Van Marwijk – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Thu, 14 Jun 2012 00:12:56 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Deutschland zeigt Oranje, wie’s gemacht wird – verdienter 2:1-Sieg https://ballverliebt.eu/2012/06/14/deutschland-zeigt-oranje-wies-gemacht-wird-verdienter-21-sieg/ https://ballverliebt.eu/2012/06/14/deutschland-zeigt-oranje-wies-gemacht-wird-verdienter-21-sieg/#respond Thu, 14 Jun 2012 00:05:48 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7483 Deutschland zeigt Oranje, wie’s gemacht wird – verdienter 2:1-Sieg weiterlesen ]]> Schaut her, Holländer, so geht das – Deutschland lieferte zumindest eine Stunde lang Anschauungs-Unterricht. Bert van Marwijk hingegen machte den gleichen Fehler wie gegen Dänemark und setzte auf eine extrem statische und unbewegliche Mittelfeld-Zentrale, die wurde von den Deutschen zerstört wurde. Dennoch gibt’s für Holland immer noch die Chance auf das Viertelfinale, weil Portugal die Dänen mit 3:2 besiegt. Trotz eines Riesen-Lochs hinter Cristiano Ronaldo.

Deutschland - Holland 2:1 (2:0)

Vorne wird gepresst, hinten wird gewartet – das war eines der größten Probleme der Holländer beim 0:1 gegen Dänemark: Die Mannschaft zerfiel in zwei Teile, einen offensiven und einen defensiven, die wenig miteinander zu tun hatten. Dänemark nützte diese fehlende Balance bei Oranje aus. Genau wie das extrem passive Spiel von De Jong und Van Bommel im Zentrum, die sich beide als reine Zerstörer ohne Aufgabe nach vorne verstanden.

Holland statisch und vorsichtig

Dennoch vertraute Bondscoach Bert van Marwijk der selben Formation wie gegen Dänemark (von der Rückkehr des von einer Verletzung genesenen Stamm-IV Joris Mathijsen mal abgesehen). Anstatt also weiterhin hoch zu pressen und dahinter das Mittelfeld aufrücken zu lassen, verzichtete Van Marwijk auf das Pressing der vier Offensiv-Leute. Anstatt also selbst zu versuchen, das Kommando zu übernehmen, Ballverluste bei den Deutschen zu provozieren und dazu Schweinsteiger und Khedira unter Druck zu setzen, passierte genau das Gegenteil.

Die Holländer standen zwar sehr kompakt, dabei aber auch extrem statisch. Wieder kam von De Jong und Van Bommel in der Vorwärtsbewegung nichts, das Tempo wurde verschleppt, es wurde kaum einmal ein Risiko-Pass versucht, sondern viel eher immer wieder hinten herum gespielt. Kurz: Es fehlte das Überraschungsmoment, es fehlte die Dynamik, es fehlte der Zug zum Tor. Viel gefährlich man mit direkten Pässen sein konnte, wurde in einigen Situationen in der ersten Viertelstunde zwar offensichtlich, aber dennoch kamen solche Versuche viel zu selten.

Deutschland macht’s richtig

Wie man es richtig macht, zeigte die deutsche Mannschaft. Hummels und vor allem Badstuber versuchten, wann immer möglich, den Vorwärtspass; Schweinsteiger und Khedira schalteten sich mit ihrer Dynamik immer wieder nach vorne ein. Der ballführende Holländer wurde immer mit zwei Leuten angepresst, so wurden auch die sich ständig wiederholenden harmlosen Querpässe bei Oranje provoziert. Es wurde konsequent nachgerückt, um keine Löcher zwischen den Reihen aufzureißen. Und im Umschalten wurde sofort Zug zum Tor entwickelt.

Mit seinen intelligenten Laufwegen schuf Özil auch immer wieder Platz für die nachrückenden Mitspieler aus dem Zentrum. Weil De Jong dem deutschen Zehner in Manndeckung nahm, um ihn aus dem Spiel zu halten, blieb oft dem langsamen Van Bommel mehr Arbeit im Zentrum gegen den sich diesmal oft zurückfallen lassenden Gomez und den aufrückenden Schweinsteiger und Khedira.

Dazu waren die Deutschen einfach auch gedankenschneller, was durch die beiden hervorragend herausgespielten Tore verdeutlicht wurde. Die Laufwege von Özil, die Übersicht von Schweinsteiger, der Torriecher von Gomez – all dem hatten die statischen und phantasielosen Holländer praktisch nichts entgegen zu setzen. Die 2:0-Führung von Deutschland zur Pause ging vollauf in Ordnung.

Anderes Bild nach der Pause

Dass es nach dem Seitenwechsel nicht in ähnlicher Manier weiter ging, lag an zwei Faktoren. Zum einen ließ die Intensität im deutschen Spiel nach: Es wurde nicht mehr so konsequent gepresst, man ließ sich etwas weiter hinten hineindrängen. Zudem wurde nicht mehr so direkt und so schnell der Weg nach vorne gesucht. Man hatte den Eindruck, die Deutschen betrachteten insgeheim das Spiel bereits als gewonnen, nachdem es vor der Pause gar so leicht gegangen war, und legten den Schongang ein.

Zum anderen natürlich, und das trug sicher noch viel mehr zum völlig anderen Bild in der zweiten Hälfte bei, waren die zwei Wechsel von Bert van Marwijk, der damit einhergehenden System-Änderung und der anderen Spielweise bei den Holländern. Statt des einmal mehr ausnehmend schwachen Van Bommel und des einmal mehr komplett wirkungslosen Afellay kamen Van der Vaart und Huntelaar ins Spiel.

Wirkung entfaltet sich erst nach und nach

2. Halbzeit

Wobei das in den ersten Minuten nach Wiederanpfiff noch gar keine so große Wirkung zeigte. Nicht nur, weil Van Persie, der nun auf der rechten Seite agierte, isoliert blieb und sich Sneijder und Robben oft gegenseitig behinderten, weil beide von der linken Flanke kommen wollten. Sondern auch, weil Van der Vaart seine Rolle im zentralen Mittelfeld zunächst ähnlich tief stehend anlegte wie Van Bommel. Mitunter war Van der Vaart noch wesentlich tiefer als De Jong positioniert, stand gegen den Ball auf einer Höhe mit den Innenverteidigern, und holte sich die Bälle von hinten ab.

Aber immerhin: Nun kamen aus dem Mittelfeld-Zentrum auch konkrete Pässe für den Spielaufbau, nun wurde vorne auf die Gegner gepresst – wiewohl auch diesmal nicht in ausreichendem Maße nachgerückt wurde. Außerdem löste sich der Knoten auf der linken Seite, als Robben wieder auf rechts ging und Van Persie als hängende Spitze hinter Huntelaar agierte.

Nach und nach traute sich auch Van der Vaart wirklich nach vorne aufzurücken, sodass sich ein etwas schiefes 4-1-3-2 bildete. Von den fünf Defensiv-Spielern kam zwar immer noch zu wenig, aber dennoch hatten die Holländer hier – zwischen der 65. und der 80. Minute – ihre beste Phase. In die fiel auch das verdiente Anschlusstor durch Van Persie.

Eine Schwachstelle blieb aber: Arjen Robben. Nach seinem Horror-Saisonfinale mit den Bayern steht er immer noch komplett neben sich. Ihm fehlt nicht nur die Form, sondern ganz offensichtlich vor allem die innere Ruhe, um seine Leistung zu bringen. Wäre die rechte Seite nicht wieder ein Komplett-Ausfall gewesen, hätten die Holländer für noch viel mehr Druck sorgen können.

Hummels mit Problemen

Was auch daran lag, dass Mats Hummels zunehmend Probleme mit seinem Stellungsspiel bekam. Die Anwesenheit eines zweiten Stürmers schien ihn deutlich mehr zu verunsichern als Holger Badstuber, jedenfalls ermöglichten eher billige Fehler des gegen Portugal noch so starken Dortmunders, dass sich in dieser Phase immer wieder etwas Chaos in der deutschen Abwehr breitmachte.

Löw versuchte, mit Kroos statt Özil einen frischen Mann für die Zentrale zu bringen, um Van der Vaart wieder etwas weiter nach hinten zu drücken und so den Holländern jenen Punch aus dem Mittelfeld zu nehmen, der in den Minuten davor für das Aufkommen von Oranje verantwortlich war. Das, wie auch die Hereinnahme des geschickt an der Zeit drehenden Lars Bender (für Müller), ging auf und Deutschland gewann mit 2:1.

Fazit: 45 Minuten zu spät, Bert van Marwijk…

Die zweite Hälfte hat ganz eindeutig gezeigt, was Holland in der ersten gefehlt hat. Man kann Bert van Marwijk zu Gute halten, dass er seine massiven Fehleinschätzungen für die Startformation erkannt und sie für die zweite Hälfte erfolgreich korrigiert hat. Man könnte aber auch sagen: Das statische Mittelfeld-Zentrum hat gegen Dänemark schon nicht funktioniert, wie hätte es dann gegen Deutschland funktionieren sollen – noch dazu, wenn man das Spiel eigentlich gewinnen muss? Dass im holländischen Kader durchaus das Potential vorherrscht, aus dem Mittelfeld nachzurücken, dort Kreativität und Druck zu entwickeln, wurde in der zweiten Hälfte klar. Zu spät, denn ein 0:2 gegen Deutschland aufzuholen, ist kaum möglich.

Für Deutschland muss die zweite Hälfte als Warnschuss gelten. Man hat das Spiel dank einer intelligenten Vorstellung in der ersten Halbzeit gewonnen, aber nach dem Seitenwechsel ließ man sich zu leicht zurückdrängen, ließ sich die Initiative zu leicht nehmen – und das noch dazu gegen einen schwer verunsicherten Gegner, der gerade komplett umgestellt hatte. Anstatt in die Findungsphase der Holländer, die ja immerhin eine Viertelstunde dauerte, voll hinein zu bohren, wurde es dem Gegner ermöglicht, ins Spiel zurück zu kommen.

Das kann Löw nicht gefallen.

Gegen Deutschland war es ein recht klares 4-1-4-1, in dem die Portigiesen spielten. Gegen Dänemark war es nun eine anderen Situation: Nicht nur, dass der Gegner nicht so stark ist wie das deutsche Team, nein, vor allem mussten die Portugiesen gewinnen. Weshalb sich die Spielanlage etwas offensiver gestaltete. Was auch heißt: Nani und vor allem Cristiano Ronaldo spielten wesentlich höher, was aus dem System eher ein 4-3-3 machte.

Portugal - Dänemark 3:2 (2:1)

Vor allem Cristiano Ronaldo stand nicht nur recht hoch, sondern auch recht zentral. Zudem presste im Zentrum vor allem Meireles zuweilen recht heftig gegen das dänische Duo mit Kvist und Zimling. Dass letzterer schon nach einer Viertelstunde verletzt raus musste und statt ihm Jakob Poulsen kam, trug nicht gerade zur Sicherheit der dänischen Zentrale bei.

Zumal sich auch keiner der beiden, wie noch gegen Holland, zwischen die Innenverteidiger fallen ließ. Das war gegen Portugal, wo es keinen zentral spielenden offensiven Spieler gibt, nicht nötig. Doch gegen die aggressiven Gegenspieler schafften sie es nicht, für Struktur im dänischen Spiel zu sorgen. Auch, weil es diesem an der Breite fehlte: Krohn-Dehli und Rommedahl zogen sehr früh nach innen.

Das Problem dabei war, dass wenn die Außenverteidiger Jacobsn und Simon Poulsen aufrückten, war man für das extrem schnelle Umschalten der Portugiesen von Defensive auf Offensive anfällig. Vor allem über die Seite von Cristiano Ronaldo ging da relativ viel, weil Jacobsen gegen ihn und Coentrão nicht selten auf sich alleine gestellt war.

Dänen fehlen die Mittel

Als die Dänen noch überlegten, wie sie denn nun sinnvoll vor das gegnerische Tor kommen sollten, stand es dann auch schon 0:2 – erst verwertete Pepe eine Ecke, dann ließ man sich von einem schnellen Gegenstoß versenken.

Es gelang den Skandinaviern nicht, in den Rücken der Abwehr zu kommen und auch zu selten, den viel auch nach hinten arbeitenden Bendtner einzusetzen. Pepe und Bruno Alves machten, wie schon im Deutschland-Spiel gegen Gomez, zumeist einen guten Job. Den Anschlusstreffer kurz vor der Pause, eingeleitet durch einen klugen Flankenwechsel und eine Rückgabe vor die zu weit nach hinten gerückte Innenverteidigung, konnten sie aber nicht verhindern.

Selbst als sich Portugal in der zweiten Halbzeit merklich zurückzog und noch mehr auf Konter lauerte, gelang es zu selten, Überzahl-Situationen herzustellen. Nicht auf der Seite von Rommedahl, weil sich dieser dafür zu zentral positionierte. Nicht über jene von Krohn-Dehli, weil dieser gegen João Pereira keinen Stich machte und ebenfalls zur Mitte tendierte – dort aber von den aggressiven Moutinho und Meireles aus dem Spiel genommen wurden. Ebenso wie Eriksen, dem Veloso auf den Füßen stand.

Gefahr nur über die rechte Seite

Am gefährlichsten wurde es, wenn es Rechtsverteidiger Lars Jacobsen im Rücken des nicht gerade mit vollem Einsatz verteidigenden Ronaldo gelang, Coentrão entweder auszuspielen oder den Platz zu nützten, den dieser gab, wenn er eingerückt war. Solche Situationen ergaben sich aber erst dann immer öfter, als Rommedahl schon nicht mehr im Spiel war und durch Tobias Mikkelsen ersetzt worden war. Wenig überraschend fiel auch der Ausgleich, erneut durch Bendtner, nach einer präzisen Flanke über diese Seite.

Portugals Teamchef Paulo Bento musste nun natürlich alles riskieren und brachte Silvestre Varela für Meireles – der gleiche Wechsel wie gegen Deutschland. Erstaunlicherweise schaffte es Portugal tatsächlich, nach einer eher lethargisch geführten zweiten Hälfte den Schalter wieder umzulegen – das sehenswerte Siegtor von Varela belohnte das.

Fazit: Dänen stoßen an Limits, aber auch Portugal nicht frei von Sorgen

Als Dänemark gegen Holland das Spiel vom Gegner auf sich zukommen sah, verstand es die Mannschaft gut, die Kontrolle über das Mittelfeld zu bekommen und über Gegenstöße zum Erfolg zu kommen. Als man nun selbst das Spiel gestalten musste, und das gegen einen im Mittelfeld recht geschickt pressenden Kontrahenten, der noch dazu blitzschnell umschalten kann, wurden die Limits dieser Mannschaft offensichtlich. Noch dazu, nachdem mit Niki Zimling ein guter Taktgeber verletzt ausgefallen war.

Die Portugiesen sind wieder zurück im Turnier, weil sie sich bei aller Vorsicht und trotz der sehr reaktiven Spielweise wesentlich frecher und flinker zu Werke gingen als beim 0:1 gegen Deutschland. Dass allerdings hinter Cristiano Ronaldo ein ziemlich fieses Loch in der Defensiv-Arbeit klaffte, darf durchaus Grund zur Sorge geben. Nicht nur, weil die Dänen beide ihre Tore über diese Seite eingeleitet haben. Sondern auch, weil man nun gegen Holland spielt – ein Team, das gewinnen muss. Portugal wird daher wohl auch im dritten Gruppenspiel nicht die Spielgestaltung selbst übernehmen müssen; aber sicherlich die Flanke hinter Ronaldo besser schließen als gegen Dänemark

(phe)

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Deutschland rettet sich, Holland nicht https://ballverliebt.eu/2012/06/10/deutschland-rettet-sich-holland-nicht/ https://ballverliebt.eu/2012/06/10/deutschland-rettet-sich-holland-nicht/#comments Sun, 10 Jun 2012 02:36:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7425 Deutschland rettet sich, Holland nicht weiterlesen ]]> Euro 2012 / Tag 2 | Eine schwere Geburt war es, das erste Turnier-Spiel für den Mit-Favoriten aus Deutschland. Selbst hatte man großen Respekt vor den portugiesischen Flügeln, der Gegner machte das Zentrum zu – so gab’s eine recht statische Partie. Die Deutschen retteten den 1:0-Sieg, für Holland ging es nicht so gut aus: Nach dem nicht unverdienten 0:1 gegen Dänemark steht der Vize-Weltmeister schon jetzt mit dem Rücken zur Wand.

Deutschland - Portugal 1:0 (0:0)

Ganz klar: Der gegenseitige Respekt war vorhanden. Nein, mehr als das: Er war riesengroß. Das wurde in der Herangehensweise beider Mannschaften in diesem Spiel klar. So wussten die Portugiesen: Vor allem durch das Zentrum sind diese Deutschen mit den bei Real Madrid extrem gereiften Özil und Khedira, sowie mit Schweinsteiger, brandgefährlich. Das – und die Tatsache, dass es im portugiesischen Kader einfach keinen klassischen Spielgestalter gibt – führte zu einer sehr vorsichtigen Spielanlage.

Wirklich interessant war aber das Spiel über die Flanken. Cristiano Ronaldo (links) und Nani (rechts) zogen sich gegen den Ball sehr weit zurück, sodass bei Portugal ein recht klares 4-1-4-1 entstand. Ziel war es, die beiden nach Ballgewinn schnell steil zu schicken, um vor allem bei Ronaldo die klaren individuellen Vorteile gegenüber Jeroma Boateng zu nützen.

Auch deutsche Flügel vorsichtig

Allerdings wussten natürlich auch die Deutschen, welche Gefahr über Ronaldo und Nani ausgeht. Daher hatte Boateng als Rechtsverteidiger gegen Ronaldo praktisch ausschließlich defensive Aufgaben zu erfüllen und schaltete sich praktisch gar nicht in das Spiel nach vorne ein. Zwar wurde in einige Szenen der Klasseunterschied zum Superstar der Portugiesen schon deutlich, aber Boateng machte grundsätzlich einen sehr soliden Job: Er verzögerte gut, drängte Ronaldo ab und bekam auch gute Unterstützung; vermied es aber, allzu forsch an den Mann zu gehen.

Die sehr konservative Spielweise von Boateng bedeutete, dass Müller vorne ohne seinen Außenverteidiger auskommen musste. Das versuchten die Deutschen auzugleichen, indem Mesut Özil vom Zentrum immer wieder auf den rechten Flügel ging und Müller entweder kurz anspielte, oder es dem Bayern-Spieler ermöglichte, selbst an die Grundlinie oder – noch häufiger – Richtung Strafraum zu ziehen. Coentrão war damit beschäftigt und auch zumeist keine Hilfe für Ronaldo.

Auf der anderen Flanke wusste auch Philipp Lahm um die Stärke von Nani. Daher hielt sich auch der Kapitän der deutschen Mannschaft sehr zurück und beschränkte sich zumeist darauf, den Flügelspieler von Manchester United nicht zur Geltung kommen zu lassen. Auch hier hieß das, dass Lahms Vordermann (Podolski) ohne viel Hilfe von hinten auskommen musste. Podolski nützte das, um recht hoch zu stehen und João Pereira festzunageln, bzw. um zu Gomez in den Strafraum zu ziehen.

Statisches Spiel

Die Folge war ein recht statisches Spiel, in dem die Portugiesen darauf achteten, nichts durch die Mitte zuzulassen und den Raum zwischen Mittelfeld und Abwehr gering zu halten, um Özil nicht seine große Stärke, die Bewegung zwischen den Linien, zuzugestehen. Und die Deutschen danach trachteten, Ronaldo und Nani unter Kontrolle zu halten, während sie gleichzeitig wussten, dass sie durch das Zentrum nichts zu befürchten hatten.

Torchancen blieben Mangelware; die beste hatte vor der Pause Portugal mit Pepes Lattenpendler nach einem Eckball. Selbst nach dem Seitenwechsel änderte sich am Bild des Spiels wenig: Das Tempo blieb überschaubar, die Vorsicht regierte auf beiden Seiten und kein Team schaffte es, das Defensiv-Konzept des jeweils anderen auszuhebeln.

Deutsche Führung, Varelas Freiräume

Nach etwa einer Stunde allerdings hatten die Deutschen einen Weg gefunden, um in den Rücken der Abwehr zu kommen. Sie hatten sich dafür Bruno Alves und Coentrão zurecht gelegt: Es gelang nun nämlich besser, Alves im Zentrum zu binden, wenn Coentrão sich etwas nach vorne bewegt. Das ermöglichte es Müller, aber auch Özil und dem gegenüber Schweinsteiger deutlich offensiveren Khedira, Flanken Richtung Gomez zu schlagen. Einige Versuche schlugen fehl, aber in der 72. Minute fand eine abgefälschte Flanke den Mittelstürmer, der per Kopf zum 1:0 traf.

Paulo Bento musste nun natürlich alles auf eine Karte setzen und brachte Silvestre Varela für Meireles. Der Mann vom FC Porto ist zwar eher ein Flügelstürmer, agierte nun aber halbrechts offensiv und sorgte so für ein personelles Übergewicht in diesem Spielfeld-Bereich. Weil Lahm weiterhin auf Nani aufpassen musste und Schweinsteiger nach seiner Muskelverletzung offensichtlich die Zweikämpfe noch etwas scheute, hatte der neue Mann viele Freiheiten und nützte diese auch zu einer handvoll richtig guter Tormöglichkeiten.

Die Deutschen brauchten in dieser Phase dringend die Paraden von Torhüter Manuel Neuer, um das Spiel über die Zeit zu bringen. Und Neuer hielt die drei Punkte fest.

Fazit: Daran wird sich Deutschland gewöhnen müssen

Ein nicht besonders spektakuläres Spiel, aber nach der deutschen Führung durchaus spannend und am Ende, als Portugal vehement auf den Ausgleich drängte, sogar dramatisch. Die Partie war vom Vorhaben geprägt, nur ja die Stärken des Gegners zu neutralisieren um in dieser schweren Gruppe nur ja keine vermeidbare Niederlage einzustecken.

Deutschland fand mit den Flanken von der rechten Seite ein wirksames Mittel und schlugen daraus letztlich entscheidend zu. Es war beileibe kein Feuerwerk, aber das DFB-Team wird sich daran gewöhnen müssen, dass sich die Gegner äußerst defensiv verhalten, um Özil und Co. keine Räume zu geben. Da wird für das spielstarke deutsche Team Lösungen finden müssen.

Souveräne Qualifikation, dort Portugal distanziert, und trotzdem traute denen Dänen kaum jemand zu, in dieser Gruppe mehr als eine Statistenrolle zu spielen. Großer Fehler! Denn die Mannschaft von Teamchef Morten Olsen präsentierte sich gegen den Vize-Weltmeister als extrem kompakte Truppe, die defensiv extrem aufmerksam agierte und den Holländern einen ziemlichen Fehlstart verpasste.

Holland - Dänemark 0:1 (0:1)

Dänemark stellte sich zunächst einmal tief auf und erwartete Oranje mit der vordersten Front (Eriksen und Bendtner) etwa auf Höhe der Mittellinie, mit Zimling und/oder Kvist als Unterstützung, wenn es darum ging, auf Van Bommel und De Jong zu pressen. So zwangen die Dänen Holland ein überschaubares Tempo auf. Hinzu kam, dass Mathijsen-Ersatz Ron Vlaar in der Innenverteidigung in der Spieleröffnung komplett unbrauchbar ist und mit Jetro Willems ein international völlig unerfahrender Jungspund stand.

Die Flügelspieler im dänischen Team kamen zunächst kaum zur Geltung. Vor allem Krohn-Dehli machte aber defensiv gemeinsam mit Poulsen gegen Robben grundsätzlich keine so schlechte Figur, indem der half, mit Simon Poulsen gemeinsam Robben permanent doppelten. Was sie allerdings nicht verhindern konnten, waren dessen Pässe auf den sich nach außen orientierenden Van Persie. Hier war Agger zwei, drei Mal etwas unaufmerksam.

Perfekt organisiert

Was vor allem in den ersten rund 20 Minuten des Spiels häufig passierte. Holland kam zu einigen guten Chancen, und die Dänen machten da noch keine wirklich gute Figur im Spiel nach vorne. Krohn-Dehli war sehr defensiv unterwegs, Bendtner wurde kaum ins Spiel gebracht und die wenigen Vorstöße blieben harmlos. Ehe ein Pressball von Simon Poulsen eher zufällig zu Krohn-Dehli kam, dieser in den Strafraum zog und durch die Beine von Stekelenburg zum 1:0 traf.

Mit der Führung wurde die dänische Brust extrem breit. Immer deutlicher wurde nun, wie perfekt diese Mannschaft eingestellt war. Und zwar von vorne bis hinten. Denn nun rückten die Außenvertedigier Jacobsen und Poulsen immer weiter auf und beschäftigten so Robben und Afellay. Das war auch deshalb möglich, weil sich einer aus dem defensiven Mittelfeld – zumeist Niki Zimling – zwischen die Innenverteidiger fallen ließ. Kjær und Agger konnten somit nach außen absichern. Im Zentrum verblieb Kvist, bzw. die etwas einrückenden Rommedahl und Krohn-Dehli.

Holland ratlos

Damit konnte zwar die Geschwindigkeit vor allem von Rommedahl kaum ins Spiel gebracht werden, aber die Raumaufteilung war exzellent und mit den sich gut bewegenden und fleißig pressenden Bendtner und Eriksen vorne hatten die Holländer größte Probleme, das eigene Spiel aufzuziehen. Vor allem die Breite fehlte, weil Van der Wiel (schwach) und Willems (überfordert) sich viel zu wenig trauten und so auf den Flügeln eine permanente Unterzahl herrschte. Die einzige Möglichkeit der Holländer, zu Torchancen zu kommen, war über individuelle Klasse.

Die Niederländer wirkten zunehmend ratlos. Wesley Sneijder veruschte, sich dem gut abgestimmten Zentrum mit Kvist und dem sehr beeindruckenden Zimling zu entgehen, indem er sich vermehrt Richtung linke Außenbahn bewegte. Dort war Rommedahl nicht ganz so viel in die Arbeit nach hinten eingebunden wie Krohn-Dehli auf der anderen. Er brachte auch Bälle in den Strafraum, aber dort machten Kjær und Agger eine sehr starke Partie.

Spielkontrolle ohne hohe Bälle

Sehr beeindruckend war bei den Dänen, wie ruhig und diszipliniert sie agierten, wenn sie holländische Angriffe stoppten und selbst in Ballbesitz kamen. Denn weggedroschen wurde hinten gar nichts – es wurde immer versucht, den Ball ruhig in den eigenen Reihen zu halten, sich gar nicht erst auf Kopfballduelle nach 50m-Befreiungsschlägen einzulassen und so die Kontrolle über das Spiel zu übernehmen.

Vor allem mit der Maßnahme, wie schon bei der WM in Südafrika einen Sechser zwischen die Innenverteidiger zu schieben und so die Flanken zu stärken. Rund 20 Minuten vor Schluss stellte Bondscoach Van Marwijk dann um: Mit Huntelaar (statt Afellay) kam ein echter Strafraumstürmer zu dem extrem weite Wege gehenden Van Persie, Sneijder ging nun ganz auf die linke Seite; dazu kam mit Van der Vaart ein neuer Achter/Zehner für das Zentrum statt De Jong.

Morten Olsen konterte sofort, indem er mit Lasse Schøne einen gegenüber dem ausgewechselten Eriksen etwas defensiveren Spieler für die Sicherung im Zentrum brachte, dazu hielten Jacobsen und Poulsen auf den Außen nun ihre defensiven Positionen ein und die beiden Sechser machten das Zentrum auf einer Höhe dicht. Die Folge: Holland fand auch weiterhin kaum Wege Richtung Andersens Tor. Und wenn, verdaddelten sie die Chancen.

Fazit: Durchaus verdienter dänischer Sieg

„Wir waren das bessere Team“, gab Dänemarks Teamchef Morten Olsen  nach dem Spiel zu Protokoll, und man kann ihm kaum Widersprechen. Die Organisation der Dänen war nahezu perfekt, vor allem Niki Zimling zeigte eine beeindruckende Leistung. Aber auch die Innenverteidigung war sehr aufmerksam, die Außenverteidiger zeigten gute Spielintelligenz und das permanente Anpressen der holländischen Spieleröffnung machte Oranje doch zu schaffen.

Natürlich ist der Vize-Weltmeister individuell deutlich besser besetzt als Dänemark, aber dennoch müssen sie sich neben einigen vergebenen Chancen vorwerfen lassen, einfach keine gute Leistung abgeliefert und keine Strategien entwickelt zu haben, wie man den Rückstand noch zumindest ausgleichen hätte können. Zu viel baute auf Einzelaktionen und dem Vertrauen auf individuelle Klasse auf. Das war zu wenig

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BV Re-Issue – Fußballer vs. Zerstörer 1:0 https://ballverliebt.eu/2010/12/27/bv-re-issue-fusballer-vs-verlierer-10/ https://ballverliebt.eu/2010/12/27/bv-re-issue-fusballer-vs-verlierer-10/#respond Mon, 27 Dec 2010 10:36:32 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=3520 BV Re-Issue – Fußballer vs. Zerstörer 1:0 weiterlesen ]]> Danke, Iniesta: Er bewahrte die Fußballwelt vor einem Weltmeister, der über 120 Minuten nur getreten, gemotzt und zerstört hat und gar nicht erst versucht hat, Fußball zu spielen. Das späte 1:0 macht aus Spanien einen korrekten Titelträger.

Spanien – Holland 1:0 n.V.

Spanien - Holland 1:0 n.V.

ARD-Stammtischbruder Paul Breitner hatte Recht. „Weil’s nix bringt“, meinter er auf die Frage, warum das deutsche Team im Semfinale gegen Spanien nicht körperlicher gespielt habe. „Du kriegst Gelb, dem Spanier ist die Attacke aber wurscht und er wickelt dich zwei Minuten später genauso ein. Und du kannst nimmer gscheit hingehen, weilst sonst vom Platz fliegst!“ Die Holländer hatten ihn offenbar nicht gehört, denn das Hauptkonzept von Oranje im Finale war: Niedertreten, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Zu Beginn des Spiels lief alles wie erwartet: Spanien krallt sich sofort den Ballbesitz, die Holländer stehen – wie schon die Deutschen im Semifinale – zunächst zu tief. Die Folge: Schon nach zehn Minuten hatten die Spanier drei hochkarätige Tormöglichkeiten vorgefunden. Die Seleccion trat ebenso wie das Oranje-Team in der erwarteten Aufstellung an, jedoch spielte Pedro nicht so aktiv wie im Semifinale. Er war nominell auf der rechten Außenbahn aufgestellt, hielt sich aber tatsächlich sehr viel in der Mitte auf, beinahe als hängende Spitze hinter Villa.

So blieb Ramos die rechte Seite weitgehend alleine überlassen, was zu Beginn gegen den langsamen Van Bronckhorst auf ganz gut funktionierte. Ramos und Cadevila die Dribbler über die Außen, Xavi und Iniesta die schnellen Passgeber im Zentrum – alles keine Überraschung. Nach etwa einer Viertelstunde fingen die Holländer allerdings zum einen an, höher zu stehen und wesentlich früher und wesentlich konsequente zu Pressen, zudem stiegen sie nun desöfteren ziemlich rustikal ein. Nicht nur die Brutalo-Fouls von Van Bommel (der Iniesta aus vollem Lauf das Standbein umtrat) und De Jong (der Kickboxer gegen Xabi Alonso), die beide ohne Wenn und Aber mit klaren roten Karten geahndet hätten werden müssen – es gab jeweils nur Gelb – sondern viele kleine Fouls im Mittelfeld, um den Spielfluss der Spanier zu stören.

Was wunderbar funktionierte. Den Spaniern gelang es nun praktisch gar nicht mehr, wirklich konstruktiv in Richtung des holländischen Strafraums zu kommen, Kuyt drängte Ramos vermehrt nach hinten (wodurch Van Bronckhorst deutlich entlastet wurde) und Robben beschäftigte nun Capdevila, der oft von Xabi Alonso beim Doppeln von Robben unterstützt wurde. Somit erfüllten Robben und Kuyt ihre Aufgabe: Das Abstellen der spanischen Flanken. Denn wenn man den Spaniern die Seite nimmt und das Aufbauspiel ins Zentrum zwingt, lassen sich Räume gut zustellen. Das schafften Podolski/Boateng und Lahm/Trochowski im Semifinale nicht, den Holländern gelang es schon.

Allerdings hieß das, das auch das Oranje-Aufbauspiel über das Zentrum zu gehen hatte. Kuyt beschäftigte zwar Ramos, kam aber sonst nicht zur Geltung und mehr als Eckbälle konnte der auf sich alleine gestellte Robben nicht produzieren. So blieb den Holländern nur noch die Option über 50m-Pässe in Richtung Van Persie und Sneijder (letzterer agierte wie gewohnt als hängende Spitze), welche aber entweder sichere Beute von Casillas, Puyol und Piqué wurden, oder – noch viel öfter – gleich irgendwo im Nirvana endeten, ohne Chance, jemals einen Mitspieler zu erreichen. Das logische Resultat zur Pause war somit das 0:0.

Zweite Hälfte

Nach der Pause taute dann Iniesta, der von Mark van Bommel ziemlich in die Mangel genommen worden war, deutlich auf. Er wich nun vermehrt auf die linke Seite aus, wo der holländische Außenverteidiger Gregory van der Wiel keinen allzu guten Tag hatte. Wenn immer sich Iniesta nun aus der Umklammerung von Van Bommel lösen konnte, wurde es gefährlich, vor allem, nachdem auch Innenverteidiger John Heitinga nach seiner Verwarnung viel vorsichtiger in die Zweikämpfe gehen hatte müssen. Iniesta rochierte zudem mit Villa, sodass Van der Wiel, sollte Iniesta doch wieder in die Mitte ziehen, weiterhin beschäftigt war.

Nach einer Stunde brachte Del Bosque dann Jesús Navas für den diesmal eher enttäuschenden Pedro, um die Oranje-Schwachstelle Van Bronckhorst kosequenter anzubohren. Mit Erfolg: Navas brachte über seine linke Seite nun viel mehr Wirbel, als der nicht allzu positionstreue Pedro das vor ihm tat. Offensiv war Van Bronckhorst nun komplett aus dem Spiel, defensiv hatte er einige Probleme. Durch Iniesta (mit dem fleißigen Capdevila) auf der einen und dem wuseligen Navas auf der anderen Seite gelang es den Spaniern, ihre vor der Pause abgeschalteten Flügel wieder deutlich zu beleben.

Alleine, Torerfolg wollte keiner gelingen. So hätten sich die Spanier nicht wundern müssen, hätte Robben eine der beiden krassen Unachtsamkeiten in der Defensive ausnützen konnte: Die Abwehrreihe war jeweils zu weit aufgerückt, ein Pass in den Lauf des nun auch mehr durch die Mitte ziehnten Robben, und zwei Mal wäre es fast geschehen, allerdings klärte in beiden Szenen Casillas hervorragend – in der zweiten hatte Puyol zudem etwas Glück, nicht mit seiner zweiten Gelben vom Platz zu müssen. In diesen wenigen Szenen blitzte auf, dass die Holländer ja durchaus ansehnlichen Fußball spielen könnten.

Was man den Spaniern hoch anrechnen muss ist die Tatsache, dass sie sich (von Iniestas kurzem Auszucker abgesehen) von den holländischen Härteeinlagen nie wirklich aus der Ruhe bringen ließen, und auch keine dummen Fouls begingen – die meisten Verwarnungen für die Spanier nach der Pause resultierten aus notwendigen, taktischen Vergehen. Auf der anderen Seite gab es nun zwar keine wirklich böswilligen Attacken mehr auf die Gesundheit der Gegenspieler, aber durch permanentes In-den-Mann-Gehen schafften es die Holländer auch in der zweiten Hälfte, einen wirklich durchgängigen Spielfluss bei den Spaniern nie aufkommen zu lassen. Diese zogen zwar in einzelnen Szenen immer wieder das Tempo an (vor allem Navas, aber auch Iniesta), wirklich schwere Bäller musste Oranje-Keeper Stekelenburg aber nicht pararieren – so ging es also in die Verlängerung.

Verlängerung

Fàbregas, der für Xabi Alonso gekommen war, ermöglichte es Xavi, nun etwas mehr aus der Tiefe zu kommen. Die Spanier haben eingesehen, dass sie zu ihrem Kurzpass-Spiel in diesem Finale nicht mehr kommen würden, und stellten dahingehend um – Xavi als Passgeber, um die Offensivkräfte vor ihm für Sololäufe in Szene zu setzen. Navas, Iniesta und Fàbregas fanden in der ersten Hälfte der Verlängerung jeweils schon auf diese Art und Weise Möglichkeiten vor.

Van Marwijk nahm mit De Jong einen Sechser raus und brachte mit Rafael van der Vaart einen weiteren Offensiven – zumindest nominell. In der Praxis musste nämlich Van der Vaart beinahe auf einer Höhe mit Mark van Bommel ebenso im defensiven Mittelfeld auflaufen und konnte so offensiv für keinerlei Akzente sorgen. Das sollte aus Sicht der Holländer jedoch Edson Braafheid, der zwar ebenso Linksverteidiger ist wie der mit Navas leicht überforderte Giovanni van Bronckhorst, für den er gekommen war, allerdings zum einen als schneller gilt (was gegen Navas wichtig war), als auch als mutiger in der Vorwärtsbewegung.

Als dann mit John Heitinga sich dann endlich doch noch ein Holländer den wohlverdienten Ausschluss abgeholt hatte, musste Mark van Bommel in die Abwehrzentrale zurück. Der für Villa ins Spiel gekommene Torres (der einmal mehr wirkungslos blieb und nur durch seine Zerrung ohne Fremdeinwirkung auffiel) konnte dies nicht nützen, die Überzahl half aber ohne Frage beim entscheidenden Tor. Dieses fiel nämlich genau über das Loch, das der Neu-Verteidiger Van Bommel im Mittelfeld riss und welches Van der Vaart nicht gut genug abdecken konnte. Abseits war es keines, Van der Vaart stellte sich etwas ungeschickt an, und Iniesta traf völlig freistehend zum verdienten 1:0. Das war natürlich die Entscheidung: Mit einem Mann weniger und einem solchen Nackenschlag im Gepäck war es den Holländern nicht mehr möglich, nach 115 Minuten Zerstören plötzlich auf Fußball umzustellen.

Fazit

Mit Worten wie „armselig“, „erbärmlich“, „widerlich“, „ekelhaft“ und „skandalös“ warf sky-Kommentator Marcel Reif im Zusammenhang mit dem Holzhacker-Auftitt der Holländer nur so um sich – und er hatte mit jedem einzelnen damit absolut Recht. Noch schlimmer ist es allerdings, dass sich Oranje nach dem Spiel ausgerechnet auf Schiedsrichter Howard Webb ausredeten. Das einzige, was man dem Engländer vorwerfen muss ist, dass er nicht schon viel früher angefangen hat, Holländer vom Platz zu stellen.

Was das Spiel selbst angeht sind die Spanier ohne jeden Zweifel der verdiente Sieger, weil sie diejenige Mannschaft waren, die zumindest versuchten, ein Fußballspiel zu absolvieren und sie haben sich von der Brutalo-Gangart der Holländer praktisch nicht aus der Fassung bringen lassen. Mit der Ruhe, welche die Spanier schon im ganzen Turnierverlauf auszeichnete, wartete die Seleccion geduldig auf die Chancen, und letztlich wurde eine davon genützt.

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Finale – Fußballer vs. Zerstörer 1:0 https://ballverliebt.eu/2010/07/12/finale-fusballer-vs-zerstorer-10/ https://ballverliebt.eu/2010/07/12/finale-fusballer-vs-zerstorer-10/#comments Mon, 12 Jul 2010 15:27:48 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2452 Finale – Fußballer vs. Zerstörer 1:0 weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Finale | Danke, Iniesta: Er bewahrte die Fußballwelt vor einem Weltmeister, der über 120 Minuten nur getreten, gemotzt und zerstört hat und gar nicht erst versucht hat, Fußball zu spielen. Das späte 1:0 macht aus Spanien einen korrekten Titelträger.

Spanien – Holland 1:0 n.V.

Spanien - Holland 1:0 n.V.

ARD-Stammtischbruder Paul Breitner hatte Recht. „Weil’s nix bringt“, meinter er auf die Frage, warum das deutsche Team im Semfinale gegen Spanien nicht körperlicher gespielt habe. „Du kriegst Gelb, dem Spanier ist die Attacke aber wurscht und er wickelt dich zwei Minuten später genauso ein. Und du kannst nimmer gscheit hingehen, weilst sonst vom Platz fliegst!“ Die Holländer hatten ihn offenbar nicht gehört, denn das Hauptkonzept von Oranje im Finale war: Niedertreten, alles was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Zu Beginn des Spiels lief alles wie erwartet: Spanien krallt sich sofort den Ballbesitz, die Holländer stehen – wie schon die Deutschen im Semifinale – zunächst zu tief. Die Folge: Schon nach zehn Minuten hatten die Spanier drei hochkarätige Tormöglichkeiten vorgefunden. Die Seleccion trat ebenso wie das Oranje-Team in der erwarteten Aufstellung an, jedoch spielte Pedro nicht so aktiv wie im Semifinale. Er war nominell auf der rechten Außenbahn aufgestellt, hielt sich aber tatsächlich sehr viel in der Mitte auf, beinahe als hängende Spitze hinter Villa.

So blieb Ramos die rechte Seite weitgehend alleine überlassen, was zu Beginn gegen den langsamen Van Bronckhorst auf ganz gut funktionierte. Ramos und Cadevila die Dribbler über die Außen, Xavi und Iniesta die schnellen Passgeber im Zentrum – alles keine Überraschung. Nach etwa einer Viertelstunde fingen die Holländer allerdings zum einen an, höher zu stehen und wesentlich früher und wesentlich konsequente zu Pressen, zudem stiegen sie nun desöfteren ziemlich rustikal ein. Nicht nur die Brutalo-Fouls von Van Bommel (der Iniesta aus vollem Lauf das Standbein umtrat) und De Jong (der Kickboxer gegen Xabi Alonso), die beide ohne Wenn und Aber mit klaren roten Karten geahndet hätten werden müssen – es gab jeweils nur Gelb – sondern viele kleine Fouls im Mittelfeld, um den Spielfluss der Spanier zu stören.

Was wunderbar funktionierte. Den Spaniern gelang es nun praktisch gar nicht mehr, wirklich konstruktiv in Richtung des holländischen Strafraums zu kommen, Kuyt drängte Ramos vermehrt nach hinten (wodurch Van Bronckhorst deutlich entlastet wurde) und Robben beschäftigte nun Capdevila, der oft von Xabi Alonso beim Doppeln von Robben unterstützt wurde. Somit erfüllten Robben und Kuyt ihre Aufgabe: Das Abstellen der spanischen Flanken. Denn wenn man den Spaniern die Seite nimmt und das Aufbauspiel ins Zentrum zwingt, lassen sich Räume gut zustellen. Das schafften Podolski/Boateng und Lahm/Trochowski im Semifinale nicht, den Holländern gelang es schon.

Allerdings hieß das, das auch das Oranje-Aufbauspiel über das Zentrum zu gehen hatte. Kuyt beschäftigte zwar Ramos, kam aber sonst nicht zur Geltung und mehr als Eckbälle konnte der auf sich alleine gestellte Robben nicht produzieren. So blieb den Holländern nur noch die Option über 50m-Pässe in Richtung Van Persie und Sneijder (letzterer agierte wie gewohnt als hängende Spitze), welche aber entweder sichere Beute von Casillas, Puyol und Piqué wurden, oder – noch viel öfter – gleich irgendwo im Nirvana endeten, ohne Chance, jemals einen Mitspieler zu erreichen. Das logische Resultat zur Pause war somit das 0:0.

Nach der Pause taute dann Iniesta, der von Mark van Bommel ziemlich in die Mangel genommen worden war, deutlich auf. Er wich nun vermehrt auf die linke Seite aus, wo der holländische Außenverteidiger Gregory van der Wiel keinen allzu guten Tag hatte. Wenn immer sich Iniesta nun aus der Umklammerung von Van Bommel lösen konnte, wurde es gefährlich, vor allem, nachdem auch Innenverteidiger John Heitinga nach seiner Verwarnung viel vorsichtiger in die Zweikämpfe gehen hatte müssen. Iniesta rochierte zudem mit Villa, sodass Van der Wiel, sollte Iniesta doch wieder in die Mitte ziehen, weiterhin beschäftigt war.

Nach einer Stunde brachte Del Bosque dann Jesús Navas für den diesmal eher enttäuschenden Pedro, um die Oranje-Schwachstelle Van Bronckhorst kosequenter anzubohren. Mit Erfolg: Navas brachte über seine linke Seite nun viel mehr Wirbel, als der nicht allzu positionstreue Pedro das vor ihm tat. Offensiv war Van Bronckhorst nun komplett aus dem Spiel, defensiv hatte er einige Probleme. Durch Iniesta (mit dem fleißigen Capdevila) auf der einen und dem wuseligen Navas auf der anderen Seite gelang es den Spaniern, ihre vor der Pause abgeschalteten Flügel wieder deutlich zu beleben.

Alleine, Torerfolg wollte keiner gelingen. So hätten sich die Spanier nicht wundern müssen, hätte Robben eine der beiden krassen Unachtsamkeiten in der Defensive ausnützen konnte: Die Abwehrreihe war jeweils zu weit aufgerückt, ein Pass in den Lauf des nun auch mehr durch die Mitte ziehnten Robben, und zwei Mal wäre es fast geschehen, allerdings klärte in beiden Szenen Casillas hervorragend – in der zweiten hatte Puyol zudem etwas Glück, nicht mit seiner zweiten Gelben vom Platz zu müssen. In diesen wenigen Szenen blitzte auf, dass die Holländer ja durchaus ansehnlichen Fußball spielen könnten.

Was man den Spaniern hoch anrechnen muss ist die Tatsache, dass sie sich (von Iniestas kurzem Auszucker abgesehen) von den holländischen Härteeinlagen nie wirklich aus der Ruhe bringen ließen, und auch keine dummen Fouls begingen – die meisten Verwarnungen für die Spanier nach der Pause resultierten aus notwendigen, taktischen Vergehen. Auf der anderen Seite gab es nun zwar keine wirklich böswilligen Attacken mehr auf die Gesundheit der Gegenspieler, aber durch permanentes In-den-Mann-Gehen schafften es die Holländer auch in der zweiten Hälfte, einen wirklich durchgängigen Spielfluss bei den Spaniern nie aufkommen zu lassen. Diese zogen zwar in einzelnen Szenen immer wieder das Tempo an (vor allem Navas, aber auch Iniesta), wirklich schwere Bäller musste Oranje-Keeper Stekelenburg aber nicht pararieren – so ging es also in die Verlängerung.

Fàbregas, der für Xabi Alonso gekommen war, ermöglichte es Xavi, nun etwas mehr aus der Tiefe zu kommen. Die Spanier haben eingesehen, dass sie zu ihrem Kurzpass-Spiel in diesem Finale nicht mehr kommen würden, und stellten dahingehend um – Xavi als Passgeber, um die Offensivkräfte vor ihm für Sololäufe in Szene zu setzen. Navas, Iniesta und Fàbregas fanden in der ersten Hälfte der Verlängerung jeweils schon auf diese Art und Weise Möglichkeiten vor.

Van Marwijk nahm mit De Jong einen Sechser raus und brachte mit Rafael van der Vaart einen weiteren Offensiven – zumindest nominell. In der Praxis musste nämlich Van der Vaart beinahe auf einer Höhe mit Mark van Bommel ebenso im defensiven Mittelfeld auflaufen und konnte so offensiv für keinerlei Akzente sorgen. Das sollte aus Sicht der Holländer jedoch Edson Braafheid, der zwar ebenso Linksverteidiger ist wie der mit Navas leicht überforderte Giovanni van Bronckhorst, für den er gekommen war, allerdings zum einen als schneller gilt (was gegen Navas wichtig war), als auch als mutiger in der Vorwärtsbewegung.

Als dann mit John Heitinga sich dann endlich doch noch ein Holländer den wohlverdienten Ausschluss abgeholt hatte, musste Mark van Bommel in die Abwehrzentrale zurück. Der für Villa ins Spiel gekommene Torres (der einmal mehr wirkungslos blieb und nur durch seine Zerrung ohne Fremdeinwirkung auffiel) konnte dies nicht nützen, die Überzahl half aber ohne Frage beim entscheidenden Tor. Dieses fiel nämlich genau über das Loch, das der Neu-Verteidiger Van Bommel im Mittelfeld riss und welches Van der Vaart nicht gut genug abdecken konnte. Abseits war es keines, Van der Vaart stellte sich etwas ungeschickt an, und Iniesta traf völlig freistehend zum verdienten 1:0. Das war natürlich die Entscheidung: Mit einem Mann weniger und einem solchen Nackenschlag im Gepäck war es den Holländern nicht mehr möglich, nach 115 Minuten Zerstören plötzlich auf Fußball umzustellen.

Fazit: Mit Worten wie „armselig“, „erbärmlich“, „widerlich“, „ekelhaft“ und „skandalös“ warf sky-Kommentator Marcel Reif im Zusammenhang mit dem Holzhacker-Auftitt der Holländer nur so um sich – und er hatte mit jedem einzelnen damit absolut Recht. Noch schlimmer ist es allerdings, dass sich Oranje nach dem Spiel ausgerechnet auf Schiedsrichter Howard Webb ausredeten. Das einzige, was man dem Engländer vorwerfen muss ist, dass er nicht schon viel früher angefangen hat, Holländer vom Platz zu stellen.

Was das Spiel selbst angeht sind die Spanier ohne jeden Zweifel der verdiente Sieger, weil sie diejenige Mannschaft waren, die zumindest versuchten, ein Fußballspiel zu absolvieren und sie haben sich von der Brutalo-Gangart der Holländer praktisch nicht aus der Fassung bringen lassen. Mit der Ruhe, welche die Spanier schon im ganzen Turnierverlauf auszeichnete, wartete die Seleccion geduldig auf die Chancen, und letztlich wurde eine davon genützt.

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VF1 – Die Seleção eliminiert sich selbst https://ballverliebt.eu/2010/07/02/die-selecao-eliminiert-sich-selbst/ https://ballverliebt.eu/2010/07/02/die-selecao-eliminiert-sich-selbst/#comments Fri, 02 Jul 2010 17:43:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2416 VF1 – Die Seleção eliminiert sich selbst weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Viertelfinale 1 | Der erste der beiden Topfavoriten ist raus – wie vor vier Jahren scheitert Brasilien im Viertelfinale. Allerdings nicht nur an Holland, sondern zu einem großen Teil auch an sich selbst! Denn während Oranje im Rückstand ruhig blieb, schmiss die Seleção die Nerven weg.

Holland – Brasilien 2:1 (0:1)

Holland - Brasilien 2:1

Die schiefe Formation der Seleção sollte das eher starre 4-2-3-1 der Holländer vor Probleme stellen, so hatte es Dunga geplant – und im Grunde ging es auch auf. RV Gregory van der Wiel hatte mit Robinho, der wie gewohnt einen Linksaußen gab, viel zu tun und sowar Arjen Robben, der rechte Offensivmann im holländischen Team, ziemlich auf sich alleine gestellt. Gegen LV Bastos hatte er Probleme, weswegen er oft schon früh in die Mitte zu – zu früh, denn dort wartete erst Felipe Melo auf ihn, und in letzter Instanz immer noch Juan. Daher verpuffte Robben in der ersten Hälfte einigermaßen wirkungslos.

Robinho hatte links einige Freiheiten und wurde viel von Kaká und Luís Fabiano (denen allerdings nicht allzu viel gelang) ganz gut unterstützt – und er nützte auch die Abstimmungsschwierigkeiten in der holländischen Abwehr zum frühen 1:0 aus. Ooijer (der kurufristig für den beim Aufwärmen verletzten Mathijsen in der IV einsprang) und Van der Wiel passten nicht auf, Heitinga verlor ebenso den Überblick, sodass Felipe Melos Traumpass steil in den Lauf von Robinho die Brasilianer schnell in Front brachte.

Auf der rechten Offensivseite der Brasilianer gab es keinen echten Stürmer, dafür hatten Dani Alves als RM und Maicon als RV ziemlich Narrenfreiheit. Denn der holländische LV Van Bronckhorst hatte dem Tempo der beiden überhaupt nichts entgegen zu setzen, De Jong war mehr mit Kaká beschäftigt und Dirk Kuyt musste so extrem viel Defensivarbeit leisten, was sich logischerweise hemmend auf seinen Vorwärtsdrang auswirkte. Wenn sich Van Brockhorst auf die Verfolgung von Alves machte (was meistens der Fall war), hatte Maicon Platz ohne Ende – und wenn er sich von Alves löste, nützte dieser wiederum seine Freiheiten. So brachte Dunga auf seine rechte Seite ein Übergewicht, indem er weniger Leute aufgestellt hatte als auf seine linke.

Die beiden Sechser der Holländer, De Jong und Van Bommel, standen einigermaßen hoch und verlegten sich auf Zustellen der Passwege, anstatt auf das Zustellen der Anspielstationen für den brasilianischen Spielaufbau. Das war einigermaßen riskant und ging auch immer mal wieder schief, im Großen und Ganzen funktionierte das allerdings ganz okay. Wirklich gefählirch wurde die Seleção wenn, dann über die Außen. Viel Spielfluss kam in der ersten Hälfte aber ohnedies nicht zu Stande, und aus Standardsituationen wurde Oranje nicht allzu gefährlich. Sneijder und Van Persie versuchten, sich der Umklammerung des brasilianischen DM zu entziehen, indem sie sich noch weiter nach vorne postierten. Ohne allerdings, das dies viel gebracht hätte.

So hatte Brasilien das Spiel recht sicher im Griff und hätte eigentlich schon zur Pause höher führen können, wenn nicht müssen. Die Partie begann sich erst zu drehen, als die Holländer aus einer Zufallsaktion zum Ausgleich kamen – Sneijders an sich harmlose Flanke wurde von Felipe Melo über den ungestüm herauslaufenden Torhüter Júlio César verlängert, beide sahen dabei nicht gut aus. Somit stand es wie aus dem Nichts 1:1 und die Holländer waren zu einem Ausgleich gekommen, der aufgrund auch der taktischen Kräfteverhältnisse nicht berechtigt war.

Die Seleção zeigte aber schnell Nerven, und Dunga musste den gelb-rot-gefährdeten Bastos aus der Partie nehmen, um nicht eine vermeidbare Unterzahl zu riskieren. Da die Holländer nun Lunte gerochen hatten, ließen sie den Druck, der nun immer mehr auch über die Seite von Dirk Kuyt kam, nicht entweichen und gingen dann sogar in Führung – wieder nicht herausgespielt, aber doch. Bei einem simplen Eckball schlief die komplette Abwehr, Lúcio etwa war nicht einmal in der Nähe des Tores, und der wahrlich nicht als Kopfballungeheuer bekannte Wesley Sneijder köpfte aus einem Meter Entfernung zum Tor unbedrängt zum 2:1-Führungstreffer ein.

Die Brasilianer schmissen ob der völlig unnütig aus der Hand geglittenen Partie nun vollends die Nerven weg, vor allem Felipe Melo – er musste nach einem Tritt gegen den am Boden liegenden Robben korrekterweise mit Rot vom Platz. Die Stuktur im Spiel der Brasilianer war nun komplett dahin, und die Holländer konnten sich gegen die wild, aber völlig unkoordiniert anrennende Seleção einigermaßen sicher die Zeit hinunterticken lassen.

Dani Alves zog nun mehr ins Zentrum, Nilmar (für Luís Fabiano gekommen) sollte vorne mit etwas mehr Spielstärke für die Wende sorgen, zudem ging dann sogar Innenverteidiger Lúcio als kopfballstarker Brecher als zweite Spitze mit nach vorne; Júlio César war immer mehr Libero als Torhüter. Doch es fehlte ohne Felipe Melo zum einen und ohne die nötige Ruhe zum Anderen komplett an genau jener Struktur, welche den Brasilianern im Turnierverlauf die Souveränität verliehen hatte. So waren bis zum Schluss die Holländer über ihre Konter einem 3:1 näher als Brasilien dem Ausgleich.

Fazit: Brasilien hat nicht verloren, weil die Holländer die spielerisch oder inhaltlich bessere Mannschaft gewesen wäre, sondern weil Oranje auch im Rückstand die Nerven bewahrt hat und bei den Toren auch ein wenig Glück hatte. Die Seleção war zum ersten Mal in diesem Turnier in einem Spiel hinten und das Team konnte damit ver allem nervlich nicht umgehen. Und ohne die nötige Ruhe war ein geordnetes Angriffsspiel schlicht und einfach nicht möglich.

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AF 5 & 6 | Trockene Favoriten https://ballverliebt.eu/2010/06/28/af-5-6-trockene-favoriten/ https://ballverliebt.eu/2010/06/28/af-5-6-trockene-favoriten/#respond Mon, 28 Jun 2010 21:28:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2393 AF 5 & 6 | Trockene Favoriten weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Achtelfinals 5 und 6 | Die beiden Favoriten in der oberen Hälfte des WM-Brackets gaben sich keine Blöße: Holland kommt zu einem nie gefährdeten Sieg gegen biedere Slowaken, die Brasilianer zu einem klaren Erfolg gegen allerdings mutige Chilenen.

Holland – Slowakei 2:1 (1:0)

Holland - Slowakei 2:1

Arjen Robben von Beginn an – das war die große Änderung bei den Holländern. Der Bayern-Star ging auf die rechte Seite im 4-2-3-1, Kuyt rückte dafür auf links. Und die Tatsache, dass der taktisch undisziplinierte Van der Vaart nicht dabei war, tat dem Spiel der Holländer inhaltlich extrem gut: Ohne Van der Vaart, der ständig seine Flanke verließ, spielten die Holländer gleich wesentlich konsequenter über die Außen. Die Holländer wussten, dass sie gegen die Slowakei Favorit sind, und kontrollierten das Spiel von Beginn an. Eine Chance gab es für Van Persie, diese ging nicht hinein – setzte aber den Ton.

Oranje spielte es wie auch in der Vorrunde. Ohne den ganz großen Schwung, aber sehr kontrolliert; abwartend, aber die Slowaken mussten ständig auf der Hut vor dem entscheidenden Pass sein. Einmal war der WM-Debütant zu weit aufgerückt, der lange Ball auf Robben kam an, Van Persie kreuzte und verwirrte die Abwehr, und schon stand es 1:0 – der Schlüssel zum Spiel der Holländer. Denn nun konnten sie den Slowaken das Spiel aufdrängen, das diese partout nicht haben wollten, weil sie es auf diesem Niveau nicht können – nämlich selbst für die Akzente zu sorgen. Sneijder und Co. zogen sich zurück, machten das Mittelfeld dicht, und die Slowaken mussten nun kommen.

Und das taten sich nicht besonders gut. Sechser Kucka fand die Anspielstationen nicht, Hamšík tauchte einmal mehr völlig unter, Trainersohn Weiss konnte in der Zentrale gegen die sichere Defensive der Holländer nichts ausrichten, Jendrišek verließ zu oft seine linke Seite, Stoch brachte von rechts wenig in die Zentrale, und Vittek hing dort in der Luft. So plätscherte das Spiel vor sich hin, die Slowaken waren mit dem Gestalten überfordert, und die Holländer lauerten auf Löcher für den schnellen Gegenstoß.

Die Holländer langweilten sich wohl selbst ein wenig, denn zu Beginn der zweiten Hälfte wurde Oranje wieder aktiver und die Slowaken, bei denen Jendrišek nun in die Spitze ging, Vittek dafür zurück und Weiss nach rechts wurden um nichts besser – da konnten sie sogar bei ihrer Nicht-Leistung gegen Paraguay mehr zeigen. Und als sie nach 20 Minuten in der zweiten Hälfte erstmals wieder wirklich aufgerückt waren, hätten sie sich aus einem schnellen Konter beinahe das 0:2 eingefangen. So signalisierten die Holländer: „Wenn ihr selbst nix macht, trefft ihr nix. Und wenn ihr was macht, kontern wir euch aus. Wir haben euch, und ihr wisst das!“ Die erste wirklich gute Chance für die Slowaken durch Vittek kam nur zu Stande, weil hinten leichtfertig auf Abseits gespielt wurde.

Die Slowaken spürten nun, dass es nicht mehr reichen würden, es drängte nun alles in die Mitte und das zuvor recht disziplinierte Positionsspiel brach komplett in sich zusammen. Und zehn Minuten vor Schluss fingen sie sich das 0:2 dann doch noch ein – der sonst sichere Torhüter Mucha verschätzte sich bei einem 50m-Freistoß komplett, Kuyt schob den Ball unbedrängt in die Mitte und Sneijder verwertete das Zuspiel. Dass Vittek mit dem Schlusspfiff per Elfmeter das 1:2 markierte, war nur noch Kosmetik.

Fazit: Die Holländer zeigten, was sie schon in der Vorrunde zeigten: Das Spiel im Griff, und das unspektakulär und schnörkellos. Den Slowaken fehlten schlicht und einfach die Mittel, den souveränen Gegner ernsthaft in Gefahr zu bringen. Der Sieg ist natürlich hochverdient, aber es wurde nun auch im vierten Spiel nicht klar, zu was die Holländer wirklich in der Lage sind.

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Brasilien – Chile 3:0 (2:0)

Brasilien - Chile 3:0

„Diese kleinen, wuseligen Chilenen“, werden sich die Brasilianer vor dem Spiel gedacht haben, „die bekommen wir nicht auskombiniert.“ Darum hieß das unbrasilianische Konzept von Anfang an: Hohe Bälle, Freistöße, Ecken. So gesehen logisch, dass das 1:0 für die Brasilianer genau aus einem Eckball viel. Aber alles der Reihe nach.

Carlos Dunga spielte diesmal mit einer Raute im Mittelfeld: Dani Alves (statt dem angeschlagenen Elano) rechts, Ramires (statt dem angeschlagenen Felipe Melo) links, Gilberto Silva als klassischer Sechser, und Kaká als echter Zehner hinter den Spitzen Luís Fabiano und Robinho. Die Lücke, die zwischen den drei Offensiven und dem Rest aber immer wieder aufgerissen wurde, war recht groß und das brasilianische Mittelfeld fand gegen die flinken Chilenen zunächt kein echtes Mittel.

Beim Team von Marcelo Bielsa wurde schnell sichtbar, dass man mit Luís Fabiano als Solospitze gerechnet hatte, weil eine Viererkette spielte – und zwar eine völlig umgestellte. Für die gesperrten Medel und Ponce kamen Fuentes und Contreras in die Mannschaft, Isla war der geplante Rechts- und Vidal der geplante Linksverteidiger. Weil aber Robinho in der Tat einen zweiten echten Stürmer gab, musste schnell von Vierer- auf Dreierkette umgestellt werden. Arturo Vidal orientierte sich dafür mehr ins defensive halblinke Mittelfeld. Damit entstand ein Ungleichgewicht: Mit Vidal, González und Beausejour beackerten nun drei Mann die linke Seite, Alexis Sánchez war auf der rechten auf sich alleine gestellt und somit aus dem Spiel.

Die Brasilianer verteidigten das mit zunehmender Spieldauer immer besser, auch weil in der chilenischen Formation der normalerweise immer eingeplante Trequartista, der Spielmacher, im offensiven Zentrum fehlte. Dann kam das angesprochene 1:0, kurz darauf spielte Kaká, Robinho und Luís Fabiano die völlig umformierte Abwehr doch einmal aus und stellten auf 2:0. Damit war das Spiel im Grunde entschieden.

In der Pause stellte Bielsa wieder die gewohnte Grundordnung her: Mit Valdivia (für Contreras) kam nun ein Zehner für einen Verteidiger, Vidal ging dafür vom halblinken Mittelfeld in die Dreierkette und Tello ersetzte Mark González auf der linken Seite. Alleine, die Brasilianer spielten nun trocken ihr Spiel herunter und den Chilenen fehlte nach der engen Vorrunde und ihrem kräfteraubenden Spiel nun neben der individuellen Qualität auch die Luft, die Seleção wirklich noch einmal ins Wanken zu bringen. Die Brasilianer erlaubten mit konsequentem Doppeln und gutem Zustellen der Räume nur noch eine Schein-Druckphase, wie sie etwa die Engländer gegen Deutschland hatte. Torgefahr kam keine auf – und mit dem billigen Solo-Konter von Ramires, den Robinho zum 3:0 abschloss, waren die Chilenen endgültig erlegt.

Die Chilenen können nun mal nicht anders als nach vorne, und darum versuchten sie es gegen nun absolut souveräne Brasilianer weiterhin. Dennoch ist das Spiel mit einem Kampf eines kleinen Bruders gegen einen großen vergleichbar, der den tampferen, aber zu kleinen am ausgestrecken Arm sich austoben lässt. Dunga hatte sogar noch die Gelegenheit, ein paar Reservisten zu bringen. Und auch das Streben der Chilenen nach einem Ehrentor war letztlich nicht mehr von Erfolg gekrönt.

Fazit: Mit den Brasilianer setzte sich die reifere Mannschaft mit der höheren individuellen Qualität durch. Die Chilenen müssen sich aber nicht grämen: Sie haben ein wunderbares Turnier gezeigt und sich auch gegen die übermächtige Seleção nicht versteckt.

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Day 14 / E – Disziplin schlägt Planlosigkeit https://ballverliebt.eu/2010/06/25/day-14-e-disziplin-schlagt-planlosigkeit/ https://ballverliebt.eu/2010/06/25/day-14-e-disziplin-schlagt-planlosigkeit/#respond Fri, 25 Jun 2010 00:33:30 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2351 Day 14 / E – Disziplin schlägt Planlosigkeit weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Tag 14 – Gruppe E | Mit einer äußerst disziplinierten Leistung zermürbt das Team aus Japan auch Dänemark und zieht mit einem 3:1-Erfolg ins Achtelfinale ein. Holland gewann das bedeutungslose Freundschaftsspiel gegen Kamerun mit 2:1 – allerdings ohne die Stars draußen zu lassen.

Dänemark – Japan 1:3 (0:2)

Dänemark - Japan 1:3

Das Spiel über die Flügel, vor allem den rechten, war für Dänemark gegen Kamerun der Schlüssel zum Erfolg. Kein Wunder also, dass es Morten Olsen wieder über diese Marschrichtung probierte. Kein Wunder aber auch, dass die Japaner das wussten, und weil die Asiaten deutilch disziplinierter antraten, hielten sie vor allem dort dagegen. Vor allem Dennis Rommedahl, der im zweiten Spiel der entscheidende Mann war, wurde komplett ausgeschaltet. So war das dänische Spiel zunächst extrem linkslastig, über LV Simon Poulsen und den fleißigen Jon Dahl Tomasson. Zudem schob auch Martin Jørgensen, der eigentlich im rechten Halbfeld aufgestellt war, oft sogar noch weiter links als Sechser Christjan Poulsen postiert war.

Das machte das dänische Spiel natürlich ziemlich ausrechenbar, weswegen sich die Japaner, angeführt vom umsichtigen Hasebe, mit zunehmender Spieldauer immer besser damit zurecht ram. Gab es in der Anfangsphase noch einige gefährliche Flanken von der linken dänischen Seite, aber der Rückstand (per Freistoß) brachte die Dänen völlig aus dem Konzept. Die Japaner schafften es nun auch, den ballführenden Dänen schnell zu doppeln oder gar mit drei Mann draufzugehen. Nach dem 2:0, wieder aus einem direkten Freistoß, versuchte nun Rommedahl endlich mehr über seine Seite zu machen. Oft war er dabei aber auf sich alleine gestellt, weil RV Jacobsen nicht allzu gerne mit nach vorne geht und das Mittelfeld weiterhin sehr links-orientiert war.

Die Japaner indes verteilten ihr Spiel gut über die ganze Breite des Platzes, die Fünfer-Reihe im Mittelfeld stand sehr diszipliniert und entnervte die Dänen zusehens. An diesem Bild änderte sich auch in der zweiten Hälfte nichts: Die Japaner waren gegen den Ball immer einen Schritt schneller und einen Gedanken frischer als die Dänen, die nun auch nicht mehr ganz frisch wirkten. Zudem war von durchdachtem Angriffsspiel, wie es noch gegen Kamerun zum Erfolg geführt hatte, wenig zu sehen: Die Offensivkräfte Tomasson (der extrem weite Wege ging, dabei aber uneffektiv blieb) und Bendtner standen sich vorne nicht selten auf den Füßen, Kahlenberg (der nun vermehrt die Linksaußen-Position von Tomasson einnahm) und Rommedahl fanden selten einen Weg an den hervorragend postierten Japanern vorbei.

Nach einer Stunde brachte Olsen dann Stoßstürmer Larsen für Innenverteidiger Krøldrup und stellte auf ein 3-4-3 um, dem es aber massiv an Konsistenz fehlte. Hinten sicherten nur noch die AV Simon Poulsen und Jacobsen, sowie der zurückrückende Sechser Christian Poulsen ab, davor versuchten sich der junge Eriksen (für Kahlenberg gekommen) und Jakob Poulsen (früh für Jørgensen) als Einfädler, Daniel Agger gab nun den Linksaußen (!), nur Rommedahl blieb von A bis Z seiner rechten Seite treu. Vorne verloren sich Larsen, Bendtner und der von seinem Körper zunehmend im Stich gelassene Tomasson oft im Getümmel und blieben so harmlos – dass Tomasson den Elfmeter, den ihm der sonst gute Hasebe rempelderweise geschenkt hatte, erst im Nachschuss über die Linie drückte, passte ins Bild.

Doch die Japaner kamen nie wirklich in die Gefahr, den Sieg noch aus der Hand zu geben. Der Sechser Abe rückte gegen Ende immer mehr in die zentrale Verteidiger-Position, wodurch gegen die drei Stoßstürmer der Holländer wieder ein Gleichgewicht herrschte, Komano und Nagatomo machten hervorragend die Flanken dicht. Äußerst diszipliniert fanden die Japaner auf jede Maßnahme der Dänen sofort die richtige Antwort, zu wenig durchdacht waren die Angriffsbemühungen der Nordeuropäer, zu müde letztlich die Beine der zahllosen älteren Herren in Reihen der dänischen Mannschaft. Dass am Ende die Japaner sogar noch das 3:1 erzielten, war letztlich aber nur noch Kosmetik.

Fazit: Schon die beiden Freistoß-Gegentore in der ersten Hälfte brachen den forsch beginnenden Dänen das Genick. Nie fanden sie in der verbleibenden Stunde, ein taugliches Mittel gegen die Asiaten zu finden, weswegen deren Sieg auch absolut in Ordnung geht.

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Holland – Kamerun 2:1 (1:0)

Holland - Kamerun 2:1

Wenig Tempo, kaum ernsthafte Zweikämpfe, ohne den letzten Einsatz – dieses Spiel war, wie angesichts der Ausgangslage kaum anders zu erwarten war, ein Freundschaftsspiel; ein Test unter Wettkampfbedingungen. Allerdings mit der besten Formation der Holländer, lediglich Boulahrouz spielte RV statt Van der Wiel. Die Elftal war sehr auf Ballkontrolle bedacht, vor allem nach dem schwungvollen Beginn der Kameruner, und mit Fortdauer des Spiels, also etwa aber der 15. Minute, hatten die Holländer alles recht locker im Griff, ohne sich wirklich anzustrengen.

Nach vorne ging es in erster Linie it langen Bällen, die allerdings höchst selten auch bei Van Persie ankamen. In der ganzen ersten Halbzeit gab es nur zwei Aktionen, in denen sich die Holländer mit gesteigertem Tempo vor das gegnerische Tor kombinierten; erst bei der guten Chance für Kuyt, wenige Minuten später beim Treffer zum 1:0 (wieder über die Seite mit Dirk Kuyt). Die Kameruner fingen wie erwähnt bemüht an, spielten vor allem über die Seiten. Im 4-4-2 spielte Eto’o die Sturmspitze und Choupo-Moting den Arbeiter um den Star herum; Chedjou (statt Alex Song) und Makoun in der defensiven Zentrale; Geremi und Nguemo über die rechte und Assou-Ekotto mit Bong auf der linken. Vor allem Benoît Assou-Ekotto, der gegen Dänemark ein alleingelassener armer Hund war, tat sich Unterstützung von Bong sichtlich gut, die besseren Aktionen nach vorne kamen aber von der anderen Seite, über Geremi.

Nach einer Stunde stellte Le Guen auf 4-1-4-1 um, indem er Aboubakar statt Bong brachte. Das Offensivspiel der Kameruner war nun etwas variabler, das hatte aber mit der Entstehung des 1:1 (aus einem Handelfmeter) noch nichts zu tun. Die Afrikaner waren nun sichtlich gewillter, zumindest nicht zu verlieren, als die Holländer es waren, die Partie zu gewinnen. Dass Oranje dennoch als 2:1-Sieger vom Platz ging, liegt an zwei Wechseln: Einerseits durfte bei de Holländern Arjen Robben noch einen 20-minütigen Fitnesstest absolvieren. Zum anderen durfte Kameruns Abwehr-Denkmal Rigobert Song bei seiner vierten WM noch einen Einsatz mitnehmen. Und wie ein Denkmal spielte der alte Song dann auch: Langsam und unbeweglich. So wurde der 33-Jährige, der älter als das aussah und auch so spielte, vom schnellen Robben versetzt, der Ball klatschte an die Latte, und Huntelaar staubte ab.

Fazit: Ein vernachlässigbares Spiel. Das Team aus Kamerun hätte gegen gelangweilte Holländer wohl ein 1:1 mitgekommen, wenn nicht Arjen Robben gekommen wäre. Kamerun fährt mit dieser eher unglücklichen Niederlage mit drei Pleiten nach Hause. Die Holländer haben Kräfte gespart, die noch wichtig sein könnten.

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Das war die Gruppe E: Mit Geduld auf die Fehler des Gegners warten, hinten nichts zulassen – Gruppensieger Holland setzte in der Vorrunde auf Ergebnis statt Erlebnis. Das mag vor allem angesichts der Erfahrungen bei den letzten Turnieren (also mörderische Vorrunde, raus in der ersten K.o.-Runde) keine schlechte Lösung sein. Gefordert wurde Holland nur, wenn es das Team allzu ruhig angehen ließ, wie in der zweiten Hälfte gegen Japan. Was das Team leisten kann, wo jetzt auch Arjen Robben zurück ist, lässt sich aber ebenso wenig abschätzen bei bei den bislang genauso unterforderten Argentiniern.

Erstmals überhaupt außerhalb des eigenen Landes schaffte Japan als Gruppenzweiter den Einzug ins Achtelfinale. Vor acht Jahren in der Heimat war man nach dem verschlafenen 0:1 gegen die Türken mit dem Abschneiden schon eher enttäuscht, das wäre bei einem Aus gegen Paraguay diesmal sicherlich anders. Die Erwartungen wurden schon jetzt bei weitem übertroffen, vor allem dank der extremen Disziplin und des funktionierenden Teamgeistes, aber auch wegen der individuellen Klasse eines Keisuke Honda.

Im Endeffekt verdient gescheitert ist dafür Dänemark. Die schon leicht angerostete Truppe genügte den hohen Ansprüchen einer WM zu selten; die Skandinavier waren gegen Japan klar unterlegen, schossen sich gegen Holland selbst auf die Verliererstraße und konnten nur in einem Spiel, dem gegen Kamerun, wirklich als gesamte Mannschaft überzeugen – zu wenig. Deutlich zu wenig ist auch, was das Team aus Kamerun zeigte. Von der Qualität im Kader hätten die Afrikaner ins Achtelfinale einziehen müssen, nicht alle drei Spiele verlieren. Verspielt haben es Eto’o und Co. mit massiver interner Unruhe aber vor allem neben dem Platz, die enttäuschenden Leistungen waren die logische Folge. Von den sechs afrikanischen Teilnehmern hat Kamerun fraglos am meisten enttäuscht.

(phe)

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Day 9 – …aber ich bewundere das Problem! https://ballverliebt.eu/2010/06/19/day-9/ https://ballverliebt.eu/2010/06/19/day-9/#comments Sat, 19 Jun 2010 13:44:41 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2285 Day 9 – …aber ich bewundere das Problem! weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Tag 9 | Was tun, wenn man gegen die japanische Defensive kein Mittel findet? Wenn man gegen zehn Australier die Zielstrebigkeit verliert? Wenn gegen Dänemark unbedingt ein Tor her muss? Holland, Ghana und Kamerun sagten sich heute: Wir haben keine Lösung – aber wir bewundern das Problem…

Holland – Japan 1:0 (0:0)

Holland - Japan 1:0

Zu viel England geschaut? Die Holländer versuchten es gegen die tief stehenden Japaner ohne Tempo, ohne konsequentes Flügelspiel, ohne echte Kreativität. Auffällig: Zu Beginn rochierten die Flügelspieler Van der Vaart (nominell links) und Kuyt (nominell rechts) immer wieder, und wenn es wirklich über die Seiten ging, kamen auch durchaus gefällige Aktionen zu Stande. Aber vor allem Van der Vaart entfernte sich mit Fortdauer des Spiels von der Seitenlinie und zog, wie schon gegen Dänemark, immer mehr zu Sneijder in die Mitte. Die Folge: Auf den Seiten war einiger Platz und so konnten sich die Asiaten immer wieder an Vorstößen versuchen.

Die Japaner spielten wieder ein 4-1-4-1, mit Honda als vorderstem Mann, dafür Okubo auf der linken Seite. Natürlich verlegten sich die Asiaten auf abwarten und kontern, was allerdings schon deutlich besser aussah als gegen Kamerun, gegen Ende der ersten Hälfte wurden die Japaner sogar für ihre Verhältnisse richtig frech. Wirkliche Chancen gab’s zwar nur aus Freistößen, aber das sehr diszipliniert spielende Team hatte in einer vor sich hin plätschernden ersten Hälfte keine echten Probleme, das 0:0 zu halten.

Die Holländer kamen mit deutlich mehr Schwung aus der Kabine, auch weil Van Persie sich mehr nach hinten zurückzog, um Überzahl im Mittelfeld zu erzeugen. Aber es musste ein Gewaltschuss von Sneijder herhalten, um zum Erfolg zu kommen – anders konnte es gegen die gute japanische Abwehr nicht gehen. Die Führung ging auch in Ordnung, weil Oranje deutlich mehr für das Spiel getan hatte. Während man aber nach dem 2:0-sieg über Dänemark noch sagen konnte, „Geduld gehabt, immer alles kontrolliert“, war es eine herbe Enttäuschung, was nach der Führung gegen Japan passierte.

Dann nämlich ließ sich die Mannschaft von Teamchef Bert van Marwijk extrem weit zurückdrängen, das Umschalten auf die Offensive klappte überhaupt nicht mehr, kaum einer rückte nach. Das auf dem Papier so spielstarke Team verlegte sich schon über eine halbe Stunde vor Schluss auf das Verwalten des 1:0-Vorsprungs. Auf der anderen Seite übernahm nun Okubo etwas mehr Verantwortung in der Offensive, auch Matsui auf der rechten Seite rückte nun etwas nach vorne. Dem trug Teamchef Okada Rechnung, indem er mit Nakamura (für Matsui) einen Mann brachte, der diese Rolle besser ausfüllen kann. Nakamura gesellte sich zu bzw. hinter Honda, wodurch die Japaner zwischen einem 4-4-2 und einem 4-4-1-1 pendelten. Sie hatten das Spiel nun im Griff, konnten aber kein Kapital daraus schlagen.

Später kamen mit Tamada (für Okubo) und Okazaki (für Hasebe) zwei weitere Offensivkräfte, die Vier-Mann-Abteilung im Angriff rochierte nun viel, brachte aber nichts wirklich entscheidendes vor das Tor – von der guten Chance in der Nachspielzeit einmal abgesehen. Die Wechsel von Van Marwijk, der Elia (für den wieder extrem enttäuschenden Van der Vaart) und Afellay (für Sneijder) brachte, waren logisch. Aber was er mit dem Einsatz des eher statischen Strafraumstürmers Huntelaar für den spielstarken Van Persie bezweckte, wo doch seit Ewigkeiten kein Ball mehr ernsthaft vor das japanische Tor kam, bleibt im Dunkeln.

Fazit: Die Holländer waren vor dem Tor zu statisch und zu langsam, verlegten sich nach dem Tor auf Beamtenfußball und hätten sich über einen Ausgleich sicherlich nicht beschweren dürfen. Die Japaner haben gezeigt, dass in ihnen durchaus Offensivgeist steckt, wenn nötig, aber auch, dass ein Killer vor dem Tor fehlt. Ein Remis wäre korrekt gewesen.

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Ghana – Australien 1:1 (1:1)

Ghana - Australien 1:1

Arm an Kreativität agiern heute aber nicht nur die Holländer, sondern auch die Australier. Pim Verbeek stellte sein Team an einigen Positionen um, der prominenteste Neue war sicherlich Harry Kewell, der für den rotgesperrten Tim Cahill in der Sturmspitze agierte. Die Aussies fingen flott an und gingen auch in Führung – als Geschenk des ghanischen Schlussmanns Kingson, der einen harmlosen Ball nach vorne prallen ließ und Brett Holman ohne Probleme abstauben konnte. Aus dem Spiel heraus aber gelang wenig, obwohl die Fehlerquote bei der Ersatz-Innenverteidigung mit Addy (der bei seinem feisten Foul gegen Ende der 1. Hälfte mit Gelb noch gut bedient war) und Jonathan beinahe minütlich zunahm.

Bei Ghana spielte Kevin-Prince Boateng im Gegensatz zum ersten Spiel zu Beginn im defensiven Mittelfeld im 4-2-3-1; in dem Andrew Ayew auf von der linken Seite in die Zentrale wechselte, Kwadwo Asamoah ging dafür nach links. Im Ballbesitz, den sich die Ghanaer nun vermehrt erkämpften, sogar mitunter auf Halblinks, weil Boateng in die vordere Viererkette aufrückte. Gemeinsam mit Tagoe prüfte er zumehmend den australischen Linksverteidiger Carney – der aber genauso überfordert war wie Chipperfield im ersten Spiel, den Carney ersetzte. Kein Zufall daher, dass die Aktion zum verdienten Ausgleich über Ayew und diese Seite eingeleitet wurde.

Da  Kewell auf der Linie stehend den Arm nicht rechtzeitig wegziehen konnte und den Schuss damit aufhielt, gab’s Elfmeter und Rot für den Stürmer – und das 1:1 als Draufgabe. Die Australier reagierten mit großer Verunsicherung vor allem im Spielaufbau. Culina und Valeri, die beiden Sechser, brachten nach vorne überhaupt nichts zu Wege, die Außenverteidiger kamen ebenso wenig durch. Das Team aus Ghana stellte nun die Passwege geschickt zu, ließ praktisch nichts mehr zu. Zudem verpufften lange Bälle der Australier, weil vorne mit Kewell der Abnehmer fehlte; Holman rückte aus dem zentralen Mittelfeld nicht kosequent in die Spitze. Ähnlich also wie der Özil bei den Detuschen gestern, mit dem Unterschied dass von den Flanken (Emerton und Bresciano) nichts kam. So wäre eine Führung von Ghana, die das Spiel in Überzahl absolut im Griff hatten, durchaus schon vor der Pause verdient gewesen.

Allerdings nur davor. Nach dem Seitenwechsel nämlich ließ Ghana alles vermissen, was dieses Team hätte zeigen müssen – beziehungsweise, die Afrikaner zeigten, warum ihre beiden Tore bislang beide aus Elfmeter gefallen sind. Von Zug zum Tor, von schnellem Kurzpass-Spiel gegen die ja nicht allzu bewegliche Abwehr der Australier, war keine Spur mehr. Dafür jede Menge Verzweiflusschüsse aus 25 Metern plus. Die Australier merkten, dass von Ghana nichts mehr kam, und Verbeek brachte nach etwa zwanzig Minuten in der zweiten Hälfte Chipperfield für die Immobilie Bresciano auf der linken Seite und mit Kennedy für Holman einen echten Stürmer. Und siehe da: Plötzlich waren die Australier wieder im Spiel, weil sich die junge ghanische Abwehr mit der neuen Situation überhaupt nicht zurecht kam.

Auch mit Routinier Muntari, der für den viel zu oft viel zu umständlichen Kwadwo Asamoah zum Einsatz kam. Erst mit zur Einwechslung von Sturmspitze Amoah wenige Minuten vor Schluss (für Boateng) hatte man nie mehr den Eindruck, dass Ghana dieses Spiel noch gewinnen könnte, der Überzahl zum Trotz. Im Gegenteil: Die nun erheblich mutigeren Australier waren dem Siegtor bis zur Schlussoffensive der Ghaner deutlich näher.

Fazit: Ghana hat spielerisch mehr Potential und war über eine Stunde ein Mann mehr – es fehlte dem jungen Team aber an der Abgeklärtheit, die Situation „Pflichtsieg“ auch tatsächlich umzumünzen. Die Australier suchten in der zweiten Hälfte dennoch ihre Chancen und verdienen sich den Punkt somit.

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Kamerun – Dänemark 1:2 (1:1)

Dänemark - Kamerun 2:1

Paul le Guen hat nachgegeben – und die jungen Deutschen Choupo-Moting und Joel Matip, die beide gegen Japan keine gute Figur gemacht haben, rausgenommen, auf ein 4-4-2 umgestellt und Samuel Eto’o in die Spitze gestellt. In der Mittelfeldraute agierte (endlich) Alex Song als Sechser, Emana als Zehner, dazu der routinierte (und heute starke) Geremi rechts und der (nicht ganz so starke) Enoh auf der linken Seite. Mit Erfolg: Die Kameruner übernhemen sofort die Kontrolle über das Spiel und nützen einen schrecklichen Fehlpass von Poulsen, der sich wie schon im ersten Spiel gerne zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, zur frühen 1:0-Führung.

Die Dänen waren in einem 4-2-3-1 aufgestellt, mit Bendtner als Sturmspitze, Tomasson neu zentral hinter ihm, Grønkjær links und Rommedahl rechts. Gerade Grønkjær war durchaus gefällig nach vorne, leistete sich aber in der Rückwärtsbewegung einige böse Schnitzer. Generell war beibeiden Teams die rechte Angrifsseite die stärkere und die linke Abwehrseite die schwächere. Simon Poulosen, der dänische LV, hate mit Geremi und auch Mbia mächtig zu tun, weshalb der nach vorne nicht viel machen konnte; sein Widerpart Assou-Ekotto hielt beim Gegentor ein ausgiebiges Nickerchen.

Sehr fleißig nach vorne war dafür RV Lars Jacobsen, der Enoh im linken Mittelfeld bei Kamerun ordentlich beschäftigte. Allerdings war das Spiel auch geprägt von beängstigens unsicheren Abwehrreihen. Wie beim Ausgleich: Ein profaner Abschlag von Sørensen reichte aus, um die komplette gegnerische Abwehr auszuhebeln. Assou-Ekotto stand irgendwo und ließ Rommedahl ungehindert flanken, Bassong und Nkoulou reagierten zu spät und konnten Bendtner nicht mehr stellen.

In der Pause brachte Le Guen für den angeschlagenen Enoh dann Makoun, was zur Folge hatte, dass er die linke Seite de facto aufgab. Makoun ist kein Flügelspieler, so musste Assou-Ekotto die ganze Seite beackern, weil es Makoun im nunmerhrigen 4-3-1-2 (Emana als Zehner, die Dreierkette mit Geremi, Song und Makoun) immer ziemlich in die Mitte zieht. So hatte Geremi rechts zwar immer noch Mbia, Assou-Ekotto auf links musste nun aber zwei Positionen spielen. Was sich bitter rächte: Ein langer Ball erneut auf Rommedahl, Assou-Ekotto ist noch vorne, und Makoun stellt sich dem Dänen nur halbherzig entgegen. Zudem deckten Bassong und Nkoulou innen beide Bendtner zu, aber keiner kam Makoun zu Hilfe. Und das 2:1 für Dänemark war gefallen.

Le Guen sah sich das recht ideenlose Treiben seiner Mannschaft gegen eine dänische Defensiv-Abteilung, die sich nach dem Seitenwechsel klar gesteigert hat, noch ein paar Minuten an und brachte dann Stürmer Idrissou für Innenverteidiger Bassong und ging damit volles Risiko – weil so mit dem (bekannt unsicheren) Nkoulou meist nur noch ein Verteidiger hinten war, mit den attackierenden Mbia und Assou-Ekotto als Unterstützung falls notwenig. Das war auf dem Papier nun ein 3-3-1-3, im Ballbesitz aber eher ein 1-2-4-3, mit Idrissou vorne links, Webó und dann Aboubakar eher rechts und Eto’o zentral. Die Angriffe der Kameruner waren aber eher verzweifelt als durchdacht, eher Zufallsprodukte als herausgespielte Aktionen. So blieb es beim 2:1 für Dänemark, die kühlen Kopf bewahrten (wenn ihnen dieser nicht, wie Christian Poulsen, per Volltreffer warmgeschossen wurde).

Fazit: Die Dänen präsentierten sich vor allem nach der Pause als reifere und abgeklärtere Mannschaft, daher geht der Sieg gegen die eher wirr und blind anrennenden Kameruner in Ordnung. Außer Selbstvertrauen bringt er aber nicht mehr als ein Remis: Japan muss immer noch geschlagen werden. Bei einem 3:1 hätte ein Remis gereicht.

(phe)

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Day 4 – Nur nix anbrennen lassen https://ballverliebt.eu/2010/06/14/day-4/ https://ballverliebt.eu/2010/06/14/day-4/#comments Mon, 14 Jun 2010 13:41:19 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2232 Day 4 – Nur nix anbrennen lassen weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Tag 4 | Auffällig: Defensive Denkweise schon in Mittelfeldreihen.  Zum einen natürlich typisch für erste WM-Spiele. Aber zum Anderen können große Teams reagieren und/oder abwarten. So wie Holland und Italien. Und nicht so wie ein enttäuschendes Kamerun.

Holland – Dänemark 2:0 (0:0)

Holland - Dänemark 2:0

Ab durch die Mitte – das war das untaugliche Motto der Holländer in der ersten Hälfte. Trotz über 60% Ballbesitz fiel ihnen kein probates Mittel ein, um die in der Defensive super organisierten Dänen auch nur ansatzweise in Gefahr zu bringen. Kuyt auf der rechten Seite war praktisch gar nich ins Spiel eingebunden, Van der Vaart auf der linken noch weniger. Und wenn die Außen doch einmal an den Ball kamen, zogen sie sofort wieder in die Mitte. Zudem bekam Van der Vaart auf seiner Seite vom deutlich altersschwachen Van Bronckhorst genau gar keine Unterstützung. Der 35-Jährige lebte schon geraume Zeit nur noch von seinem Namen, seine Leistung ist mit „diskret“ noch wohlwollend beschrieben. Van der Wiel rechts war zwar deutlich mehr im Spiel, konnte aber ebenso keine Impulse setzen. Symptomatisch, dass die einzige gute Chance, die von Außen eigeleitet wurde (und vor der Pause eigentlich die einzige echte war) vom ausgewichenen Van Bommel eingeleitet wurde.

Die Dänen traten mit dem exakt gleichen System an wie die Holländer (4-2-3-1, mit Enevoldsen links und Rommedahl rechts, nicht umgekehrt), interpretiertes dieses aber deutlich defensiver und fuhren gut damit. In der ersten halben Stunde lullten sie die Holländer erfolgreich ein und machten die Mitte wunderbar zu, nach vorne ging es in erster Linie über Enevoldsen. Der Holland-Legionär agierte zwar oft recht ungenau, probierte aber lange deutlich mehr als der alte Rommedahl auf der anderen Seite. Der wachte erst nach einer halben Stunde auf, offenbarte aber deutlich den eklatenten Schwächepunkt Van Bronckhorst – nach vorne eben harmlos, nach hinten unsicher.

Das dänische Spiel wurde dann natürlich vom Eigentor kurz nach Wiederanpfiff komplett torpediert. Sie brauchten zehn Minuten, um sich wieder zu sammeln und sich vom Schock zu erholen – als Olsen dann Grønkjær für den mit Fortdauer des Spiels immer schwächeren Enevoldsen brachte, ging es wieder etwas besser, aber wirklich gefährden konnte Dänemark die Holländer nicht mehr. Vor allem nicht, weil mit Elia (der für den enttäuschenden Van der Vaart gekommen war) nun auch auf der linken Seite das Spiel breiter gemacht wurde. Zudem rochierte Van Persie nun deutlich mehr als vor der Pause, schon das 1:0 wurde so eingeleitet.

Außerdem war Morten Olsen mit seinen weiteren Wechseln auch ungewohnt feig. Statt dem angeschlagenen Bendtner kam mit Mikkel Beckman eher ein hängender Stürmer, und die Maßnahme Eriksen für Kahlenberg war zwar ein wenig offensiver, aber echten Stürmer hatte Olsen nicht mehr auf dem Platz. Er versuchte es kuzrfristig mit einer offensiveren Rolle für Kahlenberg, das sorgte aber für Verwirrung als Besserung. Das korrigierte Olsen nach zehn Minuten mit der Einwechslung von Eriksen eben für Kahlenberg, womit Grundordnung des 4-2-3-1 wiederhergestellt war, aber hinkte. Beckmann agierte etwas deplaziert ganz vorne, Eriksen ging statt Jørgensen in die Zentrale, dieser rückte ins defensive Mittelfeld. Zudem ging den Dänen gegen Ende nicht nur die Kreativität aus (die sie ohnehin nicht wirklich zur Schau stellen konnten), sondern vor allem auch die Luft. Hier muss man den dänischen Verband schon fragen, warum sie sich für ein Basecamp an der Küste entschieden haben, wo doch alle drei Gruppenspiele in der Höhe stattfinden.

Fazit: Feuerwerk ließen die Dänen Holland nicht abbrennen, nach dem Rückstand war aber keinerlei Aufbäumen zu erkennen. Daher ist der Oranje-Arbeitssieg korrekt.

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Japan – Kamerun 1:0 (1:0)

Japan - Kamerun 1:0

Es war schon die ganze erste Hälfe über sichtbar: Die Verteidung von Kamerun ist alles andere als sattelfest. Alleine, die Japaner verlegten sich im Mittelfeld auf Stören und Verhindern und schafften eine Überzahl, gegen das spielerisch eher arme Mittelfeld der Kameruner überhaupt kein Mittel fand. Kamerun agierte in einem 4-3-3, mit dem jungen Matip als Sechser, der zwar viel Ballbesitz hatte, gegen das massierte japanische Zentrum aber kein wirksames Mittel fand. Makoun und Enoh waren zwar bemüht, rieben sich aber auf und vermieden es seltsamerweise, Linksaußen Coupo-Moting (der wie ein kompletter Fremdkörper wirkte) und Webo ins Spiel zu bringen. Auch Webo kam viel über die linke Seite. Die Folge: Die linke Seite der Kameruner war tot, vorne stand keiner und Eto’o spielte auf rechts den Hansdampf in allen Gassen, war offensiv aber wirkungslos.

Bei den Japanern, die in einem 4-1-4-1 antraten, war Okubo zwar der nominelle Stürmer, wesentlich auffälliger auch in der Vorwärtsbewegung war aber Keiskuke Honda. Er suchte, wie auch bei ZSKA Moskau, als Aktivposten immer wieder den Weg in die Spitze. Okubo dafür war überhaupt nicht ins Spiel eingebunden, hatte in der ganzen ersten Hälfte genau vier (!) Ballkontakte. Nur folgerichtig, dass das 1:0 für Japan über einen schrecklichen Abwehrschnitzer bei einer Standardsituation zu Stande kam – anders war es nach dem Spielverlauf der ersten Hälfte eigentlich nicht möglich. Im konkreten Fall zeigte Assou-Ekotto lächerliches Abwehrverhalten, und nach der Flanke behinderten sich Nkoulou und Mbia und natürlich war es Honda, der abstauben konnte.

Mit den Führung im Rücken sahen die Japaner nach der Pause natürlich keinerlei Veranlassung, ihre destruktive Spielanlage zu ändern. Eto’o fing auf der rechten Seite zwar durchaus ansprechend wieder an, konnte aber seine Stärken dort nie wirklich zur Entfaltung bringen. Er wollte Rechtsaußen, Zehner und auch Sturmspitze gleichzeitig spielen und war so im Endeffekt nichts so wirklich. Struktur im Spiel der Kameruner suchte man Vergeblich. Le Guen brachte dann Emana für den jungen Matip, um das schwache Mittelfeld offensiv zu stärken, und dann Geremi für den wirkungslosen Makoun, um das Spiel besser zu lenken. Effekt? Keiner. Auch die Einwechslung von Idrissou für den oft ignorieten Choupo-Moting brachte nichts.

Okada veränderte nur Details, aber nichts Grundsätzliches. Der schon vor der Pause einigermaßen aktive Honda ging endgültig in die Spitze, als der gelernte Stürmer Okazaki für den fleißigen Matsui auf die rechte Mittelfeldseite kam; der offensiv komplett in der Luft hängende Okubo ging bis zu seiner Auswechslung auf die linke Seite. Das alles allerdings, ohne so richtig gefährlich zu werden oder auch nur wirklich konsequent den Weg nach vorne zu suchen. Für Japan ging es nur darum, die glückliche Führung über die Zeit zu bringen. Was auch gelang.

Fazit: Kamerun ist das bisher schwächste afrikanische Team, denn die Algerier haben wenigstens durch Umstellungen versucht, etwas zu reißen. Die Japaner waren sicher nicht besser, nützten aber die eine echte Chance. Riecht nach einem Schneckenrennen ums Achtelfinale.

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Italien – Paraguay 1:1 (0:1)

Italien - Paraguay 1:1

Was wurde nicht über die Italiener gelästert. Zu alt, zu langsam, die Nachrücker zu unroutiniert. Doch der Titelverteidiger fing gar nicht schlecht an: Vor allem die Achse Zambrotta-Pepe auf rechts war recht fleißig, das Mittelfeld zeigte ein starkes Pressing. Vor allem damit kamen die Paraguayer überhaupt nicht zurecht: Für einen geregelten Spielaufbau blieb in den ersten 20, 25 Minuten keine Zeit, so hingen Valdez und Barrios vorne ziemlich in der Luft. Mehr als hohe Bälle waren da nicht. Zudem etablierte sich Vera im rechten Mittelfeld bei Paraguay kruzfristig als Schwachpunkt. Sein schlechtes Stellungsspiel und seine technischen Fehler konnten allerdings Criscito und vor allem Iaquinta überhaupt nicht nützen. Iaquinta, der Linksaußen im 4-3-3 gab, sah in der kompletten ersten Hälfte nur sechs Bälle.

Nach starkem Beginn allerdings ließ das Mittelfeld-Pressing der Italiener nicht nur nach, sondern hörte (ebenso wie die Angriffe über die rechte Flanke) komplett auf. Paraguay kam nun wesentlich besser in die Partie, schafften es aber dennoch nicht, das Dortmund-Sturmduo Valdez/Barrios zu bedienen. Gerade Valdez hing ziemlich in der Luft. Aus dem Spiel gelang es zwar nicht, für ernsthafte Gefahr zu sorgen, aber weil De Rossi und Cannavaro bei einem Standard schliefen, ging Paraguay mit einer 1:0-Führung in die Kabine.

Die Italiener aber rissen nach dem Seitenwechsel das Spiel sofort wieder an sich, getragen vor allem vom bärenstarken Montolivo, dem nun wieder fleißigeren Zambrotta und auch von Kampfsau Pepe, der auf die linke Seite gewechselt war. Aus dem 4-3-3 wurde nun endügltig ein 4-2-3-1, wodurch sich die Italiener wieder mehr Kontrolle im Mittelfeld erkauften. Als dann Camoranesi nach einer Stunde für den umtriebigen Marchisio kam, switchte Lippi auf ein 4-4-2, mit Gilardino und (dem allerdings weiterhin durchsichtigen) Iaquinta vorne, Pepe links und Camoranesi rechts im Mittelfeld. Dieser Maßnahme war es zu verdanken, dass Vera, der sich nun deutlich gefangen hatte, sich auf der einen Seite an Pepe aufrieb und Santana die linke Flanke nicht konsequent besetzt hielt, sodass Camoranesi durchaus für Schwung über diese Seite sorgen konnte.

Umso mehr bekamen die Italiener die Kontrolle, als der spielstärkere Di Natale für Gilardino kam und um Iaquinta herum recht frei agieren konnte. Lippi wechselte also dem Spielverlauf entsprechend gut ein, seine Mannschaft steigerte sich klar und der Ausgleich war absolut korrekt. Ja, sogar ein Sieg hätte es noch werden können, denn Paraguays Teamchef Martino gönnte seiner nun vielbeschäftigten Abwehr keine Rotation, wechselte nur (und das völlig wirkungslos) positionsgetreu die beiden Stürmer aus, ohne etwas für sein Mittelfeld zu tun, um die Spielkontrolle wieder zu erlangen. Der Punkt für Paraguay hielt nur, weil sich Torhüter Villar nach seinem Irrflug beim Gegentor (auch ein Standard) keine Fehler mehr elaubte.

Fazit: Italien brauchte ein paar Justierungen, um nach der Pause ins Spiel zurück zu finden, das Unentschieden ist aber (mindestens) verdient. Paraguay reagierte nicht angemessen auf die italienischen Umstellungen und hatte im Endeffekt ein wenig Glück.

(phe)

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Vier Sechs Null https://ballverliebt.eu/2010/02/02/vier-sechs-null/ https://ballverliebt.eu/2010/02/02/vier-sechs-null/#respond Tue, 02 Feb 2010 18:43:48 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=1821 Vier Sechs Null weiterlesen ]]> WM-SERIE, Teil 11: NIEDERLANDE | Die „Elftal“ ist mal wieder einer der Mitfavoriten auf den Weltmeister-Titel. Die Holländer versuchen es dabei, wie schon bei der Euro2008, mit einer offensiv ausgerichteten Kontertaktik. Klingt komisch – ist aber so.

Der Auftritt der holländischen „Elftal“ bei der EM 2008 war ein Spiegelbild des Images, das dieser Mannschaft seit Jahren, ja seit Jahrzehnten anhängt: Wunderschöner Offensivfußball, Spiele zum Zungeschnalzen. Daraufhin macht man sich zum Titelfavoriten – und prompt scheitert man an der Unfähigkeit, mit diesem Druck umzugehen oder wird von einem Gegner bezwungen, der sich nicht auf die Schönspielerei einlässt und dem Oranje-Team die Lust am Spielen nimmt. Gibt es Gründe, dass die WM-Endrunde in Südafrika anders läuft? Wenn man ganz ehrlich ist: Nein, eigentlich nicht.

Dabei müssten die Holländer schon alleine wegen ihrer personellen Möglichkeiten im Offensivbereich jede Mannschaft schlagen können. Aus kaum einem anderen Land vergleichbarer geographischer Kleinheit kommt eine derartige Fülle an Weltklassespielern, und zwar nicht erst in den letzten Jahren. Das hängt zum einen natürlich mit der Mentalität der Holländer zusammen: Das Land ist nicht einmal halb so groß wie Österreich, hat aber doppelt so viele Einwohner. Dazu muss man aufgrund der Topographie des Landes ständig auf der Hut vor den Gewalten den Meeren sein – so ein Volk wird erfinderisch und gewissenhaft. Und mit dieser enormen Gewissenhaftigkeit werden auch die jungen Spieler ausgebildet: Jeder der 38 Profi-Vereine des Landes muss eine eigene Akademie vorweisen können, sonst gibt’s keine Lizenz. Und hat man die Lizenz erstmal, kann man sich ohne sportliche Existenzsorgen daran machen, mit dem eigenen Nachwuchs zum Erfolg zu kommen – denn einen Abstieg aus der zweiten Liga gibt es nicht. Die Vereine werden praktisch zur Ausbildung gezwungen. Logisch, denn angesichts von 38 Profi-Teams auf einem Gebiet von Niederösterreich, Wien, der Steiermark und dem Burgenland (wo es bei uns gerade elf Profi-Vereine gibt), sind die wirtschaftlichen Ressourcen naturgemäß zu knapp, um sich ein Team aus fertigen Spielern zusammen zu kaufen.

So kommt es, dass sogar die absoluten Topklubs wie Ajax, Eindhoven und Feyenoord Eigenbauspieler am laufenden Band produzieren. Dass diese dann von finanzkräftigeren Vereinen etwa aus England oder Deutschland weggekauft werden, ist kalkuliert – anders wird für die neuen Talente schließlich nicht Platz. So baute etwa Ajax Johnny Heitinga als Defeniv-Mann auf, und hatte einigen Erfolg mit ihm. Dann ging er nach Spanien, der damals 19-jährige Gregory van der Wiel nahm seinen Platz bein Ajax ein. Heute sind beide im Kader der Nationalmannschaft und kämpfen um einen Platz dort. Konkurrenz belebt eben das Geschäft.

Und nach diesem Prinzip hat sich der Europameister von 1988 zu einem Dauergast auf den Favoritenlisten großer Turniere etabliert, auch nachdem Spieler aufgrund des Bosman-Urteils nach 1995 in noch größerem Ausmaß die Liga verließen und diese so in den internationalen Wertungen deutlich abrutschte. Dass es aber für den ganz großen Wurf nun schon länger nicht mehr gereicht hat und bei den letzten beiden Turnieren nach einer enorm starken Vorrunde jeweils schon in der ersten K.o.-Runde schluss war, lässt sich eher am mentalen Rüstzeug festmachen als an der spielerischen Qualität: So quirlig, schnell und oft unberechenbar die Offensivabteilung ist, so humorlos agiert die oft unterschätzte Defensive, die aus eher weniger bekannten Namen zusammengesetzt wird. Die Zeiten von Stars wie Frank de Boer oder Jaap Stam sind vorbei.

Die Vierer-Abwehrkette der Holländer kommt auf den ersten Blick eher als Ansammlung (überspitzt formuliert) hüftsteifer alter Männer daher, die auch nie wirklich echte Stars waren. Bondscoach Bert van Marwijk hat nicht die Alternativen in der Hinterhand, um das zu ändern – muss er aber auch gar nicht. Das Duo in der Innenverteidigung setzt sich aus dem 35-jährigen André Ooijer und dem HSV-Profi Joris Mathijsen, der auch schon 30 Lenze auf dem Buckel hat, zusammen. Ooijer verbrachte den Großteil seiner Karriere beim PSV Eindhoven, nur von einem dreijährigen Abstecher auf die Insel (Blackburn) unterbrochen. Er ist ein grundsolider Verteidiger, der durchaus auch Spielübersicht hat, aber wie sein Nebenmann Mathijsen nicht gerade der flinkste ist. Mit Kopfbällen braucht man es gegen diese beiden nicht versuchen, mit schnellem Spiel ist ihnen ehesten beizukommen.

Eine Möglichkeit, in der Innenverteidigung zu variieren, wären allenfalls Khalid Boulahrouz (der aber weder bedeutend jünger, noch besser, noch schneller ist als Ooijer und Mathijsen) und John Heitinga. Dieser wird aber eher auf der rechten Seite gebraucht. Rückt der Everton-Verteidiger in die Zentrale, spielt für ihn – wie oben erwähnt – der junge Gregory van der Wiel auf  rechts; ihm mangelt es aber an internationaler Erfahrung. Diese hat Kapitän Giovanni van Bronckhorst auf der linken Seite zwar mehr als genug; wenn alles nach Plan läuft, ist das erste WM-Spiel gegen Dänemark sein hundertster Auftritt im holländischen Team. Aber „Gio“, ein flinker Mann mit einigem Offensivfran, hat seine besten Zeiten auch schon etwas hinter sich. Hinter der Kette steht mit Maarten Stekelenburg kein übermäßig beeindruckender Torwart – kein Vergleich zu seinem großartigen Vorgänger Edwin van der Sar. Er könnte am ehesten zum Sorgenkind werden.

Schwächere Gegner, wie sie die Holländer in der Qualifikation hatten, beißen sich mangels Qualität an die humorlosen, aber sicherlich nicht unverwundbare Abwehr die Zähne aus – die Bilanz von nur zwei Gegentoren in den acht Spielen, welche die „Elftal“ allesamt gewinnen konnte, darf man aber nicht allzu sehr überbewerten; ebenso wie die Zu-Null-Testspiele gegen Australien, Paraguay und Japan zuletzt. Gegen die drei braven, aber sicherlich schwächer als die Holländer einzuschätzenden Gruppengegner sollte es auch noch keine Probleme geben. Aber ob es für einen WM-Titel wirklich reicht? Da müssten schon auch die Spieler aus der Offensive mithelfen.

Die haben auch fraglos die nötige Qualität. Und dennoch: Obwohl es mindestens sechs Spieler in jeder möglichen Formation gibt, die wirklich offensiv denken, gibt es keine klassische Sturmspitze, die vorne auf die Anspiele wartet. Die Holländer sind damit, gemeinsam etwa mit den Spaniern, der Vorreiter einer Entwicklung, die der heutige Teamchef der Südafrikaner Carlos Alberto Parreira schon vor 16 Jahren prophezeite hatte: Das Spielsystem eines 4-6-0, das jeden Angriff wie einen Konter aufzieht. Voraussetzung dazu: Schnelle Spieler mit enormem Spielverständnis und einem guten Auge für die Situation. Und solche haben die Holländer genug!

In der Zentrale des (nominellen) Dreier-Mittelfeld sorgen üblicherweise Mark van Bommel (der Schwiegersohn des Bondscoaches) von den Bayern und Nigel de Jong von Manchester City für die defensive Absicherung, sind aber ebenso für die Einleitung der Angriffe verantwortlich. Diese Aufgabe teilt Van Marwijk hier auf zwei Spieler auf – anders als beim Europameister Spanien, wo Marcos Senna oft alleine auf dieser Position steht. Vor ihnen (oder deren Back-ups Schaars und De Zeeuw) ist es in der stärksten Formation Wesley Sneijder, der für die offensive Zentrale zuständig ist. Er (oder eben Rafael van der Vaart oder Jungstar Ibrahim Afellay, der erstmals WM-Luft schnuppern dürfte) ist der dezidiert offensive Dreh- und Angelpunkt im Angriffsspiel der Holländer. An ihm ist es, die Löcher zu sehen, durch die er seinen eben oft aus der Etappe startenden Vorderleuten die Bälle in den Lauf spielen kann.

Speziell auf den Flanken hat Van Marwijk eine mächtige Auswahl, wen er auf die Zuspiele aus dem Zentrum hoffen, oder auch die Seiten mit den Offensivstarken Außenverteidigern (wenn auch links eher als rechts) bearbeiten soll. Obendrein können die Kandidaten auch noch auf beiden Seiten agieren, was durch ständiges Rochieren die Gegner zusätzlich verwirren und so die Wucht des eigenen Angriffspiels verstärken soll. Arjen Robben, der zudem wie Sneijder ein guter Freistoß-Schütze ist, ist eine dieser Waffen – der trickreiche Linksfuß ist aber verletzungsanfällig. Sein Vorteil: Er ist ein hervorragender Joker und braucht nicht lange, bis er nach einer Einwechslung ins Spiel findet.

Ein ähnlicher Spielertyp ist Jungstar Eljero Elia, der ebenso in Deutschland spielt, als Teamkollege von Innenverteidiger Mathijsen beim HSV. Auch Van der Vaart kann auf die Seite ausweichen. Ryan Babel kann hier ebenso spielen, ist aber eher als Joker vorgesehen. Gesetzt ist in der Startformation (sofern er sich nicht verletzt) dafür Babels Teamkollege bei Liverpool, Arbeitstier Dirk Kuyt. Dem fleißigen Blondschopf, der eher auf der rechten Seite daheim ist, fehlt es zwar etwas an der Torgefahr, dafür könnte er zur noch auch in der Mitte spielen, wenn das notwendig sein würde. Wäre aber schon so ein wenig die Pechvogel-Variante.

Denn in der Sturmzentrale, die es ja in ihrer klassichen Form in dieser Mannschaft eben nicht gibt, ist Robin van Persie vorgesehen. Der flinke Mann ist die absolute Idealbesetzung für diesen Part, schließlich spielt er bei Arsenal exakt diese Position in exakt diesem System mit exakt dieser Spielweise. Da Van Marwijk hier keinen gleichwertigen Ersatz aufbieten kann, schmerzt ihn die Verletzung Van Persies mit – dieser fällt mit einem verletzten Sprunggelenk wohl bis kurz vor Saisonschluss aus.

Ohne Van Persie müsste entweder Kuyt in der Zentrale spielen, was ihm aber nicht so entgegen kommt wie die Aufgabe auf den Außen. Oder er stellt sein komplettes System um. Das müsste er tun, wenn Klaas-Jan Huntelaar spielen sollte. Das versuchte der Bondscoach zuletzt im Oktober in einem Testspiel gegen Australien. Mit mäßigem Erfolg, es gab ein 0:0. Spielt Huntelaar, müssen die anderen Offensiv-Spieler größere Verantwortung im Spielaufbau übernehmen, denn großer Vorbereiter ist der Strafraumspieler von Milan nicht.

Bondscoach Bert van Marwijk hat das System und die Philosophie, mit der er das Team von Marco van Basten übernommen hat, nicht verändert. So geht, wie schon bei der Euro2008, die größte Gefahr für die Holländer von Mannschaften aus, die mit einem ähnlichen Spielsystem agieren, wie das vor zwei Jahren die Russen waren, oder vor vier Jahren die Portugiesen. Solche Gegner, die auch die klasse besitzen, den Holländern in deren Bestform wirklich zusetzen zu können warten in der Vorrunde gegen Dänemark, Japan und Kamerun nicht, aber um wirklich einen großen Erfolg feiern zu können, muss sich in den Köpfen etwas ändern. Gegen die Russen im Euro-Viertelfinale verzagte vor allem Sneijder an den taktisch extrem ausgereiften Russen; gegen die Portugiesen wusste man sich vor vier Jahren nur mit Härteeinlagen zu helfen.

Nur, wenn es den Holländern auch in entscheidenden Spielen gegen unangenehme Gegner gelingt, die Nerven zu bewahren, können sie in Südafrika zu größeren Erfolgen kommen als einem Viertelfinal-Einzug (der das absolute Minimalziel sein muss). Und frühestens im Semfinale könnte es zum Aufeinandertreffen mit Australien kommen – dem einzigen anderen WM-Teilnehmer, der mit Pim Verbeek über einen holländischen Coach verfügt.

Und an einem solchen sind sie ja vor zwei Jahren noch gescheitert.

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NIEDERLANDE
oranges Trikot, weiße Hose, Nike – Platzierung im ELO-Ranking: 3.

Spiele in Südafrika:
Dänemark (Mittagsspiel Mo 14/06 in Johannesburg/S)
Japan (Mittagsspiel Sa 19/06 in Durban)
Kamerun (Abendspiel Do 24/06 in Kapstadt)

TEAM: Tor: Maarten Stekelenburg (27, Ajax), Piet Velthuizen (23, Arnheim), Michel Vorm (26, Utrecht). Abwehr: Khalid Boulahrouz (28, Stuttgart), Edson Braafheid (27, Celtic), John Heitinga (26, Everton), Joris Mathijsen (30, Hamburg), André Ooijer (35, Eindhoven), Giovanni van Bronckhorst (35, Feyenoord), Gregory van der Wiel (22, Ajax). Mittelfeld: Ibrahim Afellay (24, Eindhoven), Nigel de Jong (25, Manchester City), Demy de Zeeuw (27, Ajax), Stijn Schaars (26, Alkmaar), Wesley Sneijder (26, Inter), Mark van Bommel (33, Bayern), Rafael van der Vaart (27, Real Madrid). Angriff: Ryan Babel (23, Liverpool), Eljero Elia (23, Hamburg), Klaas-Jan Huntelaar (26, Milan), Dirk Kuyt (29, Liverpool), Arjen Robben (26, Bayern), Robin van Persie (26, Arsenal).

Teamchef: Bert van Marwijk (58, Niederländer, seit Juli 2008)

Qualifikation: 2:1 in Mazedonien, 2:0 gegen Island, 1:0 in Norwegen, 3:0 gegen Schottland, 4:0 gegen Mazedonien, 2:1 in Island, 2:0 gegen Norwegen, 1:0 in Schottland.

Endrundenteilnahmen: 8 (1934 und 38 Erste Runde, 1974 und 78 Finale, 90 Achtelfinale, 94 Viertelfinale, 98 Vierter, 2006 Achtelfinale)

>> Ballverliebt-WM-Serie
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Elfenbeinküste, Portugal
Gruppe H: Spanien, Schweiz, Honduras, Chile

* Anm.: Die Platzierungen im ELO-Ranking beziehen sich auf den Zeitpunkt der Auslosung.

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