Vidal – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 18 Jul 2014 09:59:03 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Südamerika bei der WM: Zwar wieder kein Titel, aber erneut breiter geworden https://ballverliebt.eu/2014/07/18/zwar-wieder-kein-titel-aber-suedamerika-stellt-sich-immer-noch-breiter-auf/ https://ballverliebt.eu/2014/07/18/zwar-wieder-kein-titel-aber-suedamerika-stellt-sich-immer-noch-breiter-auf/#comments Thu, 17 Jul 2014 22:34:03 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10428 Südamerika bei der WM: Zwar wieder kein Titel, aber erneut breiter geworden weiterlesen ]]> Nur ein Team von außerhalb konnte südamerikanische Teams in der K.o.-Runde besiegen. Eines! Was nur zeigt, wie stark und vor allem mit welcher beeindruckenden Breite die Teams aus Südamerika bei der WM auftrumpften. Mittlerweile sind nicht nur zwei Teams da, die Weltmeister werden können, sondern vier, die von extrem hoher Qualität sind. Und ein Fünfter war vor vier Jahren ja immerhin im Semifinale. In dem das Team des Gastgebers diesmal ja ein historisches Debakel erlitt.

Brasilien: Wo sind die ganzen Samba-Kicker hin?

Als die Seleção vor einem Jahr den Confed-Cup gewann, sah man eine Mannschaft, die nichts besonders innovatives machte, aber eine solide Mischung aus allen Einflüssen war, die es im modernen Fußball so gibt. Keine aufregende, aber eine grundsolide Truppe. Zwölf Monate später gab es den krachenden Einsturz eines Teams, das offenbar alles verlernt hatte, nicht als Mannschaft funktionierte und in dem Teamchef Scolari zu viel und zu lange an „seinen“ Spielern festhielt.

Brasilien
Brasilien: Wenn Fred der beste Mittelstürmer ist, hat die Seleção ein ziemlich massives Problem.

Dabei war eben in der Tat alles weg. Paulinho, der aus dem Mittelfeld den Punch bringen sollte, ist nach einem verlorenen Jahr in Tottenham ein Schatten seiner selbst. Hulk stagniert oder enwickelte sich sogar zurück. Fred ist eine Gemeinheit von einem Mittelstürmer, verglichen mit ihm war Toni Polster ein Dauerläufer.

In keinem Spiel konnte Brasilien wirklich überzeugen. Gegen Kroatien hätte man ohne das Elfer-Geschenk wohl nur 1:1 gespielt, Kamerun war kein Gegner, gegen Chile und Kolumbien wackelte man bedenklich, ehe es gegen Deutschland das 1:7-Desaster im Halbfinale setzte. Die vermutlich beste Leistung konnte man gegen Mexiko abrufen. Bezeichnenderweise gewann Brasilien dieses Spiel nicht.

Das Halbfinale, das in die WM-Geschichte eingehen wird, offenbarte drastisch, wie sehr die Mannschaft von Thiago Silva (der den Laden hinten zusammenhielt) und Neymar lebte. Unter dem Druck des Gewinnen-Müssens warfen die Spieler übermotiviert alle Grundlagen der Taktik über Bord und liefen Deutschland nicht ins Messer, sondern mit Anlauf in ein deutsches Katana.

Die grundsätzliche Frage, die sich Brasilien nach Platz vier bei der Heim-WM (was ja rein als Ergebnis eh nicht so schlecht ist) stellt, ist eine aus brasilianischer Sicht erschreckende: Wie kann es sein, dass es ausgerechnet im Land des Samba-Fußballs, im Land von Pelé, Garrincha, Zico, Romario, Ronaldo und Ronaldinho nur einen einzigen Offensiv-Akteur von Weltformat gibt? Inhaltliche Fehlleistungen und Spiele, in denen alles daneben geht, können immer mal passieren. David Luiz und Thiago Silva sind dennoch Weltklasse-Spieler, Luiz Gustavo trotz allem ein Sechser von internationalem Format. Aber Oscar tauchte völlig unter, Hulk ebenso. Alles hing an Neymar.

Die Seleção ist nicht in einem so tiefen Loch, wie es nun scheint. Der neue Teamchef, wer immer es sein wird, muss aber einen Weg finden, dass nicht alles zusammenklappt, wenn Neymar nicht dabei ist oder einen schlechten Tag hat. Und ganz generell muss sich der Verband etwas einfallen lassen, wie man wieder ein paar ordentliche Offensiv-Spieler und vor allem Mittelstürmer aus dem Zuckerhut zaubert. Denn was den Zug zum Tor angeht, ist man alleine in Südamerika nicht mehr unter den Top-3.

Argentinien: Wo ist die Hilfe für Messi?

Nein, dass die Albicelete prickelnden Offensiv-Fußball gezeigt hätte, könnte man nicht gerade behaupten. Auch, dass Lionel Messi zu jeder Zeit Herr der Lage ist und ein Kapitän, der vorangeht und die Kollegen pusht, wenn’s mal nicht läuft, kann man nicht sagen. Allerdings war der große kleine Mann von Barcelona fast immer zur Stelle, wenn seine Mannschaft mal ein Tor oder zumindest einen Assist von ihm brauchte.

Argentinien
Argentinien: Es lebte mehr von Messi, als bei der Besetzung nötig war. Aber es funktionierte.

Seltsam, aber obwohl die Qualität der Spieler direkt um Messi herum – Higuaín, Lavezzi, Agüero, natürlich Di María – deutlich höher ist als die der Nebenleute von Neymar, steht und fällt auch bei Argentinien alles mit einem Spieler. Die Auftritte des knapp unterlegenen Finalisten waren selten wirklich unterhaltsam und fußten vornehmlich auf einer außergewöhnlich sicheren Defensiv-Abteilung.

Die vom wahren Chef auf dem Feld dirigiert wurde, nämlich von Javier Mascherano. Er hatte mit Biglia einen patenten Adjutanten, hatte mit Garay und Demichelis sichere Hinterleute und Torhüter Romero zeigte ein sehr gutes Turnier, obwohl er bei Monaco nur in internen Trainings-Spielchen Praxis bekam.

Im Grunde spielte Argentinien so, wie Finalisten oft spielen: Hinten wenig anbrennen lassen, vorne im entscheidenden Moment zuschlagen. Wiewohl es Alejandro Sabella, so sehr es ihm an Charisma zu fehlen scheint, gelungen ist, die Gruppe zu vereinen, und sei es nur, um gemeinsam Sabellas Autorität öffentlich in Frage zu stellen. Seinen Grundsatz von „Humilidad y Trabajo“, von Demut und Arbeit, haben aber alle angenommen.

Nach dem überforderten Clown Maradona und dem ahnungslosen Selbstdarsteller Batista hatte Argentinien einen Teamchef gefunden, der sich ausschließlich mit dem sportlichen beschäftigt. Das wurde belohnt, aber um in vier Jahren auch wieder eine gute Rolle zu spielen, muss es gelingen, neue Schlüsselfiguern zu finden. Mascherano ist schon 30, Messi befindet sich seit einem, anderthalb Jahren am absteigenden Ast. Es wird sicherlich noch mehr Verantwortung auf Angel di María zukommen.

Denn Messi wird schon ein wenig mehr Hilfe benötigen, in Zukunft.

Kolumbien: Wäre mit Falcao noch mehr möglich gewesen?

Er war eine Augenweide, dieser James Rodríguez (der, um das ein für allemal festzuhalten, NICHT „dscheims“ heißt, sondern „chames“). Vorbereiter, Vollstrecker, Gegenspieler-Verrückt-Macher, und das alles mit einem Babyface, das das genau Gegenteil der wilden Erscheinung Carlos Valderrama ist. Kolumbien stürmte unaufhaltsam ins Viertelfinale und hatte dort gegen Brasilien zu spät gemerkt, dass man gar keine Angst vor dieser Truppe haben muss.

Kol
Kolumbien: Eine Augenweide. Tolle Spieler, viel Initiative, und das nicht mal in Bestbesetzung

Weshalb sich die Frage stellt: Wäre mit einem fitten Radamel Falcao vielleicht sogar noch mehr möglich gewesen? Denn Teo Gutiérrez zeigte sich als hervorragender Arbeiter, als guter Mitspieler für James und Cuadrado, aber nicht als Vollstrecker. Während hinter im die vermutlich beste offensive Mittelfeld-Reihe des Turniers wirbelte. Dazu verwirrte man die Gegner mit permanenten Rochaden: Da agierte James mal als Sturmspitze, mal links, da ging Jackson Martínez mal ins Zentrum, dazu gab’s mit Armero und Zuñíga zwei forsche Außenverteidiger. Eine Augenweide.

Die Cafeteros bestätigten den Aufwärtstrend, der schon unter Hernán Dário Gomez begonnen wurde und José Néstor Pekerman, an sich ja ein ruhiges Gemüt, formte Kolumbien zu einer ähnlich aufregenden Mannschaft wie seine „Fabelhaften Peker-Boys“ aus Argentinien bei der WM 2006. Und das Schöne ist: Bis auf Kapitän Mario Yepes fällt in näherer Zukunft kein Stammspieler aus Altersgründen aus dem Team.

Kolumbien kann also als Ganzes noch besser werden. Und Falcao ist bald wieder zurück.

Chile: Ist diese Form konservierbar?

Nächsten Sommer findet in Chile die Cópa America statt. Die Roja hat dieses Turnier noch nie gewonnen und nach dem knappen und auch eigentlich nicht verdienten Achtelfinal-Aus gegen Brasilien versprach Arturo Vidal, dass sich das ändern wird. Die Vorzeichen sind gut: Die Mannschaft ist mit einem Schnitt von 26,5 Jahren noch relativ jung, alle haben die komplexen Taktik-Varianten von Teamchef Jorge Sampaoli verinnerlicht, und Vidal selbst war nicht mal voll fit.

Chile
Chile: Das mit Abstand aufregendste, was dieses WM-Turnier zu bieten hatte. Viel zu früh raus.

Und die Chilenen waren, wie schon vor vier Jahren unter Marcelo Bielsa, eine überaus geile Mannschaft. Sampaoli ist ein im positiven Sinne fußballerischer Geistesgestörter, ein Besessener, ein Freak. Und so spielen auch seine Teams. Wie einst das 3-1-4-2-Monster von La U, wie das 2-1-3-4-0-Gebilde, das Australien eine halbe Stunde lang verzweifeln ließ. Wie das Pressing-Ungetüm, das Xabi Alonso so sehr in den Wahnsinn trieb, dass dieser sich nach einer Halbzeit traumatisiert auswechseln ließ.

Und mit Eduardo Vargas hat man nun auch endlich einen Stürmer, der auch mal Tore macht, Alexis Sánchez in Top-Form bringt auch die nötige Direktheit mit. Marcelo Díaz auf der Sechs – neben Mena, Aranguiz und Silva einer von vier Stammkräften, die unter Sampaoli bei La U gespielt haben – ist die personifizierte Balance. Dazu ist Claudio Bravo ein exzellenter Torhüter.

Und wohlgemerkt: Im ganzen Kader gibt es nicht einen einzigen gelernten Innenverteidiger. Keinen.

Chile hat es absolut drauf, auf absehbare Zeit eine bestimmende Kraft in Südamerika und damit auch in der Welt zu werden bzw. zu bleiben. Wenn Pinilla gegen Brasilien in der 120. Minute nicht die Latte, sondern das Tor getroffen hätte, wer weiß, wie weit Chile gekommen wäre.

Eines ist nur klar: Kein Team bei dieser WM ist mit dem nackten Resultat – Aus im Achtelfinale – so massiv unter Wert geschlagen worden wie Chile. Jetzt muss nur noch die Form bis nächstes Jahr konserviert werden.

Uruguay: Wer folgt den alten Herren?

José Maria Giménez erspielte sich schon einen Stammplatz bei den Großen, Stürmer Nico López kommt bei Udinese regelmäßig zum Einsatz, Linksaußen Diego Laxalt bei Serie-A-Absteiger Bologna. Aber sonst? Keiner der Mannschaft aus Uruguay, die vor einem Jahr Vize-Weltmeister bei der U-20-WM wurde, ist auch nur in der Nähe eines Stammplatzes bei einem halbwegs vernünftigen Klub, geschweige denn in der Nähe der Nationalmannschaft. Das wird über kurz oder lang zum Problem werden.

Uruguay
Uruguay: Fast alles hing an Godín und Suárez. Folgt nun der Generationswechsel bei der Celeste?

Denn obwohl man sich alte Willenskraft zeigte und somit England und Italien in 50:50-Spielen nieder ringen konnte, bleibt nach dem WM-Turnier, das mit einer Demontage im Achtelfinale gegen Kolumbien endete, die Erkenntnis: Besser ist Uruguay nicht geworden. Noch mehr als zuletzt schon hängt praktisch alles an Luis Suárez vorne und Diego Godín hinten.

Der Rest ist, bei allem Respekt, braver Durchschnitt und es ist weit und breit niemand in Sicht, der etwa im Mittelfeld das Spiel an sich reißen könnte. Arévalo ist nicht der Typ dafür, Lodeiro ist ein seit Jahren steckengebliebenes Talent, Cavani ist im Trikot von PSG wesentlich gefährlicher.

Und dann wird auch noch der ganze Auftritt überschattet von Suárez ekelhafter Dummheit gegen Italien. Die folgende Sperre heißt, dass Suárez die Copa America nächstes Jahr verpasst. Das wird für Langzeit-Teamchef Tabárez die Nagelprobe werden. Noch ein weiteres Mal mit den alten Recken, aber ohne den besten Spieler versuchen, alles rauszuquetschen, oder im Wissen um die Chancenlosigkeit, um den Titel mitzuspielen, den Umbau starten?

Die Antwort darauf wird gleichzeitig die Antwort auf die Frage sein, ob sich Tabárez, 67 Jahre alt, den Generationswechsel noch antun will.

Ecuador: Wäre die Quali auch ohne Höhenlage gelungen?

Immerhin: Seine drei Tore (also alle, die Ecuador bei dieser WM schoss) brachten Enner Valencia einen Premier-League-Vertrag bei West Ham ein. Sehr viel mehr wird aber nicht bleiben. La Tri verlor zwar nur knapp gegen die Schweiz und rang Frankreich ein verdientes Remis ab, aber dennoch hinterließen die drei Spiele vor allem eines: Verwunderung ob des antiquierten Spielstils der auch nicht mehr ganz jungen Mannschaft.

Ecuador
Ecuador: Mit dem flachen 4-4-2 und Konzentration auf die Flügel war das reichlich antiquiert.

Neben Honduras kam nur noch Ecuador mit einem flachen 4-4-2 mit zwei defensiven Mittelfeld-Leuten in einem damit unterbesetzten Zentrum auf, das Spiel nach vorne passierte praktisch ausschließlich über die Flügelspieler Valencia und Montero. Sturmspitze Caicedo fiel in den ersten zwei Spielen nur durch seine Mähne auf, und im dritten nicht mal mehr das, weil er zwischendurch beim Friseur war.

Anders als Enner Valencia. Der Angreifer, der nur durch den plötzlichen Tod von Chicho Benítez vor einem Jahr in die Mannschaft gerutscht war, war beweglich, hatte Übersicht und war auch torgefährlich.

Inhaltlich aber hat sich Ecuador seit der WM 2006, als man mit einem flachen 4-4-2 souverän das Achtelfinale erreichte und dort eher unglücklich England unterlag, keinen Zentimeter weiterentwickelt. Das Team vor acht Jahren war auch individuell echt gut (mit Leuten wie Delgádo, Méndez, dazu Reasco und De la Cruz als AV). Dieses ist eher wieder eines wie 2002, das sich wegen der Höhenlage in den Quali-Heimspielen zur Endrunde gemogelt hat.

Natürlich: Mit Carlos Gruezo von Stuttgart gibt es ein Riesen-Talent im zentralen Mittelfeld. Aber der hat vor drei Jahren noch U-17-WM gespielt. Für eine tragende Rolle bei einer WM der Großen war’s noch ein wenig früh.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2015 in Chile

Die Brasilianer, die viel gutzumachen haben. Die Argentinier mit Messi, der so knapp dran war, aber nun immer noch keinen Nationalteam-Titel gewonnen hat. Der Offensiv-Wirbel der Kolumbianer. Und natürlich die positiv Verrückten von Gastgeber Chile. Nicht zu vergessen Titelverteidiger Uruguay, der zeigen muss, wie er sich selbst neu erfindet.

Die Copa America, die in einem Jahr stattfindet, ist von der Ausgangslage elf Monate davor die wohl spannendste seit Jahrzehnten, weil sie mehr ist als nur das programmierte Finale zwischen Brasilien und Argentinien, sondern  es gleich zwei Teams gibt, die mindestens auf Augenhöhe mit ihnen sind, wenn nicht sogar schon besser. Die Teams des südamerikanischen Kontinents rücken immer weiter zusammen. Eine Entwicklung, die nur gut sein kann.

Fünf der sechs CONMEBOL-Teams überstanden die Vorrunde, und es gab nur ein Team von außerhalb, das K.o.-Spiele gegen das Quintett gewinnen konnte (Deutschland). Anders gesagt: Hätte man sich nicht gegenseitig eliminiert, wäre die kollektive Stärke noch viel augenfälliger geworden. Andererseits hat es nun drei Turniere hintereinander keinen südamerikanischen Weltmeister gegeben – die längste Durststrecke der Geschichte. Weil die beiden Großen im entscheidenden Moment wieder Federn ließen und die Nachrücker halt doch noch nicht ganz so weit sind.

Noch.

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Juve findet die Räume, Chelsea kommt nicht zurecht: Di Matteo nach 0:3 raus! https://ballverliebt.eu/2012/11/20/juve-findet-die-raume-chelsea-kommt-nicht-zurecht-blues-nach-03-vorm-aus/ https://ballverliebt.eu/2012/11/20/juve-findet-die-raume-chelsea-kommt-nicht-zurecht-blues-nach-03-vorm-aus/#comments Tue, 20 Nov 2012 22:42:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8032 Juve findet die Räume, Chelsea kommt nicht zurecht: Di Matteo nach 0:3 raus! weiterlesen ]]> In den letzten anderthalb Jahren hat Juventus Turin nur ein einziges Serie-A-Spiel verloren. Und mit dem 3:0 gegen Chelsea hat man nun auch den Einzug ins CL-Achtelfinale in eigener Hand. Weil sich Blues-Trainer Di Matteo zwar etwas überlegte, um dem für englische Teams ungewohnten 3-5-2 von Juve zu begegnen. Das aber überhaupt nicht funktioniert hat.

Juventus – Chelsea 3:0 (1:0)

Juventus ist bekannt dafür, im gewohnten 3-5-2 die Flügelspieler extrem weit nach vorne zu schieben – das galt es für Chelsea-Coach Roberto di Matteo zu bedenken. Er begegnete dem, indem er Ashley Cole links (gegen Lichtsteiner) sehr hoch agieren ließ, dafür auf der anderen Seite mit Azpilicueta einen gelernten Außenverteidiger auf die rechte Mittelfeld-Position stellte und Ivanovic dafür Kwadwo Asamoah über weite Strecken in Manndeckung nahm.

So konnte sich Ivanovic aus der Position ziehen lassen, mit Azpilicueta war aber weiterhin eine Absicherung da. Das hatte allerdings zur Folge, dass die rechte Seite von Chelsea offensiv praktisch nicht stattfand. Letztlich funktionierte das 4-4-1-1 von Di Matteo aber nicht nur rechts, sondern als Ganzes überhaupt nicht.

Matas Positionierung gibt Juventus Raum

Juan Mata war nominell im linken Mittelfeld aufgestellt, agierte dort aber sehr hoch und vor allem rückte er immer wieder sehr weit ein, agierte quasi als zweiter Zehner neben Oscar. Somit brauchte sich Juves rechter Wing-Back, Stephan Lichtsteiner, überhaupt keine Gedanken um die Defensiv-Arbeit machen und konnte nach vorne marschieren, wie es ihm gerade lustig war. Mit Cole hatte er nur einen Gegenspieler (anstatt zwei, wie gegen ein 4-4-1-1 üblich) und in der Tat war Lichtsteiner eher Flügelstürmer.

Die zentrale Positionierung von Mata zwang Ramires, aus dem Zentrum nach außen abzukippen um Cole etwas zu helfen. Das wiederum machte aber in der Mitte die Räume für Arturo Vidal auf; zudem bewegten sich Quagliarella und vor allem Vucinic hervorragend zwischen den Linien. Juventus hatte das Spiel komplett unter Kontrolle und Chelsea lief, von vereinzelten Kontern, der Musik hinterher.

Oscar gegen Pirlo

Chelseas brasilianischer Jungstar Oscar – der letztes Jahr bei der U-20-WM mit seinen drei Toren im Finale international auf sich aufmerksam machte – war als hängende Spitze hinter Hazard aufgeboten und agierte dort gegen Andrea Pirlo. Wenn er mit seiner Schnelligkeit und seiner guten Technik gegen den Altmeister gehen konnte, hatte er auch gute Szenen, wie beim wegen Abseits nicht gegebenen Tor nach rund zehn Minuten. Über die Spielzeit aber hatte Pirlo klar die Oberhand. Wohl ein Mitgrund, weshalb es Mata immer weiter ins Zentrum zog.

Der klare Punktsieg von Pirlo gegen Oscar ist ein Spiegelbild für das ganze Spiel: Chelsea wirkte seltsam überhastet und verlor viele Bälle relativ billig schon im Spielaufbau, auch weil Juve hier guten Druck ausübte. Schnell war den Blues der Mut genommen, Anspiele schnell weiterzuleiten und nach vorne zu spielen, stattdessen wurde eher der Quer- und der Rückpass gesucht. Der italienische Meister hingegen spielte kam nach Ballgewinnen schnell und direkt in die Spitze. Die 1:0-Pausenführung war hochverdient.

Platz zwischen den Reihen

Nach dem Seitenwechsel bemühte sich Chelsea, aktiver und schneller nach vorne zu kommen. Das hieß, dass einer aus dem Mittelfeld-Duo Ramires/Mikel immer mehr aufrückte; die Innenverteidiger rückten aber nicht in ausreichendem Maße nach. Hatten sich die Juve-Stürmer schon davor oft geschickt zwischen den Reihen bewegt, wurde dort der Platz nun immer mehr und mit dem laufstarken Marchisio, dem sehr aktiven Vidal und den klugen Pässen von Pirlo war Juventus immer näher daran, selbst das Tor zu erzielen, als Chelsea, den Ausgelich zu machen.

So war es beinahe logisch, als das 2:0 nach einer Stunde genau deshalb fiel, weil eine Flanke von Asamoah – der nach der Auswechslung des defensiven Azpilicueta mit Moses nun einen offensiveren Gegenspieler und daher in dessen Rücken mehr Platz hatte – den Weg vor die Abwehr gefunden hat, wo Vidal an der Strafraumgrenze Platz ohne Ende hatte. Dass sein Schluss noch abgefälscht wurde, war für Chelsea Pech; aber über das 0:2 konnte sich Chelsea nicht beschweren.

Di Matteo gibt das Mittelfeld auf

In der Folge nahm Di Matteo Mikel aus dem Spiel und brachte Torres; Hazard spielte dafür nun einen offensiven Achter. Juventus reagierte darauf, indem man sich – logisch, mit dem 2:0 im Rücken – zurückzog, Chelsea kommen ließ und darauf lauerte, in das nun völlig entblößte Mittelfeld hinein Konter zu fahren.

So hatte Chelsea nun zwar viel vom Ball, aber konnte daraus wenig Nutzen ziehen. Der frisch gekommene Torres hatte es mit einer massierten Abwehr zu tun und konnte nie sein Tempo in die Waagschale werfen. Wie generell Chelsea das Spiel zu wenig breit machte und die Fünferkette von Juventus – Caceres (für Lichtsteiner) und Asamoah spielten nun natürlich 40 Meter weiter hinten als in der ersten Stunde – stand sicher.

Und in der Nachspielzeit gab es dann sogar durch einen Konter noch das 3:0 durch den eingewechselten Giovinco. Juventus fuhr also einen auch in der Höhe verdienten Sieg ein und braucht nun noch einen Punkt auswärts bei Shachtar Donetsk, wobei die Ukrainer schon für das Achtelfinale qualifiziert sind.

Fazit: Bei Chelsea stimmte wenig, bei Juve passt so gut wie alles

Ivanovic‘ Manndeckung für Asamoah mit der Absicherung von Azpilicueta, Coles hohe Positionierung gegen Lichtsteiner mit dem heraus rückenden David Luiz – Di Matteo hatte sich ganz deutlich etwas überlegt, wie er mit den offensiven Wing-Backs von Juventus umgehen will. Alleine, diese Maßnahmen fruchteten nicht und in der Zentrale wurde man vom perfekt eingespielten Juventus-Trio überrannt. Im Rücken des Mittelfelds gab es zu viele Räume, in denen sich Quagliarella und Vucinic mit ihren intelligenten Laufwegen austoben konnten.

Es hat also recht wenig gestimmt, beim Titelverteidiger. Auch verwunderlich, warum Di Matteo aus einer defensiven Grundhaltung heraus nicht Torres beginnen ließ, als es eher Räume gab – sondern ihn erst brachte, als sich Juventus zurück zog und der Spanier seine Stärken unmöglich ausspielen konnte.

Auf der anderen Seite hat Juventus gezeigt, warum man in der Serie A seit anderthalb Jahren de facto konkurrenzlos ist und, sofern der Punkt in Donetsk noch geholt wird, sicherlich auch im weiteren Verlauf dieser Champions-League-Saison in Team ist, gegen das sicher keiner spielen will. Die Abwehr steht sicher, die Wing-Backs sorgen für ordentlich Betrieb, das Mittelfeld ist routiniert, laufstark und ballsicher – und die Stürmer bewegen sich zwischen den Reihen, dass es für den Gegner ein Horror ist.

Womit die Turiner eigentlich alle Klischees, die man über italienische Mannschaften so hat, widerlegt.

(phe)

UPDATE: Am Tag nach diesem Spiel hat Chelsea Roberto di Matteo entlassen.

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Copa, VF 3/4: Chile und Brasilien eliminieren sich selbst https://ballverliebt.eu/2011/07/19/copa-vf-34-chile-und-brasilien-eliminieren-sich-selbst/ https://ballverliebt.eu/2011/07/19/copa-vf-34-chile-und-brasilien-eliminieren-sich-selbst/#comments Tue, 19 Jul 2011 11:25:36 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5359 Copa, VF 3/4: Chile und Brasilien eliminieren sich selbst weiterlesen ]]> Beobachter hatten nach dem ersten, überraschend verlaufenen Viertelfinal-Tag schon gewitzelt: „Wenn’s normal läuft, gibt’s ein Semifinale Paraguay gegen Venezuela!“ Und siehe da: genau so kam es auch. Weil Brasilien wieder nicht in der Lage war eine wenig aufregende Mannschaft aus Paraguay zu knacken. Und weil Chile gegen Venezuela aus der drückenden Überlegenheit zu wenig machte.

Paraguay - Brasilien 0:0 n.V., 2:0 i.E.

Der Modus macht’s möglich – wie schon in der Gruppenphase treffen Brasilien und Paraguay gleich in der ersten K.o.-Runde aufeinander. Und wieder schaffte es die Seleção nicht, den Außenseiter zu biegen – obwohl Paraguay wie schon gegen Venezuela nicht gerade viel Flair anbieten konnte.

Dafür eine konsequente Defensive. Teamchef Gerardo Martino brachte statt des offensiv etwas stärkeren Nestor Ortigoza im Zentrum Victor Cáceres, der sich explizit um Ganso kümmerte. Auch auf den Flügeln, wo üblicherweise das Spiel der Paraguayer aufgezogen wird, hatten die Spieler vornehmlich defensive Aufgabe – nämlich jene, die Außenverteidiger bzw. die Außenstürmer zu stoppen.

In den alten Trott

Was zur Folge hatte, dass das brasilianische Spiel ziemlich in den alten Trott verfiel: Wenig Breite über die Außenverteidiger, viel Platz zwischen Defensive und Offensive und ein Offensiv-Quartett, dass nicht gut harmonierte, wenn der Ball doch einmal vorne war. Besonders enttäuschend war in dieser Phase Maicon: War er gegen Ecuador noch eine dramtische Verbesserung gegenüber Dani Alves, kam hier wiederum nichts wirklich nennenswertes von ihm.

Andererseits aber zeigte Marcelo Estigarribia, der zwei so tolle Spiele zum Auftakt gemacht hatte, wie schon in seinem letzten Gruppenspiel nach vorne praktisch gar nichts. Auf der anderen Seite ist Vera (der wieder statt Barreto spielte) ohnehin mehr auf der defensiven Seite daheim. So hatte Paraguay das Spiel defensiv zwar gut im Griff und man ließ Brasilien wenig Zeit am Ball und somit kaum Gelegenheit, sich wirklich zu entfalten, aber selbst konnte man auch kaum Torgefahr erzeugen. Ein torloses Remis zur Halbzeit war die logische Folge.

Maicon wacht auf

Nach dem Seitenwechsel sah man endlich wieder mehr von Maicon. Von Estigarribia war nichts zu befürchten, und so traute sich Maicon wieder mehr nach vorne, was dem Spiel seiner Mannschaft extrem gut tat. Brasilien schaffte es nun, den Ball kontrolliert in die gegnersiche Hälfte zu bringen und sich dort festzusetzen. Das war zwar immer noch nicht annähernd so gut wie gegen Ecuador, aber immerhin eine deutliche Verbesserung gegenüber der ersten Halbzeit.

Nach einer Stunde reagierte Martino und brachte mit dem genesene Barreto statt Vera die offensivere Variante auf dem rechten Flügel – wenn schon von Estigarribia auf links nichts kam. Der Effekt allerdings hielt sich eher in Grenzen, weil auch Barreto eher gegen André Santos spielte als umgekehrt. In der zweiten Hälfte zog die Seleção deutlich an der Daumenschraube und hätte auch genug Chancen gehabt, die verdiente Führung zu erzielen. Torhüter Villar hatte etwas dagegen.

Ball kommt nicht in die Spitze

Das Problem bei Paraguay blieb, den Ball in die Spitze zu Valdez und Barrios zu bekommen. Zwar spielte Valdez zumeist in einer eher hängenden Position, letztlich aber doch zu hoch, um aus dem tief stehenden Mittelfeld und von den wirkungslosen Außen bedient zu werden. So nahm Gerardo Martino den in der Luft hängenden Barrios vom Platz und brachte Hernán Pérez, der zentral hinter Valdez ein Mittelding aus Zehner und hängender Spitze gab.

Das nahm zwar Lucas Leiva wiederum etwas aus der Rechnung, sorgte aber nicht dafür, dass Paraguay besser nach vorne spielte. Wirklich geholfen hat auf der anderen Seite auch der Schritt, den bulligen Fred in die Spitze zu stellen und Pato statt des ausgewechselten Neymar (der wiederum haupsächlich durch seine lächerliche Frisur, und nicht durch sein Spiel auffiel) auf den Flügel zu stellen. So ging es in die Verlängerung.

Zwei Mann weniger, gegenseitige Blockade

Dort setzte sich das Spiel – das zudem von einer Peinlichkeit von erbärmlich schlechtem Rasen zusätzlich gehandicapt war – der zweite Halbzeit fort, ehe mit Lucas Leiva und Antolín Alcaraz zwei Spieler aus der Premier League (Liverpool bzw. Wigan) nach einer Rauferei ihre jeweiligen Teams um einen Mann dezimierten. Die gegenseitige Blockade wurde davon allerdings eher verschärft, zumal mit Lucas Silva und Elano (statt Ganso und Pato) bei Brasilien auch eher zentrale Spieler kamen.

Bei Paraguay ging man auf ein 4-4-1, indem Edgar Barreto vom rechtn Mittelfeld nach hinten rückte und von dort Dario Verón auf die frei gewordene Position von Alcaraz in der Zentrale. Paraguay wusste nun endgültig, dass man in diesem Spiel kein Tor mehr erzielen würde und drehte an der Zeit, Brasilien kam auch in der restlichen Spielzeit nicht zum Zug – und so musste es ins Elfmeterschießen gehen

Wo die Brasilianer zum Teil am fürchterlichen Untergrund scheiterten, denn ganze Rasenstücke im mit tonnenweise Sand bearbeiteten Geläuf bei den Strafstößen herausgerissen. Aber während nach Elano (der den Ball gefühlte fünf Meter über das Tor hob) auch Thiago Silva, André Santos und Fred nicht in der Lage waren, sich darauf einzustellen, reagierte Paraguay richtig: Estigarribia und Riveros chipten den Ball nur leicht in die Mitte und verzichteten auf Härte. Was das richtige Rezept war.

Fazit: Aufregend war’s nicht…

War die Verlängerung vom Spiel Argentiniens gegen Urguay noch wegen des Siegeswillens beider Teams durchaus sehenswert, waren das 120 eher mühsame Minuten. Paraguay machte nicht wirklich Anstalten, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und beschränkte sich darauf, eine ohnehin nicht übertrieben gut geölte brasilianische Mannschaft in Schach zu halten.

Der Seleçãao gelang es wieder einmal nicht, für die nötige Breite zu sorgen und auch das Loch zwischen Ramires und dem Offensiv-Quartett ist in weiten Phasen wieder beängstigend groß gewesen. So passt es ins Bild, dass es dieses nicht funktionierende schafft sogar alle vier Elfmeter im Shoot-Out zu verballern.

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Chile war in einem von defensiver Disziplin geprägten Turnier die mit Abstand attraktivste Mannschaft. Doch weil erst Teamchef Borghi die erste Halbzeit verschenkte und dann sein Team ein Füllhorn an Möglichkeiten, reichten Venezuela zwei Freistöße zum äußerst glücklichen 2:1-Sieg…

Venezuela - Chile 2:1

Marcelo Bielsa interpretierte als chilenischer Teamchef sein 3-4-3 immer, es gab bei ihm – egal gegen wen – nur einen Sechser. Dass Claudio Borghi in der Herangehensweise an eine Partie da etwas vorsichtiger zu Werke geht, ist bekannt. Gegen Venezuela hat er es aber ein wenig übertrieben: Mit Carmona und Medel stellte er gleich zwei Sechser auf, und das bei einem Kontrahenten, von dem klar war: Der wird nicht stürmen, sondern tief stehen und abwarten.

Ein verschenkter Mann

So kam es dann auch: Die Venezuelaner spielten in den Gruppenspielen, in denen sie der Außenseiter waren – also gegen Brasilien und Paraguay defensiv und nahmen nur gegen die biederen Ecuadorianer das Heft selbst in die Hand. Chile ist nun alles andere als bieder, und so reihten sich die beiden Viererketten, die Teamchef Farias in gewohnter Besetzung auflaufen ließ, auch dementsprechend tief ein.

Was für das 3-4-1-2 von Borghi bedeutete: Einer seiner beiden Sechser war verschenkt. Mit den beiden Offensiven im venezolanischen Team, diesmal Fedor und Maldonado, wäre die Dreierkette mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler ebenso spielend zurecht gekommen. Angesichts der (zumindest) acht gegnerischen Mann zwischen dem Duo Medel/Carmona und dem venezolanischen Tor war es für Chile schwierig, den Ball sinnvoll nach vorne zu bringen.

Flügel ausgeschaltet

Was auch daran lag, dass die gut nach hinten arbeitenden Flügel-Duos bei Venezuela ihren jeweiligen, auf sich alleine gestellten Gegenspieler (Isla bzw. Vidal) gut im Griff hatte. Jimenez im Zentrum kam alleine gegen die vielbeinige Abwehr kaum durch. Womit Chle immer mehr auf lange Bälle zurück griff – für die körperlich eher kleingewachsene Albiroje gegen die Kanten in der venezolanischen Abwehr kein taugliches Mittel.

Der Außenseiter hatte das Spiel defensiv also relativ komfortabel im Griff, kam aber selbst kaum einmal zu echten Gegenstöen. Claudio Bravo im chilenischen Tor sah vor der Pause im Grunde nur einen einzigen Ball auf sein Tor zusegeln – und der war auch prompt drin. Venezuelas Abwehrhüne Vizcarrondo verwertete einen Freistoß zur überraschenden Führung. Eigentlich logisch, dass es nur ein Standard sein konnte.

Mit Valdivia kommt wieder Schwung

Wie schon bei der Weltklasse-Partie gegen Uruguay kam ins chilenische Spiel so richtig Schwung, als Jorge Valdivia in die Partie kam, Teamchef Borghi beließ mit Carmona einen seiner defensiven Mittelfeldspieler in der Kabine. Jiménez wich ging nun nach links und Vidal verstärkte zusätzlich das Zentrum. Die Folge war ähnlicher Rambazamba-Fußball wie gegen Uruguay.

Venezuela hatte nicht im Ansatz die Mittel, sich wirklich des unglaublichen Angriffswirbels zu erwehren, den das Team aus Chile nun über sie hereinbrechen ließ. Lediglich Torhüter Renny Vega verhinderte mit einigen starken Aktionenen den Ausgleich, auch das Torgestänge musste herhalten. Aber wie so oft bei Chile: Der Ertrag stimmte mit dem Gezeigten überhaupt nicht überein. Alleine zwischen Halbzeit und dem letztlich überfälligen Ausgleich von Suazo in Minute 69 hätte man eigentlich vier bis fünf Tore schießen müssen.

So kommt, was kommen musste…

Venezuela hatte also mächtig Glück, dass es mit einem 1:1 in die Schlussphase ging und nicht mit jenem aussichtslosen Rückstand, den man sich aufgrund der zweiten Hälfte eigentlich verdient gehabt hätte. Und die mangelhafte Torausbeute der Chilenen sollte sich rächen – weil zehn Minuten vor Schluss ein zweite Freistoß in den Strafraum flog, Torhüter Bravo nur kurz klären konnte und Cichero zum sensationellen 2:1 verwertete.

Wenn das nicht schon der Todesstoß für Venezuela war – im direkten Gegenzug gab es eine weitere hundertprozentige Torchance – dann war es nach der gelb-roten Karte für Gary Medel endgültig vorbei. In den letzten Minuten verzichtete Chile darauf, die Planstelle auf der Sechs nachzubesetzen. Natürlich, es brauchte den Ausgleich, aber so kam Venezuela in dieser Phase noch zu einigen Kontern. Den Ausgleich fing sich Venezuela nicht mehr – dafür eine unglaublich dämliche rote Karte: Der vorbelastete Tomas Rincón verpasste einem Gegenspieler am Mittelkreis (!) eine Kopfnuss.

So ist Venezuela zwar im Halbfinale. Muss dort aber ohne den wichtigsten Mann im defensiven Mittelfeld auskommen.

Fazit: Eigentlich eine Schande

Dass die Kolumbianer als Favorit gegen Peru geflogen sind, durfte noch mit einem Schulterzucken quittiert werden. Dass die Großmächte Argentinien und Brasilien es im ganzen Turnier kaum gebacken bekamen und letztlich scheiterten, war bis zu einem gewissen Grad folgerichtig.

Aber dass nun die wahrscheinlich beste und mit Sicherheit attraktivste Mannschaft des von defensiver Disziplin geprägten Turniers nun auch die Koffer packen muss, ist eigentlich eine Schande. Chile hat sich das Aus aber selbst zuzuschreiben: Es waren mehr als genug Chancen da, um Venezuela mit einer demütigend hohen Niederlagen aus dem Turnier zu kegeln.

Hatte die letzte große chilenische Mannschaft Ende der 90er-Jahre bis auf ein Weltklasse-Sturmduo (Salas und Zamorano) kaum etwas zu bieten, ist es bei der aktuellen genau umgekehrt: Im Spiel nach vorne ist Chile derzeit das weltweite Nonplusultra. Aber es gibt niemanden, die die Unzahl an Chancen auch in Zählbares ummünzen könnte.

So reichten dem Team aus Venezuela zwei ordinäre Standardsituationen zum überraschenden Semifinal-Einzug.

(phe)

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Copa, Tag 4: Ein Chile ohne Marcelo Bielsa ist… anders https://ballverliebt.eu/2011/07/05/copa-tag-4-ein-chile-ohne-marcelo-bielsa-ist-anders/ https://ballverliebt.eu/2011/07/05/copa-tag-4-ein-chile-ohne-marcelo-bielsa-ist-anders/#respond Tue, 05 Jul 2011 03:14:36 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5117 Copa, Tag 4: Ein Chile ohne Marcelo Bielsa ist… anders weiterlesen ]]> Des Offensiv-Power-Trios mit Suárez, Forlán und Cavani zum Trotz – auch Uruguay gewann mit dem 1:1 gegen Peru den Auftakt nicht. Viel interessanter war aber der Auftritt von Chile! Denn es war das erste große Spiel nach dem Abgang von „El Loco“ Marcelo Bielsa. Und einiges ist unter Nachfolger Claudio Boghi anders.

Chile - Mexiko 2:1

Unter Marcelo Bielsa war das chilenische Team einer der begeisternden Farbtupfer einer von defensiver Organisation geprägten WM in Südafrika: Bedingungslose Offensive in einem extrem flexiblen 3-4-3 mit konsequentem Flügelspiel. Gerade letzteres hat Alexis Sánchez zum Durchbruch verholfen und nach einer Weltklasse-Saison mit Udinese schlüpft er kommende Saison wohl ins Barcelona-Trikot.

Unter Bielsas Nachfolger Claudio Borghi – „El Loco“ ist im Streit mit dem Verband gegangen – ist zwar das Personal dasselbe wie vor einem Jahr, aber die Spielweise unterscheidet sich schon deutlich. Borghi stellt sein Team in einem 3-4-1-2 auf, in dem vor allem eines keinerlei Rolle spielt: Angriffe über die Flügel. Weil Alexis Sánchez nominell zweiter Stürmer neben Humberto Suazo ist; Isla und Beasejour aber verhältnismäßig tief stehen und somit nicht allzu viel nach vorne bringen.

Was macht Sánchez?

Auffallend war im Spiel gegen die mexinanische Olympia-Auswahl (die von Luis Fernando Tena, dem Co-Trainer von Teamchef De la Torre betreut wird) vor allem die äußerst unklare Rolle von Sánchez. Er ließ sich oft auf den Flügel fallen, weil er dort einfach mehr daheim ist als im Sturmzentrum, oder ging zurück ins Mittelfeld um Vidal und Fernández zu unterstützen. So versuchte Sánchez alles ein bisschen zu machen, und schaffte aber nichts so richtig.

Der zentrale Mann im Spiel nach vorne war aber ganz eindeutig Matí Fernández. Über ihn liefen fast alle Angriffe der geduldig mit viel Ballbesitz auf die Lücke im dichten mexikanischen Abwehrverbund wartenden Chilenen (auch etwas, was es unter Bielsa in der Form nicht gab). Was natürlich zur Folge hatte, dass sich alles sehr auf das Zentrum konzentrierte und die Flügel vernachlässigt wurden.

Trotzdem genug Chancen

Nicht falsch verstehen: Chile war der mexikanischen Olympia-Auswahl dennoch haushoch überlegen und hatte genug Chancen, um schon vor der Pause alles entscheiden zu können. Doch eines hat sich seit der WM nicht geändert: Chile fehlt es einfach ein einem Spieler, der diese Unzahl von Chancen auch verwertet. Genau aus diesem Grund musste das Team in Südafrika auch bis zum Schluss um den Achtelfinal-Einzug zittern.

Und wie es so oft ist: Die mexikanische No-Name-Truppe, in der mit Giovani dos Santos nur ein einziger namhafter Spieler vertreten ist, ging mit der ersten wirklich gelungenen Aktion kurz vor der Pause wie aus heiterem Himmel zum Führungstreffer. Eine weite Flanke von Giovani wurde nicht konsequent genug verteidigt und der aufgerückte Araujo hob die Kugel per Kopfball über Goalie Bravo hinweg ins Tor.

Wechsel bringt Besserung

Auch nach dem Seitenwechsel krankte das chilenische Spiel vor allem am Mangel an Breite. Sánchez tauchte weiterhin überall auf, Isla alleine konnte die rechte Seite nicht ausreichend bedienen, Jean Beasejour links schloss nahtlos seine enttäuschende Saison bei Birmingham an. Erst Borghis Wechsel nach einer Stunde behob einige Schwächen in der Raumaufteilung.

Er nahm den schwachen Beausejour vom Platz, brachte dafür mit Estebán Paredes einen echten Stürmer, der sich neben Suazo gesellte. Dafür ging Sánchez zurück ins zentrale Mittelfeld auf die Position, die zuvor Tausendsassa Vidal eingenommen hatte, Letzterer besetzte ab sofort die linke Seite. Und plötzlich passte es: Sánchez hatte als Spiellenker hinter Fernández endlich eine klare Rolle, vorne gab es nun permanent zwei Anspielstationen, und die linke Seite war gewinnbringend besetzt. Was folgte, war die stärkste Phase der Chilenen.

Ecken drehen das Spiel

Die allerdings zwei Eckbälle brauchten, um das Spiel innerhalb weniger Minuten zu ihren Gunsten zu drehen – erst stocherte Paredes einen Schuss von Contreras über die linke, dann wuchtete Vidal einen Kopfball zum 2:1 in die Maschen. Wenig ließ in der Folge erwarten, dass die jungen Mexikaner noch einmal ins Spiel zurück kommen sollten.

In der Schlussphase machte Borghi aber wiederum etwas, was es unter Bielsa nicht gab: Er nahm mit Matí Fernández seinen Zehner raus und brachte mit Carlos Carmona einen zweiten Sechser neben Medel. Einen Spielstand zu verwalten gehört aber nicht zu den Stärken dieses chilenischen Teams, das in der Schlussphase auch prompt doch noch einmal richtig zittern musste. Doch die Mexikaner konnten ihre zwei Top-Chancen in der Nachspielzeit auch nicht mehr nützen.

Fazit: Chile ohne Bielsa ist eben Chile ohne Bielsa

Die Stärken und Schwächen dieser Mannschaft haben sich in den letzten zwölft Monaten nicht verändert – wie auch, schließlich waren alle elf Spieler aus dieser Partie auch bei der WM in der Stammformation. Geändert hat sich allerdings, wie diese Mannschaft von der Trainerbank aus gelenkt wird: Viel durch die Mitte, kaum Flügelspiel, abwartenderes und ballbesitzorientieres Spiel als unter Bielsa, und vor allem gab es mit Sánchez einen Spieler, bei dem eine Stunde lang nicht klar war, das den nun seine Kernaufgabe sein soll.

Natürlich, diese Mannschaft aus Chile machte von allen zwölf Teilnehmern im ersten Durchgang dennoch den klar besten Eindruck, und wäre die Chancenverwertung nicht ebenso bescheiden wie in Südafrika, wäre die mexikanische De-facto-U21 deutlich höher geschlagen worden. Aber es ist augenscheinlich, dass es „El Loco“ deutlich besser verstand als Nachfolger Borghi, wie die Stärken dieses Kaders am besten zur Geltung kommen.

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Pizarro verletzt, Farfán verletzt, dazu mit Juan Vargas der dritte Star von Peru nur fit genug für die Bank – und das bei jenem Team, das zuletzt das schlechteste in der WM-Quali von Südamerika war, auf der einen Seite. Auf der anderen die lateinamerikanische Verion von Napoli…

Uruguay - Peru 1:1

Denn nicht nur die Farbe, in der Uruguay antritt, ist ebenso in hellblau gehalten wie die bei Napoli. Nein, auch die Spielweise ähnelt jener des Dritten der abgelaufenen Saison in der Serie A, bei dem Edinson Cavani eine sensationelle Saison spielte, durchaus: Hinten sicher stehen, das Zentrum zumachen, und vorne drei tolle Individualisten, die nicht an eine Position gebunden sind, sondern machen können was sie wollen – unterstützt von den Flügelspielern, die für die nötige Breite sorgen sollen.

Bei Uruguay heißen die drei Star-Spieler in der Spitze eben Cavani, Forlán und Suárez, aber ihr Zusammespiel haperte ziemlich. Zwar bekamen die drei vom Gegner viel Platz zwischen den Reihen serviert, in denen sie sich ausbreiten und ihre Positionen wild tauschen konnten, aber ihr Passspiel war nachlässig, ja beinahe überheblich, und es war letztlich doch immer ein peruanisches Bein dazwischen, dass einen allzu lässigen Pass abfangen konnte.

Flügel dicht

Die Peruaner wussten, dass sie es mit der Klasse des Uru-Trios ganz vorne nicht aufnehmen konnten, und konzentrierten sich darauf, es der Celeste so schwer wie möglich zu machen, die drei mit leicht zu verarbeitenden Bällen zu versorgen. So übten Cruzado und Guevara Druck auf Diego Pérez und vor allem Nico Lodeiro aus. Und, noch viel wichtiger: Die Außenstürmer im perunaischen 4-3-3, Advincula und Yotun, standen sehr hoch und beschäfrigten die uruguayanischen Flügel.

So konnten Maxi Pereira und (vor allem) Martín Cáceres nicht für die dringend benötigte Breite sorgen. Das aufs Zentrum reduzierte Angriffsspiel von Uruguay beschränkte sich somit immer mehr auf lange Bälle auf das Angriffs-Trio, am ehesten zog sich Cavani ins Mittelfeld zurück, um sich die Bälle zu holen.

Rückstand schockt Uruguay nicht

Dass diese Marschroute richtig war, wurde spätetestens klar, als nach einem Eckball für Uruguay ein Pass aus der peruanischen Verteidigung den aus der eigenen Hälfte startenden Paolo Guerrero fand, der noch Uru-Goalie Muslera ausspielte und zum 1:0 einschob. Das peruanische Zentrum zog sich daraufhin etwas zurück und machte den Platz für das Angriffstrio der Celeste noch enger.

In der Phase vor der Pause gelang es jedoch Maxi Pereira immer besser dem international unerfahrenen Yotun öfter hinter sich zu lassen und zumindest über seine rechte Seite das Spiel in den Griff zu bekommen. Peru bekam so hinten mehr zu tun, und aus einer Unachtsamkeit heraus konnte Suárez von Forlán kurz vor der Halbzeit doch noch freigespielt werden und das 1:1 erzielen.

Tabarez reagiert, Makarián zieht nach

In den Anfangsminuten des zweiten Spielabschnitts drückte die Celeste auf den Führungstreffer. Forlán ließ sich nun zentral etwas weiter zurückfallen und war so für Lodeiro leichter anzuspielen, zudem rückte die ganze Verteidigungslinie im Ballbesitz deutlich weiter auf als zuvor. Peru hatte damit sichtlich Probleme und alle Hände voll zu tun, um nicht nach dem Ausgleich auch den Rüstand hinnehmen zu müssen.

Perus Teamchef Serio Makarián reagierte nach einer Stunde und brachte seinen letzten verbliebenen Star, Juan Vargas von der Fiorentina, doch noch – Yotun, der mit Pereira immer größere Probleme bekam, verließ das Feld. Zudem kam statt Guevara mit Carlos Lobatón ein neuer Bewacher für Lodeiro. Beide Wechsel zeigten enorme Wirkung: Lodeiro war nun vom wiederum deutlich weiter vorne stehenden Forlán abgeschnitten, und Maxi Pereira stolperte gegen Vargas von einer Verlegenheit in die Nächste

Peru bleibt zielstrebiger

Die Pässe bei Uruguay, vor allem in der Offensive, blieben über die ganze Spielzeit ungenau und ließen eine konstante Angriffsleistung nicht zu. Der Celeste fehlte es an der Kompaktheit und mitunter sah das Team einfach schlecht aufeinander abgestimmt aus; weniger in der Defensive, aber in der Distribution nach vorne und im Aufbau von Angriffen.

Ganz anders die erstaunlichen Peruaner, die in der Schlussphase mit einem Kopfball von Guerrero (natürlich nach Flanke von Vargas) sogar noch die Riesenchance auf den Siegtreffer hatten. Die Roten agierten viel zielstrebiger im Spiel nach vorne und der Punkt, den die für das letztlich kaum noch gefährdete 1:1 mitnahmen, ist hochverdient.

Fazit: Der nächste Underdog mit funktionierendem Plan

Man muss sich die Frage stellen, wie es möglich ist, dass die Mannschaft von Peru in den letzten Jahren ein so jämmerliches Bild abgegeben hat. Mit Pizarro und Farfán fehlen zwei der drei besten Spieler, mit Vargas ist der dritte nur eine halbe Stunde dabei, und dennoch hatte die Mannschaft den WM-Vierten am Rande der Niederlage. Gute Organisation, konsequentes Dichtmachen der gegenrischen Flügel und geradliniges Spiel nach vorne waren die Zutaten zu einer sehr respektablen Leistung.

Aber was war mit Uruguay los? Die Celeste enttäuschte wie schon die Mitfavoriten Brasilien und Argentinien zum Auftakt; das Weltklasse-Angriffstrio konnte seine Gefährlichkeit nur andeuten. Zu wenig Zug zum Tor und vor allem viel zu schlampiges Passspiel machten es der guten peruanischen Defensive nicht allzu schwer, Uruguay bei nur einem Tor zu halten. Auch für das Team von Oscar Tabárez gilt: Das muss noch besser werden!

(phe)

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