Löw – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Thu, 01 Jul 2021 07:23:46 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 Viele prominente Opfer im EM-Achtelfinale – und die zufriedenen Österreicher https://ballverliebt.eu/2021/07/01/viele-prominente-opfer-im-em-achtelfinale-und-die-zufriedenen-oesterreicher/ https://ballverliebt.eu/2021/07/01/viele-prominente-opfer-im-em-achtelfinale-und-die-zufriedenen-oesterreicher/#comments Thu, 01 Jul 2021 07:23:44 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17628 Viele prominente Opfer im EM-Achtelfinale – und die zufriedenen Österreicher weiterlesen ]]> Weltmeister Frankreich weg. Europameister Portugal weg. WM-Finalist Kroatien weg. Deutschland weg. Holland weg. Die großen Namen purzelten in überwiegend attraktiven und spannenden Achtelfinal-Spielen reihenweise aus der EM raus. Sechs der acht Teams hadern mit dem Ausscheiden an sich, eines mit der Art und Weise – nur in Österreich konnte man nach dem knappen Aus gegen Italien lächeln.

Frankreich: Zu viel Handbremse, interner Zwist

Mit zurückhaltendem Abwarten und dem Tempo von Kylian Mbappé ist Frankreich vor drei Jahren Weltmeister geworden. Genauso hatte es Treainer Didier Deschamps auch bei der EM angelegt. So kontrollierte man Deutschland beim 1:0 ohne groß gefährdet zu werden. Das 1:1 in Ungarn wurde als Resultat eines unglücklichen Spielverlaufs abgehakt, das 2:2 gegen Portugal wiederum als selbstsicheres „Nur so hoch springen wie man muss“.

Der lasche Auftritt gegen die Schweiz – bei dem man noch von der Schippe zu springen schien, um dann doch zu kollabieren – offenbarte aber nicht nur die Probleme, wenn man es scheibar allzu sehr überzeugt von der eigenen Unschlagbarkeit angeht. Es offenbarte auch große zwischenmenschliche Differenzen innerhalb des Teams: Rabiot gegen Pogba, Varane gegen Pavard, beide gegen Pogba – und alle gegen Mbappé, wie es nach seinem entscheidenden Fehlschuss im Shoot-out schien.

Was funktionert hat? Die Rückholaktion von Karim Benzema hat für je zwei Tore gegen Portugal und Frankreich gesorgt. Paul Pogba hat den Platz, der ihm im Gegensatz zum schnelleren Klubfußball geboten wurde, für einige großartige Performances gesorgt – wiewohl er gegen die Schweiz abgetaucht ist. Wie es mit Didier Deschamps weitergeht? Der Verband wird ihn nicht liefern. Und er wird nicht so abtreten wollen.

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Deutschland: Schlusspunkt nach ziellosen Jahren

„Nicht so abtreten“ wollte auch Jogi Löw nach dem peilichen Vorrunden-Aus bei der WM 2018. Der in den Sand gesetzte Generationswechsel und drei Jahre ohne erkennbare inhaltliche Entwicklungsrichtung gipfelten nun aber in einem EM-Turnier, das irgendwo zwischen „eh okay“ und „nicht besonders“ angesiedelt ist. Keine Blamage eines Vorrunden-Aus (wobei man nur knapp daran vorbeigeschrammt ist), kein Befreiungsschlag in Form einer positiven Überraschung.

Das 0:2 im Wembley, die erste Pflichtspiel-Niederlage in Englands Fußball-Nationalheiligtum seit 55 Jahren, wird den DFB schmerzen, aber es wurde damit kein möglicher EM-Titel versenkt. Bis 2018 hatte man geglaubt, dass das Team in sich so gefestigt wäre, dass es über die verloren gegangene Avantgarde-Stellung der Bundesliga erhaben wäre. Spätestens 2021 weiß man, dass Löw es nicht schaffte, dem DFB-Team in der Post-Guardiola-und-Klopp-Ära bei Bayern und Dortmund eine starke Identität zu verleihen.

In drei Jahren steht für Deutschland eine Heim-EM an. Eigentlich muss Löws Nachfolger Hansi Flick der Mannschaft aber schon bis zur WM in eineinhalb Jahren ein neues Gesicht verliehen haben.

Portugal: Ronaldo UND Bruno? Schwierig.

Ist Bruno Fernandes nun der Nachfolger von Cristiano Ronaldo als offensives Gesicht und als „Spiritus Rector“ von Portugal? Was dieses Turnier jedenfalls deutlich gemacht hat: Dass es nicht mit Ronaldo UND Bruno Fernandes geht. Ob auf der Zehn (wie in Ungarn) oder auf der Acht (wie in Deutschland) oder auf der rechten Seite (wie nach seiner Einwechslung gegen Frankreich): Das Spiel läuft an Fernandes vorbei. Manchmal hatte man das Gefühl, er wird von den Mitspielern bewusst geschnitten. Die Zahlen scheinen das zu untermauern: Wurde Renato Sanches 68 Mal pro 90 Minuten angespielt und Moutinho, der dann statt Fernandes auf der halbrechten Acht spielte, 53 Mal, waren es bei Bruno Fernandes nur 38 Mal pro 90 Minuten.

Wie seit der K.o.-Phase der EM 2016 immer war das Spiel Portugal darauf basierend, keinen Blödsinn zu machen; aber doch spürbar mehr auf Ballkontrolle ausgelegt – dafür hat man ja grundsätzlich auch Spieler, sogar mehr als genug. Dieses Überangebot sorgte für ein Ungleichgewicht, das das sichtbar Ronaldo treu ergebene Team phasenweise aus der Balance kippen ließ, vor allem, als man gegen Belgien einem Rückstand hinterher jagen musste.

Die Defensivstruktur mit einer Sechserkette hinten (Jota und Bernardo Silva rücken weit zurück) und einer Raute davor war eine interessante Variante, welche die aber gerade auf den Außenbahnen bestehende defensive Wackeligkeit nicht kaschieren konnte. So war Portugal bei dieser EM defensiv nicht immer sattelfest und offensiv berechenbar, weil fast nichts ohne Renato Sanches im Mittelfeld ging und weil alles auf Ronaldo ausgelegt war.

Kroatien: Ein Turnier zu viel

Ohne erkennbare Gegenwehr haben die Kroaten gegen England 0:1 verloren, gegen Tschechien nach einer ebenso ambitionslosen ersten Hälfte noch ein 1:1 gerettet und im entscheidenden Gruppenspiel in Schottland war es vor allem die individuelle Klasse, die zum Sieg und damit zumindest noch zum Achtelfinal-Einzug geführt hat. Dort wurde man nach dem Geschenk zur 1:0-Führung zwar durchaus mutig, aber letztlich brauchte es doch wieder spanische Einladungen, um in die Verlängerung zu kommen.

Dieses kroatische mit Luka Modrić im Herzen ist drei Jahre nach dem WM-Finale, und das hat sich schon seit einiger Zeit angedeutet, über dem Zenit. Dejan Lovren war nur noch in zwei Spielen dabei, Sime Vrsaljko wurde nach zwei Matches von Polen-Legionär Juranović verdrängt, Vida ist auch nicht mehr der Jüngste, Perišić ebenso. Dem Team fehlte es massiv an Dynamik und Spritzigkeit. Man wirkte im ganzen, nun ja… alt.

Zu den Lichtblicken gehörte Joško Gvardiol, der nun zu Leipzig gehen wird und die Lösung für die langjährige Problemstelle links hinten sein dürfte. Nikola Vlašić (23) zeigte gute Ansätze, Mario Pašalić (26, bei Atalanta eher nur Mitläufer) war auch ganz okay, Luka Ivanušec (22) durfte phasenweise neben bzw. statt Modrić Regie-Luft schnuppern. Für Nachschub ist in der nahenden Post-Modrić-Ära also gesorgt. Wie gut dieser sein wird, muss sich erst noch zeigen.

Niederlande: Hoch gehandelt, früh gefallen

Die Rückkehr zum Turnierfußball nach sieben Jahren war für die Niederlande, wenn schon sonst nichts, dann wenigstens eine Standortbestimmung. Die relativ problemlose Gruppe überstand man ohne große Schrammen, was aber auch daran lag, dass Österreich schnell die Waffen streckte und Nordmazedonien schon vor dem Match ausgeschieden war. Einem farblosen tschechischen Team im Achtelfinale begegnete man auf Augenhöhe, zumindest bis zum Ausschluss von De Ligt.

Frenkie de Jong glänzte als Verbindungsspieler zwischen Abwehr und Angriff, aber die völlige Abwesenheit von strukturierter defensiver Unterstützung für die Dreierkette in der Abwehr ließ bei aufmerksamen Beobachtern schon beim 3:2-Auftaktsieg gegen die Ukraine die Alarmglocken schrillen. Denzel Dumfries glänze als Wing-Back im Vorwärtsgang, offenbarte aber große Schwächen in der Abwehrarbeit.

Die Truppe des mittlerweile zurückgetretenen Frank de Boer war eine nicht ausgewogene Mischung aus vielen Stilelementen. Flinke Offensivkräfte, aber versehen mit dem 1,97-m-Schrank Weghorst (bzw. dem international unerfahrenen Malen). Von hinten nach vorne kombinieren mit einem klar definierten Aufbauspieler, aber ohne einen Absicherung hinter ihm. Gerne mit Breite auf den Außenbahnen, aber mit viel Luft im Rückraum. Damit gewinnt man, wenn alles soweit nach Plan läuft. Das lässt einen aber schnell umfallen, wenn man mit Unwägbarkeiten konfrontiert wird.

Schweden: Sie könnten, wenn sie wollten

Die 25 Prozent Ballbesitz, mit denen sich Schweden beim 0:0 zum Start gegen Spanien begnügte, werden in Erinnerung bleiben – zumal man dank des trickreichen Isak das Match auch 2:0 gewinnen hätte können. Das todlangweilige 1:0 gegen die Slowakei, das folgte, war die ideale Berieselung für ein Nachmittagsschläfen. Nein, eine aufregende Mannschaft ist Schweden wahrlich nicht.

Aber dass die Schweden durchaus einen gepflegten Ball spielen können, zeigten sie schon auch. Wie Emil Forsberg das Achtelfinale gegen die Ukraine an sich gerissen hat und neben seinem Tor noch zweimal Latte bzw. Stange getroffen hat, war stark – unterstützt von bemerkenswert gut gedrillten Angriffsstrukturen um ihn herum. Diese taktische Disziplin ist generell, wie schon beim Viertelfinal-Einzug bei der WM 2018, die hervorstechende Eigenschaft der Schweden. Es wird einfach getan, was getan werden muss. Im Block verteidigen gegen Spanien. Gegner überrumpeln wie gegen Polen. Selbst nach vorne gehen wie gegen die Ukraine.

Der Gruppensieg, der den Schweden durch das Last-Minute-Siegtor gegen Polen und die zwei spanischen Punktverluste in den Schoß gefallen ist, bescherte den Trekronor die Ukraine. Dass man ausschied, lag eher am Schusspech und der roten Karte in der Verlängerung, denn das schlechtere Team war man nicht. „So fühlt sich das also an“, bilanzierte Aftonbladet-Kolumnist Simon Bank, „wenn man ein Spiel dominiert, es eigentlich in der Tasche hat und es von in gelb spielenden Glücksrittern weggeschnappt bekommt. Normalerweise sind das ja Schweden…“

Wales: Am Tropf von Gareth Bale

Ein Team aus durchschnittlichen Zweitliga-Spielern und einer Handvoll Erstliga-Reservisten, am Leben gehalten von der einsatzfreudigen Omnipräsenz von Gareth Bale und der guten Balltechnik von Aaron Ramsey: Bei allem Respekt, aber viel mehr ist Wales nicht. Spielte man sich vor fünf Jahren mit einem geschickten System, in dem die beiden mit Joe Allen alle Freiheiten hatten, ins Halbfinale, war das 2021 nichts Außergewöhnliches mehr.

Wie sehr allerdings Gareth Bale im walisischen Team-Dress aufgeht, ist sehr wohl sehenswert. Er ist nicht nur auf dem Flügel zu finden, sondern rückt auch ein, lässt sich fallen, geht in den Zehnerraum oder zuweilen sogar in die Spitze; er erkennt den Raum und stößt hinein, er sieht gut postierte Mitspieler und setzt sie ein. Bales Auftritt beim überzeugenden Sieg über die Türkei wird eine der großen individuellen Leistungen bei diesem Turnier bleiben.

Nach dem etwas glücklichen 1:1 gegen die Schweiz, dem angesprochenen 2:0 gegen die Türkei und dem 0:1 gegen Italien (wo Wales in einem 5-2-1-2 mit Bale neben James in der Spitze spielte) hielt man so das Achtelfinale gegen Dänemark eine halbe Stunde lang offen; einmal in Rückstand, hatte man aber nichts mehr zuzusetzen. Nach dem Aus im Achtelfinale grämt man sich über die zwei späten Gegentore, die aus einem entschiedenen Spiel ein 0:4-Debakel werden ließen. Aber mehr als das Achtelfinale hat Wales in dieser Form auch nicht verdient.

Österreich: Die Kurve bekommen

Nach dem 0:4-Debakel im März gegen Dänemark und kreuzbiederen Vorbereitungsspielen war die Euphorie auf dem Nullpunkt und die Erwartungshaltung gering. Zumindest das Match gegen Mazedonien sollte man bitteschön gewinnen, dann hätte man sich wenigstens nicht blamiert. Dann gab es diesen 3:1-Erfolg über den Debütanten sogar. Es folgte ein 0:2 in Holland, in seiner ganzen Ideen- und Antriebslosigkeit eine geradezu erschütternde Vorstellung.

Aber das ÖFB-Team hat die Kurve noch bekommen. Man überrannte ein ukrainisches Team, das sich auf einen gemütlichen Nachmittag eingerichtet hatte, an dem ein Remis beiden Mannschaften zum Aufstieg reichen würde. Und nachdem man erstmals seit 39 Jahren die Vorrunde einer WM- oder EM-Endrunde überstanden hatte, lieferte man Italien einen großen Kampf mit offenem Visier, den man genauso gut gewinnen hätte können.

David Alaba glänzte als Linksverteidiger, indem er seinen Gegenspieler abmontierte. Grillitsch glänzte auf der Sechs, Marcel Sabitzer arbeitete viel, Konrad Laimer gefiel auf ungewohnter Position; Aleksandar Dragovic versöhnte sich dank starker Darbietungen nach seiner individuellen Katastrophe von 2016 mit der EM.

Obwohl das bloße Resultat das Erreichen des Minimalzieles war – also das Achtelfinale – kann Österreich zufrieden auf das Turnier zurückblicken, zumal nach dem Kollaps von 2016. Ob der plötzliche Mut, den Franco Foda seinen Spielern gegen die Ukraine und Italien zugestand, nun der Beginn eines Trends ist oder doch nur ein Strohfeuer, wird der anstehende WM-Quali-Herbst zeigen.

Fazit: Viele Favoriten weg, dennoch einige übrig

Da können die beiden letzten Weltmeister, der Vize-Weltmeister und der EM-Titelverteidiger den Sprung unter die letzten Acht verpassen – und es sind immer noch mit Italien, Spanien, Belgien und England vier echte Schwergewichte übrig; die sich nun mit den auf der Welle reitenden Dänen, den nimmermüden Schweizern sowie den Überraschungsgästen Ukraine und Tschechien um den Titel streiten. Europa ist ohnehin im Weltfußball in den letzten 15 Jahren so dominant wie noch nie zuvor, und dann zeigt diese EM auch noch die Tiefe auf.

Da reichen auch für große Namen gegen vermeintlich in Relation schwächere Teams wie Schweiz oder Tschechien Nachlässigkeiten, um zu Stolpern. Wenn die klare Idee von der eigenen Spielweise fehlt oder wenn ein eigentlich guter Spieler nicht ins Teamgefüge aufgenommen wird. Manche, wie Italien und Spanien, haben sich noch einmal aus dem teilweise selbstverschuldeten Sumpf herausgezogen.

Darum sind diese Mannschaften auch noch im Rennen um den EM-Titel.

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15 Jahre Löw: Vom frischen Wind zur lähmenden Großkonzern-Aura https://ballverliebt.eu/2021/03/10/dfb-rucktritt-joachim-jow-ruckblick/ https://ballverliebt.eu/2021/03/10/dfb-rucktritt-joachim-jow-ruckblick/#respond Wed, 10 Mar 2021 10:53:52 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17422 15 Jahre Löw: Vom frischen Wind zur lähmenden Großkonzern-Aura weiterlesen ]]> Nach 15 Jahren im Amt als Bundestrainer beim DFB wird Joachim Löw den Posten nach der EM in diesem Sommer verlassen. Sein Beitrag zu den Erfolgen und der über weite Strecken bestehenden Konstanz auf hohem Niveau wird Fachkreise noch lange beschäftigen. Löw steht aber nicht nur für einen WM-Titel, ein EM-Finale und vier erreichte Halbfinals, sondern auch für den Wandel in der Wahrnehmung des deutschen Nationalteams, seit er 2004 als Assistent von Jürgen Klinsmann zur Mannschaft gestoßen ist.

Der DFB, der Löw mit Klinsmann vor 17 Jahren verpflichtet hat, war ein unbewegliches Altherren-Gefüge, das sich mit dem Wandel der Fußballwelt und dem Aus des ur-deutschen Libero noch nicht abgefunden hatte. Der überdrehte Klinsmann brachte einen neuen Ton in die öffentliche Wahrnehmung, der schwäbisch-trockene Löw in der Folge eine gutmütige, strebsame und weltoffene Note. Ab 2010 war er so ein wenig der der „Papa Schlumpf“, der wohlmeindene Leiter einer lustigen Rasselbande. Der allseits beliebte Bundes-Jogi.

Es war der frische Wind, den der deutsche Fußball gebraucht hat, begleitet von Erfolgen, die der durch EM-Vorrunden-Klatschen und WM-Viertelfinal-Blamagen durchgeschüttelten deutschen Fußballseele gutgetan haben. Dass er sich von Kameras schön sichtbar in Szene gesetzt in der Nase bohrt, am Gemächt kratzt, auf den Hintern greift und an seinem Achselschweiß riecht, mag man zwar unappetitlich gefunden haben, wurde aber auch als ein Zeichen betrachtet, dass es halt menschelt.

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Unter der Leitung von Teammanager Oliver Bierhoff wurde jedoch vor allem nach dem WM-Titel 2014 eine zunehmende Entfremdung von der Basis vorangetrieben. Der DFB im Allgemeinen und das Umfeld der Nationalmannschaft im Speziellen gab sich immer unnahbarer und man umgab sich immer mehr mit der kühlen Aura eines Großkonzerns, nur noch seinen eigenen Interessen verpflichtet, ohne Gehör für Stimmen und ohne Gespür für die Stimmungen auf den Tribünen und den TV-Geräten.

Das zunehmend als überheblich empfundene Abtun von Kritik – etwa an der Herangehensweise zur WM-Blamage von 2018 oder dem planlos wirkenden Neuaufbau danach – hatte etwas von „Was interessiert es die Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr kratzt.“

Das durch offenkundige Korruption angekratzte Image des DFB (WM-Affäre Beckenbauer und der unrühmliche Abgang von DFB-Präsident Niersbach ebenso wie die erratische und selbstgefällige Führung von Niersbachs Nachfolger Reinhard Grindel sowie der aktulle Machtkampf zwischen Präsident Keller und Generalsekretär Curtius) sind nicht Löw anzulasten. Aber die jugendliche Energie, sich in der Wahrnehmung von den negativen Gravitationskräften im DFB abzusetzen, hatte Löw auch nicht mehr.

Aus dem Jogi Löw, der als 44-Jähriger mit dem Schwung eines 30-Jährigen in den DFB kam, ist ein 61-Jähriger Alt-Bundestrainer geworden, der vermutlich selbst weiß, dass er des bestmögilchen Zeitpunkt zum Absprung versäumt haben dürfte – es sein denn, es folgt nun doch noch eine krönende EM.

WM 2006 – Klinsmanns Assistent

Nach dem Debakel des Vorrunden-Aus bei der EM 2004 und dem Ende der Ära Völler suchte der DFB einen Trainer, der ein am Boden liegendes Team innerhalb von zwei Jahren fit für die WM im eigenen Land machen kann. Die Wahl auf Jürgen Klinsmann wurde von der Liga mit breiter Ablehnung quittert, und auch mit dem an sich angedachten Trainer Holger Osieck kam sich Klinsmann über die Verteilung der Kompetenzen in die Haare, noch ehe es zur Finalisierung des Deals kam. Klinsmann schnappte sich Löw, mit dem zusammen er den Trainerkurs absolvierte und DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder nickte die Personalie ab. Alle drei – Klinsmann, Löw und vor allem „MV“ – waren eng mit dem VfB Stuttgart verbandelt.

WM 2006 – Halbfinale (Platz drei)

Die fußballerisch schwer rückwärtsgewandte deutsche Öffentlichkeit amüsierte sich über die modernen Trainingsmethoden, die Klinsmann mitsamt seinen amerikanischen Athletik-Trainern mitgebracht hat (Stichwort „Gummi-Twist“) und auf dem Weg zur WM gab es diverse peinliche Niederlagen (1:4 gegen Italien, 1:5 gegen Rumänien), aber gemeinsam mit Löw – der für die taktisch-inhaltlichen Agenden verantwortlich war – wurde eine klare, nach vorne gerichtete Spielidee entwickelt. Es folgte die endgültige Lösung von Libero-ähnlichen Systemen, mit einem 4-4-2 mit Fokus auf schnelles Umschaltspiel ging man in die WM und steigerte sich von Spiel zu Spiel. Die erste Halbzeit im Achtelfinale gegen Schweden war wohl die beste deutsche Leistung in über einem Jahrzehnt, Argentinien wurde im Viertelfinale im Elferschießen niedergerungen, im Halbfinale gegen Italien hielt man bis zur 119. Minute ein (zunehmend schmeichelhaftes) 0:0. Es gab den dritten Platz, Klinsmann trat zurück, Löw rückte auf.

EM 2008: Mit mäßigem Fußball ins Finale

EM 2008 – Finale

Die EM in Österreich und der Schweiz 2008 war das erste Turnier mit Löw als Bundestrainer. Das flache 4-4-2 von 2006 hatte grundsätzlich weiter Bestand, wurde in den Vorrunde vor allem bei der Niederlage gegen Kroatien als nicht zukunftstauglich enttarnt. Im Viertelfinale gegen Portugal erfolgte daher die Umstellung auf ein 4-2-3-1 mit einer doppelten defensifen Absicherung hinter Ballack; Mario Gomez verlor seinen Platz als zweite Sturmspitze neben Klose. Die zunehmende Stabilität sorgte zwar nicht für weniger Gegentore, aber die adaptierte Aufgabenverteilung erlaubte mehr offensive Verve. Beim 3:2 im Viertelfinale gegen Portugal glänzte Bastian Schweinsteiger, beim wilden 3:2 im Halbfinale gegen die Türkei rettete Lahm den Sieg. Im Endspiel verlor Deutschland in der Folge 0:1 gegen Spanien.

WM 2010 – Der Durchbruch

WM 2010 – Halbfinale (Platz drei)

Wenige Wochen vor der WM in Südafrika wurde Michael Ballack im FA-Cup-Finale von Kevin-Prince Boateng so ungeschickt umgetreten, dass er für die WM ausfiel. Der Ausfall vom (neben Miro Klose) einzigen deutschen Fußballer seiner Generation, dem man guten Gewissens internationale Klasse unterstellen konnte, wurde aber zum Glücksfall. Ohne den nicht mehr besonders schnellen 33-Jährigen, sondern mit Bastian Schweinsteiger (der bei Bayern von Louis van Gaal zur Acht umfunktioniert wurde) und dem wuseligen Mesut Özil im Zentrum ging das blitzschnelle Umschaltspiel richtig auf. England wurde (einer, ähem, spannenden Schiedsrichter-Entscheidung inklusive) im Achtelfinale 4:1 abmontiert, ein von Maradona horrend löchrig gecoachtes Argentinien im Viertelfinale 4:0. Im Halbfinale (ohne den gesperrten Müller) setzte es aber wieder ein 0:1 gegen Spanien. Das frische Auftreten einer angriffigen und sehr jungen Mannschaft (Schnitt 24,8 Jahre) sorgte aber für viele Sympathie-Punkte.

EM 2012 – Interne Spannungen

EM 2012 – Halbfinale

In die EM in Polen und der Ukraine ging man als logischer Co-Favorit neben Spanien. Was man im Lager des DFB erst Jahre später einräumte, war aber schon während des Turnieres spürbar: Die Spannungen zwischen dem Bayern-Block und der Dortmund-Delegation, die sich zu diesem Zeitpunkt in einer heftigen Rivalität befanden – Dortmund war 2011 und 2012 Meister geworden – wurde von Löw und seinem Team unterschätzt. Dennoch kam man ohne nennenswerte Probleme bis ins Halbfinale gegen Italien. Dieses wurde zu einer der berüchtigsten Löw-Niederlagen, denn er hatte das Match vercoacht: Er ließ Müller draußen, schob Özil auf die rechte Seite und stellte Kroos als Kettenhund für Pirlo auf. Jedes Spielflusses beraubt, verlor Deutschland 1:2.

WM 2014 – Der große Titel

WM 2014 – Weltmeister

Das ständige Scheitern vor der Ziellinie wurde schön langsam zum wiederkehrenden Thema und die Frage, ob Löw wirklich gut genug für die fraglos beste deutsche Spielergeneration seit Jahrzehnten ist, wurde immer lauter gestellt. Die WM in Brasilien war gefühlt die letzte Chance, prägende Spieler wie Lahm, Schweinsteiger und Klose noch zu einem Titel zu führen und auch sich selbst den Job zu retten. Aus den Erfahrungen von 2012 heraus wurde vor allem auf ein gutes internes Klima geachtet (die Ferienhaus-WG in Campo Bahia erhielt beinahe Kultstatus). Man schwankte zwischen vollster Souveränitat (wie beim 4:0 gegen Portugal) und schlimmem Schwimmen (wie beim 2:2 gegen Ghana oder beim zittrigen 2:1 gegen Algerien im Achtelfinale). Löw ließ den rekonvaleszenten Khedira zunächst draußen und stellte Lahm ins Zentrum, mit einem fitten Khedira in der WM-Finalphase flutschte es aber – vor allem beim 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien. Das Finale gegen Argentinien wurde zum Abnütztungskampf, Götzes Tor in der Verlängerung machte Deutschland zum vierten Mal zum Weltmeister.

EM 2016 – Sehr stabil und mit Pech

EM 2016 – Halbfinale

Kapitän Lahm und Routinier Klose traten nach dem WM-Titel aus der Nationalmannschaft zurück, Schweinsteiger wurde 2015 bei Bayern ausgemustert und spielte bei Manchester United unter Mourinho keine Rolle. Der restliche Stamm war aber jung genug, um neue Kräfte – wie Joshua Kimmich – sanft einbauen zu können. Bei der EM in Frankreich war das DFB-Team das stabilste von allen, erlöste sich im Viertelfinale mit dem Sieg im Elfmeterschießen auch von seinem althergebrachten Italien-Trauma und hatte im Halbfinale Frankreich recht sicher im Griff. Kurz vor dem Pausenpfiff brachte eine harsche Handspiel-Entscheidung gegen Schweinsteiger – der nur deshalb erstmals im Turnier in der Start-Elf stand, weil sich Khedira im Viertelfinale verletzt hatte – und der resultierende Elfmeter den 0:1-Rückstand. Deutschland blieb am Drücker, bis Neuer eine Flanke zu kurz genau vor die Füße von Griezmann klärte. Das 0:2, das Aus, und beim DFB war mit hin- und hergerissen zwischen einem zu schwachen Abschneiden gemessen an den Leistungen und der Erkenntnis, dass man sich eigentlich nichts vorzuwerfen brauchte.

WM 2018 – Die Blamage

WM 2018 – Vorrunde

2016 kam Deutschland mit einer notdürftig zusammengestellten U-23-Auswahl ins Olympia-Finale, 2017 gewann man mit einer frisierten U-21-Mannschaft den Confederations-Cup und wurde zeitgleich mit der eigentlichen U-21 auch noch Europameister. Im Vorfeld der WM in Russland waren die Leistungen zwar nicht berauschend – wie bei der Test-Niederlage in Österreich – aber man war eben Deutschland, eine Turniermannschaft, und wenn es zählt, war man immer da. Die offen zur Schau gestellte Entspanntheit sollte sich aber schnell rächen, denn man wirkte bei der WM tatsächlich unvorbereitet und überheblich. Der Auftaktniederlage gegen Mexiko folgte ein Last-Minute-Sieg gegen Schweden. Ein Sieg gegen das bereits ausgeschiedene Team aus Südkorea würde für das Achtelfinale reichen, aber wieder wirkte das DFB-Team gleichermaßen fahrig wie in Sicherheit gewogen. Südkorea ging 1:0 in Führung, Panik breitete sich aus, Deutschland verlor und war ausgeschieden.

Der letzte Hammerschlag

Zum ersten Mal schien das Ende der Ära Löw nach einem Turnier eine realistische Möglichkeit und der DFB hatte alle Mühe, Löws Verbleib zu verkaufen und den noch dazu in den Monaten nach der WM-Blamage folgenden Abstieg aus der A-Gruppe der Nations League wegzumoderieren. In der EM-Qualifikation profitierte man vom Auftakt-Sieg gegen Holland und kam nie in ernsthafte Gefahr, die EM zu verpassen. Aber die Ausbootung von Müller, Boateng und Hummels, ohne eine sichtbare Richtung beim Neuaufbau erkennen zu lassen, ließen die Kritik trotzdem immer lauter werden.

In der 2019 stattfindenden Quali für die EM und beim 0:6 gegen Spanien 2020

Der letzte, echte Hammerschlag auf die Amtszeit von Joachim Löw war das 0:6 in Spanien im November 2020 in der Nations League. Spätestens hier schien das nahende Ende der Ära Löw gekommen. Und tatsächlich war es das 189. und letzte Spiel, bevor der mittlerweile 61-Jährige seinen Rücktritt angekündigt hat, der nach der auf diesen Sommer verschobenen EM vollzogen wird.

Einmal von der Vergangenheit in die Avantgarde und wieder zurück

Ein großer taktischer Innovator war Löw nicht. Aber er hat es immer verstanden, die Trends der Avantgarde zu erkennen und sie für das DFB-Team umzusetzen. Er fügte zusammen, was zunächst Louis van Gaal, dann Jürgen Klopp und Jupp Heynckes und schließlich Pep Guardiola zu den beiden Spitzenteams Bayern und Dortmund brachten.

Nachdem 2015 Klopp Dortmund verlassen hatte und 2016 Guardiola die Bayern hinter sich ließ, folgte bei beiden Teams eine offene Identitätssuche mit teils heftigen Stilbrüchen. Tuchel und Bosz mit intensivem Druckspiel, dann Stöger und Favre mit zurückgenommenem Fußball bei Dortmund. In München der gemütliche Ancelotti und der überforderte Kovac, dazwischen der alte Heynckes bei Bayern.

Löw fand keine zusammen passenden Strategien vor, die er bei der Nationalmannschaft implementieren konnte und verließ sich darauf, dass es im Zweifel mit individueller Klasse auch geht – was 2018 zum großen Schiffbruch führte, und mehr als notdürftig zusammen geflickt ist das Schiff bis heute nicht.

2004 ist Löw in einen starren DFB gekommen, der sich selbst neu suchen musste, das aber im Grunde seines Herzens nicht wollte. 2021 verlässt Löw einen DFB, der wieder zu einem unbeweglichen Monolithen mit zweifelhaftem Problembewusstsein geworden ist.

Einmal im Kreis, wenn man so will.

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Deutschland ist raus – wie konnte das passieren? https://ballverliebt.eu/2018/06/28/deutschland-ist-raus-wie-konnte-das-passieren/ https://ballverliebt.eu/2018/06/28/deutschland-ist-raus-wie-konnte-das-passieren/#respond Thu, 28 Jun 2018 13:06:59 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=14916 Deutschland ist raus – wie konnte das passieren? weiterlesen ]]> „Ein schwarzer Tag des deutschen Fußballs! Unsere Mannschaft spielte immer nervöser, immer verkrampfter gegen die Uhr, die schließlich ein übermächtiger Gegner wurde. Das Selbstvertrauen des Gegners nahm von Minute zu Minute zu.“

Was das deutsche Fußball-Magazin „kicker“ am 18. Dezember 1967 nach dem 0:0 in Albanien schrieb, mit dem man den Einzug in das EM-Final-Four verpasste, hätte auch heute, am Tag nach dem erstmaligen Aus in einer WM-Vorrunde, geschrieben stehen können. Wie konnte es so weit kommen – und wie geht es mit dem noch zweieinhalb Wochen amtierenden Weltmeister weiter?

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Deutschland – Südkorea 0:2 (0:0)

Zu offen für Konter beim 0:1 gegen Mexiko. Überlegen, aber auch wegen schwacher Chancenverwertung lange zittern müssen beim 2:1 gegen Schweden. Verunsichert und zu lange zu vorsichtig gegen Südkorea, ehe man in der hektischen Schlussoffensive noch in zwei späte Konter lief.

Der Turnierverlauf aus deutscher Sicht liest sich so, wie sich der Turnierverlauf eines Teams eben liest, das früher scheitertet als erwartet: Eine Mischung aus unglücklichen Umständen, eigener Schwäche und „dumm gelaufen“. Das kennen die Spanier von 2014 (offen für Konter beim 1:5 gegen Holland, völlig verunsichert beim 0:2 gegen Chile, und schon war’s vorbei). Oder die Franzosen von 2002 (überheblich und ohne Zidane beim 0:1 gegen Senegal, zu vorsichtig und lange in Unterzahl beim 0:0 gegen Uruguay, völlig verunsichert beim 0:2 gegen Dänemark).

Und das Spiel von Kasan erinnerte frappant an jenes von Cordoba vor exakt 40 Jahren: Deutschland muss gewinnen, verliert aber in der Schlussphase gegen ein bereits ausgeschiedenes Team und scheidet aus. Damals war es Österreich, diesmal Südkorea.

Von 2014 bis 2018

Das WM-Team 2014

Das Team, welches vor vier Jahren Weltmeister wurde, hatte die richtige Mischung aus Routine (Klose, Lahm, Schweinsteiger), Erfahrung aus internationalen Ligen (Khedira, Özil, Klose) und Spielern von europäisch konkurrenzfähigen, heimischen Top-Klubs (Bayern, Dortmund).

Vergleicht man das Team von 2014 mit jenem von 2018, fällt aber auch auf: Lahm, Schweinsteiger und Klose haben ihre Team-Karrieren beendet, und von diesem Trio abgesehen ist von der WM-Stammformation nur noch Benedikt Höwedes rausgefallen – und seine Karriere ist mit seinem Abgang von Schalke vor einem Jahr auf die Tribüne des Turiner Stadions auch eher in einer Sackgasse gelandet.

Nibelungentreue zum Weltmeisterteam wurde auch schon Marcello Lippi vorgeworfen (wobei 2010 eine lange Verletztenliste dafür sorgte, dass die zweite Reihe bei der WM ran musste – und scheiterte), Vicente del Bosque 2014 genauso (zumal Xavi und Xabi Alonso da schon alt wirkten). Joachim Löw hingegen hat viele Spieler ausprobiert, verschiedene Systeme spielen lassen, eine B-Elf hat letztes Jahr den Confederations Cup gewonnen und die U-21 wurde zeitgleich Europameister.

Wenn’s zählt, vertraut Löw nur den „Alten“

Deutschland beim Confed Cup 2017

Vor einem Jahr gewann Deutschland die WM-Generalprobe mit einem Team voller Perspektiv-Spieler, und zwar fast durchgängig in einem 3-4-3-System. Dieses Team legte den Schluss nahe, dass das DFB-Team langfristig gut aufgestellt sein würde. Und, dass einige vom Confed-Cup-Team auch eine ernsthafte Chance im WM-Team erhalten würden.

Letztlich war aber (abgesehen von Draxler, Kimmich und Hector, den einzigen drei A-Stammspielern, die mit waren) nur Timo Werner wirklich erste Wahl.

Rudy spielte statt Khedira gegen Schweden und verletzte sich, Rüdiger spielte als Hummels-Ersatz gegen Schweden schwach, Goretzka war erst gegen Südkorea mit dabei – und das auch nur eine Stunde. Ter Stegen musste dem frisch genesenen Neuer weichen, Plattenhardt glänzte nicht gerade als Hector-Ersatz, Ginter spielte als einziger Feldspieler keine einzige WM-Minute.

Amin Younes, der 2017 als Joker stark spielte, handelte sich mit überheblichen Kindereien eine Versetzung ins Ajax-Reserveteam ein. Kerem Demirbay, Diego Demme und Benjamin Henrichs waren kein realistisches Thema für die WM. Sandro Wagner, Leroy Sané, Shkodran Mustafi und Emre Can wurden nicht berücksichtigt, Stindl hatte sich im WM-Vorfeld verletzt.

Deutschland bei der EM 2016 (links) und bei der WM 2018 (rechts).

Jene Mannschaft, die bei der EM vor zwei Jahren ins Halbfinale kam (und dort gegen Frankreich als klar bessere Mannschaft nur wegen individueller Fehler verlor; Schweinsteiger war 2016 schon nur noch Einwechselspieler) unterscheidet sich von der aktuellen in nur zwei Positionen – und da Draxler beim ersten Spiel gegen Mexiko begann, war es beim 0:1 sogar nur eine einzige.

Das heißt: Wenn es hart auf hart kommt, vertraut Löw praktisch nur auf seinen langjährigen Stammkräfte. Das galt auch in der WM-Qualifikation.

Auch hier fällt auf: Solange die Qualifikation nicht gesichert war, waren fast nur die bekannten Namen im Einsatz. Nur gegen San Marino und an den schon weitgehend bedeutungslosen letzten zwei Doppelspieltagen durften sich die Reservisten ein wenig austoben.

In die Jahre gekommen

Das blutjunge Team, das sich 2010 in Südafrika mit einem 4:1 über England und einem 4:0 über Argentinien ins WM-Halbfinale gespielt hat, hatte ein Durchschnittsalter von 24,8 Jahren. Neuer, Boateng, Khedira, Müller und Özil waren damals mit dabei. Nur zwei Spieler aus der Stammformation waren älter als 26 Jahre (Miro Klose und Arne Friedrich).

Das in die Jahre gekommene Team, das sich 2018 in Russland nach der Vorrunde verabschiedet, hat in seiner Stammformation nur zwei Spieler, die jünger sind als 28 Jahre (Joshua Kimmich und Timo Werner). Angesichts der Altersstruktur und dem spektakulären sportlichen Scheitern muss man kein Prophet sein, um zu sagen: Da wird jetzt ein ziemlicher Schnitt kommen.

Die Schwäche der Bundesliga

Ein Jahr vor dem WM-Titel war die deutsche Bundesliga auf ihrem internationalen Höhepunkt, als Bayern München und Borussia Dortmund im Finale der Champions League gegeneinander spielten. Die ballbesitzorientierten Heynckes-Bayern und das Pressing-und-Umschaltspiel von Klopps Borussia waren auf ihrem Höhepunkt, von der Mischung profitierte die Nationalmannschaft.

Nun, fünf Jahre nach dem deutschen Finale von Wembley, ist die Bundesliga aus den Top-3 der Fünfjahres-Wertung herausgefallen, die Bayern – um Lichtjahre das beste Team der Liga – scheiterte in der Champions League am ersten echten Gegner in der K.o.-Runde. Das liegt auch daran, dass man national völlig unterfordert ist.

Dortmund ist nach dem Abgang von Klopp und dem zwischenmenschlichen Krach unter Tuchel auf der Suche nach sich selbst, Leipzig zu grün, Leverkusen zu unkonstant, Schalke erst seit einem Jahr im ruhigeren Fahrwasser; Hoffenheim erlitt in der Europa League gegen wirklich nicht besonders gute Gegner völligen Schiffbruch. Es gibt in der Liga keine Handvoll Teams, die tatsächlich Fußballspielen wollen. Die überwiegende Mehrheit ist spielerisch schwach, will nur den Gegner neutralisieren und zeigt Einheitsbrei.

Warnende Stimmen wie jene der geschätzten Kollegen von Spielverlagerung.de um Tobias Escher und Constantin Eckner warnten schon vor Monaten vor überzogenen Erwartungen, nach dem Motto: Dass Löw aus dieser spielerisch minderbemittelten Liga ein Team formen soll, das gewinnen und dabei noch glänzenden Fußball zeigen soll, ist eine steile Forderung.

„Es wird schon werden“

Die Länderspiele der jüngsten Vergangenheit waren kein Spaß. Die Niederlage gegen Österreich und der Zittersieg gegen Saudi-Arabien in den Wochen vor der WM wurden zwar bemängelt, aber letztlich war die Stimmung ähnlich wie bei uns selbst: Ja mei, sind nur Testspiele, die sind öfter nicht gut, aber beim Turnier selbst hat’s noch immer funktioniert.

Das stimmt auch. 2006 (mit Klinsmann als Teamchef und Löw als „Co“) Halbfinale, 2008 Finale, 2010 Halbfinale, 2012 Halbfinale, 2014 Weltmeister, 2016 Halbfinale.

Es ist aber das eine, ob Medien und Fans glauben, dass es eh schon werden wird. Es ist aber etwas anderes, ob Team und Stab tief drinnen das auch glauben. Und alles deutet darauf hin, dass dies der Fall war – selbst nach den Warnschüssen der Spiele gegen Mexiko und Schweden.

Der mediale Umgang

Die völlig überzogene Kritik an Mesut Özil – er war einer der besseren Deutschen bei dieser WM – seitens abgehalfterter Fußball-Proleten wie Mario Basler („Körpersprache eines toten Frosches“) und Lothar Matthäus („Fühlt sich im DFB-Trikot nicht wohl“) wurde natürlich auch von der dämlichen Foto-Aktion mit dem türkischen Präsidenten befeuert, passt aber auch in den latent bis offen rassistischen, neuen deutschen AfD-CSU-Zeitgeist.

Die TV-Runde des ZDF nach dem Südkorea-Spiel, bestehend aus Christoph Kramer, Oliver Kahn und Holger Stanislawski, analysierte das Scheitern angenehm sachlich, war weder schönfärberisch noch vernichtend. Die „Bild“ hingegen – auch bezeichnend für den aggressiven Kurs unter Chefredakteur Julian Reichelt – weigerte sich, die Spieler zu bewerten, weil „Noten dieses Debakel nicht beschreiben könnten“; ist in der Analyse der generellen Lage aber bemerkenswert un-polemisch.

Der fußballkulturell sehr konservative „kicker“ sieht im Aus u.a. ein „Armutszeugnis für die mit viel technischem Schnickschnack und Personal ausgestattete Scouting-Abteilung“. Die Artikelreihe über das Ausscheiden nennt das Blatt in Anlehnung an #zsmmn, den vom DFB kreierten Hashtag für das Turnier, wohl nicht ganz ohne Häme „zsmmn-Bruch eines Weltmeisters“.

Die Rezeption

Er habe den Eindruck, viele Deutsche wären glücklich oder schadenfroh, wenn Deutschland früh scheitert, gab Toni Kroos nach dem Schweden-Spiel zu Protokoll. Da hat er sicher nicht ganz unrecht, das hängt aber nicht nur mit den Erdogan-Fotos zusammen (wiewohl das den Effekt sicher noch verstärkt hat, keine Frage). Günter Klein vom Münchner Merkur schrieb es in einer Kolumne sehr treffend:

„Es hat schleichend eine Entfremdung stattgefunden. (…) Die Selbstinszenierung der Nationalmannschaft ist für viele, die ja eigentlich ihre Sympathisanten sind, kaum noch zu ertragen: Fünfter-Stern-Gedöns, „Die Mannschaft“-Markengetue, Best Never Rest und #zsmnn. (…) Dann die Unfähigkeit und der Unwille, sich im Fall Özil/Gündogan zu erklären – aber für sich neunmalklug zu reklamieren, man wisse schon um die perfekte Strategie.“

Bei der Fragerunde der nächsten Pressekonferenz wurde Klein übrigens demonstrativ nicht drangekommen.

All diese Dinge sind auf einen Namen zurückzuführen, der in direkter Kritik seltsamerweise nie offen genannt wird: Nationalteam-Manager Oliver Bierhoff.

Der Nachwuchs

Die Finals der U-21-EM von 2009 (links) und 2017 (rechts)

2009 wurde Deutschland U-21-Europameister. ALLE ELF Spieler der Starformation beim 4:0 im Finale wurden (bzw. waren bereits) A-Nationalspieler, sechs von ihnen (plus der eingewechselte Schmelzer) wurden 2014 Weltmeister. Fabian Johnson spielte eine WM für die USA, Sebastian Boenisch eine EM für Polen.

2017 wurde Deutschland erstmals danach wieder Europameister. Bei allem Respekt, aber es fällt schwer zu glauben, dass die Quote von 2009 auch nur annähernd wieder erreicht wird – zumal die Europameister von letztem Jahr mittlerweile 23 bis 24 Jahre alt sind (Geburten-Stichtag war 1.1.1994) – der Kern der Südafrika-Halbfinalisten war damals in genau diesem Alter.

2014 war Deutschland U-19-Europameister (mit Kimmich und Brandt, im Halbfinale gegen Österreich erfolgreich), scheiterte danach aber stets bereits in der Gruppenphase und bei der WM vor einem Jahr im Achtelfinale gegen Sambia. Die U-17 erreichte die EM-Endspiele von 2011 (mit Emre Can und Mitchell Weiser), 2012 (mit Werner, Brandt, Süle, Goretzka, Meyer und Kempf) und 2015.

Und jetzt?

Im Herbst steht die Nations League an (Deutschland spielt in einer Gruppe mit Holland und Frankreich), was für das DFB-Team wohl eher vier glorifizierte Freundschaftsspiele gegen gute Kontrahenten werden. Im März 2019 startet die EM-Qualifikation und, bei aller Krise, so blöd kann sich Deutschland gar nicht anstellen, dass man die EM verpasst (notfalls ließe es sich immer noch über die Nations-League-Playoffs richten).

Es wird mit Sicherheit ein personeller Schnitt im Kader stattfinden, das wäre aber so oder so unvermeidlich gewesen. Was nun etwas unerwartet dazu kommt, ist die Diskussion um Löw. Bleibt er, geht er?

Klar ist: DFB-Präsident Grindel hat Löw den Rücken gestärkt, Bierhoff wird ihn vermutlich nicht entlassen – zumal der Vertrag eben erst vor Kurzem verlängert wurde. Wenn Löw geht, dann geht er selbst.

Diese Entscheidung wird sicher demnächst fallen.

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2:1 gegen den Weltmeister: Österreichs Siegesserie hält an https://ballverliebt.eu/2018/06/02/oesterreich-deutschland-arnautovic-zulj-foda/ https://ballverliebt.eu/2018/06/02/oesterreich-deutschland-arnautovic-zulj-foda/#comments Sat, 02 Jun 2018 21:39:12 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=14669 2:1 gegen den Weltmeister: Österreichs Siegesserie hält an weiterlesen ]]> Erst zurückgenommen defensiv, dann aggressiv und druckvoll – und zwar ohne das Personal zu verändern: Beim schönen 2:1-Erfolg von Österreich gegen Deutschland zeigte das ÖFB-Team eine auffällige Vielseitigkeit und belohnte sich auch dafür. Es ist noch nicht ganz so unberechenbar wie bei Thalhammers ÖFB-Frauen – aber wenn es weiter in diese Richtung geht, kann das nur erfreulich sein.

Österreich – Deutschland 2:1 (0:1)

Die Systeme und das Personal

Österreich spielte wie gegen Russland ein 3-4-3, allerdings zunächst defensiver angelegt. Deutschland hatte in der ersten Hälfte viel vom Ball, in diesen Phasen rückten Alaba (links) und Lainer (rechts) nach hinten sowie die Flügelstürmer Zulj (links) und Schöpf (rechts) ins Mittelfeld, wodurch sich ein 5-4-1 ergab. Also alles nicht  ungewöhnlich.

Bei Deutschland spielten nur fünf Stammkräfte von Beginn an (Neuer, Kimmich, Hector, Khedira und Özil), wobei Neuer erstmals seit Oktober ein wirkliches Match absolvierte. Die anderen Spieler in Löws 4-2-3-1 spielten um einen Platz im Kader: Süle und Rüdiger sind Innenverteidiger Nr. 3 und 4; Gündogan, Rudy und Goretzka die Sechser/Achter Nr. 3, 4 und 5, Brandt und Sané sind die jeweils Nr. 2 auf ihren Flügeln und Nils Petersen ist Sturmspitze Nr. 3.

Was bei Österreich auffiel

Nur situatives Anlaufen vor der Pause… Mal rückte Grillitsch aus dem Mittelfeld heraus, um die deutsche Spieleröffnung anzulaufen. Mal Baumgartlinger. Zumiest aber ließ Österreich vor der Pause das DFB-Team zumindest bis zur Mittellinie gewähren. Es gelang in der eigenen Hälfte aber auch so gut, Überzahl in Ballnähe zu erzeugen und die deutschen Angriffe zu bremsen.

…und heftiges Offensivpressing nach der Pause. Nach dem Seitenwechsel aber ging es los. Die ganze Mannschaft rückte um 20 Meter auf und der ballführende Deutsche hatte sofort zwei bis drei Österreicher auf sich zulaufen bzw. auf den Füßen stehen. Das zeigte vor allem bei Rüdiger massiv Wirkung, aber auch seine Kollegen konnten mit dem großen Druck nicht umgehen. Österreich glich nach einer horrend schlecht verteidigten Ecke aus, hatte weitere Chancen und nützte eine davon zum 2:1 (wobei vor allem Hector schlecht ausgesehen hat). Rund 20 Minuten lang kam Deutschland kaum aus der eigenen Hälfte heraus.

Wieder ließ sich Arnautovic zurückfallen. Die Spielanlage war eine andere als gegen Russland, aber gewisse Features sind wiederkehrend. So wie die Tendenz von Marko Arnautovic, sich von der Sturmspitze nach hinten zurückfallen zu lassen, um von hinten besser anspielbar zu sein. Nicht nur einmal hatte er am Mittelkreis stehend die aufgerückten Kollegen vor sich. Auch die Diagonalpässe der äußeren Dreierketten-Spieler auf die ballfernen Außenspieler wurden zunächst wieder versucht, aber (vermutlich wegen Wirkungslosigkeit) bald weitgehend eingestellt.

Peter Zulj. ZDF-Kommentator Oliver Schmidt war so angetan von der Leistung des bald 25-jährigen Welsers, dass er noch einmal verdeutlichen musste, dass dieser „erst letztes Jahr mit Ried abgestiegen ist“ und er sich „nicht wundern würde, wenn Zulj bald in der deutschen Bundesliga auftauchen würde“. Auch auf der linken Offensivseite aufgeboten, zeigte Zulj eine ambitionierte Leistung und er ließ sich in seinem erst zweiten Länderspiel von Beginn an nie vom namhaften Gegner einschüchtern. Er ging gut in die Zweikämpfe, war viel unterwegs und auch im Pressing in der zweiten Hälfte voll eingebunden.

Was bei Deutschland auffiel

Die Positionierung von Gündogan. Nominell waren Khedira und Gündogan im zentralen defensiven Mittelfeld aufgestellt. Es war aber oft so, dass Khedira einen recht klaren Sechser gab, Gündogan jedoch weit auf die linke Seite schob und zuweilen eher einen zusätzlichen Linksverteidiger gab, wenn Hector aufgerückt war.

Fehlendes Tempo. Halb durch die erste Hälfte setzte Leroy Sané mal zu einem echten Sprint über das halbe Feld an. Da merkte man erst, wie relativ langsam das DFB-Team ansonsten agierte. So schafften den die Deutschen trotz der fluiden Interpretation des Systems nur selten, sich in Strafraumnähe zu kombinieren. Gut funktionierte hingegen zumindest in der Anfangsphase das Gegenpressing, so wurde auch der Not-Pass und der zu kurze Abschlag provoziert, die zum 1:0 führten.

Tendenz zur Schlampigkeit. Es fiel vor allem bei den Innenverteidigern Süle und Rüdiger auf, dass sie immer wieder Flüchtigkeitsfehler begingen, und zwar schon in der ersten Halbzeit. Immer mal wieder war ein Pass zu kurz, nicht genau genug oder mit allzu leichtfertigem Risiko gespielt. Als Österreich in der zweiten Hälfte hoch presste, verstärkte sich der Effekt noch. Die eingewechselten Rudy und Goretzka im defensiven Mittelfeld waren dabei auch keine Hilfe.

Die zweite Halbzeit

Ohne einen personellen Wechsel vorzunehmen, stellte Foda für die zweite Hälfte das Spiel radikal um. Statt dem eher vorsichtigen Defensiv-Ansatz wurde noch gepresst, was das Zeug hielt. War es für Deutschland bis dahin ein relativ gemütliches Spiel, in dem man ohne Vollgas zu geben Matchpraxis sammeln konnte, wurde es mit Anpfiff der zweiten Hälfte ein unerwarteter Härtetest.

Erst, als Österreich so ab der 65. Minute bzw. spätestens mit dem 2:1 in der 69. Minute den Fuß ein wenig vom Gas nahm, konnte sich Deutschland wieder befreien. Mit der Hereinnahme von Reus und Werner kamen frische Tempo-Spieler, die zusätzlich für Entlastung sorgten. Mehr als Halb-Chancen zum Ausgleich ergaben sich aber nicht mehr.

Fazit: Richtung immer mehr erkennbar

Foda wechselte erst relativ spät – erstmals in der 76. Minute, gleichzeitig mit Löws fünftem und sechstem Wechsel. Es blieb auch die 3-4-3-Grundordnung stets bestehen, es wurde nur positionsgleich getauscht. Dies verdeutlicht auch, dass das ÖFB-Team auch mit unverändertem Personal flexibel ist und völlig unterschiedliche Spielanlagen ausführbar sind.

Es ist noch nicht ganz so extrem wie bei den ÖFB-Frauen unter Dominik Thalhammer, wo praktisch jedes System und jede denkbare Spielanlage zwischen Betonbunker-Abwehr und Vollfuror-Pressing gespielt werden kann. Aber das Team bewegt sich unter Foda zur zunehmend unberechenbaren Mannschaft.

Bei der Bewertung des Resultats darf man nicht vergessen, dass Deutschland mit einer frisierten B-Elf gespielt hat und sich mitten im Trainingsaufbau befindet. Das Spiel hatte für Österreich eine wesentlich größere Bedeutung als für den noch amtierenden Weltmeister. Die Vorstellung des ÖFB-Teams war aber sehr vorzeigbar.

Die zuletzt in der „Krone“ angestellten Vergleiche mit dem Wunderteam sind zwar Blödsinn, aber sieben Siege in Serie sind auch kein völliger Zufall. Immer mehr ist die Richtung erkennbar, in die Foda das Team steuern will. Auch der personelle Grundstock, mit dem es im Herbst in die Nations League und im März in die EM-Quali geht, zeichnet sich ab. Selbiges gilt für die Rollen von Alaba (nämlich links, wie bei den Bayern) und Arnautovic (ganz vorne, wie bei West Ham), was angesichts der Problemzonen (LV seit dem Fuchs-Rücktritt, Stürmer in der Post-Janko-Zeit) ein wichtiges Signal zur Stabilität ist.

Und Deutschland? Für die WM heißt diese Niederlage für den Titelverteidiger nicht viel. Die wackelige Innenverteidigung ist nicht erste Wahl. Die vor allem nach der Pause erstaunlich unsichtbare Mittelfeld-Zentrale auch nicht. Der bemühte aber eher wirkungslose Petersen vorne wird vermutlich nicht einmal mitfahren. Außerdem muss das DFB-Team erst in einigen Wochen Top-Form haben. Natürlich wurmt Jogi Löw die Niederlage, aber sie wird im deutschen Lager niemanden aus der Bahn werfen.

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Die EURO-Top-8: Überraschungen und zu kurz Gekommene https://ballverliebt.eu/2016/07/12/die-euro-top-8-ueberraschungen-und-zu-kurz-gekommene/ https://ballverliebt.eu/2016/07/12/die-euro-top-8-ueberraschungen-und-zu-kurz-gekommene/#comments Tue, 12 Jul 2016 13:31:02 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12795 Weltmeister Deutschland, Gastgeber Frankreich, Geheimfavorit Belgien: Solche Teams hat man unter den besten acht Mannschaften des Turniers erwartet. Island und Wales hingegen eher weniger. Hier der dritte und letzte Teil unserer Team-Analysen der EM 2016: Jene acht Teams, die im Viertelfinale, Semifinale und Finale dabei waren.

Portugal: Pragmatisch zum Titel

Team PortugalMit Spielern wie Rui Costa, Figo und Ronaldo stand Portugal in der Vergangenheit in erster Linie für schöngeistigen Angriffs-Fußball, dem es auch in Ermangelung eines echten Knipsers ein wenig am Endzweck mangelt. Die portugiesische Mannschaft, die nun endlich den Bann gebrochen und jenen großen Titel einfuhr, den sich Portugal längst verdient hatte, ist genau das nicht. Oder: War genau das in der K.o.-Phase dieser EM nicht.

In der Gruppenphase hatte Ronaldo alleine mehr Torschüsse als neun Teams bei diesem Turnier, er rettete in einem Chaos-Spiel noch das 3:3 gegen Ungarn und damit den Platz im Achtelfinale. Von da an konzentrierte man sich darauf, die Gegner zu neutralisieren – und das klappte vorzüglich. Adrien Silva, nominell auf der Zehn, war eher vorderster Manndecker als Spielgestalter; weil es weiterhin keinen wirklichen Center-Forward von adäquatem Niveau gibt, spielte Trainer Fernando Santos gleich ganz ohne einen solchen. Der Pragmatiker stellte sein Team punktgenau auf jeden Gegner ein, ohne Rücksicht darauf, ob das nun attraktiv aussieht oder nicht.

Portugal agierte bei dieser EM nicht herzerwärmend und hat wohl kaum neue Fans dazugewonnen. Mit einem Blick auf die Trophäe, die sich der Verband ab sofort in den Wandschrank stellen darf, werden Ronaldo und Co. das aber verschmerzen können.

Frankreich: Fast nie das Optimum erreicht

Team FrankreichDer Gastgeber landete im schweren Turnier-Ast und hat auf dem Weg ins Finale trotzdem nur eine einzige Klassemannschaft vorgesetzt bekommen. Der Halbfinal-Sieg gegen Deutschland hatte auch deutlich mehr mit Glück zu tun als mit einem patenten Matchplan – man stand 80 der 90 Minuten eingeschnürt am eigenen Strafraum.

Wie überhaupt Frankreich individuell einige herausragende Leistungen präsentierte. Allen voran natürlich Torschützenkönig Antoine Grizemann, aber auch Spätzünder Dimitri Payet und das für 25 Millionen Euro zu Barcelona wechselnde Abwehr-Juwel Samuel Umtiti. Aber als Deschamps im Achtelfinale seine Formation gefunden hat – aus dem 4-3-3 bzw. 4-2-3-1 der Vorrunde wurde ein 4-4-2 mit Grizemann als etwas hängender Spitze neben Giroud, dafür musste Kanté aus dem Mittelfeld-Zentrum weichen – wurde nichts mehr verändert.

Es kamen auch keine Impulse mehr von Deschamps. Der einstige Weltklasse-Mittelfeld-Regisseur vermochte es wie schon vor zwei Jahren bei der WM nicht, seinem Team eine neue Richtung zu geben, wenn es nicht funktionierte. Damals rannte man 80 Viertelfinal-Minuten ohne wirklichen Plan einem 0:1 gegen Deutschland hinterher, hier verließ sich Deschamps im Finale darauf, dass einer seiner Einzelkönner schon noch für die Entscheidung sorgen würde.

Hinzu kamen die immer gleichen Wechsel (Gignac für Giroud, Coman für Payet). Obwohl Frankreich das Finale erreichte und dort erst durch einen Weitschuss in der Verlängerung bezwungen wurde: Man wird das Gefühl nicht los, dass Deschamps das gigantische Potenzial dieses Kader nicht auszuschöpfen vermag.

Deutschland: Sehr solide, aber nicht perfekt

Team DeutschlandSehr stabil, gruppentaktisch extrem unanfällig für Fehler, flexibel im Gestalten der Matchpläne: Von alles 24 Teams bei diesem Turnier war jenes von Weltmeister Deutschland vermutlich das Kompletteste.

Man kam gegen schwächere Gegner nie in die Gefahr, etwas liegen zu lassen; begnügte sich gegen Mittelklasse-Team Polen mit einem 0:0, als man merkte, dass man nicht durchkommt; überraschte und kontrollierte Italien und dominierte Frankreich beinahe nach Belieben. Letztlich waren es zwei Punkte, die den Deutschen den Titel raubten: Individuelle Fehler (Handspiele im Strafraum, in erster Linie) und die Tatsache, dass man auf zwei, drei Positionen halt doch nicht ganz optimal besetzt ist. Nach dem Ausfall von Mario Gomez (eh auch schon nur im äußerst weiteren Sinne ein europäischer Klassespieler) gab es bei aller Dominanz keine Präsenz mehr im Strafraum; Linksverteidiger Jonas Hector macht nichts kaputt, er bringt aber auch nichts; und Joshua Kimmich war – wie schon bei den Bayern – offensiv stark, aber defensiv wechselten sich grandiose Aktionen mit Anfängerfehlern ab.

Das Turnier war beliebe kein Fehlschlag für den DFB und mit Leuten wie Julian Weigl und Leroy Sané (die schon im Kader waren) sowie Julian Brandt und Mahmoud Daoud (die noch nicht dabei waren) gibt es gerade im Mittelfeld spannende junge Spieler mit großer Zukunft. Die Problemstellen Außenverteidiger und Stoßstürmer bleiben aber weiterhin eher dünn besetzt.

Wales: Alles auf das Top-Quartett ausgerichtet

Team WalesMit Deutschland im Halbfinale hatte man rechnen können, mit Wales eher nicht. Das ist nicht nur mit einer nicht übertrieben problematischen Auslosung (Russland und Slowakei in der Gruppe, Nordirland im Achtelfinale) zu erklären. Die Waliser verfügen über eine äußerst intelligent zusammen gesetzte Truppe mit vier Schlüsselspielern – Joe Allen als Taktgeber auf der Sechs, für den Bartträger Joe Ledley die Drecksarbeit erledigt, davor/daneben Aaron Ramsey als raumübergreifender Verbindungs-Spieler zwischen Mittelfeld und Angriff und natürlich Superstar Gareth Bale.

Um alle vier aus diesem Quartett bestmöglich in Szene setzen zu können, adaptierte der clevere Chris Coleman sein System dahingehend. Weil er nicht links und rechts jeweils zwei Spieler einsetzen konnte (wie im 4-2-3-1 oder 4-4-2) UND einen weiteren Stürmer an die Seite von Gareth Bale stellen, besetzte er die Außenbahnen nur Singulär und installierte dafür hinten eine Dreierkette. So hat er noch einen zehnten Feldspieler übrig, den er neben/vor Bale und Ramsey stellen konnte. Meistens war das Hal Robson-Kanu, auch Sam Vokes kam als Stürmer zum Einsatz.

Wales war eines der wenigen Teams, die sowohl das Heft in die Hand nehmen, als auch defensiv stehen und Druck absorbieren können. Bei aller Qualität der ersten Elf muss aber auch gesagt werden: Wenn aus dem Schlüssel-Quartett einer ausfällt, gibt der Kader keinen annähernd gleichwertigen Ersatz her. Das wurde vor allem im Halbfinale gegen Portugal deutlich, als Aaron Ramsey gesperrt fehlte. Dennoch kann Wales mit dem Turnier überaus glücklich sein und es besteht absolut die Möglichkeit, dass man mit dieser Gruppe von Spielern auch noch die WM 2018 und die EM 2020 erreicht.

Italien: Erfrischend großartiges Coaching

Team ItalienZu beneiden war Antonio Conte ja nicht, als er vor zwei Jahren die Squadra Azzurra übernahm. Das Loch einer verlorenen Generation, das sich nach den heute 30-Jährigen auftut, wird immer mehr deutlich. Im Grunde geht es für Italiens Teamchefs dieser Tage nur darum, die Zeit möglichst ohne Blamage zu überbrücken, bis wieder eine breitere Basis an jungen Spielern durchkommt.

Neben dem verletzten Marco Verratti (23) gibt es nur zwei Spieler (Florenzi und De Sciglio), die deutlich unter 30 Jahre alt sind, auf die sich Conte (und vorläufig auch Nachfolger Ventura) verlassen können; nur für Buffon steht ein designierter Nachfolger bereit (Milan-Wunderkind Gigio Donnarumma nämlich). So war es Contes Aufgabe, aus den routinierten, aber gerade in Mittelfeld un Angriff nicht höchsten Ansprüchen genügenden Spielern eine patente Truppe zu formen.

Und das ist Conte vollauf gelungen. Mit den vier alten Herren von Juventus in der Abwehr hatte Conte eine hervorragende Basis, auf der er sein restliches Team aufbauen konnte. Das italienische Team ist taktisch eines der am besten ausgerüsteten des ganzen Turniers, jeder weiß immer was die anderen tun und vorhaben. Als einziger Trainer dieser EM ließ Conte außerdem signifikant asynchron spielen – mit Giaccherini, nominell linker Achter, als de-facto-Außenstürmer vor dem defensiven De Sciglio; dafür übernahm rechts Wing-Back Florenzi die offensive Außenbahn und Parolo sicherte im Halbraum ab.

Mit extrem viel Hirnschmalz, großartiger taktischer Einstellung und ohne den Druck allzu hoheer Erwartungen war der vermutlich schwächste italienische Kader seit Jahrzehnten eine der positiven Überraschungen des Turniers. Der Gedanke ist nicht einmal abwegig, dass Italien Europameister geworden wäre, hätte man das Elferschießen gegen die Deutschen gewonnen.

Belgien: Erschreckend schwaches Coaching

Team BelgienSo großartig die Italiener gecoacht wurden, so übel war die Figur, die Belgien in diesem Bereich machte. Zyniker sagen, dass es im Team unter Marc Wilmots keine Trennlinien mehr zwischen Flamen und Wallonen gibt – weil diese nun zwischen Befürwortern (um Eden Hazard) und Gegnern (um Thibaut Courtois und Kevin de Bruyne) des Teamchefs verläuft.

Kaum ein Kader bei dieser EM war individuell so stark besetzt, annähernd ohne markante Schwachstellen, wie jene der Belgier. Ein Weltklasse-Goalie, eine starke Innenvertdigiung (auch ohne den verletzten Kompany), ein gleichermaßen energiegeladenes wie kreatives Mittelfeld-Zentrum, junge und extrem talentierte Außenspieler und ein gutklassiger Stürmer – Belgien hatte alles, was es zum EM-Titel braucht. Außer einem Trainer, der das auch drauf hat. Gerade gegen geschickte Teams wie Italien und Wales wurde überdeutlich, wie unsagbar schlecht Belgien gecoacht war.

Wilmots stellte, überspitzt formuliert, elf Leute auf, und verließ sich darauf, dass einem davon schon was Sinnvolles einfallen würde – gerade Hazard nimmt sich viele Freiheiten, was dem Vernehmen nach sogar einigen Mitspielern (wie De Bruyne) merklich missfällt. Ein tiefergreifendes Verständnis für die Pläne der Nebenspieler war aber ebenso wenig erkennbar wie eingeübte oder gar überraschende Varianten bei Standards.

Von selbst wird Wilmots, der noch Vertrag bis zur WM 2018, keinesfalls zurücktreten und seine Entlassung würde dem klammen Verband eine Million Euro an Abfindung kosten – außerdem bekam Michel Preud’Homme, Wunschkandidat der Verbandsspitze, gerade erst seine Kompetenzen bei Meister Club Brügge erweitert.

Polen: Wenig gezeigt, viel erreicht

Team Polen„Nicht enttäuschend, aber doch zumindest unterwältigend – trotz des Einzugs ins Viertelfinale.“ So hieß es an dieser Stelle vor zwei Jahren über Belgien. Dieser Satz gilt praktisch baugleich über das polnische Team bei dieser EM. Und auch: „Ihr Spiel hatte immer so ein wenig die Aura von Dienst-nach-Vorschrift, von Uninspiriert- und Biederkeit.“ Genau.

Grundsätzlich baute Adam Nawalka eine funktionierende Mischung als Klasseleuten wie Glik, Krychowiak, Milik und Lewandowski mit unbekannten Spielern aus der polnischen Liga (wie Pazdan, Jedrzejczyk, Maczynski und Kapustka). Weil sich die gegnerischen Abwehrreihen auf Lewandowski konzentrierte, öffenten sich für Arek Milik die Räume, so war er der deutlich gefährlichere der beiden Stürmer.

Allerdings: Das den Gegner stets kontrollierende, aber zurückgenommene und kontrollierte Spiel der Polen vor allem in den Spielen gegen die Ukraine und die Schweiz, aber auch bis zu einem gewissen Grad gegen die geschickten Portugiesen, versprühte nicht nur keinen Glanz – bei aller internationalen Routine wird man auch das Gefühl nicht los, dass dieser Kader mit einer etwas mehr nach vorne gerichteten Spielanlage besser fahren würde.

Aber auch so reichte es für den Sicherheits-Fußball von Adam Nawalka zu einem Viertelfinale, das dem Potenzial des Teams auch durchaus entspricht. Es ist vermutlich die beste polnische Mannschaft seit 34 Jahren.

Island: Langweiliger Fußball, mitreißender Anhang

Team IslandDie beste Nationalmannschaft des Landes seit immer stellt die derzeitige Truppe von Island. Zwar deutete sich die Qualität der Truppe schon seit Jahren an – etwa mit dem WM-Playoff 2013, aber auch mit den Siegen über Holland und die Türkei in der EM-Quali. Aber dass sich die Isländer gar ins Viertelfinale durchkämpfen würden, kam dann doch ein wenig überraschend.

Dabei klafft auch bei keinem Team die Attraktivität des Spiels und die wahrgenommene Attraktivität bei den Fans und Sympathisanten weiter auseinander als bei Island. Keine der 23 anderen Mannschaften spielte einen simpleren, langweiligeren und vorhersehbareren Fußball als Island. Knallhartes Verteidigen in zwei mitteltief stehenden Ketten, eisenhartes Einhalten der Abstände, strikte Zonen-Verteidigung und nicht einmal der Versuch von spielerischem Glanz prägten das Team von Lars Lagerbäck und Heimir Hallgrimsson. Dass die weiten Einwürfe von Aron Gunnarsson das mit Abstand auffälligste Element in Islands Angriffsspiel ist, spricht Bände.

In krassem Gegensatz dazu steht die aufgeschlossene, fröhliche und einladende Grundstimmung der großartigen Fans genauso wie innerhalb der Mannschaft – ein Phänomen, das auch schon vor drei Jahren bei Islands Frauen bei ihrer EM („Was die Mannschaft an Glamour am Platz vermissen ließ – biederes 4-4-2, kompakt stehen, schnell kontern – machte sie durch ihre überbordende Freude an ihrem Tun wett“) extrem positiv auffiel. Und der isländische Aufschwung ist auch kein Zufall im Sinne einer plötzlichen goldenen Generation, sondern das Produkt einer extremen Infrastruktur-Offensive und zielgerichteter Nachwuchsarbeit.

Gylfi Sigurdsson, Gunnarsson, Bjarnason, Sightorsson und Finnbogason waren 2011 bei der U-21-EM dabei und haben auf dem Weg dorthin Deutschland (mit Hummels, Höwedes, Schmelzer, Großkreutz und Lars Bender) mit 4:1 abgeschossen; 18 Mann aus dem damaligen 23er-Kader haben bereits Länderspiele absolviert. Und auch die aktuelle U-21 ist nach einem Sieg über Frankreich auf dem Weg zur Endrunde.

Es ist also durchaus möglich, dass sich der brutal simple, aber gleichzeitig extrem zielgerichtete isländische Fußball in Zukunft öfter bei Endrunden-Turnieren zeigt.

Das war’s

Damit ist das Kapitel „EURO 2016“ geschlossen und der Blick geht nach vorne. Erstmal auf die demnächst startende Qualifikation für die WM in zwei Jahren in Russland. Dann, zwischendurch, ist auch der Confed-Cup (im Juni 2017, mit Europameister Portugal, Weltmeister Deutschland und Gastgeber Russland). Und natürlich die Nations League, das Quasi-Freundschtsspiel-Turnier, mit drei Doppelspieltagen im Herbst 2018.

Die nächste EM-Endrunde (deren Quali von März bis November 2019  steigt) wird bekanntlich über ganz Europa verstreut ausgetragen: Vorrunden- und Achtelfinalspiele in Amsterdam, Bilbao, Budapest, Bukarest, Brüssel, Dublin, Glasgow und Kopenhagen; Vorrunden- und Viertelfinalspiele in Baku, München, Rom und St. Petersburg und dem „Final Four“ in London.

Link-Tipps:
Analyse der Vorrunden-Verlierer (ALB, AUT, CZE, ROU, RUS, SWE, TUR, UKR)
Analyse der Achtelfinal-Verlierer (CRO, ENG, ESP, HUN, IRL, NIR, SVK, SUI)

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Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/ https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/#comments Sat, 19 Jul 2014 00:24:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10440 Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck weiterlesen ]]> Erst Italien, dann Spanien, nun Deutschland: Wenn man nur rein die Siegerliste betrachtet, die die letzten drei WM-Turniere hervorgebracht haben, sieht das nach einer brutalen europäischen Dominanz aus. Die Wahrheit ist aber viel eher: Die Breite an gutklassigen Teams macht’s. Denn genau wie schon 2006 und 2010 haben auch diesmal einige von Europas Big Guns ziemlich daneben gegriffen – am kolossalsten natürlich Titelverteidiger Spanien. ABer ein Europäer kommt halt immer durch. Das war diesmal eben Deutschland. Und das verdient.

Deutschland: Krönung eines langen Weges

Das war kein Glücksrittertrum wie beim eher zufälligen Finaleinzug 2002, das war von langer Hand geplant und ist eigentlich zwei Jahre zu spät gekommen. Seit Löw vor zehn Jahren zur Nationalmannschaft kam, wurde um einige Stützen herum konsequent ein über Jahre hinweg eingespieltes Team geformt. Lahm, Schweinsteiger und Klose waren von Beginn an dabei, der Rest wuchs homogen dazu, und im richtigen Moment ging es auch auf.

Deutschland
Deutschland: Als Khedira und Schweinsteiger fit genug waren, beide 90 Minuten durchzuhalten, durfte Lahm endlich nach rechts hinten. Von da an hatten die Gegner keinen Spaß mehr.

Dabei ist Löw ein großes Risiko gegangen, nach einigem Experimentieren sich so spät – nämlich erst ein halbes Jahr vor der WM – auf das bei den Guardiola-Bayern praktizierte 4-3-3 zu verlegen. Er hatte mit sechs bis sieben Bayern-Spielern einen großen Block, der das Gerüst darstellte und in der Vorbereitung klappte es nicht immer nach Wunsch. Auch, weil Löw Lahm wie bei den Bayern in die Mitte stellte, obwohl damit eine Baustelle rechts hinten aufgemacht wurde.

Der Gamble zahlte sich aus. Als sich Khedira (nach Kreuzbandriss im Herbst) und Schweinsteiger (nach vielen Blessuren in den letzten Jahren) halb durchs Turnier fit für 90 Minuten meldete, konnte er endlich Lahm dorthin stellen, wo es für das Team am Besten war. Mit Erfolg: Gab es davor mit allerhand Notvarianten auf rechts hinten (Boateng, Mustafi) eher Bauchweh, flutschte es mit Lahm dort – und das Mittelfeld-Trio mit Schweinsteiger, Khedira und Kroos blühte auf.

Löw war flexibel genug, sich kurz vor dem Turnier auf das 4-3-3 draufzusetzen, aber stur genug, um im ganzen Turnier mit der Ausnahme der zweiten Hälfte des Finales zu keiner Minute davon abzurücken, egal, in welcher personellen Aufstellung, egal, wie sehr auch erschreckend viele Medien das ab dem Viertelfinale offiziell angegebene 4-2-3-1 blind übernahmen.

Der Titel ist vor allem für Löw eine Genugtuung, weil ihm in Deutschland immer wieder vorgehalten wurde, mit seinem intellektuellen Zugang, seinem Faible für flache Hierarchien und ohne, wie sich Leute wie Effenberg gerne bezeichnet, „Typen“ (wiewohl etwa Müller und Schweinsteiger durchaus etwas zu sagen haben), zu weich und zu wenig Siegermentalität für einen großen Titel mitzubringen. Für die nun endgültig große Generation war er der Höhe- und gleichzeitig der Schlusspunkt: Lahm hat nach zehn Jahren im Nationalteam mit 116 Länderspielen adé gesagt, Klose wird sicher folgen, auch bei Schweinsteiger wäre das keine Überraschung und Podolski war bei dieser WM bestenfalls ein Nebendarsteller.

Wenigstens kommt Löw dann nicht in die Verlegenheit, aus überzogener Loyalität zu lange an zu vielen alten Recken festzuhalten.

Niederlande: Eine Bronzemedaille für Van Gaals Ego

Nicht wenige bezeichneten diese WM als gigantischen Ego-Trip des neuen Manchester-United-Managers Louis van Gaal. Er hat für dieses Turnier den holländischen Fußball einmal auf links gedreht und alles anders gemacht, als es die Granden bei Oranje für gut befanden. Dreiekette und Konterfußball statt 4-3-3 und schöngeistigem Spiel, dazu eine Horde von international unbekannten und unerfahrenen Leuten in der Defensive. Keine Frage, Van Gaal ging großes Risiko. Mit Aktionen wie dem Torhüter-Tausch in der 120. Minute im Viertelfinale gegen Costa Rica ebenso wie mit dem generellen Stil.

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Holland: Konsequent mit drei Innenverteidigern und Konterfußball. Das Risiko ging auf, weil das Star-Offensiv-Trio vorne die Räume gut nützte.

Vor allem, weil ja angesichts der Gruppengegner Spanien und Chile ein frühes Aus mehr als nur einen Fuß in der Tür der Wahrscheinlichkeiten hatte. Hollands Glück: Im ersten Spiel brach Gegner Spanien völlig auseinander, die Kontertaktik ging voll auf und nach dem unglaublichen 5:1-Erfolg über den Titelverteidiger hatten auch die Spieler selbst den Beweis, dass es mit dem 3-4-1-2-System funktionieren kann.

In der Tat brannte im ganzen Turnier hinten sehr wenig an (Elfmeter-Gegentor gegen Spanien, ein Glücksschuss und ein Elfer gegen Australien, ein Weitschuss gegen Mexiko) und vorne richtete es das individuelle Talent des Dreigestirns mit Sneijder, Robben und Van Persie, das die Räume hervorragend nützte, die angreifende Gegner ihnen anboten. Das war keine besonders aufregende Oranje-Truppe, aber für das vorhandene Spielermaterial passte die sehr pragmatische Herangehensweise.

Das ist natürlich kein Modell für die Zukunft, denn auf Dauer kann es sich ein Bondscoach nur mit Erfolgen leisten, das typisch holländische Spiel derart zu verraten. Zudem ist die Eredivisie ja auch nicht direkt für ihre kompromisslosen Defensiv-Konzepte bekannt – Angriff ist einfach in der orangen DNA.

Lieber verliert man formschön, als dreckig zu gewinnen. Obwohl eine defensive Grundhaltung das Team 2014 fast ins Finale geführt hätte und 2010 eine sehr pragmatische und auch nicht wirklich aufregende Herangehensweise beinahe den Titel gebracht hätte.

Frankreich: Deschamps braucht einen Deschamps

Irgendwie war dieses Turnier aus französischer Sicht nicht Ganzes und nichts Halbes, damit der letzten EM nicht ganz unähnlich. Dabei wäre so viel Talent in diesem Kader, auch der Ausfall von Franck Ribéry (der aber ohnehin eine ziemlich schwache Rückrunde gespielt hatte) wog nicht allzu schwer. Mit Honduras hatte man keinerlei Probleme, die Schweiz nahm man auseinander, aber danach war es wie abgebrochen.

Frankreich:
Frankreich: Seltsam führungslos im Zentrum. Da half auch ein wirklich starker Benzema nicht viel.

Als es hart wurde, also gegen die recht direkten Nigerianer und vor allem dann gegen die geschickt im Mittelfeld agierenden Deutschen, zeigte das zentrale Trio der Franzosen zu wenig Präsenz. Das kann man auch von einem Pogba trotz seines jungen Alters schon erwarten, vor allem hätte aber mehr von Cabaye und Matuidi kommen müssen. Die beiden müssen durchaus als die Verlierer des Turniers aus französischer Sicht gelten, denn beide haben schon ein Alter erreicht, in dem es nicht mehr viele Endrunden zu spielen gibt.

Besonders erschreckend war aber die Tatsache, dass man beim Viertelfinal-Aus gegen Deutschland über sieben Kilometer weniger gelaufen ist als der Gegner, obwohl man 80 Minuten im Rückstand lag. Das ist nicht mit der Hitze zu erklären, die für den Gegner ja genauso war. Das spricht entweder gegen die Fitness der Franzosen oder gegen den Willen. Denn von besonderen Anstrengungen, das Spiel noch herumzureißen, war wenig zu erkennen.

Deschamps fehlte ein Spieler wie Deschamps, ein verlängerter Arm des Trainers im Mittelfeld. Das kann Pogba werden. Noch war es der hoch veranlagte U-20-Weltmeister aber nicht.

England: Ja, die waren auch dabei

Die Three Lions haben so wenig Eindruck hinterlassen, dass man fast vergessen könnte, dass die überhaupt dabei waren. Dabei war die spielerische Intention von Roy Hodgson gar nicht so dermaßen steinzeitmäßig bieder wie das noch vor zwei Jahren der Fall war. Aber die Mischung passte nicht. Die Jungen sind noch zu jung, die alten über dem Zenit und die dazwischen reißen’s nicht heraus.

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England: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Produkt eines im Schneckentempo vollzogenen Umbruchs.

Diese drei Gruppen hat Hodgson nicht zu einem funktionierenden Ganzen vereinen können. Rooney im Speziellen ist nach zehn Jahren Spitzenfußball körperlich ruiniert wie andere Anfang, mitte dreißig, dazu wird er seit einigen Jahren sowohl bei United als auch im Nationalteam so wahllos hin- und hergeschoben, dass sich kein Rhythmus einstellen kann. Gerrard hat zwar einen Rhythmus, aber die lange und emotional aufwühlende Saison bei Liverpool hat ihre Spuren hinterlassen.

Die können Henderson, Sterling und Sturridge noch besser verkraften, aber ihnen fehlte zum einen ein Spieler wie sie ihn bei Liverpool in Suárez hatten, und zum anderen der internationale Vergleich, weil sie ja kaum oder noch wenig Europacup gespielt haben. Teams, die von der Insel kommen, spielen halt nicht wie Italiener oder Urus.

Und eine Abwehrreihe mit Baines, Jagielka, Cahill und Johnson ist nichts anderes als aller-grauster Durchschnitt. So hochgelobt Baines seit Jahren wird (warum auch immer), so lange Johnson schon dabei ist – aber England hat mit einiger Sicherheit das schlechteste AV-Pärchen aller europäischen Teilnehmer gehabt. Ihre Vorstöße wirkten beliebig, ihre Flanken hatten zuweilen Regionalliga-Format (vor allem die von Johnson, eine Frechheit).

England wirkt wie in einem Umbruch, der seit vier Jahren im Gange ist und ohne wirkliche Überzeugung betrieben wird. Man will die Alten raushaben, nimmt aber dennoch Gerrard UND Lampard mit. Man ersetzt den gefühlt seit den Achtzigern gesetzten Ashley Cole mit einem Spieler, der nur vier Jahre jünger ist und trotzdem erst eine Handvoll Europacup-Einsätze hinter sich hat. Man kommt endlich vom bald greisen Rio Ferdinand weg, und stellt einen 31-Jährigen und einen 28-Jährigen vor Joe Hart hin.

Der englische Verband blickt seit Jahren voller Bewunderung auf den Erfolg, den Deutschland nach dem radikalen Schnitt 2004 hat. Einen ähnlich radikalen Schnitt zu vollziehen, traut man sich auf der Insel aber nicht. Und genau darum wurschtelt man sich seit Jahren mittenrein in die weltfußballerische Anonymität.

Italien: Mischung aus Klima, Qualität und Form

Langsam war das alles. Die Hitze, sie setzte Andrea Pirlo und Daniele de Rossi schon extrem zu. Nach dem hart erkämpften Auftakt-Sieg gegen England in der Hölle von Manaus gab’s einen erschreckend leblosen Auftritt in der Tropenhitze von Recife, wo man gegen Costa Rica verlor. Und wirkliche Überzeugung und Verve war auch nicht zu erkennen, als man im schwülheißen Natal von Uruguay aus dem Turnier gebissen wurde.

Italien
Italien: Der zweite Außenverteidiger, das langsame Zentrum, biedere Offensiv-Kräfte: Prandelli hatte mit zu vielen Brandherden zu kämpfen.

Da halfen alle taktischen Überlegungen von Fuchs Cesare Prandelli nichts. Die höhere Grundposition von Pirlo, um ihn näher an die Passempfänger zu bringen, ebenso wenig wie der Einsatz von Abschirm-Jäger De Rossi und der Einsatz von Pirlo-Kopie Verratti neben dem alten Herrn. Weil neben dem wirklich braven Darmian es keinen zweiten Außenverteidiger gab, der sinnbringend im Spiel gewesen wäre – nicht der gelernte Innenverteidiger Chiellini, nicht der farblose Abate, nicht der als Wing-Back etwas hilflose De Sciglio.

Was auch ein Problem des Nachwuchses ist. Keine große Liga in Europa hat bei den Kadern der Vereine einen so geringen Anteil an bei den Klubs ausgebildeten Spielern wie die Serie A. Wie in Italien generell üblich, wird lieber an alten, verkrusteten Strukturen festgehalten, als mal etwas Neues zu probieren, weil es immer irgendein Gremium, einen 80-Jährigen Betonschädel, einige polemisierende Medien gibt, die das zu verhindern wissen.

Die Folge ist, dass Prandelli, fraglos einer der besten Trainer des Kontinents, hilflos zusehen musste, wie seine Mannschaft verglühte. Das Erreichen des EM-Finales vor zwei Jahren war kein Zufall, aber die Mischung aus den klimatischen Bedingungen und fehlender Form (wenn etwa Neu-Dortmunder Immobile so spielt, wie er heißt; ein Candreva halt nicht mehr als ein Durchschnitts-Kicker ist, Insigne von seinem Punch genau nichts zeigte, Cassano ein müder Abklatsch von 2012 ist und mit Parolo ein 29-Jähriger neu in den Kader kommt) killte Italien.

Spanien: „Generation Xavi“ entmachtet

Es kommt die Zeit, da bricht alles irgendwie in sich zusammen. Zumindest oft. Das war bei Frankreich 2002 so, das war bei Italien 2010 so, und jetzt hat’s die Spanier erwischt. Zu lange festgehalten an einer Spielweise, die die alternden Spieler nicht mehr auf dem höchsten Niveau zu spielen im Stande waren. Und gerade beim Ballbesitz-Fußball spanischer Prägung ist das unbedingt vonnöten.

Spanien
Spanien: Die Änderungen nach dem 1:5 gegen Holland waren zu spät und halfen zu wenig.

Aber Xavi wurde von den geschickten Holländern so kontrolliert, dass er danach nicht mehr ins Geschehen eingriff. Xabi Alonso nahm von den wie wild pressenden Chilenen ein veritables Trauma mit. Und ohne diese beiden Säulen im Zentrum mäanderte der Rest kopflos durch die Partien. Diego Costa konnte nie so eingesetzt werden, dass er seine Stärken ausnützen hätte können. Zu viele Spieler waren zu langsam oder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um jenes Gegenpressing zum Funktionieren zu bringen, das ja das eigentliche Erfolgsgeheimnis Spaniens war.

Und vor allem fehlte es dem Abwehr-Duo Ramos und Piqué vor allem gegen Holland, aber auch gegen Chile an der Gedankenschnelligkeit und der Abstimmung – auch, weil Busquets mehr vorne helfen musste als auf die Absicherung nach hinten achten zu können. Die gigantischen Löcher, die entstanden, waren ein Fest für die Holländer und die Hilflosigkeit gegen das chilenische Pressing wurde schnell deutlich.

Das allerdings war schon vorher klar: Von einem mutigen Gegner selbst angepresst zu werden, gefällt den sonst ja selbst pressenden Spaniern gar nicht – wie es etwa Portugal im EM-Halbfinale 2012 machte.

Und dann machte auch noch Iker Casillas jene dämlichen Anfängerfehler, die er nach einem Jahrzehnt auf Top-Niveau zuletzt auch bei Real Madrid immer häufiger wieder eingestreut hatte.

Wie so viele große Trainer vor ihm hat nun also auch Vicente del Boque zu lange an altverdienten Spielern festgehalten. Es sagt sich aber andererseits leicht, er hätte Xavi, Xabi Alonso und womöglich auch Iniesta und Casillas nach drei Titel in Folge eliminieren müssen. Die zu erwartenden Prügel von Medien und Fans will sich niemand antun. Verständlich.

Nicht, dass die Spanien jetzt Sorgen machen müsste – die letzten zwei U-21-Europameisterschaften gewann man, es rückt viel nach. Aber die „Generation Xavi“ ist hiermit an ihrem leider etwas unrühmlichen Ende des Weges angekommen.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Die Hälfte von Europas Großen hat komplett enttäuscht, aus den verschiedensten Gründen. Bei England wird sicherlich nichts besser, wenn man weiterhin so lauwarm vor sich hinlebt, bei Italien muss man abwarten, ob Biedermann Mancini übernimmt, Choleriker Conte oder doch Tüftler Guidolin (oder auch ganz wer anderer, Allegri ist ja für die Squadra Azzurra vom Markt). Keiner der drei wird aber die grundsätzlichen Probleme im italienischen Fußball lösen können, da ist der Verband gefragt.

Frankreich braucht für die Heim-EM mehr Persönlichkeiten im Mittelfeld, überall sonst ist die Equipe Tricolore gut aufgestellt. Deutschland wird zumindest zwei, vielleicht sogar drei absolute Schlüsselspieler auf dem Weg zur EM in zwei Jahren ersetzen – ob das ohne Reibungsverluste geht, muss man erst einmal sehen. Erstaunlicherweise sieht aus dem jetzigen Blickwinkel Holland als diejenige Mannschaft aus, die das wenigste Bauchweh haben muss: Der junge Kader hat die Erfahrung einer starken WM, muss praktisch nicht umgebaut werden und Guus Hiddink ist ein ganz erfahrener Trainer, der ein Team völlig anders führt als Van Gaal, sich aber um seine Autorität nicht sorgen muss.

Die Gelegenheit für Teams aus der zweiten Reihe, bei der EM die Arrivierten in den Schatten zu stellen, ist also gegeben. Sie müssten sich jetzt nur noch trauen.

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Analyse: Deutschland schlägt Brasilien in unglaublichem WM-Halbfinale 7:1 https://ballverliebt.eu/2014/07/09/deutschland-brasilien-7-1-halbfinale-wm-2014-analyse/ https://ballverliebt.eu/2014/07/09/deutschland-brasilien-7-1-halbfinale-wm-2014-analyse/#comments Tue, 08 Jul 2014 22:48:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10383 Analyse: Deutschland schlägt Brasilien in unglaublichem WM-Halbfinale 7:1 weiterlesen ]]> Es ist das wohl denkwürdigste Halbfinale in der 84-jährigen WM-Geschichte – Gastgeber Brasilien, für den nur der Titel zählte, bekam von den Deutschen den Hintern verdroschen, wie noch nie einem Halbfinalisten der Hintern verdroschen wurde. Am Ende steht ein 7:1 in den Geschichtsbüchern, dass sogar ein 7:0 hätte werden können, wenn nicht Oscar doch noch einen reingebracht hätte. Aber wie konnte es dazu kommen, dass Brasilien zwischen der 23. und der 29. Minute vier Tore schluckte?

Brasilien - Deutschland 1:7 (0:5)
Brasilien – Deutschland 1:7 (0:5)

Brasilien begann eigentlich recht schwungvoll – anders als im Turnierverlauf oft, eher so, wie man vor einem Jahr den Confed-Cup angelegt hatte. Ohne ersichtlichen Grund aber nahm die Selção nach fünf Minuten das Tempo völlig raus. Hinten spielten sich David Luiz, Dante und Luiz Gustavo den Ball plötzlich nur noch gemütlich hin und her. Folge war: Der ganze deutsche Mannschaftsverbund, der nach dem frühen Druck recht weit hinten gestaffelt war, rückte Meter um Meter auf. Quasi zum Austesten, wie die Brasilianer reagieren.

Sie reagierten gar nicht. Großer Fehler.

Khedira fing recht schnell immer mehr an, vor allem Dante anzulaufen. Bein einem Ballgewinn reagierte Deutschland nun im Verbund mit kollektivem, raschen nach-vorne-rücken. Die Brasilianer zeigten in zwei, drei Szenen schnell Wirkung – ein ungenauer Abschlag von Júlio César, ein überhasteter und meilenweit von jedem Mitspieler entfernter langer Ball in Richtung Bernard: Deutschland hatte schon vor dem 1:0 die Kontrolle übernommen.

Kompaktheit geht völlig verloren

Dass man bei einer Ecke Müller am langen Pfosten erstaunlich frei lässt, ist zwar nicht besonders geschickt (wiewohl von Deutschland auch gut gemacht), kann aber schon mal passieren und ist eigentlich kein Grund, in sich zusammen zu fallen, vor allem dann nicht, wenn noch 79 Minuten zu spielen sind. Doch die Brasilianer verloren in der Folge jegliche Kompaktheit vor allem im Zentrum – obwohl Marcelo (wie im ganzen Turnier) einen ziemlichen Drall nach innen hatte und sich auch Aufbau-Versuche bei Brasilien oftmals ins Zentrum verlagerten.

David Luiz marschierte öfter nach vorne mit, ohne abgedeckt zu werden. Wie überhaupt sich die Offensiv-Kräfte Brasiliens noch weiter vorne postierten, der Defensiv-Verbund aber nicht geschlossen nachrückte. Gleichzeitig fuhren die Deutschen nun ein Pressing-Brett, dem der Gastgeber nichts entgegen zu setzen hatte.Nach Ballgewinnen hatten die Deutschen nicht nur Überzahl, sondern auch richtig viel Platz.

Das hat genau gar nichts mit dem Fehlen von Neymar zu tun. Aber sehr viel mit jenem von Thiago Silva.

Treibsand

Die ordnende Hand, die der Gelbgesperrte normalerweise ist, fehlte komlett. Nach dem zweiten Gegentor wurden die Löcher bei Brasilien noch größer, versuchte noch mehr jeder in seiner Panik auf eigene Faust, das Geschehene wettzumachen. Die Folge war ein Treibsand-Effekt: Die Deutschen, die schon ohne gruppentaktisches schnelles Umschalten Räume ohne Ende hatten, verstanden es exzellent, die immer mehr verunsicherten Brasilianer aus ihren Positionen zu ziehen und damit Räume zu schaffen.

So vergaß Maicon, der viel zu zentral stand, beim 0:3 hinter ihm auf Kroos. Die Brasilianer halfen sich auch nicht gegenseitig. Es kann niemand Fernandinho gewarnt haben, dass hinter ihm ein Deutscher auf ihn zuläuft, so billig, wie er ihn vor dem 0:4 verloren hat. Das Chaos setzte sich auch beim 0:5 fort. Je mehr die Brasilianer versuchten, das Ruder herum zu reißen, desto mehr ging das Gruppendenken verloren und desto leichter hatte es die deutsche Mannschaft, sich auszutoben.

Runter vom Gas

Natürlich war das Spiel nach einer halben Stunde entschieden und natürlich stieg Deutschland danach deutlich vom Gas. Oscar zum Beispiel versteckte sich weiterhin nach Kräften, der kleine Bernard hatte gegen Höwedes keine Chance, Fred sah kaum einen Ball. Die Chancen, die man sich nach der Pause erarbeitete, machte dann auch noch Neuer zunichte.

Und obwohl Deutschland kaum noch aktiv am Spiel teilnahm, das Pressing logischerweise weitgehend eingestellt hatte und der Nachdruck nach vorne fehlte, erhöhte man sogar noch auf 7:0. Im Grunde war in der zweiten Hälfte aber die Luft natürlich völlig draußen.

Fazit: Deutschland nützte Schwächen konsequent aus

Dass die Seleção so dermaßen in sich zusammenklappte, lag in erster Linie an der Panik, die (eigentlich unverständlicherweise) nach dem frühen 0:1 ausbrach. Mit dieser Hektik und ohne jedes gruppentaktische Verhalten bot man den Deutschen Räume an, die diese extrem clever zu nützen verstanden. Und eiskalt – so gut wie jede Torchance wurde auch konsequent genützt. So konnte sich schon so früh ein so ungewöhnliches Ergebnis abzeichnen.

Was die deutschen Spieler wussten, das wurde in den Interviews schnell deutlich. Ihnen war klar, dass ihnen der Gegner und der Spielverlauf so in die Hände spielten, dass so ein Ergebnis dabei heraus kam. Im Finale wird es ein völlig anderes Spiel werden.

Wie es mit den brasilianischen Spielern weitergeht, wird interessant zu verfolgen sein. Viele der Beteiligten an Österreichs 0:9 in Valencia 1999 waren für ihre Karriere zerstört. Für Brasilien ist diese Niederlage, mit allem was damit zusammenhängt, noch viel, viel schlimmer als der ÖFB-Kegelabend in Spanien damals.

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Deutschland schickt Österreich in permanente Unterzahl – lockeres 3:0 die Folge https://ballverliebt.eu/2013/09/07/deutschland-schickt-osterreich-in-permanente-unterzahl-lockeres-30-die-folge/ https://ballverliebt.eu/2013/09/07/deutschland-schickt-osterreich-in-permanente-unterzahl-lockeres-30-die-folge/#comments Sat, 07 Sep 2013 00:44:15 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9443 Deutschland schickt Österreich in permanente Unterzahl – lockeres 3:0 die Folge weiterlesen ]]> Klare Sache: Deutschland hat mit Österreich keine wirkliche Mühe und kommt zu einem relativ lockeren 3:0-Sieg. Weil man in der Offensiv-Zone sehr flexibel agierte und Österreich in ständige Unterzahl schickte. Dadurch, und durch das Fehlen von Zlatko Junuzovic, konnte das Pressing des ÖFB-Teams nie das gewohnte und auch nötige Ausmaß erreichen, um den designierten Gruppensieger zu gefährden.

Deutschland - Österreich 3:0 (1:0)
Deutschland – Österreich 3:0 (1:0)

Extremes Anpressen der deutschen Spieleröffnung, dem übermächtig scheinenden Gegner keine Zeit lassen, so Ballgewinne erkämpfen: Das Erfolgsrezept aus dem 1:2 im Hinspiel, als Österreich einem Punktgewinn nicht nur verdammt nahe war, sondern ihn sich auch mehr als verdient hätte, war auch beim Rückspiel in München erkennbar. Dummerweise aber nur in den ersten fünf Minuten.

Deutschland stellt 4-gegen-2-Überzahl her

Denn dann Begann die deutsche Marschroute zu greifen, weil dann die Außenverteidiger Lahm und Schmelzer nach vorne aufrückten. So konnte Deutschland das Geschehen nach dem eigenen Gusto gestalten und dieser funktionierte sehr gut. Der Schlüssel waren die Außenverteidiger, die „ausführenden Organe“ war das Offensiv-Quartett der DFB-Mannschaft.

Weil nämlich Özil praktisch überall zu finden war, immer wieder auf die Flügel auswich. Weil dafür Reus von links in die Mitte zog und dort seine Technik und sein Tempo ins Spiel brachte. So konnte sich das österreichische Zentrum mit Alaba und Kavlak nie auf ein ausrechenbares System einstellen. Hinzu kam, dass Müller sich mit Fuchs einen ziemlichen Spaß machte, weniger horizontal agierte wie Reus, sondern vertikaler.

Zudem ließ sich Klose auch immer wieder etwas fallen. So hatte Deutschland im Raus zwischen Strafraumgrenze und Mittelkreis eine 4-gegen-2-Überzahl, weil Ivanschitz und Arnautovic durch die deutschen Außenverteidiger gebunden waren.

Junuzovic fehlt an allen Ecken und Enden

Zwar kam Deutschland nicht wie sicherlich erwünscht durch und die gefährlichsten Szenen waren eher weitere, höhere Bälle von den Flanken und dem Halbfeld in die Schnittstellen der Viererkette. Diese Überzahl sorgte aber sehr wohl dafür, dass es Deutschland praktisch immer problemlos gelang, nach einem Ballverlust durch schnelle Pressing-Pfeilspitzen und schnelleres Denken als der Gegner diesem den eigenen Aufbau zu unterbinden und schnell selbst wieder in Ballbesitz zu kommen.

Wegen der dergestalt gebundenen Mittelfeld-Reihe war die hängende ÖFB-Spitze Andi Weimann kaum im Spiel (zumal ihm der serbische Referee nicht nur jeden Körperkontakt mit einem Gegner abpfiff, sondern im Grunde auch jede Annäherung zu einem Deutschen auf weniger als einen Meter) und die vorderste Spitze Martin Harnik überhaupt nicht. Beide liefen zwar viel und mühten sich redlich, aber viel kam nicht dabei heraus.

In all diesen Teilbereichen machte sich das Fehlen des angeschlagenen Zlatko Junuzovic bitter bemerkbar. Auf der Position des zentralen Pressers auf der Position der hängenden Spitze in Kollers längst gewohntem 4-4-1-1 gibt es keinen besseren als ihn, weil er – anders als der gelernte Stürmer Weimann – nach anderthalb Jahren als Sechser/Achter bei Bremen ein gutes Gespür dafür hat, wann er zurück rücken muss. Weimann jedenfalls machte das nicht.

Dragovic‘ Aufrücken und Fuchs‘ Fehler

Die auch dadurch entstehende massive Unterzahl vor der Abwehrkette veranlasste vor allem Aleksandar Dragovic dazu, diese immer wieder zu verlassen und aufzurücken. So wurde die Personalnot gegen Özil und Reus zwar etwas gelindert, logischerweise entstand so aber natürlich ein Loch in der Kette. Ein Risiko, dem mit Einrücken von Garics begegnet wurde, aber so fehlte natürlich dieser wiederum auf der Außenbahn. Was vom mauen Schmelzer zwar nicht bestraft wurde, aber es war eindeutig nicht der Weisheit letzter Schluss.

Ebenso wie Christian Fuchs. Es ist eine nicht mehr ganz neue Erkenntnis, dass das ÖFB-Team auf einen Fuchs in guter Form kaum verzichten kann. Dummerweise kennt Fuchs gute Form nur noch vom Hörensagen. Er kam nicht in die Zweikämpfe gegen Müller und Lahm, er konnte kaum Flanken verhindern, zudem waren seine Pässe nicht selten der pure Horror und die Flanken vor’s gegnerische Tor, die ihn in der deutschen Bundesliga so berüchtigt machten, gibt es nicht mehr. Bei Schalke wird Fuchs seinen Stammplatz aller Voraussicht nach an Dennis Aogo verlieren – und das leider völlig zu Recht.

Flexibilität wird belohnt

Was natürlich auch nicht geholfen hat, war die Tatsache, dass Veli Kavlak immer wieder minutenlang an der Seitenlinie an seiner lädierten Nase behandelt werden musste und sich somit zusätzlich nie wirklich ein Rhythmus in der österreichischen Mittelfeld-Zentrale entwickeln konnte. Frappierend war auch der Unterschied in den Rochaden der Offensiv-Trios: Während Reus, Özil und auch Müller permanent ihre Positionen wechselten, hielten sich Ivanschitz, Arnautovic und Weimann beinahe sklavisch an ihre Positionen. Für fünf Minuten halb durch die erste Hälfte tauschten Arnautovic und Ivanschitz mal, aber das war’s auch schon.

Durch eine dieser vielen deutschen Rochaden und eine der vielen verlorenen Duelle von Fuchs entstand nach einer halben Stunde auch das 1:0 für die Deutschen, das sich da schon abgezeichnet hatte. Die latente österreichische Hilflosigkeit verbunden mit dem praktisch nicht mehr vorhandenen anpressen des Gegners und die selbstichere Körpersprache der Deutschen ließ schon da das Spiel zumindest vorentschieden erscheinen.

Hoffnungsschimmer

Zweite Halbzeit
Zweite Halbzeit

Was es aber noch nicht war. Kam Österreich vor der Pause kaum einmal dazu, drei Pässe aneinander zu reihen, ehe der Ball wieder weg war – vor allem auf David Alaba konzentrierten sich die Deutschen natürlich – wurde zu Beginn der zweiten Hälfte eine sich kurzfristig aufmachende Schwachstelle bei Deutschland angebohrt. Weil Schmelzer den Ellbogen von Harnik ins Gesicht bekam (die Handbewegung von Harnik legt den Schluss nahe, dass er sich zumindest Gelb dafür verdient hätte), musste Höwedes als Linksvertediger kommen.

Durch eine generell entschlossenere Herangehensweise nach Ballgewinn und flinkeres Umschalten als zuvor gelang es in den fünf Minuten nach Wiederanpfiff dreimal (!), durch einen Steilpass in die völlig offene Schnittstelle zwischen Boateng und Höwedes hindurch in passable Flankenpositionen zu kommen. Hier fehlte dann allerdings jene Konsequenz, die Kroos in der 51. Minute bei seinem Weitschuss zum 2:0 zeigte.

Österreich streckt die Waffen

Womit das Spiel dann aber doch durch war. Das ÖFB-Team streckte danach weitgehend die Waffen, stellte das ohnehin nur noch zart vorhandene Pressing völlig ein und ließ die letzten 40 Minuten über sich ergehen. Das Team vermittelte den Eindruck eines „Okay, verloren, was soll’s – Kräfte sparen für das Irland-Match“. Und weil auch Deutschland wusste, dass nichts mehr passieren wird, verausgabte man sich auch nicht mehr als notwendig.

Was allerdings auch nicht notwendig gewesen wäre, sind die Härteeinlagen von österreichischer Seite, die die letzte halbe Stunde prägten. Kavlaks Frust mag verständlich sein, aber sein Attentat auf Kroos‘ Kniekehle hat sich nichts anderes als Rot verdient (es gab Gelb), Klein – der für den vom Platz humpelnden Garics gekommen war – bekam für ein ähnliches Foul zu Recht Gelb, Fuchs kam für eine Kopie des Klein-Fouls ohne Karte davon.

Schwung kam nur noch in die Partie, als Koller seine Flügel neu besetzte. Vor allem der für Arnautovic gekommene Marcel Sabitzer traute sich öfter, über die linke Seite durchzugehen. Zwar fehlten auch ihm die nötige Präzision, aber er versuchte es wenigstens. Und dass es kurz vor Schluss noch das 3:0 durch Müller gab, konnte auch der beste Österreicher nicht mehr verhindern – Torhüter Robert Almer.

Fazit: Zu wenig, um Deutschland gefährden zu können.

Von der 1. bis zur 5. Minute und von der 46. bis zur 51. machte Österreich den Eindruck, tatsächlich etwas holen zu können. Letztlich setzte sich aber die individuelle Klasse der Deutschen durch, verbunden mit der permanenten Überzahl vor dem österreichischen Strafraum, der durch die guten und nicht berechenbaren Laufwegen von Özil und Reus zustande gekommen war.

Österreich hingegen agierte über weite Strecken viel zu passiv, die Spieler waren zu weit voneinander entfernt, und einmal mehr wurde deutlich, dass es kein Gegenmittel gibt, wenn man selbst angepresst wird. Das man nach dem 0:2 jegliches Bemühen einstellte, dem Spiel eine Wende zu geben, ist mit einem Blick auf die Gruppenkonstellation und das anstehende, extrem wichtige Spiel gegen Irland, nicht ganz unverständlich.

Rückschlüsse lassen sich aus diesem Spiel natürlich einige ziehen. Kaum welche allerdings im Hinblick auf eben dieses Spiel gegen Irland – weil dort alles anders sein wird. Ausgangslage bei sich selbst und beim Gegner, Spielanlage des Gegners, Stärken und Schwächen beim Gegner. Hier täte man gut daran, eher das Spiel in Dublin und das 2:1 gegen Schweden heranzuziehen.

Dummerweise wird Junuzovic auch gegen Irland nicht dabei sein können.

(phe)

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1:2 gegen Italien: Deutschland scheitert wieder einmal kurz vorm Ziel https://ballverliebt.eu/2012/06/29/12-gegen-italien-deutschland-scheitert-wieder-einmal-kurz-vorm-ziel/ https://ballverliebt.eu/2012/06/29/12-gegen-italien-deutschland-scheitert-wieder-einmal-kurz-vorm-ziel/#comments Thu, 28 Jun 2012 23:38:42 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7627 1:2 gegen Italien: Deutschland scheitert wieder einmal kurz vorm Ziel weiterlesen ]]> Schon wieder Italien… Deutschland versuchte im Halbfinale wohl etwas zu viel, sich auf den Gegner zu konzentrieren und vergaß darüber die eigenen Stärken aus dem Auge. Da agierte die italienische Mannschaft abgeklärter, laufstärker und vor allem mit geschicktem Aufrücken. So ist für Deutschland das geplante Finale gegen Spanien geplatzt.

Italien - Deutschland 2:1 (2:0)

Schon im Vorfeld hatte Bundestrainer Löw verlauten lassen, dass sein Team die Pässe von Andrea Pirlo so gut es geht verhindern muss. Kroos war nominell als Zehner aufgeboten, hatte aber vornehmlich die defensive Aufgabe gegen Pirlo zu erfüllen. Das Kalkül dahinter war logisch: Wenn Pirlo aufrückt, steht ihm Kroos auf den Füßen, sollte sich der Altstar von Juve zurückfallen lassen, übernahm Gomez diese Aufgabe. Und in der Tat ließ sich Pirlo in der ersten Hälfte eher zurückfallen.

Ob mit Bewachung durch Kroos oder ohne: Pirlo konnte seine Pässe immer schlagen. Einziger Unterschied: Ohne Bewacher tat er das höher und vertikaler.

Seine Pässe allerdings wurden dadurch nicht unterbunden, sie fanden nur von deutlich weiter hinten statt – und bis auf wenig Ausnahmen wurde Pirlo auf Querpässe reduziert. Die wenigen echten Zuspiele nach vorne brachten allerdings immense Gefahr, einer davon leitete das 1:0 für Italien ein.

Weil Deutschland dann sogar mit einem 0:2-Rückstand in die Pause ging, war Löw gezwungen, auf die designierte Pirlo-Deckung zu verzichten. Das hatte überhaupt keine Auswirkungen auf die Ballkontakte von Pirlo und die Anzahl der Pässe, die er schlug. Sehr wohl aber auf Ausgangspunkt und Ziel dieser Pässe: Ohne Kroos, der ihn zurück schob, konnte Pirlo mit dem Ball weiter aufrücken und ob der Tatsache, dass die Deutschen hinten aufmachen mussten, auch deutlich vertikaler. Zudem hatte er mit Diamani und Di Natale dann auch zwei frische Anspielstationen.

Fazinierend ist dabei, dass lange Bälle von Pirlo praktisch immer einen Mitspieler fanden.

Rechte deutsche Seite

Zurück zur ersten Halbzeit. Kroos stand durch seine Aufgabe logischerweise auf der Zehn, was hieß, dass Mesut Özil um ihn herum spielen musste. Das ist für ihn normalerweise kein Problem und er war auch im Viertelfinale gegen Griechenland mehr auf der Flügel unterwegs als im Zentrum. In diesem Spiel allerdings vermied es Özil, allzu viel auf die sonst verwaiste rechte Seite zu gehen. Was seltsam ist – denn mit Chiellini stand dort zwar ein gelernte Innenverteidiger. Aber erstens spielt Italien ohnehin traditionell sehr eng, was den Platz in der Mitte ziemlich zumachte (auch weil De Rossi deutlich tiefer stand als Marchisio); und zweitens hätte Gomez in der Mitte durchaus ein paar Flanken brauchen können.

Das Vakuum auf der rechten deutschen Angriffsseite füllte immer wieder Sami Khedira, der aus der Schaltzentrale hinter Özil und Kroos herausging. Die Überlegung, Chiellini dadurch an allzu viel Vorwärtsdrang zu hindern, war an sich logisch, aber Khedira fehlte dadurch im Zentrum. Ohne die Übersicht, die Ruhe am Ball und das Spielverständnis von Khedira war der formschwache Schweinsteiger im Zentrum dann alleine. So hatte Montolivo fiel Platz, um sich auszutoben und als Verbindung zu den zwei Spitzen zu agieren.

Das teilweise Fehlen von Khedira im Zentrum resultierte zwar nicht direkt in Toren, aber es hat das deutsche Spiel merklich beunruhigt – eine Unruhe, die auf die bislang so starke Innenverteidigung ausstrahlte.

Podolski schwach, Marchisio weltklasse

Anders als die rechte deutsche Seite war die linke zwar besetzt, aber im Grunde nur nominell. An Lukas Podolski lief das Spiel komplett vorbei. Zum einen durch den generellen Rechtsdrall im deutschen Spiel, zum anderen aber auch deshalb, weil er sich zu wenig anbot und nie seine gegenüber Balzaretti überlegene individuelle Klasse ausspielen konnte. Und das, obwohl Balzaretti nicht nur der wahrscheinlich schwächste Italiener ist, sondern der gelernte Linksverteidiger wegen Abates Verletzung auch noch auf der für ihn ungewohnen Seite spielen musste.

Was für das Nicht-Vorhanden-Sein von Podolski ebenfalls von großer Bedeutung war: Die absolut überragende Leistung von Claudio Marchisio. Der 26-Jährige vom italienischen Meister Juventus war überall zu finden, half hinten, ging nach vorne, deckte vor Balzaretti die Flanke ab, zeigte exzellentes Stellungsspiel und warf sich, wenn nötig, mit voller Konsequenz in die Zweikämpfe. Außerdem spulte er in beiden Halbzeiten die meisten Meter seiner Mannschaft ab (6,2 km in der ersten und 6,0 km in der zweiten Hälfte).

Druck durch konsequentes Aufrücken

Überhaupt, die italienische Laufarbeit. Dass die Azzurri gegenüber den Deutschen zwei Tage weniger Pause hatten und obendrein im Viertelfinale noch in die Verlängerung gehen hatten müssen, war in keiner Phase des Spiels zu merken. Im Gegenteil: Italien lief den Gegner in Grund und Boden; pro Halbzeit liefen sie ihren deutschen Gegenspielern über drei Kilometer davon.

Was natürlich vor allem eine Folge des konsequenten Aufrückens der italienischen Mannschaft war. Das hatten schon im ersten Halbfinale die Portugiesen gegen Spanien mit einigem Erfolg praktiziert, und das machten nun auch die Italiener. Praktisch die komplette italienische Mannschaft rückte, wenn sich der Ball vom eigenen Tor weg bewegte, ebenso mit nach vorne. Das machte es bei Ballverlust wesentlich leichte, die Räume für den deutschen Spielaufbau sofort eng zu machen – und Deutschland fand kein passendes Mittel dagegen.

Womit Prandelli seinen Worten Taten folgen ließ – schließlich hatte er angekündigt, die Deutschen nicht tief zu empfangen. Das hatte er als nicht Zielführend gesehen. Das Aufrücken aber war goldrichtig.

Cassano und Balotelli

Genauso wenig wie für die beiden italienischen Sturmspitzen. In der deutschen Bundesliga spielen nur vier von 18 Teams konsequent mit zwei echten Stürmern (M’gladbach, Hamburg, Bremen und Hannover). Das heißt: Im Liga-Alltag hat des die deutsche Defensive nur selten mit zwei echten Stürmern zu tun. Und vor allem nicht mit solchen Kalibern wie Cassano und Balotelli. Die beiden decken einen enormen Raum ab, schaffen mit ihren oft unerwarteten Laufwegen permanent Unordnung beim Gegner und sind technisch absolut hochklassig.

Hummels und Badstuber hatten damit einige Probleme. Beim ersten Gegentor stellten sie sich zwar richtig (Hummels half Boateng gegen Cassano, Badstuber übernahm im Zentrum Balotelli), gingen aber beide nicht konsequent genug in den Zweikampf; beim zweiten Gegentor war man im Umschalten nach einer eigenen Standard-Situation nicht auf Balotelli gefasst.

Die beiden außerhalb des Spielfeldes eher zweifelhaften Figuren harmonieren auf dem Platz prächtig. Wahrscheinlich gerade weil sie beides Instikt-Fußballer sind.

Umstellungen

Mit 0:2 im Rückstand musste Joachim Löw natürlich reagieren. Für die zweite Hälfte brachte er statt des eher unglücklichen Gomez und der komplett unsichtbaren Podolski mit Klose und Reus gleich zwei neue Spieler. Das hieß, dass man die Manndeckung für Pirlo, wie erwähnt, weitgehend aufgab und sich darauf konzentrierte, das eigene Spiel wieder vermehrt zur Geltung zu bringen. Reus ging auf die rechte Seite, Kroos wich tendenziell auf die linke Seite aus und Özil war nun zumeist der Zehner. Alleine: Das deutsche Spiel blieb relativ eng.

Anders gesagt: Deutschland versuchte weiterhin, die Italiener in deren ureigenstem Kerngebiet, dem Spiel durch die Mitte, zu bezwingen – aber das kann Italien immer noch besser. Zumal Prandelli nach rund einer Stunde auf das sich etwas veränderte Spiel reagierte und seinerseits zwei neue Spieler brachte: Diamanti kam einmal mehr für Cassano und gesellte sich wie gewohnt etwas näher zum Mittelfeld und auf die halbrechte Seite, und für den sehr ordentlichen Montolivo kam mit Thiago Motta ein Spieler, der es perfekt versteht, Bälle abzulegen und mit kurzen Pässen dem Spiel Struktur zu verleihen.

Schlussphase

Deutschland spielte nun zwar etwas flüssiger, aber Italien verstand es immer noch, auch in den späteren Phasen der Partie weit aufzurücken – ein Umstand, der den Deutschen psychisch sichtlich zu schaffen machte. Nicht nur, weil es das eigene Spiel massiv behinderte. Sonder auch, weil die Italiener somit sagten: „Sehr her, wir sind immer noch fit!“

Brechstange

In der letzten Viertelstunde gab es für die Deutschen dann nur noch die Brechstange. Müller war für Boateng gekommen und dieser besetzte nun die rechte Seite, Reus ging ins Sturm-Zentrum zu Klose, Özil und Lahm kamen eher über links. Struktur hatte das sonst so durchgeplante deutsche Spiel nun natürlich nicht mehr, das ist in einer solchen Situation aber zu einem gewissen Grad wohl auch erwünscht. Schließlich hatte eben dieses durchgeplante Spiel in den 75 Minuten zuvor keine Wirkung erzielt.

Die Folge der Umstellung auf ein System, was man als 2-4-4 bezeichnen kann, hatte natürlich zur Folge, dass dir frisch eingewechselten und damit läuferisch den Gegenspielern nun natürlich haushoch überlegenen Diamanti und Di Natale Räume zum Kontern boten – spätestens hier hätte Italien den Sack zu machen müssen.

Dennoch musste man auch nach dem von Özil verwandelten Handelfmeter in der Nachspielzeit nicht mehr wirklich zittern. Italien war die cleverere Mannschaft und sich damit den Sieg verdient.

Fazit: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht

Da versucht man einmal, sich als deutscher Teamchef in seiner Herangehensweise an ein Spiel auf die Eigenheiten des Gegners einzugehen – und schon geht’s schief. Durch die Manndeckung für Pirlo wurde dieser zwar zumeist zu Querpässen gezwungen, aber es wurde verabsäumt, die anderen drei Spieler im italienischen Mittelfeld (der überragende Marchisio, der fleißige Montolivo und der sichere De Rossi) aus der Gleichung zu nehmen, indem man sie aus ihrer Position zieht, sie zum Helfen auf den Flügel zieht.

Es ist bemerkenswert, dass Löw gerade gegen die für ihre Enge bekannten Italiener selbst den Weg über die Mitte suchen wollte und nicht den vielen Platz auf den Flanken nützte – Vor allem, wenn die Azzurri aufrückten. Es kamen keine Lochpässe von Özil in den Rücken der Abwehr, wenn diese hoch stand. Es wurde komplett verabsäumt, Balzaretti zu testen. Es wurde durch den zeitweisen Rechtsdrall von Khedira, als dieser das Vakuum auf der Außenbahn etwas füllen wollte, das defensive Zentrum preisgegeben.

Die Italiener machten nichts, mit dem man nicht rechnen konnte: Dass Teams von Cesare Prandelli nicht tief stehen, wusste man. Dass sich die Italiener auf die Mitte konzentrieren, um auf den Flanken Räume für die sehr mobilen Stürmer zu schaffen, wusste man auch. Alleine, dass die körperliche Verfassung dermaßen herausragend ist, mag als „erstaunlich“ durchgehen.

So bleibt nach dem vierten Semifinale, das Deutschland hintereinander erreicht hat, zum dritten Mal die Erkenntnis, dass der Gegner besser war. Diesmal vielleicht weniger von der individuellen Qualität, sondern von der inhaltlichen Herangehensweise.

Und damit war gerade bei den taktisch eigentlich so sicheren Deutschen nicht zu rechnen.

(phe)

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„Real Deutschland“ ins Semifinale – dominanter 4:2-Sieg über Griechenland https://ballverliebt.eu/2012/06/22/real-deutschland-ins-semifinale-dominanter-42-sieg-uber-griechenland/ https://ballverliebt.eu/2012/06/22/real-deutschland-ins-semifinale-dominanter-42-sieg-uber-griechenland/#comments Fri, 22 Jun 2012 21:59:05 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7576 „Real Deutschland“ ins Semifinale – dominanter 4:2-Sieg über Griechenland weiterlesen ]]> Mesut Özil und Sami Khedira: Die beiden Deutschen von Real Madrid waren die dominanten Figuren beim 4:2 über Griechenland. Dass das Viertelfinale nicht schon viel früher entschieden war, lag eher an mangelnder Chancenverwertung als an den erwartet defensiv eingestellten Griechen. Letztlich war es aber ein ganz souveräner Sieg der um mindestens eine Klasse besseren Mannschaft.

Deutschland - Griechenland 4:2 (1:0)

Erstaunlich: In den neun Jahren, in denen Otto Rehhagel Teamchef war, spielte Griechenland nie gegen Deutschland. Weniger erstaunlich: Als es das erste Mal nach elf Jahren doch wieder so weit war, überließen die Griechen dem übermächtig scheinenden Gegner recht bereitwillig den Ball.

Drei Neue bei Löw

Joachim Löw nahm drei eher überraschende Veränderungen gegenüber seinem Team aus der Vorrunde vor: Gomez, Podolski und Müller blieben auf der Bank, dafür kamen Klose, Reus und Schürrle in die Partie. Dieses Trio hat andere Attribute als die „Starter“ aus den ersten drei Spielen. Bei Klose besteht der Hauptunterschied in seiner Arbeit und in seiner Bereitschaft, sich auch etwas fallen zu lassen und zwischen den Linien anspielbar zu sein.

André Schürrle (links) und Marco Reus (rechts) hingegen waren beide als Spielpartner für Mesut Özil geplant. Bei Schürrle fühlte man sich mit seinem Zug nach innen zuweilen ein wenig an Arjen Robben erinnert. Marco Reus hatte einen deutlich besseren Start: Er war mit seiner Technik und seinem Tempo sofort im Spiel. Zudem musste sich sein Gegenspieler Samaras nach einer frühen gelben Karte zurückhalten.

Die zentralen Figuren: Mesut Özil und Sami Khedira

Der Spielweise von Deutschland den Stempel aufgedrückt haben eindeutig Mesut Özil und Sami Khedira. Beide waren in diesem Spiel absolute Weltklasse, und sie teilten sich die gestalterischen Aufgaben im Mittelfeld auf.

Özil arbeitete vor allem auf den Flanken, Khedira verteilte die Bälle im Zentrum

Auffällig war, dass Özil sich fast nie im Zentrum aufhielt, sondern permanent auf die Flügel ging. So entkam er nicht nur der Bewachung der Griechen, sondern bildete mit den jeweiligen Außenspielern – also Boateng und Reus rechts, Lahm und Schürrle links – Überzahlsituationen gegen die griechische Besetzung auf den Außenbahnen. Verschärfend kommt da noch dazu, dass bei den Hellenen mit Samaras und Ninis zwei Mann dort aufgestellt waren, die mit Defensiv-Arbeit im normalen Leben überhaupt nichts zu tun haben.

Die Rolle des Ballverteilers im Zentrum übernahm dafür Özils Kollege von Real Madrid, Sami Khedira. Er zeigte sich schon in der Vorrunde enorm stark, in diesem Spiel war er nicht zu halten. Und das, obwohl im vor allem zu Beginn des Spiels Joannis Maniatis auf den Füßen stand, dieser Khedira zuweilen in Manndeckung nahm. Khedira konnte aus der Tiefe mit Tempo kommen und das Spiel gestalten.

Özil auf rechts, Özil auf links

Deutschland war dadurch zwar ein wenig vorhersehbar – es ging praktisch immer alles über jene Seite, auf der sich Özil gerade aufhielt – aber aufgrund der überlegenen individuelle Klasse war das überhaupt kein Problem. Interessant war nur, dass die Deutschen bei aller Konzentration auf das Flügelspiel auf hohe Bälle in den Strafraum komplett verzichteten. Sogar bei Eckbällen, die allesamt kurz abgespielt wurden.

Die Strategie war eine andere: Durch die horizontalen Laufwegen von Reus und Schürrle sollten ganz offensichtlich die Außenverteidiger herausgezogen werden, um Lahm bzw. Boateng (oder auch Özil) die Möglichkeit zu geben, in den Rücken der Viererkette zu kommen. Das funktionierte vor allem in der Anfangsphase und vor allem über Reus sehr gut, allerdings wurden die zahlreichen guten Chancen nicht zur Führung genützt.

Hart wurde das Leben von Schürrle und Reus erst, wenn Özil (der auf sagenhafte 109 angekommene Pässe kam) auf der jeweils anderen Seite war. Schürrle war in diesem Fall komplett isoliert, weil die Stoßrichtung von Khedira eher über die Reus-Seite war und auch, weil Boateng gegen den gelbbelasteten Samaras große Vorteile hatte. Bei Reus beeindruckte das Spiel ohne Ball: Er startete immer wieder in den Raum, versuchte Löcher zu reißen und Zug zum Tor zu entwickeln. Da konnte Schürrle nicht mithalten. Ihm fehlte nicht nur die Spritzigkeit von Reus, sondern auch die Passgenauigkeit.

Griechen in Unordnung

Bei den Griechen fiel vor allem die erstaunliche Unordnung im Zentrum auf. Vor allem in den Anfangsminuten konnten die Deutschen auch durch das Zentrum einiges an Lochpässen in den Strafraum bringen, vor allem aber blieb die genaue Aufgabenverteilung undurchsichtig – was sicher auch am Positionsspiel der Deutschen lag. Maniatis kümmerte sich zunächst vornehmlich um Khedira, das allerdings nicht besonders gut.

Vermutlich wäre es die Aufgabe von Katsouranis gewesen, auch Özil aufzupassen. Dadurch, dass dieser aber überall war, nur nicht im Zentrum, fehlte ihm so ein wenig der Auftrag. Mal stand er sehr tief, fast zwischen den Innenverteidigern, dann rückte er wieder auf und stand direkt hinter Salpingidis; ähnliche Unklarheiten in seinem Auftreten hatte auch Grigoris Makos. Dass es Deutschland erst kurz vor der Halbzeit aus einem Weitschuss von Lahm gelang, in Führung zu gehen, lag eher an mangelhafter Chancenverwertung als an der griechischen Defensiv-Arbeit.

Santos stellt mal wieder richtig um

Fernando Santos ist sehr gut, wenn es gilt, in der Halbzeit richtig umzustellen. Auch diesmal erkannte der die Problemzonen seiner Mannschaft und nahm Veränderungen vor: Linksverteidiger Tzavellas, der von Reus und Özil schwindelig gespielt worden war, musste draußen bleiben, dafür ging Torosidis von rechts nach links. Khedira-Bewacher Maniatis übernahm die Planstelle rechts hinten und Fotakis kam neu ins Mittelfeld.

Damit war die Abwehrseite gegen Reus sicherer aufgestellt und das Mittelfeld hatte etwas mehr Struktur. Darüber hinaus kam mit Fanis Gekas ein reiner Konterstürmer – auch diese Maßnahme sollte sich bezahlt machen. Denn die Griechen schalteten nun blitzschnell um und nützten dabei aus, dass die Deutschen mit der Führung im Rücken etwas nachlässig im Umschalten auf die Defensive wurden. Der erste Konter wurde noch ganz stark von Hummels abgefangen, der zweite saß – das 1:1 durch Samaras.

Deutschland macht den Sack zu

Die deutsche Mannschaft fing aber nicht zu wackeln an, sondern spielte ihr Spiel weiter und kam nur wenig später durch ein Weltklasse-Tor zur erneuten Führung. Boateng kam in den Rücken des Linksverteidigers, chippte einen Ball zur Mitte und Khedira versenkte volley. Nur wenige Minuten später war Miroslav Klose bei einem Freistoß per Kopf zur Stelle – das 3:1, die Vorentscheidung. Nun war auch die Chancenverwertung gut, das war zu viel für die Griechen.

Bei dnen nun mit Liberopoulos (statt Makos) ein zusätzlicher Stürmer für einen Mittelfeld-Mann kam. Natürlich mussten sie nun aufmachen, und das wurde auch prompt bestraft. Reus rammte einen Abpraller zum 4:1 in die Maschen – das war’s. So konnte Löw in der Schlussphase noch Mario Götze sein Turnier-Debüt ermöglichen. Und konnte über das Elfmeter-Tor von Salpingidis hinweg sehen, es hatte nur noch statistischen Wert.

Fazit: Özil und Khedira absolute Weltklasse

Vor allem die herausragenden Leistungen von Ballverteiler Khedira und dem omnipräsenten Özil bescherten dem deutschen Team den Sieg. Das DFB-Team sorgte für ständiges Übergewicht auf den Flügeln und tat den Griechen aber dennoch nicht den Gefallen, nur stupide Flanken ins Zentrum zu schlagen. Es wurde immer nach der spielerischen Lösung gesucht, diese oft auch gefunden, aber erst nach einer Stunde auch konsequent in Tore umgemünzt.

Die Griechen brauchen sich über dieses Viertelfinal-Aus nicht zu ärgern. Sie haben damit schon mehr erreicht als realistisch schien und gegen ein Deutschland in dieser Verfassung haben es auch viel bessere Mannschaften schwer. Obwohl man nicht umhin kann, den Eindruck zu haben, dass dieses deutsche Team noch immer nicht gezeigt hat, was sie wirklich kann.

(phe)

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