Stuttgart – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 18 Dec 2012 00:37:09 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Auf Wiedersehen, Råsunda https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/ https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/#comments Fri, 23 Nov 2012 01:21:26 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8041 Auf Wiedersehen, Råsunda weiterlesen ]]> Ein dezenter, gelber Kranz mit schwarzen Bändern war es, der vor dem Match am Mittelkreis platziert wurde. „Vila i frid“, stand darauf geschrieben, „Ruhe in Frieden“. Eine Schweigeminute folgte. Dann ein riesiges Feuerwerk und eine gigantische Choreo. Die Bildnisse von sechs Herren in gesetzterem Alter ragten auf dem Oberrang, darunter ein 60 Meter langes Spruchband: „Legenden des Råsunda – für alle Zeit unsterblich“.

Auf dem Unterrang: In großen Lettern „AIK“, dem Heimatverein des altehrwürdigen schwedischen Nationalstadions. Alternierend mit der Zahl 1937. Dem Jahr, in dem die Arena eingeweiht wurde. Jene Arena, für die nun endgültig der letzte Vorhang gefallen ist.

Am Ende gab es ein Pfeifkonzert. Weil Edinson Cavani in Minute 93 seinen Elfmeter sicher in das aus sicher Sicht linke Eck geschoben hatte. Torhüter Turina war in die andere Richtung geflogen. Das 2:1, der Sieg für Napoli in diesem Europa-League-Spiel. Nicht einmal ein verdienter Punkt gegen das B-Team von Napoli war dem Stockholmer Traditionsklub AIK vergönnt, weil Verteidiger Niklas Backman den Torschützen recht plump im eigenen Strafraum umgehackt hätte.

AIK – Napoli 1:2

Es war ein Spiel, an das man sich nicht lange erinnern müsste. Die Gäste aus Italien verzichteten auf Stammspieler wie Cannavaro, De Sanctis, Campagnaro und Maggio; Hamsik, Zuñíga und Inler kamen erst im Laufe des Spiels. Wirklich interessiert schien die Truppe lange eher nicht.

Die Gastgeber traten in einem typisch schwedischen 4-4-2 auf, die Phantasie im Spiel nach vorne war enden wollend, einige der langen Bälle nach vorne dafür nicht. Immerhin, vom Rückstand ließ man sich nicht schocken, ein langer Flankenball von Lundberg fand den Kopf von Daníelsson, das 1:1. Im Gegensatz zum pathetischen Vorlauf ein Spiel von überschaubarer Qualität und eher begrenztem Unterhaltungswert.

Dabei hat dieses Stadion viel erlebt.

„Heja Sverige“ und die Geburtsstunde des Mythos namens Pelé

1958 etwa fand in Schweden die Weltmeisterschaft statt. An diese erinnert man sich in Deutschland eher ungern. Weil sich der amtierende Weltmeister völlig aus dem Konzept bringen ließ. Von Zuschauern, die das Heimteam lautstark mit Sprech-Chören anfeuerten! Eine Unerhörtheit, entfuhr es den Deutschen. Nachdem sie, komplett entnervt von den ständigen „Heja Sverige“-Rufen von den Rängen des Ullevi von Göteborg ihr Semifinale gegen den WM-Gastgeber 1:3 in den Sand gesetzt hatten.

Schweden – Brasilien 2:5 (1:2)

Weltmeister wurde Schweden damals aber nicht. Weil man im Finale im Råsunda mit 2:5 gegen Brasilien verlor. Jenes Team, in dem ein 17-Jähriger aufgeigte, der die Welt erstmals verzückte: Pelé! Sein Tor zum 3:1 nach einer Stunde war die Vorentscheidung, sein 5:2 in der Nachspielzeit war der Schlusspunkt.

Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass Schweden damals nicht zufällig und nicht nur wegen der ungewohnt heißblütigen Zuschauer ins Finale gekommen war. Spielmacher Gunnar Gren war schon ein Jahrzehnt Legionär für Milan und die Fiorentina in Italien; Nils Liedholm war ebenso bei den Rossoneri aktiv und wird dort noch heute als Klub-Legende verehrt. Auch Kurre Hamrin war schon zwei Jahre in Italien, er sollte dort noch weitere 13 Saisonen bleiben. Nacka Sköglund? Seit acht Jahren bei Inter Mailand. Und auch Orvar Bergmark sollte es später noch an den Stiefel verschlagen.

Eine Weltklasse-Truppe also – es sollte 35 Jahre dauern, bis das Trekronor-Team wieder in solche Sphären vorstieß.

Auch bei Heim-EM stark

Und zwar anlässlich der Europameisterschaft 1992 im eigenen Land. Jenes Turnier, das vor allem wegen Überraschungs-Sieger Dänemark in Erinnerung blieb. Für Schweden aber auch ein großer Erfolg war. Dem Halbfinal-Aus im Råsunda gegen Deutschland zum Trotz

Schweden – Deutschland 2:3 (0:1)

In einem Turnier, das von großer spielerischer Vorsicht und noch größerer Langeweile auf dem grünen Rasen geprägt war, ragt dieses Spiel – das wohl größte in der Karriere von Thomas Häßler – heraus. Schweden kämpfte tapfer, aber letztlich war gegen den amtierenden Weltmeister und den kleinen Berliner kein Kraut gewachsen.

Was aber nichts daran änderte, dass diese Mannschaft praktisch in selber Besetzung zwei Jahre später ihren größten Erfolg in der jüngeren Vergangenheit schaffte: Platz drei bei der WM in den Vereinigten Staaten. Mit dem umsichtigen Jonas Thern als Sechser, mit Parma-Stürmerstar Thomas Brolin. Mit Kennet Andersson, der danach ebenso in die Serie A ging. Mit Martin Dahlin, dem dunkelhäutigen Angreifer, der bei Borussia M’gladbach seine größte Zeit hatte. Mit Roland Nilsson, gestählt in Jahren in Englands höchster Liga.

Und natürlich mit Torwart-Dauerbrenner Thomas Ravelli, mit 143 Einsätzen der Rekord-Nationalspieler, der selbst dann noch im Tor stand, als er schon aussah wie Mitte 60.

[VIDEOS: Highlights der ersten Hälfte von Schweden-Deutschland und die der zweiten]

Schweden – Österreich 0:1 (0:1)

Der Anfang vom Ende der starken 90er-Jahre-Generation kam dann aber ebenso im Råsunda. Am 9. Oktober 1996 war es, als sich Andi Herzog im ÖFB-Teamdress durchtankte und das Tor zum 1:0-Endstand herstellte. Für Österreich der Startschuss zur erfolgreichen Qualifikation für die WM in Frankreich, für das Trekronor-Team der entscheidende Rückstand, dem man bis zum 0:1 ein Jahr später in Wien hinterher lief.

Die WM 1998 verpasste man also ebenso wie die Euro96. Schweden hatte aber das Glück, dass mit Henke Larsson, Freddie Ljungberg und später natürlich auch Zlatan Ibrahimovic die nächste starke Generation sofort nach kam. Von 2000 bis 2008 verpasste man kein einziges großes Turnier. Und die wichtigen Heimspiele in der Qualifikation wurde immer im alten Råsunda ausgetragen.

Alt und charmant

Es ist alles ein wenig eng im Råsunda

Dass es sich bei dem im Stadtteil Solna im Westen Stockholms gelegenen Stadion, in das etwas mehr als 30.000 Leute reinpassen, nicht gerade um eine moderne Fußball-Arena handelte, wurde einem an jeder Ecke des Baus klar. Vielleicht noch nicht so sehr an der Haupttribünen-Seite, wo bis vor Kurzem auch der schwedische Verband seinen Hauptsitz hatte. Aber innen drin. Dort ist alles recht beengt, es wirkt alles zuweilen etwas improvisiert. Nicht, dass schon der Putz herunterbröckelt. Aber viel fehlt da wohl nicht mehr.

Nicht am allerneuesten Stand der Technik

Es gab zuletzt eine Vidiwall, die auf dem Dach der recht niedrigen Haupttribüne angebracht war. Ansonsten verbreiteten die Anzeigetafeln eher den Charme aus der elektonischen Gründerzeit. Außerhalb des Stadions (wie am Bild rechts, an der Südtribüne angebracht) oder auch im Stadion selbst, wo eine baugleiche Anzeige bis zuletzt auf der Gegentribüne auf Höhe der Mittellinie angebracht war und die Zuschauer über Spielstand und die abgelaufene Zeit informiert.

Die Vidiwall auf der Haupttribüne ist nicht gerade ein Megatron

Das Råsunda auf europäische Bühne

Es gab eine Zeit, in der man aber auch als solches Mittelklasse-Stadion europäische Endspiele ausrichten konnte. Und während Michael Konsel mit seinem Sieg im Tor des ÖFB-Teams im Oktober 1996 gute Erinnerungen an dieses Stadion haben kann, setzte es für seinen langjährigen Konkurrenten um den Platz zwischen den Team-Pfosten, Franz Wohlfahrt, im Mai 1998 eine bittere Niederlage. Im vorletzten Finale des Europapokals der Pokalsieger.

Chelsea – Stuttgart 1:0 (0:0)

71 Minuten lang hielten die Stuttgarter das 0:0, ehe Chelsea-Spielertrainer (!) Gianluca Vialli sich einen neuen Sturm-Partner einwechselte. Statt Tore André Flo kam also Gianfranco Zola ins Spiel, und kaum eine Minute drin, besorgte der Joker auch schon das 1:0. Der letzte internationale Titel für die Blues, bevor Roman Abramovich den Klub mit seinem Geld erschlug. Und der letzte internationale Titel für die Blues, ehe jener Italo-Schweizer, der im Råsunda neben Raubein Dennis Wise auf Krassimir Balakov aufpasste, als Trainer dieses Klubs 14 Jahre später die Bayern ärgerte.

Die Erinnerung an dieses Spiel verbindet Wohlfahrt übrigens mit einem damals noch recht jungen Trainer am Anfang seiner Trainer-Karriere: Joachim Löw. Der nach dieser Saison, in der er ins Europacup-Finale kam, sich als Bundesliga-Vierter für den Uefa-Cup qualifizierte und erst im Pokal-Halbfinale an den Bayern gescheitert war, entlassen wurde – wegen Erfolglosigkeit.

Eine Weltpremiere für das Råsunda

Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Drei Jahre vor dem Europacup-Endspiel gab es für das Stadion von Schwedens Hauptstadt bereits eine absolute Weltpremiere: Als erstes Fußball-Stadion überhaupt wurde das Råsunda zu einer Arena, in der ein WM-Finale der Herren UND eines der Frauen ausgetragen wurde. Im strömenden Regen schlugen sich Fans der im Viertelfinale ausgeschiedenen Gastgeber auf die Seite des Nachbarn aus Norwegen und sie wurden nicht enttäuscht. Zwei recht derbe deutsche Abwehrfehler in der ersten Hälfte ermöglichten Tore von Hege Riise und Mariann Pettersen.

Vier Jahre später wurde die Rose Bowl von Los Angeles zum zweiten Stadion, das WM-Finale von Männern und von Frauen gesehen hat. Bis heute sind das die beiden einzigen Arenen, und mindestens bis 2019 wird das auch so bleiben.

Ein junger Xavi zu Gast

Mit den Erfolgen des schwedischen Nationalteams kamen die Klubs aus der Allsvenskan nur sehr vereinzelt mit. Und noch seltener waren echte internationale Highlights des elffachen Meisters AIK – vier davon wurden im Råsunda gefeiert.

AIK – Barcelona 1:2 (0:0)

1999 schaffte man sogar den Sprung in die Champions League. Und die Begann gleich mit einem Kracher: Der FC Barcelona gab sich die Ehre. Das war jenes Team der Katalanen, in dem Trainer Louis van Gaal zu Beginn der Post-Bosman-Ära so etwas wie ein „Ajax, Version 2.0“ aufbauen wollte. Mit dem selben taktischen Grundgerüst wie zur seiner großen Ajax-Zeit, und zum Teil sogar mit dem selben Personal – die De-Boer-Zwillinge, Jari Litmanen, Patrick Kluivert, auch mit Winston Bogarde.

Und mit einem sehr jungen Xavi, gerade mal 19 Jahre alt. In der Gruppe mit den Katalanen, mit der Fiorentina von Trapattoni um Rui Costa und Batistuta, und mit dem Arsenal von Wenger um Bergkamp und Overmars gab es für das Team des schottischen Trainers Stuart Baxter, wie kaum anders zu erwarten war, nur einen Zähler – ein 0:0 daheim gegen die Italiener.

Vom Tor des bosnischen Stürmers Nebojsa Novakovic, mit dem er AIK gegen das Star-Ensemble aus Barcelona sogar mit 1:0 in Führung brachte, schwärmen Fans des Klubs natürlich bis heute. Dass es durch Gegentore in den Minuten 86 und 93 noch eine 1:2-Niederlage gab – vergeben und vergessen.

Was bleibt, sind Souvenirjäger…

Als der erste Ärger über den verpassten Punkt gegen Napoli verraucht war, setzte auf der vollbesetzten Tribüne recht schnell wieder die Wehmut zurück. Das wissen, dass dieses Europa-League-Spiel gegen Cavani und Co. das allerletzte Spiel an dieser historischen Stätte war. Dass das Råsunda das erste WM-Finalstadion der Geschichte wird, das abgerissen wird und vollkommen von der Bildfläche verschwindet, und nicht „nur“ renoviert wird.

Dass ihnen die Gäste aus Italien nicht einmal die eher zweifelhafte Ehre gelassen haben, wenn schon nicht das letzte Tor geschossen, dann doch zumindest den letzten Ausschluss zu lassen (Salvatore Aronica musste nach einer Notbremse an Mohamed Bangura frühzeitig vom Platz) – geschenkt. Schnell wurde begonnen, sich alles unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest war. Naja – eigentlich sogar auch, was niet- und nagelfest war. Schilder, Sitze, braucht ja keiner mehr.

…und der Umzug nach Fan-Voting

Wo es im Jahr 2013 für AIK weitergeht? Ein Verein, der die Rückennummer 1 nicht vergibt, weil diese für die Fans reserviert ist, kann das natürlich nicht entscheiden, ohne die eigenen Anhänger zu fragen. Darum wurde ein Voting veranstaltet: In das neue, hochmoderne 50.000-Zuschauer-Nationalstadion in der Nachbarschaft oder in die ebenfalls brandneue 30.000-Mann-Arena im Süden Stockholms? Das Ergebnis war eindeutig: Die Nationalmannschaft und AIK werden sich auch weiterhin eine gemeinsame Heimstätte haben.

Sich ein Stadion mit dem ungeliebten Rivalen Hammarby zu teilen? Na, das wäre ja wohl auch noch schöner!

(phe)

Alle Bilder: phe

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Interview mit Andreas Heraf (Teil 3): „Solche Transfers mag ich gar nicht“ https://ballverliebt.eu/2011/07/18/interview-mit-andreas-heraf-teil-3-solche-transfers-mag-ich-gar-nicht/ https://ballverliebt.eu/2011/07/18/interview-mit-andreas-heraf-teil-3-solche-transfers-mag-ich-gar-nicht/#comments Mon, 18 Jul 2011 00:43:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5292 Interview mit Andreas Heraf (Teil 3): „Solche Transfers mag ich gar nicht“ weiterlesen ]]>
Im dritten und letzten Teil unseres Interviews befragen wir U20-Teamtrainer Andreas Heraf zu allgemeinen Strukturen für die Nachwuchsmannschaften und -trainer im österreichischen Fußball, Jugendtransfers ins Ausland, seine persönliche Zukunft und darüber, warum das glückliche Österreich bei der kommenden U20-WM eigentlich die Arschkarte gezogen hat und er sich trotzdem darauf freut. Das Gespräch führten Philipp Eitzinger und Tom Schaffer.

Das komplette Interview:

Ballverliebt.eu: Österreichische Nachwuchsteams sahen in den letzten Jahren oft recht gut aus. Am Übergang in den Erwachsenenbereich hapert es ein wenig. Kann das daran liegen, dass es eine natürliche Grenze in einem Land mit schwacher Liga gibt, wo junge Menschen nach einer ähnlich guten Ausbildung nicht bei Topklubs Fuß fassen können?

Andreas Heraf: Wir sind ein kleines Land und haben nicht so viele Möglichkeiten wie die besten Nationen. Aber wir sind was den Nachwuchs anbelangt auf einem guten Weg und diese Ergebnisse bestätigen das. Von der Kanada-Mannschaft spielen ja auch schon einige in der A-Nationalmannschaft. Ich bin mir auch sicher, dass es von dieser auch einige in den nächsten fünf Jahren schaffen werden. Wir müssen natürlich versuchen, aus unseren wenigen Mitteln das beste zu machen. Dass in der A-Nationalmannschaft die Luft immer dünner wird, ist auch klar. Und dass die Forderung im eigenen Land anders ist, als wenn man in Spanien spielt, ist auch klar. Wichtig ist, dass die Spieler Einsätze bekommen. Ich glaube, das Bekenntnis in Österreich ist da, junge Spieler in die Kampfmannschaft zu stecken und ihnen dort tragende Rollen zu geben. Es kann noch immer mehr werden, aber es ist schon auf einem guten Weg. Es braucht aber einfach noch etwas Zeit. Es wird aber nicht selbstverständlich sein, dass sich unsere A-Nationalmannschaft immer für eine Welt- oder Europameisterschaft qualifiziert. Aber mit der guten Qualität, die wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben, wird die Möglichkeit größer.

Wie wichtig ist da für junge Spieler der Schritt ins Ausland?

Ich sehe das zweigeteilt. Wenn ein Spieler von einem Topklub geholt wird, wo es eine gute Infrastruktur gibt, wo er sich sportlich weiterentwickelt und wo er, ganz wichtig, auch reelle Chancen hat zu spielen, dann natürlich, muss er gehen. Aber ich sage vor allem bei 16-Jährigen, wenn die etwa zu englischen Klubs gehen… die holen zwanzig Talente und schauen, wer nach fünf Jahren übrigbleibt. Wenn da einer oder zwei übrig bleiben, gut für sie, aber die anderen sind ihnen wurscht. Dann ist es natürlich eine Katastrophe, wenn da bei den 18 oder 19 auch Österreicher dabei sind. Denn die sind dann weg.

Solche Transfers mag ich gar nicht. Da darf der Manager nicht dran denken, was er verdienen kann. Da müssen die Eltern dahinter sein und darauf achten, dass auch die schulische Ausbildung neben der sportlichen Weiterentwicklung passt. Denn der Bursch hat nichts davon, wenn er bei Manchester United ist, und dort nirgends zum Einsatz kommt und sich nicht weiterentwickeln kann.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang, was bei Bayern und Stuttgart passiert, wo ja sehr viele Österreicher in den Jugendabteilungen sind?

Sie wurden für den Nachwuchs geholt und spielen dort eine gute Rolle. Holzhauser und Stöger bei Stuttgart sind beides 1993er-Jahrgänge und trainieren schon bei der Kampfmannschaft mit – das schaut gut aus dort. Man muss halt schauen, wie der letzte Schritt verläuft, was auch der Grund ist, warum sie Holzhauser nicht freigeben. Sie sagen, er wäre schon so nah am Bundesliga-Team dran, da wollen sie ihn nicht jetzt herausreißen. Da habe ich auch Verständnis dafür.

Bei Bayern ist es um einiges schwieriger. Ich hoffe, dass David Alaba dort spielen wird, oder zumindest zu einigen Einsätzen kommt, denn die Qualität dazu hat er. Aber er braucht einfach Spielpraxis, da war Hoffenheim eine Supergeschichte. Ich würde mir wünschen, dass er wieder verliehen wird, sollte er bei den Bayern nicht zum Zug kommen.

Ist die Gefahr gegeben, dass man in ausländischen Jugendabteilungen – weniger bei Bayern oder Stuttgart, aber etwa in Holland, wie bei Tobias Kainz von Heerenveen – in Österreich unter dem Radar fliegt?

Bei Kainz war es tatsächlich so. Er ist einer meiner Lieblingsspieler, ich schätze ihn extrem, der menschlich, von seiner Einstellung, von seiner Persönlichkeit und auch von seinen fußballerischen Fähigkeiten fantastisch ist. Er war aber bei Heerenveen lange Zeit nur im Nachwuchs, und ich habe mich lange schon gefragt, warum er nicht mal zu den Amateuren oder zur Kampfmannschaft kommt. Aber er war geduldig, der Verein war geduldig, und er ist jetzt zu seinem Debüt in der Ersten gekommen. Dort sind zwei Spieler gegangen, da gibt es eine echte Chance, dass er dort regelmäßig spielen wird.

Man darf nur nicht die Angst haben, “Die in Österreich vergessen mich!” Heerenveen ist ein guter Verein, er war dort gut aufgehoben, und für ihn hat das alles wirklich hundertprozentig gepasst. Man darf halt nicht ungeduldig werden und sich sagen, “der Djuricin spielt bei Hertha und macht im ersten Match zwei Tore, und ich bin um nichts schlechter und spiele nur in der U19!” Das ist in Holland so, bei den U17-Europameistern von heuer spielen alle in der U17, und keiner weiter oben. Das ist deren Philosophie, darum war auch der Kainz lange in der U19. Ich glaube, dass seiner ein guter Weg war.

Apropos Holland. Dort gibt es in der Entwicklung der Jugendmannschaften vom Verband verordnete klare Vorgaben, welche Schwerpunkte mit welcher Altersstufe zu trainieren sind. Gibt es solche Vorgaben beim ÖFB auch?

Ja, selbstverständlich. Das sind ja auch nicht nur unbedingt Gesetzmäßigkeiten im Fußball, sondern generelle. Darauf wird auch bei den Leitlinien des ÖFB Rücksicht genommen, keine Frage.

In wie weit unterscheiden sich in Österreich die Ausbildung von Nachwuchs- zu Profitrainern?

Das gibt es Unterschiede, natürlich. Wir haben die Elite-Junioren-Lizenz, die ist die höchste Ausbildung für den Nachwuchsbereich, und die UEFA-Pro-Lizenz für Kampfmannschaften. Bei uns geht auch die Schiene in beide Richtungen. Man kann schon beides machen, aber speziell in den Akademien braucht man als Trainer oder auch als Sportlicher Leiter die Elite-Junioren-Lizenz, damit man für den Nachwuchs gerüstet ist.

Ist in der Junioren-Schiene auch eine spezielle pädagogische Ausbildung dabei?

Keine Frage, man ist als Nachwuchstrainer auch Pädagoge, man ist Lehrer, zum Teil auch Elternersatz. Speziell, wenn die Jungs in den Akademien oder in Internaten sind. Da hat man nicht nur die Rolle des Übungsleiters, des Lehrers, sondern auch des Menschen, des Erziehers, des Unterstützers.

Um nochmal auf den Trainer Andreas Heraf zurückzukommen – es gibt Coaches, die sagen, “Das ist nervenaufreibend, weil ich von der Seitenlinie nichts bewirken kann”, und solche, die sagen, “Endlich kann ich ein Spiel so lenken, wie es mir als Spieler nicht möglich war”. Wo sehen Sie sich da selbst?

Es hat beides was. Während des Spiels selbst kann man oft wirklich nicht mehr sehr viel tun, höchstens mit Auswechslungen oder Systemänderungen innerhalb der Mannschaft noch etwas bewirken. Aber so wie das Match läuft, wie die Tagesverfassung der Spieler ist, wie stark der Gegner ist, da ist man oft als Trainer nicht mehr in der Lage, allzu viel zu tun. Aber man kann einer Mannschaft natürlich schon eine Spielanlage mitgeben, wie man sich selbst den Fußball vorstellt.

Die Frage ist immer nur, wie das die Vorgesetzten sehen. Wenn das ein Verein ist, der sagt “wir halten auf jeden Fall am Trainer fest, seine Philosophie ist in Ordnung, auch wenn die Resultate mal nicht passen”, ist das wunderbar. Es gibt aber halt auch Vereine, wo es den Funktionären ganz wichtig ist, dass die Ergebnisse stimmen, dass man ganz vorne dabei ist, dass man ja nichts mit dem Mittelfeld zu tun hat. Und wenn man das eine oder andere Spiel verliert, ist der Trainer auch gleich mal weg. Und hat somit auch nicht die Möglichkeit, seine Philosophie einzubringen.

Das habe ich beides schon mitgemacht als Bundesliga-Trainer. Was ich daraus gelernt habe: Ich werde nur noch ein Angebot annehmen, wo die Ziele des Vereins mit meinen Vorstellungen zusammen passt. Wenn ein Präsident zu mir sagen würde, ich müsse jedes Jahr fünf 18-Jährige in die Mannschaft einbauen und trotzdem Meister werden, muss man auch sagen können, “Danke, aber das ist nichts für mich.”

Der Job beim ÖFB ist jetzt also angenehmer als einer in der Bundesliga, wie etwa in Pasching, wo nach drei Spielen wieder Schluss war?

Ganz anders zumindest. So etwas wie mit Pasching würde mir heute sicher nicht mehr passieren, was den Unterschied zwischen Erwartungen und Umsetzbarkeit betrifft.

Sehen Sie ihre Zukunft als eher beim ÖFB oder doch wieder bei Vereinen?

Das kann ich nicht sagen. Aber ich sehe meine Zukunft auf jeden Fall als Trainer. Ich habe seit einem Jahr die WM im Kopf und auf die konzentriere ich mich bis zur letzten Sekunden, danach übernehme ich die nächste U17, mit der es im Herbst in die EM-Quali geht. Ich habe meinen Vertrag beim ÖFB mal um zwei Jahre verlängert, es macht mir Riesenspaß. Was dann kommt, weiß ich nicht, aber ich kann mir durchaus vorstellen, beim ÖFB weiter zu machen.

Wenn Angebote von Vereinen kommen, werde ich mir diese in Absprache mit dem ÖFB anhören. Wenn etwas dabei ist, was mit meinen Vorstellungen kompatibel ist, muss man abwägen, ob man das dann macht, aber ich bin sehr zufrieden, wie es mit dem ÖFB läuft. Man kann hier wirklich gut arbeiten, professionell und mit voller Unterstützung. Das taugt mir.

Abschließend nochmal zurück zur WM. Wenn nach dem Turnier das Flugzeug Richtung Heimat bestiegen wird, was muss in den Tagen, Wochen und Spielen davor passiert sein, damit der Andi Heraf zufrieden nach Hause fliegt?

Wir sollten zumindest nicht am 5. oder 6. August heimfliegen, denn dann wären wie in der Vorrunde ausgeschieden. Da könnte ich auch selbst bei gutem Spiel meiner Mannschaft und vielleicht Lob nicht zufrieden sein, wenn man bei so einem Turnier mal dabei ist und dann übersteht man die Vorrunde nicht. Darüber hinaus wäre ich immer zufrieden, auch wenn es nach dem Achtelfinale vorbei sein sollte, wenn wir aus unseren Möglichkeiten das Maximum herausgeholt haben. Wenn wir uns so verkaufen, wie wir uns das erwarten, und es hätte einfach nicht zu mehr gereicht.

Denn es könnte passieren, dass wir nach der Vorrunde Dritter sind und dann in Bogotá gegen den Sieger der Gruppe A spielen müssen…

…wahrscheinlich also Gastgeber Kolumbien oder Europameister Frankreich…

…für das wir drei Tage vorher nach Bogotà reisen müssten von null Meter Meereshöhe in Barranquilla auf 2.600 Meter. Und laut Medizinern, die sich mit Höhe beschäftigen, ist es unmöglich, in drei Tage eine gewisse Anpassung zu erfahren. Diese Mannschaft, auf die dieses Spiel wartet, das sind arme Hunde. Und wenn meine Mannschaft sich da gut verkaufen und verlieren sollte, müsste ich trotzdem zufrieden sein, denn da wäre körperlich normalerweise einfach nicht mehr möglich.

Als Gruppenzweiter oder gar Sieger wäre es also leichter?

Muss nicht sein – denn wir haben das in jeder Hinsicht schlechteste Los gezogen. Wir haben das blödeste Los gezogen mit der Schwüle und der Hitze. Wir haben das blödeste Los gezogen, wenn wir dann in die Höhe müssten. Wir haben das blödeste Los gezogen mit unseren Gegner, die alle aus heißem Klima kommen. Wir haben das blödeste Los gezogen, das Panama der erste Gegner ist, die nur herüberfahren und da sind. Wir haben das blödeste Los gezogen, dass in unserer Gruppe der Sieger gegen einen anderen Zweiten spielt, und nicht gegen einen Dritten. Und wir haben das blödeste Los gezogen, dass unser Zweiter nicht gegen einen anderen Zweiten spielt, sondern gegen einen Gruppensieger.

Könnte es ein zusätzlicher Nachteil sein, dass man am letzten Gruppenspieltag als erste Mannschaft dran ist, und sich die möglichen Dritten der anderen Gruppen danach richten können – also man vorlegen muss, statt nachlegen zu können?

Das ist mir wurscht. Sollten wir so viele Punkte haben, dass wir noch in Frage kommen, als Dritter weiter zu kommen, warte ich gerne. Das haben wir bei der ersten Qualirunde auch machen müssen – und da waren es nicht zwei Tage, sondern wir wussten zwei Monate lang nicht, ob wir noch Weiterkommen. Diese Zeit war eine Katastrophe, und dann sind wir doch noch in die nächste Runde gerutscht. Man muss also auch am Boden bleiben: Wir haben eine gute Mannschaft, aber ich weiß sehr wohl, dass wir einiges an Glück gebraucht haben, dass wir so weit gekommen sind.

Darum lass ich mir auch von niemandem einen Druck machen oder diese WM verderben. Denn dass wird dort sind, ist ein Riesenerfolg für Österreich, und was die Jungs bis jetzt geleistet haben, wird uns niemand mehr wegnehmen. Egal, wie die Weltmeisterschaft läuft!

Alles Gute dafür! (tsc, phe)

Das komplette Interview:

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Wolfsburg verschlampt Sieg bei Magaths Comeback https://ballverliebt.eu/2011/03/21/wolfsburg-verschlampt-sieg-bei-magaths-comeback/ https://ballverliebt.eu/2011/03/21/wolfsburg-verschlampt-sieg-bei-magaths-comeback/#respond Mon, 21 Mar 2011 12:53:02 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4403 Wolfsburg verschlampt Sieg bei Magaths Comeback weiterlesen ]]> Wenn zwei Teams, die nicht mit dem Abstiegskampf gerechnet hatten, in eben diesem aufeinandertreffen – dann sieht das so aus wie bei Stuttgart-Wolfsburg: Ein unansehnliches Spiel voller nervöser Unzulänglichkeiten. Das die Wölfe beim Comeback von Meistercoach Magath eigentlich gewinnen hätten müssen.

VfB Stuttgart - VfL Wolfsburg 1:1

Die Ära „Magath II“ bei Wolfsburg begann mit vielen jener Gesichter, die zum Ende der Ära „Magath I“ 2009 den Meistertitel feiern konnten – so rotierte der Ex-Schalke-Trainer nach seinem Blitztransfer in die VW-Stadt mit Mandzukic und Mbokani jene beiden Stürmer aus der Mannschaft, die meilenweit unter den Erwartungen blieben und ließ statt des verletzten Torhüter Benaglio nicht, wie seine Vorgänger Veh, McClaren und Littbarski, Marwin Hitz spielen. Sondern den alten André Lenz, der schon beim Titel Magaths Nr. 2 gewesen war.

Schalke beim 1:0 bei den Bayern

Magath kopiert sich selbst

Außerdem stellte Magath auch das System um. Versuchten es McClaren und Littbarski, vor allem nach dem Abgang von Edin Dzeko zu Man City, mit einem 4-2-3-1 (womit der Engländer schon vor der Winterpause oft spielen hatte lassen), machte es der neue alte Trainer auch hier anders: Er ließ sein Team in einem Tannenbaum antreten, sehr ähnlich dem, mit dem er mit Schalke im Pokal-Halbfinale die Bayern düpiert hatte.

Und zwar nicht nur von der Formation, sondern auch von der Aufgabenverteilung. So spielte Grafite ganz vorne, Diego versetzt dahinter, und zwar zumeist eher rechts versetzt – so wie Jurado vor drei Wochen. Am interessantesten agierte aber Cícero: Der Brasilianer ließ sich, wie schon Farfán gegen die Bayern, gegen den Ball oft in die Viererkette zurückfallen. Gutes Verständnis mit Makoto Hasebe war hierbei Voraussetzung, das funktionierte aber ganz gut. Wohl auch, weil Hasebe seinen Landsmann Okazaki, mit dem er ja den Asiencup gewonnen hatte, sehr gut kennt. Hasebe hatte die Aufgabe, zum einen Cícero nach vorne zu lancieren, und auch Schäfer defensiv unter die Arme zu greifen.

Obwohl Okazaki und Gebhart sehr oft die Seiten wechselten und die Wolfsburger so zu verwirren versuchten, machte aber vor allem Okazaki keinen Stich. Die Raumaufteilung in der Zentrale funktionierte bei Wolfsburg deutlich besser: Mit Josué tief, Riether und Hasebe flexibel auf den Halbpositionen, mit einem gut nach hinten arbeitenden Cícero und dem unberechenbaren Diego war das Zentrum der Wölfe jenem von Stuttgart klar überlegen.

Stuttgart personell heftig angeschlagen

Der VfB pfiff aus dem letzten Loch. Zwar konnte Timo Gebhart den gesperrten Martin Hanik recht passabel ersetzen (er bemühte sich und arbeitete sehr viel), aber ohne den verletzen Tamás Hajnal als Spielgestalter fehlte den Stuttgartern der wohl entscheidende Puzzlestein im Aufschwung der letzten Wochen, in denen der VfB zuletzt drei Spiele in Serie gewinnen konnte  – unter anderem vor zwei Wochen Schalke 04 unter Felix Magath.

Statt des Ungarn rückte Christian Gentner ins zentrale offensive Mittelfeld, konnte dort aber keinerlei Akzente setzen. Gentner – 2009 ebenfalls in Magaths Wolfsburger Meistermannschaft –  ist ein guter defensiver Mittelfeldspieler, kann auch auf der linken Außenbahn spielen, ist aber kein Zehner. Das merkte man, das SPiel lief komplett an ihm vorbei. So rückten Gebhart und Okazaki in der Bewegung nach vorne früher ein als gewohnt.

Nach einer halben Stunde verletzte sich zu allem Stuttgarter Unglück auch noch Zdravko Kuzmanovic am Knie. Er musste raus und mit der Einwechslung von Élson wurde auch Gentner von seiner Qual als Zehner erlöst: Der Brasilianer überbahm diese Rolle, und Gentner jene von Kuzmanovic.

Wolfsburg geht aus dem Nichts in Führung

Was zum Spiel generell gesagt werden muss: Es war schrecklich. Keines der beiden Teams brachte mehr als drei Pässe hintereinander an den Mann, der Spielaufbau wirkte vor allem beim VfB ohne Hajnal planlos. Die Wolfsburger hatten im Spiel nach vorne mit der neuen Formation mehr zu kämpfen als mit dem Gegner, es gab viele kleine Missverständnisse und viele leichte Abspielfehler.

Wolfsburg machte zwar den etwas weniger nervösen Eindruck, als sich Grafite in Minute 39 gegen Niedermeier durchsetzte und das 1:0 markieren konnte, kam das dennoch etwas aus heiterem Himmel. Doch die Entstehung passte zum Spiel: Ein von Celotti abgelenkter Ball von Hasebe fand den bulligen Brasilianer in der Mitte, der mit gutem Einsatz den Verteidiger abschüttelte.

Stuttgart fehlen die Mittel zu reagieren

Bei den Gastgebern kam in der Pause Boulahrouz für den unsicherern Tasci, am Spiel änderte sich aber nur wenig. Vor allem an dem der Schwaben. Denn Wolfsburg hatte mit der Führung im Rücken einiges an Sicherheit gewonnen und Jan Polák, der in der Halbzeit für Hasebe gekommen war, konnte mit erhöhtem Laufpensum zusätzlich Verwirrung stiften. Auch die besseren Chancen hatten weiterhin die Wolfsburger, mit dem starken Koreaner Koo Ja-Cheol kam nach einer Stunde zudem ein frischer Mann statt Cícero, der ein horrendes Laufpensum absolviert hatte.

Halb durch die zweite Hälfte reagierte Stuttgart-Trainer Labbadia – wie Magath bei Wolfsburg schon der dritte Trainer des Teams in dieser Saison – und wechselte Sven Schipplock (für Celozzi) ein. Jenen Joker, der erst letzte Woche mit seinem späten Tor den 2:1-Sieg bei St. Pauli ermöglicht hatte. Das hieß: Zwei echte Spitzen! In der Grundordnung war es nun ein 4-4-2, aber tatsächlich so auf dem Platz stand das kaum. Denn in den letzten 20 Minuten praktizierte Stuttgart nur noch das Prinzip Brechstange.

Wolfsburg verschlampt die Entscheidung

Boulahrou rückte nun aus der Innenverteidigung weit auf, die Außenverteidiger ebenso, dafür rückten Okazaki und Gebhart ein. Das hieß: Vorne standen sich mitunter vier Spiele auf den Füßen und warteten auf Zuspiele, die sich hauptsächlich auf vor das Tor gedroschene hohe Bälle beschränkten. Mit dem Nebeneffekt, dass der VfB hinten offen war wie ein Scheuentor: Alleine in den letzten zehn Minuten fuhr Wolfsburg drei Konter in Überzahl. Grafite und Diego verschlampten diese riesigen Möglichkeiten, den Sack zuzumachen, aber auf die fahrlässigste Art und Weise. Wolfsburg spielte, als wäre man 3:0 in Front und es könne nichts mehr passieren.

So kam in der 94. Minute, was trotz der Harm- und Einfallslosigkeit von Stuttgart beinahe kommen musste: Ein Zuspiel von Gentner nahm der in den gegnerischen Strafraum aufgerückte VfB-Innenverteidiger Georg Niedermeier technisch brillant auf und er hämmerte den Ball an Lenz vorbei zum äußerst glücklichen Ausgleich! Was aber noch nicht der Schlusspunkt war. Den setzte im Gegenzug Grafite. Indem er eine weitere Riesenchance vergab, das Spiel doch noch zu gewinnen…

Fazit: Wolfsburg klar verbessert, Stuttgart im Glück

Auch, wenn am Ende nur ein 1:1 für Felix Magath heraus schaute: Die Wölfe zeigten sich gegenüber den teils haarsträubenden Leistungen der letzten Wochen und Monate deutlich verbessert. Auch, wenn vieles noch nicht rund lief und es noch einige Abstimmungsprobleme gab, zeigte die Mannschaft doch, dass sie besser ist als jener vorletzte Platz, auf dem sie weiterhin liegt. Zufrieden kann der neue Trainer dennoch nicht sein, denn wenn Disziplin-Fanatiker Magath etwas überhaupt nicht leiden kann, sind es Nachlässigkeiten. Wie jene schlecklich ausgespielten Konter in der Schlussphase, die den Sieg für die Wölfe sichern hätten müssen.

Stuttgart zeigte weiterhin keinen echten Abstiegskampf-Fußball mit vollstem Einsatz. Das wurde in den letzten Wochen mit einigen wichtigen Siegen belohnt, war gegen die wesentlich galliger auftretenden Wölfe aber nicht das richtige Rezept. Zumal mit Harnik und vor allem Hajnal zwei Schlüsselfiguren im Spiel nach vorne fehlten. So beschränkte sich, als es wirklich darauf ankam, das Spiel nach vorne auf lange Bälle und der späte Ausgleich war ebenso glücklich wie unverdient. Doch wenn man auch aus schlechten Spielen einen Punkt mitnimmt, ist man im Abstiegskampf auf einem guten Weg.

(phe)

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Ein zweiter Asamoah täte Not https://ballverliebt.eu/2011/03/14/ein-zweiter-asamoah-tate-not/ https://ballverliebt.eu/2011/03/14/ein-zweiter-asamoah-tate-not/#respond Mon, 14 Mar 2011 11:40:41 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4361 Ein zweiter Asamoah täte Not weiterlesen ]]> St. Pauli verliert wegen eines späten Gegentores gegen Stuttgart – nicht nur, aber auch weil hinter dem tapfer kämpfenden Gerald Asamoah mit Charles Takyi ein Spieler agierte, der nicht auf der Höhe war. Umso bitterer für Pauli, denn das schlechtere Team war man dennoch nicht.

FC St. Pauli - VfB Stuttgart 1:2

Der Unterschied zwischen St. Pauli und Stuttgart? Der Aufsteiger aus Hamburg wusste von Anfang an, dass es gegen den Abstieg gehen würde. Die Schwaben wurden davon massiv überrascht – weshalb Bruno Labbadia auch schon der dritte Trainer in dieser Saison ist. Unter ihm geht’s aber aufwärts: Mit der Ankunft den starken Japaners Okazaki ging die Systemumstellung auf 4-2-3-1 einher, die letzten zwei Spiele wurden gewonnen und der VfB, der schon abgeschlagen war, sieht wieder Licht am Ende des Tunnels.

Ganz anders verlief die Saison bei St. Pauli: Lange anständig mitgehalten und den Anschluss ans Mittelfeld nie aus den Augen verloren, gab’s nach dem 1:0-Sieg im Derby gegen den HSV drei Pleiten in Serie. Womit bei einer Niederlage der Abstiegsplatz drohte – und dann fiel neben dem gesperrten Sechser Lehmann auch noch mit Morena, Zambrano, Oczipka und Rothenbach vier potentielle Stammverteidiger aus. So musste Offensivspieler Fin Bartels, an sich gelernter Stürmer, rechts verteidigen – er machte das ganz anständig. Und der junge Dennis Daube musste im defensiven Mittelfeld ran: Er machte das sogar sehr ansprechend.

Ballverluste von Takyi

Was einer der Schüssel war, warum St. Pauli die meiste Zeit des Spiels das bessere Team war. Trainer Stanislawski vertraute wiederum auf sein 4-4-1-1 mit dem genesenen Gerald Asamoah ganz vorne und Charles Takyi dahinter. Und letzterer war der ganz große Schwachpunkt bei St. Pauli.

Spielaufbau? Ohne Takyi.

Der 26-Jährige wirkte wie ein Fremdkörper in der Mannschaft. Seine Versuche, Bälle in die Spitze zu Asamoah zu spielen, schlugen fast alle fehl (siehe Grafik links) – weshalb sich dieser recht schnell oftmals recht weit nach hinten orientierte, um sich die Bälle selbst aus dem Mittelfeld zu holen. Das Traurige dabei: Nicht selten sah Takyi vom Mittelkreis aus zu, wie Asamaoh den Ball an ihm vorbeidribbelte. Das Stellungsspiel von Takyi war schwach, großer Einsatz nicht erkennbar. Ja, es kamen auch einie Zuspiele von ihm an (siehe Grafik unten) – aber das waren zumeist Albipässe, die zum Spielaufbau nichts beitrugen. Die sinnstiftenden Pässe kann man an einer Hand abzählen.

Angekommene Pässe von Takyi

Umso mehr haute sich indes Gerald Asamoah in die Partie. Er glich die furchtbare Leistung von Takyi so gut es ging aus, holte sich Bälle, lief viel, bot sich an – sein Purzelbaum über die Werbebande ist hier durchaus exemplarisch. Ein zweiter Offensivspieler, der sich so zerreißt wie Asamoah, und Pauli hätte das Spiel nie und nimmer verloren.

Stuttgarter Abseitsfalle

Der VfB versuchte sich der Angriffe von St. Pauli zumeist mit einer geschickten Abseitsfalle zu erwehren, das ging in der ersten Viertelstunde auch einige Male gut. In der 19. Minute aber stand der aufgerückte Boll bei einem Anspiel von Bartels einmal nicht in der verbotenen Zone – und schon stand’s 1:0 für die Hausherren.

Nicht unverdient, denn Daube hatte Hajnal gut im Griff und Harnik konnte sich gegen den defensiv sehr umsichtigen Kruse und den englanderfahrenen Volz kaum durchsetzen. Lediglich Okazaki sah mit seinen Tempovorstößen gegen den umfunktionierten Bartels hin und wieder Land. Da half es auch nichts, dass der bullige Pogrebynak sich immer wieder weit zurückfallen ließ und im Mittelfeld um Bälle kämpfte.

So war es auch kein Zufall, dass der postwendende Ausgleich der Stuttgarter nicht aus dem Spiel heraus fiel, sondern auch einer Freistoßvariente: Kuzmanovic stand bei einem nach hinten abgespielten Freistoß von der seitlichen Strafraumgrenze komplett frei, zog ab, um das 1:1 war gefallen.

Pauli stört früh

Aber auch, wenn Stuttgart in den letzten Spielen eine deutlich bessere Formkurve erkennen ließ als St. Pauli: Die Hamburger zeigten den leidenschaftlicheren Abstiegskampf-Fußball. So wurde der Spielaufbau vor allem vom Achter Christian Gentner durch Pressing und gutes Zustellen der Anspielstationen sehr gut unterbunden. Die Folge: Gentner sammelte zwar 113 Ballkontakte – die meisten von allen auf dem Platz – seine Fehlpassquote war mit 50% aber exorbitant. Er brachte zwar mehr Bälle an den Mann, wurde von Daube und Boll aber so gut abgeschirmt, dass er oft nur kurz ablegen konnte oder sich weit in die eigene Hälfte zurückgedrängt sah.

Auf der anderen Seite war St. Pauli wegen den schwachen Takyi auf die Flanken angewiesen, dort verteidigten Träsch und der im Herbst noch indiskutable Molinaro (bzw. nach dessen Verletzung in der zweiten Hälfte Celozzi) sehr umsichtig. Die Folge: St. Pauli hatte zwar mehr vom Spiel, dennoch hatte man in der zweiten Halbzeit nicht den Eindruck, als sollte sich am 1:1 noch zwingend etwas ändern.

Umstellungen: 4-4-2 gegen 4-4-2

Auch die Wechsel änderten diesen Eindruck nicht. Stanislawski versuchte erst (73.), mit einem Doppelwechsel (Sukuta-Pasu und Naki für Bruns und Takyi) und einer Adjustierung auf ein echtes 4-2-3-1 (mit Asmoah weiterhin vorne, Kruse zentral dahinter, Naki links und Sukuta-Pasu rechts) die Zentrale zu stärken. Als das nichts half – Kuzmanovic hatte das Zentrum weiterhin im Griff – war er mit Ebbers eine zweite echte Spitze ins Spiel.

Das machte in der Schlussphase auch VfB-Coach Labbadia. Nachdem Harnik in die Spitze beordert wurde (weil Flügelmann Gebhart für den müde gelaufenen Pogrebynak gekommen war, 63.) tätigte er in der 83. Minute den vorentscheidenden Wechsel: Der junge Sven Schipplock kam für Okazaki ins Spiel und ging zu Harnik nach vorne. So war es am Ende ein Duell zweier 4-4-2-Teams. Das späte Siegtor für Stuttgart hatte damit aber nichts zu tun.

Das war eine Einzelleistung von Schipplock und schlechtes Abwehrverhalten von Markus Thorandt. Dieser verschätzte sich erst im Laufduell und störte Schipplock dann nicht mehr entscheidend – der Schuss des 22-Jährigen zu seinem ersten Bundesliga-Tor war für Pauli-Keeper Kessler nicht zu halten. Es war der K.o.-Schlag für St. Pauli.

Fazit: Bittere, weil unnötige Niederlage für Pauli

Es wurde die vierte Niederlage in Serie für St. Pauli – auch, wenn es in diesen Spielen sicherlich die beste Leistung war. Defensiv standen die Hausherren gut, Harnik und Hajnal kamen überhaupt nicht zur Geltung, ebenso Pogrebnyak. Ausschlaggebend dafür, dass nicht mehr herausschaute, war zu einem großen Teil die äußerst mäßige Leistung von Takyi, der wohl auch nicht rechtzeitig aus dem Spiel genommen wurde.

Und ein Einzelkämpfer Asamoah ganz vorne ist nun mal zu wenig, wenn er durch einen schwachen Hintermann vom Spielaufbau abgeschnitten ist und sich durch erhöhten Einsatz selbst die Bälle holen muss. Diese Niederlage war vermeidbar, aber die Gesamtleistung war dennoch ein Schritt in die richtige Richtung.

Stuttgart hat sich mit dem dritten Sieg hintereinander weiter Luft verschafft. Die Umstellung auf das 4-2-3-1 nimmt zwar Harnik viel von seiner Torgefahr, lässt aber die Stärken der Mannschaft nach der Ankunft von Okazaki (der eine halbwegs ordentliche Leistung zeigte, obwohl er mit dem Kopf sicher eher in der Heimat ist) besser zur Geltung kommen. Der Sieg bei St. Pauli war eher einer beherzten Einzelaktion von Schipplock zu verdanken, der beschrittene Weg stimmt aber zweifellos.

(phe)

Chalkboards by dfl.de

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