Bento – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 22 Jul 2014 14:22:27 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.1 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/ https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/#comments Tue, 15 Jul 2014 20:09:52 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10393 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben weiterlesen ]]> Sie sind die Länder mit den nicht ganz so großen Ligen im Rücken, die Nationalmannschaften, die sich zumeist eher aus Legionären rekrutieren – sie sind Europas zweite Reihe. Die sich mit sehr unterschiedlicher Fortune in Brasilien präsentiert haben. Mit dem Erreichten können manche von ihnen, vor allem Belgien und die Schweiz, durchaus zufrieden sein. Aber was sie alle gemeinsam haben: Sie haben nicht in allen Bereichen ihr Optimum ausgeschöpft.

Belgien: Enttäuschend zum nicht enttäuschenden Ergebnis

Das mit den Belgiern ist so eine Sache. Sie galten als Geheimtipp und sie wurden dann auch Gruppensieger und schieden erst im Viertelfinale knapp gegen Argentinien aus. Eigentlich eine Super-WM für ein Team, das 12 Jahre bei keinem Turnier mehr dabei war. Aber dennoch hatte das Spiel der Roten Teufel, bei allem Talent, immer so ein wenig die Aura von Dienst-nach-Vorschrift, von Uninspiriert- und Biederkeit.

Belgien
Belgien: Das talentierte Team hatte viel Kontrolle in seinen Spielen, aber wenig echten Zug zum Tor.

Marc Wilmots hat eine kompakte Mannschaft geformt, mit einer bärenstarken Abwehr, aber man bekam das eigene Spiel nach vorne selten wirklich gefährlich aufgezogen – dazu fehlte auch so ein wenig das Tempo. Die Außenverteidiger sind umgeschulte Innenverteidiger, die zwar ihr möglichstes machten, aber kein Gegner musste ihre Flanken fürchten.

Auch Marouane Fellaini fehlte aus dem Zentrum heraus die Direktheit und der Zug zum Tor, Eden Hazard wirkte ein wenig überspielt, dazu konnte der als Stamm-Mittelstürmer ins Turnier gegangene Romelu Lukaku überhaupt nicht überzeugen und verlor seinen Platz bald an Neo-Liverpooler Divock Origi. Dries Mertens, der ebenso im Turnierverlauf ins Team rutschte, war noch der mit dem meisten Punch.

So hat Belgien mit dem Viertelfinal-Einzug nicht direkt enttäuscht, aber gemessen an den Erwartungen irgendwie doch zumindest unterwältigend agiert. Was für das Team spricht: Nur eine Stammkraft hat sicher das letzte große Turnier gespielt, bis auf Daniel van Buyten können alle noch mindestens eine WM spielen und auf den Erfahrungen aufbauen.

Schweiz: Zu konservativ für den großen Wurf

Auch noch recht jung ist das Team aus der Schweiz. Auch dieses hat mit dem Achtelfinal-Einzug ein ordentliches Resultat zu Buche stehen, auch dieses verlor wie danach Belgien knapp gegen Argentinien. Und wie die Belgier schafften es auch die Schweizer nicht so richtig, aus einer extrem talentierten Mannschaft auch einen wirklich attraktiven Fußball herauszuholen. Was auch an der konservativen Grundhaltung von Ottmar Hitzfeld liegen mag.

Schweiz
Schweiz: Ein Top-Kader und ein gutes Team, aber nicht so aufregend, wie es hätte sein können.

Denn eine außergewöhnliche Spielanlage oder gar Experimente gibt es bei dem 65-Jährigen nicht. Er verstand es, der Nati ein nicht besonders komplizierte, aber grundsätzlich funktionierende Spielweise einzuimpfen, mit einer klaren Ordenung. Zwei starke Außenverteidiger, ein kampfstarken Sechser, ein guter Passgeber auf der Acht. Nur vorne wollte es nicht so recht flutschen.

Shaqiri startete in den ersten beiden Spielen auf der rechten Seite, tauschte dann jeweils in der Halbzeit mit Granit Xhaka die Plätze, und jedesmal wurde es deutlich besser. Erst im dritten Spiel konnte sich Hitzfeld überwinden, Shaqiri von Beginn an auf die Zehn zu stellen – der Bayern-Spieler dankte es mit drei Toren gegen Honduras.

Auch in der Abwehr zögerte Hitzfeld lange, ehe er sich über die funktionierende Lösung drübertraute. Johan Djourou, der beim HSV eine Katastrophen-Saison gespielt hat, konnte sich der Nibelungentreue von Hitzfeld sicher sein – warum auch immer, schließlich war Djourou auch bei der WM ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Nach der Verletzung von Nebenmann Steve von Bergen gab Hitzfeld aber immer noch nicht dem (von Experten schon vorm Turnier statt Djourou geforderten) Schär die Chance, sondern Senderos – und kassierte beim 2:5 gegen Frankreich die Rechnung.

Erst im dritten Spiel kam Schär, und mit ihm gab es in 210 Spielminuten nur noch ein Gegentor – das in der 118. Minute gegen Argentinien von Di María. Nun übernimmt Vladimir Petkovic für Hitzfeld, der sich nun endgültig in die Fußball-Pension verabschiedet. Der 50-Jährige, der zuletzt Lazio trainierte, übernimmt eine gutklassige Mannschaft, aus der man noch viel herausholen kann. Wenn man sich traut.

Griechenland: Wenig Glanz, aber wieder achtbar

Es ist so eine Sache mit den Griechen. Der praktisch flächendeckend als fußballhistorische Katastrophe aufgenommene EM-Titel von 2004 hängt ihnen noch immer nach. Dabei darf man aber nicht den Fehler machen, Negative Spielweise mit Pragmatismus zu verwechseln. Denn was Fernando Santos bei Hellas spielen lässt, ist nicht mehr der plumpe Destruktivismus der späten Rehhagel-Jahre, sondern einfach jene Spielweise, die am besten zu seiner Mannschaft passt.

Griechenland
Griechenland: Ein Team aus braven Arbeitern: Zusehen macht wenig Spaß, aber wieder einmal wurde die Gruppe überstanden – und das verdient.

Was aber nicht heißt, dass Griechenland immer nur verteidigt. Ganz im Gegenteil. Über weite Strecken des Spiels gegen die Ivorer waren sie die aktivere Mannschaft, was mit dem späten Siegtor und damit dem Achtelfinal-Einzug belohnt wurde. Gegen Costa Rica war man ebenso die fast über die ganzen 120 Minuten, jedenfalls aber in der letzten Stunde mit einem Mann mehr, zuweilen drückend überlegen. Und dass man in Unterzahl gegen Japan darauf schaut, das Spiel zumindest nicht zu verlieren, kann man dem Team schwer zum Vorwurf machen.

Im Grunde war Griechenland aber doch das, was Griechenland halt meistens ist: Eine nicht gerade prickelnde Mannschaft, die aus einer gesicherten Abwehr heraus vor allem dann seine Stärken hat, wenn man schnell und direkt umschalten und die Offensivkräfte die noch offenen Räume bearbeten können. Einen dezidiert kreativen Spieler im Mittelfeld gibt es nicht, es wird Fußball gearbeitet, nicht zelebriert.

Was das griechische Team unter Fernando Santos immerhin in zwei Versuchen zweimal in die K.o.-Phase einer EM bzw. einer WM gebracht hat. Und angesichts der Tatsache, dass der Kader nicht übertrieben alt ist und immer wieder Leute nachkommen – wie die U-19, die vor zwei Jahren Vize-Europameister war – muss damit auch noch nicht Schluss sein, nur weil Santos nach vier Jahren als Teamchef nicht mehr weitermacht.

Kroatien: Unter Wert geschlagen

Schon bitter. So furchtbar viel haben die Kroaten gar nicht falsch gemacht, und doch ging’s nach der Vorrunde nach Hause. Wegen eines erstaunlichen Paradoxons – obwohl man mit Modric und Rakitic zwei Gestalter im Mittelfeld-Zentrum stehen hatte und keinen Balleroberer, war es vor allem die fehlende Durchschlagskraft am Weg nach vorne, die das Aus bedeuteten. Und keine defensive Instabilität, wie man annehmen hätte können.

Team Kroatien
Kroatien: Zweieinhalb Spiele okay bis stark, aber dennoch hat es nicht fürs Achtelfinale gereicht.

Gegen Brasilien hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verloren, wenn nicht der Referee einen Elfmeter gepfiffen hätte, den man nicht hätte pfeifen sollen. Gegen Kamerun nützte man die eklatanten Schwächen des Gegners konsequent aus. Nur gegen Mexiko wurde – vielleicht auch, weil Teamchef Kovac von seinem 4-4-1-1 abging und ein 4-3-3 versuchte, in dem sich das Team merklich nicht sonderlich wohl fühlte – es verpasst, die auf dem Papier bestehenden Stärken auszuspielen.

Weil vorne die hängende Spitze als Anspielstation fehlter – in den ersten beiden Spielen konnten weder Mateo Kovacic noch Sammir da wirklich überzeugen – war man dem mexikanischen Pressing ausgeliefert. Dennoch: Rakitic und Modric haben beide noch zumindest eine WM im Tank, mit Dejan Lovren sollte es auch bald wieder einen Innenverteidiger von Format geben, die meisten Spieler haben noch Steigerungspotenzial.

Wenn man Kovac die Zeit lässt, kann da bei der EM in zwei Jahren durchaus einiges herausschauen.

Bosnien: Zu viel Respekt gezeigt

Die große Stärke in der Qualifikation, die bei Bosnien schon lange überfällig war: Die herausragende Offensive mit dem brandgefährlichen Sturm-Duo Edin Dzeko und Vedad Ibisevic, mit Zvjedzan Misimovic dahinter an der Spitze der Mittelfeld-Raute. So fegte man über die Gegner hinweg – weshalb es schon sehr erstaunlich ist, dass Teamchef Safet Susic in der nicht gerade unüberwindbaren Gruppe mit dem Iran und Nigeria vom Erfolgs-Konzept abwich.

Bosnien
Bosnien: Beim Debüt zu wenig Mut gezeigt und auch etwas Pech gehabt. Da war mehr möglich.

Nicht nur, das er gegen Argentinien und Nigeria Ibisevic opferte und mit nur einer Spitze agierte, nein, auch sonst zeigte Bosnien vor allem im entscheidenden Spiel gegen Nigeria deutlich zu viel Respekt vor dem Anlass und deutlich zu wenig von dem Punch nach vorne, der Bosnien sonst auszeichnet. Die Herangehensweise war zu verhalten, zu langsam.

Natürlich war auch Pech dabei. Pech, dass ein korrekter Treffer gegen Nigeria nicht zählte, Pech, dass Dzeko in der Nachspielzeit den Pfosten traf, Pech, dass Messi eine leblose argentinische Mannschaft im Alleingang rettete, Pech, dass wegen der anderen Ergebnisse das Aus schon vor dem letzten Spiel feststand.

Aber das Vorrunden-Aus alleine am Pech festzumachen, würde zu kurz greifen. Der Abwehr fehlt es an internationalem Format, Misimovic ganz dramatisch am Tempo (noch ein weiterer Grund, warum es keine gute Idee war, ihm eine Anspielstation in der Spitze zu nehmen). Aber es gab auch einen Spieler, der positiv überraschte: Es ist kaum anzunehmen, dass der erst 21-jährige Sechser Muhamed Besic, der Messi an der ganz kurzen Leine hatte, noch lange bei Ferencváros in der sportlich völlig wertlosen ungarischen Liga spielt.

Vieles deutet darauf hin, dass dies eine einmalige, wenn man so will goldene Generation der Bosnier ist, die mit dem nahenden Karriere-Ende von Misimovic bald ihren ersten elementaren Baustein verliert. Wie lange man mit der Taktik auf hohem Niveau Erfolg haben wird, Flüchtlings-Kinder zu finden, die in anderen Ländern gut ausgebildet wurden, wird sich erst zeigen müssen. Die erste Teilnahme und den ersten Sieg bei einer WM kann Bosnien keiner mehr nehmen. Jedoch auch nicht die Gewissheit, dass mehr möglich gewesen wäre.

Russland: Bestenfalls biederer Durchschnitt

Furchteinflößend für die Gegner war das ja nicht von den Russen. Im Gegenteil. Die Auftritte der Sbornaja erinnerten mit einer erschreckenden Ähnlichkeit jener der Engländer vor vier Jahren. Was auch daran liegen mag, dass damals wie heute Fabio Capello der Trainer ist. Bei Österreichs Gruppengegner in der anstehenden EM-Quali stimmte über alle drei Spiele gesehen so gut wie nichts und so schaffte man es sogar in der vermutlich schwächsten Gruppe, auszuscheiden.

Russland
Russland: Weit von vergangener Form entfernt. Bieder, hölzern, harmlos und fehleranfällig.

Torhüter Akinfejev wirkte unsicher und machte teils haarsträubende Fehler. Die Innenverteidigung ist langsam und hüftsteif. Von den Außenverteidigern kommt zu wenig. Für die Position im linken Mittelfeld hatte Capello nur Notlösungen zu bieten. Kurz: Russland war von einer ungeheuerlichen Harmlosig- und Biederkeit.

Es war auch nie erkennbar, wofür diese Mannschaft eigentlich inhaltlich stehen möchte. Es gab kein echtes Pressing, keinen vernünftigen Aufbau, Alibi-Pässe im Mittelfeld. Lichtjahre von dem entfernt, was das russische Team 2008 unter Guus Hiddink zu einer der aufregendsten des Turniers gemacht hat.

Die russische Liga hat aber auch ein ähnliches Problem wie die englische, die Capello ja davor als Rekrutierungs-Becken zur Verfügung hatte, wenn auch nicht so extrem: Annährernd die Hälfte aller Spieler der russischen Liga, in der alle 23 Kader-Spieler unter Vertrag stehen, sind keine Russen – und viele besetzen bei den Klubs auch Schlüsselpositionen.

Anders gesagt: Wenn es bessere Spieler gegeben hätte, wären sie auch mit dabei gewesen. So aber konnte Capello nur Durchschnitt aufbieten, dazu sind nur zwei Stammspieler jünger als 27 Jahre. Sieht mittelfristig nicht so gut für Russland aus.

Portugal: Was schief gehen kann, ging schief

Es war ein ziemlicher Total-Kollaps, den die Portugiesen hingelegt haben – jene Portugiesen, die praktisch in der selben Besetzung vor zwei Jahren beinahe das EM-Finale erreicht hätten. Das ist aber nur in Einzelfällen wirklich Spielern anzulasten, gar beim Teamchef die Schuld zu suchen, wäre eigentlich völlig verkehrt.

Portugal
Portugal

Ob man Pepe im ersten Spiel wirklich ausschließen muss, sei mal dahingestellt, aber besonders intelligent war seine Aktion gegen Thomas Müller in keinem Fall. Nur: Fábio Coentrão schon im ersten Spiel verletzt zu verlieren, dazu mit Almeida (im ersten Spiel) und Postiga (im zweiten Spiel) mit Muskelblessuren nach jeweils 20 Minuten zu verlieren, was will man da machen.

Einen an sich verlässlicher Innenverteidiger, einen sehr guten Linksverteidiger und den Einser-Stürmer schon im ersten Spiel zu verlieren, das dann auch noch 0:4 in die Binsen ging, das verkraftet kein Team. So musste Veloso von der Sechs auf die Linksverteidiger-Position auswandern (wo er sich sichtlich unwohl fühlte), musste der international völlig unerfahrene William Carvalho auf der Schlüsselposition im defensiven Mittelfeld ran, musste der Dritte-Wahl-Stürmer Éder ganz vorne aushelfen. Und zum Drüberstreuen verletzte sich im letzten Spiel auch noch Torhüter Beto.

Derart verunsichert hätte man beinahe gegen die kampfstarken, aber individuell schwach besetzten US-Amerikaner verloren, da half dann auch der abschließende Sieg gegen Ghana nichts mehr. Und natürlich hätte Cristiano Ronaldo mehr zeigen können, aber wenn rund um ihn herum alles einstürzt, kann man das frühe Ausscheiden nicht dem Star von Real Madrid anlasten.

Es war ein Turnier nach dem Motto „Pech gehabt“. Abhaken, nach vorne schauen. Was soll’s.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Angesichts der Tatsache, dass sich neben dem Gastgeber noch 23 weitere Mannschaften für die aufgeblähte EM in zwei Jahren qualifizieren, ist anzunehmen, dass die komplette zweite Reihe aus Europa, die in Brasilien dabei war, auch dort dabei sein sollte. Einige davon werden auch sicher eine realistische Chance haben, dort gut auszusehen – vor allem Belgien, Kroatien und Portugal, aber auch die Schweizer.

Allen diesen Teams, den Mid-Majors aus dem alten Kontinent, ist beim Turnier in Brasilien aber eines gemeinsam: Bei allen herrschte Luft nach oben, niemand kann von sich sagen, das spielerische UND das resultatsmäßige Optimum herausgeholt zu haben. Die größten Sorgenkinder unter diesen Teams sind sicher die Russen (die mit Schweden, Österreich und Montenegro eine gemeine Quali-Gruppe haben) und die Bosnier, die wohl schon über dem Zenit sein dürfte (aber in der Gruppe mit Belgien, Israel und Wales kaum Probleme haben dürfte, sich zu qualifizieren).

Und klar ist auch: Viele Teams aus dieser zweiten Reihe sind nicht mehr auf Augenhöhe mit so manchem Vertreter der (vermeintlich) Großen, sondern hat diese schon überholt. Stellt sich nur die Frage, für wie lange.

(phe)

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Die ’12-Besten https://ballverliebt.eu/2012/12/27/die-12-besten/ https://ballverliebt.eu/2012/12/27/die-12-besten/#respond Wed, 26 Dec 2012 23:01:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8142 Die ’12-Besten weiterlesen ]]> Das Jahr 2012 verlässt uns, aber die Erinnerungen an viele tolle Spiele aus den vergangenen zwölf Monaten wird uns natürlich bleiben. Darum gibt’s wie schon 2010 und 2011 noch mal die besten, interessantesten, richtungsweisendsten Spiele. Die Reihenfolge dieser zwölf Spiele aus 2012 ist natürlich willkürlich und nicht allzu eng zu sehen!

Platz 12 | Europa League | Rapid Wien – PAOK Thessaloniki 3:0

Rapid Wien – PAOK Thessaloniki 3:0 (1:0)

„So sehr man nach dem Hinspiel verleitet war, Schöttel ob seines allzu vorsichtigen Wechsels in Überzahl zu kritisieren, so sehr darf man ihm nun gratulieren. Mit seiner Maßnahme, die rechte Seite so offensiv zu gestalten und dennoch nicht auf die nötige Absicherung zu vergessen, hebelte er die vorsichtige und passive Spielanlage von PAOK aus.“ Im Rückblick betrachtet war es wohl das einzige Europacup-Spiel einer österreichischen Mannschaft im ganzen Jahr, dass auf europäischem Niveau absolviert wurde. Der Lohn für Rapid: Als einziges rot-weiß-rotes Team ging’s in eine Gruppenphase – wiewohl es in dieser nicht mehr viel zu Lachen gab. Gegen PAOK aber nützte man den Vorteil durch die aktive Spielanlage.

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Platz 11 | Ligue 1 | Paris St. Germain – HSC Montpellier 2:2

Paris St. Germain – Montpellier HSC 2:2 (1:1)

„Der letzte verbliebene Titel-Konkurrenz von PSG übernahm von Beginn an die Kontrolle. Was angesichts der Formation und der sich daraus ergebenden Probleme in punkto Raumaufteilung beim Team von Carlo Ancelotti aber auch nicht ganz unlogisch war.“ Es war eine der größten Sensationen in der Geschichte des französischen Fußballs: Montpellier, sogar eher Fahrstuhlklub denn Mittelständler, düpierte das von Scheichs gepimpte Team von Paris St. Germain und wurde vollkommen verdient Meister. Auch, wenn man in der neuen Saison wieder in die untere Tabellenhäfte abstürzte und international chancenlos war – der Titel wird bleiben. Weil man es genützt hat, dass Ancelotti PSG mit dem Italien-Virus infiziert hat.

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Platz 10 | Champions League | RB Salzburg – F91 Dudelange 4:3

Red Bull Salzburg – F91 Dudelange 4:3 (2:1)

„Die Salzburger schoben sich nur bedächtig den Ball hin und her. Wer nicht gerade am Ball war, bewegte sich auch nicht – oft lief der Pass-Empfänger erst los, wenn der Pass schon geschlagen war und er merkte, dass er wohl als Ziel des Passes gedacht war. Was es den Luxemburgern nicht gerade schwer machte.“ Nichts symbolisert die (mit einigen Ausreißern nach oben) bislang eher nicht so erfolgreichen Versuche, europäisch Fuß zu fassen, so sehr wie das Wörtchen „Düdelingen“. Weil sich das Team nicht mal nach der peinlichen Hinspiel-Niederlage genötigt sah, sich in der Retourpartie anzustrengen. Kein Tempo, keine Breite, keine Phantasie, schlechtes Zweikampfverhalten, Schwächen des Gegners nicht ausgenützt. So haben sich die Bullen mit einem lahmen Larifari-Kick ins Aus befördert.

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Platz 9 | EURO 2012 | Spanien – Italien 1:1

Spanien – Italien 1:1 (1:1)

„Weil sich Maggio und Giaccherini gegen den Ball recht weit hinten positionierten, mussten die spanischen Außenverteidiger weit nach vorne kommen – schließlich waren sonst die italienischen Außenspieler immer frei und das spanische Pressing im Zentrum wäre sinnlos. Wenn sie allerdings aufrückten, ließen sie hinter sich viel Raum für Balotelli und Cassano, den die beiden ungemein schnellen und trickreichen Stürmer gut ausnützen konnten.“ Drei Wochen später im Endspiel waren die Italiener körperlich am Ende und nach Mottas Verletztung war die Luft raus. Im Gruppen-Duell der späteren Finalisten aber, wo sich eine Dreierkette einer Falschen Neun entgegen stellte, begegneten sich die Teams auf Augenhöhe. Mehr noch – da war Italien zumindest taktische Punktsieger.

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Platz 8 | Bundesliga | Sturm Graz – Red Bull Salzburg 0:2

Sturm Graz – Red Bull Salzburg 0:2 (0:2)

„Die Folge des gegenseitigen Drucks war natürlich, dass beide Mannschaften dazu gezwungen waren, den Ball schnell wieder los zu werden. Das ergab eine unglaubliche Beschleunigung, ein für österreichische Verhältnisse irrwitziges Tempo und diverse gute Möglichkeiten. Vor allem für Salzburg, weil die Bullen ihr Pressing konsequenter durchzogen und mehr Zug zum Tor entwickelten.“ Erst zwei deutsche Zweitliga-Trainer brachten echtes Pressing in die Bundesliga – die beiden Spiele zwischen Hyballas Sturm und Schmidts Salzburgern war mit das Beste, was die Liga in den letzten Jahren hergab. Ihr Duell am 1. Spieltag war ein flotter Auftakt, der Lust auf mehr machte.

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Platz 7 | EURO 2012 | Spanien – Portugal 0:0 n.V., 4:2 i.E.

Spanien – Portugal 0:0 n.V.

„Die drei Mann im portugiesischen Zentrum hatten eine ganz hervorragende Abstimmung beim Pressen auf ihre spanischen Gegenspieler. Die Folge war, dass die Spanier öfter, als ihnen lieb war, auf lange Balle zurückgreifen mussten. Das ist nicht ihr Spiel, und so kamen sie auch nicht dazu, sich dauerhaft in der gegnerischen Hälfte festzusetzen.“ Langweilig, nicht mehr anzusehen, Spannungskiller – was musste sich die spanische Spielanlage bei der EM nicht alles nachsagen lassen. Aber ist es der Fehler der Spanier, dass jeder nur das Kurzpass-Spiel über sich ergehen lässt? Wobei, nicht jeder. Denn auch, wenn es im Elferschießen nichts wurde: Im Semifinale haben die Portugiesen im besten Spiel der EM gezeigt, wie man Spanien richtig nerven kann.

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Platz 6 | Frauen-EM-Qualifikation | Österreich – Dänemark 3:1

Österreich – Dänemark 3:1 (1:0)

„War die dänische Spielgestaltung in der ersten Hälfte eher lauwarm, war auch die Reaktion auf das von niemandem erwartete 0:2 halbgar und nicht wirkte nicht fertig durchdacht. Einen Rückstand – noch dazu einen von zwei Toren – konnte Dänemark eben schon lange nicht mehr üben.“ In einem Zeitraum von anderthalb Jahren vollzogen die ÖFB-Frauen einen Quantensprung. Nie war man auch nur in der Nähe eines großen Turniers, diesmal scheiterte man erst im Play-off an Russland – und das auch noch knapp. Und die endgültige Initialzündung war der Sieg gegen das Top-Team aus Dänemark. Das erste Heimspiel überhaupt, dass live im TV übertragen wurde, geriet zur Sternstunde, die auch noch verdient war.

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Platz 5 | Copa Libertadores | Universidad de Chile – SD Quito 6:0

Universidad de Chile – SD Quito 6:0 (3:0)

„Eine pervers hohe Abwehrlinie mit zuweilen nur einem einzigen Verteidiger, brutale Dominanz im Zentrum, irrsinnig bewegliche und sich zurückfallen lassende Stürmer, die dann selbst aus der Tiefe kommen oder selbst für steil gehende Kollegen die Vorlagen geben – klingt so gut wie unmöglich zu verteidigen. Und es klingt unmöglich, so selbst zu verteidigen. Ist es auch.“ Der mittlerweile zum chilenischen Teamchef bestellte Jorge Sampaoli installierte beim besten Klub-Team des Landes eine Spielanlage, die so ziemlich das attraktivste ist, was der moderne Fußball zu bieten hat. Ein Jahr nach dem Titelgewinn in der Copa Sudamericana ging’s in der Copa Libertadores bis ins Halbfinale. Mit nichts anderem als hochriskantem Harakiri-Fußball reinster Prägung.

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Platz 4 | DFB-Pokal | Borussia Dortmund – Bayern München 5:2

Borussia Dortmund – Bayern München 5:2 (3:1)

„So ging über rechts nicht viel nach vorne, über links auch nicht, und im Zentrum ging auch nichts weiter. Weil Luiz Gustavo erstens verunsichert war und zweitens ohnehin kein Künstler am Ball ist, blieb die Verantwortung an Schweinsteiger und Kroos hängen. Doch Ersterem fehlt nach seiner Verletzungspause noch die Spielpraxis, und Letzerer war von den herausragend spielenden Kehl und Gündogan aus dem Spiel genommen.“ Im Grunde machte der BVB, was er immer macht. Im Pokalfinale geschah das allerdings in einer Klasse, mit der die Bayern überhaupt nicht mitkamen. Die Borussia zerlegte die Münchener und so holte Dortmund hochverdient auch den Pokal.

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Platz 3 | Afrika-Cup | Gabun – Marokko 3:2

Gabun – Marokko 3:2 (0:1)

„Vor allem Moussono auf der linken Seite konnte mit Mouloungui für solchen Wirbel sorgen, dass sich Eric Gerets schnell gezwungen sah, den damit überforderten Mickaël Basser rauszunehmen und mit Jamal Alioui einen frischen Mann für rechts hinten zu bringen. Aber der Schaden war bereits angerichtet, die Hausherren warfen alles nach vorne.“ Taktisch war das kein allzu kompliziertes Spiel – dafür zum Zusehen umso aufregender. Die Wucht, mit der sich der Co-Gastgeber des Afrikacups gegen die Niederlage gegen Marokko gestemmt hat, war herzerfrischend und das Spiel dramatisch. Und letztlich hat Gabun mit dieser unfassbaren Partie das Viertelfinale erreicht.

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Platz 2 | WM-Qualifikation | Österreich – Deutschland 1:2

Österreich – Deutschland 1:2 (0:1)

„Endlich traut sich auch ein rot-weiß-rotes Team gegen einen übermächtig scheinenden Gegner zu, selbst die Initiative zu ergreifen. Und stellt sich, überspitzt formuliert, nicht mehr nur auf das Feld und hofft, dass sich die sportliche Katastrophe in Grenzen halten möge.“ Obwohl es am Ende eine 1:2-Niederlage war: In diesem Spiel war die beste Leistung einer österreichischen Mannschaft seit, naja, zumindest sehr langer Zeit zu bewundern. Deutschland zeigte sich vor der Pause zuweilen ratlos und danach in Zweikämpfen etwas überfordert. Sodass bei Österreich trotz des bitteren 1:2 die tolle Leistung im Vordergrund steht.

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Platz 1 | Europa League | Manchester Utd – Athletic Bilbao 2:3

Manchester United – Athletic Bilbao 2:3 (1:1)

„Das Team von Marcelo Bielsa zeigte sich flinker, wacher, schneller, übte mehr Druck aus, erzeugte mehr Torgefahr, war in der Zentrale dominant und dominierte die Flügel. Rooney war, trotz seiner zwei Tore, kaum ein Faktor, Hernández fand überhaupt nicht statt. Giggs sah gegen das heftige Pressing noch älter aus, als er ist.“ Athletic war Europas aufregendste Mannschaft, zumindest in der ersten Jahreshälfte. Unter der Leitung des genialen, aber schwierigen Marcelo Bielsa verzückten die Basken die Fachwelt und verprügelten auf dem Weg ins Europa-League-Finale Manchester United zweimal nach allen Regeln der Kunst. So gab’s für die Red Devils im Hinspiel ein 2:3 mit Option auf Debakel. Und weil es auch im Rückspiel nicht besser wurde und United (viel zu niedrig) mit 1:2 verlor, titelte die Sun gewohnt phantasievoll:

athletic 2 pathetic 1
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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2012 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2013 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!

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Pressing und hohe Linie: Portugal zeigt, wie man Spanien richtig nerven kann https://ballverliebt.eu/2012/06/28/pressing-und-hohe-linie-portugal-zeigt-wie-man-spanien-richtig-nerven-kann/ https://ballverliebt.eu/2012/06/28/pressing-und-hohe-linie-portugal-zeigt-wie-man-spanien-richtig-nerven-kann/#comments Thu, 28 Jun 2012 00:12:10 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7615 Pressing und hohe Linie: Portugal zeigt, wie man Spanien richtig nerven kann weiterlesen ]]> Da schau her: Endlich mal eine Mannschaft, die das spanische Spiel nicht über sich ergehen lässt oder „nur“ punktuell stört. Portugal presste im Halbfinale konsequent und etablierte eine extrem hohe Abwehr-Linie. Mit dieser Hoch-Risiko-Taktik darf sich Teamchef Paulo Bento durchaus als Gewinner fühlen. Auch, wenn für seine am Ende vom intensiven Spiel sehr müde Mannschaft im Elfmeterschießen den Kürzeren zog.

Spanien - Portugal 0:0 n.V., 4:2 i.E.

Es ist die ewige Frage gegen diese Spanier: Wie verhindert man, dass sie den Ball laufen lassen und man selbst Opfer des schnellen Gegenpressings wird? Vor zwei Jahren im WM-Achtelfinale haben es die Portugiesen mit eigenen Pressing versucht, sind dabei aber nicht konsequent genug nachgerückt. Dazu waren sie nach dem Gegentor zu Beginn der zweiten Halbzeit mental nicht mehr in der Lage zurück zu schlagen – und, weil sich Cristiano Ronaldo abgemeldet hatte.

Hohe Linie, hohes Pressing

Was unter Carlos Queiroz in Kapstand angedeutet worden war, ließ Paulo Bento nun in Donetsk in voller Härte spielen: Extrem hohe Verteidigungslinie, konsequentes Pressing weit in der gegnerischen Hälfte – so wurde einerseits vermieden, dass im Rücken des Pressing ein allzugroßes Loch entsteht (anders als etwa bei den Holländern, denen das vor allem gegen Dänemark, aber auch gegen Deutschland zum Verhängnis geworden war). Das braucht einerseits extremen Mut – schließlich ist keine Mannschaft so ballsicher und kann sich so schnell offensiv organisieren wie die Spanien. Und zum zweiten natürlich extreme Laufarbeit.

Die drei Mann im portugiesischen Zentrum – Meireles (wieder immer auf der Seite von Ronaldo), Veloso (zentral) und Moutinho – hatten eine ganz hervorragende Abstimmung beim Pressen auf ihre spanischen Gegenspieler (vor allem Xabi Alonso und Busquets): Zwei gingen, einer sicherte. Das machten sie mit einer Flexibilität, die seinesgleichen sucht. Aber auch Almeida war sehr viel unterwegs und sprintete die spanische Innenverteidigung und auch Casillas an.

Die Folge war, dass die Spanier öfter, als ihnen lieb war, auf lange Balle zurückgreifen mussten. Das ist nicht ihr Spiel, und so kamen sie auch nicht dazu, sich dauerhaft in der gegnerischen Hälfte festzusetzen. Allerdings ließen sie sich dadurch nicht davon abbringen, selbst ebenfalls ziemlich heftiges Pressing zu zeigen. Die Folge war ein wahres Pressing-Festival und zwei Mannschaften, die sich so im Mittelfeld neutralisierten.

„Echter“ Stürmer Negredo ein Schuss ins Knie

Vicente del Bosque hatte sich gegen Fàbregas als Falsche Neun entschieden und brachte mit Álvaro Negredo einen „echten“ Stürmer – das heißt, Del Bosque erwartete tief stehende Portugiesen, denen er mit Präsenz im Strafraum bekommen wollte. Eine Maßnahme, die aber die Portugiesen in ihrem Vorhaben, hoch zu stehen, zweifellos bestärkt hat: Einen spanischen Strafraumstürmer will man nicht im eigenen Strafraum haben. Durch das schnelle Herausrücken bis knapp vor die Mittellinie wurde Negredo seiner Stärke komplett beraubt.

Spanien wurde durch die mutige Spielweise der Portugiesen weiter zurück gedrängt, als man das gewohnt war. Nur Xavi bewegte sich eher in die andere Richtung: Der Mittelfeld-Stratege positionierte sich ungewohnt hoch, war zuweilen der vorderste Mann im Mittelfeld, beinahe auf einer Höhe mit Negredo. Die Idee dahinter war wohl, schneller in den Rücken der Portugiesen zu kommen, wenn er mal an den Ball kam. Aber es fehlte ihm an den gewohnten Anspielstationen um sich herum. So blieb Negredo über die kompletten 53 Minuten, auf denen er am Feld war, ein kompletter Null-Faktor.

Die Außenbahnen

Auch, weil das spanische Spiel einmal mehr komplett ohne jede Breite auskommen musste, vor allem die Seite von Arbeloa und Silva war anfällig. Silva turnte nämlich wie gewohnt fleißig im Zentrum umher und Arbeloa traute sich gegen Cristiano Ronaldo nicht so sehr den Vorwärtsgang einlegen – von allen Spaniern hatte er die geringste Laufleistung absolviert (als Außenverteidiger!). Das wiederum erlaubte Coentrão gefahrlose Vorstöße. Allerdings wurde die nicht vorhandene Hilfe von Silva für Arbeloa zu selten genützt. Dazu hätte sich der eher zentral als offensive Schaltstelle agierende Cristiano Ronaldo wohl etwas mehr auf die Flanke hinaus begeben müssen.

Auf der anderen Seite ist Jordi Alba schon im ganzen Turnier die größere offensive Bedrohung. Hier arbeitete Nani sehr gut gegen den Ball und er harmonierte auch gut mit dem sehr selbstbewusst auftretenden João Pereira. So wurde Spanien immer mehr ins Zentrum gedrängt, wo aber das portugiesische Pressing spanischen Raumgewinnen verhinderte. Spanien hatte kurz Halbzeit (verglichen mit sonst) kümmerliche 55% Ballbesitz, nicht die gewohnte Kontrolle über das Spiel und damit auch null Torgefahr.

Del Bosque bringt Breite rein

Nach einer Stunde reagierte Vicente del Bosque. Nicht nur, dass statt des unsichtbaren Negredo nun doch Fàbregas kam und statt des eben sehr zentral agierenden Silva mir Jesús Navas ein echter Flügelstürmer. Das sorgte dafür, dass Coentrão deutlich mehr nach hinten arbeiten musste und sich viel weniger an der Arbeit nach vorne beteiligen konnte. Am Ende war er der Portugiese mit der geringsten Laufleistung. Die Gefahr durch Navas limitierte ihn in ähnlichem Maße wie die Gefahr Ronaldo bei Spanien Arbeloa limitierte. So fehlte es nun auch den Portugiesen zumindest auf einer Seite an der Breite im Spiel.

Verlängerung

Wovon es Portugal nun aber noch viel mehr fehlte, war die Kraft. Halb durch die zweite Halbzeit hatten sie bereits zwei Kilometer mehr Laufleistung angesammelt als ihre elf Gegenspieler; vor allem das ständig pressende Zentrum mit Moutinho, Veloso und Meireles zeigte deutliche Verschleiß-Erscheinungen. Das Pressing ließ merklich nach, die Fehlpass-Quote stieg dafür in gleichem Maße.

Allerdings waren die Spanier in den etwa 70 Minuten, die dem portugiesischen Verfall vorangegangen waren, so sehr aus ihrem Konzept gebracht worden, dass sie es dennoch auch weiterhin nicht schafften, daraus Kapital zu schlagen. Sie kontrollierten nun zwar immer mehr den Ball, aber Zugriff auf den portugiesischen Strafraum bekamen sie kaum.

Verlängerung

Nachdem es beim torlosen Remis nach 90 Minuten geblieben war, ging es also in die Verlängerung, und kurz davor war bereits Pedro für den erstaunlich blassen Xavi gekommen. Damit war nun auch auf der linken Seite der portugiesische Vorwärtsgang gebremst.

Spanien stellte sich nun in einem recht klaren 4-1-4-1 auf. So „falsch“ war die Neun, die Fàbregas spielte, zwar gar nicht, aber er machte dennoch extrem viel Betrieb, war deutlich mobiler als Negredo vor ihm und spielte den eh schon platten Veloso endgültig kaputt, weswegen Bento stattdessen Custódio einwechselte. Er ließ sich merklich hinter Moutinho und Meireles fallen. Um das zu konterkarieren, kam kurz darauf Silvestre Varela für Meireles. Dieser hatte gegen Deutschland und Dänemark extrem viel Wirbel gemacht und kam nun über die rechte Seite in einem 4-2-3-1. Zentral agierte Ronaldo, links Nani. Vorne war Nélson Oliveira für Almeida gekommen: Ein frischer, lauffreudiger Spieler für den müde gelaufenen Almeida.

Dennoch: Portugal hing in den Seilen, aus den zwei Kilometern „Vorsprung“ bei der Gesamt-Laufleistung nach etwa 70 Minuten war am Ende der Partie ein knapper „Rückstand“ geworden. Es wurde nur noch mit großer Leidenschaft verteidigt und sich in jeden Pass, in jeden Schuss hineingeworfen. Das funktionierte: Portugal rettete sich ins Elfmeterschießen.

Dort allerdings rettete sich Spanien. Weil Bruno Alves, der ein starkes Spiel gezeigt hatte, seinen Verusch an die Latte knallte.

Fazit: Spanien im Finale, aber Daumen hoch für Paulo Bento

Dass sich ein Gegner von Spanier ein so großes Herz nimmt und tatsächlich (auch noch mit einigem Erfolg) versucht, das Spiel selbst in die Hand zu nehmen, gab es seit der Partie gegen Bielsas Chilenen – dem wohl besten Spiel der WM in Südafrika – nicht mehr. So lange Portugal die Kraft dazu hatte, also etwa 70 Minuten, zeigten sie der Welt, dass die Spanier durchaus zu verwirren sind, wenn man sie mit Teilen ihrer eigenen Waffen bekämpft. Mit konsequentem Pressing und einer hohen Linie ist diese Mannschaft vom eigenen Strafraum fern zu halten.

Allerdings hat auch eine Fehleinschätzung von Vicente del Bosque dazu geführt, dass Portugal so gut im Spiel war. Den Strafraumstürmer Negredo zu bringen, erwies sich als kontraproduktiv, weil durch die extrem hohe Linie der Portugiesen diese Typ Angreifer bei der Spielanlage der Spanier nicht gefragt war. Erst mit dem deutlich mobileren Fàbregas, der die erschöpfte portugiesische Mannschaft beschäftigte, kam mehr Kontrolle ins spanische Angriffsdrittel.

Auch, wenn es letztlich nicht dazu gereicht hat, eigene Chancen zu kreieren, muss Paulo Bento als einer der Sieger dieses Turniers im Allgemeinen und dieses Spiels im Speziellen gelten. Anders als etwa Laurent Blanc im Viertelfinale traute er es seiner Mannschaft zu, die spanische Kurzpass-Orgie nicht nur über sich ergehen zu lassen, sondern er hatte den Mut und vermittelte diesen auch seiner Mannschaft, die Spanier früh zu nerven.

Das hätte angesichts der Qualität der Spanier schlimm in die Hose gehen können, aber mit dem isolierten Negredo statt des spielstarken Fàbregas in der Spitze konnte Spanien lange nichts ausrichten. Ja, Portugal wurde selbst nicht gefährlich und war kräftemäßig nach 70 Minuten am Limit und nach 100 Minuten komplett streichfähig. Aber Daumen hoch für die mutige Herangehensweise.

(phe)

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Portugal zeigt Tschechien die Grenzen auf: Hochverdienter 1:0-Sieg https://ballverliebt.eu/2012/06/22/portugal-zeigt-tschechien-die-grenzen-auf-hochverdienter-10-sieg/ https://ballverliebt.eu/2012/06/22/portugal-zeigt-tschechien-die-grenzen-auf-hochverdienter-10-sieg/#respond Fri, 22 Jun 2012 00:04:25 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7561 Portugal zeigt Tschechien die Grenzen auf: Hochverdienter 1:0-Sieg weiterlesen ]]> Sie waren länger dabei als erwartet. Im Viertelfinale wurde den Tschechen nun die Grenze aufgezeigt: Gegen Portugal zeigte man sich zwar zunächst engagiert, aber ohne den verletzten Rosický verbreitete man genau Null Torgefahr. Das machte Portugal, gelenkt von Moutinho und vollstreckt von Ronaldo, vor allem nach der Pause besser. Und kommt daher zu einem verdienten 1:0-Arbeitssieg.

Tschechien - Portugal 0:1 (0:0)

Kein Tomáš Rosický – auch im Viertelfinale konnte der wichtigste Mann im Offensiv-Spiel der Tschechen nicht mit dabei sein. Statt seiner stellte Michal Bílek diesmal aber nicht Daniel Kolař auf, sondern ließ Jungsprung Vladimír Darida auf der Zehn spielen. Der Rest der Mannschaft war wie gehabt, wie auch bei den Portugiesen.

Wo Ronaldo ist, ist Meireles nicht weit

Wie schon gegen Dänemark agierte bei den Portugiesen Cristiano Ronaldo recht zentral, zuweilen als Zehner, mal aus dem Halbfeld, aber nur recht selten wirklich auf dem Flügel. Das war gegen Dänemark durchaus ein Problem, weil diese in den freien Raum hinein selbst nach vorne sehr aktiv wurden und dort oft gegen Coentrão in Überzahl waren. Dieses Defizit wurde diesmal mit einer geschickten Maßnahme ausgeglichen: Wo Ronaldo ist, dort ist Meireles nicht weit.

Der Mann von Chelsea spielte immer auf jeder Seite im zentralen Halbfeld, auf der sich Nani jeweils nicht bewegte. Nani nämlich blieb – egal, ob er nun wie nominell rechts spielte, oder mit Ronaldo die Seiten tauschte – recht konsequent an der Außenlinie und machte es so dem jeweiligen tschechischen Außenverteidiger recht schwer, selbst aktiv zu werden. Auf der Seite von Ronaldo hingegen rückte Meireles, wenn nötig, nach außen, um zuzumachen.

Tschechen mit Handbremse

Was zwar grundsätzlich nichts daran änderte, dass Theo Gebre Selassie einiges an Freiheiten genoss, aber nicht so bedingungslos nach vorne marschierte wie in der Gruppenspielen. Weil vor ihm Petr Jiráček in der Vorwärtsbewegung eher nach innen zog und nur gegen den Ball konsequent die Außenlinie hielt, fehlte es den Tschechen ein wenig an der Breite, um die sehr zentrale Positioniertung von Ronaldo wirklich ausnützen zu können.

So war die rechte Seite zu vorsichtig, die linke mit Limberský gegen Nani sehr vorsichtig, und im Zentrum wurde schnell deutlich, dass die Tomáš Hübschmann um Ronaldo kümmerte, sobald dieser seine Außenbahn verlassen hatte. Die Folge war, dass Tschechien zwar durchaus ein Plus an Ballbesitz hatte, aber wenig damit anzufangen wusste. Die Portugiesen standen sicher und ohne Rosický fehlte es den Tschechen an der Kreativität.

Darida: Gegen den Ball okay, nach vorne ein Totalausfall

Was vor allem deutlich wird, wenn man Darida mit Moutinho vergleicht. Natürlich ist das ein Vergleich, der ein wenig hinkt – Moutinho hatte drei Spieler vor sich und ist international um Lichtjahre erfahrender als der 21-Jährige von Viktoria Pilsen – aber er verdeutlicht schon, woran es den Tschechein gefehlt hat.

Vladimír Darida war kaum konstruktiv ins tschechische Spiel eingebunden.

Darida war zwar extrem lauffreudig und auch im anpressen des Gegners – vor allem in den ersten 20 Minuten des Spiels wurde das von den Tschechen relativ hoch praktiziert – recht brauchbar, aber im Spiel selbst war er überhaupt nicht drin. Konkrete Pässe kam von ihm im Grunde kein einziger, und nach dem Seitenwechsel baute seine Widerstandskraft, wenn seine Defensiv-Qualitäten gefragt waren, gemeinsam mit seiner Kraft merklich nach, sodass er nach einer Stunde ausgewechselt wurde.

Was diese Grafik nicht aussagt, ist Daridas Wirkung auf das portugiesische Aufbauspiel. Denn Miguel Veloso war durchaus mit dem jungen Mann beschäftigt und tat sich entsprechend schwer, von hinten heraus die Bälle schnell an den Mann zu bringen und so die dringend benötigte Geschwindigkeit in das eher behäbige porugiesische Spiel zu bringen.

Moutinho lenkt die Portugiesen

Das besserte sich erst im Laufe der ersten Halbzeit so ein wenig, und nach dem Seitenwechsel endgültig. Die relativ strikte Zuteilung bei den Tschechen – Hübschmann und Gebre Selassie gegen Ronaldo, Limberksý gegen Nani, Darida gegen Veloso – hatte zur Folge, dass Moutinho quasi ins direkte Duell gegen Plašil gehen musste. Und da war Moutinho ganz eindeutiger Punktsieger.

Das geduldige Passspiel von Moutinho lenkte das portugiesische Spiel vor allem nach der Pause.

Vor allem die Maßnahme der Portugiesen, in der zweiten Halbzeit generell höher zu stehen und die Tschechen früher zu attackieren, spielte Moutinho in die Karten. Sein Einfluss auf der rechten Seite war es, der das Spiel nach rund einer Stunde immer mehr auf die Seite mit João Pereira und Nani driften ließ.

Was von den massiv nachlassenden Kräften bei den Tschechen unterstützt wurde. Vor allem Linksverteidiger Limberksý kam überhaupt nicht mehr in die Zweikämpfe gegen Nani, weshalb der quirlige, aber nicht besonders robuste Pilař, der im linken Mittelfeld agierte, sich sehr weit zurück ziehen musste, um zu helfen. Das nützten Nani und João Pereire geschickt aus und Moutinho verteilte aus dem Zentrum heraus die Bälle.

Schon nach rund einer Stunde fiel ein von dieser rechten Seite vorbereitetes Tor, das wegen Abseits zu Recht nicht zählte. Aber da hatte sich schon angedeutet: Portugal kontrollierte das Spiel nicht nur, sondern machte sich auch daran, nun aktiv die Entscheidung zu suchen.

Mit Almeida im Strafraum

Dabei spielte Portugal auch die Muskelverletzung von Hélder Postiga ein wenig in die Karten. Hugo Almeida, der für Postiga kurz vor der Halbzeit eingewechselt wurde, ist ein statischerer Spieler, aber robust im Zweikampf und Durchsetzungsfähig bei Flanken. Die Tschechen machten einen guten Job, wenn es darum ging, Portugiesische Angriffe Richtung Eckfahne abzuleiten und keinen Zugriff auf den Strafraum bekommen zu lassen. Was wohl ein Grund war, warum sich Paulo Bento für Almeida und gegen U20-Vizeweltmeister Nélson Oliveira entschied, der in den Gruppenspielen zum Einsatz gekommen war.

Mit Almeida konnte man es bedenkenlos auch mit Flanken versuchen. Weshalb man gar nicht mehr so vehement probierte, den Strafraum mit spielerischen Mitteln anzubohren, sondern sich darauf verlegen konnte, die Tschechen einzuschnüren und darauf zu warten, dass sich eine Lücke auftat. In der 79. Minute war es dann soweit: Ein simpler Doppelplass ließ den wie angewurzelt stehenden Limberský aussteigen, die Flanke fand Cristiano Ronaldo, und dieser zielte nach zwei Pfostenschüssen nun besser und markierte das längst überfällige 1:0.

Tschechische Wechsel ohne positiven Effekt

Bílek hatte nach einer Stunde, wie erwähnt, Darida vom Platz genommen. Nun spielte Jiráček zentrale und der einwechselte Rezek auf der rechten Seite. Ein Wechsel, der sich nicht auszahlte. Denn Rezek konnte sich gegen Coentrão überhaupt nicht durchsetzen, dazu war Pilař auf der linken Außenbahn zusehends defensiv gebunden. Und Jiráček im Zentrum war zwar der mit Abstand fitteste Tscheche (kein Wunder, er hat beim VfL Wolfsburg auch Felix Magath als Trainer), aber ohne Unterstützung von hinten oder von den Flügeln konnte er auch wenig ausrichten.

Nach dem Rückstand warf Bílek mit Pekhart (statt Sechser Hübschman) noch einen zweiten Stürmer in die Schlacht, das machte aber nicht den geringsten Unterschied. Auch nach dem Rückstand blieben die Tschechen völlig harmlos und der Sieg der Portugiesen war überhaupt nicht mehr in Gefahr. Auch wegen einer nicht ungeschickten Maßnahme von Paulo Bento: Er schickte statt Meireles nun Rolando auf’s Feld, er bildete hingen mit Pepe und Bruno Alves eine Dreierkette gegen die zwei tschechischen Stürmer. So konnten João Pereira und Coentrão noch mehr nach vorne gehen, das Flügelspiel der Tschechen kappen. Alles war unter Kontrolle.

Fazit: Verdienter portugiesischer Arbeitssieg

Obwohl es keine Gala-Leistung der Portugiesen war, zeigten sie sich doch als deutlich stärkere Mannschaft als die Tschechen. Die müssen mit ihrem Turnier nicht unzufrieden sein, es wurde mehr erreicht, als man realistischerweise hatte erwarten können. Aber die Grenzen wurden hier ganz deutlich aufgezeigt – vor allem, wenn mit Rosický einer der ganz wenigen echten Klasse-Spieler im Team verletzt fehlt. Team Tschechien zeigte sich als recht ordentlich organisierte, aber wenig aufregende Mannschaft. Nichts, wofür man sich schämen müsste, aber eben auch nichts, mit dem man wirklich Bäume ausreißen kann.

Portugal brauchte eine Weile, bis man sich auf das Spiel eingestellt hatte, dann ging es aber recht gut. Meireles als Absicherung auf der Ronaldo-Seite war eine positive Erscheinung, Moutinho als Ballverteiler war wichtig, Nani als Flügelarbeiter entscheidend im Totspielen von Limberský, und Ronaldo ein ständiger Gefahrenherd, dessen Kollegen seine mäßige Rückwärtsbewegung gut ausgleichen. Natürlich gilt auch hier: Frühere portugiesische Mannschaften waren deutlich glanzvoller, aber das Halbfinale hat sich diese Mannschaft zu Recht erarbeitet.

(phe)

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Deutschland zeigt Oranje, wie’s gemacht wird – verdienter 2:1-Sieg https://ballverliebt.eu/2012/06/14/deutschland-zeigt-oranje-wies-gemacht-wird-verdienter-21-sieg/ https://ballverliebt.eu/2012/06/14/deutschland-zeigt-oranje-wies-gemacht-wird-verdienter-21-sieg/#respond Thu, 14 Jun 2012 00:05:48 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7483 Deutschland zeigt Oranje, wie’s gemacht wird – verdienter 2:1-Sieg weiterlesen ]]> Schaut her, Holländer, so geht das – Deutschland lieferte zumindest eine Stunde lang Anschauungs-Unterricht. Bert van Marwijk hingegen machte den gleichen Fehler wie gegen Dänemark und setzte auf eine extrem statische und unbewegliche Mittelfeld-Zentrale, die wurde von den Deutschen zerstört wurde. Dennoch gibt’s für Holland immer noch die Chance auf das Viertelfinale, weil Portugal die Dänen mit 3:2 besiegt. Trotz eines Riesen-Lochs hinter Cristiano Ronaldo.

Deutschland - Holland 2:1 (2:0)

Vorne wird gepresst, hinten wird gewartet – das war eines der größten Probleme der Holländer beim 0:1 gegen Dänemark: Die Mannschaft zerfiel in zwei Teile, einen offensiven und einen defensiven, die wenig miteinander zu tun hatten. Dänemark nützte diese fehlende Balance bei Oranje aus. Genau wie das extrem passive Spiel von De Jong und Van Bommel im Zentrum, die sich beide als reine Zerstörer ohne Aufgabe nach vorne verstanden.

Holland statisch und vorsichtig

Dennoch vertraute Bondscoach Bert van Marwijk der selben Formation wie gegen Dänemark (von der Rückkehr des von einer Verletzung genesenen Stamm-IV Joris Mathijsen mal abgesehen). Anstatt also weiterhin hoch zu pressen und dahinter das Mittelfeld aufrücken zu lassen, verzichtete Van Marwijk auf das Pressing der vier Offensiv-Leute. Anstatt also selbst zu versuchen, das Kommando zu übernehmen, Ballverluste bei den Deutschen zu provozieren und dazu Schweinsteiger und Khedira unter Druck zu setzen, passierte genau das Gegenteil.

Die Holländer standen zwar sehr kompakt, dabei aber auch extrem statisch. Wieder kam von De Jong und Van Bommel in der Vorwärtsbewegung nichts, das Tempo wurde verschleppt, es wurde kaum einmal ein Risiko-Pass versucht, sondern viel eher immer wieder hinten herum gespielt. Kurz: Es fehlte das Überraschungsmoment, es fehlte die Dynamik, es fehlte der Zug zum Tor. Viel gefährlich man mit direkten Pässen sein konnte, wurde in einigen Situationen in der ersten Viertelstunde zwar offensichtlich, aber dennoch kamen solche Versuche viel zu selten.

Deutschland macht’s richtig

Wie man es richtig macht, zeigte die deutsche Mannschaft. Hummels und vor allem Badstuber versuchten, wann immer möglich, den Vorwärtspass; Schweinsteiger und Khedira schalteten sich mit ihrer Dynamik immer wieder nach vorne ein. Der ballführende Holländer wurde immer mit zwei Leuten angepresst, so wurden auch die sich ständig wiederholenden harmlosen Querpässe bei Oranje provoziert. Es wurde konsequent nachgerückt, um keine Löcher zwischen den Reihen aufzureißen. Und im Umschalten wurde sofort Zug zum Tor entwickelt.

Mit seinen intelligenten Laufwegen schuf Özil auch immer wieder Platz für die nachrückenden Mitspieler aus dem Zentrum. Weil De Jong dem deutschen Zehner in Manndeckung nahm, um ihn aus dem Spiel zu halten, blieb oft dem langsamen Van Bommel mehr Arbeit im Zentrum gegen den sich diesmal oft zurückfallen lassenden Gomez und den aufrückenden Schweinsteiger und Khedira.

Dazu waren die Deutschen einfach auch gedankenschneller, was durch die beiden hervorragend herausgespielten Tore verdeutlicht wurde. Die Laufwege von Özil, die Übersicht von Schweinsteiger, der Torriecher von Gomez – all dem hatten die statischen und phantasielosen Holländer praktisch nichts entgegen zu setzen. Die 2:0-Führung von Deutschland zur Pause ging vollauf in Ordnung.

Anderes Bild nach der Pause

Dass es nach dem Seitenwechsel nicht in ähnlicher Manier weiter ging, lag an zwei Faktoren. Zum einen ließ die Intensität im deutschen Spiel nach: Es wurde nicht mehr so konsequent gepresst, man ließ sich etwas weiter hinten hineindrängen. Zudem wurde nicht mehr so direkt und so schnell der Weg nach vorne gesucht. Man hatte den Eindruck, die Deutschen betrachteten insgeheim das Spiel bereits als gewonnen, nachdem es vor der Pause gar so leicht gegangen war, und legten den Schongang ein.

Zum anderen natürlich, und das trug sicher noch viel mehr zum völlig anderen Bild in der zweiten Hälfte bei, waren die zwei Wechsel von Bert van Marwijk, der damit einhergehenden System-Änderung und der anderen Spielweise bei den Holländern. Statt des einmal mehr ausnehmend schwachen Van Bommel und des einmal mehr komplett wirkungslosen Afellay kamen Van der Vaart und Huntelaar ins Spiel.

Wirkung entfaltet sich erst nach und nach

2. Halbzeit

Wobei das in den ersten Minuten nach Wiederanpfiff noch gar keine so große Wirkung zeigte. Nicht nur, weil Van Persie, der nun auf der rechten Seite agierte, isoliert blieb und sich Sneijder und Robben oft gegenseitig behinderten, weil beide von der linken Flanke kommen wollten. Sondern auch, weil Van der Vaart seine Rolle im zentralen Mittelfeld zunächst ähnlich tief stehend anlegte wie Van Bommel. Mitunter war Van der Vaart noch wesentlich tiefer als De Jong positioniert, stand gegen den Ball auf einer Höhe mit den Innenverteidigern, und holte sich die Bälle von hinten ab.

Aber immerhin: Nun kamen aus dem Mittelfeld-Zentrum auch konkrete Pässe für den Spielaufbau, nun wurde vorne auf die Gegner gepresst – wiewohl auch diesmal nicht in ausreichendem Maße nachgerückt wurde. Außerdem löste sich der Knoten auf der linken Seite, als Robben wieder auf rechts ging und Van Persie als hängende Spitze hinter Huntelaar agierte.

Nach und nach traute sich auch Van der Vaart wirklich nach vorne aufzurücken, sodass sich ein etwas schiefes 4-1-3-2 bildete. Von den fünf Defensiv-Spielern kam zwar immer noch zu wenig, aber dennoch hatten die Holländer hier – zwischen der 65. und der 80. Minute – ihre beste Phase. In die fiel auch das verdiente Anschlusstor durch Van Persie.

Eine Schwachstelle blieb aber: Arjen Robben. Nach seinem Horror-Saisonfinale mit den Bayern steht er immer noch komplett neben sich. Ihm fehlt nicht nur die Form, sondern ganz offensichtlich vor allem die innere Ruhe, um seine Leistung zu bringen. Wäre die rechte Seite nicht wieder ein Komplett-Ausfall gewesen, hätten die Holländer für noch viel mehr Druck sorgen können.

Hummels mit Problemen

Was auch daran lag, dass Mats Hummels zunehmend Probleme mit seinem Stellungsspiel bekam. Die Anwesenheit eines zweiten Stürmers schien ihn deutlich mehr zu verunsichern als Holger Badstuber, jedenfalls ermöglichten eher billige Fehler des gegen Portugal noch so starken Dortmunders, dass sich in dieser Phase immer wieder etwas Chaos in der deutschen Abwehr breitmachte.

Löw versuchte, mit Kroos statt Özil einen frischen Mann für die Zentrale zu bringen, um Van der Vaart wieder etwas weiter nach hinten zu drücken und so den Holländern jenen Punch aus dem Mittelfeld zu nehmen, der in den Minuten davor für das Aufkommen von Oranje verantwortlich war. Das, wie auch die Hereinnahme des geschickt an der Zeit drehenden Lars Bender (für Müller), ging auf und Deutschland gewann mit 2:1.

Fazit: 45 Minuten zu spät, Bert van Marwijk…

Die zweite Hälfte hat ganz eindeutig gezeigt, was Holland in der ersten gefehlt hat. Man kann Bert van Marwijk zu Gute halten, dass er seine massiven Fehleinschätzungen für die Startformation erkannt und sie für die zweite Hälfte erfolgreich korrigiert hat. Man könnte aber auch sagen: Das statische Mittelfeld-Zentrum hat gegen Dänemark schon nicht funktioniert, wie hätte es dann gegen Deutschland funktionieren sollen – noch dazu, wenn man das Spiel eigentlich gewinnen muss? Dass im holländischen Kader durchaus das Potential vorherrscht, aus dem Mittelfeld nachzurücken, dort Kreativität und Druck zu entwickeln, wurde in der zweiten Hälfte klar. Zu spät, denn ein 0:2 gegen Deutschland aufzuholen, ist kaum möglich.

Für Deutschland muss die zweite Hälfte als Warnschuss gelten. Man hat das Spiel dank einer intelligenten Vorstellung in der ersten Halbzeit gewonnen, aber nach dem Seitenwechsel ließ man sich zu leicht zurückdrängen, ließ sich die Initiative zu leicht nehmen – und das noch dazu gegen einen schwer verunsicherten Gegner, der gerade komplett umgestellt hatte. Anstatt in die Findungsphase der Holländer, die ja immerhin eine Viertelstunde dauerte, voll hinein zu bohren, wurde es dem Gegner ermöglicht, ins Spiel zurück zu kommen.

Das kann Löw nicht gefallen.

Gegen Deutschland war es ein recht klares 4-1-4-1, in dem die Portigiesen spielten. Gegen Dänemark war es nun eine anderen Situation: Nicht nur, dass der Gegner nicht so stark ist wie das deutsche Team, nein, vor allem mussten die Portugiesen gewinnen. Weshalb sich die Spielanlage etwas offensiver gestaltete. Was auch heißt: Nani und vor allem Cristiano Ronaldo spielten wesentlich höher, was aus dem System eher ein 4-3-3 machte.

Portugal - Dänemark 3:2 (2:1)

Vor allem Cristiano Ronaldo stand nicht nur recht hoch, sondern auch recht zentral. Zudem presste im Zentrum vor allem Meireles zuweilen recht heftig gegen das dänische Duo mit Kvist und Zimling. Dass letzterer schon nach einer Viertelstunde verletzt raus musste und statt ihm Jakob Poulsen kam, trug nicht gerade zur Sicherheit der dänischen Zentrale bei.

Zumal sich auch keiner der beiden, wie noch gegen Holland, zwischen die Innenverteidiger fallen ließ. Das war gegen Portugal, wo es keinen zentral spielenden offensiven Spieler gibt, nicht nötig. Doch gegen die aggressiven Gegenspieler schafften sie es nicht, für Struktur im dänischen Spiel zu sorgen. Auch, weil es diesem an der Breite fehlte: Krohn-Dehli und Rommedahl zogen sehr früh nach innen.

Das Problem dabei war, dass wenn die Außenverteidiger Jacobsn und Simon Poulsen aufrückten, war man für das extrem schnelle Umschalten der Portugiesen von Defensive auf Offensive anfällig. Vor allem über die Seite von Cristiano Ronaldo ging da relativ viel, weil Jacobsen gegen ihn und Coentrão nicht selten auf sich alleine gestellt war.

Dänen fehlen die Mittel

Als die Dänen noch überlegten, wie sie denn nun sinnvoll vor das gegnerische Tor kommen sollten, stand es dann auch schon 0:2 – erst verwertete Pepe eine Ecke, dann ließ man sich von einem schnellen Gegenstoß versenken.

Es gelang den Skandinaviern nicht, in den Rücken der Abwehr zu kommen und auch zu selten, den viel auch nach hinten arbeitenden Bendtner einzusetzen. Pepe und Bruno Alves machten, wie schon im Deutschland-Spiel gegen Gomez, zumeist einen guten Job. Den Anschlusstreffer kurz vor der Pause, eingeleitet durch einen klugen Flankenwechsel und eine Rückgabe vor die zu weit nach hinten gerückte Innenverteidigung, konnten sie aber nicht verhindern.

Selbst als sich Portugal in der zweiten Halbzeit merklich zurückzog und noch mehr auf Konter lauerte, gelang es zu selten, Überzahl-Situationen herzustellen. Nicht auf der Seite von Rommedahl, weil sich dieser dafür zu zentral positionierte. Nicht über jene von Krohn-Dehli, weil dieser gegen João Pereira keinen Stich machte und ebenfalls zur Mitte tendierte – dort aber von den aggressiven Moutinho und Meireles aus dem Spiel genommen wurden. Ebenso wie Eriksen, dem Veloso auf den Füßen stand.

Gefahr nur über die rechte Seite

Am gefährlichsten wurde es, wenn es Rechtsverteidiger Lars Jacobsen im Rücken des nicht gerade mit vollem Einsatz verteidigenden Ronaldo gelang, Coentrão entweder auszuspielen oder den Platz zu nützten, den dieser gab, wenn er eingerückt war. Solche Situationen ergaben sich aber erst dann immer öfter, als Rommedahl schon nicht mehr im Spiel war und durch Tobias Mikkelsen ersetzt worden war. Wenig überraschend fiel auch der Ausgleich, erneut durch Bendtner, nach einer präzisen Flanke über diese Seite.

Portugals Teamchef Paulo Bento musste nun natürlich alles riskieren und brachte Silvestre Varela für Meireles – der gleiche Wechsel wie gegen Deutschland. Erstaunlicherweise schaffte es Portugal tatsächlich, nach einer eher lethargisch geführten zweiten Hälfte den Schalter wieder umzulegen – das sehenswerte Siegtor von Varela belohnte das.

Fazit: Dänen stoßen an Limits, aber auch Portugal nicht frei von Sorgen

Als Dänemark gegen Holland das Spiel vom Gegner auf sich zukommen sah, verstand es die Mannschaft gut, die Kontrolle über das Mittelfeld zu bekommen und über Gegenstöße zum Erfolg zu kommen. Als man nun selbst das Spiel gestalten musste, und das gegen einen im Mittelfeld recht geschickt pressenden Kontrahenten, der noch dazu blitzschnell umschalten kann, wurden die Limits dieser Mannschaft offensichtlich. Noch dazu, nachdem mit Niki Zimling ein guter Taktgeber verletzt ausgefallen war.

Die Portugiesen sind wieder zurück im Turnier, weil sie sich bei aller Vorsicht und trotz der sehr reaktiven Spielweise wesentlich frecher und flinker zu Werke gingen als beim 0:1 gegen Deutschland. Dass allerdings hinter Cristiano Ronaldo ein ziemlich fieses Loch in der Defensiv-Arbeit klaffte, darf durchaus Grund zur Sorge geben. Nicht nur, weil die Dänen beide ihre Tore über diese Seite eingeleitet haben. Sondern auch, weil man nun gegen Holland spielt – ein Team, das gewinnen muss. Portugal wird daher wohl auch im dritten Gruppenspiel nicht die Spielgestaltung selbst übernehmen müssen; aber sicherlich die Flanke hinter Ronaldo besser schließen als gegen Dänemark

(phe)

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Deutschland rettet sich, Holland nicht https://ballverliebt.eu/2012/06/10/deutschland-rettet-sich-holland-nicht/ https://ballverliebt.eu/2012/06/10/deutschland-rettet-sich-holland-nicht/#comments Sun, 10 Jun 2012 02:36:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7425 Deutschland rettet sich, Holland nicht weiterlesen ]]> Euro 2012 / Tag 2 | Eine schwere Geburt war es, das erste Turnier-Spiel für den Mit-Favoriten aus Deutschland. Selbst hatte man großen Respekt vor den portugiesischen Flügeln, der Gegner machte das Zentrum zu – so gab’s eine recht statische Partie. Die Deutschen retteten den 1:0-Sieg, für Holland ging es nicht so gut aus: Nach dem nicht unverdienten 0:1 gegen Dänemark steht der Vize-Weltmeister schon jetzt mit dem Rücken zur Wand.

Deutschland - Portugal 1:0 (0:0)

Ganz klar: Der gegenseitige Respekt war vorhanden. Nein, mehr als das: Er war riesengroß. Das wurde in der Herangehensweise beider Mannschaften in diesem Spiel klar. So wussten die Portugiesen: Vor allem durch das Zentrum sind diese Deutschen mit den bei Real Madrid extrem gereiften Özil und Khedira, sowie mit Schweinsteiger, brandgefährlich. Das – und die Tatsache, dass es im portugiesischen Kader einfach keinen klassischen Spielgestalter gibt – führte zu einer sehr vorsichtigen Spielanlage.

Wirklich interessant war aber das Spiel über die Flanken. Cristiano Ronaldo (links) und Nani (rechts) zogen sich gegen den Ball sehr weit zurück, sodass bei Portugal ein recht klares 4-1-4-1 entstand. Ziel war es, die beiden nach Ballgewinn schnell steil zu schicken, um vor allem bei Ronaldo die klaren individuellen Vorteile gegenüber Jeroma Boateng zu nützen.

Auch deutsche Flügel vorsichtig

Allerdings wussten natürlich auch die Deutschen, welche Gefahr über Ronaldo und Nani ausgeht. Daher hatte Boateng als Rechtsverteidiger gegen Ronaldo praktisch ausschließlich defensive Aufgaben zu erfüllen und schaltete sich praktisch gar nicht in das Spiel nach vorne ein. Zwar wurde in einige Szenen der Klasseunterschied zum Superstar der Portugiesen schon deutlich, aber Boateng machte grundsätzlich einen sehr soliden Job: Er verzögerte gut, drängte Ronaldo ab und bekam auch gute Unterstützung; vermied es aber, allzu forsch an den Mann zu gehen.

Die sehr konservative Spielweise von Boateng bedeutete, dass Müller vorne ohne seinen Außenverteidiger auskommen musste. Das versuchten die Deutschen auzugleichen, indem Mesut Özil vom Zentrum immer wieder auf den rechten Flügel ging und Müller entweder kurz anspielte, oder es dem Bayern-Spieler ermöglichte, selbst an die Grundlinie oder – noch häufiger – Richtung Strafraum zu ziehen. Coentrão war damit beschäftigt und auch zumeist keine Hilfe für Ronaldo.

Auf der anderen Flanke wusste auch Philipp Lahm um die Stärke von Nani. Daher hielt sich auch der Kapitän der deutschen Mannschaft sehr zurück und beschränkte sich zumeist darauf, den Flügelspieler von Manchester United nicht zur Geltung kommen zu lassen. Auch hier hieß das, dass Lahms Vordermann (Podolski) ohne viel Hilfe von hinten auskommen musste. Podolski nützte das, um recht hoch zu stehen und João Pereira festzunageln, bzw. um zu Gomez in den Strafraum zu ziehen.

Statisches Spiel

Die Folge war ein recht statisches Spiel, in dem die Portugiesen darauf achteten, nichts durch die Mitte zuzulassen und den Raum zwischen Mittelfeld und Abwehr gering zu halten, um Özil nicht seine große Stärke, die Bewegung zwischen den Linien, zuzugestehen. Und die Deutschen danach trachteten, Ronaldo und Nani unter Kontrolle zu halten, während sie gleichzeitig wussten, dass sie durch das Zentrum nichts zu befürchten hatten.

Torchancen blieben Mangelware; die beste hatte vor der Pause Portugal mit Pepes Lattenpendler nach einem Eckball. Selbst nach dem Seitenwechsel änderte sich am Bild des Spiels wenig: Das Tempo blieb überschaubar, die Vorsicht regierte auf beiden Seiten und kein Team schaffte es, das Defensiv-Konzept des jeweils anderen auszuhebeln.

Deutsche Führung, Varelas Freiräume

Nach etwa einer Stunde allerdings hatten die Deutschen einen Weg gefunden, um in den Rücken der Abwehr zu kommen. Sie hatten sich dafür Bruno Alves und Coentrão zurecht gelegt: Es gelang nun nämlich besser, Alves im Zentrum zu binden, wenn Coentrão sich etwas nach vorne bewegt. Das ermöglichte es Müller, aber auch Özil und dem gegenüber Schweinsteiger deutlich offensiveren Khedira, Flanken Richtung Gomez zu schlagen. Einige Versuche schlugen fehl, aber in der 72. Minute fand eine abgefälschte Flanke den Mittelstürmer, der per Kopf zum 1:0 traf.

Paulo Bento musste nun natürlich alles auf eine Karte setzen und brachte Silvestre Varela für Meireles. Der Mann vom FC Porto ist zwar eher ein Flügelstürmer, agierte nun aber halbrechts offensiv und sorgte so für ein personelles Übergewicht in diesem Spielfeld-Bereich. Weil Lahm weiterhin auf Nani aufpassen musste und Schweinsteiger nach seiner Muskelverletzung offensichtlich die Zweikämpfe noch etwas scheute, hatte der neue Mann viele Freiheiten und nützte diese auch zu einer handvoll richtig guter Tormöglichkeiten.

Die Deutschen brauchten in dieser Phase dringend die Paraden von Torhüter Manuel Neuer, um das Spiel über die Zeit zu bringen. Und Neuer hielt die drei Punkte fest.

Fazit: Daran wird sich Deutschland gewöhnen müssen

Ein nicht besonders spektakuläres Spiel, aber nach der deutschen Führung durchaus spannend und am Ende, als Portugal vehement auf den Ausgleich drängte, sogar dramatisch. Die Partie war vom Vorhaben geprägt, nur ja die Stärken des Gegners zu neutralisieren um in dieser schweren Gruppe nur ja keine vermeidbare Niederlage einzustecken.

Deutschland fand mit den Flanken von der rechten Seite ein wirksames Mittel und schlugen daraus letztlich entscheidend zu. Es war beileibe kein Feuerwerk, aber das DFB-Team wird sich daran gewöhnen müssen, dass sich die Gegner äußerst defensiv verhalten, um Özil und Co. keine Räume zu geben. Da wird für das spielstarke deutsche Team Lösungen finden müssen.

Souveräne Qualifikation, dort Portugal distanziert, und trotzdem traute denen Dänen kaum jemand zu, in dieser Gruppe mehr als eine Statistenrolle zu spielen. Großer Fehler! Denn die Mannschaft von Teamchef Morten Olsen präsentierte sich gegen den Vize-Weltmeister als extrem kompakte Truppe, die defensiv extrem aufmerksam agierte und den Holländern einen ziemlichen Fehlstart verpasste.

Holland - Dänemark 0:1 (0:1)

Dänemark stellte sich zunächst einmal tief auf und erwartete Oranje mit der vordersten Front (Eriksen und Bendtner) etwa auf Höhe der Mittellinie, mit Zimling und/oder Kvist als Unterstützung, wenn es darum ging, auf Van Bommel und De Jong zu pressen. So zwangen die Dänen Holland ein überschaubares Tempo auf. Hinzu kam, dass Mathijsen-Ersatz Ron Vlaar in der Innenverteidigung in der Spieleröffnung komplett unbrauchbar ist und mit Jetro Willems ein international völlig unerfahrender Jungspund stand.

Die Flügelspieler im dänischen Team kamen zunächst kaum zur Geltung. Vor allem Krohn-Dehli machte aber defensiv gemeinsam mit Poulsen gegen Robben grundsätzlich keine so schlechte Figur, indem der half, mit Simon Poulsen gemeinsam Robben permanent doppelten. Was sie allerdings nicht verhindern konnten, waren dessen Pässe auf den sich nach außen orientierenden Van Persie. Hier war Agger zwei, drei Mal etwas unaufmerksam.

Perfekt organisiert

Was vor allem in den ersten rund 20 Minuten des Spiels häufig passierte. Holland kam zu einigen guten Chancen, und die Dänen machten da noch keine wirklich gute Figur im Spiel nach vorne. Krohn-Dehli war sehr defensiv unterwegs, Bendtner wurde kaum ins Spiel gebracht und die wenigen Vorstöße blieben harmlos. Ehe ein Pressball von Simon Poulsen eher zufällig zu Krohn-Dehli kam, dieser in den Strafraum zog und durch die Beine von Stekelenburg zum 1:0 traf.

Mit der Führung wurde die dänische Brust extrem breit. Immer deutlicher wurde nun, wie perfekt diese Mannschaft eingestellt war. Und zwar von vorne bis hinten. Denn nun rückten die Außenvertedigier Jacobsen und Poulsen immer weiter auf und beschäftigten so Robben und Afellay. Das war auch deshalb möglich, weil sich einer aus dem defensiven Mittelfeld – zumeist Niki Zimling – zwischen die Innenverteidiger fallen ließ. Kjær und Agger konnten somit nach außen absichern. Im Zentrum verblieb Kvist, bzw. die etwas einrückenden Rommedahl und Krohn-Dehli.

Holland ratlos

Damit konnte zwar die Geschwindigkeit vor allem von Rommedahl kaum ins Spiel gebracht werden, aber die Raumaufteilung war exzellent und mit den sich gut bewegenden und fleißig pressenden Bendtner und Eriksen vorne hatten die Holländer größte Probleme, das eigene Spiel aufzuziehen. Vor allem die Breite fehlte, weil Van der Wiel (schwach) und Willems (überfordert) sich viel zu wenig trauten und so auf den Flügeln eine permanente Unterzahl herrschte. Die einzige Möglichkeit der Holländer, zu Torchancen zu kommen, war über individuelle Klasse.

Die Niederländer wirkten zunehmend ratlos. Wesley Sneijder veruschte, sich dem gut abgestimmten Zentrum mit Kvist und dem sehr beeindruckenden Zimling zu entgehen, indem er sich vermehrt Richtung linke Außenbahn bewegte. Dort war Rommedahl nicht ganz so viel in die Arbeit nach hinten eingebunden wie Krohn-Dehli auf der anderen. Er brachte auch Bälle in den Strafraum, aber dort machten Kjær und Agger eine sehr starke Partie.

Spielkontrolle ohne hohe Bälle

Sehr beeindruckend war bei den Dänen, wie ruhig und diszipliniert sie agierten, wenn sie holländische Angriffe stoppten und selbst in Ballbesitz kamen. Denn weggedroschen wurde hinten gar nichts – es wurde immer versucht, den Ball ruhig in den eigenen Reihen zu halten, sich gar nicht erst auf Kopfballduelle nach 50m-Befreiungsschlägen einzulassen und so die Kontrolle über das Spiel zu übernehmen.

Vor allem mit der Maßnahme, wie schon bei der WM in Südafrika einen Sechser zwischen die Innenverteidiger zu schieben und so die Flanken zu stärken. Rund 20 Minuten vor Schluss stellte Bondscoach Van Marwijk dann um: Mit Huntelaar (statt Afellay) kam ein echter Strafraumstürmer zu dem extrem weite Wege gehenden Van Persie, Sneijder ging nun ganz auf die linke Seite; dazu kam mit Van der Vaart ein neuer Achter/Zehner für das Zentrum statt De Jong.

Morten Olsen konterte sofort, indem er mit Lasse Schøne einen gegenüber dem ausgewechselten Eriksen etwas defensiveren Spieler für die Sicherung im Zentrum brachte, dazu hielten Jacobsen und Poulsen auf den Außen nun ihre defensiven Positionen ein und die beiden Sechser machten das Zentrum auf einer Höhe dicht. Die Folge: Holland fand auch weiterhin kaum Wege Richtung Andersens Tor. Und wenn, verdaddelten sie die Chancen.

Fazit: Durchaus verdienter dänischer Sieg

„Wir waren das bessere Team“, gab Dänemarks Teamchef Morten Olsen  nach dem Spiel zu Protokoll, und man kann ihm kaum Widersprechen. Die Organisation der Dänen war nahezu perfekt, vor allem Niki Zimling zeigte eine beeindruckende Leistung. Aber auch die Innenverteidigung war sehr aufmerksam, die Außenverteidiger zeigten gute Spielintelligenz und das permanente Anpressen der holländischen Spieleröffnung machte Oranje doch zu schaffen.

Natürlich ist der Vize-Weltmeister individuell deutlich besser besetzt als Dänemark, aber dennoch müssen sie sich neben einigen vergebenen Chancen vorwerfen lassen, einfach keine gute Leistung abgeliefert und keine Strategien entwickelt zu haben, wie man den Rückstand noch zumindest ausgleichen hätte können. Zu viel baute auf Einzelaktionen und dem Vertrauen auf individuelle Klasse auf. Das war zu wenig

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