Lahm – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 16 Jul 2018 17:30:35 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Bayern mit offenen Messern zu 7:1 in Rom: „Doppelmühle“ ist ein Hilfsausdruck https://ballverliebt.eu/2014/10/22/doppelmuehle-ist-ein-hilfsausdruck-bayern-mit-offenen-messern-zu-71-rom/ https://ballverliebt.eu/2014/10/22/doppelmuehle-ist-ein-hilfsausdruck-bayern-mit-offenen-messern-zu-71-rom/#comments Tue, 21 Oct 2014 22:17:39 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10604 Bayern mit offenen Messern zu 7:1 in Rom: „Doppelmühle“ ist ein Hilfsausdruck weiterlesen ]]> Zug in die eine Richtung – es schlägt ein. Zug in die andere Richtung – es schlägt auch ein. Während es bei einer „Doppelmühle“ aber nur zwei Optionen gibt, die den Gegner abwechselnd schwächt, packten die Bayern mit einem total schrägen System gleich einen ganzen Koffer an Messern aus, in die man die Roma laufen ließ. Am Ende stand ein 7:1 als Belohnung für dieses System-Experiment.

Roma-Bayern 1:7 (0:5)
Roma-Bayern 1:7 (0:5)

Als 4-2-3-1 war die Formation der Bayern offiziell angekündigt. War nicht mal in der selben Galaxie mit der Realität. Denn in dieser schickte Guardiola – der ja schon vor drei Jahren ein 3-3-4 auf die Welt (bzw. auf Villarreal) losgelassen hatte – ein Systemgebilde auf den Rasen, das so haargenau auf den Gegner abgestimmt war, dass die Roma machen konnte, was sie wollte, sie lief immer in die zahlreich lauernden offenen Messer.

Die Rolle von Robben

Am Ehesten ist das System der Bayern mit einem 3-4-3 bzw. einem 3-4-2-1 beschrieben, im Angriffsfall wurde es zu einem 2-3-5. Dabei kamen Robben und Bernat als Wing-Backs über die Außenbahnen. Gerade Robben richtete durch seine Positionierung im System enormen Schaden bei der Roma aus. Weil er mit Tempo auf Roma-LV Ashley Cole zugehen konnte, dieser damit heillos überfordert war – bis zu seinem Tor in der 9. Minute war Robben schon dreimal an Cole locker vorbeigegangen – musste der Rest der Mannschaft reagieren.

Hieß: Entweder Yanga-Mbiwa aus der Innenverteidigung oder Nainggolan aus dem zentralen Mittelfeld in Rudi Garcias gewohntem 4-3-3 mussten helfen. Was Lücken riss. Denn Müller (und auch Götze und Lewandowski, der sich tendenziell nach halblinks orientierte) waren im Zentrum da, um in diese Löcher reinzustoßen. Robben hatte so immer mehrere Optionen: Selber gehen, zurück legen, ins Zentrum passen. Alle Wege konnte die Roma gar nicht zustellen.

Asymmetrisches System

Was die Benennung des Systems der Bayern so schwierig macht, ist ihre Asymmetrie. Rechts agierte Robben hoch, wurde dabei von Lahm (der im Zentrum neben Xabi Alonso aufgestellt war) abgesichtert und zur Not stand hinten auch noch Benatia aus der Dreier-Abwehr. Links aber ging Benatias Pendant Alaba so konsequent nach vorne mit, wie das ein Linksverteidiger macht – er wurde dabei abgesichert von Xabi Alonso.

Die Bayern nahmen so alles aus dem Spiel, was die Roma potenziell gefährlich machen könnte. Die aufrückenden Außenverteidiger waren brutal hinten gebunden (Cole durch Robben; Torosidis durch Bernat). Das Pressing, das die Römer gerne aus dem Mittelfeld-Zentrum heraus anbieten, konnte gar nicht erst angesetzt werden, weil die Bayern vier zentrale Mittelfelspieler hatten, also in Überzahl waren.

Dazu sah Totti, der oft alleine im Viereck von Alonso, Lahm, Götze und Müller war, praktisch keinen Ball. Wenn die Roma nach vorne kam, dann über die Außenbahn hinter Alaba und Bernat, also zumeist durch Gervinho.

Fünf Angreifer plus Alaba

Aber hinten herrschte gegen die de facto fünf Bayern-Angreifer plus Alaba, bei denen noch dazu die drei mittleren (also Götze, Müller und Lewandowski) permanent rochierten, die totale Überforderung. Sei es Robben mit einem simplen Doppelpass (wie beim 1:0 und beim 4:0), schnelles Kreuzen von Götze und Müller (wie beim 2:0), Verwirrung durch die Doppelbesetzung auf der linken Angriffsseite (wie beim 3:0 und beim Elfer zum 5:0): An keiner Ecke der Abwehr fanden die Römer einen Ausweg.

Egal, was sie auch versuchten, sie liefen mit jedem Laufweg, jedem Zweikampf, jeder Aktion nur in ein neues offenes Messer. Wenn die Roma hinten blieb, rückten die Bayern mit fast allen Mann auf. Wenn die Roma aufrückte, ließen sich fünf Angreifer nicht kontrollieren. Verschob man in Richtung Cole, um ihm gegen Alaba zu helfen, war auf der anderen Seite alles frei. Achtete man darauf, das Zentrum zu schließen, überrannte Robben seinen Gegenspieler.

Garcia stellt um, Bayern stellt ab

Als es mit dem Stand von 0:5 in die zweite Hälfte ging, hatte Roma-Coach Rudi Garcia nicht nur Cole erlöst und durch Holebas ersetzt, sondern mit der Auswechslung des unsichtbaren Totti auch sein System auf ein klaren 4-1-4-1 umgestellt: Florenzi kam nun über rechts, Iturbe sollte links an der Linie bleiben. Die Absicht dahinter war klar: Die zuvor im 4-3-3 de facto nur je einfach besetzten Flügel nun doppelt besetzen.

Ab der 60. Minute
Ab der 60. Minute

Was auch funktionierte, weil die Bayern deutlich ihren Fuß vom Gas nahmen. So kam vor allem Gervinho durch die weniger konsequent abgesichterte linke Bayern-Abwehrseite immer wieder durch, zweimal rettete nur ein ausgezeichneter Manuel Neuer vor dem Ehrentreffer, der dann in der 66. Minute doch noch gelang.

Nach einer Stunde änderte Guardiola sein wildes Etwas von einem System mit der Einwechlsung von Rafinha (für Müller) in ein recht konventionelles 4-3-3. So waren die Außenbahnen gegen die trotz des schlimmen Spielstandes weiter couragierten Römer besser abgesichert; und mit Ribéry und Shaqiri kamen dann noch neue Offensiv-Kräfte. Diese belebten das im Schongang eingeschlafene Bayern-Spiel und sorgten mit ihrem Schwung für noch zwei weitere Tore zum 7:1-Endstand.

Fazit: Extrem faszinierend

Die erste Hälfte war eine der faszinierendsten der jüngeren bis mittleren Vergangenheit. Die Roma, eigentlich eine gutklassige Mannschaft mit einem sehr modernen Spiel und einem versierten Trainer sah aus wie eine Wirtshaus-Truppe. Was immer versucht wurde, das Unheil abzuwenden, machte dieses nur noch schlimmer.

Die psychologischen Effekte auf die Roma muss man erst abwarten, aber auf dem Papier hat man immer noch beste Karten auf das Achtelfinale. Deutlich spannender aber ist, dass Guardiola Sachen probiert und Systeme auspackt, die er bei Barcelona nicht im Programm hatte. Er wird es einem wohl nicht öffentlich wahrheitsgetreu sagen, aber die Frage wäre schon interessant ob er sich bei Barcelona solche ganz wilden Experimente nicht getraut hat oder ob er der Meinung war, nicht das Spielermaterial dafür zu haben.

Sicher ist nur: Jetzt traut er sich. Und er hat auch die Spieler dafür.

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Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/ https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/#comments Sat, 19 Jul 2014 00:24:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10440 Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck weiterlesen ]]> Erst Italien, dann Spanien, nun Deutschland: Wenn man nur rein die Siegerliste betrachtet, die die letzten drei WM-Turniere hervorgebracht haben, sieht das nach einer brutalen europäischen Dominanz aus. Die Wahrheit ist aber viel eher: Die Breite an gutklassigen Teams macht’s. Denn genau wie schon 2006 und 2010 haben auch diesmal einige von Europas Big Guns ziemlich daneben gegriffen – am kolossalsten natürlich Titelverteidiger Spanien. ABer ein Europäer kommt halt immer durch. Das war diesmal eben Deutschland. Und das verdient.

Deutschland: Krönung eines langen Weges

Das war kein Glücksrittertrum wie beim eher zufälligen Finaleinzug 2002, das war von langer Hand geplant und ist eigentlich zwei Jahre zu spät gekommen. Seit Löw vor zehn Jahren zur Nationalmannschaft kam, wurde um einige Stützen herum konsequent ein über Jahre hinweg eingespieltes Team geformt. Lahm, Schweinsteiger und Klose waren von Beginn an dabei, der Rest wuchs homogen dazu, und im richtigen Moment ging es auch auf.

Deutschland
Deutschland: Als Khedira und Schweinsteiger fit genug waren, beide 90 Minuten durchzuhalten, durfte Lahm endlich nach rechts hinten. Von da an hatten die Gegner keinen Spaß mehr.

Dabei ist Löw ein großes Risiko gegangen, nach einigem Experimentieren sich so spät – nämlich erst ein halbes Jahr vor der WM – auf das bei den Guardiola-Bayern praktizierte 4-3-3 zu verlegen. Er hatte mit sechs bis sieben Bayern-Spielern einen großen Block, der das Gerüst darstellte und in der Vorbereitung klappte es nicht immer nach Wunsch. Auch, weil Löw Lahm wie bei den Bayern in die Mitte stellte, obwohl damit eine Baustelle rechts hinten aufgemacht wurde.

Der Gamble zahlte sich aus. Als sich Khedira (nach Kreuzbandriss im Herbst) und Schweinsteiger (nach vielen Blessuren in den letzten Jahren) halb durchs Turnier fit für 90 Minuten meldete, konnte er endlich Lahm dorthin stellen, wo es für das Team am Besten war. Mit Erfolg: Gab es davor mit allerhand Notvarianten auf rechts hinten (Boateng, Mustafi) eher Bauchweh, flutschte es mit Lahm dort – und das Mittelfeld-Trio mit Schweinsteiger, Khedira und Kroos blühte auf.

Löw war flexibel genug, sich kurz vor dem Turnier auf das 4-3-3 draufzusetzen, aber stur genug, um im ganzen Turnier mit der Ausnahme der zweiten Hälfte des Finales zu keiner Minute davon abzurücken, egal, in welcher personellen Aufstellung, egal, wie sehr auch erschreckend viele Medien das ab dem Viertelfinale offiziell angegebene 4-2-3-1 blind übernahmen.

Der Titel ist vor allem für Löw eine Genugtuung, weil ihm in Deutschland immer wieder vorgehalten wurde, mit seinem intellektuellen Zugang, seinem Faible für flache Hierarchien und ohne, wie sich Leute wie Effenberg gerne bezeichnet, „Typen“ (wiewohl etwa Müller und Schweinsteiger durchaus etwas zu sagen haben), zu weich und zu wenig Siegermentalität für einen großen Titel mitzubringen. Für die nun endgültig große Generation war er der Höhe- und gleichzeitig der Schlusspunkt: Lahm hat nach zehn Jahren im Nationalteam mit 116 Länderspielen adé gesagt, Klose wird sicher folgen, auch bei Schweinsteiger wäre das keine Überraschung und Podolski war bei dieser WM bestenfalls ein Nebendarsteller.

Wenigstens kommt Löw dann nicht in die Verlegenheit, aus überzogener Loyalität zu lange an zu vielen alten Recken festzuhalten.

Niederlande: Eine Bronzemedaille für Van Gaals Ego

Nicht wenige bezeichneten diese WM als gigantischen Ego-Trip des neuen Manchester-United-Managers Louis van Gaal. Er hat für dieses Turnier den holländischen Fußball einmal auf links gedreht und alles anders gemacht, als es die Granden bei Oranje für gut befanden. Dreiekette und Konterfußball statt 4-3-3 und schöngeistigem Spiel, dazu eine Horde von international unbekannten und unerfahrenen Leuten in der Defensive. Keine Frage, Van Gaal ging großes Risiko. Mit Aktionen wie dem Torhüter-Tausch in der 120. Minute im Viertelfinale gegen Costa Rica ebenso wie mit dem generellen Stil.

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Holland: Konsequent mit drei Innenverteidigern und Konterfußball. Das Risiko ging auf, weil das Star-Offensiv-Trio vorne die Räume gut nützte.

Vor allem, weil ja angesichts der Gruppengegner Spanien und Chile ein frühes Aus mehr als nur einen Fuß in der Tür der Wahrscheinlichkeiten hatte. Hollands Glück: Im ersten Spiel brach Gegner Spanien völlig auseinander, die Kontertaktik ging voll auf und nach dem unglaublichen 5:1-Erfolg über den Titelverteidiger hatten auch die Spieler selbst den Beweis, dass es mit dem 3-4-1-2-System funktionieren kann.

In der Tat brannte im ganzen Turnier hinten sehr wenig an (Elfmeter-Gegentor gegen Spanien, ein Glücksschuss und ein Elfer gegen Australien, ein Weitschuss gegen Mexiko) und vorne richtete es das individuelle Talent des Dreigestirns mit Sneijder, Robben und Van Persie, das die Räume hervorragend nützte, die angreifende Gegner ihnen anboten. Das war keine besonders aufregende Oranje-Truppe, aber für das vorhandene Spielermaterial passte die sehr pragmatische Herangehensweise.

Das ist natürlich kein Modell für die Zukunft, denn auf Dauer kann es sich ein Bondscoach nur mit Erfolgen leisten, das typisch holländische Spiel derart zu verraten. Zudem ist die Eredivisie ja auch nicht direkt für ihre kompromisslosen Defensiv-Konzepte bekannt – Angriff ist einfach in der orangen DNA.

Lieber verliert man formschön, als dreckig zu gewinnen. Obwohl eine defensive Grundhaltung das Team 2014 fast ins Finale geführt hätte und 2010 eine sehr pragmatische und auch nicht wirklich aufregende Herangehensweise beinahe den Titel gebracht hätte.

Frankreich: Deschamps braucht einen Deschamps

Irgendwie war dieses Turnier aus französischer Sicht nicht Ganzes und nichts Halbes, damit der letzten EM nicht ganz unähnlich. Dabei wäre so viel Talent in diesem Kader, auch der Ausfall von Franck Ribéry (der aber ohnehin eine ziemlich schwache Rückrunde gespielt hatte) wog nicht allzu schwer. Mit Honduras hatte man keinerlei Probleme, die Schweiz nahm man auseinander, aber danach war es wie abgebrochen.

Frankreich:
Frankreich: Seltsam führungslos im Zentrum. Da half auch ein wirklich starker Benzema nicht viel.

Als es hart wurde, also gegen die recht direkten Nigerianer und vor allem dann gegen die geschickt im Mittelfeld agierenden Deutschen, zeigte das zentrale Trio der Franzosen zu wenig Präsenz. Das kann man auch von einem Pogba trotz seines jungen Alters schon erwarten, vor allem hätte aber mehr von Cabaye und Matuidi kommen müssen. Die beiden müssen durchaus als die Verlierer des Turniers aus französischer Sicht gelten, denn beide haben schon ein Alter erreicht, in dem es nicht mehr viele Endrunden zu spielen gibt.

Besonders erschreckend war aber die Tatsache, dass man beim Viertelfinal-Aus gegen Deutschland über sieben Kilometer weniger gelaufen ist als der Gegner, obwohl man 80 Minuten im Rückstand lag. Das ist nicht mit der Hitze zu erklären, die für den Gegner ja genauso war. Das spricht entweder gegen die Fitness der Franzosen oder gegen den Willen. Denn von besonderen Anstrengungen, das Spiel noch herumzureißen, war wenig zu erkennen.

Deschamps fehlte ein Spieler wie Deschamps, ein verlängerter Arm des Trainers im Mittelfeld. Das kann Pogba werden. Noch war es der hoch veranlagte U-20-Weltmeister aber nicht.

England: Ja, die waren auch dabei

Die Three Lions haben so wenig Eindruck hinterlassen, dass man fast vergessen könnte, dass die überhaupt dabei waren. Dabei war die spielerische Intention von Roy Hodgson gar nicht so dermaßen steinzeitmäßig bieder wie das noch vor zwei Jahren der Fall war. Aber die Mischung passte nicht. Die Jungen sind noch zu jung, die alten über dem Zenit und die dazwischen reißen’s nicht heraus.

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England: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Produkt eines im Schneckentempo vollzogenen Umbruchs.

Diese drei Gruppen hat Hodgson nicht zu einem funktionierenden Ganzen vereinen können. Rooney im Speziellen ist nach zehn Jahren Spitzenfußball körperlich ruiniert wie andere Anfang, mitte dreißig, dazu wird er seit einigen Jahren sowohl bei United als auch im Nationalteam so wahllos hin- und hergeschoben, dass sich kein Rhythmus einstellen kann. Gerrard hat zwar einen Rhythmus, aber die lange und emotional aufwühlende Saison bei Liverpool hat ihre Spuren hinterlassen.

Die können Henderson, Sterling und Sturridge noch besser verkraften, aber ihnen fehlte zum einen ein Spieler wie sie ihn bei Liverpool in Suárez hatten, und zum anderen der internationale Vergleich, weil sie ja kaum oder noch wenig Europacup gespielt haben. Teams, die von der Insel kommen, spielen halt nicht wie Italiener oder Urus.

Und eine Abwehrreihe mit Baines, Jagielka, Cahill und Johnson ist nichts anderes als aller-grauster Durchschnitt. So hochgelobt Baines seit Jahren wird (warum auch immer), so lange Johnson schon dabei ist – aber England hat mit einiger Sicherheit das schlechteste AV-Pärchen aller europäischen Teilnehmer gehabt. Ihre Vorstöße wirkten beliebig, ihre Flanken hatten zuweilen Regionalliga-Format (vor allem die von Johnson, eine Frechheit).

England wirkt wie in einem Umbruch, der seit vier Jahren im Gange ist und ohne wirkliche Überzeugung betrieben wird. Man will die Alten raushaben, nimmt aber dennoch Gerrard UND Lampard mit. Man ersetzt den gefühlt seit den Achtzigern gesetzten Ashley Cole mit einem Spieler, der nur vier Jahre jünger ist und trotzdem erst eine Handvoll Europacup-Einsätze hinter sich hat. Man kommt endlich vom bald greisen Rio Ferdinand weg, und stellt einen 31-Jährigen und einen 28-Jährigen vor Joe Hart hin.

Der englische Verband blickt seit Jahren voller Bewunderung auf den Erfolg, den Deutschland nach dem radikalen Schnitt 2004 hat. Einen ähnlich radikalen Schnitt zu vollziehen, traut man sich auf der Insel aber nicht. Und genau darum wurschtelt man sich seit Jahren mittenrein in die weltfußballerische Anonymität.

Italien: Mischung aus Klima, Qualität und Form

Langsam war das alles. Die Hitze, sie setzte Andrea Pirlo und Daniele de Rossi schon extrem zu. Nach dem hart erkämpften Auftakt-Sieg gegen England in der Hölle von Manaus gab’s einen erschreckend leblosen Auftritt in der Tropenhitze von Recife, wo man gegen Costa Rica verlor. Und wirkliche Überzeugung und Verve war auch nicht zu erkennen, als man im schwülheißen Natal von Uruguay aus dem Turnier gebissen wurde.

Italien
Italien: Der zweite Außenverteidiger, das langsame Zentrum, biedere Offensiv-Kräfte: Prandelli hatte mit zu vielen Brandherden zu kämpfen.

Da halfen alle taktischen Überlegungen von Fuchs Cesare Prandelli nichts. Die höhere Grundposition von Pirlo, um ihn näher an die Passempfänger zu bringen, ebenso wenig wie der Einsatz von Abschirm-Jäger De Rossi und der Einsatz von Pirlo-Kopie Verratti neben dem alten Herrn. Weil neben dem wirklich braven Darmian es keinen zweiten Außenverteidiger gab, der sinnbringend im Spiel gewesen wäre – nicht der gelernte Innenverteidiger Chiellini, nicht der farblose Abate, nicht der als Wing-Back etwas hilflose De Sciglio.

Was auch ein Problem des Nachwuchses ist. Keine große Liga in Europa hat bei den Kadern der Vereine einen so geringen Anteil an bei den Klubs ausgebildeten Spielern wie die Serie A. Wie in Italien generell üblich, wird lieber an alten, verkrusteten Strukturen festgehalten, als mal etwas Neues zu probieren, weil es immer irgendein Gremium, einen 80-Jährigen Betonschädel, einige polemisierende Medien gibt, die das zu verhindern wissen.

Die Folge ist, dass Prandelli, fraglos einer der besten Trainer des Kontinents, hilflos zusehen musste, wie seine Mannschaft verglühte. Das Erreichen des EM-Finales vor zwei Jahren war kein Zufall, aber die Mischung aus den klimatischen Bedingungen und fehlender Form (wenn etwa Neu-Dortmunder Immobile so spielt, wie er heißt; ein Candreva halt nicht mehr als ein Durchschnitts-Kicker ist, Insigne von seinem Punch genau nichts zeigte, Cassano ein müder Abklatsch von 2012 ist und mit Parolo ein 29-Jähriger neu in den Kader kommt) killte Italien.

Spanien: „Generation Xavi“ entmachtet

Es kommt die Zeit, da bricht alles irgendwie in sich zusammen. Zumindest oft. Das war bei Frankreich 2002 so, das war bei Italien 2010 so, und jetzt hat’s die Spanier erwischt. Zu lange festgehalten an einer Spielweise, die die alternden Spieler nicht mehr auf dem höchsten Niveau zu spielen im Stande waren. Und gerade beim Ballbesitz-Fußball spanischer Prägung ist das unbedingt vonnöten.

Spanien
Spanien: Die Änderungen nach dem 1:5 gegen Holland waren zu spät und halfen zu wenig.

Aber Xavi wurde von den geschickten Holländern so kontrolliert, dass er danach nicht mehr ins Geschehen eingriff. Xabi Alonso nahm von den wie wild pressenden Chilenen ein veritables Trauma mit. Und ohne diese beiden Säulen im Zentrum mäanderte der Rest kopflos durch die Partien. Diego Costa konnte nie so eingesetzt werden, dass er seine Stärken ausnützen hätte können. Zu viele Spieler waren zu langsam oder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um jenes Gegenpressing zum Funktionieren zu bringen, das ja das eigentliche Erfolgsgeheimnis Spaniens war.

Und vor allem fehlte es dem Abwehr-Duo Ramos und Piqué vor allem gegen Holland, aber auch gegen Chile an der Gedankenschnelligkeit und der Abstimmung – auch, weil Busquets mehr vorne helfen musste als auf die Absicherung nach hinten achten zu können. Die gigantischen Löcher, die entstanden, waren ein Fest für die Holländer und die Hilflosigkeit gegen das chilenische Pressing wurde schnell deutlich.

Das allerdings war schon vorher klar: Von einem mutigen Gegner selbst angepresst zu werden, gefällt den sonst ja selbst pressenden Spaniern gar nicht – wie es etwa Portugal im EM-Halbfinale 2012 machte.

Und dann machte auch noch Iker Casillas jene dämlichen Anfängerfehler, die er nach einem Jahrzehnt auf Top-Niveau zuletzt auch bei Real Madrid immer häufiger wieder eingestreut hatte.

Wie so viele große Trainer vor ihm hat nun also auch Vicente del Boque zu lange an altverdienten Spielern festgehalten. Es sagt sich aber andererseits leicht, er hätte Xavi, Xabi Alonso und womöglich auch Iniesta und Casillas nach drei Titel in Folge eliminieren müssen. Die zu erwartenden Prügel von Medien und Fans will sich niemand antun. Verständlich.

Nicht, dass die Spanien jetzt Sorgen machen müsste – die letzten zwei U-21-Europameisterschaften gewann man, es rückt viel nach. Aber die „Generation Xavi“ ist hiermit an ihrem leider etwas unrühmlichen Ende des Weges angekommen.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Die Hälfte von Europas Großen hat komplett enttäuscht, aus den verschiedensten Gründen. Bei England wird sicherlich nichts besser, wenn man weiterhin so lauwarm vor sich hinlebt, bei Italien muss man abwarten, ob Biedermann Mancini übernimmt, Choleriker Conte oder doch Tüftler Guidolin (oder auch ganz wer anderer, Allegri ist ja für die Squadra Azzurra vom Markt). Keiner der drei wird aber die grundsätzlichen Probleme im italienischen Fußball lösen können, da ist der Verband gefragt.

Frankreich braucht für die Heim-EM mehr Persönlichkeiten im Mittelfeld, überall sonst ist die Equipe Tricolore gut aufgestellt. Deutschland wird zumindest zwei, vielleicht sogar drei absolute Schlüsselspieler auf dem Weg zur EM in zwei Jahren ersetzen – ob das ohne Reibungsverluste geht, muss man erst einmal sehen. Erstaunlicherweise sieht aus dem jetzigen Blickwinkel Holland als diejenige Mannschaft aus, die das wenigste Bauchweh haben muss: Der junge Kader hat die Erfahrung einer starken WM, muss praktisch nicht umgebaut werden und Guus Hiddink ist ein ganz erfahrener Trainer, der ein Team völlig anders führt als Van Gaal, sich aber um seine Autorität nicht sorgen muss.

Die Gelegenheit für Teams aus der zweiten Reihe, bei der EM die Arrivierten in den Schatten zu stellen, ist also gegeben. Sie müssten sich jetzt nur noch trauen.

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Klopps Mittelfeld-Trio zeigt Wirkung: Dortmund holt 1:1 bei den Bayern https://ballverliebt.eu/2012/12/02/klopps-mittelfeld-trio-zeigt-wirkung-dortmund-holt-11-bei-den-bayern/ https://ballverliebt.eu/2012/12/02/klopps-mittelfeld-trio-zeigt-wirkung-dortmund-holt-11-bei-den-bayern/#comments Sun, 02 Dec 2012 01:52:10 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8101 Klopps Mittelfeld-Trio zeigt Wirkung: Dortmund holt 1:1 bei den Bayern weiterlesen ]]> Erstmal schauen, dann man den Bayern-Wirbelwind bremst – dachte sich Dortmund. Erstmal schauen, dass wir kein Tor kriegen, ein Remis ist ja auch okay – dachten sich die Bayern. Die daher nie volles Risiko gingen, das Dortmunder Defensiv-Konzept mit einem zentralen Mittelfeld-Trio auszuhebeln. Erst, als Klopp die Räume aufmacht, kommen die Bayern zu Chancen. Dennoch blieb’s beim 1:1.

Bayern München – Borussia Dortmund 1:1 (0:0)

Das bestimmende Element in diesem Spiel war logischerweise die Aufteilung im Mittelfeld bei Borussia Dortmund. Jürgen Klopp stellte sein Team in einem 4-3-3 auf, in dem neben Sven Bender und Ilkay Gündogan auch Jakub Blaszczykowski in die Zentrale beordert wurde. Ziel dieser für Dortmund ungewohnten Formation war klar: Durch die Mitte nichts zulassen und auf den Außenbahnen Überzahl herstellen.

Effekte der Dortmunder Mittelfeld-Dreierkette

Obwohl Dortmund auf das übliche Pressing verzichtete und zudem ziemlich desaströse Zweikampfwerte aufwies – nur 39% wurden gewonnen – ging der Plan durchaus auf.

Zweikämpfe des BVB-Mittelfeld-Trios: vor allem Gündogan (8) und Kuba (16) schnitten auf den Halbpositionen viele Bayern-Angriffe ab.

Kuba Blaszczykowski rückte immer nach außen, wenn es galt, den Weg für Ribéry abzuschneiden; während sich Bender und Gündogan beide eher um das andere Halbfeld kümmerten. Logisch – denn hier rückte Schweinsteiger aus der Tiefe immer wieder auf, um Toni Kroos zu unterstützen. Das Trio agierte durchaus gut abgestimmt und verhinderte praktisch jeden Versuch der Bayern, durch die Mitte zu kommen und so Mandzukic einzusetzen.

Bayern-Zehner Kroos spielte fast nur horizontal, weil er durch das dichte Mittelfeld-Trio von Dortmund kein Durchkommen sah.

Druch die vertikale Inexistenz von Kroos war das Spiel der Bayern auf die Außenbahnen gezwungen. Genau das wollte Klopp ohne Zweifel erreichen, und hier griff der eigentliche Clou in seinem System: Durch das geschickte Rausschieben von Gündogan und Blaszczykowski sahen sich Ribéry und Müller permanenter Unterzahl gegenüber.

Müller (25) war isoliert und holte sich auch keine Bälle von hinten; Ribéry (7) hatte einen schweren Stand und brachte kaum was vors Tor.

Ribéry hatte permanent Blaszczykowski auf seinen Füßen stehen, und hatte er den überwunden, stand immer noch Piszczek vor ihm. Der Franzose arbeitete auch viel nach hinten, war sich für keinen Defensiv-Zweikampf zu schade, brachte nach vorne aber wenig Konkretes zu Stande. Auf der anderen Seite war Thomas Müller, was die Rückwärtsbewegung angeht, deutlich fauler und er blieb isoliert – weil der es mit Gündogan und Schmelzer zu tun hatte und Bender einen guten Job machte, wenn es darum ging, Schweinsteiger bei begrenzter Wirkung zu halten.

Bayern defensiv diszipliniert, aber ohne offensives Risiko

Die Bayern spielten mit einer sehr hohen Verteidigungslinie und sammelten viel Ballbesitz, erwischten die Dortmunder aber kaum einmal in Unordnung. Andererseits ließen sie aber auch bei sich selbst keine zu: Wenn der Ball verloren wurde, geschah das Umschalten von Offensive auf Defensive blitzschnell, man bekam extrem flink genug Leute hinter den Ball und kam so auch kaum in Gefahr. Lediglich, wenn es Fehlpässe in der Vorwärtsbewegung gab, konnte Dortmund Neuer wirklich prüfen, wie bei Reus‘ Schuss kurz vor der Halbzeit.

Die andere Seite der Medaille war aber, dass auch die Außenverteidiger Lahm und Alaba ihre Rollen eher konservativ anlegten und es vermieden, sich allzu weit nach vorne zu bewegen – um nicht den Dortmunder Flügelstürmern Götze und Reus Raum in ihrem Rücken zu geben.

Lahm (21) und Alaba (27) vor der Halbzeit-Pause: Sehr zurückhaltend. Alaba kam trotz hoher Verteidiguns-Linie kaum über die Mittellinie, und auch Lahm kam nicht in einmal in die Nähe der Grundlinie.

Nach der Pause öffnet sich das Spiel

Nach dem Seitenwechel wich bei beiden Seiten die Vorsicht ein wenig dem Willen zu mehr Gestaltung. Dortmund achtete nun darauf, die Bälle schneller in die Spitze zu bekommen und mehr nachzurücken. Das hatte zur Folge, dass die Borussia ihre Präsenz in der gegnerischen Hälfte deutlich erhöhte. Aber auch die Bayern zeigten sich eine Spur offensiver.

Vor allem Lahm (21) tauchte in der 2. Hälfte deutlich öfter in der gegnerischen Hälfte auf, auch Alaba (27) zeigte mehr Konkretes.

Vor allem Philipp Lahm hatte die Zeichen der Zeit erkannt und belebte mit vermehrten Vorstößen die vor der Pause praktisch tote rechte Seite der Bayern merklich. Das alles änderte aber nichts daran, dass sowohl Lewandowski bei Dortmund als auch Mandzukic bei Bayern eher frustrierende Abende verlebten, weil sie kaum ins Spiel kamen und auch weiterhin ihre Kollegen nicht mit letzter Konsequenz nachrückten.

So war es auch folgerichtig, dass die Tore aus einer feine Einzelleistung von Kroos waren (1:0) und schlampiges Verteidigen eines Eckballs (1:1), und nicht aus taktischen Fehlleistungen oder Stellungsfehlern aus dem Spiel heraus.

Klopp stellt um – und gibt Spiel aus der Hand

Unmittelbar vor dem Tor zum Dortmunder Ausgleich, rund eine Viertelstunde vor Schluss, stellte Jürgen Klopp um: Er nahm Blaczszykowski vom Feld und brachte Perisic, stellte damit sein System auf das gewohnte 4-2-3-1 um.

Schlussphase

Eine Entscheidung, die sich als nicht so glücklich herausstellen sollte. Denn mit dem Auflassen des Mittelfeld-Trios und der Umstellung auf ein Duo, das sich um die defensive Zentrale kümmern sollte, öffnete Klopp den Bayern genau jene Räume, die sie in den 75 Minuten davor nicht hatten.

Das nützte der Tabellenführer auch schnell aus. Vor allem Thomas Müller blühte auf, nun da er etwas Platz zum Bearbeiten hatte – zudem musste Neven Subotic bei Dortmund angeschlagen raus und Felipe Santana war nicht sofort voll im Spiel. Logische Folge: Die Bayern kamen in der Schlussphase massiv auf und Roman Weidenfeller musste in drei, vier Situationen sein ganzes Können auspacken, um Dortmund zumindest noch das 1:1 zu retten.

Fazit: Klopp macht’s lange richtig – und vercoacht dann fast noch

Die Bayern hatten schon beim 1:1 in Nürnberg mit einem Mittelfeld-Trio, das die Mitte zumachte und auf den Flügeln aufpasste, große Probleme. Sehr ähnlich gestaltete sich dieses Spiel, in dem Klopp erst einmal darauf achtete, dass man die in dieser Saison so flink nach vorne Spielenden Bayern erstmal einbremst und über die trickreichen Reus und Götze die Kanäle Richtung Tor bearbeitet.

Auf der anderen Seite wussten die Bayern, dass auch ein Remis ein recht akzeptables Resultat ist und gingen daher auch nie das letzte Risiko. Die Außenverteidiger blieben lange zurückhaltend; kein Tor zu kassieren war auch hier wichtiger als selbst eines zu erzielen. So steht letztlich ein logisches und auch leistungsgerechtes Remis – wäre da nicht die letzte Viertelstunde gewesen.

Die die Umstellung von Klopp, weg vom Mittelfeld-Trio, eröffnete den Bayern die Chance, das Spiel doch noch zu gewinnen. So ist der Punkt für Dortmund zwar immer noch nicht völlig unverdient, aber wenn der BVB das Spiel noch verloren hätte, dann hätte sich Klopp das wohl auf die eigene Kappe zu heften gehabt.

Aber – es ging ja nochmal gut.

(phe)

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Deutschland rettet sich, Holland nicht https://ballverliebt.eu/2012/06/10/deutschland-rettet-sich-holland-nicht/ https://ballverliebt.eu/2012/06/10/deutschland-rettet-sich-holland-nicht/#comments Sun, 10 Jun 2012 02:36:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7425 Deutschland rettet sich, Holland nicht weiterlesen ]]> Euro 2012 / Tag 2 | Eine schwere Geburt war es, das erste Turnier-Spiel für den Mit-Favoriten aus Deutschland. Selbst hatte man großen Respekt vor den portugiesischen Flügeln, der Gegner machte das Zentrum zu – so gab’s eine recht statische Partie. Die Deutschen retteten den 1:0-Sieg, für Holland ging es nicht so gut aus: Nach dem nicht unverdienten 0:1 gegen Dänemark steht der Vize-Weltmeister schon jetzt mit dem Rücken zur Wand.

Deutschland - Portugal 1:0 (0:0)

Ganz klar: Der gegenseitige Respekt war vorhanden. Nein, mehr als das: Er war riesengroß. Das wurde in der Herangehensweise beider Mannschaften in diesem Spiel klar. So wussten die Portugiesen: Vor allem durch das Zentrum sind diese Deutschen mit den bei Real Madrid extrem gereiften Özil und Khedira, sowie mit Schweinsteiger, brandgefährlich. Das – und die Tatsache, dass es im portugiesischen Kader einfach keinen klassischen Spielgestalter gibt – führte zu einer sehr vorsichtigen Spielanlage.

Wirklich interessant war aber das Spiel über die Flanken. Cristiano Ronaldo (links) und Nani (rechts) zogen sich gegen den Ball sehr weit zurück, sodass bei Portugal ein recht klares 4-1-4-1 entstand. Ziel war es, die beiden nach Ballgewinn schnell steil zu schicken, um vor allem bei Ronaldo die klaren individuellen Vorteile gegenüber Jeroma Boateng zu nützen.

Auch deutsche Flügel vorsichtig

Allerdings wussten natürlich auch die Deutschen, welche Gefahr über Ronaldo und Nani ausgeht. Daher hatte Boateng als Rechtsverteidiger gegen Ronaldo praktisch ausschließlich defensive Aufgaben zu erfüllen und schaltete sich praktisch gar nicht in das Spiel nach vorne ein. Zwar wurde in einige Szenen der Klasseunterschied zum Superstar der Portugiesen schon deutlich, aber Boateng machte grundsätzlich einen sehr soliden Job: Er verzögerte gut, drängte Ronaldo ab und bekam auch gute Unterstützung; vermied es aber, allzu forsch an den Mann zu gehen.

Die sehr konservative Spielweise von Boateng bedeutete, dass Müller vorne ohne seinen Außenverteidiger auskommen musste. Das versuchten die Deutschen auzugleichen, indem Mesut Özil vom Zentrum immer wieder auf den rechten Flügel ging und Müller entweder kurz anspielte, oder es dem Bayern-Spieler ermöglichte, selbst an die Grundlinie oder – noch häufiger – Richtung Strafraum zu ziehen. Coentrão war damit beschäftigt und auch zumeist keine Hilfe für Ronaldo.

Auf der anderen Flanke wusste auch Philipp Lahm um die Stärke von Nani. Daher hielt sich auch der Kapitän der deutschen Mannschaft sehr zurück und beschränkte sich zumeist darauf, den Flügelspieler von Manchester United nicht zur Geltung kommen zu lassen. Auch hier hieß das, dass Lahms Vordermann (Podolski) ohne viel Hilfe von hinten auskommen musste. Podolski nützte das, um recht hoch zu stehen und João Pereira festzunageln, bzw. um zu Gomez in den Strafraum zu ziehen.

Statisches Spiel

Die Folge war ein recht statisches Spiel, in dem die Portugiesen darauf achteten, nichts durch die Mitte zuzulassen und den Raum zwischen Mittelfeld und Abwehr gering zu halten, um Özil nicht seine große Stärke, die Bewegung zwischen den Linien, zuzugestehen. Und die Deutschen danach trachteten, Ronaldo und Nani unter Kontrolle zu halten, während sie gleichzeitig wussten, dass sie durch das Zentrum nichts zu befürchten hatten.

Torchancen blieben Mangelware; die beste hatte vor der Pause Portugal mit Pepes Lattenpendler nach einem Eckball. Selbst nach dem Seitenwechsel änderte sich am Bild des Spiels wenig: Das Tempo blieb überschaubar, die Vorsicht regierte auf beiden Seiten und kein Team schaffte es, das Defensiv-Konzept des jeweils anderen auszuhebeln.

Deutsche Führung, Varelas Freiräume

Nach etwa einer Stunde allerdings hatten die Deutschen einen Weg gefunden, um in den Rücken der Abwehr zu kommen. Sie hatten sich dafür Bruno Alves und Coentrão zurecht gelegt: Es gelang nun nämlich besser, Alves im Zentrum zu binden, wenn Coentrão sich etwas nach vorne bewegt. Das ermöglichte es Müller, aber auch Özil und dem gegenüber Schweinsteiger deutlich offensiveren Khedira, Flanken Richtung Gomez zu schlagen. Einige Versuche schlugen fehl, aber in der 72. Minute fand eine abgefälschte Flanke den Mittelstürmer, der per Kopf zum 1:0 traf.

Paulo Bento musste nun natürlich alles auf eine Karte setzen und brachte Silvestre Varela für Meireles. Der Mann vom FC Porto ist zwar eher ein Flügelstürmer, agierte nun aber halbrechts offensiv und sorgte so für ein personelles Übergewicht in diesem Spielfeld-Bereich. Weil Lahm weiterhin auf Nani aufpassen musste und Schweinsteiger nach seiner Muskelverletzung offensichtlich die Zweikämpfe noch etwas scheute, hatte der neue Mann viele Freiheiten und nützte diese auch zu einer handvoll richtig guter Tormöglichkeiten.

Die Deutschen brauchten in dieser Phase dringend die Paraden von Torhüter Manuel Neuer, um das Spiel über die Zeit zu bringen. Und Neuer hielt die drei Punkte fest.

Fazit: Daran wird sich Deutschland gewöhnen müssen

Ein nicht besonders spektakuläres Spiel, aber nach der deutschen Führung durchaus spannend und am Ende, als Portugal vehement auf den Ausgleich drängte, sogar dramatisch. Die Partie war vom Vorhaben geprägt, nur ja die Stärken des Gegners zu neutralisieren um in dieser schweren Gruppe nur ja keine vermeidbare Niederlage einzustecken.

Deutschland fand mit den Flanken von der rechten Seite ein wirksames Mittel und schlugen daraus letztlich entscheidend zu. Es war beileibe kein Feuerwerk, aber das DFB-Team wird sich daran gewöhnen müssen, dass sich die Gegner äußerst defensiv verhalten, um Özil und Co. keine Räume zu geben. Da wird für das spielstarke deutsche Team Lösungen finden müssen.

Souveräne Qualifikation, dort Portugal distanziert, und trotzdem traute denen Dänen kaum jemand zu, in dieser Gruppe mehr als eine Statistenrolle zu spielen. Großer Fehler! Denn die Mannschaft von Teamchef Morten Olsen präsentierte sich gegen den Vize-Weltmeister als extrem kompakte Truppe, die defensiv extrem aufmerksam agierte und den Holländern einen ziemlichen Fehlstart verpasste.

Holland - Dänemark 0:1 (0:1)

Dänemark stellte sich zunächst einmal tief auf und erwartete Oranje mit der vordersten Front (Eriksen und Bendtner) etwa auf Höhe der Mittellinie, mit Zimling und/oder Kvist als Unterstützung, wenn es darum ging, auf Van Bommel und De Jong zu pressen. So zwangen die Dänen Holland ein überschaubares Tempo auf. Hinzu kam, dass Mathijsen-Ersatz Ron Vlaar in der Innenverteidigung in der Spieleröffnung komplett unbrauchbar ist und mit Jetro Willems ein international völlig unerfahrender Jungspund stand.

Die Flügelspieler im dänischen Team kamen zunächst kaum zur Geltung. Vor allem Krohn-Dehli machte aber defensiv gemeinsam mit Poulsen gegen Robben grundsätzlich keine so schlechte Figur, indem der half, mit Simon Poulsen gemeinsam Robben permanent doppelten. Was sie allerdings nicht verhindern konnten, waren dessen Pässe auf den sich nach außen orientierenden Van Persie. Hier war Agger zwei, drei Mal etwas unaufmerksam.

Perfekt organisiert

Was vor allem in den ersten rund 20 Minuten des Spiels häufig passierte. Holland kam zu einigen guten Chancen, und die Dänen machten da noch keine wirklich gute Figur im Spiel nach vorne. Krohn-Dehli war sehr defensiv unterwegs, Bendtner wurde kaum ins Spiel gebracht und die wenigen Vorstöße blieben harmlos. Ehe ein Pressball von Simon Poulsen eher zufällig zu Krohn-Dehli kam, dieser in den Strafraum zog und durch die Beine von Stekelenburg zum 1:0 traf.

Mit der Führung wurde die dänische Brust extrem breit. Immer deutlicher wurde nun, wie perfekt diese Mannschaft eingestellt war. Und zwar von vorne bis hinten. Denn nun rückten die Außenvertedigier Jacobsen und Poulsen immer weiter auf und beschäftigten so Robben und Afellay. Das war auch deshalb möglich, weil sich einer aus dem defensiven Mittelfeld – zumeist Niki Zimling – zwischen die Innenverteidiger fallen ließ. Kjær und Agger konnten somit nach außen absichern. Im Zentrum verblieb Kvist, bzw. die etwas einrückenden Rommedahl und Krohn-Dehli.

Holland ratlos

Damit konnte zwar die Geschwindigkeit vor allem von Rommedahl kaum ins Spiel gebracht werden, aber die Raumaufteilung war exzellent und mit den sich gut bewegenden und fleißig pressenden Bendtner und Eriksen vorne hatten die Holländer größte Probleme, das eigene Spiel aufzuziehen. Vor allem die Breite fehlte, weil Van der Wiel (schwach) und Willems (überfordert) sich viel zu wenig trauten und so auf den Flügeln eine permanente Unterzahl herrschte. Die einzige Möglichkeit der Holländer, zu Torchancen zu kommen, war über individuelle Klasse.

Die Niederländer wirkten zunehmend ratlos. Wesley Sneijder veruschte, sich dem gut abgestimmten Zentrum mit Kvist und dem sehr beeindruckenden Zimling zu entgehen, indem er sich vermehrt Richtung linke Außenbahn bewegte. Dort war Rommedahl nicht ganz so viel in die Arbeit nach hinten eingebunden wie Krohn-Dehli auf der anderen. Er brachte auch Bälle in den Strafraum, aber dort machten Kjær und Agger eine sehr starke Partie.

Spielkontrolle ohne hohe Bälle

Sehr beeindruckend war bei den Dänen, wie ruhig und diszipliniert sie agierten, wenn sie holländische Angriffe stoppten und selbst in Ballbesitz kamen. Denn weggedroschen wurde hinten gar nichts – es wurde immer versucht, den Ball ruhig in den eigenen Reihen zu halten, sich gar nicht erst auf Kopfballduelle nach 50m-Befreiungsschlägen einzulassen und so die Kontrolle über das Spiel zu übernehmen.

Vor allem mit der Maßnahme, wie schon bei der WM in Südafrika einen Sechser zwischen die Innenverteidiger zu schieben und so die Flanken zu stärken. Rund 20 Minuten vor Schluss stellte Bondscoach Van Marwijk dann um: Mit Huntelaar (statt Afellay) kam ein echter Strafraumstürmer zu dem extrem weite Wege gehenden Van Persie, Sneijder ging nun ganz auf die linke Seite; dazu kam mit Van der Vaart ein neuer Achter/Zehner für das Zentrum statt De Jong.

Morten Olsen konterte sofort, indem er mit Lasse Schøne einen gegenüber dem ausgewechselten Eriksen etwas defensiveren Spieler für die Sicherung im Zentrum brachte, dazu hielten Jacobsen und Poulsen auf den Außen nun ihre defensiven Positionen ein und die beiden Sechser machten das Zentrum auf einer Höhe dicht. Die Folge: Holland fand auch weiterhin kaum Wege Richtung Andersens Tor. Und wenn, verdaddelten sie die Chancen.

Fazit: Durchaus verdienter dänischer Sieg

„Wir waren das bessere Team“, gab Dänemarks Teamchef Morten Olsen  nach dem Spiel zu Protokoll, und man kann ihm kaum Widersprechen. Die Organisation der Dänen war nahezu perfekt, vor allem Niki Zimling zeigte eine beeindruckende Leistung. Aber auch die Innenverteidigung war sehr aufmerksam, die Außenverteidiger zeigten gute Spielintelligenz und das permanente Anpressen der holländischen Spieleröffnung machte Oranje doch zu schaffen.

Natürlich ist der Vize-Weltmeister individuell deutlich besser besetzt als Dänemark, aber dennoch müssen sie sich neben einigen vergebenen Chancen vorwerfen lassen, einfach keine gute Leistung abgeliefert und keine Strategien entwickelt zu haben, wie man den Rückstand noch zumindest ausgleichen hätte können. Zu viel baute auf Einzelaktionen und dem Vertrauen auf individuelle Klasse auf. Das war zu wenig

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Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/ https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/#comments Thu, 07 Jun 2012 00:04:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7389 Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen weiterlesen ]]> In den Halbfinals der Euro 2008 sahen jeweils klare Favoriten (Deutschland und Spanien) gegen zwei Außenseiter mit dem Turnierverlauf auf ihrere Seite (Türkei und Russland). Letztlich setzten sich die Favoriten durch, aber nicht ohne besondere Umstände. Die einen mussten den Sieg erzwingen, die anderen wurden von der Verletzung des Torschützenkönigs zum Glück gezwungen…

Na, wer fehlte den Türken denn diesmal? Antwort: Servet, Aşık, Güngör, Emre (alle verletzt), dazu Demirel, Arda und Nihat (gesperrt). Sprich: Den Türken stand für das Halbfinale gegen Deutschland ein flotter 15-Mann-Kader zur Verfügung. Darunter noch genau ein einziger Innenverteidiger. Kein Wunder, dass Fatih Terim im Vorfeld nur halb im Scherz meinte, dass womöglich der dritte Torwart Tolga als Feldspieler eingewechselt werden müsse.

Deutschland - Türkei 3:2 (1:1)

Freilich: Das war natürlich auch ein wenig Geplänkel, um die Deutschen in Sicherheit zu wiegen. Und das gelang auch, bis zu einem gewissen Grad. Dass sich die DFB-Elf aber generell schwer tat, ein Spiel selbst zu gestalten, war dem türkischen Trainer-Fuchs natürlich nicht entgangen und es spielte auch voll in seine Karten.

Es wären auch nicht typisch für die Türken in diesem Turnier gewesen, wenn sie nicht wieder in einem komplett neuen System angetreten wären. Nach einem symmetrischen 4-2-2-2 (gegen Portugal), einem 4-2-3-1 (gegen die Schweiz), einem assymmetrischen 4-2-2-2 (gegen Tschechien) und einem 4-3-3 (gegen Kroatien) war es diesmal ein ganz klares 4-1-4-1 mit einer wie auf einer Perlenkette aufgereihten Mittelfeldreihe.

Dahinter war Mehmet Aurélio weniger die klassische Absicherung, sondern vielmehr ein recht konsequenter Manndecker für Michael Ballack. Die Türken überließen den Deuschen recht bereitwillig den Ball, pressten ab der Mittellinie mit der Viererkette im Mittelfeld recht aggressiv, und nahmen den recht statischen und einfallslosen Deutschen die Anspielstationen vorne.

Die türkischen Außen, also Kâzım rechts und Boral links, rückten zudem immer wieder ein und wurden von Sabri und Balta hinten abgedeckt, sodass im Zentrum zuweilien vier Türken gegen maximal drei Deutsche standen. Bei Ballgewinn wurden bei den Türken schnell umgeschaltet – wie beim Lattenschuss nach rund zehn Minuten. Inhaltlich waren die Roten die klar bessere Mannschaft, und nach 22 Minuten wurde auch die defensive Passivität von Podolski ausgenützt: Er verhinderte Sabris Flanke nicht, und Boral verwertete den Abstauber, nachdem der Ball an die Latte geprallt war.

Die spielerische Brillanz bracht Jogi Löw erst in Richtung der WM in Südafrika in seine Mannschaft. Für das Team in diesem Turnier gab es im Grunde nur zwei Wege zum Torerfolg: Freistöße (einer gegen Österreich und zwei gegen Portugal) und Flanken von der linken Seite (einmal gegen Kroatien und einmal gegen Portugal). So war es auch in diesem Spiel. Podolski konnte in der ganzen ersten Hälfte nur zweimal in den Raum geschickt werden, einmal brachte er eine Flanke in die Mitte, wo Schweinsteiger verwertete – eine Kopie des ersten Tores gegen Portugal.

Konkreter wurden die Aktionen nach dem Seitenwechsel auch deshalb nicht, weil Rolfes verletzt ausscheiden musste und durch Frings ersetzt wurde. Kein guter Tausch – schließlich konnte Rolfes zumindest noch Ansatzweise sinnbringende Pässe nach vorne spielen, Frings war ein reiner Zerstörer.

So plätscherte das Spiel recht ereignisarm über weiter Strecken der zweiten Hälfte. Ehe die Deutschen aus einem Freistoß (wie auch sonst) etwas unverhofft zum 2:1 kamen – Rüştü kam aus seinem Tor, kam aber nicht mehr rechtzeitig vor Klose an den Ball, dessen Kopfball landete im Netz. Doch auch hier gilt: Die Türken wären nicht die Türken, wenn sie nach diesem Nackenschlag nicht doch wieder ausgleichen hätten können.

Terim brachte Gökdeniz (für den müde gelaufenen Boral auf links) und mit Mevlüt statt Ayhan eine zumindest hängende Spitze zu Semih dazu. Und natürlich war es auch wieder die Seite des defensiv recht, nun ja, passiven Lukas Podolski, über die Sabri durchging, sich auch gegen Lahm durchsetzte und einen Pass parallel zur Toraus-Linie zur Mitte brachte – wo Semih die Kugel an Lehmann vorbei ablenkte. Das 2:2.

Nun aber ging bei den Türken die Ordnung verloren. Was zuvor vorne klar strukturiert war und wo jeder seine genauen Aufgaben kannte, herrschte nach dem 2:2 etwas Chaos, und in der Rückwärtsbewegung war Sabri nicht so konsequent wie er hätte sein müssen. So war in der Nachspielzeit bei Deutschland wieder die Variante „Angriff von links“ an der Reihe, und Lahm wühlte den Ball zum 3:2 durch die Abwehr. Nun hatten die Türken keine Antwort mehr.

Nach 80 Minuten gegenseitiger Neutralisation und zehn Minuten wilden Treibens war Deutschland im Finale, das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Offensivleistung mehr als mau war. Ohne den komplett neutralisierten Ballack war kaum Kreativität vorhanden. Podolski sorgte auf der linken Seite zwar für einige gute Aktionen und war letztlich auch an allen Toren irgendwie beteiligt, war aber doch ein extremes Sicherheits-Risiko nach hinten. Und die Zentrale konnte mit dem aggressiven türkischen Mittelfeld kaum umgehen.

Eigentlich hatte Fatih Terim mit seinem verbleibenden Mini-Kader alles richtig gemacht. Doch ein beinahe klischeehaft erkämpfter, „typisch deutscher“ Sieg bedeutete für eine der faszinierendsten Teams des Turniers das Aus im Halbfinale.

Luis Aragonés hasst Gelb. Er hasst es. Und doch musste seine Mannschaft in den gelben Ausweich-Trikots zum Halbfinale gegen Russland antreten. „Dabei ist das nicht mal ein richtiges Gelb“, brummte der spanische Teamchef noch, „sondern mehr sowas Senf-ähnliches.“ Gelbe Trikots hin oder her, Aragonés wusste, dass er Juri Shirkov stoppen musste, um nach dem 4:1 im ersten Gruppenspiel auch im Halbfinale die Oberhand gegen die Russen zu behalten.

Spanien - Russland 3:0 (0:0)

Er wies Rechtsverteidiger Sergio Ramos an, so hoch wie möglich zu stehen, Shirkov schon in der russischen Hälfte festzunageln, und so dem Aufbauspiel der Russen die größte Waffe zu nehmen. Der Effekt für die russische Mannschaft war verheerend. Weil Shirkov der einzige Spieler war, der überhaupt auf diesem Flügel aufgeboten wurde, fehlte die Breite, wodurch die Sbornaja ins Zentrum gezwungen wurde – wo sie wegen den einrückenden Silva und Iniesta immer wieder in eine 3-gegen-4-Unterzahl gerieten.

Andrej Arshavin versuchte zwar, über seine Positionierung über die halbrechte Seite zu retten, was zu retten war und den Rückraum hinter Ramos zu nützen, aber weil Puyol sehr aufmerksam agierte, funktionierte das gar nicht und Arshavin war genauso aus dem Spiel genommen wie Shirkov.

Und damit das Tempo im Spiel der Russen. Die hatten zwar zunächst sogar mehr Ballbesitz, konnten aber nie Tempo aufbauen und wussten so nicht so recht, was sie mit der Kugel anfangen sollten. Allerdings kamen durch das extrem enge eigene Spiel auch die Spanier nicht so recht durch. Das änderte sich erst durch die Verletzung von David Villa nach einer halben Stunde.

Es wäre natürlich etwas hart, zu sagen, die Verletzung von Villa wäre das beste gewesen, was Spanien in diesem Spiel passieren hätte können. Was aber nichts daran ändert, dass es stimmt. Denn mit Cesc Fàbregas kam genau jener Spieler rein, der in der Folge den Unterschied ausmachte. Durch die tiefere Positionierung von Fàbregas gegenüber Villa hatten die Spanier nun teilweise eine Zwei-Mann-Überzahl im Zentrum, das sich brutal auswirkte.

Und nach dem Seitenwechsel schnell für die Vorentscheidung sorgte. Die Russen hatten nun auf so viele Spanier aufzupassen, dass Prioritäten gesetzt werden mussten, und in der Nähe des eigenen Strafraums lagen diese eher auf Torres, Silva und Fàbregas – nicht aber auf Xavi. Bei Inestas Flanke fünf Minuten nach Wiederanpfiff hatten die Russen Xavi einfach nicht auf der Rechnung. Sie ließen ihn gewähren, er traf zum 1:0, und die Russen waren schwer getroffen.

Mit Fàbregas im Mittelfeld dominierte Spanien nun nach Belieben. Shirkov blieb abgemeldet, Arshavin isoliert und mit Ausnahme von fünf Minuten in der ersten Halbzeit war auch von Pavlyuchenko nicht viel zu sehen. Stattdessen drehten die Spanier an der Temposchraube und verwirrten die Russen mit ihren ständigen Rochaden immer mehr. Torres wurde in der Folge fast im Minutentakt bedient, er vernebelte aber die besten Chancen – ehe der halb durch die zweite Hälfte für ihn eingewechselte Güiza in der 73. Minute mit seinem 2:0 den Deckel draufmachte.

Bei den Russen waren zuvor Sychov für Saenko gekommen (rechte Angriffsseite), und mit Bilyaletdinov statt Semshov (der sich erfolglos darum bemüht hatte, Xavis Kreise einzuengen) sollte etwas mehr Punch nach vorne kommen – doch mit dem 2:0 und mit der Einwechslung von Xabi Alonso für Xavi, um die vorgezogene Positionierung von Bilyaletdinov auszugleichen, war alles vorbei. Das 3:0 durch den großartig aufspielenden David Silva war nur noch die Draufgabe.

So wurde Luis Aragonés mehr oder weniger zu seinem Glück gezwungen – die Einwechslung von Fàbregas bescherte seinem Team den entscheidenden Vorteil im Mittelfeld und damit den letzlich ungefährdeten Sieg.

(phe)

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Möglich wäre so einiges… https://ballverliebt.eu/2011/06/04/moglich-ware-so-einiges/ https://ballverliebt.eu/2011/06/04/moglich-ware-so-einiges/#comments Sat, 04 Jun 2011 00:40:49 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4935 Möglich wäre so einiges… weiterlesen ]]> Durch ein spätes Tor von Mario Gomez verliert eine beherzt kämpfende österreichische Mannschaft gegen Deutschland mit 1:2. Die letzte Chance auf den EM-Ticket ist damit dahin, aber diesmal wusste die Mannschaft aus eigener Bundesliga-Erfahrung, wie man den DFB-Spielern beikommen kann. Was nur offenlegt, was mit diesem Team so alles möglich wäre.

Österreich - Deutschland 1:2

Denn anders als bei so manchem planlosen Auftritt gegen Mannschaften, deren Spieler man nur vom DVDs kennt, hatte das österreichische Team diesmal einen recht genauen Plan zu bieten, wie man die Deutschen Nerven kann. Denn Mehmet Scholl dürfte schon recht gehabt haben, als er sagte: „Den Österreichern ging’s heute doch gar nicht mehr um Platz zwei in der Gruppe. Sondern darum, die Deutschen zu ärgern!“ Und das gelang.

Gemeinschaftsjob Özil

Österreich überließ dem DFB-Team erwartungsgemäß erst einmal die Initiative, nichts anderes sagte die Aufstellung in einem 4-4-1-1 auch aus. Die Aufgabe, Mesut Özil aus dem Spiel zu halten, wurde dabei auf mehrere Schultern aufgeteil. Etatmäßig war es Stefan Kulovits, der sich um den Mann von Real Madrid kümmerte, aber er machte das nur, wenn Özil nicht zu hoch stand und nicht gerade auf die Seiten auswich. Es war nämlich kein Problem, der Bewachung von Kulovits zu entgehen, wenn er einfach ein paar Schritte aufrückte und sich zwischen den Linien breit machte. Pogatetz und Scharner standen sehr tief und rückten auch nicht auf, um Özil zu bewachen.

Allerdings wurde ihm sofort die Zeit am Ball genommen, wenn er ihn doch einmal bekam. Er versuchte viel, auf die Seiten auszuweichen und die Hilfe von Müller und (vor allem) Podolski zu suchen. Hier machte sich aber die Maßnahme von Constantini bezahlt, mit Klein und Dag im Grunde zwei Rechtsverteidiger aufzustellen, außerdem kam im Fall der Fälle auch Baumgartlinger hinzu. Podolski war, bis auf seinen Lattenkracher aus 20m in der 8. Minute, kaum wirklich ein Faktor.

Die Mittelfeldkette der Österreicher verschob sehr gut und machte den Raum im Zentrum gut dicht, Alaba rückte da aber oftmals viel weiter ein als Dag auf der anderen Seite – schlicht, weil über Müller wenig kam und Fuchs ihn recht gut im Griff hatte. Vorstöße von Lahm unterband Alaba, so gut es ging. Die Folge: Deutschland hatte zwar klar mehr Spielanteile und auch einige Torschüsse, die wenigsten davon aber von innerhalb des Strafraums bzw. aus dem Spiel heraus.

Was auffiel: Pressing wurde beim ÖFB-Team nur vereinzelt gezeigt und es machte auch keinen wirklich eintrainierten Eindruck. Zwar war das Motto „einer presst, zwei lauern“ zumeist schon erkennbar, aber es gingen nur ganz bestimmte Spieler auch tatsächlich gegen die Ballführenden: Fuchs und Alaba auf der linken Seite, mit Abstichen Pogatetz und Hoffer, besonders viel dafür Harnik. Fällt was auf? Genau, das sind exakt jene Spieler, die in der deutschen Bundesliga spielen. Andere, wie etwa Klein und vor allem Kulovits, waren da kaum ein Faktor. Vor allem Kulovits deckte, wenn Özil nicht in der Nähe war, oftmals nur den leeren Raum ab.

Schlüsselfigur 1: Harnik macht den Rooney

Interessant war bei Österreich die Rolle von Martin Harnik. Der Stuttgarter übernahm jene Rolle, die in der Schlussphase der Saison von Manchester United Wayne Rooney mit großem Erfolg gespielt hatte: Jene als Mittelding aus hängender Spitze und Spielmacher. Der laufstarke Harnik – jener Spieler, vor dem Bundestrainer Löw laut eigener Aussage am meisten Respekt hatte – war überall auf dem Platz zu finden.

Hauptsächlich zentral, aber auch links, rechts, auch mal nach hinten arbeiten, mit großer Explosivität aus der Etappe kommen, keinen Zweikampf scheuen. So konnte Harnik durchaus die Tatsache, dass Sami Khedira seit einigen Wochen verletzungsbedingt kein Spiel mehr gemacht hatte, ausnützen. Khedira hatte gegen die spritzige Körperlichkeit von Harnik oftmals das Nachsehen.

Schlüsselfigur 2: Baumgartlinger, der bessere Scharner

Es ist ja keinen allzu neue Erkenntnis – aber Jules Baumgartliner ist derzeit ohne jeden Zweifel der beste Sechser bzw. Achter, den Österreich hat. Die Übersicht und die Spielintelligenz des 23-jährigen Austrianers ist derzeit unübertroffen. Defensiv montierte er (in Gemeinschaft mit anderen, siehe oben) Mesut Özil ziemlich ab, er unterstützte sehr oft Dag und Klein gegen Podolski, erledigte seine Defensivaufgaben sehr ordentlich.

Vor allem aber: Anders als Paul Scharner, der, wenn er im Nationalteam dort spielen darf, oft übermotiviert alles zerreißen und alle Mittelfeld-Agenden selbst übernehmen will, hat Baumgartlinger das Gespür zu erkennen, wann er nach vorne gehen kann oder muss und vor allem, wann er in der Vorwärtsbewegung den möglichst einfachen, aber sinnvollen Pass anbringen kann. Das ist alles andere als spektakulär und sieht auch nicht wirklich auffällig aus, als Backbone einer Mannschaft braucht es aber genau solche Spieler: Einfache Pässe mit möglichst geringem Risiko zum Ballverlust, die in der Spieleröffnung oder -gestaltung aber doch etwas bringen. Baumgartlinger war eine Augenweide.

Schlüsselfiguren 3/4: Fuchs und Alaba, die Müller/Lahm-Abmonteure

David Alaba hatte einen Monsterjob zu lösen: An ihm war es, den deutschen Kapitän Philipp Lahm zu so wenig Entfaltung wie möglich kommen zu lassen. Dabei war es sicher kein Nachteil, dass der zu Hoffenheim verliehene Bayern-Legionär zum einen aus seiner Zeit bei den Münchnern Lahm sehr genau kennt und weiß, wie ihm zuzusetzen ist. Und zum anderen, dass es sich der 18-Jährige absolut zutraute, das nicht mit reagieren zu tun, sondern mit agieren! Alaba stand um einiges höher als Ekrem Dag, sein Pendant auf der rechten Seite, setzte Lahm durchaus unter Druck und zermürbte ihn mit robustem Körperspiel zusätzlich.

Das alles wäre natürlich nicht möglich gewesen, wenn nicht Christian Fuchs hinter ihm gespielt hätte, der womöglich beste Linksverteidiger der abgelaufenen Bundesliga-Saison. Der Mainz-Legionär begann zwar eher fahrig und einige Zuspiele nach vorne landeten eher weit weg vom geplanten Passempfänger, aber defensiv bekam er Müller schnell in den Griff und nach etwa 20 Minuten verband er sich auch immer mehr mit Alaba vor ihm.

Österreich wird aktiver

Wie gut das ÖFB-Team Özil und vor allem Müller im Griff hatte, zeigt sich exemplarisch daran, dass beide ihre wohl beste Szene in der 29. Minute hatten, als sich Özil tief in der eigenen Hälfte – also komplett out of position – aufhielt und an den aufgerückten Alaba und Fuchs vorbei Müller ins Laufduell mit Baumgartlinger schickte. Letztere musste das taktische Foul nehmen und sah dafür Gelb. Dem Würgegriff konnten sie sich mit zunehmender Spieldauer immer mehr nur noch dann entziehen, wenn sie ganz andere Wege gingen.

Bei den Österreichern dauerte es zwar bis zur 24. Minute, ehe der este gemeinschaftlich aufgezogene Angriff über Fuchs und Alaba, mit Baumgartlinger aufgerückt und einem ebenso nach vorne gekommenen Scharner gezeigt wurde. Zwar wurde die Aktion von einem recht harmlosen 25m-Schuss von Scharner mit überschaubarem Erfolg abgeschlossen, aber es war so etwas wie der Startschuss.

Kroos fehlt es an Optionen in der Spieleröffnung: Özil ist isoliert, Schmelzer spielte schlecht - oft blieben nur lange Risikopässe. Bei Balleroberung schoss Österreich schnell nach vorne, vor allem über die Seite von Lahm

Fuchs ging nun noch mehr nach vorne, auch Klein traute sich immer mehr zu, Baumgartlinger bewegte sich gut und verteilte die Bälle zumeist sehr ordentlich; vor allem über die Seiten ging es nun nach Balleroberung sehr flink und flüssig. Die Folge: Wirklich gute Torchancen für die Österreicher häuften sich, Hoffer und Harnik vergaben dabei die besten.

Bastian Schweinsteiger fehlt eklatant

Das deutsche Spiel krankte, die Innenverteidigung einmal ausgenommen, im Grunde überall. Schmelzer zeigte eine ganz schwache Leistung und konnte Podolski überhaupt nicht helfen, andererseits kannte auch Poldi keinen Rückwärtsgang – ebenso wie Müller, weshalb Lahm gegen Alaba und Fuchs alleine stand und eigentlich ein armer Hund war. Zudem war Özil isoliert und Gomez hing in der Luft.

Der größte Schwachpunkt beim DFB-Team war aber das defensive Mittelfeld. Khedira fehlte sichtlich die Matchpraxis und Toni Kroos kann, vor allem ohne einen fitten Nebenmann, den verletzt fehlenden Bastian Schweinsteiger in keinster Weise ersetzen. Nicht nur, dass ihm permanent Harnik um die Ohren lief und er somit viel defensiv gebunden war, nein, in der Vorwärtsbewegung waren oftmals alle Anspielstationen zu. So war er gezwungen, oft statt des einfachen kurzen Passes einen langen zu nehmen, oftmals hoch, auf einen Spieler, der gut gedeckt war, sich schlecht bewegte – oder beides. Die Folge war wenig Tempo und kaum Spielfluss nach vorne und teils haarsträubende Fehlpässe, welche die Österreicher dankbar annahmen.

Deutschland war in dieser Phase nur noch aus Standardsituationen in der Lage, halbwegs sinnvoll für das Tor von Sturm-Goalie Gratzei zu kommen. Folgerichtig daher, dass kurz vor der Halbzeit Mario Gomez aus einem Eckball die Kugel über die Linie stolperte. Eine zu diesem Zeitpunkt glückliche Führung, denn die größere Torgefahr hatte in den 20 bis 30 Minuten zuvor eindeutig Österreich ausgestrahlt.

Gleiche Charakteristik nach Ausgleich

Kurz nach der Pause wurde das ÖFB-Team doch noch für die sehr ansprechende Phase vor der Halbzeit belohnt, indem Arne Friedrich eine Flanke von Alaba quasi unter dem bereitstehenden Harnik hindurch ins eigene Tor beförderte. Am grundsätzlichen Charakter des Spiels änderte das 1:1 aber nichts: Österreich stand weiterhin in der Grundformation tief und überließ den Deutschen den Ball, um schnell zu kontern.

Was sich ebenso nicht änderte, war die mangelnde Bereitschaft von Müller und Podolski, nach hinten zu arbeiten. Das versuchte Löw in den Griff zu bekommen, indem er Müller und Özil ihre Plätze tauschen ließ. Er muss schnell erkannt haben, dass auch das keine signifikante Verbesserung bedeutete, so nahm Löw kurz darauf Podolski vom Platz und brachte dafür Schürrle. Özil ging wieder in die Mitte, dort ist er für die Mannschaft dann doch wertvoller.

Ab Minute 70

Personelle Änderungen

Halb durch die zweite Hälfte wechselte dann auch Constantini: Statt des braven und vor allem defensiv recht umsichtigen Dag kam mit Zlatko Junuzovic ein deutlich offensiverer Mann für die rechte Seite. Der Austrianer schob auch sofort deutlich weiter nach vorne als der Beşiktaş-Legionär. Mit der Folge, dass Schmelzer nun noch weniger nach vorne brachte und sich die Fehlerquote des Dortmunder Blondschopfes nicht senkte – aber ohne wirkliche Chancen zu kreieren.

Bei den Deutschen war für Khedira nach 70 Minuten Schluss, für ihn rückte Hummels ins defensive Mittelfeld auf und Badstuber übernahm den Platz in der Innenverteidigung. Das deutsche Mittelfeld-Duo mit Kroos und Hummels stand sehr souverän, was aber auch an Martin Harnik lag.

Der nach seiner extrem hohen Laufleistung ganz einfach am Ende war. Er ging nun etwas weiter nach vorne und wartete eher auf Anspiele, als dass er sich die Bälle noch selbst holen konnte. Zehn Minuten vor Schluss hatte er dann seinen Arbeitstag beendet, angesichts seines Einsatzes ist es erstaunlich, dass er überhaupt so lange durchhielt. Statt seiner kam Daniel Royer zu seinem Länderspiel-Debüt.

Wer weniger Chancen braucht, gewinnt

Der Rieder ging auf die rechte Seite und Junuzovic dafür ins Zentrum, er stand dort aber – Harnik ist an sich Stürmer, Junuzovic Spielmacher – tiefer als Harnik zuvor, war so aber ohne große Hilfe zwischen Hummels und Kroos eingeklemmt. Dennoch sah alles nach einem 1:1 aus – wenn da nicht die Kaltschnäuzigkeit wäre, welche die Deutschen auszeichnet.

Nach einem an sich geklärten Eckball von links konnte Lahm von der rechten Seite zurückflanken und am zweiten Pfosten stand der bullige Gomez ausgerechnet gegen den kleinen Royer. Ein Mis-Match, das der Torschützenkönig der deutschen Bundesliga natürlich eiskalt ausnützte und zum 2:1 traf. Dem Endstand

Fazit: Man sieht, was möglich wäre…

Ob Emanuel Pogatetz von Mirko Slomkas 10-Sekunden-Drill bei Hannover berichtet hat? Offensichtlich, so überfallsartig liefen die österreichischen Konter. Ob David Alaba von der Arbeit bei Bayern München weiß, wie Philipp Lahm beizukommen ist? Offensichtlich, so konsequent, wie der Jungspund den DFB-Kapitän anrennen ließ. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen – aber der Punkt ist klar: Die Österreicher hatten ganz offensichtlich einen recht genauen Plan, wie man sich gegen die fußballerisch natürlich klar überlegene Mannschaft aus Deutschland durchsetzen will und kann, und alle haben sich sehr diszipliniert daran gehalten.

Woran man sieht, was mit dem vorhandenen Spielermaterial tatsächlich möglich wäre, zumal einige wirklich gute Spieler aus den verschiedensten Gründen ja gar nicht dabei waren: Es ist möglich, Teams wie Deutschland zumindest ordentlich zu nerven und an einem Tag wie diesem einen Punkt mitzunehmen, der durchaus verdient gewesen wäre. Dass Deutschland in der 90. Minute das Tor noch macht und Österreich nicht ist letztlich ein Zeichen dafür, wer eine Spitzenmannschaft ist.

Natürlich war das eines der schwächeren Bewerbsspiele der deutschen Mannschaft und sowohl in der Halbzeit als auch in der Nachbetrachtung bemängelte das DFB-Betreuerteam um Jogi Löw und Hansi Flick vor allem eines: „Mangelde Seriosität“ bei ihrer Mannschaft. Die halbe österreichische Mannschaft ist in Deutschland aktiv, kennt die Spieler nicht nur vom Band, sondern aus der persönlichen Praxis. Das merkte man: Vor allem die Bundesligisten Pogatetz, Fuchs, Alaba und Harnik wussten sehr genau, gegen wen man wie spielen muss.

Und es ist gut möglich, dass nach dem sicherlich besten Constantini-Länderspiel (neben jenem in Belgrad) bald noch ein weitere dazukommt. Denn seine wundervolle Leistung vor den Augen der deutschen Bundesliga-Manager hat Julian Baumgartlinger auf dem Weg zurück ins Ausland sicher nicht geschadet…

(phe)

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Hannover sägt Van Gaals Trainerstuhl ein weiteres Bein ab https://ballverliebt.eu/2011/03/06/hannover-sagt-van-gaals-trainerstuhl-ein-weiteres-bein-ab/ https://ballverliebt.eu/2011/03/06/hannover-sagt-van-gaals-trainerstuhl-ein-weiteres-bein-ab/#respond Sun, 06 Mar 2011 12:03:03 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4266 Hannover sägt Van Gaals Trainerstuhl ein weiteres Bein ab weiterlesen ]]> Wie lange ist Louis van Gaal noch Trainer bei den Bayern? Nach dem 1:3 in Hannover scheint die Antwort eher „Tage“ zu sein als „Wochen“. Denn beim Überraschungsteam der Bundesliga machten die Bayern einmal mehr erstaunlich viel schon in der Herangehensweise an die Partie falsch.

Hannover 96 - Bayern München 3:1

Es war als Schicksalsspiel für Bayern-Trainer Louis van Gaal angekündigt worden – und die Bayern versagten nach dem Cup-Aus gegen Schalke nun auch beim Überraschungsteam in der Bundesliga – und das, obwohl bei Hannover der an sich beste Stürmer Didier Ya-Konan verletzt nicht dabei sein konnte – für ihn spielte Ex-Bayer Jan Schlaudraff als zweite Spitze in einem recht klassischen 4-4-2.

Deutlich mehr umstellen musste indes Van Gaal: Der zuletzt formschwache Schweinsteiger musste gelbgesperrt aussetzen, Luiz Gustavo war krank. So agierte Kroos in der tiefen Rolle vor der Abwehr und – was schon in den letzten Spielen nicht funktioniert hat – Linksverteidiger Pranjic als Achter, dafür mit Badstuber wieder ein spieler links hinten, der sich dort nicht allzu wohl fühlt. Folgerichtig kam vom gelernten Innenverteidiger nicht allzu viel Unterstützung für Ribéry.

Numerische Überlegenheit ohne Vorteil abgegeben

Das Hauptproblem war aber einmal mehr das zentrale Mittelfeld. Gegen die zwei Hannoveraner im Zentrum gaben die Bayern – mit nominell drei Zentralen – die Überlegenheit auf, indem sich Müller weiter nach vorne orientierte und Kroos sehr tief stand. Das muss nicht verkehrt sein, Dortmund hat so zum Rückrundenstart das 4-4-2 von Leverkusen absolut zerlegt. Großer Unterschied: Der angehende Meister hat Leverkusen mit eigenem Pressing entnervt und konnte so auf die Zentrale verzichten. Hier waren es aber die Hannoveraner, die zum Teil recht heftig gegen die Bayern pressten.

Vor allem die Tatsache, dass bei Hannover zwei Spitzen da waren, die volle Kanne pressten und somit schon die Spieleröffnung der Bayern extrem störten, brachte den vermeintlichen Favoriten schwer ins Wanken. So war Lahm gezwungen, umso mehr nach vorne zu tun. Ein weiteres Problem war – einmal mehr – Danijel Pranjic. Er war auf der Acht völlig unsichtbar und für Kroos selten eine Option, weil er, wie auch der Rest der Mannschaft, sehr hoch stand und die Bayern somit auf lange Bälle zurückgreifen mussten. Die sehr selten ankamen. Da half es auch nicht, dass Robben und vor allem Ribéry viel einrückten, um in der Zentrale wieder einen numerischen Vorteil herzustellen.

Und die Tatsache, dass die Bayern versuchten, sich sehr hoch anspielen zu lassen, spielte dem explosiven Konterfußball, den Mirko Slomka (wir erinnern uns mit Wehmut, der wäre nach der EM fast ÖFB-Teamchef geworden!) seinem Team eingeimpft hat, voll in die Karten. So konnte Rausch einen Vorstoß von Lahm nützen, um in dessen Rücken freie Fahrt zu haben, seine Flanke fand den Norwegen Abdellaoue, und es stand 1:0 für die Hausherren.

Hannover mit Plan, Bayern ohne Ordnung

Defensiv stand Hannover exzellent, vor allem Robben hatten die Norddeutschen gut im Griff. Kam der Holländer mit Tempo, standen wie in den letzten Wochen auch immer zwei bis vier Gegenspieler um ihn herum. Wurde Robben allerdings stehend angespielt ohne Gefahr für Tempoläufe, ließ Hannover komplett von ihm ab und stellte den Strafraum voll. Ähnliches praktizierten sie auf der anderen Seite mit dem dennoch etwas aktiveren Ribéry. So blieben den Bayern fast nur Fernschüsse.

Der ärmste Hund bei den Münchnern war aber nicht Gomez, der zwar vorne viel arbeitete – und ebenso einige Male vom schwachen Schiedsrichter Drees benachteiligt wurde wie Hannover bei einigen falschen Abseitsentscheidungen – aber dem wenig gelang. Nein, das war Anatoli Tymoschuk: Er musste nicht nur den Innenverteidiger spielen, sondern zunehmend auch dem etwas hilflosen Kroos in der Spieleröffnung helfen und zudem die rechte Seite abdecken, die der defensiv haarsträubend schlechte Lahm freiließ. Denn nicht nur, dass der Kapitän seine Flanke offen ließ, auch im Zweikampf im Strafraum schaute er zumeist nur andächtig zu.

Symptome behandeln und wiederkehrende Fehler korrigieren

Dass Tymoschuk an dieser Dreifach-Aufgabe scheitern musste, war aufgelegt, seine Auswechslung zur Halbzeit war allerdings nur ein Behandeln der Symptome der Schwäche anderer, anstatt dass Van Gaal die Ursachen für die Überforderung angetastet hatte. Für den Ukrainer kam Daniel van Buyten, der nun nicht mehr hinter dem etwas disziplinieren Lahm aufräumen musste, zudem kam mit Ottl eine sich besser anbietende Anspielstation statt Pranjic ins defensive Mittelfeld. Es ist schon erstaunlich: Van Gaal ließ Pranjic zuletzt fast immer im Mittelfeld beginnen, um Luiz Gustavo (Achter) oder diesmal Badstuber (Innenverteidiger) auf der LV-Position beginnen zu lassen. Jedesmal korrigierte er diesen Missstand im Laufe des Spiels, weil es schlicht nicht funktioniert hat. Und doch stellt er Pranjic immer wieder ins Mittelfeld.

Der Kroate fühlt sich links sichtbar wohler, und nun kam auch etwas mehr Unterstützung für Ribéry, als das der ausgewechselte Badstuber geliefert hatte. Doch bevor diese Maßnahme wirklich greifen konnte, stand es schon 0:2 – nach einer Ecke ließen die Bayern Rausch völlig frei von der Strafraumgrenze schießen, Gomez fälschte den Schuss noch leicht ab. Ganz hatten sich die Münchner aber noch nicht aufgegeben und vier Minuten später zeigten sie auch, wie gut Hannover daran tat, sie nicht in den Strafraum kommen zu lassen. Ein Ball von (dem sonst indiskutabel schlechten) Müller fand etwas glücklich Ribéry, der setzte sich gegen Pogatetz durch und bediente Robben, der nur noch einschieben musste.

Robben erst nach Schlampigkeitsfehler mit mehr Einsatz

Dass Robben aber seit Wochen seltsam abwesend wirkt, wurde ihm aber kurz darauf wieder zum Verhängnis. Leichtfertiger Ballverlust in der Vorwärtsbewegung, und wieder ging’s bei Hannover schnell. Weder Kroos noch Ottl und schon gar nich Van Buyten griffen den aufs Tor zustürmenden Pinto an, und auch Kraft machte beim folgenden Schuss keine gute Figur – und es stand 3:1 für Hannover.

Offensichtlich hat Robben diesen Fehler gebraucht, denn nun drehte er auf und schwang sich zu einem Aktivposten auf. Und zwar so sehr, dass in der Folge sein Gegenspieler Rausch – der die Freiheiten lange genoss – gegen den defensiv stärkeren Chahed ausgewechselt wurde. Allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Partie schon vorentschieden war. Breno hatte in der 71. Minute nach einer Tätlichkeit die rote Karte gesehen.

Dreierkette ohne Innenverteidiger

Van Gaal musste nun alles riskieren und tat das auch. Er löste die Verteidigung komplett auf, indem er mit Van Buyten den verbliebenen IV als Kopfballoption in die Spitze schickte, nachdem er schon zuvor Klose für Kroos eingewechselt hatte. Hinten spielten die Bayern nun de facto mit einer Dreierkette, gebildet aus den Außenverteidigern Lahm und Pranjic sowie dem verbliebenen defensiven Mittelfelspieler, Ottl. In der letzten Viertelstunde gab es nur noch die Devise „Brechstange“.

Slomka brachte einen fünften Verteidiger für den fleißigen Stindl, nachdem er mit der Einwechslung von Stoppelkamp (für Schlaudraff) schon eher auf ein 4-5-1 umgestellt gehabt hatte. Man kann Hannover vorwerfen, die sich durchaus bietenden Kontermöglichkeiten in der Schlussphase nicht gut ausgespielt zu haben. Das machte aber in diesem Spiel nichts mehr aus, weil die Bayern ohnehin nie den Eindruck hinterlassen hatten, tatsächlich noch zwei Tore aufholen zu können.

Fazit: Van Gaal arbeitet an seiner Entlassung

Es ist schon erstaunlich, wie viel man falsch machen kann. Pranjic als Achter, Lahm zu offensiv, Tymoschuk mit drei aufgaben, offensives Mittelfeld zu hoch, Notlösungen auf links hinten. Und dann noch individuelle Aussetzer wie von Robben und Kraft (beim dritten Gegentor), sowie Breno (beim dämlichen Ausschluss). Und Van Gaals Reaktionen auf diese Unzulänglichkeiten. Wenn mal ein Spiel vercoacht wird, kann das ja mal passieren. Aber der „Tulpengeneral“ macht seit Wochen nicht den Eindruck, diese Fehler wirklich korrigieren zu wollen.

Hannover hingegen machte so ziemlich alles richtig. Aktives Pressing von beiden Sturmspitzen (was deren Verwendung auch tatsächlich rechtfertigt), bekannt explosives Umschalten von Defensive auf Offensive, konsqeuentes Ausnützen der Fehler der Bayern. Nicht umsonst rangiert Hannover, letztes Jahr erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg gerettet, auf dem dritten Platz und befindet sich auf dem Weg in die Champions-League-Quali – auf die viertplatzierten Bayern sind’s nun schon fünf Punkte Vorsprung…

(phe)

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