanden die Römer einen Ausweg.
Egal, was sie auch versuchten, sie liefen mit jedem Laufweg, jedem Zweikampf, jeder Aktion nur in ein neues offenes Messer. Wenn die Roma hinten blieb, rückten die Bayern mit fast allen Mann auf. Wenn die Roma aufrückte, ließen sich fünf Angreifer nicht kontrollieren. Verschob man in Richtung Cole, um ihm gegen Alaba zu helfen, war auf der anderen Seite alles frei. Achtete man darauf, das Zentrum zu schließen, überrannte Robben seinen Gegenspieler.
Als es mit dem Stand von 0:5 in die zweite Hälfte ging, hatte Roma-Coach Rudi Garcia nicht nur Cole erlöst und durch Holebas ersetzt, sondern mit der Auswechslung des unsichtbaren Totti auch sein System auf ein klaren 4-1-4-1 umgestellt: Florenzi kam nun über rechts, Iturbe sollte links an der Linie bleiben. Die Absicht dahinter war klar: Die zuvor im 4-3-3 de facto nur je einfach besetzten Flügel nun doppelt besetzen.
Was auch funktionierte, weil die Bayern deutlich ihren Fuß vom Gas nahmen. So kam vor allem Gervinho durch die weniger konsequent abgesichterte linke Bayern-Abwehrseite immer wieder durch, zweimal rettete nur ein ausgezeichneter Manuel Neuer vor dem Ehrentreffer, der dann in der 66. Minute doch noch gelang.
Nach einer Stunde änderte Guardiola sein wildes Etwas von einem System mit der Einwechlsung von Rafinha (für Müller) in ein recht konventionelles 4-3-3. So waren die Außenbahnen gegen die trotz des schlimmen Spielstandes weiter couragierten Römer besser abgesichert; und mit Ribéry und Shaqiri kamen dann noch neue Offensiv-Kräfte. Diese belebten das im Schongang eingeschlafene Bayern-Spiel und sorgten mit ihrem Schwung für noch zwei weitere Tore zum 7:1-Endstand.
Die erste Hälfte war eine der faszinierendsten der jüngeren bis mittleren Vergangenheit. Die Roma, eigentlich eine gutklassige Mannschaft mit einem sehr modernen Spiel und einem versierten Trainer sah aus wie eine Wirtshaus-Truppe. Was immer versucht wurde, das Unheil abzuwenden, machte dieses nur noch schlimmer.
Die psychologischen Effekte auf die Roma muss man erst abwarten, aber auf dem Papier hat man immer noch beste Karten auf das Achtelfinale. Deutlich spannender aber ist, dass Guardiola Sachen probiert und Systeme auspackt, die er bei Barcelona nicht im Programm hatte. Er wird es einem wohl nicht öffentlich wahrheitsgetreu sagen, aber die Frage wäre schon interessant ob er sich bei Barcelona solche ganz wilden Experimente nicht getraut hat oder ob er der Meinung war, nicht das Spielermaterial dafür zu haben.
Sicher ist nur: Jetzt traut er sich. Und er hat auch die Spieler dafür.
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Andreas Himmelbauer: Tello statt Sánchez, Thiago statt Fàbregas…
…Guardiolas gescheitereter Schachzug im Detail.
Diese Überraschung ist Pep Guardiola gelungen. Ausgerechnet im vielleicht wichtigsten Spiel der Saison setzte der Barca-Trainer auf die beiden Jungstars Thiago Alcantara und Cristian Tello und nicht auf die eigentlichen Stammkräfte Cesc Fabregas und Alexis Sanchez. Diese Umstellungen hatten weitreichende Folgen und veränderten das gesamte Spiel. Allerdings nicht in der Art und Weise wie es sich Pep Guardiola vorgestellt hat.
Auch Thiago übernahm nicht direkt die Rolle von Fabregas. Während Letzterer normalerweise als zweite „falsche Neun“ spielt und eine direkte Verbindung zwischen Mittelfeld und Sturm verkörpert, spielte Thiago um einiges defensiver und war hauptsächlich dafür verantwortlich, den Ball aus der eigenen Hälfte in die gegnerische zu tragen. Diese Aufgabe füllte er auch tadellos aus. Dank seiner überragenden Ballführung und Übersicht, war er nur schwer vom Ball zu trennen. Das Ergebnis all dieser Umstellungen war eine 3-3-4/3-4-3 Hybridformation von Barcelona, die man schon von früheren Spielen in der Primera Division kannte.
Guardiolas Absichten hinter diesen Umstellungen waren wohl einerseits mehr Breite ins Spiel der Katalanen zu bringen und andererseits im Zentrum möglichst viele Kreativspieler zu haben, die Messi ins Szene setzen konnten. Tello links und Alves rechts zogen zwar das Spiel enorm in die Breite, allerdings konnten sie sich nur sehr selten gegen ihre Bewacher Coentrao und Arbeloa durchsetzen und wirkten oft isoliert. Vor allem Alves war auf rechts ziemlich alleine gelassen. Er bekam zwar einige Bälle von Xavi, konnte diese aber dann mangels Unterstützung nicht weiter verarbeiten und blieb nicht selten an Coentrao und Ronaldo hängen. Auf links hatte Barca zwar mit Iniesta, Tello, Thiago und teilweise auch Messi Überzahl, man konnte das allerdings nie wirklich nutzen, da die Räume viel zu eng waren. Der junge Tello versuchte zwar oft, sich gegen Arbeloa durchzusetzen, scheiterte aber immer.
Hinzu kam, dass durchs Zentrum so gut wie gar nichts ging. Verantwortlich dafür war in erster Linie Andres Iniesta, der die Rolle als Messi-Unterstützer längst nicht so gut ausfüllte, wie es Fabregas zuvor schon oft gezeigt hatte. Zusammengefasst kann man sagen, dass Barca die Balance zwischen Flügel- und Zentrumsspiel fehlte. Im sonst üblichen 4-3-3 spielt man meistens durch die Mitte und besetzt die Flügel oft nur durch die aufrückenden Außenverteidiger. Man hat dadurch fast immer 5 Offensivspieler in Bewegung, die zwischen Zentrum und Flügel pendeln und den aufrückenden Außenverteidiger unterstützen. Genau dieses Pendeln fehlte gegen Real im 3-3-4 System. So spielte man aufgrund der isolierten Flügelstürmer quasi in Unterzahl. Guardiolas Idee des breiten
Spiels konnte schlichtweg nicht umgesetzt werden.
Womöglich hat Guardiola auch mit einem weitaus defensiver eingestelltem Real gerechnet. Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte sich Barca wohl viel leichter getan. Anders als in der letzten Saison presste Real aber phasenweise schon im Mittelfeld und nutzte die Schwächen der 3-3-4 Formation somit gut aus.
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Mirco Reimer: Die (verschenkte) Rolle von Lionel Messi
Mit seiner Aufstellung überraschte Guardiola wahrscheinlich die meisten Fußball-Fans, hier sprechen wir jedoch nicht nur von dem überraschenden Startplatz für Tello, sondern auch von der Rolle von Xavi. Diese sollte großen Einfluss auf das Spiel von Lionel Messi haben.
Xavi agierte nämlich in der Sachenz/Fabregas-Rolle als offensiver Zuarbeiter für Messi. Die Aufgabe von Xavi in diesem Clasico war, dass er die Räume ausnutzen sollte die Messi schuf, wenn dieser in seiner Rolle als falsche Neun nach hinten abdriftete. Um dies zu ermöglichen und weiter Gefahr durch das Zentrum auszustrahlen muss bei einem solchen Abdriften ein Spieler im Zentrum vorhanden sein, der diese Räume öffnet, gegenfalls auch ausnutzt und Messi öffnet die Möglichkeit gibt Doppelpässe zu spielen. Sanchez beherrscht dies wie kaum ein anderer, war jedoch nicht fit und wurde deshalb von Guardiola erst spät (zu spät?) gebracht. Deswegen sollte Xavi diese Aufgabe in einer ähnlichen Art und Weise ausfüllen. Dies misslang jedoch aus mehreren Gründen, einer waren die vielen Fehlpässe die Messi zu verzeichnen hatte (zur Halbzeit hatte nur Barcelona-Keeper Valdes eine schwächere Passquote) und zum anderen, dass die Real Spieler ihn geschickt aus dem Spiel nahmen.
Die Madrider-Doppelsechs mit Alonso und Khedira agierte nämlich unmittelbar vor Viererkette, die gleichzeitig sehr hoch positioniert war. So gab es für Messi und seine Kollegen wenig Platz welches Barcelona überdurchschnittlich oft ins Abseits oder zu einem Rückpass zwang. Dieser taktische Kniff von Mourinho resultierte außerdem in einem kompakten Zentrum, sodass Messi sich sehr schwer damit tat in den Strafraum zu gelangen. Ein Grund hierfür war die gute Abstimmung zwischen Alonso und Ramos.
Alonso begann auf der Position im defensiven Mittelfeld und positionierte sich so, dass er auf Messis traf wenn dieser sich ins Mittelfeld zurückzog. So hatte Real mit Messis Dribblings keine großen Probleme. Zwar war er mit Abstand der Spieler mit den meisten erfolgreichen Dribblings auf dem Platz, jedoch war er durch Reals Taktik oftmals gezwungen diese weit vom gegnerischen Tor entfernt zu starten. Sollte Messi doch ins Rollen kommen wurden diese mit geschickten Fouls unterbunden. Nur einmal brach Messi jedoch durch, als er 4 Madrid-Spieler auf sich zog und zu Xavi durchspielte, der jedoch an Casilias scheiterte.
Das Hauptproblem ergab sich also schon zu Spielbeginn, Messi war durch Guardiolas Entscheidung auf zwei klassische Flügelspieler, Tello und Alves, zu setzen isolierte Messi im Zentrum und das Experiment mit Xavi als „Sanchez-Kopie“ scheiterte. Erst mit der Einwechslung von Sanchez für eben Xavi änderte sich dies und resultiere auch in dem zwischenzeitlichen Ausgleich. Es wäre interessant gewesen zu beobachten was passiert wäre, wenn Sanchez früher eingewechselt worden wäre oder Madrid nicht unmittelbar nach dem 1:1 wieder in Führung gegangen wäre.
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Alexander Neuper: 1:2 – Madrid auf dem Weg zur Meisterschaft
„Only a win will do“ sagte Pep Guardiola noch vor dem Spiel und beschrieb die Tabellenkonstellation damit sehr treffend. Um diesen zu erreichen setzte der Barcelona Trainer auf eine leicht veränderte Elf gegenüber dem CL‐Spiel gegen den FC Chelsea am Mittwoch, und brachte Thiago und Tello für Fabregas und den angeschlagenen Alexis Sanchez in die Partie. Jose Mourinho hingegen schickte dieselbe Elf, die Dienstag noch mit 1:2 in München verloren hatte, auf den Platz.
Tello rückte auf den linken Flügel, Thiago übernahm die Rolle des Spielgestalters im zentralen defensiven Mittelfeld und Xavi rückte dafür ungewöhnlich weit nach rechts. Auf der rechten Seite trieb ein extrem offensiver Dani Alves sein Unwesen, nachdem Guardiola hier offenbar Reals Schwäche vermutete. Der Plan ihn ins 1:1 mit Coentrao zu schicken scheiterte aber meist an der guten defensiven Unterstützung durch Xabi Alonso und den rausrückenden Sergio Ramos. Auch Chrstiano Ronaldo war defensiv wohl aktiver als Barcelona dies erwartet hätte, so dass Puyol diesem relativ weit folgte, ohne jedoch selbst aktiv in die Offensivbemühungen einzugreifen.
Auf der linken Seite stand Adriano ebenfalls relativ hoch, wurde aber von Di Maria gebunden und konnte sich offensiv kaum mit einschalten, was auch dafür sorgte, dass Tello wenig Zuspiele bekam, bei denen er seine Geschwindigkeitsvorteile gegenüber dem tiefstehenden Arbeloa ausspielen hätte können. Somit blieb Barcelona nur das Spiel durch die Mitte, wo Alonso, Khedira und der aus der Abwehr rückende Pepe das Spielfeld für Iniesta, Xavi und Messi so eng wie nur möglich machten.
Real wartete auf Fehler von Barcelona, die unter dem anfangs aggressivem Pressing auch kamen, um schnell umzuschalten und die Schnelligkeit von Christiano Ronaldo auszuspielen. Auf diese Art entstand auch der Eckball, in Folge dessen Real das 0:1 erzielen können.
Obwohl Barcelona sichtlich engagierter aus der Kabine kam, änderte sich am Spielbild lange Zeit nichts, bis Pep Guardiola schließlich in der 69. Minute Alexis Sanchez ins Spiel brachte. Der ging sofort auf die rechte Seite, und vollendete nur eine Minute später eine Hereingabe von der linken Seite in bester Strafraumstürmer‐Manier. Fast im Gegenzug konnte Real aber erneut in Führung gehen, nachdem Özil Ronaldo mit einem perfekten Laufpass in Szene gesetzt hatte, dieser Mascherano im Laufduell keine Chance lies und aus schwierigem Winkel zum 1:2 einnetzte.
Fazit:Während die Bayern am Dienstag zeigten, wie anfällig die Außenverteidiger von Real Madrid sind wenn man sie mit Überzahlsituationen konfrontiert, schafft es Barcelona im aktuellen System nicht und lässt die Flügel nur einfach besetzt. Wenn man dann auf einen Gegner trifft, der über das nötige Spielermaterial verfügt um die Mitte dicht zu machen und Messi weit weg vom eigenen Tor zu binden, fehlen Barcelona im Moment die Optionen. Die Einwechslung von Sanchez hat gezeigt, dass er aktuell dem Barcelona‐Spiel erst die notwendige Schärfe verpasst, da er aber angeschlagen ist, kann man sein Fehlen in der Startelf wohl nicht als taktischen Fehler beurteilen. Vielmehr sollte man wohl hinterfragen, ob Barcelona im Moment über eine Kaderdichte verfügt, die es ihnen erlaubt Meister und Champions League Sieger zu werden – zumindest in einem Fall kann man sie wohl schon mit „Nein“ beantworten.
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Mirko Nikolic: Barcelona vs. Real Madrid 1:2
Barca spielte im typischen 4-3-3, welches sich im Spiel als ein 3-2-2-3 (und manchmal auch 3-2-5) herausstellte. Real Madrid wie erwartet im 4-3-3 mit defensiv eingestelltem rechten Flügel bzw. hängender Spitze (Di Maria/Özil) lediglich Ronaldo (links) und Benzema an vorderster Front waren von Defensiv aufgaben Großteils befreit.
Mit drei Mann hatte es Barca in der Verteidigung angelegt (Puyol-Mascherano-Adriano), also quasi Mann gegen Mann. Der eigentliche vierte Verteidiger Dani Alves spielte einen rechten Außenstürmer und war teilweise vorderster Angreifer, da im Angriffszentrum ein echter Stürmer (Sánchez angeschlagen, Villa verletzt) fehlte. Der Spielaufbau erfolgte über das Zentrum mit Busquets und Xavi, halblinks war Iniesta das Bindeglied zum linken Flügel Tello.
Die Rolle von Messi und Benzema als Spitze konnte unterschiedlicher nicht sein: Benzema als Stoßstürmer bei Kontern, welcher immer wieder auf die Flügel auswich und so Raum schaffte für die nachrückenden Özil, Ronaldo und Di Maria. Messi, als eigentliche Anspielstation im Zentrum an der Strafraumgrenze, ließ sich immer wieder ins Mitteldrittel zurückfallen um den Zwängen der beiden Sechser von Real zu entfliehen.
In den ersten Minuten zeigte Madrid aggressives, geschlossenes Pressing, man zwang Barca dadurch zu ungewöhnlich vielen Abspielfehlern. Real war dafür bei schnellen Gegenstößen über Ronaldo (links) und Benzema (oft rechts ausgewichen) immer wieder gefährlich und kam dadurch zu Standardsituationen. Das gut zugestellte Zentrum zwang Barca zudem, den Spielaufbau über die Flügel (Tello, Alves) zu forfieren. Tello, der durch Iniesta immer wieder unterstützt wurde, kam ab und an auf dem Flügel durch, war allerdings beim letzten Pass oder beim Abschluss hektisch und ineffektiv. Auf der anderen Seite machte Coentrao gegen Alves eine hervorzuhebende Partie.
Durch das 3-2-2-3 oder 3-2-5 mit Messi im Zentrum hatte Barcelona ein Problem: das unbesetzte Sturmzentrum. Zwar hat man das Spiel nach dem Rückstand in den Griff bekommen (Xavi und Iniesta spielten jetzt aggressiver, weitläufiger und beweglicher, um Alonso und Khedira aus dem weg zu gehen). Allerdings hatte das den Effekt, das Messi sich mehr in den Spielaufbau einbrachte um keine Lücke als Anspielstation zu hinterlassen und eben dadurch blieb das Zentrum leer.
Die Angriffsbemühung Madrids waren klar strukturiert: Den Ball im kompakten Zentrum erobern und schnell – entweder mit direkten Pässen durch die Mitte oder langen Präzisen Pässen auf die Flüge – das Mittelfeld überbrücken und die Verteidiger Barcelonas in 1-gegen-1-Situationen verwickeln. Ronaldo stellte mit seiner Schnelligkeit und Robustheit Puyol, Mascherano und Busquets immer wieder vor Schwierigkeiten. Real kam dadurch zu diversen Standardsituationen.
Fazit: Durch die taktische und aggressive Einstellung von Real schaffte es Barcelona nicht, das typisches Spiel in ein gutes Ergebnis umzumünzen. Ein schwacher Messi, ein fehlender Plan B und die fast perfekt eingestellte Mannschaft Mourinhos (defensiv sehr starker Özil und Di Maria klare und einfache Strukturierte Konterangriffe) als auch ein überragender und immer gefährlicher Ronaldo, machen Real Madrid zum verdienten Sieger und wohl verdienten Meister.
]]>Das große Spezifikum bei Milan? Bekanntermaßen ein typisch-italienisch enges Spiel, Überzahl im Zentrum, Breite nur über die Außenverteidiger. Jenes von Barcelona? Weit vorne und weiß außen agierende Flügel, um die gegnerische Abwehr auseinander zu ziehen und Messi ermöglichen, in die entstehenden Löcher zu stoßen. Wenig überraschend, dass dabei genau das zu erwartende Spiel heraus kam.
Barcelonas rechte Außenbahn…
Pep Guardiola stellte eine Mannschaft ohne wirklichen Linksverteidiger auf. Dani Alves auf der rechten Seite war nur in Ausnahmefällen in der eigenen Hälfte, wodurch hinten eine De-facto-Dreierkette entstand. Logisch: Klassische Außenverteidiger braucht man gegen Milan nicht, weil es bei den Rossoneri schlicht kein nennenswertes Flügelspiel gibt. So kümmerten sich hinten Puyol (der sich tendenziell Richtung links orientierte), Mascherano und Piqué um Ibrahimovic und Robinho, während Busquets, wenn nötig, um Boateng kümmerte.
Milan machte aber nicht nur das Mittelfeld eng, sondern zog auch die Abwehrkette sehr weit zusammen, wodurch Dani Alves keinen Gegenspieler hatte und auf seiner Seite ungeahnte Freiheiten genoss. Unterstützt von Alexis Sánchez, der wie gewohnt durch seine grandiosen Laufwege Gegenspieler binden und so Alves den Weg oft noch mehr freimachen konnte, unternahm der Brasilianer viel – brachte allerdings wenig Nützliches in den Strafraum (siehe Grafik).
Betrachtet man die Art und Weise, Milan mit den Abwehrkette den Strafraum zumachte und wie unbehelligt man Dani Alves ließ, liegt die Vermutung nahe, dass man den Brasilianer absichtlich die Außenbahn überließ und stattdessen darauf achtete, dass seine Pässe in die gefährlichen Zonen nicht ankamen. Was wunderbar funktioniert hat.
…und die linke
Auf der anderen Seite fehlte die Power aus der Tiefe, wie sie Dani Alves ins Spiel bringt, aufstellungsbedingt. Hier teilten sich Seydou Keita und Andrés Iniesta die Agenden auf der Flanke auf.
Zumeist kam Iniesta eher aus dem Zentrum, während sich Keita näher zur Seitenlinie befand. Diese beiden versuchten aber gar nicht erst, Flanken in den Strafraum zu bringen, sondern begnügten sich damit, Nocerino und Bonera zu beschäftigen. Die Folge: Keita spielte deutlich mehr Rückpässe als Alves und agierte dadurch deutlich weniger auffällig.
Andererseits entstanden durch diese Spielweise aber auch in der Defensive, gemeinsam mit dem zumeist hinten bleibenden Puyol, deutlich weniger Lücken im Rücken von Keita als das auf der anderen Seite der Fall war. Die logische Folge: Die Angriffe von Milan konzentrierten sich eher auf die Seite von Alves als auf jene von Keita und Puyol.
Wie es Milan anlegte
Die Gastgeber verzichteten, wie erwähnt, auf jegliche Breite im Spiel durch die Außenverteidiger. Bonera und Antonini spielten ihre Rollen sehr defensiv und waren im Spiel nach vorne kein Faktor. Die Schlüsselspieler waren hierbei die Außenspieler im Dreier-Mittelfeld, also Seedorf und Nocerino, sowie natürlich Kevin-Prince Boateng als Verbindungsspieler zwischen Abwehr und Angriff.
Boateng zeigte, genau wie Robinho, eine Tendenz zur linken Außenbahn – wie erwähnt, in den Rücken von Dani Alves. Wann immer es Milan gelang, mit Tempo in den Raum zwischen Barcelonas Abwehr und der Reihe mit Xavi und Iniesta zu kommen, wurde es brandgefährlich. Milan kam so zu einigen guten Chancen, die allerdings vergeben wurden, und hatten darüber hinaus noch einige vielversprechende Aktionen, die von der Barça-Abwehr zum Teil nur mit großer Mühe geklärt werden konnten.
Konzentration auf die potentiellen Problembereiche
Erstaunlich war, dass gerade eine Mannschaft, die so sehr auf Überzahl im Zentrum baut wie Milan, genau in diesem Bereich oft eine 4-gegen-5/6-Unterzahl hatte. Das ging sich aber trotzdem aus, weil die Viererkette den Strafraum komplett dicht machte (und nur einmal Glück brauchte, als ein klares Foul von Abbiati an Messi nicht zum Elfmeter geführt hat) und die drei Mann davor einen tollen Job ablieferten: Zum einen ließen sich Nocerino, Ambrosini und Seedorf nicht billig aus der Position ziehen und vermieden es so, Lücken zu lassen. Zum anderen attackierten sie Barcelona schon relativ früh und versuchten, die langen Ballstaffetten zu unterbinden.
Lediglich Ambrosini war im Zentrum durch sein fehlendes Tempo vor allem gegenüber Messi diverse Male dazu gezwungen, Fouls zu begehen, wodurch Barcelona immer wieder gute Freistoß-Möglichkeiten bekam. Generell aber war die Folge ein äußerst intensives und auch attraktives Spiel, in dem Milan die Katalanen in den Bereichen spielen ließ, in denen Allegri das für verschmerzbar hielt, und ihnen dort, wo es gefährlich werden könnte, keinen Raum gewährte. Die Folge: Patt auf sehr ansprechendem Niveau.
Spiel erlahmt im eigenen Würgegriff
Weil sich Barcelona nach dem Seitenwechsel immer besser auf die Angriffsstruktur von Milan einstellte und es dem für den angeschlagenen Robinho eingewechselten El-Shaarawy verglichen mit dem Brasilianer am Auge für die Laufwege fehlt, wurde Milan immer harmloser. Boateng kam gegen Busquets immer weniger zum Zug und Ibrahimovic war immer mehr isoliert. Aus dem temporeichen, intensiven Spiel der ersten Hälfte wurde immer mehr ein gegenseitiges Belauern, in dem der Zug zum Tor abging.
Das änderte sich erst mit der verletzungsbedingten Auswechslung von Nesta. Denn damit war Allegri gezwungen mit Djamel Mesbah den großen Schwachpunkt des 0:3 gegen Arsenal auf die linke Abwehrseite zu stellen. Guardiola reagierte postwendend, indem er mit Pedro einen zusätzlichen Mann zu Dani Alves gegen Mesbah auf das Feld brachte. Alves hielt sich hinter Pedro zwar etwas zurück, aber es war an Seedorf, den Algerier Mesbah zu unterstützen – was Milan natürlich zusätzliche Offensiv-Optionen nahm. Es blieb nur noch das Hoffen auf einen Lucky Punch, der aber nicht mehr kam.
Fazit: Milan spielt diszipliniert und wahrt die Chancen
Die Taktik von Max Allegri, sich in der Defensivarbeit auf jene Kernbereiche zu beschränken, in denen er Barcelona für besonders gefährlich hielt, ging letztlich ganz gut auf. Die Katalanen bekamen keinen Zugriff auf den Strafraum, hatten gegen das aggressive Mittelfeld von Milan mitunter Probleme, zur gewohnten Pass-Sicherheit zu kommen und schafften es nicht, die äußerst diszipliniert stehende Viererkette von Milan auseinander zu ziehen.
Die Chancen, das Spiel zu gewinnen, wären für Milan durchaus vorhanden gewesen (in der ersten Hälfte), aber nachdem die Präsenz von Robinho fehlte und Boateng immer weniger zum Zug kam, ging es immer mehr nur noch darum, zumindest das Gegentor zu verhindern. Weil das gelang, ist Milan im Rückspiel durchaus nicht ohne Chance – denn dass sie es verstehen, mit Tempo und hoher technischer Klasse in die Räume vorzustoßen, haben sich nicht nur in diesem Spiel angedeutet. Nein, das weiß man spätestens seit der 4:0-Vernichtung von Arsenal.
(phe)
]]>Mit der 1:2-Niederlage aus dem Hinspiel im Rücken wusste Real-Coach José Mourinho: Einfach mit abwarten und Druck absorbieren wird es nicht funktionieren, die Begegnung doch noch zu drehen. Und so trat Real auch deutlich aktiver auf als noch im Bernabéu – mit jenem Pressing, das man zwar schon zuvor in Spielen gegen Barcelona immer wieder praktiziert hatte, aber diesmal war nicht, wie sonst üblich, nach zehn Minuten damit Schluss.
Druck auf das Mittelfeld und schnelles Umschalten
In einer rund 25 Meter breiten Zone zwischen Mittellinie und eigenem Tor ging Real die Gegenspieler gnadenlos an, ließ Barcelona praktisch keine Zeit am Ball und schaffte es auch mit kleinen Foul, gar nicht erst Spielfluss bei den Katalanen aufkommen zu lassen. Barcelona hatte sichtlich damit zu kämpfen, das gewohnte Ballbesitz-Spiel mit den vielen kurzen Pässen aufzuziehen und im Grunde gelang es auch nicht, sich dauerhaft mit ihrem üblichen Stil in die Nähe des Real-Strafraums zu kommen.
Vor allem Lass Diarra und Xabi Alonso sorgten für Unbehagen bei den Gastgebern, aber auch der in der Mitte als Zehner postierte Kaká zeigte eine sehr ansprechende Leistung vor allem wenn es darum ging, nach Ballgewinn schnell umzuschalten. Hatten die Königlichen die Kugel einmal erobert, ging das Umschalten von Defensive auf Offensive überfallsartig schnell, Kaká trug den Ball oft nach vorne, Cristiano Ronaldo schaffte es auch immer wieder, in den Rücken von Dani Alves zu kommen. Real kam so zu einem deutlichen Chancenplus.
Barça aus der Wohlfühlzone genommen…
Barcelona wurde durch den Gegendruck im Mittelfeld dazu gezwungen, deutlich mehr lange Bälle vor allem auf Alexis Sánchez und Dani Alves zu spielen, als Xavi und Co. lieb sein konnte. Nicht nur, weil es das Tempo aus dem eigenen Spiel nahm, sondern vor allem, weil natürlich die Passgenauigkeit darunter litt und es Real so möglich war, relativ billig in Ballbesitz zu kommen und schnelle Gegenstöße zu lancieren.
Die Katalanen wurden also recht deutlich aus der eigenen Wohlfühlzone genommen, ließen sich aber weder davon nachhaltig aus der Ruhe bringen, noch vom verletzungsbedingten Ausscheiden von Iniesta nach etwa einer halben Stunde. Für ihn kam Pedro neu ins Spiel und orientierte sich auf die linke Offensivseite; Fàbregas rückte dafür etwas weiter zurück.
…und trotzdem zur Pause 2:0 in Front
Denn obwohl es durchaus einiges an Glück brauchte, sich kein Gegentor zu fangen, ging Barcelona dennoch mit einer 2:0-Führung in die Halbzeit. Weil sich erst bei einem schnellen Gegenstoß Real-Rechtsverteidiger Arbeloa in die Mitte ziehen ließ und sich in seinem Rücken Pedro davonschleichen konnte, und kurz darauf nach einem Freistoß (vor dem Lass Diarra großes Glück hatte, nicht mit Gelb-Rot vom Platz zu fliegen), als Dani Alves von der Strafraumgrenze draufhielt und die Kugel genau ins Kreuzeck passte.
Sehr bitter natürlich für Real, denn bis auf die Coolness vor dem Barcelona-Tor hatten die Madrilenen bis dahin eigentlich alles richtig gemacht. Mit dem vermeintlich besiegelten Aus dank eines Gesamtscores von 1:4 und dem Wissen, in einer Halbzeit drei Tore auswärts in Barcelona erzielen zu müssen, kamen die Königlichen dann auch zunächst etwas schaumgebremst wieder aus der Kabine heraus.
Risiko Diarra
Nicht nur das immer souveräner werdende Spiel von Barcelona, in dem das Pressing immer besser und die Ballsicherheit immer höher wurde, mussten José Mourinho zu Beginn dieser zweiten Hälfte Sorgen bereiten, sondern auch Lass Diarra. Dieser war in höchstem Maße gelb-rot-gefährdet und konnte daher seine Aufgaben – also Gegner angehen, gerne auch mal ein Foul in Kauf nehmen – nicht mehr im gewünschten Maße ausüben.
Darum brachte Mourinho kurz nach dem Seitenwechsel auch Granero für den Franzosen. Das Problem dabei: Granero fehlt die Robustheit und die Zweikampfstärke von Diarra; er ist mehr ein Ballverteiler, weniger ein Balleroberer. Ohne den ungemütlichen Diarra fiel es Barcelona aber wiederum immer leichter, sich durch das Mittelfeld durchzukombinieren.
Real ist noch nicht tot
Ohne den zweiten Ballgewinner hinter sich wirkte auch Kaká immer verlorener, weshalb er nach rund einer Stunde Callejón weichen musste, gleichzeitig kam Benzema für Higuain. Dass in dieser Mannschaft von Real aber nach der Unruhe der vergangenen Woche noch leben steckt, wurde zwanzig Minuten vor Schluss sichtbar: Erst erkannte Özil den ungeschickten Laufweg von Abidal und steckte dem richtig gestarteten Cristiano Ronaldo den Ball zu; dieser schoss zum 1:2 ein.
Und kurz darauf köpfelte Callejón einen zu kurz gespielten öffenden Pass aus der Barça-Verteidigung direkt zu Benzema, dieser verwertete zum Ausgleich. Das Match war wieder offen und für kurze Zeit konnte auch Mesut Özil, der auf der linken Seite – trotz der recht aktiven Rolle von Arbeloa hinter ihm – eine recht anonyme Leistung ablieferte, ein wenig glänzen.
Risiko-Wechsel bringt Ruhe
Pep Guardiola reagierte auf den deutlich aufflammenden Druck von Real, indem er Mascherano (statt Sánchez) brachte und in die Innenverteidigung stellte, dafür wanderte Puyol auf die rechte Seite. Auf der einen Seite war das natürlich ein gewisses Risiko, weil Puyol der deutlich bessere Innenverteidiger gegenüber Mascherano ist. Andererseits aber brachte genau dieser Wechsel die entscheidende Beruhigung.
Weil Puyol sich nun um Ronaldo kümmerte und diesen ziemlich kaltstellte, konnte Dani Alves ohne große Sorgen haben zu müssen nach vorne marschieren. So sorgte diese Umstellung dafür, dass Real nicht mehr wirklich zur Entfaltung kam und sich gegen Ende des Spiels wieder einmal mehr mit dem Schiedsrichter beschäftigte als mit dem Gegner. Ausgerechnet Sergio Ramos, der als Rädelsführer der kolportierten Revolte gegen Mourinho gehandelt worden war, musste nach einem Ellbogen-Check gegen Busquets auch noch mit Gelb-Rot das Feld räumen.
Fazit: So nah dran war Real schon lange nicht mehr
Es war schon in den letzten Clásicos ersichtlich: Wenn Real ein Pressing aufzieht und Barcelona keine Zeit am Ball und zur Spielgestaltung lässt, haben die Katalanen Probleme. Der Unterschied in diesem Spiel gegenüber den letzten Versuchen: Es war nicht nach zehn Minuten Schluss damit, sondern wurde über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten. So hatte Real vor allem vor der Pause die klar besseren Chancen und hielt Barcelona über die gesamte Spielzeit bei einem rekordverdächtig niedrigen Ballbesitz-Wert von 60 Prozent.
So nahe dran, den großen Gegner zu biegen, waren die Madrilenen also schon lange nicht mehr. Was ihnen durchaus Hoffnung für die Liga geben, kann, denn es ist davon auszugehen, dass Real die Meisterschaft kaum zu nehmen sein wird, wenn es im Liga-Match bei Barcelona auch keine Niederlage gibt. Wenn es Real so anstellt wie in diesem Spiel, ist das mehr als nur realistisch. Womit man aus Sicht von Real zumindest einen positiven Aspekt aus dem Cup-Aus ziehen kann.
(phe)
]]>Zehn verschiedene Aufstellungsvarianten präsentierte die Marca, das Haus-und-Hof-Blatt von Real Madrid, in ihrer Montag-Ausgabe. Keine davon war richtig: Mourinho verzichtete zunächst auf Özil und Kaká, und ohne den gesperrten Arbeloa gab er Hamit Altintop die Chance als Rechtsverteidiger aufzulaufen. Dazu gab Ricardo Carvalho in der Innenverteidigung sein Comeback nach langer Verletzungspause.
Das übliche Opfer in Spielen gegen Barcelona bleibt aber Mesut Özil: Der Deutsche wurde auch diesmal für einen dritten defensiven Mittelfeld-Spieler geopfert. So ließ Mourinho Pepe (mal wieder gegen Messi, hauptsächlich) im Mittelfeld spielen, flankiert von Xabi Alonso und Lass Diarra. Außerdem spielte Higuaín, nominell Sturmspitze, sehr tief und versuchte die Kreise von Busquets einzuengen. Es galt also, das Mittelfeld so gut es ging mit Spielern anzuräumen.
Dani Alves alleine gegen Ronaldo und Coentrão
Das Schlüsselduell fand aber auf der Flanke statt. Und zwar auf der linken Offensivseite von Real, wo Cristiano Ronaldo und Fabio Coentrão zuzuweit auf den mal wieder ungemein hoch postierten Dani Alves spielten. Im Optimalfall konnte der Vorwärtsdrang des Brasilianers natürlich bedeuten, dass er beide zurückdrängen kann, aber Real erkannte die mögliche Schwäche und so war es kein Wunder, dass das frühe 1:0 für die Königlichen just über diese Seite fiel: Benzema schickte Ronaldo steil, dieser hatte im Rücken von Alves viel Platz und Piqué konnte nicht mehr entscheidend eingreifen.
Es blieb auch weiterhin dabei, dass die beiden Portugiesen im Trikot von Real die meiste, weil einzige Gefahr ausstrahlten: Hamit Altintop hatte gegen den extrem hoch und konsequent außen bleibenden Iniesta alle Hände voll zu tun, außerdem hatte hier Barcelona (theoretisch) auch den personellen Vorteil, weil Benzema sehr weit innen agierte um dort die Offensiv-Option zu sein, die Higuaín nicht war. Abidal hielt sich aber eher zurück, verglichen mit Alves.
Pressing von Real
Das Rezept von Real im Mittelfeld war es vor allem, Barcelona durch dichte Deckung und gutes Pressing die Zeit am Ball und den Platz zu nehmen. Das verlangte durchaus aggressives Spiel von seiten der drei im defensiven Mittelfeld und man kann es durchaus als Erfolg für dieses Trio werten, dass es in der ersten Hälfte doch verhältnismäßig ruhig blieb und es kaum versteckte Nicklichkeiten oder gar böse Fouls gab. So lange die Madrilenen in Führung lagen, hatten sie ihre Nerven im Zaum und konnten sich auch immer wieder mal in der gegnerischen Hälfte festsetzen.
Die einzige echte Gefahr für Barcelona blieb aber dennoch Cristiano Ronaldo, der sich zuweilen sehr weit zurückzog, nicht nur um defensiv auszuhelfen, sondern auch, um mit Tempo auf Dani Alves zugehen zu ihn so überlaufen zu können. Barcelona kam zwar durchaus zu einigen Chancen und hatte das Spiel, wie es ihre Art ist, mit viel Ballbesitz (bei 70%) im Griff, bis zur Pause gelang es aber nicht, Casillas zu überwinden.
Fàbregas unterstreicht seine Wichtigkeit
Das wurde nach der Pause nachgeholt, als Puyol – völlig untypsch für Barça – einen Eckball per Kopf zum Ausgleich ins Netz wuchtete. Barcelona behielt die Kontrolle im Mittelfeld nicht nur, weil das Pressing von Real merklich nachließ, sondern auch wegen der Rolle von Cesc Fàbregas. Wie wertvoll seine unglaubliche Flexibilität für die Mannschaft ist, wird immer mehr deutlich. Spielte im Saisonverlauf mitunter einen Stürmer im 3-3-4, das die Katalanen immer wieder zeigen, war seine Rolle in diesem Spiel sehr viel tiefer angelegt.
Er spielte quasi einen Counterpart von Xavi auf der halblinken Seite, machte das recht tief und hatte fast immer zumindest drei Spieler noch vor sich. Noch wichtiger aber war, dass er damit Xabi Alonso dazu zwang, weiter aufzurücken, als der Defensivorganisation von Real mit der dreifachen Absicherung vor der bei Carvalhos Rückkehr nicht optimal aufeinander abgestimmte Viererkette gut tat.
Weil das hieß, dass entweder Carvalho aufrücken musste – was in seinem Rücken Platz für Sánchez und Messi zum Teil auch für Iniesta bedeutete, und Ramos mehr Raum abzudecken hatte als er realistischerweise konnte. Oder, wenn Carvalho hinten blieb, stachen Messi und Co. in den Raum zwischen Carvalho und Xabi Alonso. Dass sich Pepe schon recht früh eine gelbe Karte abholte und zunehmend heiß lief, hat Real auch nicht geholfen.
Umstellung von Mourinho fruchtet nicht
Wie überhaupt die Königlichen sich immer mehr in Nicklichkeiten und versteckten Schweinereien verloren, wie Pepes Tritt auf Messis Hand. Gleichzeitig fruchtete auch die Umstellung, die José Mourinho nach etwa einer Stunde vornahm, nicht: Statt Diarra und Higuaín kam mit Özil ein neuer Flügelspieler und mit Callejón ein neuer Zehner, Real stellte sich nun in einem recht klaren 4-2-3-1 auf.
In dem Cristiano Ronaldo auf die rechte Seite flüchtete. Dani Alves zog sich weiter zurück und hielt Ronaldo so gut im Griff, während sich Sánchez und auch Xavi um Coentrão kümmerten und Ronaldo damit so ein wenig abschnitten. Er kam nur gegen den defensiv sehr umsichtigen Abidal auch nicht besser zur Geltung, Özil verpuffte völlig und Callejón war mit der Aufgabe im Zentrum gegen dieses Team doch etwas überfordert.
So kam, was angesichts des klaren Chancenplus und durch die fehlende Entlastung seitens Reals beinahe kommen musste: Ein Pass auf den aufgerückten Abidal hebelte die Abeitsfalle aus, und der Franzose schoss eines seiner seltenen Tore zum 2:1-Endstand.
Fazit: Real konnte die Initiative nicht mehr zurückgewinnen
Kaum hatte Barcelona nach der Pause den zuvor defensiv anfällige rechte Abwehrseite gekittet und den Ausgleich erziehlt, fehlte es Real eklatant an Ideen, wie man das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen könnte. Zudem verloren bei den Königlichen die üblichen Verdächtigen – also allen voran wieder einmal Messis Kettenhund Pepe – die Nerven. Dass es keinen Ausschluss gab, war nur Mourinhos Schutz-Wechsel zu verdanken.
Die nächsten zwei Spiele werden für die Madrilenen nun zur Nagelprobe, denn erst geht es am Sonntag gegen das ungemein formstarke Team von Athletic Bilbao – die Basken haben nur eins der letzten 13 Liga-Spiele verloren, seit über 600 Minuten kein Tor kassiert und hatten auch Barcelona schon am Rande der Niederlage. Und dann natürlich nächsten Mittwoch das Rückspiel im Camp Nou.
Da wird sich Mou schon was ganz besonderes ausdenken müssen.
(phe)
]]>Platz 11 | Premier League | Chelsea – Liverpool 0:1
„Das sieht nach einem durchaus tauglichen Konzept aus, was Kenny Dalglish da mit seiner Dreierkette gefunden hat. Und Chelsea? Da könnte das Luxusproblem “Torres und Drogba und Anelka” zu einem tatsächlichen werden. Die Variante mit Drogba und Torres vorne und Anelka als Zehner dahinter war ein totaler Flop.“ – Die einen waren mit King Kenny auf der Bank auf dem Weg nach oben, zum Teil mit unüblichen Aufstellungsvarianten. Die anderen begannen zu erkennen, dass es vielleicht doch keine so einfach war, Torres sinnvoll einzubauen. Er verlor hier sein erstes Spiel im Chelsea-Dress ausgerechnet gegen sein altes Team. Süße Rache, nennt man so etwas wohl.
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Platz 10 | Asien-Cup | Japan – Syrien 2:1
„In der offensiven Dreierreihe wird rochiert, was das Zeug hält. Da taucht Matsui schon mal auf der ganz anderen Seite auf, Kagawa in der Mitte oder gar als Sturmspitze, Honda mal zurückhängend, mal auf die Seiten, dann wieder ganz vorne. Fàbregas, Nasri, Rosický und Konsorten lassen grüßen. Und vorne macht Ryoichi Maeda, was bei Arsenal einen Robin van Persie ausmacht. Vom Toreschießen mal abgesehen.“ – Was der Italiener Alberto Zaccheroni aus den Japanern gemacht hat, war atemberaubend. Ein Tempo, eine Ballsicherheit eine Dominanz: Man war beim ganzen Asien-Cup, nicht nur im Gruppenspiel gegen Syrien, die mit sehr viel Abstand beste Mannschaft. Und wenn man etwas konsequenter im Ausnützen der Torchancen gewesen wäre, hätte das Arsenal Asiens nicht so sehr um den Titel zittern müssen.
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Platz 9 | Europa League | ZSKA Moskau – FC Porto 0:1
Platz 8 | Frauen-WM | USA – Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.
Platz 7 | Europa League | SV Ried – Brøndby IF 2:0
Platz 6 | EM-Qualifikation | Frankreich – Bosnien 1:1
Platz 5 | Deutsche Bundesliga | Bayern München – Borussia Dortmund 1:3
Platz 4 | EM-Qualifikation | Aserbaidschan – Österreich 1:4
Platz 3 | La Liga, Copa del Rey, Champions League | Der Clásico-Vierteiler
Platz 2 | Copa América | Uruguay – Chile 1:1
Platz 1 | La Liga | FC Barcelona – Villarreal CF 5:0
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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2011 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2012 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!
David Villa fiel mit seinem im Semfinale des Klub-WM gegen Al-Sadd erlittenen Schienbeinbruch für das Finale gegen Copa-Libertadores-Sieger Santos aus. Für Pep Guardiola kein Problem – bringt er halt Cesc Fàbregas. Damit bekommt das 3-3-4 zwar eine etwas andere Anlage als das mit einem Mittelstürmer Villa der Fall ist, gegen den sicher stärksten Gegner bei dieser Veranstaltung hätte Guardiola aber womöglich so oder so gewechselt.
Überzahl im Mittelfeld
So hatte mit Barcelona gleich zwei zentrale Spieler, die aus der Tiefe nach vorne stoßen können und die Ordnung beim Gegner durcheinander bringen, eben Fàbregas und Messi. Auf den Außenpositionen spielten Dani Alves und Thiago Alcântara sehr hoch und sorgten dort für die nötige Breite, aus dem Mittelfeld verteilten Iniesta und Xavi wie gewohnt die Bälle. Im Grunde sah das Spiel von Barcelona genauso aus wie bei der Offenbarung gegen Villarreal.
Barcelona sammelte 75% Ballbesitz, es wurde viel rochiert und vor allem Messi und Fàbregas liefen sehr viel und holten sich die Bälle auch in tieferen Mittelfeld-Regionen. Das bereitet den Brasilianern große Probleme, denn die versuchten natürlich, immer möglichst Überzahl in Ballnähe zu bekommen. Was bei de facto fünf zentralen Mittelfeld-Männern bei Barcelona aber hieß das im (sehr schiefen) 4-2-3-1 von Santos aber: Es stand immer einer frei, oft auch mehr – so wie in diesem Bild, als Messi und Fàbregas weit und breit keinen Gegenspieler hatten.
So kam die Santos-Abwehr, die noch dazu einen erstaunlichen Respektabstand zu den Gegenspielern hielt und überhaupt nicht versuchte, mit Körpereinsatz dagegen zu halten, oft schwer in Bedrägnis und nach einer halben Stunde war Barça schon 2:0 voran, zur Halbzeit bereits mit 3:0.
Die Formation von Santos
Die zwei bestimmenden Figuren bei Santos sind natürlich Neymar und Ganso, die beide als heiße Aktien für einen baldigen Transfer nach Europa gehandelt werden. Die beiden haben grundsätzlich eine sehr hohe Qualität, aber gegen ein dermaßen dominantes Team aus Barcelona waren die Superstars zur absoluten Wirkungslosigkeit degradiert. Woran sie aber auch selbst Schuld sind.
Neymar spielte nominell auf der linken Seite im Mittelfeld, aber tatsächlich spielte der 19-Jährige einen Freigeist, spielte sehr zentral und auch recht hoch. Das hieß nicht nur, dass er in der Luft hing, sondern auch, dass Dani Alves die komplette Seite für sich alleine hatte und zudem Puyol immer wieder die Muße hatte, dort etwas weiter aufzurücken.
Ebenso enttäuschend war aber auch Ganso. Wenn nicht noch mehr: Denn der Zehner nahm eigentlich nicht am Spiel teil: Er war vom Passtempo der Katalanen überfordert, stand ebenso wie Neymar zumeist zu hoch, sah kaum Bälle und konnte sie noch weniger verteilen. Busquets hatte keinerlei Mühe, Ganso zu neutralisieren.
Ramalho gibt schon zur Halbzeit auf
Santos-Trainer Muricy Ramalho reagierte schon nach einer halben Stunde auf die komplette Chancenlosigkeit seiner Mannschaft und brachte für U-20-Weltmeister Danilo den routinierten Elano. Am Spiel änderte das aber nichts, die rechte Seite blieb genauso wirkungslos und so war mit dem 0:3 in der Halbzeit das Spiel entschieden.
Nach der Pause schien Santos nur noch darauf aus zu sein, das Ausmaß der sportlichen Katastrophe in Grenzen zu halten. So orientierte sich Elano nebem Henrique und Arouca gegen den Ball ins defensive Mittelfeld, wodurch ein fast italienisches 4-3-1-2 entstand, wobei Ganso auf der zehn blieb, sich Neymar aber vermehrt auf die linke Seite orientierte, um ein paar Bälle zu sehen. An Puyol gab’s aber kein Vorbeikommen.
So plätscherte die zweite Hälfte dahin, Barcelona kontrollierte den Ballbesitz und kam auch zu einigen Chancen, aber im Grunde war das Spiel aufgrund des Klassenunterschieds und des Spielstands ein Non-Contest. Auffällig war aber, dass Dani Alves in seiner extrem hohen Positionierung Probleme hatte, Abseitsstellungen zu verhindern. Er tappte ein ums andere Mal in die verbotene Zone, legte aber zehn Minuten vor Schluss noch den 4:0-Endstand durch Messi auf.
Fazit: Santos hatte nicht den Funken einer Chance
Der Copa-Libertadores-Sieger hatte vom Anpfiff an überhaupt keine Chance und der Endstandt von 0:4 drückt den Klassenunterschied in Wahrheit noch gar nicht wirklich aus – hätte Barcelona sieben oder acht Tore erzielt, keiner hätte sich beschweren können. Die hohe Positionierung von Neymar und die Passivität von Ganso taten ihr übriges. Barcelona hatte keine Mühe und konnte sich ungehindert die Bälle zuschieben.
Messi und Fàbregas genossen die ihnen gewährten Freiheiten sichtlich und arbeiteten extrem viel. Das 3-3-4 von Guardiola funktionierte hervorragend, Santos kollabierte unter dem aufgebauten Druck. Der Sieg stand nie zur Diskussion.
(phe)
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