Xavi – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 16 Jul 2018 17:30:35 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.1 Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/ https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/#comments Sat, 19 Jul 2014 00:24:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10440 Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck weiterlesen ]]> Erst Italien, dann Spanien, nun Deutschland: Wenn man nur rein die Siegerliste betrachtet, die die letzten drei WM-Turniere hervorgebracht haben, sieht das nach einer brutalen europäischen Dominanz aus. Die Wahrheit ist aber viel eher: Die Breite an gutklassigen Teams macht’s. Denn genau wie schon 2006 und 2010 haben auch diesmal einige von Europas Big Guns ziemlich daneben gegriffen – am kolossalsten natürlich Titelverteidiger Spanien. ABer ein Europäer kommt halt immer durch. Das war diesmal eben Deutschland. Und das verdient.

Deutschland: Krönung eines langen Weges

Das war kein Glücksrittertrum wie beim eher zufälligen Finaleinzug 2002, das war von langer Hand geplant und ist eigentlich zwei Jahre zu spät gekommen. Seit Löw vor zehn Jahren zur Nationalmannschaft kam, wurde um einige Stützen herum konsequent ein über Jahre hinweg eingespieltes Team geformt. Lahm, Schweinsteiger und Klose waren von Beginn an dabei, der Rest wuchs homogen dazu, und im richtigen Moment ging es auch auf.

Deutschland
Deutschland: Als Khedira und Schweinsteiger fit genug waren, beide 90 Minuten durchzuhalten, durfte Lahm endlich nach rechts hinten. Von da an hatten die Gegner keinen Spaß mehr.

Dabei ist Löw ein großes Risiko gegangen, nach einigem Experimentieren sich so spät – nämlich erst ein halbes Jahr vor der WM – auf das bei den Guardiola-Bayern praktizierte 4-3-3 zu verlegen. Er hatte mit sechs bis sieben Bayern-Spielern einen großen Block, der das Gerüst darstellte und in der Vorbereitung klappte es nicht immer nach Wunsch. Auch, weil Löw Lahm wie bei den Bayern in die Mitte stellte, obwohl damit eine Baustelle rechts hinten aufgemacht wurde.

Der Gamble zahlte sich aus. Als sich Khedira (nach Kreuzbandriss im Herbst) und Schweinsteiger (nach vielen Blessuren in den letzten Jahren) halb durchs Turnier fit für 90 Minuten meldete, konnte er endlich Lahm dorthin stellen, wo es für das Team am Besten war. Mit Erfolg: Gab es davor mit allerhand Notvarianten auf rechts hinten (Boateng, Mustafi) eher Bauchweh, flutschte es mit Lahm dort – und das Mittelfeld-Trio mit Schweinsteiger, Khedira und Kroos blühte auf.

Löw war flexibel genug, sich kurz vor dem Turnier auf das 4-3-3 draufzusetzen, aber stur genug, um im ganzen Turnier mit der Ausnahme der zweiten Hälfte des Finales zu keiner Minute davon abzurücken, egal, in welcher personellen Aufstellung, egal, wie sehr auch erschreckend viele Medien das ab dem Viertelfinale offiziell angegebene 4-2-3-1 blind übernahmen.

Der Titel ist vor allem für Löw eine Genugtuung, weil ihm in Deutschland immer wieder vorgehalten wurde, mit seinem intellektuellen Zugang, seinem Faible für flache Hierarchien und ohne, wie sich Leute wie Effenberg gerne bezeichnet, „Typen“ (wiewohl etwa Müller und Schweinsteiger durchaus etwas zu sagen haben), zu weich und zu wenig Siegermentalität für einen großen Titel mitzubringen. Für die nun endgültig große Generation war er der Höhe- und gleichzeitig der Schlusspunkt: Lahm hat nach zehn Jahren im Nationalteam mit 116 Länderspielen adé gesagt, Klose wird sicher folgen, auch bei Schweinsteiger wäre das keine Überraschung und Podolski war bei dieser WM bestenfalls ein Nebendarsteller.

Wenigstens kommt Löw dann nicht in die Verlegenheit, aus überzogener Loyalität zu lange an zu vielen alten Recken festzuhalten.

Niederlande: Eine Bronzemedaille für Van Gaals Ego

Nicht wenige bezeichneten diese WM als gigantischen Ego-Trip des neuen Manchester-United-Managers Louis van Gaal. Er hat für dieses Turnier den holländischen Fußball einmal auf links gedreht und alles anders gemacht, als es die Granden bei Oranje für gut befanden. Dreiekette und Konterfußball statt 4-3-3 und schöngeistigem Spiel, dazu eine Horde von international unbekannten und unerfahrenen Leuten in der Defensive. Keine Frage, Van Gaal ging großes Risiko. Mit Aktionen wie dem Torhüter-Tausch in der 120. Minute im Viertelfinale gegen Costa Rica ebenso wie mit dem generellen Stil.

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Holland: Konsequent mit drei Innenverteidigern und Konterfußball. Das Risiko ging auf, weil das Star-Offensiv-Trio vorne die Räume gut nützte.

Vor allem, weil ja angesichts der Gruppengegner Spanien und Chile ein frühes Aus mehr als nur einen Fuß in der Tür der Wahrscheinlichkeiten hatte. Hollands Glück: Im ersten Spiel brach Gegner Spanien völlig auseinander, die Kontertaktik ging voll auf und nach dem unglaublichen 5:1-Erfolg über den Titelverteidiger hatten auch die Spieler selbst den Beweis, dass es mit dem 3-4-1-2-System funktionieren kann.

In der Tat brannte im ganzen Turnier hinten sehr wenig an (Elfmeter-Gegentor gegen Spanien, ein Glücksschuss und ein Elfer gegen Australien, ein Weitschuss gegen Mexiko) und vorne richtete es das individuelle Talent des Dreigestirns mit Sneijder, Robben und Van Persie, das die Räume hervorragend nützte, die angreifende Gegner ihnen anboten. Das war keine besonders aufregende Oranje-Truppe, aber für das vorhandene Spielermaterial passte die sehr pragmatische Herangehensweise.

Das ist natürlich kein Modell für die Zukunft, denn auf Dauer kann es sich ein Bondscoach nur mit Erfolgen leisten, das typisch holländische Spiel derart zu verraten. Zudem ist die Eredivisie ja auch nicht direkt für ihre kompromisslosen Defensiv-Konzepte bekannt – Angriff ist einfach in der orangen DNA.

Lieber verliert man formschön, als dreckig zu gewinnen. Obwohl eine defensive Grundhaltung das Team 2014 fast ins Finale geführt hätte und 2010 eine sehr pragmatische und auch nicht wirklich aufregende Herangehensweise beinahe den Titel gebracht hätte.

Frankreich: Deschamps braucht einen Deschamps

Irgendwie war dieses Turnier aus französischer Sicht nicht Ganzes und nichts Halbes, damit der letzten EM nicht ganz unähnlich. Dabei wäre so viel Talent in diesem Kader, auch der Ausfall von Franck Ribéry (der aber ohnehin eine ziemlich schwache Rückrunde gespielt hatte) wog nicht allzu schwer. Mit Honduras hatte man keinerlei Probleme, die Schweiz nahm man auseinander, aber danach war es wie abgebrochen.

Frankreich:
Frankreich: Seltsam führungslos im Zentrum. Da half auch ein wirklich starker Benzema nicht viel.

Als es hart wurde, also gegen die recht direkten Nigerianer und vor allem dann gegen die geschickt im Mittelfeld agierenden Deutschen, zeigte das zentrale Trio der Franzosen zu wenig Präsenz. Das kann man auch von einem Pogba trotz seines jungen Alters schon erwarten, vor allem hätte aber mehr von Cabaye und Matuidi kommen müssen. Die beiden müssen durchaus als die Verlierer des Turniers aus französischer Sicht gelten, denn beide haben schon ein Alter erreicht, in dem es nicht mehr viele Endrunden zu spielen gibt.

Besonders erschreckend war aber die Tatsache, dass man beim Viertelfinal-Aus gegen Deutschland über sieben Kilometer weniger gelaufen ist als der Gegner, obwohl man 80 Minuten im Rückstand lag. Das ist nicht mit der Hitze zu erklären, die für den Gegner ja genauso war. Das spricht entweder gegen die Fitness der Franzosen oder gegen den Willen. Denn von besonderen Anstrengungen, das Spiel noch herumzureißen, war wenig zu erkennen.

Deschamps fehlte ein Spieler wie Deschamps, ein verlängerter Arm des Trainers im Mittelfeld. Das kann Pogba werden. Noch war es der hoch veranlagte U-20-Weltmeister aber nicht.

England: Ja, die waren auch dabei

Die Three Lions haben so wenig Eindruck hinterlassen, dass man fast vergessen könnte, dass die überhaupt dabei waren. Dabei war die spielerische Intention von Roy Hodgson gar nicht so dermaßen steinzeitmäßig bieder wie das noch vor zwei Jahren der Fall war. Aber die Mischung passte nicht. Die Jungen sind noch zu jung, die alten über dem Zenit und die dazwischen reißen’s nicht heraus.

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England: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Produkt eines im Schneckentempo vollzogenen Umbruchs.

Diese drei Gruppen hat Hodgson nicht zu einem funktionierenden Ganzen vereinen können. Rooney im Speziellen ist nach zehn Jahren Spitzenfußball körperlich ruiniert wie andere Anfang, mitte dreißig, dazu wird er seit einigen Jahren sowohl bei United als auch im Nationalteam so wahllos hin- und hergeschoben, dass sich kein Rhythmus einstellen kann. Gerrard hat zwar einen Rhythmus, aber die lange und emotional aufwühlende Saison bei Liverpool hat ihre Spuren hinterlassen.

Die können Henderson, Sterling und Sturridge noch besser verkraften, aber ihnen fehlte zum einen ein Spieler wie sie ihn bei Liverpool in Suárez hatten, und zum anderen der internationale Vergleich, weil sie ja kaum oder noch wenig Europacup gespielt haben. Teams, die von der Insel kommen, spielen halt nicht wie Italiener oder Urus.

Und eine Abwehrreihe mit Baines, Jagielka, Cahill und Johnson ist nichts anderes als aller-grauster Durchschnitt. So hochgelobt Baines seit Jahren wird (warum auch immer), so lange Johnson schon dabei ist – aber England hat mit einiger Sicherheit das schlechteste AV-Pärchen aller europäischen Teilnehmer gehabt. Ihre Vorstöße wirkten beliebig, ihre Flanken hatten zuweilen Regionalliga-Format (vor allem die von Johnson, eine Frechheit).

England wirkt wie in einem Umbruch, der seit vier Jahren im Gange ist und ohne wirkliche Überzeugung betrieben wird. Man will die Alten raushaben, nimmt aber dennoch Gerrard UND Lampard mit. Man ersetzt den gefühlt seit den Achtzigern gesetzten Ashley Cole mit einem Spieler, der nur vier Jahre jünger ist und trotzdem erst eine Handvoll Europacup-Einsätze hinter sich hat. Man kommt endlich vom bald greisen Rio Ferdinand weg, und stellt einen 31-Jährigen und einen 28-Jährigen vor Joe Hart hin.

Der englische Verband blickt seit Jahren voller Bewunderung auf den Erfolg, den Deutschland nach dem radikalen Schnitt 2004 hat. Einen ähnlich radikalen Schnitt zu vollziehen, traut man sich auf der Insel aber nicht. Und genau darum wurschtelt man sich seit Jahren mittenrein in die weltfußballerische Anonymität.

Italien: Mischung aus Klima, Qualität und Form

Langsam war das alles. Die Hitze, sie setzte Andrea Pirlo und Daniele de Rossi schon extrem zu. Nach dem hart erkämpften Auftakt-Sieg gegen England in der Hölle von Manaus gab’s einen erschreckend leblosen Auftritt in der Tropenhitze von Recife, wo man gegen Costa Rica verlor. Und wirkliche Überzeugung und Verve war auch nicht zu erkennen, als man im schwülheißen Natal von Uruguay aus dem Turnier gebissen wurde.

Italien
Italien: Der zweite Außenverteidiger, das langsame Zentrum, biedere Offensiv-Kräfte: Prandelli hatte mit zu vielen Brandherden zu kämpfen.

Da halfen alle taktischen Überlegungen von Fuchs Cesare Prandelli nichts. Die höhere Grundposition von Pirlo, um ihn näher an die Passempfänger zu bringen, ebenso wenig wie der Einsatz von Abschirm-Jäger De Rossi und der Einsatz von Pirlo-Kopie Verratti neben dem alten Herrn. Weil neben dem wirklich braven Darmian es keinen zweiten Außenverteidiger gab, der sinnbringend im Spiel gewesen wäre – nicht der gelernte Innenverteidiger Chiellini, nicht der farblose Abate, nicht der als Wing-Back etwas hilflose De Sciglio.

Was auch ein Problem des Nachwuchses ist. Keine große Liga in Europa hat bei den Kadern der Vereine einen so geringen Anteil an bei den Klubs ausgebildeten Spielern wie die Serie A. Wie in Italien generell üblich, wird lieber an alten, verkrusteten Strukturen festgehalten, als mal etwas Neues zu probieren, weil es immer irgendein Gremium, einen 80-Jährigen Betonschädel, einige polemisierende Medien gibt, die das zu verhindern wissen.

Die Folge ist, dass Prandelli, fraglos einer der besten Trainer des Kontinents, hilflos zusehen musste, wie seine Mannschaft verglühte. Das Erreichen des EM-Finales vor zwei Jahren war kein Zufall, aber die Mischung aus den klimatischen Bedingungen und fehlender Form (wenn etwa Neu-Dortmunder Immobile so spielt, wie er heißt; ein Candreva halt nicht mehr als ein Durchschnitts-Kicker ist, Insigne von seinem Punch genau nichts zeigte, Cassano ein müder Abklatsch von 2012 ist und mit Parolo ein 29-Jähriger neu in den Kader kommt) killte Italien.

Spanien: „Generation Xavi“ entmachtet

Es kommt die Zeit, da bricht alles irgendwie in sich zusammen. Zumindest oft. Das war bei Frankreich 2002 so, das war bei Italien 2010 so, und jetzt hat’s die Spanier erwischt. Zu lange festgehalten an einer Spielweise, die die alternden Spieler nicht mehr auf dem höchsten Niveau zu spielen im Stande waren. Und gerade beim Ballbesitz-Fußball spanischer Prägung ist das unbedingt vonnöten.

Spanien
Spanien: Die Änderungen nach dem 1:5 gegen Holland waren zu spät und halfen zu wenig.

Aber Xavi wurde von den geschickten Holländern so kontrolliert, dass er danach nicht mehr ins Geschehen eingriff. Xabi Alonso nahm von den wie wild pressenden Chilenen ein veritables Trauma mit. Und ohne diese beiden Säulen im Zentrum mäanderte der Rest kopflos durch die Partien. Diego Costa konnte nie so eingesetzt werden, dass er seine Stärken ausnützen hätte können. Zu viele Spieler waren zu langsam oder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um jenes Gegenpressing zum Funktionieren zu bringen, das ja das eigentliche Erfolgsgeheimnis Spaniens war.

Und vor allem fehlte es dem Abwehr-Duo Ramos und Piqué vor allem gegen Holland, aber auch gegen Chile an der Gedankenschnelligkeit und der Abstimmung – auch, weil Busquets mehr vorne helfen musste als auf die Absicherung nach hinten achten zu können. Die gigantischen Löcher, die entstanden, waren ein Fest für die Holländer und die Hilflosigkeit gegen das chilenische Pressing wurde schnell deutlich.

Das allerdings war schon vorher klar: Von einem mutigen Gegner selbst angepresst zu werden, gefällt den sonst ja selbst pressenden Spaniern gar nicht – wie es etwa Portugal im EM-Halbfinale 2012 machte.

Und dann machte auch noch Iker Casillas jene dämlichen Anfängerfehler, die er nach einem Jahrzehnt auf Top-Niveau zuletzt auch bei Real Madrid immer häufiger wieder eingestreut hatte.

Wie so viele große Trainer vor ihm hat nun also auch Vicente del Boque zu lange an altverdienten Spielern festgehalten. Es sagt sich aber andererseits leicht, er hätte Xavi, Xabi Alonso und womöglich auch Iniesta und Casillas nach drei Titel in Folge eliminieren müssen. Die zu erwartenden Prügel von Medien und Fans will sich niemand antun. Verständlich.

Nicht, dass die Spanien jetzt Sorgen machen müsste – die letzten zwei U-21-Europameisterschaften gewann man, es rückt viel nach. Aber die „Generation Xavi“ ist hiermit an ihrem leider etwas unrühmlichen Ende des Weges angekommen.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Die Hälfte von Europas Großen hat komplett enttäuscht, aus den verschiedensten Gründen. Bei England wird sicherlich nichts besser, wenn man weiterhin so lauwarm vor sich hinlebt, bei Italien muss man abwarten, ob Biedermann Mancini übernimmt, Choleriker Conte oder doch Tüftler Guidolin (oder auch ganz wer anderer, Allegri ist ja für die Squadra Azzurra vom Markt). Keiner der drei wird aber die grundsätzlichen Probleme im italienischen Fußball lösen können, da ist der Verband gefragt.

Frankreich braucht für die Heim-EM mehr Persönlichkeiten im Mittelfeld, überall sonst ist die Equipe Tricolore gut aufgestellt. Deutschland wird zumindest zwei, vielleicht sogar drei absolute Schlüsselspieler auf dem Weg zur EM in zwei Jahren ersetzen – ob das ohne Reibungsverluste geht, muss man erst einmal sehen. Erstaunlicherweise sieht aus dem jetzigen Blickwinkel Holland als diejenige Mannschaft aus, die das wenigste Bauchweh haben muss: Der junge Kader hat die Erfahrung einer starken WM, muss praktisch nicht umgebaut werden und Guus Hiddink ist ein ganz erfahrener Trainer, der ein Team völlig anders führt als Van Gaal, sich aber um seine Autorität nicht sorgen muss.

Die Gelegenheit für Teams aus der zweiten Reihe, bei der EM die Arrivierten in den Schatten zu stellen, ist also gegeben. Sie müssten sich jetzt nur noch trauen.

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Die Bayern machen alles richtig – historischer 4:0-Sieg über Barcelona! https://ballverliebt.eu/2013/04/24/die-bayern-machen-alles-richtig-historischer-40-sieg-uber-barcelona/ https://ballverliebt.eu/2013/04/24/die-bayern-machen-alles-richtig-historischer-40-sieg-uber-barcelona/#comments Tue, 23 Apr 2013 23:28:17 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8700 Die Bayern machen alles richtig – historischer 4:0-Sieg über Barcelona! weiterlesen ]]> Na bumm! Die Bayern schlagen den FC Barcelona im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit 4:0 – und das Resultat ist kein Zufall. Im Spiel von Peps zukünftiger Mannschaft gegen Peps ehemaligem Team setzten die Münchner den Katalanen vor allem mit dem Mut zu, selbst hoch zu pressen und sich nicht hinten einzuigeln. Barça hatte letztlich keine Chance und wurde in der zweiten Hälfte sogar regelrecht zerlegt.

Bayern München - FC Barcelona 4:0 (1:0)
Bayern München – FC Barcelona 4:0 (1:0)

So sehr Bayern München schon Barcelona ähnelt, bevor Pep Guardiola im Sommer übernehmen wird – bei Ballbesitz und Passgenauigkeit ist europaweit nur der FC Bayern halbwegs in der Nähe der Katalanen – war doch klar, dass sich eher die Bayern auf die Gäste einstellen würden als andersrum. So gab es einige sehr zentrale Faktoren in diesem Spiel.

Das Pressing der Bayern

Was das Pressing angeht, sind das ohne Zweifel die beiden weltbesten Mannschaften. Die Bayern hatten wiederum einen recht genauen und differenzierten Plan (wie das schon im Viertelfinale gegen Juventus der Fall war): Diesmal befand sich die Pressing-Linie etwa auf Höhe der Mittellinie, bzw. leicht in der gegnerischen Hälfte. Gomez stand recht tief und ging auf Busquets bzw. die Innenverteidiger, dazu rückten Schweinsteiger und Martínez oft rasch auf und stellten die Wege zu.

So taten sich die Gäste trotz 62 % Ballbesitz in der ersten halben Stunde – was für Barcelona-Verhältnisse eh relativ wenig ist – extrem schwer, wirklich in das Angriffsdrittel zu kommen und es wurden ungewöhnlich viele lange Bälle versucht. Ohne den wirklich durchschlagenden Erfolg, es dauerte bis zur 42. Minute, ehe die Gäste den Gastgeber erstmals mit spielerischen Mitteln wirklich am Strafraum herumhetzen konnte.

Hinzu kam, dass die Bayern, wenn sie den Ball halbwegs sicher hatten (Barcelona presst unter Vilanova auch nicht mehr ganz so exzessiv wie unter Guardiola), die Abwehrkette extrem weit nach vorne zu schieben traute. Das ist gegen Barcelona aufgrund ihrer Stärke im Bälle in den Rücken der Abwehr spielen extrem gefährlich, weil aber das Barça-Zentrum gut angegangen wurde, funktionierte das.

Der Kampf im Mittelkreis

Busquets, Xavi und Iniesta standen im Zentrum Schweinsteiger, Martínez und Müller gegenüber. Die Bayern agierten in diesem Bereich relativ strikt Mann gegen Mann – so übernahm Schweinsteiger die Bewachung von Xavi, sobald dieser die Mittellinie überquerte, und zwar auch horizontal. Ähnliches galt für Javi Martínez und Iniesta, während Müller in höherer Position zumeist gegen Busquets am Werk war.

Dieses theoretische 3-gegen-3 versuchten die Bayern zu ihren Gunsten zu drehen, indem sich Gomez oft recht tief fallen ließ und/oder Robben von der rechten Seite weit in die Mitte zog, um in diesem Bereich eine Überzahl herzustellen. Genau dieses zentrale Vorhaben sprach Müller nach dem Spiel auch im TV-Interview mit Sky an. Das Pressing (weiter hinten) setzte vor allem Xavi und Busquets zu, während Iniesta mit dem robusten Spiel von Martínez extreme Probleme hatte, zwar oft am Ball war, aber praktisch nichts Konkretes zu Stande brachte.

Die Herangehensweise auf den Flügeln

Mit den Flügel-Achsen Lahm/Robben und Alaba/Ribéry hatten die Bayern nominell einen haushohen Vorteil, was das Bespielen der Außenbahnen angeht, weil Barcelona üblicherweise die Flügel nur jeweils nur mit einem Spieler besetzt, mit Dani Alves rechts und Jordi Alba links. Wie massiv der Respekt von Vilanova gegenüber der Bayern-Flügelzange ist, zeigte die Art und Weise, wie er seine Außenstürmer Pedro und Sánchez spielen ließ. Diese agierten nämlich extrem zurückgezogen und testeten Lahm und Alaba kaum, sondern erwarteten die Vorwärtsläufe dieser beiden recht tief, während Dani Alves und Jordi Alba die vertikale Arbeit verrichteten.

Auf der linken Seite arbeitete Ribéry extrem viel nach hinten mit und half Alaba gegen Dani Alves, sodass dieser kaum einmal wirklich ein offensiver Faktor war. Erstaunlich, dass sich Pedro dennoch nie wirklich dazu durchringen konnte, konstruktiv in dieser Zone des Feldes mitzuarbeiten. Auf der anderen Seite rückte Robben wie erwähnt recht hoch ein und überließ Lahm die Seite, und weil auch hier Alba die Hilfe von Sánchez fehlte – und Lahm eine ausgezeichnete Partie ablieferte – brannte nichts an.

Die Vertikal-Läufe von Schweinsteiger und Martínez, die als Nebeneffekt Platz für die aufrückenden Außen der Bayern schafften, wurden hingegen nicht konsequent genützt.

Messi und die Bayern-Innenverteidigung

Keine Frage – von „wirklich fit“ oder „annähernd 100 %“ war Messi drei Wochen nach seiner im Hinspiel gegen PSG erlittenen Verletztung meilenweit entfernt. Ihm fehlte die gewohnte Spitzigkeit, die Mobilität und die Fähigkeit, unerwartete Haken zu schlagen. Ihm fehlte aber auch die Unterstützung der in diesem Spiel massiv gebundenen Xavi und Iniesta. Das erlaubte es den Bayern, eine relativ unkomplizierte Taktik im Verteidigen von Messi zu spielen.

Diese stützte sich in erster Linie auf Dante. Der brasilianische Wuschelkopf spielt ganz generell eine herausragende Saison, zudem hat er die Fähigkeit, ein Spiel zu lesen, ist sehr passsicher und auch ziemlich resistent gegen Pressing. Gegen den oft Richtung Pedro bzw. Xavi driftenden Messi geriet Dante nie in Panik, im Gegenteil, er rückte wenn nötig geschickt heraus und wurde von Boateng bzw. Alaba abgedeckt. Was auch möglich war, weil aus dem Barcelona-Mittelfeld zu wenig nachgerückt wurde und Pedro überhaupt keine Bedrohung darstellte.

Das logische Manöver, um die Bayern an der Spieleröffnung zu hindern, wäre ein konsequentes Anpressen von Boateng gewesen. Der ist ein solider Innenverteidiger, aber kein Künstler und auch keiner von der vor allem mentalen Statur eines Dante. Alleine – es passierte nicht.

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Dante war der Chef in der Bayern-IV, Boateng das brave Helferlein.

Obwohl Boatengs Rolle hauptsächlich in der von Dantes treuem Helferlein bestand. Drei von vier Bällen, die Boateng spielte, lieferte er bei Dante selbst oder bei Neuer ab; wenig überraschend passierten ihm dabei auch keine Fehler. War der Pass für jemand anderen gedacht (also für Lahm und Robben, in erster Linie), kamen fast die Hälfte der Bälle nicht an. Anspiele auf Javi Martínez gab’s praktisch keine.

Ganz anders bei Dante: Dieser gab den Ball oftmals kurz zum zurückgerückten Schweinsteiger, sehr oft rückte er auch hinaus auf die linke Seite und eröffnete von dort für die dann aufgerückten Alaba und Ribéry, während Schweinsteiger abkippte und im Zentrum absicherte.

Die Tore

Dass sich der Gegentor-Schnitt von Barcelona von 0,55 pro Spiel (2010/11) auf mittlerweile über eines pro Spiel verdoppelt hat, liegt sicher zu einem großen Teil auch an der zunehmenden Verletzungsanfälligkeit von Puyol, dazu fehlte auch Mascherano; Adriano Correia (der im Viertelfinale gegen PSG innen spielte) ist eher Außenverteidiger, Busquets wurde im Mittelfeld gebraucht – so musste Marc Bartra ran. Der ist zwar grundsätzlich auch kein Schlechter, aber es ist sicherlich kein Zufall, dass drei der vier Tore aus knapp der Grundlinie entlang gespielten Querpässen resultierten (das erste, das zweite und das vierte).

Hinzu kommt, dass sich Barcelona vor allem bei Kopfbällen oft erstaunlich billig ausmanövrieren ließ – dabei wäre Gerárd Piqué 1,92 Meter groß. Dass das zweite Tor Abseits war und das dritte wegen den Blocks von Müller an Alba auch nicht zählen hätte dürfen, soll nicht verschwiegen werden – allerdings hätten auch die Bayern einen Hand-Elfmeter zugesprochen bekommen müssen und dass kurz vor dem Ende Alba nicht die rote Karte sah, als er Robben den Ball ins Gesicht warf, ist ebenfalls kaum nachvollziehbar. Viktor Kassai – der schon ein CL-Finale (das von Barcelona gegen Man Utd 2011), ein WM-Halbfinale (jenes zwischen Deutschland und Spanien 2010) und ein Olympia-Finale (das 1:0 von Argentinien gegen Nigeria 2008) leitete – hatte einen ganz schlechten Tag, benachteiligte aber beide Teams.

Barcelona lässt Raum und wird bestraft

Nach dem 2:0 kurz nach dem Seitenwechsel rückte das Mittelfeld von Barcelona auf, um für mehr Druck zu sorgen – was letztlich dazu führte, dass Heynckes mit Luiz Gustavo (statt Gomez) mehr Stamina ins Zentrum brachte. Dabei vernachlässigte die Innenvertigung mit Piqué und Bartra aber das Nachrücken, wodurch zwischen diesem Duo und Busquets ein ziemlich massives Loch entstand.

Die Bayern zermürbten Barcelona schon vor dem Seitenwechsel mit ihrem blitzschnellen Umschalten von Defensive auf Offensive und sorgten in der Barça-Abwehr damit für einige Verwirrung, mit dem Platz zwischen den Reihen in der zweiten Halbzeit hatten sie folglich ihre helle Freude. Der Konter über Ribéry, der via Schweinsteiger zu Robben flink auf die andere Seite verlagert wurde, wo die Abwehr aus der Position gezogen war (und Alba, nachdem er von Robben überwunden war, von Müller weggecheckt wurde), war dafür ein Paradebeispiel. Genauso wie der Konter über Alaba, der zum 4:0 führte.

Fazit: Bayern von A bis Z besser

Ein bärenstarker Müller, der das Barcelona-Mittelfeld zur Verzweiflung trieb. Ein gewohnt laufstarker Schweinsteiger, der jener Regisseur war, der Xavi hätte sein sollen. Ein extrem cooler Dante, der sich um (einen zugegebenermaßen waidwunden) Messi kümmerte und das Spiel von hinten eröffnete: Die Bayern waren von Abwehr bis Angriff dem FC Barcelona klar überlegen. Den Katalanen gelang es gegen das geschickte Pressing der Bayern, die gerade im Mittelfeld ihre Physis extrem intelligent ausspielten, nie, ihren Ballbesitz wirklich dauerhaft in die Nähe des Bayern-Strafraums zu verlegen.

Dazu fehlte es auch an den Impulsen von der Bank. Es ist seit Jahren der wohl größte Kritikpunkt an Barcelona, dass es keinen Plan B gibt. Das galt aber in der Regel für Spiele gegen Teams, die sich mit neun Feldspielern hinten einigeln – nicht, wenn man selbst im Mittelfeld angepresst wird und der Gegner sich traut, selbst aktiv zu werden. Damit hatte etwa Spanien im EM-Semifinale gegen Portugal schon ganz große Probleme, und die Bayern setzten diese Taktik gnadenlos um. Nicht, indem sie versuchten, Barcelona jetzt zwingend den Ballbesitz zu nehmen. Sondern ohne den Ball die Kreise des Gegners einzuengen und mit dem Ball schnell umzuschalten und die defensiven Fragezeichen von Barça zu nützen.

Letztlich ist der Sieg vielleicht um ein Tor zu hoch, aber dennoch ist dies das erste Mal, dass Barcelona von einem Gegner nicht nur kontrolliert wird, sondern die Schwächen gnadenlos aufgedeckt werden und das Team komplett zerlegt wird. Inwieweit das ein Wendepunkt der Geschichte ist, um mal das ganz große Ganze anzusprechen, wird sich zeigen, schließlich hat derzeit bis auf die Bayern praktisch keiner die Qualität, dieses Spiel gegen Barcelona so durchzuziehen (wie ernst man die Clásico-Niederlagen zuletzt in Cup und vor allem der längst entschiedenen Meisterschaft nehmen kann, ist eine Streitfrage).

Aber auf jeden Fall haben die Bayern gezeigt: Barcelona ist zu schlagen, auch, wenn man sich nicht hinten einigelt.

(phe)

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Pressing und hohe Linie: Portugal zeigt, wie man Spanien richtig nerven kann https://ballverliebt.eu/2012/06/28/pressing-und-hohe-linie-portugal-zeigt-wie-man-spanien-richtig-nerven-kann/ https://ballverliebt.eu/2012/06/28/pressing-und-hohe-linie-portugal-zeigt-wie-man-spanien-richtig-nerven-kann/#comments Thu, 28 Jun 2012 00:12:10 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7615 Pressing und hohe Linie: Portugal zeigt, wie man Spanien richtig nerven kann weiterlesen ]]> Da schau her: Endlich mal eine Mannschaft, die das spanische Spiel nicht über sich ergehen lässt oder „nur“ punktuell stört. Portugal presste im Halbfinale konsequent und etablierte eine extrem hohe Abwehr-Linie. Mit dieser Hoch-Risiko-Taktik darf sich Teamchef Paulo Bento durchaus als Gewinner fühlen. Auch, wenn für seine am Ende vom intensiven Spiel sehr müde Mannschaft im Elfmeterschießen den Kürzeren zog.

Spanien - Portugal 0:0 n.V., 4:2 i.E.

Es ist die ewige Frage gegen diese Spanier: Wie verhindert man, dass sie den Ball laufen lassen und man selbst Opfer des schnellen Gegenpressings wird? Vor zwei Jahren im WM-Achtelfinale haben es die Portugiesen mit eigenen Pressing versucht, sind dabei aber nicht konsequent genug nachgerückt. Dazu waren sie nach dem Gegentor zu Beginn der zweiten Halbzeit mental nicht mehr in der Lage zurück zu schlagen – und, weil sich Cristiano Ronaldo abgemeldet hatte.

Hohe Linie, hohes Pressing

Was unter Carlos Queiroz in Kapstand angedeutet worden war, ließ Paulo Bento nun in Donetsk in voller Härte spielen: Extrem hohe Verteidigungslinie, konsequentes Pressing weit in der gegnerischen Hälfte – so wurde einerseits vermieden, dass im Rücken des Pressing ein allzugroßes Loch entsteht (anders als etwa bei den Holländern, denen das vor allem gegen Dänemark, aber auch gegen Deutschland zum Verhängnis geworden war). Das braucht einerseits extremen Mut – schließlich ist keine Mannschaft so ballsicher und kann sich so schnell offensiv organisieren wie die Spanien. Und zum zweiten natürlich extreme Laufarbeit.

Die drei Mann im portugiesischen Zentrum – Meireles (wieder immer auf der Seite von Ronaldo), Veloso (zentral) und Moutinho – hatten eine ganz hervorragende Abstimmung beim Pressen auf ihre spanischen Gegenspieler (vor allem Xabi Alonso und Busquets): Zwei gingen, einer sicherte. Das machten sie mit einer Flexibilität, die seinesgleichen sucht. Aber auch Almeida war sehr viel unterwegs und sprintete die spanische Innenverteidigung und auch Casillas an.

Die Folge war, dass die Spanier öfter, als ihnen lieb war, auf lange Balle zurückgreifen mussten. Das ist nicht ihr Spiel, und so kamen sie auch nicht dazu, sich dauerhaft in der gegnerischen Hälfte festzusetzen. Allerdings ließen sie sich dadurch nicht davon abbringen, selbst ebenfalls ziemlich heftiges Pressing zu zeigen. Die Folge war ein wahres Pressing-Festival und zwei Mannschaften, die sich so im Mittelfeld neutralisierten.

„Echter“ Stürmer Negredo ein Schuss ins Knie

Vicente del Bosque hatte sich gegen Fàbregas als Falsche Neun entschieden und brachte mit Álvaro Negredo einen „echten“ Stürmer – das heißt, Del Bosque erwartete tief stehende Portugiesen, denen er mit Präsenz im Strafraum bekommen wollte. Eine Maßnahme, die aber die Portugiesen in ihrem Vorhaben, hoch zu stehen, zweifellos bestärkt hat: Einen spanischen Strafraumstürmer will man nicht im eigenen Strafraum haben. Durch das schnelle Herausrücken bis knapp vor die Mittellinie wurde Negredo seiner Stärke komplett beraubt.

Spanien wurde durch die mutige Spielweise der Portugiesen weiter zurück gedrängt, als man das gewohnt war. Nur Xavi bewegte sich eher in die andere Richtung: Der Mittelfeld-Stratege positionierte sich ungewohnt hoch, war zuweilen der vorderste Mann im Mittelfeld, beinahe auf einer Höhe mit Negredo. Die Idee dahinter war wohl, schneller in den Rücken der Portugiesen zu kommen, wenn er mal an den Ball kam. Aber es fehlte ihm an den gewohnten Anspielstationen um sich herum. So blieb Negredo über die kompletten 53 Minuten, auf denen er am Feld war, ein kompletter Null-Faktor.

Die Außenbahnen

Auch, weil das spanische Spiel einmal mehr komplett ohne jede Breite auskommen musste, vor allem die Seite von Arbeloa und Silva war anfällig. Silva turnte nämlich wie gewohnt fleißig im Zentrum umher und Arbeloa traute sich gegen Cristiano Ronaldo nicht so sehr den Vorwärtsgang einlegen – von allen Spaniern hatte er die geringste Laufleistung absolviert (als Außenverteidiger!). Das wiederum erlaubte Coentrão gefahrlose Vorstöße. Allerdings wurde die nicht vorhandene Hilfe von Silva für Arbeloa zu selten genützt. Dazu hätte sich der eher zentral als offensive Schaltstelle agierende Cristiano Ronaldo wohl etwas mehr auf die Flanke hinaus begeben müssen.

Auf der anderen Seite ist Jordi Alba schon im ganzen Turnier die größere offensive Bedrohung. Hier arbeitete Nani sehr gut gegen den Ball und er harmonierte auch gut mit dem sehr selbstbewusst auftretenden João Pereira. So wurde Spanien immer mehr ins Zentrum gedrängt, wo aber das portugiesische Pressing spanischen Raumgewinnen verhinderte. Spanien hatte kurz Halbzeit (verglichen mit sonst) kümmerliche 55% Ballbesitz, nicht die gewohnte Kontrolle über das Spiel und damit auch null Torgefahr.

Del Bosque bringt Breite rein

Nach einer Stunde reagierte Vicente del Bosque. Nicht nur, dass statt des unsichtbaren Negredo nun doch Fàbregas kam und statt des eben sehr zentral agierenden Silva mir Jesús Navas ein echter Flügelstürmer. Das sorgte dafür, dass Coentrão deutlich mehr nach hinten arbeiten musste und sich viel weniger an der Arbeit nach vorne beteiligen konnte. Am Ende war er der Portugiese mit der geringsten Laufleistung. Die Gefahr durch Navas limitierte ihn in ähnlichem Maße wie die Gefahr Ronaldo bei Spanien Arbeloa limitierte. So fehlte es nun auch den Portugiesen zumindest auf einer Seite an der Breite im Spiel.

Verlängerung

Wovon es Portugal nun aber noch viel mehr fehlte, war die Kraft. Halb durch die zweite Halbzeit hatten sie bereits zwei Kilometer mehr Laufleistung angesammelt als ihre elf Gegenspieler; vor allem das ständig pressende Zentrum mit Moutinho, Veloso und Meireles zeigte deutliche Verschleiß-Erscheinungen. Das Pressing ließ merklich nach, die Fehlpass-Quote stieg dafür in gleichem Maße.

Allerdings waren die Spanier in den etwa 70 Minuten, die dem portugiesischen Verfall vorangegangen waren, so sehr aus ihrem Konzept gebracht worden, dass sie es dennoch auch weiterhin nicht schafften, daraus Kapital zu schlagen. Sie kontrollierten nun zwar immer mehr den Ball, aber Zugriff auf den portugiesischen Strafraum bekamen sie kaum.

Verlängerung

Nachdem es beim torlosen Remis nach 90 Minuten geblieben war, ging es also in die Verlängerung, und kurz davor war bereits Pedro für den erstaunlich blassen Xavi gekommen. Damit war nun auch auf der linken Seite der portugiesische Vorwärtsgang gebremst.

Spanien stellte sich nun in einem recht klaren 4-1-4-1 auf. So „falsch“ war die Neun, die Fàbregas spielte, zwar gar nicht, aber er machte dennoch extrem viel Betrieb, war deutlich mobiler als Negredo vor ihm und spielte den eh schon platten Veloso endgültig kaputt, weswegen Bento stattdessen Custódio einwechselte. Er ließ sich merklich hinter Moutinho und Meireles fallen. Um das zu konterkarieren, kam kurz darauf Silvestre Varela für Meireles. Dieser hatte gegen Deutschland und Dänemark extrem viel Wirbel gemacht und kam nun über die rechte Seite in einem 4-2-3-1. Zentral agierte Ronaldo, links Nani. Vorne war Nélson Oliveira für Almeida gekommen: Ein frischer, lauffreudiger Spieler für den müde gelaufenen Almeida.

Dennoch: Portugal hing in den Seilen, aus den zwei Kilometern „Vorsprung“ bei der Gesamt-Laufleistung nach etwa 70 Minuten war am Ende der Partie ein knapper „Rückstand“ geworden. Es wurde nur noch mit großer Leidenschaft verteidigt und sich in jeden Pass, in jeden Schuss hineingeworfen. Das funktionierte: Portugal rettete sich ins Elfmeterschießen.

Dort allerdings rettete sich Spanien. Weil Bruno Alves, der ein starkes Spiel gezeigt hatte, seinen Verusch an die Latte knallte.

Fazit: Spanien im Finale, aber Daumen hoch für Paulo Bento

Dass sich ein Gegner von Spanier ein so großes Herz nimmt und tatsächlich (auch noch mit einigem Erfolg) versucht, das Spiel selbst in die Hand zu nehmen, gab es seit der Partie gegen Bielsas Chilenen – dem wohl besten Spiel der WM in Südafrika – nicht mehr. So lange Portugal die Kraft dazu hatte, also etwa 70 Minuten, zeigten sie der Welt, dass die Spanier durchaus zu verwirren sind, wenn man sie mit Teilen ihrer eigenen Waffen bekämpft. Mit konsequentem Pressing und einer hohen Linie ist diese Mannschaft vom eigenen Strafraum fern zu halten.

Allerdings hat auch eine Fehleinschätzung von Vicente del Bosque dazu geführt, dass Portugal so gut im Spiel war. Den Strafraumstürmer Negredo zu bringen, erwies sich als kontraproduktiv, weil durch die extrem hohe Linie der Portugiesen diese Typ Angreifer bei der Spielanlage der Spanier nicht gefragt war. Erst mit dem deutlich mobileren Fàbregas, der die erschöpfte portugiesische Mannschaft beschäftigte, kam mehr Kontrolle ins spanische Angriffsdrittel.

Auch, wenn es letztlich nicht dazu gereicht hat, eigene Chancen zu kreieren, muss Paulo Bento als einer der Sieger dieses Turniers im Allgemeinen und dieses Spiels im Speziellen gelten. Anders als etwa Laurent Blanc im Viertelfinale traute er es seiner Mannschaft zu, die spanische Kurzpass-Orgie nicht nur über sich ergehen zu lassen, sondern er hatte den Mut und vermittelte diesen auch seiner Mannschaft, die Spanier früh zu nerven.

Das hätte angesichts der Qualität der Spanier schlimm in die Hose gehen können, aber mit dem isolierten Negredo statt des spielstarken Fàbregas in der Spitze konnte Spanien lange nichts ausrichten. Ja, Portugal wurde selbst nicht gefährlich und war kräftemäßig nach 70 Minuten am Limit und nach 100 Minuten komplett streichfähig. Aber Daumen hoch für die mutige Herangehensweise.

(phe)

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Die spanische Nacht von Wien https://ballverliebt.eu/2012/06/08/die-spanische-nacht-von-wien/ https://ballverliebt.eu/2012/06/08/die-spanische-nacht-von-wien/#comments Thu, 07 Jun 2012 23:18:29 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7400 Die spanische Nacht von Wien weiterlesen ]]> Iker Casillas stemmte den Cup in den Wiener Nachthimmel. Der Bann war gebrochen: Spanien, der ewige Under-Achiever, hatte endlich das Potenzial ausgeschöpft. Das Finale der Euro 2008 im Happel-Stadion brach den Bann, fortan etablierten sich die Spanier als bestes Team der Welt. Doch die Spielweise beim 1:0-Sieg über Deutschland war schon untypisch.

Spanien - Deutschland 1:0 (1:0)

Über die Russen hinweggefegt. Die Schweden niedergerungen, Griechenland mit einer B-Elf auch geschlagen. Im Elfmeterschießen gegen Italien die eigenen Dämonen aus der Vergangenheit ausgetrieben. Und auch im zweiten Spiel gegen Russland dem Gegner keine Chance gelassen: Das Turnier von Spanien war nicht nur von guten Leistungen geprägt, sondern auch von Siegen. War ja nicht immer der Fall.

Arbeitssieg gegen Polen, verdiente Pleite gegen Kroatien. Sich mit einem Gewalt-Freistoß über Österreich drüber gerettet. Portugal kontrolliert und ausgekontert. Und dann gegen das türkische Rumpf-Team mit ordentlich Glück und einem Tor in der Nachspielzeit ins Finale eingezogen: Das Turnier von Deutschland war, nun ja, typisch deutsch. Nicht geglänzt, aber irgendwie durchgewurschtelt.

Kein Villa, hoher Xavi, wenig Ballbesitz

Die Oberschenkel-Verletzung, die sich David Villa im Halbfinale gegen Russland zugezogen hatte, machten einen Einsatz im Endspiel im Wiener Happel-Stadion unmöglich. Darum kehrte Spaniens Teamchef Luis Aragonés zu jenem 4-1-4-1 zurück, das er schon in der Quali höchst erfolgreich angewendet hatte, und das er erst für das Turnier beiseite schob. Eben um für Villa UND Torres Platz zu schaffen. Das war nun nicht mehr nötig, also rutschte Fàbregas wieder ins Team, neben Xavi.

Erstaunlich war die hohe Positionierung von Xavi. Dieser schob, parallel mit Fàbregas, vor allem bei deutschem Ballbesitz oft weit in die gegnerische Hälfte hinein. Natürlich geschah das, um Druck auf die deutsche Spieleröffnung zu machen, aber es hieß auch, dass Xavi bei Ballgewinn nur eine Anspielstation vor sich hatte (eben Torres). Damit ist sicherlich auch zu erklären, wie es möglich war, dass die Deutschen in diesem Endspiel deutlich mehr Ballbesitz hatten als die Spanier, nämlich bei 55 Prozent.

Initiative beim deutschen Team

Im Halbfinale gegen die Türkei krankte das deutsche Spiel vor allem an der mangelnden Initiative und dem lange Zeit komplett fehlenden Zug zum gegnerischen Tor. Es war sofort zu merken, dass Ballack und Co. es diesmal ganz anders, viel besser machen wollten: Das Mittelfeld in Löws 4-2-3-1 rückte schnell auf, mit Schweinsteiger (rechts) und Podolski (links) gab es zwei agile Optionen auf den Flügeln. Und vor allem: Sturmspitze Miro Klose ließ sich sehr weit fallen.

Dadurch beschäftigte er Senna und entlastete sogleich Ballack. In der Anfangsphase hatte Deutschland das Mittelfeld komplett im Griff und hatte auch zwei kleinere Chancen. Auch, weil vor allem über die linke Seite mit Philipp Lahm und Lukas Podolski viel nach vorne gemacht wurde und so die Kreise von Sergio Ramos sehr gut eingeengt werden konnten.

Loch im Rücken des Mittefelds wird zum Problem

Nach rund 15 Minuten aber war zum einen der erste Schwung der Deutschen etwas verfolgen und zum anderen fanden die Spanier die zwei Schwachstellen im deutschen Team: Das Loch, das zwischen dem aufrückenden Mittelfeld und den Verteidigern entstand. Und, dass die deutschen Innenverteidiger Mertesacker und Metzelder massive Probleme bekommen, wenn ihre (eben nicht vorhandene) Schnelligkeit gefragt ist.

So breiteten sich Iniesta (eher über links, gegen den nach vorne sehr zurückhaltenden Friedrich) und David Silva (eher über rechts, im Rücken von Podolski) recht genüsslich zwischen den Linien aus, ohne dass sich vor allem Thomas Hitzlsperger groß um sie gekümmert hätte. Dazu zog sich nun auch Torres etwas zurück, um steil geschickt werden zu können und das Tempo-Defizit der deutschen Hintermannschaft ausnützen zu können.

Als das nach rund einer halben Stunde zum Erfolg, also zum 1:0 geführt hatte, lag die spanische Führung bereits in der Luft. Durch das Aufrücken von Fàbregas uns Xavi wich auch der Druck von Senna, weil dadurch auch Ballack gezwungen war, mehr nach hinten zu arbeiten. Die Spanier hatten sukzessive die Kontrolle über das Zentrum übernommen.

Deutsche Umstellungen…

Philipp Lahm musste mit einer Fleischwunde für die zweite Halbzeit passen, für ihn kam Marcell Jansen in die Partie. Normalerweise ist ein Ausfall von Lahm ein gewaltiges Problem für die deutsche Mannschaft, aber Jansen lieferte eine gute Partie ab. Wie zu Beginn der ersten Hälfte zeigten sich die Deutschen gewillt, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, aber die Spanier hatten sich auf das System und die Spielweise des Gegners eingestellt. Zudem hatte Ballack Probleme mit seiner Wade und konnte, je länger die Partie dauerte, dieser immer weniger seinen Stempel aufdrücken.

Löw sah, dass nichts weiterging, und opferte nach einer Stunde Achter Hitzlsperger und stellte mit Kevin Kuranyi eine zweite Spitze neben Klose. Das System war nun ein etwas schiefes 4-1-3-2. Schief, deshalb, weil Schweinsteiger von der rechten Seite sehr weit nach innen zog und die Flanke praktisch Arne Friedrich überließ. Weil dieser aber nun mal kein gelernter Außenverteidiger ist und ihm der Angriffsgeist fehlt, war diese Seite praktisch tot. Seltsam – denn mit Joan Capdevila war dort der klar schwächere der beiden spanischen Außenverteidiger postiert.

…und die spanische Reaktion

Luis Aragonés reagierte prompt auf die Umstellung von Löw und nahm Fàbregas aus dem Spiel. Für den Arsenal-Legionär kam mit Xabi Alonso ein zweite Mann für das defensive Mittelfeld – so stellte sich Spanien ab sofort in einem 4-2-3-1 auf, mit Xavi als Zehner, Cazorla (nun statt Silva dabei, der am Rande des Ausschlusses wandelte) rechts und Iniesta links bis halblinks.

Schlussphase

Die Absicht dahinter war klar: Mit Cazorla ein offensiver Mann gegen Jansen, um diesen nach hinten zu drängen und einen zweiten Sechser, um gegen Ballack und den nach innen ziehenden Schweinsteiger nicht in Unterzahl zu geraten.

Die Deutschen hatten zwar eine Phase, in der sie einige Male in den Strafraum kamen, aber nachhaltig war diese nicht – im Gegenteil. Weil das deutsche Team natürlich, je näher es dem Ende entgegen ging, immer mehr aufmachen musste, boten sich im Rücken von Ballack und Schweinsteiger natürlich immer mehr Räume. Torres hätte diese schon nützen können, der für „El Niño“ eingewechselte Güiza ebenso.

Ein zweites spanisches Tor, mit dem das Finale endgültig entschieden gewesen wäre, schien immer wahrscheinlicher zu sein, als ein Ausgleich der deutschen Mannschaft. Dem ungewohnten Minus in Sachen Ballbesitz zum Trotz.

Nötig war es nicht mehr. Spanien gewann 1:0. Und war erstmals seit 44 Jahren Europameister.

Nachwirkungen

Zwei Jahre nach der begeisternden Heim-WM schien Deutschland bei diesem Turnier in alte „Rumpelfußball“-Zeiten zurück zu fallen. Das sag aber vor allem an den Personalien Ballack und Frings – zwei Jahre später war die deutsche Mannschaft ohne diese beiden (Frings wurde aussortiert, Ballack war verletzt) spielerisch eines der stärksten bei der WM in Südafrika. Auf dem Weg entzauberte man die Russen in der Quali, rupfte die Engländer im Achtelfinale, machte im Viertelfinale aus Argentinien Kleinholz – und spielte im Halbfinale wieder gegen die Spanier.

Und das ist das große Paradoxon dieser beiden Mannschaften. Obwohl die deutsche Mannschaft beim Turnier in Südafrika um zwei Klassen besser war als bei jenem in Österreich und der Schweiz, obwohl mit dem Trio Özil/Khedira/Schweinsteiger im Zentrum statt Frings/Hitzlsperger/Ballack, war man in Durban „von A bis Z völlig und komplett ohne den Funken einer Chance„.

Spanien setzte in den Folgejahren auf personelle Kontinuität. Von den Finalisten von Wien waren nur Marchena und Senna zwei Jahre später beim WM-Titel nicht mehr mit dabei. Das Grundgerüst von Barcelona mit einer handvoll Real-Akteuren harmonierte, die Abwehr um Carles Puyol, möglicherweise dem weltbesten Abwehrspieler des Jahrzehnts, hielt komplett dicht.

Auch, wenn die Holländer im WM-Finale waren, steht doch außer Frage, dass in den Jahren nach der Euro 2008 die Spanier und die Deutschen die mit Abstand besten Nationalteams in Europa waren. So wurde in Wien durchaus so etwas wie ein Klassiker der Zeit begründet.

Spanien gegen Deutschland.

Das Personal

Spanien: Iker Casillas (27, Real Madrid) – Sergio Ramos (22, Real Madrid), Carles Puyol (30, Barcelona), Carlos Marchena (28, Valencia), Joan Capdevila (30, Villarreal) – Marcos Senna (31, Villarreal) – David Silva (22, Valencia), Xavi (28, Barcelona), Cesc Fàbregas (21, Arsenal), Andrés Iniesta (24, Barcelona) – Fernando Torres (24, Liverpool). Eingewechselt: Santi Cazorla (23, Villarreal), Xabi Alonso (26, Liverpool), Daniel Güiza (27, Mallorca). Teamchef: Luis Aragonés (69, seit vier Jahren).

Deutschland: Jens Lehmann (38, Arsenal) – Arne Friedrich (29, Hertha BSC), Per Mertesacker (23, Bremen), Christoph Metzelder (27, Real Madrid), Philipp Lahm (23, Bayern) – Torsten Frings (31, Bremen), Thomas Hitzlsperger (26, Stuttgart) – Bastian Schweinsteiger (23, Bayern), Michael Ballack (31, Chelsea), Lukas Podolski (23, Bayern) – Miroslav Klose (30, Bayern). Eingewechselt: Marcell Jansen (22, Bayern), Kevin Kuranyi (26, Schalke), Mario Gomez (22, Stuttgart). Teamchef: Joachim Löw (48, seit zwei Jahren).

(phe)

Die EURO 2008 in der Reihe „Ballverliebt Classics“:
Semifinals: Deutschland – Türkei 3:2 / Spanien – Russland 3:0
Viertelfinals:  GER-POR 3:2 / TUR-CRO 1:1 nV, 3:1 iE / RUS-NED 3:1 nV / ESP-ITA 0:0 nV, 4:2 iE
Gruppe A: Portugal 6, Türkei 6, Tschechien 3, Schweiz 3.
Gruppe B: Kroatien 9, Deutschland 6, Österreich 1, Polen 1.
Gruppe C: Holland 9, Italien 4, Rumänien 2, Frankreich 1.
Gruppe D: Spanien 9, Russland 6, Schweden 3, Griechenland 0.

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Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/ https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/#comments Thu, 07 Jun 2012 00:04:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7389 Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen weiterlesen ]]> In den Halbfinals der Euro 2008 sahen jeweils klare Favoriten (Deutschland und Spanien) gegen zwei Außenseiter mit dem Turnierverlauf auf ihrere Seite (Türkei und Russland). Letztlich setzten sich die Favoriten durch, aber nicht ohne besondere Umstände. Die einen mussten den Sieg erzwingen, die anderen wurden von der Verletzung des Torschützenkönigs zum Glück gezwungen…

Na, wer fehlte den Türken denn diesmal? Antwort: Servet, Aşık, Güngör, Emre (alle verletzt), dazu Demirel, Arda und Nihat (gesperrt). Sprich: Den Türken stand für das Halbfinale gegen Deutschland ein flotter 15-Mann-Kader zur Verfügung. Darunter noch genau ein einziger Innenverteidiger. Kein Wunder, dass Fatih Terim im Vorfeld nur halb im Scherz meinte, dass womöglich der dritte Torwart Tolga als Feldspieler eingewechselt werden müsse.

Deutschland - Türkei 3:2 (1:1)

Freilich: Das war natürlich auch ein wenig Geplänkel, um die Deutschen in Sicherheit zu wiegen. Und das gelang auch, bis zu einem gewissen Grad. Dass sich die DFB-Elf aber generell schwer tat, ein Spiel selbst zu gestalten, war dem türkischen Trainer-Fuchs natürlich nicht entgangen und es spielte auch voll in seine Karten.

Es wären auch nicht typisch für die Türken in diesem Turnier gewesen, wenn sie nicht wieder in einem komplett neuen System angetreten wären. Nach einem symmetrischen 4-2-2-2 (gegen Portugal), einem 4-2-3-1 (gegen die Schweiz), einem assymmetrischen 4-2-2-2 (gegen Tschechien) und einem 4-3-3 (gegen Kroatien) war es diesmal ein ganz klares 4-1-4-1 mit einer wie auf einer Perlenkette aufgereihten Mittelfeldreihe.

Dahinter war Mehmet Aurélio weniger die klassische Absicherung, sondern vielmehr ein recht konsequenter Manndecker für Michael Ballack. Die Türken überließen den Deuschen recht bereitwillig den Ball, pressten ab der Mittellinie mit der Viererkette im Mittelfeld recht aggressiv, und nahmen den recht statischen und einfallslosen Deutschen die Anspielstationen vorne.

Die türkischen Außen, also Kâzım rechts und Boral links, rückten zudem immer wieder ein und wurden von Sabri und Balta hinten abgedeckt, sodass im Zentrum zuweilien vier Türken gegen maximal drei Deutsche standen. Bei Ballgewinn wurden bei den Türken schnell umgeschaltet – wie beim Lattenschuss nach rund zehn Minuten. Inhaltlich waren die Roten die klar bessere Mannschaft, und nach 22 Minuten wurde auch die defensive Passivität von Podolski ausgenützt: Er verhinderte Sabris Flanke nicht, und Boral verwertete den Abstauber, nachdem der Ball an die Latte geprallt war.

Die spielerische Brillanz bracht Jogi Löw erst in Richtung der WM in Südafrika in seine Mannschaft. Für das Team in diesem Turnier gab es im Grunde nur zwei Wege zum Torerfolg: Freistöße (einer gegen Österreich und zwei gegen Portugal) und Flanken von der linken Seite (einmal gegen Kroatien und einmal gegen Portugal). So war es auch in diesem Spiel. Podolski konnte in der ganzen ersten Hälfte nur zweimal in den Raum geschickt werden, einmal brachte er eine Flanke in die Mitte, wo Schweinsteiger verwertete – eine Kopie des ersten Tores gegen Portugal.

Konkreter wurden die Aktionen nach dem Seitenwechsel auch deshalb nicht, weil Rolfes verletzt ausscheiden musste und durch Frings ersetzt wurde. Kein guter Tausch – schließlich konnte Rolfes zumindest noch Ansatzweise sinnbringende Pässe nach vorne spielen, Frings war ein reiner Zerstörer.

So plätscherte das Spiel recht ereignisarm über weiter Strecken der zweiten Hälfte. Ehe die Deutschen aus einem Freistoß (wie auch sonst) etwas unverhofft zum 2:1 kamen – Rüştü kam aus seinem Tor, kam aber nicht mehr rechtzeitig vor Klose an den Ball, dessen Kopfball landete im Netz. Doch auch hier gilt: Die Türken wären nicht die Türken, wenn sie nach diesem Nackenschlag nicht doch wieder ausgleichen hätten können.

Terim brachte Gökdeniz (für den müde gelaufenen Boral auf links) und mit Mevlüt statt Ayhan eine zumindest hängende Spitze zu Semih dazu. Und natürlich war es auch wieder die Seite des defensiv recht, nun ja, passiven Lukas Podolski, über die Sabri durchging, sich auch gegen Lahm durchsetzte und einen Pass parallel zur Toraus-Linie zur Mitte brachte – wo Semih die Kugel an Lehmann vorbei ablenkte. Das 2:2.

Nun aber ging bei den Türken die Ordnung verloren. Was zuvor vorne klar strukturiert war und wo jeder seine genauen Aufgaben kannte, herrschte nach dem 2:2 etwas Chaos, und in der Rückwärtsbewegung war Sabri nicht so konsequent wie er hätte sein müssen. So war in der Nachspielzeit bei Deutschland wieder die Variante „Angriff von links“ an der Reihe, und Lahm wühlte den Ball zum 3:2 durch die Abwehr. Nun hatten die Türken keine Antwort mehr.

Nach 80 Minuten gegenseitiger Neutralisation und zehn Minuten wilden Treibens war Deutschland im Finale, das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Offensivleistung mehr als mau war. Ohne den komplett neutralisierten Ballack war kaum Kreativität vorhanden. Podolski sorgte auf der linken Seite zwar für einige gute Aktionen und war letztlich auch an allen Toren irgendwie beteiligt, war aber doch ein extremes Sicherheits-Risiko nach hinten. Und die Zentrale konnte mit dem aggressiven türkischen Mittelfeld kaum umgehen.

Eigentlich hatte Fatih Terim mit seinem verbleibenden Mini-Kader alles richtig gemacht. Doch ein beinahe klischeehaft erkämpfter, „typisch deutscher“ Sieg bedeutete für eine der faszinierendsten Teams des Turniers das Aus im Halbfinale.

Luis Aragonés hasst Gelb. Er hasst es. Und doch musste seine Mannschaft in den gelben Ausweich-Trikots zum Halbfinale gegen Russland antreten. „Dabei ist das nicht mal ein richtiges Gelb“, brummte der spanische Teamchef noch, „sondern mehr sowas Senf-ähnliches.“ Gelbe Trikots hin oder her, Aragonés wusste, dass er Juri Shirkov stoppen musste, um nach dem 4:1 im ersten Gruppenspiel auch im Halbfinale die Oberhand gegen die Russen zu behalten.

Spanien - Russland 3:0 (0:0)

Er wies Rechtsverteidiger Sergio Ramos an, so hoch wie möglich zu stehen, Shirkov schon in der russischen Hälfte festzunageln, und so dem Aufbauspiel der Russen die größte Waffe zu nehmen. Der Effekt für die russische Mannschaft war verheerend. Weil Shirkov der einzige Spieler war, der überhaupt auf diesem Flügel aufgeboten wurde, fehlte die Breite, wodurch die Sbornaja ins Zentrum gezwungen wurde – wo sie wegen den einrückenden Silva und Iniesta immer wieder in eine 3-gegen-4-Unterzahl gerieten.

Andrej Arshavin versuchte zwar, über seine Positionierung über die halbrechte Seite zu retten, was zu retten war und den Rückraum hinter Ramos zu nützen, aber weil Puyol sehr aufmerksam agierte, funktionierte das gar nicht und Arshavin war genauso aus dem Spiel genommen wie Shirkov.

Und damit das Tempo im Spiel der Russen. Die hatten zwar zunächst sogar mehr Ballbesitz, konnten aber nie Tempo aufbauen und wussten so nicht so recht, was sie mit der Kugel anfangen sollten. Allerdings kamen durch das extrem enge eigene Spiel auch die Spanier nicht so recht durch. Das änderte sich erst durch die Verletzung von David Villa nach einer halben Stunde.

Es wäre natürlich etwas hart, zu sagen, die Verletzung von Villa wäre das beste gewesen, was Spanien in diesem Spiel passieren hätte können. Was aber nichts daran ändert, dass es stimmt. Denn mit Cesc Fàbregas kam genau jener Spieler rein, der in der Folge den Unterschied ausmachte. Durch die tiefere Positionierung von Fàbregas gegenüber Villa hatten die Spanier nun teilweise eine Zwei-Mann-Überzahl im Zentrum, das sich brutal auswirkte.

Und nach dem Seitenwechsel schnell für die Vorentscheidung sorgte. Die Russen hatten nun auf so viele Spanier aufzupassen, dass Prioritäten gesetzt werden mussten, und in der Nähe des eigenen Strafraums lagen diese eher auf Torres, Silva und Fàbregas – nicht aber auf Xavi. Bei Inestas Flanke fünf Minuten nach Wiederanpfiff hatten die Russen Xavi einfach nicht auf der Rechnung. Sie ließen ihn gewähren, er traf zum 1:0, und die Russen waren schwer getroffen.

Mit Fàbregas im Mittelfeld dominierte Spanien nun nach Belieben. Shirkov blieb abgemeldet, Arshavin isoliert und mit Ausnahme von fünf Minuten in der ersten Halbzeit war auch von Pavlyuchenko nicht viel zu sehen. Stattdessen drehten die Spanier an der Temposchraube und verwirrten die Russen mit ihren ständigen Rochaden immer mehr. Torres wurde in der Folge fast im Minutentakt bedient, er vernebelte aber die besten Chancen – ehe der halb durch die zweite Hälfte für ihn eingewechselte Güiza in der 73. Minute mit seinem 2:0 den Deckel draufmachte.

Bei den Russen waren zuvor Sychov für Saenko gekommen (rechte Angriffsseite), und mit Bilyaletdinov statt Semshov (der sich erfolglos darum bemüht hatte, Xavis Kreise einzuengen) sollte etwas mehr Punch nach vorne kommen – doch mit dem 2:0 und mit der Einwechslung von Xabi Alonso für Xavi, um die vorgezogene Positionierung von Bilyaletdinov auszugleichen, war alles vorbei. Das 3:0 durch den großartig aufspielenden David Silva war nur noch die Draufgabe.

So wurde Luis Aragonés mehr oder weniger zu seinem Glück gezwungen – die Einwechslung von Fàbregas bescherte seinem Team den entscheidenden Vorteil im Mittelfeld und damit den letzlich ungefährdeten Sieg.

(phe)

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Euro-Classics 2008 – Zwei Korken-Knaller https://ballverliebt.eu/2012/06/04/euro-classics-2008-zwei-korken-knaller/ https://ballverliebt.eu/2012/06/04/euro-classics-2008-zwei-korken-knaller/#respond Mon, 04 Jun 2012 06:48:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7244 Euro-Classics 2008 – Zwei Korken-Knaller weiterlesen ]]> Spanien? Trotz starkem Kader noch immer irgendwie gescheitert. Griechenland? Den Spielverderber der spielerisch ansonsten grandiosen EM vier Jahre davor wollte keiner sehen. Schweden? Immer dabei, meistens ganz gut, aber selten wirklich aufregend. Die Russen? Zwanzig Jahre her, dass die eine relevante Mannschaft hatten. Kaum jemand interessierte sich vor der Euro2008 für die eher unscheinbare Gruppe D. Zu Unrecht, denn zumindest zwei Teams drückten dem ganzen Turnier ihren Stempel auf!

Spanien - Russland 4:1 (2:0)

Spanien – Russland 4:1 (2:0)

Luxusprobleme plagten Luis Aragonés vor dem Turnier-Start seiner Spanier. Im Mittelfeld hatte er Silva, Xavi, Iniesta und Fàbregas, dazu Xabi Alonso und Senna zur Verfügung. Vorne David Villa und Fernando Torres. Wen sollte der 69-jährige Griesgram da draußen lassen? Und doch nahm vor dem Turnier niemand die Spanier für voll. Weil sie noch immer einen Weg gefunden hatten, kolossal zu scheitern.

Gegen Russland ging Aragonés von seinem aus der Quali gewohnten 4-1-4-1 ab und brachte Villa UND Torres, Senna statt Xabi Alonso und beließ Fàbregas auf der Bank. Senna war der tiefste Spieler im Mittelfeld, Silva besetzte die linke Flanke und Iniesta nominell die rechte. Letzterer orientierte sich aber eher in die Mitte Richtung Xavi. Villa agierte als hängende Spitze und bewegte sich über die komplette Breite des Feldes.

Die Spielweise der Spanier war aber jener, die Barcelona in den folgenden Jahren praktizierte, bestenfalls ähnlich. Ja, Xavi verteilte aus der Tiefe die Bälle und es wurden die Lücken gesucht, die vor allem Villa durch seine hervorragenden Laufwege riss. Aber es gab kein Pressing. Nach Ballverlust zog sich die Mannschaft zurück, verhielt sich abwartend.

Bei den Russen hatte es Guus Hiddink geschafft, aus der eher rustikalen Mannschaft, die in den vielen Jahren davor staubtrockenen und in jeder Hinsicht un-aufregenden Fußball gespielt hatte, komplett umzupolen. Das wurde hier auch deutlich, obwohl Andrej Arshavin, der Top-Star des überragenden Uefa-Cup-Siegers Zenit St. Petersburg, in den ersten zwei Spielen gesperrt war. Hiddink setzte auf ein 4-2-3-1, in dem der Achter Konstantin Siryanov viel aufrückte, Die Flügelspieler Bilyaletdinov und Sychov viel einrückten und die Außenverteidiger – vor allem Juri Shirkov auf der linken Seite – brutal nach vorne preschten. In der Zentrale tummelten sich dann bis zu fünf Russen, die fächerartig ausscherten.

Das Resultat war in diesem Fall ein hochklassiges Spiel, der erste Spielabschnitt war zweifellos eine der herausragenden Halbzeiten des kompletten Turniers. In der beide Teams Chancen hatten – so wie Siryanovs Pfostenschuss nach 23 Minuten – aber weil sich die Russen hinten etwas naiv anstellten, scorte Spanien zweimal. Kolodin und Shirokov, fußballerisch deutlich die schwächsten Russen, standen zuweilen arg weit auseinander und zeigten sich vor allem schnellen spanischen Steilpässen aus der Tiefe nicht gewachsen. Erst legte Torres nach einem solchen für Villa quer, dann steckte Xavi für den Torjäger von Valencia durch.

Hiddink brachte für die zweite Hälfte mit Bystov einen neuen Mann für die linke Angriffsseite, er wollte damit dessen Tempo die vermeintliche spanische Schwachstelle, Linksverteidiger Capdevila, anbohren. Doch Bystrov versteckte sich von der ersten Minute an. Zudem kamen in der Folge bei den Spaniern Fàbregas (für Torres) und Cazorla (für den nach einer Lebensmittelvergiftung nicht ganz fitten Iniesta). Diese Wechsel nahmen Russland aus dem Spiel: Denn mit Cazorla (rechts) und Silva (links) waren nun beide der extrem offensiven russischen AV gebunden, im Mittelfeld stand es durch die tiefere Positionierung von Fàbregas nun endgültig 3 gegen 3, und vorne war Villa ein ständiger Gefahrenherd.

Hiddink nahm in der 70. Minute den Totalausfall Bystrov wieder vom Platz, aber das Pendel war längst in Richtung der Spanier umgeschwungen. Umso mehr, als Villa einmal mehr Shirokov austanzte und zum 3:0 traf. Die Russen waren inhaltlich übervorteilt worden, damit auch psychisch geschlagen. Der Anschlusstreffer durch Pavlyuchenko kurz vor dem Ende war nur ein kleines Aufflackern, das (Abseits-)Tor von Fàbregas in der Nachspielzeit zum 4:1 kaum noch mehr als Kosmetik.

Griechenland – Schweden 0:2 (0:0)

Griechenland - Schweden 0:2 (0:0)

War das erste Spiel an diesem Tag noch zumindest eine Stunde lang uneingeschränkt großartig, bot das Abendspiel in Salzburg die mit Abstand ödesten 90 Minuten des Turniers.

Ottos Titelverteidiger aus Griechenland kamen wie schon 2004 mit einem klassischen Libero (Dellas) und zwei Manndeckern daher (Kyrgiakos gegen Ibra, Antzas gegen Henke Larsson). Das stellte sich defensiv als Fünferkette dar, im Ballbesitz gingen alle Spieler bis auf die drei hinten und noch Basinas weit nach vorne. Die Folge: Minutenlanges Hin- und Herschieben des Balles in der eigenen Hälfte, ehe ein komplett sinnbefreiter langer Ball in die grobe Richtung des gegnerischen Tores folgte. Bezeichnend dafür etwa der 70m-Torschuss von Dellas nach einer halben Stunde, der näher an der Eckfahne landete als am schwedischen Tor. Von einem der sich schlecht bis gar nicht bewegenden Mitspieler ganz zu schweigen.

Das unglaublich langsame Tempo der Partie war aber auch möglich, weil es die Schweden tunlichst vermieden, den ballführenden Griechen auch nur im Ansatz unter Druck zu setzen. Das flache 4-4-2 von Lars Lagerbäck war extrem statisch, im Umschalten langsam, ohne jedes Pressing und bar jeder Kreativität. Kurz: Hölzern. Die besten Szenen gab es, wenn Chippen Wilhelmsson die Seite wechselte und Seitaridis einen zweiten Gegenspieler hatte.

Erst nach dem Seitenwechsel rückten die Schweden etwas auf, um nicht das ganze Spiel zuzusehen, wie sich die Griechen, in ihrer Hälfte alleine gelassen, die Zeit runterspielten. Das behagte den Griechen zwar nicht, aber weil Kyrgiakos seinen Gegenspieler Ibrahimovic auf Schritt und Tritt verfolgte, kamen die Schweden kaum zu Torchancen. Erst nach 67 Minuten entwischte Ibra seinem Bewacher und er traf mit einem sehenswerten Schuss ins lange Eck. Wenige Minuten später nudelte der aufgerückte Innenverteidiger Petter Hansson den Ball zum 2:0 über die Linie, das Spiel war entschieden. Rehhagel löste zwar seine Dreierkette auf (nominell zuindest, weil nun dafür Seitaridis hinten blieb), aber zu viele Abspielfehler, technische Unzulänglichkeiten und fehlende Kreativität verhinderten griechische Torchancen.

Stand nach dem ersten Spieltag: Spanien 3, Schweden 3, Griechenland 0, Russland 0.

Schweden - Spanien 1:2 (1:1)

Schweden – Spanien 1:2 (1:1)

Der Ansatz von Aragonés, mit Villa UND Torres zu spielen, hat sich gegen Russland ausgezahlt. Darum war der Ansatz und die Aufstellung gegen die Schweden exakt gleich. Doch stellte sich schnell ein Lerneffekt ein: Mit langen Bällen in die Spitze wird’s gegen die robuste und vielbeinige schwedische Defensive nicht viel zu holen geben. Dem 1:0 durch Torres nach einem Eckball zum Trotz.

Das Trekronor-Team tat Spanien nämlich nicht den Gefallen, wie Russland mitspielen zu wollen, sondern stellte sich tief. Lediglich die Mittelfeld-Außen Ljungberg und Elmander schauten, dass sie halbwegs hoch standen, um den Vorwärtsdrang von Ramos und Capdevila zu bremsen. Die Spielanlage der Schweden war zumindest in der ersten Hälfte aktiver als noch gegen die Griechen, der Ausgleich durch Ibrahimovic nach einer halben Stunde war die Belohnung.

Dennoch: Je länger das Spiel dauerte, umso passiver wurden die Schweden, und umso mehr ähnelte das Spiel der Spanier nun doch jener ballbesitz-orientierten Kurzpass-Orgie an, für die Xavi, Iniesta und Co. bekannt sind. Es fehlte den Spaniern an der Breite und die Schweden machten im Zentrum hervorragend die Räume dicht.

Aragones reagierte nach einer Stunde darauf und brachte, wie schon in der ersten Partie, Cazorla für Iniesta; dazu Fàbregas statt Xavi. Die Neubesetzung auf den Flügeln hatte die Folge, dass neben Elmander (und später Seb Larsson) auch Ljungberg mehr in die Defensive eingebunden war. Schweden war extrem passiv, ließ das Spiel der Spanier über sich ergehen und wollte nur noch den einen Punkt über die Zeit mauern – die Einwechslung eines zusätzliches Sechsers (Källström) für Henke Larsson war ein klares Indiz dafür.

Es gelang allerdings nicht. Weil David Silva in der Nachspielzeit doch noch eine Lücke erspähte, in die er Villa schickte. Dieser ließ noch Mellberg aussteigen und schob zum 2:1 ein. Praktisch in letzter Sekunde, aber hochverdient.

Griechenland – Russland 0:1 (0:1)

Griechenland - Russland 0:1 (0:1)

Nachdem die Russen Spanien ins offene Messer gelaufen waren, agierten sie gegen Griechenland deutlich vorsichtiger. Semshov spielte zurückgezogen, mit Siryanov war eher ein gelernter Achter auf der rechten Außenbahn aufgestellt. Arshavin saß das letzte Spiel seiner Sperre ab.

Auf der anderen Seite trauten sich die Griechen mehr zu als beim Auftritt gegen Schweden, für den sie mörderische mediale Prügel bezogen hatten. Weil die Russen nur mit einem Stürmer spielten, sparte sich Rehhagel den zweiten Manndecker, mit Patsatzoglou kam dafür ein dritter Spieler ins zentrale Mittelfeld. Somit war dort wieder Gleichstand hergestellt. Zudem sorgte die hohe Positionierung von Charisteas und Amanatidis dafür, dass die sonst so aktiven russischen Außenverteidiger nicht so zur Geltung kamen wie noch gegen Spanien.

So trafen sich die Teams ziemlich in der Mitte. Das Spiel war geprägt von langen Bällen, wenig zusammen hängenden Aktionen und generell überschaubarem Niveau. Es gelang den Russen nicht, das Spiel breit zu machen und damit Räume zu schaffen – schließlich war die Grundausrichtung der Griechen immer noch defensiv und darauf bedacht, den Gegner nicht zur Geltung kommen zu lassen.

Die Griechen erinnerten in diesem Spiel deutlich mehr an jene Leistungen, die ihnen vier Jahre zuvor den Titel beschert hatten: Hinten nicht viel zulassen, aber zweikampfstark im Zentrum und stark über die Flügel. Seitaridis preschte bis zu seinem Austausch (Muskelzerrung) kurz vor der Halbzeit so die Flanke auf und ab, wie er das in Portugal gemacht hatte und bereitete so auch die eine oder andere Chance vor.

So brauchten die Russen einen ziemlich derben Fehler von Torhüter Nikopolidis, um zum 1:0 zu kommen: Der Torhüter lief einer Bilyaletdinov-Flanke am Tor vorbei nach, Semak brachte den Ball zurück zur Mitte und Siryanov konnte aus zwei Metern mühelos verwerten. Nach dem Seitenwechsel brachten die Russen mehr Leute in die gegnerische Hälfte, weil sie merkten, dass sie von den Griechen ohne Seitaridis auf der Außenbahn nicht mehr viel zu befürchten hatten. Es blieb aber eine schwache Partie mit vielen Fehlpässen. Und die schwächste Leistung der Russen in diesem Turnier.

Stand vor dem letzten Spieltag: Spanien 6, Schweden 3, Russland 3, Griechenland 0.

Griechenland – Spanien 1:2 (1:0)

Griechenland - Spanien 1:2 (1:0)

Die Spanier waren nicht mehr von Platz eins zu verdrängen, so konnte es sich Luis Aragonés erlauben, gegen die Griechen die Reservisten auflaufen zu lassen, lediglich Iniesta blieb in der Startformation. Statt Akteuren von Barça und Real waren das nun Spieler von Valencia und Liverpool. Also immer noch nominell stark genug, um die Griechen in Schach zu halten.

Bei den Hellenen zeigte sich in diesem Spiel wiederum deutlich, dass man zu deutlich besseren Leistungen in der Lage ist, wenn man nicht selbst Gestalten muss. Im Zentrum standen den drei spanischen Pass-Gebern drei recht defensive Gegenspieler gegenüber, so konnten die Spanier ihr Kurzpass-Spiel nicht aufziehen – ganz davon abgesehen, dass das Team nicht eingespielt war und auch das Tempo fehlte.

Und die Breite. Sergio García und Iniesta zogen zur Mitte, wurden aber von den etwas zu vorsichtigen Arbeloa und Navarro nicht hinterlaufen. Nikopolidis wurde, durchaus bewusst, immer wieder aus der Distanz getestet. Nicht ohne Grund, schließlich machte der Torhüter keinen sicheren Eindruck.

Der Spielaufbau bei den Griechen stützte sich einmal mehr auf viele lange Bälle. So wurde man nach vorne kaum gefährlich, zumal Salpingidis recht hoch stand und sich zwischen den spanischen Reihen positionierte – grundsätzlich keine dumme Idee, nur kamen die Anspiele auf ihn nicht an.

Dennoch: Wie in der Partie gegen die Russen zeigten die Griechen auch hier deutliche Ähnlichkeit mit ihrem Spiel bei der Euro 2004. Hinten wenig zulassen, über die Flügel für Entlastung sorgen (das machten Vyntra und Spiropoulos recht anständig) und im Zweifel auf Standards hoffen. Freistoß-Flanke Karagounis, Kopfball-Tor Charisteas: Das 1:0 kurz vor der Pause war wie aus dem Turnier von 2004.

Die Spanier schalteten nach dem Seitenwechsel einen Gang nach oben, die Außenverteidiger machten mehr, und mit der Zeit passte auch die Abstimmung. Für den Ausgleich musste zwar dennoch ein langer Ball herhalten (Güiza legte diesen auf De la Red ab, der verwertete dann), aber die Griechen ließen sich doch zu weit nach hinten drängen. Zusätzliche Probleme gab es, nachdem Kyrgiakos angeschlagen raus musste und Antzas gegen den beweglichen Güiza zunehmend schlecht aussah.

Rehhagel hatte keine echten Alternativen auf der Bank. Die Einwechslung von Tziolis für Karagounis machte sein Team zwar frischer, aber nicht besser. Spanien wartete geduldig auf die Chance, ließ den Griechen keinen Raum mehr. Und kurz vor dem Ende löste sich Güiza entscheidend vom schläfrigen Antzas, köpfte die Flanke von der rechten Seite mühelos ein – und Spanien hatte 2:1 gewonnen.

Russland - Schweden 2:0 (1:0)

Russland-Schweden 2:0 (1:0)

Im letzten Quali-Spiel, einem mühsamen 1:0 in Andorra, holte sich Andrej Arshavin eine rote Karte ab. Im letzten Spiel der Gruppe gegen Schweden war er wieder dabei. Gerade rechtzeitig für dieses „Achtelfinale“.

Das Russland gewinnen musste, den Schweden reichte ein Remis. Hiddink ließ, wie gewohnt, seine Außenverteidiger sehr weit nach vorne schieben. Kapitän Semak agierte als Sechser sehr tief und ließ sich immer wieder auf eine Höher mit den IV fallen – eher allerdings auf die Seite von Shirkov. In den ersten Minuten tat sich Russland etwas schwer, in die Gänge zu kommen.

Das änderte sich, als sich Semshov im Zentrum etwas fallen ließ. So wurde das Loch zwischen Defensive und Offensive geschlossen und die russische Show konnte beginnen. Mit Shirkov und Anyukov extrem hoch, Bilyaletdinov und Siryanov auf den Halbpositionen, dem aufrückenden Semshov und dem extrem aktiven Arshavin als hängende Spitze wurde ein Tempo-Fußball aufgezogen, mit dem die Schweden nicht mitkamen.

Vor allem die linke Abwehr-Seite mit Nilsson und Hansson wurde als Schwachstelle ausgemacht. Kein Zufall, dass das schon zu diesem Zeitpunkt überfällige 1:0 nach 20 Minuten über diese Seite aufgebaut wurde: Siryanov mit Lochpass für Anyukov, dessen Flanke verwertete Pavlyuchenko.

Die Schweden waren biedern, geradezu hölzern. Die Mittelfeld-Zentrale mit Svensson und Andersson stand oft viel zu hoch und kam überhaupt nicht in die Zweikämpfe, hielt also nichts her. Elmander und Ljungberg waren gegen die extrem offensiven Außenverteidiger komplett hinten gebunden und vorne standen zwei Stürmer, die kaum am Spiel teilnehmen konnten. Henke Larsson war wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr der Schnellste, Ibrahimovic wegen hartnäckigen Problemen im linken Knie, die ihm schon die halbe Saison bei Inter gekostet hatten. Das Trekronor-Team konnte von Glück reden, dass die ein Feuerwerk abbrennenden Russen nicht schon längst viel höher führten.

Die Russen ließen zu Beginn der zweiten Hälfte ihre Stärken erneut aufblitzen: Schnelles Denken, schnelles Umschalten, schnelles Handeln. Ein langer Ball der Schweden wurde von Shirkov abgefangen, der legte zu Arshavin quer und startete sofort einen Sprint nach vorne, bekam den Ball in den Lauf gespielt, spielte 50 Meter oder sechs Sekunden später, längst im schwedischen Strafraum angekommen, auf Arshavin quer – dieser war ebenso schnell nach vorne gesprintet – und dieser erzielte das 2:0. Ein Weltklasse-Konter, die Schweden waren damit komplett überfordert.

Nach dem 2:0 schalteten die Russen zurück, sie waren ein ungeheures Tempo gegangen. Lagerbäck erlöste danach Daniel Andersson und versuchte, mit Kim Källström die Lücke im Offensiv-Zentrum ein wenig zu schließen. Dass dieser nicht schon in den Spielen vorher eingesetzt worden war, liegt vermutlich an einem internen Machtkampf – Källström und Ibrahimovic können sich bis auf den Tod nicht ausstehen. Lagerbäck hielt Källström wohl für verzichtbarer als Ibra. Mit dem neuen Mann und somit mehr Spielkultur und durch die gemächlichere Gangart der Russen bekamen die Schweden nun etwas Kontrolle über das Mittelfeld, viele Chancen kamen dabei aber nicht heraus.

Ehe in der Schlussphase, nachdem Lagerbäck seine Viererkette zugunsten eines neuen Stürmers (Allbäck für Nilsson) aufgelöst hatte, drückten die Russen wieder etwas aufs Gas – und kamen prompt wieder zu einigen guten Tormöglichkeiten. Es blieb beim 2:0. Ein Ergebnis, das den Russen das Viertelfinale bescherte – und den Schweden schmeichelt.

Endstand der Gruppe: Spanien 9, Russland 6, Schweden 3, Griechenland 0.

Alles auf Ibrahimovic‘ Knie oder interne Störungen zu schieben, ginge aber am Kern vorbei: Schweden war einfach zu alt, zu überholt, zu statisch, zu wenig kreativ, kurz, zu schwach. Die Zeit jener Generation, die 2002, 2004 und 2006 immer die Vorrunde überstanden hatte und zweimal heftig an die Tür zur zweiten K.o.-Runde angeklopft hatte, war schlicht vorbei. Genau wie die 12-jährige Amtszeit von Lars Lagerbäck nach der verpassten Quali für die WM 2010.

Die Griechen machten sich mit ihrem peinlichen Auftritt im ersten Spiel viel kaputt, denn in den verbleibenden Spielen war das durchaus halbwegs vernünftig. Was dem Titelverteidiger allerdings eklatant fehlte, war eine ordnende Hand im Zentrum. Das war beim Titelgewinn 2004 Theodoros Zagorakis gewesen, ohne ihm fehlte den Griechen die Schaltstelle und damit jegliches spielerische Moment.

Was bei den Russen und den Spaniern hingegen im Übermaß vorhanden war. Schon nach der ersten Halbzeit im ersten Spiel konnte kaum ein Zweifel daran bestehen, welche beiden Teams aus dieser Gruppe ins Viertelfinale einziehen. Zwar liefen die Russen den Spaniern dann ins offene Messer und so agierten sie gegen die Griechen übervorsichtig, aber dennoch war zu den beiden anderen Teams ein Klassenunterschied erkennbar.

Was den Spaniern ein Viertelfinale gegen Italien bescherte. Und Guus Hiddink eines gegen seine Heimat.

(phe)

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Ballverliebt Interaktiv: Leseranalysen zum 2:1 von Real Madrid bei Barça https://ballverliebt.eu/2012/04/23/ballverliebt-interaktiv-leseranalysen-zum-21-von-real-madrid-bei-barca/ https://ballverliebt.eu/2012/04/23/ballverliebt-interaktiv-leseranalysen-zum-21-von-real-madrid-bei-barca/#comments Mon, 23 Apr 2012 08:54:51 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7093 Ballverliebt Interaktiv: Leseranalysen zum 2:1 von Real Madrid bei Barça weiterlesen ]]> Mit dem 2:1-Sieg in Barcelona machte Real Madrid die spanische Meisterschaft so gut wie fix. Für dieses Spiel gab’s von unserer Seite ein Experiment: Die erste interaktive Ballverliebt-Leseranalyse! Vier Einsendungen haben wir bekommen. Viel Spaß damit!

Barça - Real 1:2 (Grafik von Andreas Himmelbauer)

Andreas Himmelbauer: Tello statt Sánchez, Thiago statt Fàbregas…

…Guardiolas gescheitereter Schachzug im Detail.

Diese Überraschung ist Pep Guardiola gelungen. Ausgerechnet im vielleicht wichtigsten Spiel der Saison setzte der Barca-Trainer auf die beiden Jungstars Thiago Alcantara und Cristian Tello und nicht auf die eigentlichen Stammkräfte Cesc Fabregas und Alexis Sanchez. Diese Umstellungen hatten weitreichende Folgen und veränderten das gesamte Spiel. Allerdings nicht in der Art und Weise wie es sich Pep Guardiola vorgestellt hat.

Obwohl man im Vorhinein annehmen konnte, dass Thiago und Tello die Positionen von Fabregas und Sanchez eins zu eins übernehmen werden, war dies nicht der Fall. Vor allem die Aufstellung von Tello hatte große taktische Auswirkungen. Er besetzte nämlich nicht die Position als rechter Stürmer, sondern spielte am linken Flügel, also auf der Position, die im Normalfall für Iniesta vorgesehen ist. Dieser rückte dafür mehr ins Zentrum und spielte fast schon auf einer Höhe mit Messi. Den rechten Flügel belegte Dani Alves, der normalerweise als sehr offensiver Rechtsverteidiger agiert. Der Brasilianer spielte einen Außenstürmer wie er im Buche steht und heutzutage eigentlich kaum noch Verwendung findet.

Auch Thiago übernahm nicht direkt die Rolle von Fabregas. Während Letzterer normalerweise als zweite „falsche Neun“ spielt und eine direkte Verbindung zwischen Mittelfeld und Sturm verkörpert, spielte Thiago um einiges defensiver und war hauptsächlich dafür verantwortlich, den Ball aus der eigenen Hälfte in die gegnerische zu tragen. Diese Aufgabe füllte er auch tadellos aus. Dank seiner überragenden Ballführung und Übersicht, war er nur schwer vom Ball zu trennen. Das Ergebnis all dieser Umstellungen war eine 3-3-4/3-4-3 Hybridformation von Barcelona, die man schon von früheren Spielen in der Primera Division kannte.

Guardiolas Absichten hinter diesen Umstellungen waren wohl einerseits mehr Breite ins Spiel der Katalanen zu bringen und andererseits im Zentrum möglichst viele Kreativspieler zu haben, die Messi ins Szene setzen konnten. Tello links und Alves rechts zogen zwar das Spiel enorm in die Breite, allerdings konnten sie sich nur sehr selten gegen ihre Bewacher Coentrao und Arbeloa durchsetzen und wirkten oft isoliert. Vor allem Alves war auf rechts ziemlich alleine gelassen. Er bekam zwar einige Bälle von Xavi, konnte diese aber dann mangels Unterstützung nicht weiter verarbeiten und blieb nicht selten an Coentrao und Ronaldo hängen. Auf links hatte Barca zwar mit Iniesta, Tello, Thiago und teilweise auch Messi Überzahl, man konnte das allerdings nie wirklich nutzen, da die Räume viel zu eng waren. Der junge Tello versuchte zwar oft, sich gegen Arbeloa durchzusetzen, scheiterte aber immer.

Hinzu kam, dass durchs Zentrum so gut wie gar nichts ging. Verantwortlich dafür war in erster Linie Andres Iniesta, der die Rolle als Messi-Unterstützer längst nicht so gut ausfüllte, wie es Fabregas zuvor schon oft gezeigt hatte. Zusammengefasst kann man sagen, dass Barca die Balance zwischen Flügel- und Zentrumsspiel fehlte. Im sonst üblichen 4-3-3 spielt man meistens durch die Mitte und besetzt die Flügel oft nur durch die aufrückenden Außenverteidiger. Man hat dadurch fast immer 5 Offensivspieler in Bewegung, die zwischen Zentrum und Flügel pendeln und den aufrückenden Außenverteidiger unterstützen. Genau dieses Pendeln fehlte gegen Real im 3-3-4 System. So spielte man aufgrund der isolierten Flügelstürmer quasi in Unterzahl. Guardiolas Idee des breiten
Spiels konnte schlichtweg nicht umgesetzt werden.

Womöglich hat Guardiola auch mit einem weitaus defensiver eingestelltem Real gerechnet. Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte sich Barca wohl viel leichter getan. Anders als in der letzten Saison presste Real aber phasenweise schon im Mittelfeld und nutzte die Schwächen der 3-3-4 Formation somit gut aus.

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Mirco Reimer: Die (verschenkte) Rolle von Lionel Messi

Mit seiner Aufstellung überraschte Guardiola wahrscheinlich die meisten Fußball-Fans, hier sprechen wir jedoch nicht nur von dem überraschenden Startplatz für Tello, sondern auch von der Rolle von Xavi. Diese sollte großen Einfluss auf das Spiel von Lionel Messi haben.

Xavi agierte nämlich in der Sachenz/Fabregas-Rolle als offensiver Zuarbeiter für Messi. Die Aufgabe von Xavi in diesem Clasico war, dass er die Räume ausnutzen sollte die Messi schuf, wenn dieser in seiner Rolle als falsche Neun nach hinten abdriftete. Um dies zu ermöglichen und weiter Gefahr durch das Zentrum auszustrahlen muss bei einem solchen Abdriften ein Spieler im Zentrum vorhanden sein, der diese Räume öffnet, gegenfalls auch ausnutzt und Messi öffnet die Möglichkeit gibt Doppelpässe zu spielen. Sanchez beherrscht dies wie kaum ein anderer, war jedoch nicht fit und wurde deshalb von Guardiola erst spät (zu spät?) gebracht.  Deswegen sollte Xavi diese Aufgabe in einer ähnlichen Art und Weise ausfüllen. Dies misslang jedoch aus mehreren Gründen, einer waren die vielen Fehlpässe die Messi zu verzeichnen hatte (zur Halbzeit hatte nur Barcelona-Keeper Valdes eine schwächere Passquote) und zum anderen, dass die Real Spieler ihn geschickt aus dem Spiel nahmen.

Die Madrider-Doppelsechs mit Alonso und Khedira agierte nämlich unmittelbar vor Viererkette, die gleichzeitig sehr hoch positioniert war. So gab es für Messi und seine Kollegen wenig Platz welches Barcelona überdurchschnittlich oft ins Abseits oder zu einem Rückpass zwang. Dieser taktische Kniff von Mourinho resultierte außerdem in einem kompakten Zentrum, sodass Messi sich sehr schwer damit tat in den Strafraum zu gelangen. Ein Grund hierfür war die gute Abstimmung zwischen Alonso und Ramos.

Alonso begann auf der Position im defensiven Mittelfeld und positionierte sich so,  dass er auf Messis traf wenn dieser sich ins Mittelfeld zurückzog. So hatte Real mit Messis Dribblings keine großen Probleme. Zwar war er mit Abstand der Spieler mit den meisten erfolgreichen Dribblings auf dem Platz, jedoch war er durch Reals Taktik oftmals gezwungen diese weit vom gegnerischen Tor entfernt zu starten. Sollte Messi doch ins Rollen kommen wurden diese mit geschickten Fouls unterbunden. Nur einmal brach Messi jedoch durch, als er 4 Madrid-Spieler auf sich zog und zu Xavi durchspielte, der jedoch an Casilias scheiterte.

Das Hauptproblem ergab sich also schon zu Spielbeginn, Messi war durch Guardiolas Entscheidung auf zwei klassische Flügelspieler, Tello und Alves, zu setzen isolierte Messi im Zentrum und das Experiment mit Xavi als „Sanchez-Kopie“ scheiterte. Erst mit der Einwechslung von Sanchez für eben Xavi änderte sich dies und resultiere auch in dem zwischenzeitlichen Ausgleich. Es wäre interessant gewesen zu beobachten was passiert wäre, wenn Sanchez früher eingewechselt worden wäre oder Madrid nicht unmittelbar nach dem 1:1 wieder in Führung gegangen wäre.

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Alexander Neuper: 1:2 – Madrid auf dem Weg zur Meisterschaft

Barcelona - Real Madrid 1:2

„Only a win will do“ sagte Pep Guardiola noch vor dem Spiel und beschrieb die Tabellenkonstellation damit sehr treffend. Um diesen zu erreichen setzte der Barcelona Trainer auf eine leicht veränderte Elf gegenüber dem CL‐Spiel gegen den FC Chelsea am Mittwoch, und brachte Thiago und Tello für Fabregas und den angeschlagenen Alexis Sanchez in die Partie. Jose Mourinho hingegen schickte dieselbe Elf, die Dienstag noch mit 1:2 in München verloren hatte, auf den Platz.

Tello rückte auf den linken Flügel, Thiago übernahm die Rolle des Spielgestalters im zentralen defensiven Mittelfeld und Xavi rückte dafür ungewöhnlich weit nach rechts. Auf der rechten Seite trieb ein extrem offensiver Dani Alves sein Unwesen, nachdem Guardiola hier offenbar Reals Schwäche vermutete. Der Plan ihn ins 1:1 mit Coentrao zu schicken scheiterte aber meist an der guten defensiven Unterstützung durch Xabi Alonso und den rausrückenden Sergio Ramos. Auch Chrstiano Ronaldo war defensiv wohl aktiver als Barcelona dies erwartet hätte, so dass Puyol diesem relativ weit folgte, ohne jedoch selbst aktiv in die Offensivbemühungen einzugreifen.

Auf der linken Seite stand Adriano ebenfalls relativ hoch, wurde aber von Di Maria gebunden und konnte sich offensiv kaum mit einschalten, was auch dafür sorgte, dass Tello wenig Zuspiele bekam, bei denen er seine Geschwindigkeitsvorteile gegenüber dem tiefstehenden Arbeloa ausspielen hätte können. Somit blieb Barcelona nur das Spiel durch die Mitte, wo Alonso, Khedira und der aus der Abwehr rückende Pepe das Spielfeld für Iniesta, Xavi und Messi so eng wie nur möglich machten.

Real wartete auf Fehler von Barcelona, die unter dem anfangs aggressivem Pressing auch kamen, um schnell umzuschalten und die Schnelligkeit von Christiano Ronaldo auszuspielen. Auf diese Art entstand auch der Eckball, in Folge dessen Real das 0:1 erzielen können.

Obwohl Barcelona sichtlich engagierter aus der Kabine kam, änderte sich am Spielbild lange Zeit nichts, bis Pep Guardiola schließlich in der 69. Minute Alexis Sanchez ins Spiel brachte. Der ging sofort auf die rechte Seite,   und vollendete nur eine Minute später eine Hereingabe von der linken Seite in bester Strafraumstürmer‐Manier. Fast im Gegenzug konnte Real aber erneut in Führung gehen, nachdem Özil Ronaldo mit einem perfekten Laufpass in Szene gesetzt hatte, dieser Mascherano im Laufduell keine Chance lies und aus schwierigem Winkel zum 1:2 einnetzte.

Fazit:Während die Bayern am Dienstag zeigten, wie anfällig die Außenverteidiger von Real Madrid sind wenn man sie mit Überzahlsituationen konfrontiert, schafft es Barcelona im aktuellen System nicht und lässt die Flügel nur einfach besetzt. Wenn man dann auf einen Gegner trifft, der über das nötige Spielermaterial verfügt um die Mitte dicht zu machen und Messi weit weg vom eigenen Tor zu binden, fehlen Barcelona im Moment die Optionen. Die Einwechslung von Sanchez hat gezeigt, dass er aktuell dem Barcelona‐Spiel erst die notwendige Schärfe verpasst, da er aber angeschlagen ist, kann man sein Fehlen in der Startelf wohl nicht als taktischen Fehler beurteilen. Vielmehr sollte man wohl hinterfragen, ob Barcelona im Moment über eine Kaderdichte verfügt, die es ihnen erlaubt Meister und Champions League Sieger zu werden – zumindest in einem Fall kann man sie wohl schon mit „Nein“ beantworten.

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Mirko Nikolic: Barcelona vs. Real Madrid 1:2

Barca spielte im typischen 4-3-3, welches sich im Spiel als ein 3-2-2-3 (und manchmal auch 3-2-5) herausstellte. Real Madrid wie erwartet im 4-3-3 mit defensiv eingestelltem rechten Flügel bzw. hängender Spitze (Di Maria/Özil) lediglich Ronaldo (links) und Benzema an vorderster Front waren von Defensiv aufgaben Großteils befreit.

Mit drei Mann hatte es Barca in der Verteidigung angelegt (Puyol-Mascherano-Adriano), also quasi Mann gegen Mann. Der eigentliche vierte Verteidiger Dani Alves spielte einen rechten Außenstürmer und war teilweise vorderster Angreifer, da im Angriffszentrum ein echter Stürmer (Sánchez angeschlagen, Villa verletzt) fehlte. Der Spielaufbau erfolgte über das Zentrum mit Busquets und Xavi, halblinks war Iniesta das Bindeglied zum linken Flügel Tello.

Die Rolle von Messi und Benzema als Spitze konnte unterschiedlicher nicht sein: Benzema als Stoßstürmer bei Kontern, welcher immer wieder auf die Flügel auswich und so Raum schaffte für die nachrückenden Özil, Ronaldo und Di Maria. Messi, als eigentliche Anspielstation im Zentrum an der Strafraumgrenze, ließ sich immer wieder ins Mitteldrittel zurückfallen um den Zwängen der beiden Sechser von Real zu entfliehen.

In den ersten Minuten zeigte Madrid aggressives, geschlossenes Pressing, man zwang Barca dadurch zu ungewöhnlich vielen Abspielfehlern. Real war dafür bei schnellen Gegenstößen über Ronaldo (links) und Benzema (oft rechts ausgewichen) immer wieder gefährlich und kam dadurch zu Standardsituationen. Das gut zugestellte Zentrum zwang Barca zudem, den Spielaufbau über die Flügel (Tello, Alves) zu forfieren. Tello, der durch Iniesta immer wieder unterstützt wurde, kam ab und an auf dem Flügel durch, war allerdings beim letzten Pass oder beim Abschluss hektisch und ineffektiv. Auf der anderen Seite machte Coentrao gegen Alves eine hervorzuhebende Partie.

Durch das 3-2-2-3 oder 3-2-5 mit Messi im Zentrum hatte Barcelona ein Problem: das unbesetzte Sturmzentrum.  Zwar hat man das Spiel nach dem Rückstand in den Griff bekommen (Xavi und Iniesta spielten jetzt aggressiver, weitläufiger und beweglicher, um Alonso und Khedira aus dem weg zu gehen). Allerdings hatte das den Effekt, das Messi sich mehr in den Spielaufbau einbrachte um keine Lücke als Anspielstation zu hinterlassen und eben dadurch blieb das Zentrum leer.

Die Angriffsbemühung Madrids waren klar strukturiert: Den Ball im kompakten Zentrum erobern und schnell – entweder mit direkten Pässen durch die Mitte oder langen Präzisen Pässen auf die Flüge – das Mittelfeld überbrücken und die Verteidiger Barcelonas in 1-gegen-1-Situationen verwickeln. Ronaldo stellte mit seiner Schnelligkeit und Robustheit Puyol, Mascherano und Busquets immer wieder vor Schwierigkeiten. Real kam dadurch zu diversen Standardsituationen.

Fazit: Durch die taktische und aggressive Einstellung von Real schaffte es Barcelona nicht, das typisches Spiel in ein gutes Ergebnis umzumünzen. Ein schwacher Messi, ein fehlender Plan B und die fast perfekt eingestellte Mannschaft Mourinhos (defensiv sehr starker Özil und Di Maria klare und einfache Strukturierte Konterangriffe) als auch ein überragender und immer gefährlicher Ronaldo, machen Real Madrid zum verdienten Sieger und wohl verdienten Meister.

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Die Krönung von Wembley https://ballverliebt.eu/2011/05/29/die-kronung-von-wembley/ https://ballverliebt.eu/2011/05/29/die-kronung-von-wembley/#comments Sun, 29 May 2011 01:04:39 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4907 Die Krönung von Wembley weiterlesen ]]> Das war das Finale der Champions League – und doch ließ der FC Barcelona den Gegner aus Manchester aussehen wie eine unbedarfte Schülertruppe. Das Endresultat von 3:1, mit dem Barça die Red Devils aus dem Wembley verabschiedeten, drückt das Ausmaß der Überlegenheit nicht einmal im Ansatz aus.

FC Barcelona - Manchester United 3:1

Dabei war Barcelona gar nicht in Bestbesetzung angetreten: Weil das Knie von Kapitän Puyol einen Einsatz von Anfang an nicht möglich machte, musste wie zuletzt häufiger Javier Mascherano neben Piqué in die Innenverteidigung. Und auf der linken Seite durfte nur zweieinhalb Monate nach seiner Thumor-OP der Franzose Éric Abidal, der in den letzten Liga-Spielen beuhtsam wieder in die Mannschaft eingebaut worden war, von Anfang an ran. Bei Manchester gab es keinerlei Überraschungen: Sowohl das 4-4-1-1 als auch dessen personelle Besetzung entspricht der Erfolgsformation, mit der die lange eher holprige Saison in den letzten Wochen und Monaten mit Meisterittel und CL-Finaleinzug einen so erfolgreichen Verlaf genommen hatte.

Steil gegen Mascherano

United fing, wie schon vor zwei Jahren, durchaus aktiv an. Vor allem die Seite mit Evra und Park Ji-Sung arbeitete viel nach vorne und drückte Dani Alves so in die Defensive. Das kreierte zwar keine Torgefahr, aber die Bedrohung, die ein nach vorne randalierender Dani Alves ausstrahlt, konnte so ganz gut gebannt werden. Patrice Evra konnte es sich deshalb erlauben, so viel nach vorne zu gehen, weil Vidic und Ferdinand im Ballbesitz sehr weit auseinander rissen, sich beinahe schon zu Villa und Pedro hin orientierten. So hielt Manchester die Flanken abgedeckt. Natürlich mit dem großen Risiko des Loches in der Mitte, hier war es vor allem an Carrick, schnelle Gegenstöße zu unterbinden.

Richtung Tor ging es bei Manchester in dieser Phase vor allem über Steilpässe gegen Javier Mascherano. Hernandez lauerte hier ganz besonders, aber auch Rooney wurde gerne in den Lauf gegen den Argentinier geschickt – Masch ist nun mal kein gelernter Innenverteidiger, hier glaubte United einen Schwachpunkt anzubohren. Die Versuche waren aber immer auch ein schmaler Grat zwischen zu steil und Abseits. So war der Gedanke sehr gut, brachte aber keinen nennenswerten Erfolg.

Einen Gang nach oben

Barcelona sah sich das zehn, fünfzehn Minuten an. Gepresst wurde nur relativ tief, je näher es dem eigenen Strafraum ging, desto weniger presste Barça. Dann schalteten die Katalanen einen Gang hoch: Es wurde nun schneller gelaufen, schneller gespielt, mehr Druck ausgeübt und auch die zuvor eher zurückhaltenden Außen schalteten sich immer mehr ein. Vor allem Dani Alves pushte nun mehr und sofort kam Park Ji-Sung gegen den wuchtigen Brasilianer im Schwierigkeiten. Das führte so weit, dass Giggs und der Koreaner immer wieder die Plätze tauschten, vor allem in der Vorwärtsbewegung.

Evra rückte defensiv oft sehr weit ein und überließ die Flanke dann defensiv Park Ji-Sung, der sich dann auf die Position des Linksverteidigers stellte. Interessanterweise aber ließ Manchester die Flanken unbesetzt, wenn Barcelona schon zentral vor dem Strafraum aufgetaucht war und Alves (und auch Abidal) dort ganz alleine standen: Pässe auf die Außen befürchtete man nicht zu Recht – Barcelona ist kein Team, das nach Außen spielt, um von dort in den Strafraum zurück zu flanken. Zumindest in diesem Spiel: *Noch* nicht.

Rooney stand bei United weiterhin zumeist recht hoch und versuchte, Busquets aus dem Spiel zu nehmen. Das gelang an sich nicht so schlecht, aber Barcelona stellte sich gut darauf ein: So ging einfach Xavi vermehrt ins Zentrum zwischen die Innenverteidiger, um sich dort die Bälle zu holen. Barcelona konnte in der Spieleröffnung auf Busquets im Grund verzichten, weil das hieß, dass auch Rooney aus dem Spiel war.

Zu wenig Breite im Konter

United stand in dieser Phase sehr tief mit zwei Viererketten und vor allem, wenn Messi von einer Sekunde auf die andere an der Temposchraube drehte, sah das in der Defensive der Red Devils schon sehr nach Sich-mit-Händen-und-Füßen-Wehren aus, weniger nach koordinierter und ruhiger Abwehrarbeit. Was nun komplett fehlte, war die Breite bei Gegenstößen: Hatte United den Ball erobert, wurde nicht sofort der Pass auf Valencia bzw. Park gesucht, um über die Flanken nach vorne zu kommen, sondern in der Mitte verharrt. Mit der Folge, dass der Ball umgehend wieder weg war. Ein Umstand, den Sir Alex an der Seitenlinie lautstark monierte: „Spread out!“

Dass es ungemein schwierig ist, gegen Barcelona die Balance zwischen nötiger Defensivarbeit und eigenen Angriffsversuchen zu finden, musste Manchester schon vor zwei Jahren im Finale feststellen. Und genau, als die Engländer für einmal aufgerückt waren, nützte Barça den in der Mitte entstandenen Platz sofort: Xavi tritt aus der eigenen Hälfte aus an, wird von Giggs nur eskortiert (wie vor zwei Jahren von Anderson), kann am zu hoch postierten Evra vorbei Pedro anspielen (wie vor zwei Jahren Eto’o), der tanzt Vidic aus (genau wie Eto’o in Rom) und versenkt den Ball an Van der Sar vorbei zum 1:0 im Tor.

Der Fehler bei United entstand natürlich schon im leichten Ballverlust in der Vorwärtsbewegung (Ronney verlor das Kopfballduell) – vor allem aber ließ Evra, der in der schnellen Rückwärtsbewegung richtigerweise einen engen Cordon mit seinen drei Kollegen der Abwehrkette bildete, im entscheidenden Moment von Pedro ab und orientierte sich zu Messi. Xavis Passweg zu Messi war aber ohenhin von Giggs abgeschnitten, es konnte nur der Pass zu Pedro kommen, und dieser kam dann auch. Pedro war Evra längst entwischt: Die falsche Entscheidung im Bruchteil einer Sekunde reichte aus, und schon war Barcelona in Front. Detail am Rande: Als dieses Tor in der 27. Minute fiel, gab es im ganzen Spiel noch kein einziges Foul!

Endlich Druck gegen Abidal

So sehr es natürlich eine Riesensache ist, dass Éric Abidal nur zwei Monate nach seiner Thumor-Operation wieder in so einem wichtigen Spiel auf dem Rasen steht, aber selbstredend fehlte es dem Franzosen natürlich massiv an Spielpraxis. So ist es schon etwas verwunderlich, dass sich bei United lange nur Valencia – und der kaum einmal konsequent, vor lauter Defensivarbeit – hin und wieder bemüßigt fühlte, Druck auf Abidal auszuüben. Das wurde nach dem Gegentor ganz anders: Statt wie in der Anfangsphase Mascherano wurde nun vermehrt Abidal das Ziel der Angriffe von United.

Mit Erfolg: Nur wenige Minuten nach dem Tor brachte Abidal einen Ball defensiv nicht richtig raus, auf dem folgenden Einwurf drückte United sofort nach, ein Doppelpass von Rooney mit (dem wohl leicht im Abseits stehenden) Giggs und mit seinem allerersten Tor gegen ein spanisches Team glich Rooney aus. Gegen schnelles Kurzpassspiel ist eben auch die Abwehr von Barcelona verwundbar.

Was aber nichts daran änderte, dass Ferguson mit dem Positionsspiel von Rooney generell nicht zufrieden war – anders ist seine Standpauke gegen seine Nummer 10 kurz vor der Pause kaum zu erklären. In der Tat war Rooney kaum ein Faktor: Er hielt sich, anders als zuletzt, aus der Defensivarbeit weitgehend heraus und war nach vorne gegen Busquets in guten Händen.

Defensiv-Schwachpunkte: Evra und vor allem Park

Park war defensiv der Schwachpunkt: Er übernahm die Seite defensiv nicht; tauschten er und Giggs die Plätze, verbreitete er im Zentrum Unsicherheit

Barcelona war natürlich nicht entgangen, dass das Übergeben der rechten Seite von Evra zu Park überhaupt nicht funktionierte und die Flanke somit oft verwaist blieb. Lange wurde das ignoriert, aber mit zunehmender Spieldauer entdeckte Barça das zunehmend als taugliches Mittel. Schon vor der Pause in einer Szene, in der Pedro den Querpass dann nur knapp verpasste. Und auch nach der Pause, als Park mal wieder nicht auf den einrückenden Evra reagiert hatte.

Der Koreaner machte einen zunehmend überforderten Eindruck, Valencia musste für ihn foulen, Carrick holte sich nach einem weiteren verlorenen Zweikampf des Koreaners notgedrungen Gelb ab. Immer öfter rückte Giggs nach draußen, um den ungewohnten Defensivschwächen von Park auszugleichen, was aber wiederum hieß, dass Carrick – an dem das Spiel so richtig vorbei lief – im Grunde alleine gegen alle stand. Bei einem simplen Querpass auf den losstürmenden Messi hob Park nur resignierend die Hände, anstand nachzugehen, Evra und Vidic konnten das Unheil nicht mehr verhindern, und Messis Schuss landete zum 2:1 im Tor. Van der Sar war machtlos.

Brutale Dominanz

Das alles sind nur Erklärungen, wie und warum es Manchester nicht schaffte, Barcelona Einhalt zu gebieten. Die Dominanz der Katalanen beschreiben zu wollen, kann nur scheitern. Alves war der absolute Herr auf seiner Seite, auch nachdem Giggs endgültig die Flanke vom hoffnugslos überforderten Park übernommen hatte. Abidal drückte Valencia in die Defensive, dass dieser im Grunde den Rechtsverteidiger gab (was er auch tatsächlich machte, nachdem Nani für den angeschlagenen Fábio gekommen war). Carrick tauchte komplett ab und brachte kaum brauchbare Bälle an den Mann, das Mittelfeld wurde von Xavi, Iniesta und Messi nach Belieben kontrolliert.

Und die Spieler von United, die ohnehin längst per Körpersprache die weiße Fahne gehisst hatten, hatten all dem NICHTS entgegen zu setzen. Das 3:1 war die logische Folge – Messi narrte Evra, dann zirkelte Villa den Ball von der Strafraumgrenze ins Kreuzeck – und die ultimative Entscheidung. Manchester war noch viel unterlegener als im Finale vor zwei Jahren. Ein Klassenunterschied – und das im Finale der Champions League.

Die absolute Chancenlosigkeit, die totale Hilflosigkeit, mit der Manchester United vor allem in der zweiten Hälfte unter die Räder kam, ist ein beinahe schockierendes Zeichen für das Maß der Überlegenheit, die Barcelona im Moment so weit über alle anderen Teams stellt. Ja, das ist nicht die beste Mannschaft, die United in den letzten zehn, fünfzehn Jahren hatte, aber sie ist immer noch einigermaßen komfortabel die beste Mannschaft der Premier League.

Und doch bekam das Team von Sir Alex erst wieder etwas Luft, als es Barcelona nach dem 3:1, nach einer halben Stunde unglaublichster Dominanz, die Zügel wieder etwas schleifen ließ. Ferguson brachte Scholes für Carrick (warum eigentlich nicht für Park?), und Nani sorgte auch für etwas mehr Betrieb auf der rechten Seite. Aber all das war nur noch ein Warten auf den Schlusspfiff. An eine Chance geglaubt hat United ganz deutlich selbst schon länger nicht mehr.

Fazit: Das war die Krönung

Angesichts der Qualität des Gegners – immerhin war das nicht irgenjemand, sondern Manchester United – und des Anlasses, zu dem Barcelona eine solche Dominanz an den Tag gelegt hat – eben nicht in irgend einem Ligaspiel, sondern im Finale der Champions League – ist die Frage legitim, ob das die beste Leistung dieser Generation des FC Barcelona war. Geschmackssache, Diskussionssache.

Unstrittig ist, dass United über die 90 Minuten gesehen nicht den kleinsten Funken einer Chance hatte, das Spiel tatsächlich zu gewinnen. Zu nachlässig agierter Park, zu wenig Präsenz zeigte Carrick, zu wenig Einfluss konnte Rooney nehmen. Zu wenig wurde das Mittelfeldkarrussell der Katalanen gestört.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hatte, dass das Barcelona anno 2010/11 de facto nicht zu schlagen und das mit Abstand Beste ist, was der Fußball derzeit hergibt – er wurde bei der Krönung von Wembley erbracht.

(phe)

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Ballverliebt Classics: Finale Pep gegen Sir Alex, die Erste https://ballverliebt.eu/2011/05/25/ballverliebt-classics-finale-pep-gegen-sir-alex-die-erste/ https://ballverliebt.eu/2011/05/25/ballverliebt-classics-finale-pep-gegen-sir-alex-die-erste/#respond Wed, 25 May 2011 19:20:49 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4791 Ballverliebt Classics: Finale Pep gegen Sir Alex, die Erste weiterlesen ]]> FC Barcelona und Manchester United in einem Finale der Champions League… gab’s das nicht schon mal? In der Tat: Nur zwei Jahre vor dem Endspiel von Wembley standen sich Sir Alex und Pep Guardiola schon einmal im größten Spiel von Europas Fußball gegenüber. Damals gewann Barcelona. Weil sich United nach dem frühen Rückstand zu weit auseinander ziehen ließ.

Unterschiedlicher hätte die Besetzung auf den Trainerbänken an diesem Mittwoch, es war der 27. Mai 2009, im Olympiastadion von Rom kaum sein können: Auf der einen Seite Sir Alex Ferguson, vierfacher Europacup-Gewinner, davon zwei CL-Titel mit Manchester United, seit 23 Jahren der starke Mann in Old Trafford. Auf der anderen Seite: Pep Guardiola, gefühlt bis gerade eben selbst noch aktiv, in seiner allerersten Saison als Cheftrainer. Als Meister ihrer nationalen Ligen waren zu diesem Zeitpunkt beide schon fest. Barcelona war zudem bereits Cupsieger. Zum Triple in seinem ersten Jahr als Coach fehlte Guardiola nur noch dieses Spiel.

FC Barcelona - Manchester United 2:0

Was die beiden Trainer in diesem Spiel aber verband, waren ungerechtfertigte Ausschlüsse in ihren Semifinal-Rückspielen: Beim 3:1 von Manchester bei Arsenal wurde Darren Fletcher fälschlicherweise nach einem vermeintlichen Elferfoul an Van Persie vom Platz gestellt – für ihn kam Ryan Giggs in die Mannschaft. Und bei Barcelona fehlte Linksverteidiger Abidal, obwohl er beim 1:1 an Alenka eigentlich keine Notbremse begangen hatte, ja, seinen Landsmann nicht einmal berührt hatte. Aber wir wissen ja alle noch: Referee Øvrebø hatte da generell nicht seinen besten Tag.

Was aber nicht das einzige Defensiv-Problem von Guardiola war – denn dazu fielen ihm auch noch der verletzte Rafa Márquez und der gelbgesperrte Dani Alves aus. So musste Puyol nach rechts, Silvinho kam auf die linke Seite, Piqué musste spielen und Yaya Touré von der Sechs in die Innenverteidigung zurück. Dafür kam im Defensivzentrum der unroutinierte Sergio Busquets zum Einsatz – das Semifinal-Rückspiel bei Chelsea drei Wochen zuvor war sein erstes Spiel von Belang…

Schnelles Pressing und Zwei gegen Busquets

United presste nach Anpfiff des Spiels sofort, was das Zeug hielt und drückte Barcelona von Anpfiff weg hinten hinein. Der besondere Clou von Sir Alex in dieser Anfangsphase: Mit dem tief stehenden falschen Neuner Cristiano Ronaldo und dem sehr hoch stehenden Ryan Giggs gab er Busquets einiges zu denken – und vor allem zu laufen. Dennoch: Wo immer der Jungspund sich auch hinorientierte, der jeweils andere war frei und problemfrei anspielbar. Das, kombiniert mit dem logischerweise überhaupt nicht eingespielten Innenverteidiger-Duo Touré/Piqué, verhalf United zu einigen tollen Chancen.

Das Mittelfeld der Red Devils war sehr vertikal gestaffelt – Anderson verließ kaum merkbar den Mittelkreis und Carrick stand ohnehin tief zentral, nahm defensiv Messi auf und versuchte sich mit seinen ihm typischen kurzen Pässen an der Spieleröffnung. Die Breite im Spiel von Manchester kam dennoch nicht zu kurz, weil sich Park Ji-Sung gerne tief fallen ließ, um O’Shea ins Spiel zu bringen und auf der anderen Seite Evra viel nach vorne ging, um Rooney das Einrücken zu ermöglichen. So musste Touré immer wieder weit nach außen rücken, was wiederum Platz im Zentrum offenbarte.

Barcelona rannte neun Minuten lang der Musik fast hoffnungslos hinterher, brachte kaum Bälle in die gegnerische Hälfte und schaffte es nicht, die Spieleröffnung von United unter Druck zu setzen. Bis Xavi sich ein Herz nahm, eskortiert von Anderson und Carrick mit dem Ball nach vorne marschierte und an der Strafraumgrenze Rechtsaußen Eto’o bediente. Der Kameruner ließ noch Vidic aussteigen, zog ab – und weil auch Van der Sar nicht gut aussah, stand es völlig entgegen des Spielverlaufs 1:0 für Barcelona.

9’05“

Genau neun Minuten und fünf Sekunden war Manchester am Drücker, ehe United in eine komplette Schockstarre fiel. Die erste Aktion nach dem Tor sollte zum Symbolbild werden: Giggs und Ronaldo beim Anstoß, der Ball zurück zu Carrick, der sofort raus auf O’Shea. Der, weil Henry auf ihn zukommt, zu Ferdinand – der sich sofort Messi gegenüber sieht. Darum der kurze Pass auf Vidic, doch schon stürmt schon Eto’o daher, in seiner Panik will Vidic zum Torhüter passen. Doch das missglückt völlig, in der Mitte zwischen Tor und Eckfahne kullert der Ball ins Aus. Eckball für Barcelona…

Die Katalanen merkten die plötzliche Verunsicherung natürlich und fuhren sofort das volle Pressing-Programm, um United gar nicht erst wieder zurück ins Spiel kommen zu lassen. Vor allem im Mittelfeld und in der Offensive bretterten Henry, Eto’o und Co. auf den jeweils Ballführunden zu, dass einem Angst und Bange werden musste. Kein Wunder, dass bei Manchester nun kaum noch ein Ball sinnvoll verarbeitet und an den nächsten weitergespielt werden konnte, von einem geregelten Spielaufbau ganz zu schweigen. Barcelona konnte nun ohne allzu große Gegenwehr jenes ballbesitzorientierte Spiel aufziehen, für das die Blaugrana der Generation Guardiola bekannt ist.

Sturmspitze Giggs, Schwachpunkt Carrick

Barcelona - Man Utd (nach dem 1:0)
Nach dem 1:0

Manchester reagierte auf den nun massiven Druck, indem man auf ein 4-4-2 umstellte: Anderson ging zurück und flankierte Carrick, der zunehmend Schwächen zeigte, dazu orientierten sich Rooney und Park Ji-Sung vermehrt in die Defensive, um Eto’o und Henry vom Nachschub besser abschneiden zu können.

Vorne blieben nur Cristiano Ronaldo – und Ryan Giggs. Der Waliser gab nun einen praktisch astreinen zweiten Stürmer neben dem Portugiesen und hing dabei merklich in der Luft, während sich Rooney auf dem Flügel defensiv abmühte und nach vorne kaum etwas zu Stande brachte. Angesichts der neuen Raumaufteilung bei United, die auf Busquets deutlich weniger Druck ausübte – um nicht zu sagen, gar keinen mehr – fühlte sich dieser auch gleich sichtlich wohler.

Xavi und Iniesta hatten auf der anderen Seite dafür Michael Carrick als Schwachpunkt ausgemacht, weswegen die viele ihrer Angriffe über den Raum spielten, den Carrick eigentlich abdecken sollte. So fehlte es Barcelona zwar ein wenig an der Breite, aber dafür wurde Carrick systematisch kaputt gespielt – denn wenn Anderson und Park Ji-Sung helfen kamen, ließen sie wiederum Messi bzw. Silvinho freie Bahn.

Die Unsicherheit von Carrick strahlte, je länger die erste Halbzeit lief, auch seine Mitspieler aus. Vidic etwa, der sich schon beim 0:1 eher hüftsteif ausmanövrieren gelassen hatte, war in der Spieleröffnung völlig unbrauchbar, Anderson war ob der permanenten Unterzahl im Zentrum auch keiner, an dem sich das Spiel hoch ziehen konnte, Rooney und Park waren einfach zu viel defensiv beschäftigt. Und auch Edwin van der Sar ließ sich in zwei weiteren Situationen seine flatternden Nerven durchaus anmerken.

Der Gedanke hinter der Maßnahme, Giggs vorne zu belassen und Rooney auf der Flanke Defensivarbeit aufzubürden, war zweifelsohne, dass Rooney mit seiner Körperlichkeit gegen Puyol bessere Aussichten hatte als der nicht mehr ganz junge Giggs. Dass diese Überlegung nicht aufging, war aber bald klar, und einige Minuten vor der Halbzeitpause tauchten Rooney und Giggs dann doch ihre Plätze.

Zweite Hälfte

Schwierige Balance

Sir Alex nahm für die zweite Hälfte Anderson vom Feld und brachte Carlos Tévez in dessen letzten Pflichtspiel vor seinem Wechsel zu Man City. Der Argentinier gesellte sich zu Ronaldo in die Spitze, Rooney und Park Ji-Sung tauschten ihre Flanken. Im Grunde spielte United nun mit einem 4-2-4, lediglich Carrick und Giggs blieben im Mittelfeld übrig.

Manchester tat sich mit der offensiveren Ausrichtung aber sehr schwer, die richtige Balance zu finden – einerseits durften sie der Barcelona-Offensive nicht zu viel Raum geben, andererseits brauchte es aber nun vorne zählbaren Erfolg. So war das Spiel von United aber recht leicht ausrechenbar – lange Bälle auf die vier da vorne – andererseits aber waren Carrick und Giggs, die zu zweit gegen vier Mann im Zentrum anspielen mussten, völlig chancenlos, sich auch nur ansatzweise so zu stellen, dass Xavi und Co. nicht immer wieder Platz zu schnellen Gegenstößen fanden.

Standen sie zu tief, war ein Riesen-Loch zwischen ihnen und der Offensive, wo Xavi und Busquets sich ausbreiten konnten. Rückten sie auf, ohne dass die Abwehrkette mitmachte, hatte Messi seinen Spaß zwischen den Reihen. Und wenn die Abwehrkette aufrückte und hoch stand, stießen Henry und Eto’o über die Flanken in den Raum dahinter. Kurz: Wie auch immer es United machte, es war verkehrt – auch, weil die vier Offensivkräfte kaum zur Geltung kamen. Park konnte sich gegen Puyol überhaupt nicht in Szene setzen, Rooney gelang gar nichts, Tévez und Ronaldo machten viele leere Meter.

So hatte United zwar relativ viel Ballbesitz – mitunter kam man da knapp an die 50%-Marke heran – die klar torgefährlichere Mannschaft blieb aber Barcelona. Nicht nur wegen des Pfostentreffers von Xavi aus einem Freistoß kurz nach Wiederanpfiff hatte man nie ernsthaft den Eindruck, die Red Devils könnten zum Ausgleich kommen.

Berbatov kommt, Messi trifft

Schlussphase

Nach 65 Minuten nahm Sir Alex dann Park Ji-Sung raus – Cristiano Ronaldo sollte nun für mehr Druck gegen Puyol auf der Flanke sorgen, der für den Koreaner eingewechselte Dimitar Berbatov positionierte sich leicht hinter Tévez. D0ch bevor diese Maßnahme irgend eine Wirkung zeigen konnte, schlug Barcelona doch noch einmal zu.

Xavi wurde von Giggs völlig allein gelassen, seine Flanke erreicht Messi – der sich im Rücken von Ferdinand gelöst hatte – und der Argentinier versenkte den Ball per Kopf über den chancenlosen Van der Sar hinweg im Tor. Im Grunde war damit die Entscheidung gefallen, und Guardiola nahm auch gleich Henry vom Platz: Seydou Keita sorgte für mehr körperliche Präsenz im Mittelfeld und Iniesta ging auf die Linksaußen-Position.

Das Problem, das United weiterhin nicht gelöst bekam, war jenes in der Mittelfeld-Zentrale. Giggs konnte hier genauso wenig die Kreise von Xavi und Iniesta stören, wie das Anderson vor ihm gelungen war, darum probierte Ferguson es in der Schlussphase mit einem dritten Spieler – Paul Scholes.

Attentat

Der hatte auf der Bank offenbar mehr Frust aufgestaut als seine Kollegen auf dem Platz, denn kaum auf dem Feld, versuchte Scholes (der sich sehr tief stellte, Carrick rückte etwas auf) mit aller Gewalt, den Beinen von Busquets so viele Brüche zuzufügen, wie mit einem Tritt nur möglich waren. Die einzige echte Fehlentscheidung von Referee Busacca in diesem Spiel – anstatt Scholes, dem zweifellos eine Sperre von mindestens fünf Spielen gedroht hätte, hochkant rauszuschmeißen, ließ er den Rotschopf mit Gelb leben.

Zudem wechselten Ronaldo und Rooney zehn Minuten vor Schluss noch die Seiten. Wohl aus Selbstschutz für den Portugiesen, der sich mit Puyol ein Privatduell lieferte, regelmäßig ausgefahrene Ellbogen Ronaldos inklusive. Nachdem auch er verwarnt wurde, stellte ihn Ferguson so weit wie möglich weg von Puyol, um nicht eine drohende zweite gelbte Karte zu riskieren.

Das Spiel war mit dem 2:0 aber entschieden. In den letzten 20 Minuten kam United zwar noch zu einigen Eckbällen und einer richtig guten Chance von Ronaldo, doch auch Barcelona schien jederzeit in der Lage zu sein, wenn es sein muss noch ein drittes Tor nachzulegen. Letztlich fielen aber keine Tore mehr, und es flog auch keiner mehr runter.

Fazit: United ließ die Reihen zu weit auseinander ziehen

Der absolute Schlüsselfaktor in diesem Spiel war, dass United sich sehr früh – nämlich schon nach 10 Minuten – gezwungen sah, das Mittelfeldzentrum aufzumachen um vorne mehr Anspielstationen zu haben. Hatte das dicht vertikal gestaffelte Zentrum mit Giggs und einem tief stehenden Ronaldo zu Beginn den Raum um Busquets komplett im Griff gehabt, überließ Manchester den Katalanen nach dem 0:1 das Mittelfeld. Eine Maßnahme, die Barça extrem in die Hände spielte, mit heftigem Pressing verstärkt wurde und die Ferguson nie mehr beheben konnte.

Denn Barcelona war nun nicht mehr gezwungen selbst hoch zu stehen und hinter der Verteidigungslinie Raum offen zu lassen, sondern konnte sich etwas zurückfallen lassen. Dadurch ließen sich die Offensivkräfte von United nach vorne locken, ohne dass jedoch die Defensive – angesichts der Gefahr des Trios Messi, Henry, Eto’o – mit aufrückte. Barcelona streckte so United extrem in die Länge und in jenem Platz im Zentrum, wo nur zwei Manchester-Spieler waren, konnte Xavi schalten und walten. Ferguson versuchte im Laufe des Spiels drei Nebenmänner für Carrick – Anderson, Giggs und dann Scholes – aber sie alle konnten das grundlegende Problem nicht beheben. Zudem brachte Ferguson mit Tévez und Berbatov nur zusätzliche Stürmer, was den Effekt nur verstärkte. Als Scholes kam, war schon alles zu spät.

Barcelona hatte mit zwei Faktoren Glück: Zum einen, dass United nicht in den ersten Minuten schon ein bis zwei Tore schoss, die ebenso möglich wie verdient gewesen wären – und dass in der 10. Minute Eto’o jenes 1:0 erzielte, das den Katalanen so sehr in die Hände spielen sollte.

Die Nachwirkungen…

…können zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich beschrieben werden. Zum einen ist das Spiel eben erst zwei Jahre her, zum anderen sind sieben (Barcelona) bzw. zehn (Man Utd) Spieler der Startformationen immer noch beim Klub. Auffällig ist aber, dass bei Barça nicht nur der Spielstil und das System bis heute haargenau gleich sind, sondern auch die exakte Aufgabenverteilung und Spezialaufgaben der einzelnen Positionen.

Pep Guardiola hat versucht, mit dem Stürmertausch von Eto’o zu Ibrahimovic neue Impulse zu setzen – der zwar funktionierenden, aber noch nicht dauerhaft erprobten Rolle von Messi aus dem Zentrum statt über die Flanke traute er wohl nicht so ganz. Das Resultat waren aber eher atmosphärische Störungen, weil Ibra von seinem eher egozentrischen Naturell her schwierig in das Mannschaftsgefüge passte. Sportlich hatte das letztlich kaum Auswirkungen – Barcelona wurde mit 99 Punkten Meister und schied im CL-Semifinale nur knapp gegen Inter aus – aber der Schwede ergriff nach nur einem Jahr wieder die Flucht.

So ist seit verglichen mit dem Finale von Rom den Stil der Mannschaft heute kaum einen Millimeter anders als damals. Ja, ganz so extrem mit dem Ballbesitz war es in diesem Spiel nicht. Das hängt aber sicherlich auch mit dem Gegner und dem Spielverlauf zusammen.

(phe)

Das Personal

FC Barcelona: Victor Valdes (27); Carles Puyol (31), Yaya Touré (26), Gerard Piqué (22), Silvinho (35); Xavi (29), Sergio Busquets (20), Andres Iniesta (25); Samuel Eto’o (28), Lionel Messi (21), Thierry Henry (31). Seydou Keita (29), Pedro Rodríguez (21). Trainer: Josep Guardiola (38, seit einem Jahr)

Manchester United FC: Edwin van der Sar (38); John O’Shea (28), Rio Ferdinand (30), Nemanja Vidic (27), Patrice Evra (28); Michael Carrick (27), Anderson (21), Ryan Giggs (35); Park Ji-Sung (28), Cristiano Ronaldo (24), Wayne Rooney (23). Carlos Tévez (25), Dimitar Berbatov (28), Paul Scholes (34). Trainer: Sir Alex Ferguson (67, seit 23 Jahren)

Highlights des Spiels

Aus der Reihe “Ballverliebt Classics”:
05.07.1982 | Italien – Brasilien 3:2 (Duell der Philosophien, Plan vs. Phantasie)
24.05.1995 | Ajax Amsterdam – AC Milan 1:0 (Das letzte große Ajax)
06.09.1997 | Österreich – Schweden 1:0 (Höhepunkt der ÖFB-Generation Frankreich)
16.05.2001 | Liverpool – Alavés 5:4 n.V. (Europacup-Final-Allzeit-Klassiker)

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Der große Clasico-Vierteiler, Folge 4: Barcelona schaukelt’s über die Zeit https://ballverliebt.eu/2011/05/04/der-grose-clasico-vierteile-folge-4-barcelona-schaukelts-uber-die-zeit/ https://ballverliebt.eu/2011/05/04/der-grose-clasico-vierteile-folge-4-barcelona-schaukelts-uber-die-zeit/#respond Tue, 03 May 2011 23:17:33 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4693 Der große Clasico-Vierteiler, Folge 4: Barcelona schaukelt’s über die Zeit weiterlesen ]]> Ein letztes Mal in dieser Saison kreuzten diese beiden Teams die Klingen – und im Grunde war diese Partie sportlich ähnlich bedeutungslos wie jenes in der Liga zweieinhalb Wochen zuvor: Barça war praktisch durch und für Real ging es nur noch darum, sich halbwegs aus der Affäre zu ziehen. Das gelang nur teilweise.

FC Barcelona - Real Madrid 1:1

Barcelona wusste: Im Normalfall kann nichts mehr passieren, es ging eigentlich nur noch darum, dieses Spiel halbwegs unbeschadet zu überstehen. Und so verwundert es nicht, dass es den Katalanen erst einmal am allerletzten Drive nach vorne fehlte. Und nicht nur das: Real störte die Kreise der Blaugrana wieder deutlich früher als im Hinspiel, ohne dabei allerdings übertrieben böse oder gehässig zu Werke zu gehen. Man hat es kaum noch für möglich gehalten, aber das war bis zu einem gewissen Grad tatsächlich ein Fußballspiel.

Real, diesmal wegen Mourinhos Sperre betreut vom langjährigen Innenverteidiger und jetzigen Co-Trainer Aitor Karanka, versuchte sich eben realtiv hoch stehend an einem Pressing, lediglich Kaká wirkte wie ein völliger Fremdkörper. Verglichen mit dem, was Özil für das Spiel der Madrilenen bringt, erscheint es wie eine Erinnerung aus der Steinzeit, dass Kaká tatsächlich mal ein Weltklasse-Fußballer war. Natürlich, seine Verletzungen haben ihn deutlich zurückgeworfen, dennoch ist es irgendwie traurig, diesen Schatten von Kaká über den Platz traben zu sehen.

Was bei den Madrilenen sehr gut funktionierte war vor allem das defensive Mittelfeld. Lassana Diarra brachte eine enorme körperliche Präsenz auf den Platz, und erinnerte dabei zumeist eher an den kontrollierteren Khedira als den wilden Pepe. Xabi Alonso stand deutlich höher als sein Kollege und fügte sich oftmals in die offensive Kette ein, was aus der Formation von Real mitunter ein 4-1-4-1 machte. Mit dem Haken, dass Kaká ja nicht so richtig teilnahm.

Barça stellt auf Direktspiel-Modus um

Barcelona ließ das eine halbe Stunde ohne großen Zug zum Tor über sich ergehen und drehte dann fast von einer Minute auf die anderen massiv an der Daumenschraube. Angetrieben von einem nun extrem umtriebigen Messi stieg das Bemühen, mit so wenigen Pässen und so schnell wie möglich vor das gegnerische Tor zu kommen, dramatisch an. Barça presste nun äußerst aggressiv mit jeweils zwei Mann auf den ballführenden Madrilenen, und war die Kugel mal da, ging’s blitzschnell nach vorne. Die logische Folge: Chancen im Minutentakt. Auch, weil sich vor allem Cristiano Ronaldo nur, vornehm ausgedrückt, halbherzig um die Defensivarbeit gegen den nach innen ziehenden Dani Alves kümmerte.

Unfassbares Detail am Rande: Xavi hatte in der ersten Halbzeit alleine 102 Ballkontakte. Der Vorwärtsgang bei Barça erlahmte nach dem Seitenwechsel allerdings wieder etwas: Die Hausherren ließen Real wieder mehr spielen und versuchten sie, herauszulocken. Defensiv hatte man weiterhin kaum Probleme – Puyol hatte Di María gut im Griff und Kaká wurde aus welchen Gründen auch immer nicht ausgewechselt – und vorne kam ein blitzgescheiter Pass von Iniesta auf den eben nicht im Abseits stehenden Pedro an, und der versenkte zum 1:0.

Bei Real kommt der Frust durch

Die Entscheidung – waren zuvor zwei Tore, um in eine Verlängerung zu kommen, noch halbwegs realistisch vorstellbar gewesen, waren nun drei Treffer in einer halben Stunde eher Utopie, zumal Real auch zuvor nur einmal wirklich vor das Tor von Victor Valdes gekommen waren. So kam bei den Madrilenen in der letzten halben Stunde dann doch wieder vermehrt der Frust durch – Carvalho hätte schon vor der Pause zweimal vom Platz fliegen müssen, Marcelo in dieser Phase nach einem Attentat von hinten auf Messi ohne jegliche Chance auf den Ball ebenso, und kurz vor dem Schluss hat sich auch Lassana Diarra mit einem fiesen Tritt gegen Pedro noch äußerst nachhaltig für einen vorzeitigen Abgang beworben.

Da Referee De Bleeckere aber offenbar wild entschlossen war, nur bloß niemanden auszuschließen, ließ er alle drei leben – seine Bewertung wird eine Katastrophe werden, aber zumindest kann sich Mourinho nicht beschweren, diesmal den Schiedsrichter gegen sich gehabt zu haben. Diese massiven Fehlentscheidungen gleichen das nicht gegebene Tor zu Beginn der ersten Halbzeit (als ein gefoulter Ronaldo unglücklich auf Mascheranos Ferse fiel) mehr als aus.

Auch nach Rückstand kein letztes Risiko

So richtig auf’s Ganze wollte Karanka aber auch nach dem Rückstand nicht. Unmittelbar nach dem Gegentreffer kam Adebayor für den dezenten Higuaín, und erst nach einer Stunde wurde die Mannschaft von Kaká erlöst. Özil, der für den Brasilianer kam, ging zunächst auf die rechte Seite, Ronaldo ins Zentrum und Di María auf links. Viel gebracht hat diese Maßnahme aber auch nicht: Auch Özil kam gegen Puyol nicht zurecht.

Aus der Not, keinen Linksverteidiger zu haben, der 90 Minuten gehen kann (immerhin kam am Ende noch Abidal nach seiner Operation zu einem Comeback), generierte Guardiola sogar einen Vorteil: Der Innenverteidiger Puyol, der ja vor allem zu Beginn seiner Karriere oft auf die Seite ausweichen musste, montierte seine Gegenspieler auf der Flanke komplett ab. Nachteil bei der ganzen Sache: Villa vorne fehlte es massiv an der Hilfe von hinten, weshalb dieser komplett in der Luft hing. Barça konnte es verschmerzen.

Fazit: Barcelona hochverdient weiter

Pep Guardiola machte vier Spiele lang nichts, was man nicht von seinem Team kennen würde – er schob nur die Spieler in seinem System hin und her, wie es die Verletztenliste halt gerade verlangte. Real spielte in diesem vierten Spiel erstmals so, wie die Madrilnenen über diese Saison sonst immer aufgetreten waren: Mit einem 4-2-3-1 und dem Versuch, hoch zu stehen, über die schnellen Flanken nach vorne zu kommen und mit Präsenz und Übersicht im Zentrum das Spiel an sich zu reißen.

Womöglich hätte das mit dem agilen Özil statt des Bremsklotzes Kaká besser funktioniert, aber ob es gereicht hätte, den 0:2-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen? Kaum. Barcelona war über die vier Spiele das klar bessere Team und steht daher auch hochverdient im Finale von Wembley.

Und irgendwie ist es auch gut, dass es mit der Clasico-Serie jetzt mal vorbei ist.

(phe)

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