ÖFB-Team – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 05 Sep 2016 21:01:42 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Wieder keine Antwort auf Umstellungen: Österreich rettet 2:1 https://ballverliebt.eu/2016/09/05/oesterreich-georgien-koller-wm-quali-serbien-irland/ https://ballverliebt.eu/2016/09/05/oesterreich-georgien-koller-wm-quali-serbien-irland/#comments Mon, 05 Sep 2016 21:00:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12999 Immerhin: Österreich gewinnt in Georgien das erste Pflichtspiel nach der verpatzten EM mit 2:1 und startet mit dem erwarteten (und notwendigen) Sieg in die WM-Qualifikation. Das Resultat ist aber auch das Beste an diesem Spiel. Zwar hatte man Georgien vor der Pause gut unter Kontrolle. Auf die Umstellungen des Gegners blieb das Team von Marcel Koller aber – einmal mehr – eine Antwort schuldig.

Georgien - Österreich 1:2 (0:2)
Georgien – Österreich 1:2 (0:2)

Vor fast genau fünf Jahren hat ein von Vladimir Weiss trainiertes slowakisches Team die österreichische Mannschaft (unter Constantini) am taktischen Nasenring durch das Klagenfurter Stadion gezogen. Nun coacht Weiss Georgien – und die Kaukasus-Kicker stellten sich taktisch eher an wie Steinzeit-Menschen. Darum sagt die erste Halbzeit auch mehr über die Schwäche von Georgien aus als über eine wirkliche Rehabilitation Österreichs nach der verpatzten EM.

Ein Move reicht aus

Im georgischen 4-2-3-1 standen die vier offensiven Leute oft sehr hoch, die Abwehrkette aber fand keine richtige Positionierung. Für ein Einladen von österreichischem Druck stand sie zu hoch, für das eigene Ausüben von Druck aber zu tief. Hinzu kam noch, dass die beiden Sechser zwar einerseits viel horziontal in Richtung Ball verschoben, aber die restliche Spielfeldbreite nicht abgedeckt wurde weil der AV nicht ein- und das offensive Mittelfeld nicht zurück rückte.

Im Grunde genommen reichte es Österreich also völlig aus, einen Move immer und immer wieder zu bringen: Den Vertikalpass hinein in den offenen Sechserraum der Georgier, auf die etwas halblustig im Raum herumhängende Abwehrkette zu. Das war vor allem der Job von Alaba und Baumgartlinger, Empfänger waren vor allem Arnautovic und Junuzovic.

Die Kompaktheit im eigenen Aufbau war bei Österreich damit natürlich nicht gegeben, aber es machte sehr wohl den Eindruck, als sei die eher weite Staffelung im De-facto-4-2-4 gegen die schlechte Raumaufteilung der Hausherren durchaus so gewollt.

Georgien ohne Tempo im Angriff

Defensiv agierte Österreich in der ersten Hälfte über weite Strecken recht konzentriert, besonders schwer machten es ihnen die Georgier aber auch lange nicht. Da sie so hoch standen, kamen die georgischen Offensivleute praktisch nie mit Tempo an den Ball, so war es Österreich ein leichtes, Zielräume und Passwege recht flugs zuzustellen.

Die einzige wirkliche Quelle von Bauchweh war Markus Suttner. Der (vorläufige?) Nachfolger von Fuchs als Linksverteidiger zeichnete sich durch unpassendes Stellungsspiel aus; immer wieder mussten Alaba bzw. Baumgartlinger einkippen und / oder Hinteregger wurde aus der Position gezogen.

Die eine Riesen-Chance, die sich daraus ergab, schoss Ananidze links am Tor vorbei. Da führte Österreich aber schon verdient mit 2:0.

Wie so oft: Gegner reagiert…

Dass Weiss aber durchaus weiß, was er tut, sah man dann nach dem Seitenwechsel. Er hatte die Problemfelder erkannt und einige (wenn auch nicht alle) behoben.

2. Hälfte
2. Hälfte

Aus dem 4-2-3-1 wurde nun eher ein 4-1-3-2, zudem liefen die Georgier nun konsequenter die österreichische Eröffnung an und im Zentrum hatten Baumgartlinger und Alaba deutlich schneller einen Gegenspieler (in der Regel Kasha, davor auf der Sechs, in der Schlussphase nach einigen Umstellungen als IV) auf den Füßen stehen. Es war nicht die komplette Mann-Orientierung, die Österreich vor allem gegen Holland und Ungarn so zu schaffen gemacht hat, aber es zeigte massiv Wirkung.

Georgien hatte nun die permanenten Vertikal-Pässe von Österreich auf Junuzovic und Arnautovic unterbunden und damit das Spiel merklich unter seine Kontrolle gebracht. In der 51. Minute wurde noch Junuzovic geschickt (eher in Richtung Eckfahne), in der 56. Janko und Arnautovic (was das 3:0 hätte sein müssen) – aber davon abgesehen, hatte man Österreich den Lieblings-Spielzug genommen und damit weitgehend kaltgestellt. Es gab noch ein paar Halbchancen (wie der Weitschuss von Alaba in der 70. Minute und ein verweigerter Elfer nach einem Foul an Arnautovic), aber mehr auch nicht.

Außerdem wurde der erkennbare Schwachpunkt Suttner nun noch mehr angebohrt – mit der Folge, dass Georgien ein ums andere Mal über die rechte Angriffsseite in den Strafraum kam – am gefährlichsten war in der 65. Minute der Pfosten-Kopfball der Georgier nach einem Angriff über die Suttner-Seite. Und natürlich die Aktion zum georgischen Tor, als Suttner den Spielzug erst scharfmachte und dann nicht entschärfte. Der Schuss an sicher war stark, aber die Entstehung hätte dreimal verhindert werden können.

…Koller nicht

Alaba reagierte schnell, indem er sich zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, um sich ein wenig der direkteren Deckung zu entziehen. Das war auch durchaus ein Sicherheitsnetz gegen den Ball, andererseits fehlte seine Präsent natürlich weiter vorne – wo Georgien zunehmend das Spielgeschehen diktierte.

Die Reaktion von Koller war, dass es im Grunde keine Reaktion gab. Alle drei Wechsel waren positionsgetreu (erst Schöpf für Junuzovic, danach Sabitzer für den isolierten Harnik, und schließlich Gregoritsch beim Debüt für Janko). So konnte Georgien, ohne groß etwas weiter ändern zu müssen, einfach weitermachen und mehr und mehr Gefahr ausüben.

Die großen Abstände, die vor der Pause noch durchaus praktikabel waren, wurden nun gegen die deutlich verbesserte Raumaufteilung und das schnellere Anlaufen der Georgier zum Problem, Alabas zeitweiliger Rückzug aus dem Mittelfeld ebenso. Koller änderte nichts Grundlegendes durch seine Wechsel. Österreich bekam die Kontrolle über das Zentrum und damit über das Spiel nie wieder zurück.

Bedenkliche Abwehrarbeit

Kurz dem Tor zum 1:2 spielte Weiss dann volle Offensive: Er nahm erst Innenverteidiger Amisulashvili raus (für Offensivspieler Okriashvili – Kasha ging in die IV, Okriashvili auf die Zehn), kurz nach dem Anschlusstreffer auch noch Rechtsverteidiger Lobshanidze (für Offensivspieler Tchanturia). Das gehorchte nun keiner Formation mehr, das war einfach pure Brechstange, ein Alles-nach-vorne-Werfen.

Und Österreich ließ sich beeindrucken. Die Konzentration und die (von Suttner abgesehen) gute Ordnung aus dem ersten Durchgang waren völlig weg. Das Stellungsspiel war nun praktisch von allen Abwehrspielern mangelhaft, ständig standen zwei bis drei Georgier frei, im Zweifel wurde der Ball nur noch weg gedroschen – und kam kurz darauf schon wieder auf das Tor von Almer zu.

Österreich hätte sich nicht beschweren dürfen, wenn Georgien noch der Ausgleich gelungen wäre.

Fazit: Wo war die Reaktion?

Für eine Rehabilitation nach der verpatzten EM war die Leistung von Tiflis deutlich zu wenig, andererseits war sie nicht so schlecht, um den (typisch österreichischen) zynischen Komplett-Pessimismus zu rechtfertigen, der nach der EM um sich gegriffen hat.

Dennoch: Die Defizite wurden sehr deutlich. Einmal mehr gab es nicht nur keine adäquate, sondern im Grunde sogar überhaupt keine Reaktion auf einen Gegner, der in der Halbzeit seine Spielanlage umstellt – wie heuer gegen die Türkei, wie einst auch gegen Schweden oder auch gegen Uruguay. Auch, wie das Team mittelfristig sein Repertoire erweitert haben will, bleibt unbeantwortet; nicht nur das Personal glich der jüngeren Vergangenheit, auch die Spielanlage.

Natürlich: Es war dies kein Spiel, in dem man glänzen kann oder gar etwas Wildes ausprobieren. Dazu ist die Gemengelage zu kritisch und ein etwaiger Punkteverlust zu schwerwiegend. Und die Panik in der Schlussphase ist sicher auch den Erfahrungen aus dem bisher mäßigen Länderspiel-Jahr 2016 geschuldet. Aber ein spürbarer Impuls von der Bank in einer solch kritischen Phase wie der letzten halben Stunde in Tiflis darf schon erwartet werden.

Kleiner Blick zu Serbien-Irland (2:2)

Serbien - Irland 2:2 (0:1)
Serbien – Irland 2:2 (0:1)

Irland ist von der EM noch ganz gut bekannt und auch beim Spiel in Serbien machten sie nichts Unerwartetes.

Die Serben spielten unter ihrem neuen Trainer Slavoljub Muslin in einem 3-4-3, das jenem von Gent unter Hein Vanhaezebrouck ähnelt. Die Außenstürmer spielen sehr zentral, dahinter sind die beiden ZM auf einer Höhe und verteilen vertikal in die Kanäle, welcher immer sich auftut: Über die Wing-Backs, über die Außenstürmer, oder auch auf den Mittelstürmer. Es offenbarten sich aber einige Probleme.

Zum einen, dass die irischen Achter (Brady und Hendrick) ziemlich massiv auf die beiden serbischen Passgeber (Gudelj von Ajax und Milivojevic von Olympiakos; Chelseas Matic fehlte) pressten und sie somit aus dem Spiel nahmen. So war der serbische Spielaufbau lange mehr oder weniger tot, nachdem Irland nach einem Freistoß früh in Führung gegangen war.

Und zum anderen, dass die Schnittstellen rund um Branislav Ivanovic oft offen wie ein Scheunentor waren: Nastasic spielte stur den Holzprügel in der Mitte und bewegte sich keine zwei Schritte von dort weg, selbst wenn Ivanovic an der Seitenlinie stand. Andererseits stand Rukavina oft extrem hoch, wodurch Ivanovic andererseits aber dazu gezwungen war, sich von Nastasic weg zu bewegen.

Nach der Pause ließ der irische Druck etwas nach, die Serben kamen nun besser in den Strafraum und wurde auch mit zwei Toren innerhalb von kurzer Zeit belohnt. Danach aber stellte man das Spiel wieder komplett ein und fing sich prompt den irischen Ausgleich nach einer Ecke.

Letztlich hatte Serbien die höhere Qualität und Irland den besseren Spirit, aber – wenn man sich vernünftig auf diese beiden Gegner einstellt – muss man sich vor keinem der beiden fürchten. Zumindest auf dem Papier ist Österreich sicher besser als beide diese Teams. Und so ganz nebenbei ist es für Rot-Weiß-Rot sicherlich kein Nachteil gewesen, dass sich die beiden nominellen Verfolger schon mal gleich schön gegenseitig die Punkte wegnehmen.

tabelle1

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Das ÖFB-Team und die Volksseele zwischen Welteroberung und Weltuntergang https://ballverliebt.eu/2016/06/21/oefb-team-himmelhoch-jauchzend-zu-tode-betruebt-fans-medien/ https://ballverliebt.eu/2016/06/21/oefb-team-himmelhoch-jauchzend-zu-tode-betruebt-fans-medien/#comments Tue, 21 Jun 2016 13:41:17 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12677 Die österreichische Fußballseele ist ein gequälter Geist. War sie immer. Wenn man vor anderthalb Jahren, im Winter 2014/15 – nach einem guten Start in die Quali – gesagt hätte: Das ÖFB-Team qualifiziert sich für die EM, übersteht dort die Vorrunde und scheidet im Achtelfinale gegen Spanien aus, hätte wohl jeder gesagt: Super, passt, nehmen wir – ist doch ein toller Erfolg.

Und jetzt stellen wir uns vor, Österreich quält sich am Mittwoch zu einem mühsamen 1:0 gegen Island, erreicht als Dritter das Achtelfinale und verliert dort mit einem chancenlosen 0:3 gegen Spanien. Die Reaktionen, auf die man sich einstellen kann, sehen dann eher so aus: Ollas oasch, hatten nix verloren bei der EM, die Wappler; eine Gemeinheit, und überhaupt. Ein „mit einem blauen Auge davongekommen“ wäre vermutlich noch das Wohlwollendste (und treffendste).

Obwohl das blanke Resultat das selbe wäre. Ein Aus im Achtelfinale.

Es ist natürlich genauso möglich, dass Österreich gegen die Isländer nicht gewinnt und damit schon nach der Vorrunde nach Hause fahren muss. Und natürlich ist der Verlauf dieser EM bisher alles andere als das, was sich die Fans im Inland und zahlreiche Beobachter aus dem Ausland vom ÖFB-Team erwartet haben.

Doch selbst dann müsste man sagen: Das wäre der erste echte Rückschlag für Marcel Koller nach viereinhalb Jahren im Amt. Seine diversen Vorgänger als ÖFB-Teamchef haben für diesen Rückschlag selten länger als viereinhalb Monate gebraucht. Man denke nur an Brückners 0:2 in Litauen in seinem dritten Spiel, Hickersbergers 0:2 gegen Kanada im ersten Spiel, Krankls 2:6 gegen Deutschland im dritten Spiel, Baric‘ 0:5 in Israel im zweiten Spiel, Prohaskas 1:3 in Finnland im vierten Spiel, und so weiter.

Das wäre der erste echte Rückschlag für Marcel Koller nach viereinhalb Jahren im Amt. Seine diversen Vorgänger als ÖFB-Teamchef haben für diesen Rückschlag selten länger als viereinhalb Monate gebraucht.

In den zwei Quali-Kampagnen unter seiner Regie ging es für Österreich im Grunde nur bergauf. Das ist logisch, denn viel weiter runter als mit dem ewiggestrigen Didi Constantini konnte es ja auch nicht mehr gehen. Statt sich zu beklagen, dass die Spieler nicht mehr so denken wie vor 30 Jahren, nahm Koller sie an der Hand und vertraute ihnen. Koller stellte eine gewisse Augenhöhe her.

Statt sie oberlehrerhaft wie eine Person zu behandelt, die Autorität aufgrund des höheren Lebensalters einfordert (wie das allerdings sehr viele Menschen im ungefähren Alter von Constantini tun, er ist Jahrgang 1955 und wurde im verheerend konservativen Tirol der 60er-Jahre erzogen), war ihnen Koller ein fordernder, aber freundlicher Vorgesetzter, der sich seine Autorität über sein Fachwissen erarbeitete. „Hände falten, Gosch’n halten“ kennt Koller aus der eher calvinistisch als christlich-konservativ geprägten Schweiz nicht.

„Hände falten, Gosch’n halten“ kennt Koller aus der eher calvinistisch als christlich-konservativ geprägten Schweiz nicht.

Wer Kinder hat und/oder Thomas Gordon gelesen hat, ist mit dem Unterschied zwischen „M-Autorität“ (auf Macht basierend) und „E-Autorität“ (auf Erfahrung basierend) vertraut. Der Erziehungswissenschaftler legt recht überzeugend offen, dass es nie eine fruchtbare Zusammenarbeit geben kann, wenn der Vorgesetzte (oder Lehrer oder Eltern, wie bei Gordon) seine leitende Funktion nur über seine Stellung definieren kann, nicht aber über sein Wissen.

Das Team hat Kollers Berechenbarkeit im zwischenmenschlichen Bereich, seinen grundsätzlich freundlichen Umgangston und seine analytische Arbeitsweise kennen und schätzen gelernt. Es wirft sie nicht nachhaltig aus der Bahn, wenn es mal nicht ganz nach Wunsch läuft (wie etwa nach dem 1:2 in Stockholm im Herbst 2013), sondern kann sich darauf verlassen, dass man daraus lernt und auch die Gelegenheit bekommen wird, es beim nächsten Mal wieder besser zu machen.

Die Weltsicht des Teams unter Koller besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß, nicht nur aus dem Duell der realitätsverweigernden rosa Brille bei den Akteuren (wie in der Krankl/Ivanschitz-Zeit selbst die übelsten Schweinespiele noch zu moralischen Siegen schöngeredet wurden, war ein Graus) versus tiefschwarzem Fatalismus bei den Fans. Es spielt sich in den Graustufen dazwischen ab.

Wie in der Krankl/Ivanschitz-Zeit selbst die übelsten Schweinespiele noch zu moralischen Siegen schöngeredet wurden, war ein Graus.

Nicht so beim gelernten Österreicher. Der kennt keine Graustufen. Er kennt nur „alles ist großartig“ und „alles ist furchtbar“. Diese Aggregatzustände wechseln sich erschütternd schnell ab, und zwar immer schon. September 1989, ein 0:3 in der Türkei: Sie sollten den Spielbetrieb einstellen. November 1989, ein 3:0 gegen die DDR: Wir sind wieder wer! Juni 1990, vor der WM: Halbfinale, minimum. Juli 1990, Vorrunden-Aus: Alles unfähige Idioten!

Gerade nach Valencia 1999 und vor der Heim-EM 2008 war die Alles-Sinnlos-Fraktion besonders stark, in den letzten zwei Jahren ging es besonders dramatisch in die andere Richtung.

So ist das auch jetzt wieder. Eine zugegeben wirklich schlechte Leistung gegen Ungarn – die erste Pflichtspiel-Niederlage nach zweieinhalb Jahren – und ein glückliches Remis gegen Portugal, wohlgemerkt bei einer EM-Endrunde, für die sich Österreich höchst souverän sportlich qualifiziert hat, und schon debattiert im ORF eine Journalisten-Runde  mit einem Grundton, das man meinen könnte, das ÖFB-Team hätte schon wieder gegen die Färöer verloren. So geschehen am Tag nach dem 0:0 gegen Portugal.

Aus sechs Jahren in Diensten einer großen Boulevard-Zeitung ist mir natürlich klar, dass sich nur Helden-Sagen und Total-Verrisse gut verkaufen. Weil die Leute das so wollen, hieß es. Weil nuanciertes Abwägen von Positiva und Negativa die Mehrheit der Leser (bzw. die Zielgruppe) nur langweilt. Stammtisch-Journalismus, wenn man es so nennen will. Ein klares Weltbild gibt dem Tag Struktur, sagte Volker Pispers nicht ohne Zynismus. Zwar in einem anderen Zusammenhang, aber das Prinzip ist das gleiche.

Nur Helden-Sagen und Total-Verrisse verkaufen sich gut. Weil nuanciertes Abwägen die Mehrheit der Leser nur langweile.

Hier beißt sich die Katze selbst in den Schwanz. Gerade im Sport, den viele Menschen quasi als Refugium vor dem komplizierten Alltag ansehen, sind sie gerade für simple Schwarz/Weiß-, für Gut/Böse-, für Held/Versager-Zuschreibungen empfänglich. Darum bekommen sie nur solche zu lesen. Darum kennen sie es auch nicht anders.

Da wäre der ORF als Quasi-Monopolist im Free-TV-Fußball gefragt, aber auch hier schwankt der Kommentar zumeist zwischen Fanboy-Jubel und Alles-hat-sich-gegen-uns-verschworen-Gejammere. Sachliche, fundierte Begleitung der Spiele gibt es kaum. (Und jetzt nicht sagen, dass Polzer und König das ultimativ Schlechte wären – anders war’s mit Huber, Seeger und Elstner auch nicht). Niemand verkörpert dieses unterwürfige und intellektuellenfeindliche Österreich im Sportbereich besser als Rainer Pariasek, dessen seltenen Versuche, überkritisch zu fragen, dadurch besonders großes Fremdschäm-Potenzial besitzen.

Im ORF schwankt der Kommentar zumeist zwischen Fanboy-Jubel und Alles-hat-sich-gegen-uns-verschworen-Gejammere. Sachliche, fundierte Begleitung der Spiele gibt es kaum.

In diesem Umfeld wirkt dann einer wie Roman Mählich, der tatsächlich versucht, die Zusammenhänge auf dem Feld anschaulich darzustellen, wie ein allzu bemühter Oberstufen-Streber, den man einen Vortrag in einem Bierzelt abhalten lässt.

Besonders bitter ist aber, dass sich die Öffentlichkeit auch nicht ändern (lassen) möchte. Viele achten Koller wegen seiner Erfolge, nicht wegen seiner Arbeitsweise. Die Vermutung liegt nahe, dass nicht wenige einen kernigen Schmähtandler lieber haben als einen spröden Kopfmenschen. Der Stallgeruch von Schanigärten sticht die Ausstrahlung eines Büroleiters halt doch oft aus.

Schön zu sehen ist dieser Umstand an Marcel Hirscher. Er ist ein sehr reflektierter Mensch, der sich seinen Erfolg zu einem großen Teil außerhalb des österreichischen Standard-Systems (in seinem Fall des ÖSV) erarbeitet hat. Ihm ist die Vereinnahmung vor allem durch den ORF merklich etwas zuwider, er ist auch gefühlt der einzige, der Pariasek zumindest hin und wieder spüren lässt, was für Schwachsinns-Fragen man sich bei ihm da manchmal gefallen lassen muss.

Natürlich spielt Hirscher das Spielchen bis zu einem gewissen Grad mit, weil er es muss, weil es seine Stellung als um Meilen bester Skifahrer in der Ski-Nation Österreich so verlangt und weil es ihm schlicht auch einfach einen Haufen Kohle einbringt (Stichwort Raiffeisen). Aber Hirscher ist ein diametral anderer Charakter als etwa ein Hermann Maier.

Der breiten Masse ist das völlig egal: Die Hirscher-Mania braucht sich nicht hinter dem Herminator-Hype verstecken; aber während Maiers erdiges Hackler-Image geliebt wurde, ist den Allermeisten die kopflastige Bedachtheit Hirschers egal. Man hat im Gegenteil den Eindruck, die Fans würden Hirscher seinen nüchternen Zugang eher verzeihen, als dass dieser ihm als positiv angerechnet würde.

Man hat den Eindruck, die Fans würden Hirscher seinen nüchternen Zugang eher verzeihen, als dass dieser ihm als positiv angerechnet würde.

Mit ihrer Performance, das nur nebenbei, decken die Einzelgänger Hirscher und die ähnlich gestrickte Anna Veith/Fenninger aber auch zu, dass ohne sie und den von ihnen beschrittenen Sonderweg der ÖSV sportlich etwa so sehr mit runtergelassenen Hosen dastehen würde wie der ÖFB zur Zeit von Baric, Krankl und Hickersberger II.

Der ÖFB hat damals die richtigen Schlüsse gezogen und mit der Bestellung von Koller hat Sportdirektor Willi Ruttensteiner auch den Mut bewiesen, gegen den Strom der stockkonservativen Bewahrer und Intellektuellen-Feinde (wie Tirols Landesverbands-Präsident Geisler) zu schwimmen. Sätze wie Geislers „Grau ist alle Theorie, sie bringt den Fußball sicher nicht weiter“, würde sich heute niemand mehr öffentlich sagen trauen. Nicht, weil manche Betonköpfe nicht immer noch davon überzeugt wären, dass sie recht hätten, sondern weil sie Angst vor den öffentlichen Gnackwatschn hätten, die sie sich damit (völlig zurecht) einfangen würden.

Sätze wie Geislers „Grau ist alle Theorie, sie bringt den Fußball sicher nicht weiter“ würde sich heute niemand mehr öffentlich sagen trauen.

Die fünf Prozent, die Martin Blumenau schon vor sieben Jahren als vorhandenes Potenzial eines an kritischer Reflexion interessierten Publikums postulierte, sind seit 2009 wohl nicht signifikant mehr geworden (wer einmal mit offenen Augen über die MaHü geht, weiß, was ich meine). Aber speziell in der Constantini-Ära haben sie eine gewisse Lautstärke und öffentliche Relevanz erreicht – Stichwort Trottelgate – die es Funktionären und Trainern im ÖFB nicht mehr möglich machen, sie einfach beiseite zu lächeln und zu hoffen, dass es keiner mitbekommt.

Natürlich hat sich der ÖFB nach Jahrzehnten des Schluderns und der sportlichen Misswirtschaft – vor allem geprägt durch die Amtszeiten der Präsidenten Karl Sekanina und Beppo Mauhart – noch nicht den „Benefit of the doubt“ erarbeitet, ist noch nicht über jeden Zweifel erhaben. Vielleicht halten die internen Kritiker an einer externen Teamchef-Lösung nur wegen des grundsätzlichen aktuellen Erfolgs still, vielleicht, weil sie als Konzession ein paar Alt-Internationale als U-Teamchefs zugestanden bekommen.

Aber sicher ist: Ein Ausscheiden in der Vorrunde einer Europameisterschaft, für die man sich (wenn auch, wie wir mittlerweile bestätigt bekommen haben, in eher schwachen Gruppe) souverän auf sportlichem Weg qualifiziert hat, ist kein Alarmzeichen für irgendetwas. Es ist das Produkt von Verletzungen und Formschwächen von Schlüsselspielern (Junuzovic, Alaba), die jedes Mittelklasseteam aus der Bahn werfen würden; von Gegnern, die die Schwächen des Teams erkannt haben und anbohren (hallo, das ist eine EM!); und davon, dass man es halt doch im Kopf erst einmal verarbeiten muss, wenn das erste Mal seit Jahrzehnten wirklich etwas vom ÖFB-Team erwartet wird.

Man muss es halt doch im Kopf erst einmal verarbeiten, wenn das erste Mal seit Jahrzehnten wirklich etwas vom ÖFB-Team erwartet wird.

Der Schlüsselaspekt ist die Erwartungshaltung. Für die Ungarn war es ein Erfolg, nicht dreimal krachend zu verlieren. Österreich sah man – nicht nur im In-, sondern auch im Ausland – als potenziellen Viertelfinalisten, jedenfalls aber ohne gröbere Troubles in der K.o.-Runde. Wer nichts erwartet, kann nur positiv überraschen. Für jene, denen viel zugetraut wird, ist die Fallhöhe deutlich größer.

Die großartigen Fans, die in Frankreich mit sind und die Österreich-Spiele zu gefühlten Heimpartien machen, sind davon auszunehmen – aber der gelernte Österreicher kann nun mal genau eines nicht: Mit großen Fallhöhen umgehen.

Ein Aus in der Vorrunde wäre schade, aber keine ultimative Schande und kein Grund, alles entwertet zu sehen, was in den letzten viereinhalb Jahren gut war. Ein Weiterkommen ins Achtelfinale wäre erfreulich, aber auch keine ultimative Heldentat und kein Grund, alles, was in den letzten Spielen nicht funktioniert hat, unter den Teppich zu kehren.

Ein Aus in der Vorrunde wäre schade, aber keine ultimative Schande. Ein Achtelfinal-Einzug erfreulich, aber keine ultimative Heldentat.

Für viele österreichische Fans wäre das anders. Ein Vorrunden-Aus oder ein gerade noch erreichtes, aber chancenlos verlorenes Achtelfinale wäre der Grundtenor eine „verpatzte EM eines maßlos überschätzten Teams, das sich keine Chancen auf eine WM-Teilnahme ausrechnen darf“. Sollte es durch irgendeine glückliche Fügung womöglich eine Sensation geben und Österreich sich irgendwie doch ins Viertelfinale mogeln (unwahrscheinlich, schon klar), ist das genaue Gegenteil zu erwarten: „Die sind sogar unter den besten acht, wenn sie scheiße spielen – na eh klar fahr’ma zur WM!“ Überspitzt formuliert, ja, aber das Prinzip sollte klar sein.

Egal, wie es kommt: Nach der EM werden sich Koller, Ruttensteiner und Co. das alles genau ansehen, bewerten und analysieren und dann wird der Blick auf die kommende WM-Quali gelegt werden. Sie sind die maßgeblichen Personen, wenn es um die Entwicklung des ÖFB-Teams geht, nicht die vielen Fans (und Medien), die keine Abstufungen zwischen Welteroberer und Weltuntergang kennen.

Und das ist gut so.

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EM mit 24 Teams: Die Sache mit den Gruppendritten https://ballverliebt.eu/2015/12/09/euro-2016-vorrunde-gruppendritte-zahlen-statistik/ https://ballverliebt.eu/2015/12/09/euro-2016-vorrunde-gruppendritte-zahlen-statistik/#comments Wed, 09 Dec 2015 18:49:47 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11925 EM mit 24 Teams: Die Sache mit den Gruppendritten weiterlesen ]]> Mit der bevorstehenden Auslosung für die EM 2016 – und der ungewohnten österreichischen Beteiligung daran – lohnt sich ein Blick auf den Turnier-Modus. Genauer gesagt: Auf die Tatsache, dass die vier besten der insgesamt sechs Gruppendritten ebenso in die K.o.-Runde kommen. Die Frage ist: Welche Bilanz reicht, um unter diese vier Dritten zu kommen?

Die Weltmeisterschaften von 1986 und 1990 wurden im selben Modus (6 Gruppen zu 4 Teams, danach Achtelfinale) ausgetragen, Österreich war in Italien 90 der fünftbeste Gruppendritte – mit einem Sieg und zwei Niederlagen. Allerdings galt damals noch die Zweipunkte-Regel. Das kann als Erfahrungswert also nicht wirklich herangezogen werden.

Seit Einführung der 3-Punkte-Regel (bei Großturnieren seit USA 1994, in allen nationalen Ligen verbindlich seit 1995/96) gab es 16 Turniere, die in diesem Modus gespielt wurden – zehnmal die U-20-WM, fünfmal die U-17-WM und die Frauen-WM in diesem Sommer. Mit diesen Daten lässt sich arbeiten.

Übrigens: Sollten der viert- und der fünftbeste Dritte punktgleich sein, werden zunächst die Tordifferenz und die erzielten Tore herangezogen, danach das Fair-Play-Ranking. Erst wenn auch dieses gleich ist, wird gelost. Damit hat die UEFA die Konsequenzen aus der heftigen Kritik nach der Frauen-EM 2013 gezogen – damals wurde bei Punktgleichheit sofort gelost.

Punkte insgesamt

Fünf Punkte oder mehr reichten bisher zu 100% für das Achtelfinale, zwei Punkte so gut wie nie.
Fünf Punkte oder mehr reichten bisher zu 100% für das Achtelfinale, zwei Punkte so gut wie nie. Bei drei Punkten steht es praktisch fifty-fifty.

Für die grobe Hochrechnung gilt: Ab vier Punkten ist man im Achtelfinale, mit zwei Punkten ist man ausgeschieden. Damit es bei einem Sieg und einem Remis nicht reicht, muss es schon mit dem Teufel zugehen – und um mit zwei Remis weiterkommt, müsste man damit Gruppenzweiter werden. Das funktioniert nur in einer Konstellation 9-2-2-2 (also: Gruppensieger gewinnt alle Spiele, die anderen spielen untereinender ausschließlich unentschieden).

In den 64 Gruppen, die bei diesen 16 Turnieren gespielt wurden, ist das genau ein einziges Mal vorgekommen. Ist also eher, naja, eher unwahrscheinlich.

Punkte als Dritter

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Nimmt man nur die Gruppendritten her, ergibt sich ein ähnliches Bild: Vier und mehr reichen, zwei oder weniger nicht. Wird man mit drei Punkten Dritter, erreicht man zu 39% das Viertelfinale.

Fast 85 Prozent der Gruppendritten haben entweder vier oder drei Punkte – ein erwartbarer Wert. Wie es auch generell gilt, ist mal auch als Dritter bei vier Punkten safe (97 Prozent der Gruppendritten mit vier Punkten – also 38 von 39 – kamen weiter). Als Gruppendritter mit zwei Punkten kam man noch nie ins Achtelfinale.

Die Spreu trennt sich also bei den Dreipunkte-Teams vom Weizen. Die Tatsache, dass 61 Prozent der Mannschaften, die mit drei Punkten weiterkommen (25 von 44), legt den Schluss nahe, dass drei Remis (also eine ausgeglichene Tordifferenz) reichen. Was meistens der Fall ist: 83 Prozent der Fälle kam man mit drei Punkten und ausgeglichener oder positiver Tordifferenz weiter.

Tordifferenz als Dritter

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Sechsmal (x-Achse) reichte eine Tordifferenz von exakt -1 (y-Achse), um als Gruppen-Dritter mit drei Punkten weiterzukommen (grüne Punkte) – hier liegt der Median (grüne Linie). Der Median (rote Linie) der Ausgeschiedenen (rote Punkte) liegt bei -3.

Generell zeigt die Verteilung aller 43 Gruppendritten mit drei Punkten eine reichlich unübersichtliche Streuung: Mit 3 Punkten und +2 Toren ist man schon ausgeschieden, mit 3 Punkten und -10 Toren ist man schon weiterkommen.

Probieren wir’s mit dem Medianwert. Dieser spuckt aus, dass von allen Teams, die drei Punkte als Dritter hatten, die Tordifferenz der Weitergekommen bei -1 liegt und jene der Ausgeschiedenen bei -3 Toren. Nun lässt sich natürlich die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, überhaupt alle Dritten mit drei Punkten einzubeziehen. Guatemala kam bei der U-20-WM 2011 schließlich nur darum mit 3 Punkten/-10 Toren weiter, weil die schlechteren Dritten gar nicht erst auf drei Punkte gekommen sind.

Wenn drei Punkte reichen UND nicht reichen

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So sieht’s aus, wenn der Cut genau durch jene Teams mit drei Punkten verläuft. Bei -1 sieht es ganz gut aus, ab -2 oder schlechter nicht so gut.

Also sehen wir uns an, wie die Zahlen liegen, wenn der Cut genau durch die Teams mit drei Punkten verläuft; also wenn drei Punkte reichen UND nicht reichen. Hier zeigt sich, dass man mit einer positiven Tordifferenz noch nie ausgeschieden ist und mit einer schlechteren als -5 noch nie weitergekommen ist.

Die Mediane sehen gegenüber jenen mit allen Dreipunkte-Teams recht ähnlich aus: Jener der ausgeschiedenen weiterhin bei -3, jener der Weitergekommenen bei einem ausgeglichenen Torverhältnis. Auffällig ist, dass der Wechsel in der Realität zwischen -1 und -2 verläuft: Mit -1 kamen die Teams überwiegend noch ins Achtelfinal, mit -2 überwiegend nicht mehr.

Und das heißt?

Die Praxis hat gezeigt, dass man mit einem Sieg und zwei knappen Niederlagen intakte Chancen hat, die Gruppe zu überleben, mehr aber auch nicht. Mit der Bilanz von 1990 hätte Österreich (1 Sieg, 2 Niederlagen und 2:3 Tore) etwa das Achtelfinale um ein Tor verpasst (statt damals mit der Zweipunkte-Regel um einen Punkt).

Wenn man sicher sein will, die Gruppenphase bei sechs Vierergruppen zu überstehen, sollte man vier Punkte sammeln. Das gilt vor allem bei einem Turnier, dessen zu erwartende Leistungsdichte so ausgeprägt ist wie bei der EM-Endrunde im Sommer. Bei den Turnieren, die hier herangezogen werden (Junioren- und Frauen-WM) gibt es ein größeres Leistungsgefälle.

Fünf Punkte könnten also durchaus zum Gruppensieg reichen, es ist aber gleichzeitig durchaus denkbar, dass bei der EM in Frankreich selbst für Gruppendritte vier Punkte notwendig sein werden, um den Sprung ins Achtelfinale zu schaffen. Anders gesagt: Eine Niederlage in der Gruppenphase ist auf jeden Fall erlaubt, eine zweite könnte aber womöglich schon zu viel sein.

Und, was auf jeden Fall von Vorteil ist: In den Gruppen E oder F spielen. Diese werden als Letzte mir ihren Spielen fertig und wissen daher schon genau, wie viele Punkte genau reichen. Österreich spielte 1990 in der Gruppe A – das Aus stand erst zwei Tage nach dem 2:1 über die USA im letzten Spiel des ÖFB-Teams fest.

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Als Kader-Bekanntgaben in Österreich noch spannend waren https://ballverliebt.eu/2015/09/03/oesterreich-koller-krankl-constantini-vergleich/ https://ballverliebt.eu/2015/09/03/oesterreich-koller-krankl-constantini-vergleich/#comments Thu, 03 Sep 2015 20:55:56 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11527 Als Kader-Bekanntgaben in Österreich noch spannend waren weiterlesen ]]> Kaderbekanntgaben sind unter ÖFB-Teamchef Marcel Koller zu einem völligen Non-Event geworden. Seit Jahren gibt es keine nennenswerten Überraschungen peronseller Natur, flockige und/oder jenseitige Aussagen des grundseriösen Schweizers gibt es auch so gut wie nie. Das war in der Vergangenheit anders: Da waren die Kader-Bekanntgaben nicht selten unterhaltsamer als das folgende Match. Eine kleine Rückschau.

„Man muss wieder vor uns Zittern“, gab der neue Teamchef zu Protokoll, als er in Eisenstadt seinen ersten Kader präsentierte. Ein Testspiel gegen die Slowakei stand an. Eine neue Ära sollte anbrechen. Drei Mann waren dabei, die noch nie im Kader waren. Vier weitere, die zwar schon mal im Kader waren, aber noch kein Länderspiel absolviert hatten, ebenso. Eine Kader-Bekanntgabe war das, die viel Slapstickhaftes hatte und doch ein Vorgeschmack werden sollte auf das, was in den nächsten Jahren noch so allem kommen sollte.

Es waren aber auch echte Kapazunder von internationalem Format, die Hans Krankl am 21. März 2002 da nominierte. Die 29-jährige Nachwuchshoffnung Thomas Hickersberger von Salzburg, der 25-jährige Thomas Höller von Aufsteiger FC Kärnten und Jürgen Panis, 27, vom FC Tirol. Das waren die drei Teamkader-Debütanten – auch René Aufhauser (25) vom GAK, Ferdinand Feldhofer (22) von Rapid, Goalie Roland Goriupp (30) vom FC Kärnten und Roland Linz (20) von der Austria sollten Europa erzittern lassen.

Didn’t quite work out.

Dafür waren Kader-Bekanntgaben von Krankl immer spannend. In seinem zweiten Spiel ließ er Rolf Landerl debütieren, 26 Jahre und bei Fortuna Sittard unter Vertrag. „Ich werde mir weiter Spieler anschauen, mit denen niemand rechnet“, gab Krankl nach dem 2:6 in Deutschland zu Protokoll – Landerls einzigem Länderspiel. Alleine in seinem ersten Jahr ließ Krankl 18 (!) Spieler debütieren (Durschnitts-Alter: 24 Jahre), in den neun Spielen kamen 39 (!!) verschiedene Spieler zum Einsatz. Dazu kamen arme Teufel wie Robert Golemac und und Helmut Riegler, die nominiert waren, aber nie spielen durften.

Völliges Irrlichtern

Auch in seinen drei weiteren Jahren wurde jede Kader-Bekanntgabe zu einem heiteren Rätselraten, welchen Spieler er denn diesmal aus dem Hut zaubern würde. Da die Ausländer-Quote in der Bundesliga damals bei rund 50 % lag, konnte sich eigentlich jeder Österreicher, der halbwegs regelmäßig zum Einsatz kam, darauf verlassen, früher oder später mal einen Anruf vom Teamchef zu bekommen. „Niemand ist vor Krankl sicher“, unkte die OÖN nach Krankls erstem Jahr. „Man könnte behaupten, dass man Hans Krankl so lange als Teamchef einberufen lässt, bis er einen Weltrekord im Ausprobieren von Spielern aufgestellt hatte“, in seinem dritten.

hanseSeine Nominierungs-PKs waren immer spannend. Einmal trat GAK-Goalie Franz Almer aus dem Team zurück, unmittelbar nachdem er als 31-Jähriger erstmals nominiert worden war („Sie haben mich 10 Jahre ignoriert, jetzt interessiert’s mich auch nimmer“). Alen Orman berief Krankl, „weil ich ihn kenne, da ich ihn als 18-Jährigen bei Gerasdorf trainiert habe“. „Ich werde einen Kader nominieren, über den sich viele wundern werden“, meinte Krankl, ehe er nach anderthalb Jahren Didi Kühbauer (damals 32 Jahre alt) von Zweitligist Mattersburg reaktivierte. Dieser musste danach verletzungsbedingt absagen und noch weitere anderthalb Jahre auf sein Team-Comeback warten.

Der Beste wo gibt

„Wir schlogn Wales zwoamoi“, hatte Krankl im TV-Interview nach dem 3:3 in Nordirland gesagt. „Keiner verlangt von uns, Wales zweimal zu schlagen“, als er drei Monate später den Kader für die beiden Spiele einberief.

Alex Hörtnagl wurde nominiert, einen Tag nachdem er sich einen doppelten Bänderriss zugezogen hatte und gerade operiert wurde. „Es gibt keinen besseren für den Teamchef-Job als mich“, sagte Krankl dennoch (nach einem Test-2:0 über Costa Rica). Und: „Morientes ist um nichts besser als Glieder“ – wohlgemerkt ein paar Wochen, nachdem er Glieder wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht in den Kader aufgenommen hatte. „Ich habe meinen Stamm gefunden“, erklärte er der verdutzten Reporterschar auch einmal – vier Monate später nominierte er die Spieler 49 und 50 in seiner bis dahin zweijährigen Amtszeit.

Hicke und Brückner

Es folgten sachliche und im Ton zuweilen einschläfernde Kader-PKs von Josef Hickersberger, der sich nur selten zu einem Bonmot hinreißen ließ. „Im Gegensatz zu Färöer sind Trinidad und Tobago zwei Inseln, also gleich doppelt gefährlich“, war eines der seltenen Highlights. Ansonsten regierte die Vernunft: „Kavlak und Junuzovic sind nicht dabei, weil ein U-21-Auswärtsspiel in Italien wertvoller ist als zehn Minuten im A-Team auf Malta“, erklärte Hickersberger etwa ganz ohne Pathos.

Vor gefühligen Ausbootungen war aber auch Hicke nicht gefeit: Scharner flog raus, weil er die schlechte Stimmung im Team monierte. Pogatetz, weil er inhaltliche Kritik übte. Prager, weil er sich über eine Auswechslung ärgerte. Linz, weil er zu Larifari-Trainingsleistungen neigt. Linz und Prager wurden nach vier Monaten pardoniert, Pogatetz nach einem Jahr, Scharner gar nicht.

Nachfolger Brückner kommunizierte zunächst nur via Dolmetsch und ließ diesen ausrichten, dass über seine Kader-Entscheidungen keine Fragen beantwortet werden. Überhaupt war der „Weiße Vater“ nicht gerade der Wuchtldrucker der Nation. Kritik an ihm kommentierte er lapidar mit „gehört zum Job“, über den Rücktritt von ÖFB-Präsident Stickler meine er knapp: „Das ist seine Sache, nicht meine.“ Und den Wechsel von Marko Stankovic in die Serie B nach Triest hielt Brückner schlicht für „keine gute Idee“.

Deutschland sollte sich hinterfragen

Es folgte der grummelige und tirolerisch-bärbeißige Constantini „Ich möchte ihn aus der medialen Schusslinie nehmen“, gab er sich bei seiner ersten Nominierungs-PK gegenüber Andreas Ivanschitz väterlich-fürsorglich, nur um nach dem Spiel (einem 2:1 über Rumänien trotz einer ganz schlechten Leistung) zu grinsen: „Damit er und Stranzl wiederkommen, müssen sie die anderen erst mal rausspielen!“

dicoStranzl trat etwas später sauer aus dem Team zurück, Ivanschitz war unter Constantini nie dabei. „Wenn er in Mainz weiter so aufspielt, gehört er ins Team“, sagte der Teamchef im August 2009. „Wer eine Stammplatz-Garantie haben will, den nehm ich ihn nicht mit“, einen Monat später. Ivanschitz‘ Konter („Hab‘ ich nie gefordert, ich bin doch kein Trottel“) quittierte Constantini bei der nächsten Kader-PK mit der nächsten Nicht-Berufung und einem „Das Leben ist halt ungerecht, ich muss nicht alles rechtfertigen“. In weitere Folge kam dann DiCos berühmter Sager, dass sich die deutsche Bundesliga hinterfragen muss, wenn Ivanschitz dort eine gute Figur abgibt.

Gute Gründe

Als der zuvor ausgebootete Alex Manninger seine folgende Nominierung mit dem Team-Rücktritt ablehnte, sagte Constanitini: „Soll ich vor ihm auf die Knie fallen und betteln?“ Als Ivanschitz mit Mainz in Flachau auf Trainingslager war, sprach der Teamchef nicht mit ihm: „Da standen 20 Autogrammjäger um ihn herum.“  „Er ist verrückt“, war dafür die offizielle Begründung dafür, dass Stefan Maierhofer berufen wurde, obwohl er nie beobachtet wurde.

Janko wurde einmal quasi prophylaktisch nicht berufen, weil Constantini nicht wusste, wie es um eine Knieblessur steht: „Ich hab‘ ihn drei, viermal angerufen, aber er hat nicht abgehoben.“ Arnautovic wurde im März 2011 trotz ständiger Espakaden in Bremen berufen: „Bei uns trifft er regelmäßig und liefert gute Leistungen ab. Deshalb ist er dabei.“ Beim nächsten Spiel fehlte Arnautovic im Aufgebot. Constantini: „Um wieder einberufen zu werden, muss er sich normalerweise total ändern.“

Constantini peitschte die Kader-Bekanntgaben üblicherweise in Rekordtempo durch, selten dauerte die PK länger als eine Viertelstunde. Seine pampige und nicht selten grantige Art und Weise, auf Nachfragen zu reagieren, trieb es den Anwesenden bald aus, ihn lange mit Fragen zu traktieren. Und als sich Veit Vinenz Fiala von 90minuten.at bei einer PK erdreistete, ihm eine spezielle Taktik-Frage zu stellen, war „Trottelgate“ die Folge.

Peinlichkeiten sind Vergangenheit

Nach vier Jahren Marcel Koller werden nun diese Kaderbekanntgeban kaum noch wahrgenommen. Und das ist gut so. Sätze wie „Die, die dabei sind, haben sich bewährt und genießen mein Vertrauen“ haben bei Koller in der Tat Hand und Fuß. Großartige Nachfragen sind gar nicht mehr wirklich nötig, weil eh alles eingespielt ist und nicht erklärt werden muss.

Peinliche Laviertänze wie von Constantini vor allem mit Ivanschitz gehören der Vergangenheit an. Krankls erstaunlicher Spagat zwischen absurder Selbstüberschätzung und clownesker Überforderung ebenso. Der Teamchef stellt sich weder mit übergroßem Ego noch mit betonter Griesgrämigkeit selbst in den Mittelpunkt.

Weil er es nicht nötig hat. Er lässt seine Arbeit für sich sprechen. Und die kann sich sehen lassen. Wenn nicht alles mit dem Teufel zugeht, qualifiziert sich Österreich für die EM in Frankreich 2016. An so einem Erfolg waren weder Krankl (wiewohl der auch nicht das Spielermaterial dazu hatte) noch Constantini auch nur nahe dran.

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„Wir können uns auch gegen starke Teams gut präsentieren!“ https://ballverliebt.eu/2011/10/21/wir-konnen-uns-auch-gegen-starke-teams-gut-prasentieren/ https://ballverliebt.eu/2011/10/21/wir-konnen-uns-auch-gegen-starke-teams-gut-prasentieren/#respond Fri, 21 Oct 2011 06:46:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5931 „Wir können uns auch gegen starke Teams gut präsentieren!“ weiterlesen ]]> – Interview mit ÖFB-Teamkapitänin Marlies Hanschitz.

Am Mittwoch spielt das österreichische Frauen-Nationalteam in Bruck an der Mur in der EM-Qualifikation um drei wichtige Punkte gegen Armenien. Davor muss das Team noch zu Gruppenfavorit Dänemark – allerdings ohne die Matchwinnerin vom letzten Spiel.

Tor und Nasenbeinbruch in einer Aktion: Marlies Hanschitz trifft beim 1:1 gegen Tschechien zum wichtigen Ausgleich. (Foto: Rudi Dannenbaum)

Mit dem 1:1 gegen Tschechien gab’s einen feinen Auftakt in die Qualifikation für die Frauen-EM 2013 in Schweden. Bevor die Mannschaft von Teamchef Dominik Thalhammer nach Vejle gefolgen ist, hat sich Ballverliebt mit Kapitänin Marlies Hanschitz, die gegen Tschechien den so wichtigen Ausgleich erzielt hat, unterhalten – über das Kapitänsamt, die Mannschaft, die Liga, und ein Spiel in der Loftus Road von London.

Marlies Hanschitz, die beiden Länderspiele in Dänemark am Samstag und gegen Armenien am Mittwoch finden ohne Sie statt. Warum?
Weil ich mir beim letzten Länderspiel gegen Tschechien das Nasenbein gebrochen habe. Ich hab‘ gehofft, dass es sich für die beiden Partien ausgeht. Daraus ist jetzt leider nichts geworden.

Dabei hätte sich beim Spiel am Mittwoch ein Kreis geschlossen. Können Sie sich noch an den 10. Mai 2003 erinnern?
Ja, natürlich! Das war der Tag von meinem ersten Länderspiel. Einem 11:0, auch gegen Armenien – da hab‘ ich sogar ein paar Tore geschossen. Schon beängstigend, wie lange das schon wieder her ist. Dabei wär‘ ich ja noch gar nicht so alt…

Was hat sich seither geändert?
Das ist in Österreich nicht anders als im Frauenfußball generell. Es ist schneller geworden, athletischer. Es kommen viele junge und spielstarke Spielerinnen zum Vorschein. Dazu sind wir auch im taktischen Bereich viel versierter geworden. Jeder Aspekt hat sich ziemlich weiterentwickelt.

Inwieweit ist Teamchef Dominik Thalhammer anders als sein Vorgänger Ernst Weber?
Das kann man gar nicht so vergleichen, sie sind grundverschiedene Trainer. Ernst Weber hat ein gutes Fundament gelegt, auf dem Herr Thalhammer jetzt aufbauen kann, vor allem die Arbeit im taktischen Bereich legt er aber anders an. Der Teamchef hat viel frischen Wind gebracht, er kommt einfach aus einer anderen Generation.

Seit Sommer ist mit Nina Aigner Ihre Vorgängerin als Team-Kapitänin die Co-Trainerin von Dominik Thalhammer. Was bringt sie in die Arbeit mit ein?
Sehr viel, schon alleine durch ihre Erfahrung. Sie kann sich sehr gut in die Lage der Spielerinnen hinein versetzten, wenn ein wichtiges Spiel ansteht. Sie kennt die Situationen sowohl von der Nationalmannschaft als auch von ihrer Karriere bei Bayern München und kann uns gute Tipps geben, wie wir mit solchen Situationen umgehen sollen.

Länderspiel-Einsätze

Sie stehen bei 36 Länderspielen, keine aktive Spielerin hat mehr. Wie fühlt es sich an, mit erst 25 Jahren schon die Routinierteste in der Mannschaft zu sein?
Schon etwas seltsam, offen gestanden. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass wie eine extrem junge Truppe haben, mit sehr viel Potenzial, viele sind da zwischen 18 und 21 Jahre alt. Da darf man es nicht jeden immer spüren lassen, dass man die Routinierteste ist, weil da alle schon viel von der Welt gesehen haben und herum gekommen sind. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass ein positives Klima vorhanden ist.

Zuletzt gab es mit dem 1:1 gegen WM-Teilnehmer Nigeria und dem 1:1 gegen Tschechien, einem direkten Konkurrenten um EM-Quali-Gruppenplatz, gute Resultate. Was kann man aus solchen Spielen mitnehmen?
Sehr viel. Wir haben gesehen, dass wir uns auch gegen objektiv stärkere Gegner sehr gut präsentieren können. Gerade das Spiel gegen Nigeria war sehr erfreulich, da sind wir auch lange in Führung gelegen. Gegen Tschechien haben wir schon einmal angeschrieben, das ist für die Quali-Gruppe sehr wichtig gewesen. Und solche Resultate sagen auch einiges über das Potenzial aus.

Ist es mittelfristig möglich, sich für ein Großereignis zu qualifizieren – auch vor dem Hintergrund, dass für die WM 2015 in Kanada das Teilnehmerfeld von 16 auf 24 Teams aufgestockt wird?
Ich denke schon. Die WM 2015 ist sicher ein Ziel, das wir anstreben – womöglich kann es auch schon mit der EM 2013 in Schweden etwas werden, auch wenn es ein harter Weg ist. Aber es kann eben immer viel passieren und die Teams aus Tschechien und Portugal wollen natürlich genauso dorthin. Es wird viel von der Tagesform in den direkten Duellen abhängen.

Merkt man in Österreich Nachwirkungen von der medial so offensiv aufbereiteten WM in Deutschland im letzten Sommer?
Unmittelbar sportlich vielleicht nicht so sehr, aber in der öffentlichen Wahrnehmung sicher. Der Frauenfußball wurde durch die vielen Live-Übertragungen einem breiten Publikum zugänglich gemacht – davor waren ja nur sehr vereinzelt Spiele zu sehen, das haben die Leute nicht so mitbekommen. Bei der WM war es dann auch all denen möglich, sich ein Bild zu machen, die mit dem Frauenfußball davor nichts zu tun hatten. Und letztlich kann man nur dann etwas beurteilen, wenn man es auch gesehen hat.

Im Schatten der WM wäre der österreichischen Liga fast der letztjährige Dritte verloren gegangen – der SK Kärnten, bei dem auch Sie spielen. In letzter Minute wurde mit der Eingliederung in den FC St. Veit doch eine Lösung gefunden. Wichtig für den österreichischen Frauenfußball?
Auf jeden Fall, es wäre im Prinzip der komplette Frauen-Fußball in Kärnten tot gewesen. Zumal ja auch neben mir einige Spielerinnen aus dem Kreis der Nationalmannschaft hier spielen. Gott sei Dank wurde es doch noch was. Da wurde viel gemacht, um ein Türchen zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können.

Hier wird ÖFB-Liga gespielt

Hätten Sie einen Plan B gehabt, falls es nicht weiter gegangen wäre?
Ich hätte schon eine Alternative gefunden, eventuell in Neulengbach. Aber es geht da nicht in erster Linie um mich, es hat ja die ganze Mannschaft betroffen. Im näheren Umkreis gibt es keine anderen ÖFB-Liga-Klubs, zu denen man problemlos pendeln kann – Bergheim bei Salzburg ist 250 km weg, Graz auch knapp 150 km. Unmöglich, weil man ja auch seinen Beruf hat.

Ist ein Engagement im Ausland für Sie ein Thema gewesen?
Früher schon, aber erst hat es sich nicht ergeben, und dann habe ich bei der Polizei zu arbeiten begonnen. Da ist man gebunden. Die Auslandskarriere wird sich bei mir nicht mehr ausgehen.

Im Europacup haben die Serien-Meister aus Neulengbach durchaus ansprechenden Erfolg. National zertrümmern sie aber die Konkurrenz seit vielen Jahren. Gut oder schlecht für die Liga?
Hmm… Sowohl als auch. Mit ihren Erfolgen auf europäischer Ebene, wie jetzt dem Einzug ins Champions-League-Achtelfinale, setzen sie Österreich auf die Landkarte und es könnte sogar sein, dass demnächst ein zweiter Europacup-Platz für die ÖFB-Liga der Lohn dafür ist. Für die Meisterschaft wäre es aber sicher gut, wenn es Gegner gäbe, die auch mal über die Saison gesehen mit Neulengbach mithalten könnten.

Wie weit ist die ÖFB-Liga von einer semi-profesionellen Basis entfernt?
Die gibt es praktisch gar nicht. Jede Spielerin muss viel in Kauf nehmen, verdienen lässt sich mit dem Frauenfußball in Österreich kaum etwas. Da muss man schon ins Ausland gehen, nach Deutschland etwa, wie es schon viele Österreicherinnen gemacht haben. Und selbst dort ist man weit davon weg, nach einer Karriere vom Verdienten zehren zu können.

Was könnte da das Erreichen einer WM- oder EM-Endrunde für den österreichischen Frauenfußball bewirken?
Viel. Weil dann zumindest für einen gewissen Zeitraum die öffentliche Aufmerksamkeit nicht nur, wie im Sommer, als unbeteiligter Beobachter gegeben ist, sondern mit einem eigenen Team. Dann würden wir uns im österreichischen Frauenfußball sicher auch mit möglichen Sponsoren etwas leichter tun. Da bewegen wir uns leider am unteren Limit.

Die deutschen Frauen waren bei ihrer Heim-WM von der plötzlichen massiven Aufmerksamkeit etwas erschlagen, spielten sehr gehemmt. Wie würde das ÖFB-Team ein gesteigertes Interesse verkraften?
Schwer zu sagen… Einerseits wüssten sicher nicht alle, auf was sie sich da einlassen, was da alles auf uns zukäme. Andererseits traue ich dem Team aber auf jeden Fall zu, cool genug zu sein, das wegzustecken. Es kann keiner von uns sagen, wie es wirklich wäre, aber da haben die Männer auf jeden Fall einen Vorteil, weil sie die permanente mediale Aufmerksamkeit einfach gewohnt sind.

Nur im Umfeld oder auf dem Platz auch?
Natürlich auf dem Platz selbst auch. Das wurde mir bei unserem WM-Quali-Spiel in England im März 2010 erst so richtig bewusst, wenn das Stadion gut besucht ist und vor allem überall die TV-Kameras ganz eng beim Spielfeld sind und ständig auf einen gerichtet sind. Das kann schon ablenken, wenn man es nicht gewohnt ist. Aber gerade auch wegen des großartigen Umfelds war das Spiel in der Loftus Road von London sicher das aufregendste meiner Karriere – obwohl wir 0:3 verloren haben.

EM-Quali-Gruppe 7

Jetzt stehen die EM-Quali-Spiele in Dänemark und gegen Armenien an. Was ist da möglich?
Dänemark auswärts ist brutal schwer. Das Team ist klarer Gruppenfavorit und in der Weltrangliste auch ganz deutlich vor uns platziert. Auch sind die Däninnen von der Technik und ihrer Robustheit viel höher einzuschätzen als zum Beispiel die Tschechinnen. Aber die Mädels fliegen natürlich nicht dorthin, um sich von vornherein geschlagen zu geben. Wir haben auch in England lange dagegen gehalten und erst spät die Tore bekommen. Mit einer guten Leistung und ein bisschen Glück ist vielleicht eine Überraschung möglich.

Quali-Spiele des ÖFB-Teams

Gegen Armenien wurden die beiden bisherigen Länderspiele mit 11:0 gewonnen. Können die Fans in Bruck an der Mur diesmal auch mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen?
(Lacht) Na, das wäre dann vielleicht doch ein bisserl viel verlangt… Aber gegen Armenien muss ohne Frage ein Erfolg her, das ist ein absoluter Pflichtsieg. Da dürfen wir auf keinen Fall etwas liegen lassen.

Im November geht’s dann noch nach Portugal.
Das wird sicherlich das nächste wirklich entscheidende Spiel um den zweiten Gruppenplatz. Wenn wir da ein ernsthaftes Wort mitreden wollen, werden wir gegen Portugal zumindest vier Punkte holen müssen. Das ist schwer, aber sicher nicht unmöglich.

Wir bedanken uns für das Gespräch, wünschen alles Gute – und gute Besserung!

Marlies Hanschitz (25) ist Kapitänin der österreichsichen
Frauen-Nationalmannschaft. Die Kärntnerin spielte in der
ÖFB-Frauenliga in St. Margarethen (bis 2005), Innsbruck (IAC
und Wacker, 2005 bis 2010) und seither für Kärnten bzw. St. Veit.

Das Interview führte Philipp Eitzinger


Kader: Tor:
Anna-Carina Kristler (23 Jahre, St. Veit, 5 Länderspiele), Bianca Reischer (24, Spratzern, 8). Abwehr: Kathrin Entner (23, Neulengbach, 18), Nicole Gatternig (24, St. Veit, 5), Marion Gröbner (25, Herford, 28), Susanna Höller (22, Sindelfingen, 23), Carina Wenninger (20, Bayern München, 20). Mittelfeld: Jasmin Eder (19, Cloppenburg, 2), Laura Feiersinger (18, Bayern München, 6), Heike Manhart (18, Südburgenland, 4), Nadine Prohaska (21, Bayern München, 17), Viktoria Schnaderbeck (20, Bayern München, 9), Daniela Tasch (22, Neulengbach, 6), Susanna Koch (24, Südburgenland, 10), Katja Trödthandl (22, Landhaus, 6). Angriff: Maria Gstöttner (27, Neulengbach, 31), Lisa Makas (19, Spratzern, 7), Katrin Walzl (24, Spratzern, 14).

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Danke fürs Wichtigmachen, Willi! https://ballverliebt.eu/2011/10/04/danke-furs-wichtigmachen-willi/ https://ballverliebt.eu/2011/10/04/danke-furs-wichtigmachen-willi/#comments Tue, 04 Oct 2011 11:23:15 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5835 Danke fürs Wichtigmachen, Willi! weiterlesen ]]> Christian Russegger von „Österreich“ hat Willi Ruttensteiner, seit er den Teamchef-Job interimistisch übernommen hatte, konsequent als „Willi Wichtig“ diffamiert. Einer, der alles anders macht als Constantini: Er reist durch die Weltgeschichte, war dabei zum Teil in drei verschiedenen Ländern an nur einem Wochenende. Und vor allem: Er redete mit den Spielern, auch den Constantini-Outcasts. Und jetzt hat uns der Technische Direktor des ÖFB Marcel Koller gebracht. Man kann nur sagen: Danke, dass du dich so wichtig gemacht hat, Willi. Das war wichtig.

Denn der Schweizer Marcel Koller ist genau das, was das längst im 21. Jahrhundert angekommene Spielermaterial aus Österreich braucht: Einen ruhigen, akribischen Arbeiter. Einen, der sich international auskennt. Einen, der aus einem Underdog das Optimum heraus holen kann. Und keinen, der jeden Versuch eines Diskurses pampig abwürgt. Keinen Phrasendrescher. Keinen Medien- oder Fanliebling.

Und die Bestellung des 50-Jährigen ist auch als Eingeständnis zu deuten, dass zumindest gewisse Kräfte im ÖFB erkannt haben, an wen es sich wirklich zu orientieren gilt. Natürlich hilft es, sich aus Deutschland abzuschauen, was auch sinnvoll im zehnmal kleineren Österreich umgesetzt werden kann. Aber es ist ein Land wie die Schweiz, die ein echtes Vorbild ist. Vergleichbar an Ressourcen und Möglichkeiten. Jedoch meilenweit voran, wenn es um andere Dinge geht.

Die Eidgenossen haben etwa eine funktionierende Ausbildungsliga, in der sich alle, auch Primus FC Basel, dazu bekennen. Der SFV verfügt über eine organisatorische und sportliche Struktur, die klar definiert ist und auch konsequent durchgezogen wird – seit vor etwa 15 Jahren auf externe Experten gesetzt wurde. Der Lohn: Seit 2004 war die Schweiz bei jedem Turnier dabei, und sogar nach dem kompletten Fehlstart in die aktuelle Quali gibt’s tatsächlich noch realistische Chancen.

Koller ist kein umfassender Heilsbringer

Freilich: In Koller einen totalen Heilsbringer zu sehen, wäre vermessen. Er hat nicht das Standing, nicht die Position und auch eigentlich nicht die Aufgabe, den ÖFB umzukrempeln. Aber sportlich ist es  ein großer Schritt in die richtige Richtung. Koller ist von seiner Herangehensweise einer, der sich nicht der Öffentlichkeit oder den Medien gegenüber verantwortlich fühlt, sondern der Mannschaft und dem ÖFB. Schon alleine die Tatsache, dass er noch nie etwas mit Österreich zu tun hatte (außer, dass er zwei Jahre lang der Trainer von Christian Fuchs war), macht ihn zu einer guten Wahl. Koller wird keine Rücksicht auf typisch österreichische Befindlichkeiten nehmen und das ist gut so.

Koller war immer schon ein Trainer, der mit begrenzten Möglichkeiten das Optimum heraus holt. Nicht nur beim FC St. Gallen, den er überraschend zum Meister machte. Sondern auch in Bochum – und wenn man so will, ist der VfL so ein wenig das Österreich der deutschen Bundesliga-Landschaft. Eingeklemmt zwischen Top-Teams (in diesem Fall Schalke und Dortmund), schon respektiert aber nicht so richtig ernst genommen. Bochum gibt’s halt, aber außerhalb der Stadt selbst eigentlich uninteressant.

Noch viel Arbeit für Ruttensteiner

Das mit dem ÖFB umkrempeln, das wird eher der Job von Willi Ruttensteiner. Man kann davon ausgehen, dass die Personalie Koller seine Idee war – denn andere im Gremium dürften einen wie den Schweizer auch intern vehement zu verhindern versucht haben. Dafür schon mal ein „Danke“ an Ruttensteiner, dass er sich hier durchgesetzt hat.

Seine Arbeit ist aber noch längst nicht getan. Und wie schwierig es sein wird, wirklich etwas weiter zu bringen, wird sichtbar, wenn man sich in die Niederungen der Amateurfußball-Sportplätze begibt. Hier, an der Basis, ist Ruttensteiner nicht beliebt. Hier sehen viele Beobachter in dem Oberösterreicher einen (Zitat) „Depperten Schreibtitschtäter, der net amoi weiß, wie man sich an Fußballschuh bindet“ – mit anderen Worten: Das Problem ist nicht der ÖFB an sich, sondern die allgemeine Fortschrittsfeindlichkeit vor allem an der Basis.

Es ist dieses Denken, dass die moderne Herangehensweise an den Fußball im 21. Jahrhundert ein großes Übel ist, dass eh komplett wurscht ist, ob jetzt ein Constantini oder ein Mourinho auf der Trainerbank sitzt, das radikal aus den Denkmustern der konservativen Betonköpfe heraus muss. Da hat Ruttensteiner noch einen langen Weg vor sich.

Typ-Wechsel – mit Konsequenzen?

Worauf sich Koller in seinem neuen Job einstellen müssen wird: Dass ihm jene maßgeblichen Meinungsmacher in Fernsehen und Print, die Constantini nicht nur mit Wattehandschuhen angegriffen, sondern ihm bis zuletzt die Stange gehalten und nie wirklich kritisch hinterfragt haben, brutal auf ein einhacken werden. Das war zum Teil schon zu lesen, bevor Koller überhaupt offiziell präsentiert wurde. Das war, vor allem im Fall Karel Brückner, bei Herbert Prohaska offensichtlich – und Schneckerl gibt sich auch sofort unnachgiebig, wo wieder ein Teamchef kein persönlicher Haberer von ihm ist.

Die Bestellung von Koller ist ein brutaler Wechsel – die Internet-Generation steht ihm wohl eher positiv gegenüber, die „Alteingesessenen“ eher skeptisch. Das ist eine grandiose Chance, aber auch ein Risiko, denn wenn es mit Koller nicht den erhofften Erfolg gibt, besteht die Gefahr, dass diese Tendenz, sich tatsächlich an den Typus „Akribische, taktischer Arbeiter“ heran zu wagen, wieder abgewürgt wird.

Die Abmontierung von Koller, bzw. seines Typs von Trainer, zu verhindern, wird am ÖFB hängen bleiben. Hier darf man aber durchaus hoffen. Denn Präsident Leo Windtner wollte schon an Constantini eisern festhalten, aber nicht, weil er ihn für so toll hielt, sondern, weil er auf Kontinuität setzen wollte. Nur halt mit dem falschen Teamchef.

Und vor allem dürfte es nun tatsächlich so sein, dass mit Willi Ruttensteiner der wohl fähigste Mann im Verband ein deutlich gewichtigeres Wort hat als zuvor. Und das kann für den österreichischen Fußball nur gut sein. Danke, Willi!

(phe)

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