Van Gaal – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 16 Jul 2018 17:30:35 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/ https://ballverliebt.eu/2014/07/19/zwei-stark-einer-so-naja-aber-drei-von-europas-grossen-griffen-voellig-in-den-dreck/#comments Sat, 19 Jul 2014 00:24:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10440 Europas „Große“ bei der WM: Zwei stark, einer so naja – aber drei griffen völlig in den Dreck weiterlesen ]]> Erst Italien, dann Spanien, nun Deutschland: Wenn man nur rein die Siegerliste betrachtet, die die letzten drei WM-Turniere hervorgebracht haben, sieht das nach einer brutalen europäischen Dominanz aus. Die Wahrheit ist aber viel eher: Die Breite an gutklassigen Teams macht’s. Denn genau wie schon 2006 und 2010 haben auch diesmal einige von Europas Big Guns ziemlich daneben gegriffen – am kolossalsten natürlich Titelverteidiger Spanien. ABer ein Europäer kommt halt immer durch. Das war diesmal eben Deutschland. Und das verdient.

Deutschland: Krönung eines langen Weges

Das war kein Glücksrittertrum wie beim eher zufälligen Finaleinzug 2002, das war von langer Hand geplant und ist eigentlich zwei Jahre zu spät gekommen. Seit Löw vor zehn Jahren zur Nationalmannschaft kam, wurde um einige Stützen herum konsequent ein über Jahre hinweg eingespieltes Team geformt. Lahm, Schweinsteiger und Klose waren von Beginn an dabei, der Rest wuchs homogen dazu, und im richtigen Moment ging es auch auf.

Deutschland
Deutschland: Als Khedira und Schweinsteiger fit genug waren, beide 90 Minuten durchzuhalten, durfte Lahm endlich nach rechts hinten. Von da an hatten die Gegner keinen Spaß mehr.

Dabei ist Löw ein großes Risiko gegangen, nach einigem Experimentieren sich so spät – nämlich erst ein halbes Jahr vor der WM – auf das bei den Guardiola-Bayern praktizierte 4-3-3 zu verlegen. Er hatte mit sechs bis sieben Bayern-Spielern einen großen Block, der das Gerüst darstellte und in der Vorbereitung klappte es nicht immer nach Wunsch. Auch, weil Löw Lahm wie bei den Bayern in die Mitte stellte, obwohl damit eine Baustelle rechts hinten aufgemacht wurde.

Der Gamble zahlte sich aus. Als sich Khedira (nach Kreuzbandriss im Herbst) und Schweinsteiger (nach vielen Blessuren in den letzten Jahren) halb durchs Turnier fit für 90 Minuten meldete, konnte er endlich Lahm dorthin stellen, wo es für das Team am Besten war. Mit Erfolg: Gab es davor mit allerhand Notvarianten auf rechts hinten (Boateng, Mustafi) eher Bauchweh, flutschte es mit Lahm dort – und das Mittelfeld-Trio mit Schweinsteiger, Khedira und Kroos blühte auf.

Löw war flexibel genug, sich kurz vor dem Turnier auf das 4-3-3 draufzusetzen, aber stur genug, um im ganzen Turnier mit der Ausnahme der zweiten Hälfte des Finales zu keiner Minute davon abzurücken, egal, in welcher personellen Aufstellung, egal, wie sehr auch erschreckend viele Medien das ab dem Viertelfinale offiziell angegebene 4-2-3-1 blind übernahmen.

Der Titel ist vor allem für Löw eine Genugtuung, weil ihm in Deutschland immer wieder vorgehalten wurde, mit seinem intellektuellen Zugang, seinem Faible für flache Hierarchien und ohne, wie sich Leute wie Effenberg gerne bezeichnet, „Typen“ (wiewohl etwa Müller und Schweinsteiger durchaus etwas zu sagen haben), zu weich und zu wenig Siegermentalität für einen großen Titel mitzubringen. Für die nun endgültig große Generation war er der Höhe- und gleichzeitig der Schlusspunkt: Lahm hat nach zehn Jahren im Nationalteam mit 116 Länderspielen adé gesagt, Klose wird sicher folgen, auch bei Schweinsteiger wäre das keine Überraschung und Podolski war bei dieser WM bestenfalls ein Nebendarsteller.

Wenigstens kommt Löw dann nicht in die Verlegenheit, aus überzogener Loyalität zu lange an zu vielen alten Recken festzuhalten.

Niederlande: Eine Bronzemedaille für Van Gaals Ego

Nicht wenige bezeichneten diese WM als gigantischen Ego-Trip des neuen Manchester-United-Managers Louis van Gaal. Er hat für dieses Turnier den holländischen Fußball einmal auf links gedreht und alles anders gemacht, als es die Granden bei Oranje für gut befanden. Dreiekette und Konterfußball statt 4-3-3 und schöngeistigem Spiel, dazu eine Horde von international unbekannten und unerfahrenen Leuten in der Defensive. Keine Frage, Van Gaal ging großes Risiko. Mit Aktionen wie dem Torhüter-Tausch in der 120. Minute im Viertelfinale gegen Costa Rica ebenso wie mit dem generellen Stil.

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Holland: Konsequent mit drei Innenverteidigern und Konterfußball. Das Risiko ging auf, weil das Star-Offensiv-Trio vorne die Räume gut nützte.

Vor allem, weil ja angesichts der Gruppengegner Spanien und Chile ein frühes Aus mehr als nur einen Fuß in der Tür der Wahrscheinlichkeiten hatte. Hollands Glück: Im ersten Spiel brach Gegner Spanien völlig auseinander, die Kontertaktik ging voll auf und nach dem unglaublichen 5:1-Erfolg über den Titelverteidiger hatten auch die Spieler selbst den Beweis, dass es mit dem 3-4-1-2-System funktionieren kann.

In der Tat brannte im ganzen Turnier hinten sehr wenig an (Elfmeter-Gegentor gegen Spanien, ein Glücksschuss und ein Elfer gegen Australien, ein Weitschuss gegen Mexiko) und vorne richtete es das individuelle Talent des Dreigestirns mit Sneijder, Robben und Van Persie, das die Räume hervorragend nützte, die angreifende Gegner ihnen anboten. Das war keine besonders aufregende Oranje-Truppe, aber für das vorhandene Spielermaterial passte die sehr pragmatische Herangehensweise.

Das ist natürlich kein Modell für die Zukunft, denn auf Dauer kann es sich ein Bondscoach nur mit Erfolgen leisten, das typisch holländische Spiel derart zu verraten. Zudem ist die Eredivisie ja auch nicht direkt für ihre kompromisslosen Defensiv-Konzepte bekannt – Angriff ist einfach in der orangen DNA.

Lieber verliert man formschön, als dreckig zu gewinnen. Obwohl eine defensive Grundhaltung das Team 2014 fast ins Finale geführt hätte und 2010 eine sehr pragmatische und auch nicht wirklich aufregende Herangehensweise beinahe den Titel gebracht hätte.

Frankreich: Deschamps braucht einen Deschamps

Irgendwie war dieses Turnier aus französischer Sicht nicht Ganzes und nichts Halbes, damit der letzten EM nicht ganz unähnlich. Dabei wäre so viel Talent in diesem Kader, auch der Ausfall von Franck Ribéry (der aber ohnehin eine ziemlich schwache Rückrunde gespielt hatte) wog nicht allzu schwer. Mit Honduras hatte man keinerlei Probleme, die Schweiz nahm man auseinander, aber danach war es wie abgebrochen.

Frankreich:
Frankreich: Seltsam führungslos im Zentrum. Da half auch ein wirklich starker Benzema nicht viel.

Als es hart wurde, also gegen die recht direkten Nigerianer und vor allem dann gegen die geschickt im Mittelfeld agierenden Deutschen, zeigte das zentrale Trio der Franzosen zu wenig Präsenz. Das kann man auch von einem Pogba trotz seines jungen Alters schon erwarten, vor allem hätte aber mehr von Cabaye und Matuidi kommen müssen. Die beiden müssen durchaus als die Verlierer des Turniers aus französischer Sicht gelten, denn beide haben schon ein Alter erreicht, in dem es nicht mehr viele Endrunden zu spielen gibt.

Besonders erschreckend war aber die Tatsache, dass man beim Viertelfinal-Aus gegen Deutschland über sieben Kilometer weniger gelaufen ist als der Gegner, obwohl man 80 Minuten im Rückstand lag. Das ist nicht mit der Hitze zu erklären, die für den Gegner ja genauso war. Das spricht entweder gegen die Fitness der Franzosen oder gegen den Willen. Denn von besonderen Anstrengungen, das Spiel noch herumzureißen, war wenig zu erkennen.

Deschamps fehlte ein Spieler wie Deschamps, ein verlängerter Arm des Trainers im Mittelfeld. Das kann Pogba werden. Noch war es der hoch veranlagte U-20-Weltmeister aber nicht.

England: Ja, die waren auch dabei

Die Three Lions haben so wenig Eindruck hinterlassen, dass man fast vergessen könnte, dass die überhaupt dabei waren. Dabei war die spielerische Intention von Roy Hodgson gar nicht so dermaßen steinzeitmäßig bieder wie das noch vor zwei Jahren der Fall war. Aber die Mischung passte nicht. Die Jungen sind noch zu jung, die alten über dem Zenit und die dazwischen reißen’s nicht heraus.

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England: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Produkt eines im Schneckentempo vollzogenen Umbruchs.

Diese drei Gruppen hat Hodgson nicht zu einem funktionierenden Ganzen vereinen können. Rooney im Speziellen ist nach zehn Jahren Spitzenfußball körperlich ruiniert wie andere Anfang, mitte dreißig, dazu wird er seit einigen Jahren sowohl bei United als auch im Nationalteam so wahllos hin- und hergeschoben, dass sich kein Rhythmus einstellen kann. Gerrard hat zwar einen Rhythmus, aber die lange und emotional aufwühlende Saison bei Liverpool hat ihre Spuren hinterlassen.

Die können Henderson, Sterling und Sturridge noch besser verkraften, aber ihnen fehlte zum einen ein Spieler wie sie ihn bei Liverpool in Suárez hatten, und zum anderen der internationale Vergleich, weil sie ja kaum oder noch wenig Europacup gespielt haben. Teams, die von der Insel kommen, spielen halt nicht wie Italiener oder Urus.

Und eine Abwehrreihe mit Baines, Jagielka, Cahill und Johnson ist nichts anderes als aller-grauster Durchschnitt. So hochgelobt Baines seit Jahren wird (warum auch immer), so lange Johnson schon dabei ist – aber England hat mit einiger Sicherheit das schlechteste AV-Pärchen aller europäischen Teilnehmer gehabt. Ihre Vorstöße wirkten beliebig, ihre Flanken hatten zuweilen Regionalliga-Format (vor allem die von Johnson, eine Frechheit).

England wirkt wie in einem Umbruch, der seit vier Jahren im Gange ist und ohne wirkliche Überzeugung betrieben wird. Man will die Alten raushaben, nimmt aber dennoch Gerrard UND Lampard mit. Man ersetzt den gefühlt seit den Achtzigern gesetzten Ashley Cole mit einem Spieler, der nur vier Jahre jünger ist und trotzdem erst eine Handvoll Europacup-Einsätze hinter sich hat. Man kommt endlich vom bald greisen Rio Ferdinand weg, und stellt einen 31-Jährigen und einen 28-Jährigen vor Joe Hart hin.

Der englische Verband blickt seit Jahren voller Bewunderung auf den Erfolg, den Deutschland nach dem radikalen Schnitt 2004 hat. Einen ähnlich radikalen Schnitt zu vollziehen, traut man sich auf der Insel aber nicht. Und genau darum wurschtelt man sich seit Jahren mittenrein in die weltfußballerische Anonymität.

Italien: Mischung aus Klima, Qualität und Form

Langsam war das alles. Die Hitze, sie setzte Andrea Pirlo und Daniele de Rossi schon extrem zu. Nach dem hart erkämpften Auftakt-Sieg gegen England in der Hölle von Manaus gab’s einen erschreckend leblosen Auftritt in der Tropenhitze von Recife, wo man gegen Costa Rica verlor. Und wirkliche Überzeugung und Verve war auch nicht zu erkennen, als man im schwülheißen Natal von Uruguay aus dem Turnier gebissen wurde.

Italien
Italien: Der zweite Außenverteidiger, das langsame Zentrum, biedere Offensiv-Kräfte: Prandelli hatte mit zu vielen Brandherden zu kämpfen.

Da halfen alle taktischen Überlegungen von Fuchs Cesare Prandelli nichts. Die höhere Grundposition von Pirlo, um ihn näher an die Passempfänger zu bringen, ebenso wenig wie der Einsatz von Abschirm-Jäger De Rossi und der Einsatz von Pirlo-Kopie Verratti neben dem alten Herrn. Weil neben dem wirklich braven Darmian es keinen zweiten Außenverteidiger gab, der sinnbringend im Spiel gewesen wäre – nicht der gelernte Innenverteidiger Chiellini, nicht der farblose Abate, nicht der als Wing-Back etwas hilflose De Sciglio.

Was auch ein Problem des Nachwuchses ist. Keine große Liga in Europa hat bei den Kadern der Vereine einen so geringen Anteil an bei den Klubs ausgebildeten Spielern wie die Serie A. Wie in Italien generell üblich, wird lieber an alten, verkrusteten Strukturen festgehalten, als mal etwas Neues zu probieren, weil es immer irgendein Gremium, einen 80-Jährigen Betonschädel, einige polemisierende Medien gibt, die das zu verhindern wissen.

Die Folge ist, dass Prandelli, fraglos einer der besten Trainer des Kontinents, hilflos zusehen musste, wie seine Mannschaft verglühte. Das Erreichen des EM-Finales vor zwei Jahren war kein Zufall, aber die Mischung aus den klimatischen Bedingungen und fehlender Form (wenn etwa Neu-Dortmunder Immobile so spielt, wie er heißt; ein Candreva halt nicht mehr als ein Durchschnitts-Kicker ist, Insigne von seinem Punch genau nichts zeigte, Cassano ein müder Abklatsch von 2012 ist und mit Parolo ein 29-Jähriger neu in den Kader kommt) killte Italien.

Spanien: „Generation Xavi“ entmachtet

Es kommt die Zeit, da bricht alles irgendwie in sich zusammen. Zumindest oft. Das war bei Frankreich 2002 so, das war bei Italien 2010 so, und jetzt hat’s die Spanier erwischt. Zu lange festgehalten an einer Spielweise, die die alternden Spieler nicht mehr auf dem höchsten Niveau zu spielen im Stande waren. Und gerade beim Ballbesitz-Fußball spanischer Prägung ist das unbedingt vonnöten.

Spanien
Spanien: Die Änderungen nach dem 1:5 gegen Holland waren zu spät und halfen zu wenig.

Aber Xavi wurde von den geschickten Holländern so kontrolliert, dass er danach nicht mehr ins Geschehen eingriff. Xabi Alonso nahm von den wie wild pressenden Chilenen ein veritables Trauma mit. Und ohne diese beiden Säulen im Zentrum mäanderte der Rest kopflos durch die Partien. Diego Costa konnte nie so eingesetzt werden, dass er seine Stärken ausnützen hätte können. Zu viele Spieler waren zu langsam oder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um jenes Gegenpressing zum Funktionieren zu bringen, das ja das eigentliche Erfolgsgeheimnis Spaniens war.

Und vor allem fehlte es dem Abwehr-Duo Ramos und Piqué vor allem gegen Holland, aber auch gegen Chile an der Gedankenschnelligkeit und der Abstimmung – auch, weil Busquets mehr vorne helfen musste als auf die Absicherung nach hinten achten zu können. Die gigantischen Löcher, die entstanden, waren ein Fest für die Holländer und die Hilflosigkeit gegen das chilenische Pressing wurde schnell deutlich.

Das allerdings war schon vorher klar: Von einem mutigen Gegner selbst angepresst zu werden, gefällt den sonst ja selbst pressenden Spaniern gar nicht – wie es etwa Portugal im EM-Halbfinale 2012 machte.

Und dann machte auch noch Iker Casillas jene dämlichen Anfängerfehler, die er nach einem Jahrzehnt auf Top-Niveau zuletzt auch bei Real Madrid immer häufiger wieder eingestreut hatte.

Wie so viele große Trainer vor ihm hat nun also auch Vicente del Boque zu lange an altverdienten Spielern festgehalten. Es sagt sich aber andererseits leicht, er hätte Xavi, Xabi Alonso und womöglich auch Iniesta und Casillas nach drei Titel in Folge eliminieren müssen. Die zu erwartenden Prügel von Medien und Fans will sich niemand antun. Verständlich.

Nicht, dass die Spanien jetzt Sorgen machen müsste – die letzten zwei U-21-Europameisterschaften gewann man, es rückt viel nach. Aber die „Generation Xavi“ ist hiermit an ihrem leider etwas unrühmlichen Ende des Weges angekommen.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Die Hälfte von Europas Großen hat komplett enttäuscht, aus den verschiedensten Gründen. Bei England wird sicherlich nichts besser, wenn man weiterhin so lauwarm vor sich hinlebt, bei Italien muss man abwarten, ob Biedermann Mancini übernimmt, Choleriker Conte oder doch Tüftler Guidolin (oder auch ganz wer anderer, Allegri ist ja für die Squadra Azzurra vom Markt). Keiner der drei wird aber die grundsätzlichen Probleme im italienischen Fußball lösen können, da ist der Verband gefragt.

Frankreich braucht für die Heim-EM mehr Persönlichkeiten im Mittelfeld, überall sonst ist die Equipe Tricolore gut aufgestellt. Deutschland wird zumindest zwei, vielleicht sogar drei absolute Schlüsselspieler auf dem Weg zur EM in zwei Jahren ersetzen – ob das ohne Reibungsverluste geht, muss man erst einmal sehen. Erstaunlicherweise sieht aus dem jetzigen Blickwinkel Holland als diejenige Mannschaft aus, die das wenigste Bauchweh haben muss: Der junge Kader hat die Erfahrung einer starken WM, muss praktisch nicht umgebaut werden und Guus Hiddink ist ein ganz erfahrener Trainer, der ein Team völlig anders führt als Van Gaal, sich aber um seine Autorität nicht sorgen muss.

Die Gelegenheit für Teams aus der zweiten Reihe, bei der EM die Arrivierten in den Schatten zu stellen, ist also gegeben. Sie müssten sich jetzt nur noch trauen.

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Die ’11-Besten https://ballverliebt.eu/2011/12/29/die-11-besten/ https://ballverliebt.eu/2011/12/29/die-11-besten/#comments Wed, 28 Dec 2011 23:02:28 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6279 Die ’11-Besten weiterlesen ]]> Das Jahr 2011 verlässt uns, aber die Erinnerungen an viele tolle Spiele aus den vergangenen zwölf Monaten wird uns natürlich bleiben. Darum gibt’s wie schon letztes Jahr noch mal die besten, interessantesten, richtungsweisendsten Spiele. Die Reihenfolge dieser elf Spiele aus 2011 ist natürlich willkürlich und nicht allzu eng zu sehen!

Platz 11 | Premier League | Chelsea – Liverpool 0:1

Chelsea-Liverpool 0:1

„Das sieht nach einem durchaus tauglichen Konzept aus, was Kenny Dalglish da mit seiner Dreierkette gefunden hat. Und Chelsea? Da könnte das Luxusproblem “Torres und Drogba und Anelka” zu einem tatsächlichen werden. Die Variante mit Drogba und Torres vorne und Anelka als Zehner dahinter war ein totaler Flop.“ – Die einen waren mit King Kenny auf der Bank auf dem Weg nach oben, zum Teil mit unüblichen Aufstellungsvarianten. Die anderen begannen zu erkennen, dass es vielleicht doch keine so einfach war, Torres sinnvoll einzubauen. Er verlor hier sein erstes Spiel im Chelsea-Dress ausgerechnet gegen sein altes Team. Süße Rache, nennt man so etwas wohl.

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Platz 10 | Asien-Cup | Japan – Syrien 2:1

Japan - Syrien 2:1

„In der offensiven Dreierreihe wird rochiert, was das Zeug hält. Da taucht Matsui schon mal auf der ganz anderen Seite auf, Kagawa in der Mitte oder gar als Sturmspitze, Honda mal zurückhängend, mal auf die Seiten, dann wieder ganz vorne. Fàbregas, Nasri, Rosický und Konsorten lassen grüßen. Und vorne macht Ryoichi Maeda, was bei Arsenal einen Robin van Persie ausmacht. Vom Toreschießen mal abgesehen.“ – Was der Italiener Alberto Zaccheroni aus den Japanern gemacht hat, war atemberaubend. Ein Tempo, eine Ballsicherheit eine Dominanz: Man war beim ganzen Asien-Cup, nicht nur im Gruppenspiel gegen Syrien, die mit sehr viel Abstand beste Mannschaft. Und wenn man etwas konsequenter im Ausnützen der Torchancen gewesen wäre, hätte das Arsenal Asiens nicht so sehr um den Titel zittern müssen.

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Platz 9 | Europa League | ZSKA Moskau – FC Porto 0:1

ZSKA Moskau - FC Porto 0:1
„Zwei der interessantesten Trainer Europas: Wunderkind André Villas-Boas vom FC Porto und der etwas schrullige Leonid Slutski von ZSKA Moskau. So unterschiedlich die beiden Trainer der zwei womöglich aufregendsten Mannschaften sind, die sich unter den letzten 16 der diesjährigen Europa League befinden, so ähnlich ist das Leistungsvermögen.“ – Auf dem Weg zum Sieg in der Europa League mit Porto bekam es André Villas-Boas im Achtelfinale mit einem ähnlich tollen Team und einem ganz anderen Trainer-Typen zu tun. Die beiden Mannschaften neutralisierten sich. Und wer weiß, womöglich wäre der Portugiese heute nicht Chelsea-Coach, hätte nicht Fredy Guarín das 1:0-Goldtor erzielt. In einem Spiel, das gezeigt hat, wie ähnlich sich so verschiedene Typen doch sein können.
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Platz 8 | Frauen-WM | USA – Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.

USA - Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.
„Kurioserweiser übernahmen die US-Amerikanerinnnen sofort wieder das Kommando. Mit der ganzen Wut über den harten Strafstoß samt Ausschluss und der überaus kleinlichen Entscheidung, den Elfer wiederholen zu lassen, drückten sie das brasilianische Team nun vor allem über die Flanken nach hinten.“ – Es war beileibe nicht das beste Spiel der Frauen-WM in Deutschland, dieses Viertelfinale. Im Gegenteil: Zwei hypernervöse Teams überboten sich lange in Fehlpässen. Aber die ganze Dramatik, die der Partie durch eine schreckliche Schiedsrichter-Leistung und dem US-Ausgleich in der 122. Minute eigen war, ließ sie doch zum zentralen Spiel des Turniers werden. Ein Spiel, in dem krass benachteiligte US-Girls Brasilien bestraften.
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Platz 7 | Europa League | SV Ried – Brøndby IF 2:0

SV Ried - Brøndby IF 2:0
„Weswegen Brøndby umso mehr schauen musste, über die Flügel nach vorne zu kommen. Damit hatte Ried das Ziel im Grunde erreicht: Die Mitte zwar offenlassen, aber keine Kreativität zulassen, das Spiel des Gegners so auf die Flügel zu verlagern, und dort den numerischen Vorteil ausspielen.“ – Zwar waren die Rieder letztlich die einzige österreichische Mannschaft, die sich nicht für die EL-Gruppenphase qualifizieren konnte, aber dennoch sind die Innviertler der große Gewinner des Jahres 2011. Nicht nur wegen des Cup-Siegs, sondern auch deshalb, weil man dank einer konsequent verfolgten Vereinsphilosophie auch den Abgang der halben Mannschaft verkraften konnte und zum zweiten Mal hintereinander Herbstmeister wurde. Weil sich eben nicht nur Brøndby am Rieder System die Zähne ausbiss.
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Platz 6 | EM-Qualifikation | Frankreich – Bosnien 1:1

Frankreich - Bosnien 1:1
„Was alles in einem irren Tempo geschah, weil der Spielplan der Bosnier in einem Guss funktionierte: Pressing, Ball erobern, blitzschnell umschalten und die freien Räume ausnützen. Die Franzosen wussten in der ersten Viertelstunde überhaupt nicht, wie ihnen geschah.“ – Bosnien ist die wohl beste Nationalmanschaft Europas, die bei der EM nicht dabei sein wird. Denn bevor Dzeko und Co. im Playoff gegen Portugal die Nerven verließen, spielten sie Frankreich komplett her und nur zwei Faktoren rettete den Bleus das Remis und die direkte Qualifikation: Eine Umstellung von Blanc und ein starker Nasri.
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Platz 5 | Deutsche Bundesliga | Bayern München – Borussia Dortmund 1:3

Bayern München - Borussia Dortmund 1:3
„Dortmund verfügt über ein hervorragendes Flügelspiel und nahm Ribéry und Robben ziemlich aus dem Spiel. Die beiden sahen sich, wann immer sie am Ball waren, sofort mit mindestens zwei Gegenspielern konfrontiert; oftmals sogar mit noch mehr. Das, und das für die Borussia so typische aggressive Pressing führte dazu, dass die Bayern nicht zu einem geordneten Spielaufbau kamen.“ – Die Bayern-Kapitel „Van Gaal“ endete als großes Missverständnis. Wirre Aufstellungs-Varianten, die Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen und natürlich atmosphärische Störungen führten zum vorzeitigen Ende. Und natürlich die brutale Überlegenheit von Dortmund, die sich vor allem im direkten Duell zeigte. Jürgen Klopp manövrierte seinen Kontrahenten auf jeder Position aus und machte damit im Titelrennen den Deckel drauf.
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Platz 4 | EM-Qualifikation | Aserbaidschan – Österreich 1:4

Aserbaidschan - Österreich 1:4
„Willi Ruttensteiner hatte es angekündigt, und er machte es auch wahr: Der Interims-Teamchef wollte vom ÖFB-Team beim Spiel in Aserbaidschan frühes Pressing sehen, er wollte die Gastgeber unter Druck setzen, sie gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen. Und tatsächlich: Die Spielanlage der Österreicher war gegenüber den letzten Spielen kaum noch wiederzuerkennen.“ – Kaum war Constantini nicht mehr Teamchef, war sofort zu erkennen, was für ein Potential wirklich in der Mannschaft steckt. Ja, es war „nur“ Aserbaidschan, aber jeder Spieler machte den Eindruck, genau zu wissen, welche Aufgabe er genau hat. So machte vor allem die Art und Weise des Spiels beim 4:1 in Baku Freude.
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Platz 3 | La Liga, Copa del Rey, Champions League | Der Clásico-Vierteiler

1:1-Remis, 1:0 n.V. Real, 2:0 Barça, 1:1-Remis
„Real ging viel aggressiver zu Werke als beim 1:1 am Wochenende, störte deutlich früher, presste auf den Gegner und stand teilweise verteufelt hoch – die Mittelfeldreihe machte sich genau dort breit, wo Barcelona eigentlich das eigene Spiel aufziehen wollte. So kamen die Katalanen kaum wirklich dazu und Real war gut im Spiel.“ – Groß war die Vorfreude auf vier Clásicos in nur 17 Tagen, aber nachdem die letzte Schlacht geschlagen war, blieben im Rückspiegel vor allem Härteeinlagen in Erinnerung. Und nach den Titeln in Liga und Champions League ein Punktsieg für Barcelona. Nach den Spielen am 16. April (1:1 in Madrid in der Liga), am 20. April (1:0 n.V. für Real im Cupfinale), am 27. April (2:0 für Barça im CL-Semi-Hinspiel in Madrid) und am 3. Mai (1:1 in Barcelona im CL-Semi-Rückspiel).
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Platz 2 | Copa América | Uruguay – Chile 1:1

Uruguay - Chile 1:1
„Und in dieser Tonart ging es weiter: Chile spielte nun Rambazamba-Fußball wie in besten Bielsa-Tagen, zudem kam mit Paredes statt dem müder werdenden Suazo noch ein frischer Mann. Die Chilenen spielten sich in einen Rausch, in dem Uruguay unterzugehen drohte.“ – Die Copa América wurde zum Triumph für Uruguay, aber eine Mannschaft setzte der Celeste schon in der Gruppe ganz extrem zu: Chile! Jenes Team, dass unter Claudio Borghis Vorgänger Marcelo Bielsa bei der WM für tollen Offensivfußball stand, zeigte in diesem grandiosen Spiel ein Feuerwerk. Das mit Abstand beste Spiel einer eher enttäuschenden Copa. Weil Chile weiterhin ein Team zum Verlieben ist.
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Platz 1 | La Liga | FC Barcelona – Villarreal CF 5:0

FC Barcelona - Villarreal CF 5:0
„Weil es dank des Verzichts auf eine nominelle Abwehr mehr Ballverteiler gibt, weil die Breite dennoch gegeben ist, und weil Messi und Fàbregas jetzt schon zuweilen miteinander harmonieren, als spielten sie schon seit Jahren zusammen. Pep Guardiola ist gerade dabei, die Pyramide mit diesem 3-3-4-ähnlichen System wieder zurückzudrehen. Womit er potentiell ein neues Kapitel der Fußballgeschichte aufschlägt.“ – Im Grunde war es „nur“ ein Liga-Spiel. Aber was Barcelona hier spielte, war ein Blick in eine mögliche Zukunft. Ob es ein Modell für die ganze Fußball-Welt ist oder nur für eine Mannschaft von der Qualität Barças, ist eine andere Frage. Aber Villarreal war tatsächlich nicht die letzte Mannschaft, die dieser Formations-Variante rein gar nichts entgegensetzen konnte. Weil Barcelona damit noch stärker aussieht als vorher.

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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2011 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2012 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!

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Der Louis-ist-weg-Effekt https://ballverliebt.eu/2011/04/18/der-louis-ist-weg-effekt/ https://ballverliebt.eu/2011/04/18/der-louis-ist-weg-effekt/#respond Mon, 18 Apr 2011 13:39:43 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4593 Der Louis-ist-weg-Effekt weiterlesen ]]> Andries Jonker soll die Bayern noch auf Platz drei, und somit in die Champions League führen. Im ersten Spiel nach der Entlassung von Louis van Gaal spielten die Bayern völlig anders: Sie gaben Leverkusen bereitwillig den Ball, und Bayer wusste nichts damit anzufangen – und machte zudem individuelle Fehler.

Bayern München - Bayer Leverkusten 5:1

Im Grunde ging’s in diesem Spiel fast ausschließlich um die Trainer. Auf der einen Seite Leverkusen-Trainer Jupp Heynckes, der im Sommer zu den Bayern geht. Für ihn war die Lage besonders pikant: Gewinnt er dieses Spiel, hat er zwar noch kleine Chancen auf den Titel mit Leverkusen, kickt die Bayern (und damit sich selbst) aber möglicherweise für die kommende Saison aus der Champions League. Auf der anderen Seite saß erstmals Andries Jonker als Chef auf der Bayern-Bank: Der langjährige Assistens von Louis van Gaal beerbt diesen für die letzten fünf Saisonspiele und übernimmt dann die 2. Mannschaft, die aus der 3. Liga absteigt.

Systematisch veränderte Jonker gegenüber seinem Ex-Boss nichts, er blieb beim 4-2-3-1. Aber die Art und Weise, wie dieses interpretiert wurde, unterschied sich schon merklich vom Ballbesitz-Spiel Van Gaals, natürlich auch befeuert von der frühen Führung – Rolfes bekam in der 7. Minute eine von Schweinsteiger verlängerte Ecke so unglücklich auf den Kopf, dass der Ball in sein eigenes Tor ging. So war Leverkusen schon früh gefordert, selbst mehr für das Spiel zu machen.

Was sich in der erstaunlichen Tatsache manifestierte, dass die Bayern vor der Pause weniger als 50% Ballbesitz hatten – das gab’s in 95 Pflichtspielen unter Van Gaal nur ein einziges Mal. Dafür setzten die Bayern ihre Gegner durchaus unter Druck. Das zwar zwar kein wildes Pressing á la Dortmund, aber es gelang auf diese Weise gut, Leverkusen in Schach zu halten.

Die Formationen

Jonker musste auf die gesperrten Robben und Badstuber verzichten. Das hatte zur Folge, dass Müller auf Robbens rechte Seite ging und dafür der von Van Gaal scheibchenweise abgesägte Klose hinter Sturmspitze Gomez auflaufen durfte (und das, seiner Natur entsprechend, eher hoch stehend tat). Hinten bildete Luiz Gustavo mit Van Buyten die Innenverteidigung, Pranjic (und nach dessen Muskelverletzung Contento) war Linksverteidiger. Butt kehrte für Kraft ins Tor zurück. Auffällig war, dass die drei im offensiven Mittelfeld viel rochierten – so tauchte Klose schon mal auf der rechten Seite auf, so rückte Ribéry auf der anderen Seite immer wieder ein. Auffällig war auch, dass sich vor allem Tymoschuk viel in die Offensive einschaltete – weil er es sich leisten konnte.

Denn Heynckes agierte von der Formation genauso in einem Mittelding aus 4-2-3-1 und 4-4-1-1. Unterschied auf der Position hinter der Spitze: Während bei den Bayern mit Klose ein Spieler dort stand, der von der Stürmerposition kommt, stellte Heynckes mit Ballack jemanden dorthin, der eher aus dem Mittelfeld kommt. Ballack, der zuweilen tatsächlich als hängende Spitze agierte, sollte wohl Druck auf Tymoschuk ausüben, damit dieser nicht zur Spieleröffnung kommt. Er stand dabei aber oft so hoch, dass er für Anspiele kaum in Frage kam und so keine echte Bindung zum Spiel fand – und Tymoschuk somit gefahrlos nach vorne gehen konnte.

Besonderer Schwachpunkt war aber die linke Seite von Leverkusen. Renato Augusto, der eher im Halbfeld agierte statt auf der Seite, gelang überhaupt nichts und Castro hinter ihm spielte um nichts besser. So hatten Müller und vor allem Lahm ihren Spaß mit Castro, während sie sich um Renato Augusto kaum kümmern müssen.

Bayer drängt die Bayern auf die Seiten ab

Nach der frühen Führung fühlten sich die Bayern komfortabel genug, Leverkusen bereitwillig den Ball zu überlassen – zum einen, weil sie selbst gut verteidigten und keinerlei Gefahr für das Tor von Jörg Butt entstand, zum anderen, weil sich so Räume ergaben, in die die Bayern nach Ballbesitz stoßen konnten. Und Leverkusen verlor die Bälle oft besorgniserregend schnell wieder.

Heynckes lässt nach Außen verteidigen, macht also die Mitte dicht und versucht, gegnerische Angriffe auf die Flügel abzudrängen. Das gibt im Idealfall dem jungen Innenverteidiger-Duo Schwaab/Reinartz Sicherheit, und nimmt zum anderen durch die gute Defensivarbeit von Rolfes und Vidal den gegnerischen Zehner (diesmal eben Klose) merklich aus dem Spiel. Das klappte auch diesmal gut, Castros Desaster-Tag zum Trotz. So taten sich die Bayern, obwohl sie alles im Griff hatten, schwer, vor Adlers Tor zu kommen

Leverkusen implodiert

Ehe ein krasser individueller Fehler den Bayern das 2:0 ermöglichte: Reinartz brachte den Ball nicht weg, Vidal wollte daraufhin, von Müller bedrängt, die Ecke verhindern – mit der Ferse. Sein blinder Rückpass landete genau auf den Füßen von Müller, der nur noch querlegen brauchte und Gomez traf. Das lähmte Leverkusen komplett, die bis dahin zwar harmlose, aber wenigstens nach hinten sichere Bayer-Elf implodierte völlig.

Was für die Bayern natürlich eine Einladung erster Güte war. Es bedaufte nicht einmal mehr jeglicher Form von Pressing, um die Bälle von den Leverkusenern ständig in die Füße gespielt zu bekommen. Vor allem Castro und Renato Augusto standen nun komplett neben sich, auch Balitsch auf der anderen Seite – zuvor recht sicher gegen Ribéry – ließ nach, Rolfes und Vidal konnten das Spiel somit auch nicht wie gewünscht lenken, und Ballack tauchte unter.

Wenn Bayer mit dem 0:2 in die Pause gekommen wäre, womöglich hätte Heynckes dort noch etwas ausrichten können. Aber nachdem Gomez mit einem Doppelschlag vor der Pause die enormen Räume, die Leverkusen nun anbot zu zwei Toren und somit dem 4:0-Pausenstand nützte, war natürlich alles gelaufen.

Belanglose zweite Hälfte

Angesichts der klaren Führung wurde die zweite Halbzeit naturgemäß zu einem ziemlichen Non-Contest. Heynckes erlöste den inferioren Castro, dafür ging Vidal nach links hinten und Lars Bender neu ins defensive Mittelfeld. Renato Augusto sah sich der Bayer-Coach noch zehn Minuten an, eher der ebenso inferiore Brasilianer auch raus durfte – Kießling kam für ihn rein und ging in die Spitze, Derdiyok auf die linke Seite.

Leverkusen erzielte nach einer Stunde das Ehrentor durch Derdiyok (nach einer Unstimmigkeit zwischen Van Buyten und Schweinsteiger); Ribéry sorgte eine Viertelstunde vor Schluss nach einer zu kurzen Kopfballabwehr von Schwaab für den 5:1-Endstand. Ansonsten ließen es die Bayern äußerst ruhig angehen und warteten nur noch, dass die Zeit vergeht. Sie überließen Leverkusen den Ball, die beste Rückrundenmannschaft (ja, das ist tatsächlich Bayer) konnte aber weiterhin wenig davon nützen.

Herauszuheben gilt es bei den Bayern, trotz Gomez‘ Hattrick, zwei andere Spieler, für die der Van-Gaal-Rauswurf ganz offensichtlich die größte Befreiung war. Zum einen Thomas Müller, der mit seiner ganzen aufgestauten Spielfreude vor der Pause Castro zerstörte, danach auch noch Vidal vollends entnervte und am Ende mit Michal Kadlec den dritten Linksverteidiger gegen sich hatte. Und Luiz Gustavo: Er spielte den Innenverteidiger defensiv bombensicher (zugegeben, er war auch kaum gefordert) und startete vor allem nach der Pause immer wieder Vorstöße, die ein wenig an Lúcio erinnerten. Allerdings machte der eher schmächtige Luiz Gustavo das nicht mit der ganzen Wucht der Ein-Mann-Büffelherde Lúcio, sondern mit viel Übersicht und sensationellen Pässen in der Spieleröffnung und -gestaltung.

Fazit: Was tun mit dem Ballbesitz, Bayer?

Ganz offensichtlich hatte Leverkusen nicht damit gerechnet, von den Bayern – zumal in der Allianz Arena – dermaßen viel Ballbesitz zu bekommen und somit auch Verantwortung in der Spielgestaltung zu haben. Bayer wusste wenig bis gar nichts damit anzufangen, außerdem spielten einige Leistungsträger richtig schlecht: Vor allem die linke Seite mit Castro und Renato Augusto war eine Katastrophe. Bevor Heynckes wirklich etwas ändern hätte können, fingen sich die Gäste noch zusätzliche Tore ein und in der zweiten Hälfte hatte Leverkusen so nur noch die Möglichkeit, das Außmaß der sportlichen Katastrophe in grenzen zu halten.

Auch, wenn das 5:1 spektakulär aussieht – im Grunde war es eine langweile und eher unspektakuläre Partie. Andries Jonker ließ seine Bayern nach dem frühen Tor zurückziehen, wollte Leverkusen kommen lassen, sodass das Spiel lange dahinplätscherte. Dann nützten die Bayern drei Fehler eiskalt aus, und die komplette zweite Halbzeit war im Grunde sinnlos.

In der Tat muss es aber so gewesen sein, dass viele Spieler bei den Bayern wie von einer Last befreit waren und sich im Hergeben des Ballbesitzes mit schnellen Gegenstößen wohler fühlen als im Ballbesitz-Spiel von Van Gaal. So war das Spiel sicherlich auch so ein wenig geprägt vom Louis-ist-weg-Effekt.

(phe)

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Ballverliebt Classics – Das letzte große Ajax https://ballverliebt.eu/2011/03/21/ballverliebt-classics-das-letzte-grose-ajax/ https://ballverliebt.eu/2011/03/21/ballverliebt-classics-das-letzte-grose-ajax/#comments Mon, 21 Mar 2011 21:48:16 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4412 Ballverliebt Classics – Das letzte große Ajax weiterlesen ]]> Mit Johan Cryuff dominierte Ajax die frühen 70er-Jahre. Mit drei Meistercup-Titeln in Folge. Das letzte Ajax-Team von echtem Weltformat war das Mitte der 90er: Louis van Gaal holte mit seiner Rasselbande von Jungspunden 1995 die Champions League. Mit einem 1:0 im Finale von Wien.

Heute scheint es wie aus einem anderen Leben. Aber kaum eine Mannschaft rüttelte Mitte der Neunziger so am Establishment aus Italien wie die von Ajax Amsterdam. Das Team von Louis van Gaal war das letzte Team aus einer nicht ganz so finanzstarken Liga, das vor dem Bosman-Urteil und dem schrittweisen Fallen aller Ausländerbeschränkungen geschafft hat, über einen längeren Zeitraum eine dominante Rolle in Europa zu spielen. Heute ist jeder Spieler der größeres Talent zeigt, sofort auf der Insel oder in Spanien. Doch die Rasselband von damals – Durchschnittsalter 24,7 Jahre – liest sich auch viele Jahre danach noch wie ein Who is Who.

Der Höhepunkt dieser Ära? Natürlich der Titel der Champions League. Am Mittwoch, dem 24. Mai 1995 traf Ajax im Wiener Ernst-Happel-Stadion auf den AC Milan: Die Routiniers (im Schnitt vier Jahre älter als der Gegner) aus Italien mussten zwar in der Gruppenphase zwei Niederlagen gegen Ajax einstecken, galten aber als Titelverteidiger mit viel Erfahrung nicht als Außenseiter.

Ajax Amsterdam - AC Milan 1:0

Schon in der Gruppenphase im Herbst hatten sich die beiden Mannschaften getroffen. Ajax gewann beide Spiele mit 2:0 und ging problemlos durch, Milan hatte da schon mehr zu kämpfen: Auch wegen des Punktabzugs nach dem Flaschenwurf auf Otto Konrad musste im letzten Gruppenspiel bei Salzburg ein Sieg her. Daniele Massaro erlöste die Rossoneri, die dann im Frühjahr richtig durchstarteten: Weder Benfica noch Paris St. Germain, beide im Herbst absolut unantastbar, schossen auch nur ein Tor gegen das Team von Fabio Capello. Mit tollem Offensivfußball hingegen machte Ajax weiter: Das 5:2 im Semifinal-Rückspiel gegen Bayern München war wohl die großartigste Leistung, die diese Mannschaft je gezeigt hat. Das wichtigste Spiel aber war das in Wien. Das gegen Milan.

Das eigenwillige Ajax-System

Ist von Ajax die Rede, spricht man oft vom „typischen“ 4-3-3. So wirklich stimmt das aber nicht. Denn eher schon stellte sich das Team als 3-4-3 mit Mittelfeldraute dar, auch ein 3-1-3-3 wäre als Bezeichnung sicher treffender als 4-3-3. Und jede Position hatte ihre eigenen Aufgaben, die sich strikt an der Position orientierte und nicht an dem Spieler, der sie ausfüllen soll. Das System war bei Van Gaal alles, der Einzelne musste sich unterordnen.

Danny Blind spielte im Abwehrzentrum einen ganz klassischen Libero, wie es ihn auch in Deutschland und in Österreich gab; Michael Reiziger und Frank de Boer waren, zumindest gegen den Ball, ebenso klassische Manndecker. Sie kümmerten sich um Massaro und Simone, sobald Ajax den Ball verloren hatte. Die beiden entscheidenden Figuren waren aber Frank Rijkaard und Jari Litmanen.

Rijkaard musste, wenn der Gegner mit drei Stürmern spielte, selbst den Mittelstürmer aufnehmen. Im Finale gegen Milan aber spielte er quasi den Quarterback vor der Abwehr; also das, was man heute als klassischen Sechser bezeichnen würde. Wenn’s brenzlig wurde, ging er nach hinten zu Blind. Ansonsten war er derjenige, der das Spiel von hinten lenkte.

Die Halbpositionen im Mittelfeld nahmen Edgar Davids und Clarence Seedorf ein. Sie waren die Verbinder zwischen den Manndeckern bzw. Rijkaard und den Außenstürmern, in diesem Spiel Finidi George und Marc Overmars. Zudem kam ihnen im damals wie heute sehr ballbesitzorientierten Spiel von Van Gaal die wichtige Aufgabe zu, für die schnellstmöglichen Seitenwechsel zu sorgen. Selbst bis an die Grundlinie vorgehen und flanken durften die beiden nicht, das blieb den Außenstürmern vorbehalten.

Der Finne Jari Litmanen war nicht nur der Zehner in der Vorwärtsbewegung, sondern dazu extrem torgefährlich: In der CL-Saison 94/95 verpasste er nur um ein Tor den Torschützenkönig, im Jahr darauf holte er das nach. Doch nicht nur das: Es war die spezielle Fähigkeit des Finnen, darüber hinaus brutal viel nach hinten zu arbeiten. Es war vor allem das aufopferungsvolle Spiel von Litmanen, das ihn bei Van Gaal so beliebt machte – und zum wichtigsten Spieler bei Ajax. Denn Sturmspitze Ronald de Boer war für vieles zuständig, nur nicht für’s Toreschießen. Er war der Prellbock gegen die gegnerische Innenverteidigung, der Ballableger für Litmanen, auch an den Flanken war er oft zu finden, bei Eckbällen ging er zurück und machte die defensive Absicherung.

Extreme Ballsicherheit und extreme Dominanz

Das alles ging natürlich nur, wenn alle Akteure auf dem Platz das Spiel lesen können. Genau wissen, wann man wie zu laufen hat. Und vor allem: Extreme Ballsicherheit und Platzgenauigkeit. Es ist kein Zufall, dass Clarence Seedorf, damals gerade 19 Jahre jung, noch eineinhalb Jahrzehnte später – pikanterweise seit langem bei Milan – das Um und Auf in der Spielgestaltung ist. Dass Edgar Davids bei Juventus später unverzichtbar war. Dass Frank de Boer die zentrale Führungsfigur in der Nationalmannschaft wurde und lange Zeit blieb. Dass Edwin van der Sar auch mit 40 noch bei Manchester United der erste Mann in der Spieleröffnung ist, während andere Torhüter eine Streuung wie eine Schrotflinte haben.

Diese Mannschaft hat im Verlauf der Saison 1994/95 kein einziges Pflichtspiel nach regulärer Spielzeit verloren: Sieben Siege und vier Remis in der Champions League vor dem Finale. In der Meisterschaft 27 Siege und sieben Unentschieden, bei einer Tordifferenz von 106:28. Lediglich im Cup-Viertelfinale gab’s das Aus gegen Feyenoord Rotterdam. Nach Verlängerung.

Milan? Same old.

Dagegen nimmt sich der Gegner aus Mailand beinahe langweilig aus. Für Milan und Coach Fabio Capello war es das dritte CL-Finale hintereinander, nachdem im Jahr zuvor Barcelona 4:0 gedemütigt worden war und es im ersten Endspiel unter dem Namen „Champions League“ zwei Jahre davor eine 0:1-Niederlage gegen Olympique Marseille gab. Doch nach drei nationalen Meisterschaften in Folge war Milan zum Zeitpunkt des Finales schon längst entthront, Juventus stand bereits als Meister fest – und damit war ein Sieg beim Finale in Wien die letzte Möglichkeit, sich noch für die kommende CL-Saison zu qualifizieren. Ja, damals durfte nur der nationale Meister in die Königsklasse – der einzige andere Weg war der Titel.

Fabio Capello behielt das von seinem Vorgänger Arrigo Sacchi zur Perfektion getrieben 4-4-2 bei, hatte noch acht Spieler vom 4:0 gegen Barça in seiner Startformation, und wären Dejan Savicevic und Rechtsverteidiger Mauro Tassotti fit gewesen, wären’s wohl zehn gewesen. Die Außenverteidiger Panucci und Maldini marschierten relativ viel nach vorne mit, Costacurta blieb strikt hinten – und Franco Baresi war der Libero itailenischer 80er-Jahre-Schule: Mit eingem Vorwärtsdrang leitete er oftmals die Angrifft von Milan ein. Wenn sich der Kapitän nach vorne bewegte, sicherte dafür Marcel Desailly ab, der defensivere der beiden zentralen Mittelfelspieler neben Zvonimir Boban, der eher Simone und Massaro einsetzen sollte.

Viel Vorsicht, wenig Strafraumszenen

Das Spiel selbst nahm den erwarteten Gang: Ajax mit mehr Ballbesitz, Milan stand eher tief und lauerte auf schnelle Konter. So entwickelte sich das Finale zu einem Geduldspiel, in dem keiner den ersten und somit womöglich entscheidenden Fehler machen wollte.

Milan hatte die Ajax-Flügel Finidi und Overmars hervorragend im Griff, hier machten Maldini und der junge Tassotti-Vertreter Christian Panucci einen hervorragenden Job. So blieb mehr Verantwortung an Jari Litmanen im Zentrum hängen. An ein Durchkommen bis zu Milan-Torhüter Sebastiano Rossi war nicht zu denken.

Auf der anderen Seite zeigte sich vor allem Marco Simone sehr lauffreudig. Er scheute keinen Zweikampf mit seinem Bewacher Michael Reiziger und setzte diesem ordentlich zu. Ganz anders dafür Frank de Boer: Er montierte Daniele Massaro komplett ab. So konnte es sich Marc Overmars erlauben, Edgar Davids mit dem Milan-RM Roberto Donadoni alleine zu lassen, denn der war von Massaro ziemlich abgeschnitten. Die Folge: Von hinten heraus lief das Milan-Spiel über Donadoni besser, nach vorne ging’s aber über die linke Seite von Simone deutlich flotter.

So kippte das Spiel nach einer halben Stunde merklich zu Gusten von Milan. Die Italiener versuchten nun verstärkt, Simone immer wieder gegen Reiziger zu schicken , vor allem Boban nahm im Mittelfeld nun die Fäden vermehrt in die Hand. So kam Milan zu einer Reihe von Eckbällen, aber kaum zu echten Torchancen. Bis zur 45. Minute, als in einem Konter ein weiter Ball von Donadoni – wem sonst – den völlig freistehenden Simone – wen sonst – fand. Den sehenswerte Volleykracher konnte Edwin van der Sar mit Mühe parieren. So ging’s mit einem 0:0 in die Kabinen.

Der gegenseitige taktische Würgegriff wird nicht gelöst

Das Spiel an sich war unspektakulär bis langweilig, daran änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts. Milan zog sich geschickt zurück und überließ Ajax das deutliche Übergewicht an Ballbesitz, die Holländer wussten jedoch nicht, wie sie gegen die so bombensichere Abwehr ankommen sollten. Kein Wunder, dass Milan vor dem Spiel 476 Champions-League-Minuten (oder mehr als fünf Spiele) kein Gegentor mehr kassiert hatte. Ausgerechnet im Gruppenspiel gegen Ajax, im Übrigen.

Louis van Gaal war der erste, der an seiner Formation etwas änderte: Er brachte den 18-jährigen Nwankwo Kanu (statt Seedorf) für die Position ganz vorne, Ronald de Boer rückte zurück auf die Seedorf-Position. Das hatte einen durchaus positiven Effekt, denn der frische Kanu konnte Baresi und Costacurte in der Zentrale deutlich mehr zusetzen als De Boer. Dieser wiederum schaffte es besser als zuvor Seedorf, Finidi George in Szene zu setzen – der Nigerianer blühte mit dem zurückgerückte De Boer an seiner Seite deutlich auf. Er war in dieser Phase der aktivste Ajax-Spieler.

Keinen Glanztag hatte dafür Jari Litmanen, das ausführende Organ von Lenker Rijkaard. Er lief viel, bot sich an, rieb sich aber auf ohne wirklich Wirkung zu erzielen. So wurde er eine Viertelstunde vor Schluss ausgewechselt, wiederum gegen einen 18-jährigen Jungspund: Patrick Kluivert. Er nahm genau Litmanens Position im offensiven Mittelfeld ein.

Die beiden Wechsel, die Van Gaal vorgenommen hatte, waren ein klares Signal: Nach vorne! Wodurch sie für Milan, nachdem die Italiener nach Wiederanpfiff eine halbe Stunde überhaupt nichts zeigten – auch Simone tat sich gegen Reizige zunehmend schwerer – die eine oder andere Konterchance erlaubte, die der sehr umsichtige und hervorragend mitspielende und antizipierende Edwin van der Sar im Tor allesamt parierte.

Die erste Lücke wird genützt

So plätscherte das Spiel zielsicher einem 0:0 entgegen, wenn da nicht Milan in der 85. Minute doch mal ein Loch in der Abwehr offengelassen hätte. Ausgerechnet Ex-Milan-Spieler Frank Rijkaard erkannte dies und schickte Patrick Kluivert hinein. Weil Kluivert eher aus der Etappe kam, war Milan-Zehner Boban am nächsten dran – er konnte den Joker aber ebenso wenig am Schuss hindern wie der eilig herbeigeeilte Franco Baresi. Und schon klingelte es – mit dem ersten ernst zu nehmenden Torschuss der Holländer, fünf Minuten vor Schluss.

Capello warf mit Lentini und Eranio noch eilig zwei neue Kräfte in die Schlacht, aber Ajax machte hinten den Laden nun dicht und Milan tat sich nach dem späten Nackenschlag schwer, den Hebel auf volle Offensive umzulegen. Und so hätte tief in der Nachspielzeit Blind beinahe auch die zweite Torchance der Holländer genützt – seinen Schuss nach einem blitzsauberen Konter konnte Sebastiano Rossi aber abwehren.

Es machte keinen Unterschied mehr.

Die Nachwirkungen

Für Louis van Gaal und seine Rasselbande bedeutete der Sieg in dem äußert zähen Geduldspiel von Wien den größten Erfolg ihrer Ära, wiewohl es für das spektakuläre Ajax eigentlich ein untypischer Sieg war. Der Gegner wurde nicht mit schnellem Kurzpassspiel und viel Ballbesitz zermürbt und durch das dabei hohe Tempo verwirrt – das Ajax-Spiel der 90er ist vom Prinzip dem des Guardiola-Barcelona nicht unähnlich – sondern mit viel Geduld auf den einen Fehler gelauert, und wenn es 85 Minuten dauert, bis er kommt.

Nach fünf Meistercup/CL-Finals in sieben Jahren, davon die letzten drei in Serie, mit insgesamt drei Titeln markierte dieses Spiel das Ende der großen Milan-Ära der späten 80er und frühen 90er. Die Mannschaft war alt geworden, vielleicht nach den vielen Erfolgen auch etwas satt. Führungsfiguren wie Franco Baresi, Daniele Massaro und Mauro Tassotti standen vor ihrem Karriereende, Donadoni, Savicevic und Boban hatten ihren Zenit schön langsam überschritten, Simone konnte an seine starke Saison nicht anknüpfen und verschwand wieder in der Versenkung.

In der Serie A übernahm Juventus Turin nun das Zepter (mit welchen Mitteln da nachgeholfen wurde, ist spätestens seit Calciopoli klar), die Vecchia Signora erreichte ihrerseits drei Finali in Folge. Die Serie A blieb weiterhin die dominante Kraft in Europa, sie war um Lichtjahre die beste Liga des Kontinents. Von 1989 bis 1998 stand in zehn Meistercup/CL-Finals mit einer Ausnahme (’91) IMMER der jeweilige Vertreter Italiens.

Ajax zog auch in der folgenden Saison voll durch und marschierte wiederum bis ins Finale, wo man Juventus Turin gegenüber stand und nach einem 1:1 nach Verlängerung im Elfmeterschießen unterlegen war. Ein wesentlich größerer Schlag als die Niederlage im Shoot-Out von Rom war aber das Bosman-Urteil. Ajax hatte nun keine Chance mehr, all die guten Spieler zu halten und das Team zerfiel komlett. Davids ging zu Juventus, Seedorf gewann später auch mit Real Madrid und Milan die Champions League, Van der Sar feierte mit Juve und Manchester United große Erfolge, Marc Overmars zog es zu Arsenal.

Und Louis van Gaal, der zwei Jahre nach dem Triumph von Wien Ajax verließ, baute sich in Barcelona seine schon legendäre Oranje-Außenstelle auf, quasi „Ajax II“ – mit den De-Boer-Zwillingen, mit Kluivert, mit Reiziger, später kam auch Overmars dazu; auch Philip Cocu, Boudwijn Zenden, Winston Bogarde und Torhüter Ruud Hesp waren dabei. Ohne den internationalen Erfolg: Trotz zweier spanischer Titel war in der Champions League nicht mehr als ein Semifinale drin – in dem man gegen Valencia ohne Chance war. Nach einem verunglückten Intermezzo als Bondscoach (verpasste WM 2002!) und einem siebenmonatigen Comeback bei Barça fand Van Gaal erst bei Alkmaar wieder in die Spur, ehe er die Bayern 2010 ins CL-Finale führte. Und gegen Inter verlor.

Bei Ajax selbst ging es seit dem Finale von 1996, das den Endpunkt der großen Ära darstellte, eigentlich nur noch bergab. Nennenswerte internationale Ergebnisse blieben seither komplett aus, die durchschnittlicher Verweildauer von Trainern übersteigt kaum ein Jahr, der letzte nationale Meistertitel datiert aus dem Jahr 2004. Der Klub produziert zwar Weltklasse-Spieler am laufenden Band – Sneijder, Ibrahimovic, Van der Vaart, zuletzt Suárez, der nächste ist wohl Eriksen – aber es fehlt an den Mitteln, diese auch längerfristig beim Verein zu halten.

Ein typischer Ausbildungsklub eben. Das letzte große Ajax? Das war in den 90ern.

(phe)

Das Personal

AFC Ajax: Edwin van der Sar (24); Michael Reiziger (22), Danny Blind (33), Frank de Boer (25); Frank Rijkaard (32); Clarence Seedorf (19), Jari Litmanen (24), Edgar Davids (22); Finidi George (24), Ronald de Boer (25), Marc Overmars (22). Nwankwo Kanu (18), Patrick Kluivert (18). Trainer: Louis van Gaal (44, seit vier Jahren)

AC Milan: Sebastiano Rossi (30); Christian Panucci (22), Alessandro Costacurta (29), Franco Baresi (35), Paolo Maldini (26); Roberto Donadoni (31), Marcel Desailly (26), Demetrio Albertini (23), Zvonimir Boban (26); Daniele Massaro (34), Marco Simone (26). Gianluigi Lentini (26), Stefano Eranio (28). Trainer: Fabio Capello (48, seit vier Jahren).

Highlights des Spiels.

Aus der Reihe “Ballverliebt Classics”:
05.07.1982 | Italien – Brasilien 3:2 (Duell der Philosophien, Plan vs. Phantasie)
06.09.1997 | Österreich – Schweden 1:0 (Höhepunkt der ÖFB-Generation Frankreich)
16.05.2001 | Liverpool – Alavés 5:4 n.V. (Europacup-Final-Allzeit-Klassiker)

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Sneijders linke Tour und der totale Bayern-Kollaps https://ballverliebt.eu/2011/03/15/sneijders-linke-tour-und-der-totale-bayern-kollaps/ https://ballverliebt.eu/2011/03/15/sneijders-linke-tour-und-der-totale-bayern-kollaps/#comments Tue, 15 Mar 2011 22:56:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4375 Sneijders linke Tour und der totale Bayern-Kollaps weiterlesen ]]> Über eine Stunde wurde Inter von starken Bayern fast hergespielt – aber die Münchner machten den Sack nicht zu. Und kollabierten nach einer Stunde komplett! So kamen die Nerazzurri zu einem 3:2-Sieg und zum Viertelfinal-Einzug. Und das, obwohl die Bayern auf Sneijders linke Tour an sich gut reagiert hatten…

Bayern München - Inter Mailand 2:3

Es war am 17. April 1996 – das bisher einzige Mal, dass in der Champions League noch eine Mannschaft weiterkam, die daheim das Hinspiel verloren hatte. Es war Ajax Amsterdam mit einem 3:0 über Panathinaikos Athen – und Trainer der Holländer war damals Louis van Gaal. Diesmal machte er es umgekehrt, auch wenn er selbst nicht unmittelbar daran Schuld war. Eher schon jene Verteidigung, an der der Bayern-Coach schon die ganze Saison erfolglos herumdoktort.

Sneijders linke Tour

Die Bayern-Abwehr spielte aber lange keine Rolle. Eher schon die etwas überraschende Formation von Inter: Leonardo stellte sein Team nämlich in einem eher defensiven 4-3-3 auf, was mehr ein 4-2-3-1 war und sehr schräg in der Gegend hing (ein Trend, der seit der WM erstaunlicherweise beinahe in Vergessenheit geriet). Im Detail sah das so aus, dass Samuel Eto’o ganz vorne spielte, Goran Pandev als echter Rechtsaußen Pranjic nach hinten drückte, und vor allem Wesley Sneijder von der Zentrale auf die linke Seite rückte; Stankovic agierte zentral.

Das hatte zwei Effekte: Zum einen hatte Sneijder so nicht, wie im Hinspiel, gegen den unangenehmen Luiz Gustavo spielen, zum anderen war so Philipp Lahm zu erhöhter Vorsicht gezwungen und konnte Robben – der nach wochenlangem leichten Durchhänger mit seinem Hattrick beim 6:0 gegen den HSV am Wochenende wieder neues Selbstvertrauen getankt hatte – nicht wie sicherlich geplant unterstützen. Sneijder zog zwar immer wieder in die Mitte, aber die Bayern mieden diese Seite eher. Sei es weil Lahm nicht viel beitragen konnte, oder aus Angst, mit Ballverlusten sofort Sneijder ins Spiel zu bringen, sei dahingestellt.

Bayern fluten das Zentrum

Mit der (erfolgreichen) Maßnahme, Pranjic und vor allem Lahm in der Defensive zu binden, wollte Inter zweifellos die so starken Flügel der Bayern, die ihnen im Hinspiel noch so zugesetzt hatten, kappen. Die Bayern aber reagierten nach dem frühen Rückstand – Eto’o hatte sich im Rücken von Breno davongemacht und netzte, wenn auch aus knapper Abseitsposition, schon in der 4. Minute zum 1:0 für Interein – prompt. Indem die das Zentrum fluteten.

So machte sich Schweinsteiger im Rücken von Pandev breit und spielte de facto einen Ersatz-Linksverteidiger für Pranjic, vor ihm rückte Ribéry gerne etwas ein. Noch extremer machte es aber Robben auf der anderen Seite: Er spielte zwischen halbrechter Position und Zentrum. Müller, der deutlich mehr Defensivarbeit erledigte wie gewohnt, spielte gut um ihne herum und vorne arbeitete Gomez sehr viel und ließ sich oft auch weit nach hinten fallen, spielte zuweilen beinahe einen falschen Neuner.

So standen im Zentrum vier bis fünf Bayern-Spieler den beiden defensiven Mittelfeldspielern von Inter (Motta zentral tief, Cambiasso auf der Ribéry-Seite etwas höher) gegenüber. Die Folge: Die Bayern bekamen das Spiel sehr schnell unter Kontrolle und drückten Inter hinten rein. Die Italiener blieben gefährlich, wenn es schnell ging, vor allem wenn sich Cambiasso mit Pandev zusammenschließen konnte. Wich aber das Tempo aus dem Inter-Aufbauspiel, kamen die Bayern mit gutem Pressing schnell wieder in Ballbesitz.

Inter baut defensiven Bockmist

So war es auch folgerichtig und hochverdient, dass die deutlich überlegeenn Bayern nach einer halben Stunde den Ausgleich schafften und somit in der Gesamtbegegnung wieder in Führung gingen. Auch, wenn es erneut einen fürchterlichen Schnitzer von Inter-Torwart Júlio César brauchte, der wie im Hinspiel einen harmlosen Robben-Schuss nicht unter Kontrolle brachte und Gomez artistisch abstaubte.

Die Bayern setzten gleich nach, Inter kam bis zur Halbzeit nicht mehr ins Spiel. Und weil dann auch noch Thiago Motta patzte und Müller den Ball ideal servierte, gingen die Bayern mit 2:1 in Führung. Und nicht zuletzt, weil Júlio César bei einem Alleingang von Ribéry gleich danach gut parierte, rettete sich Inter nicht nur schwimmend, sondern schon halb untergehend mit einem 1:2 in die Kabinen. Die Bayern hätten locker schon 4:1 führen können, wenn nicht müssen: Was Inter nach dem frühen Tor anbot, war schlicht lächerlich und zeigte deutlich, warum die Serie A den internationalen Ansprüchen derzeit meilenweit hinterher hinkt.

So kam Müller zu spät, um den auf der Linie kullernden Ball einzudrücken (40.), Robben verpasste knapp (43.), und dann ließ sich Lúcio düpieren (45.) – sein Kollege Andrea Ranocchia zeigte war gute Ansätze, neigt aber zu haarsträubenden Leichtsinnigkeiten. Auch der Platztausch der beiden halb durch die erste Hälfte änderte daran wenig.

Mehr Freiheiten für Sneijder

Fünf Minuten nach dem Seitenwechsel musste Inter-Coach Leonardo endgültig gesehen haben, dass Stankovic in der Mitte nichts zu Wege brachte, er wurde wiederum von Luiz Gustavo ziemlich abmontiert und hinterde zudem mit seinem recht statischen Spiel Sneijder ein wenig an der Bewewgungsfreiheit. Für Stankovic – in Abwesenheit von Zanetti, der mit Fieber das Bett hütete, Kapitän – kam Coutinho ins Spiel, und der junge Brasilianer hatte offenbar die Aufgabe, der willfährige Löcherstopfer für Sneijder zu sein.

Der Holländer orientierte sich nun vermehrt auch immer wieder ins Zentrum, stiftete damit etwas Verwirrung zwischen Lahm und Luiz Gustavo und der quirlige Coutinho spielte praktisch komplementär zu Sneijder. Zudem rückte Pandev auf der anderen Seite nun immer mehr ein und zog so Pranjic zuweilen sehr weit aus seiner Position, was für zusätzliche Unordnung in der Bayern-Defensive sorgte. Von der sich vor allem Breno anstecken ließ: Er blieb andächtig von Eto’o und Sneijder weg, als der Kameruner für den Holländer ablegte und Letzterer für den 2:2-Ausgleich sorgte.

Die Bayern brechen weg

Was der Startschuss für einen spannende Schlussphase war. Denn die Bayern schafften es nun nicht mehr so wie zuvor, die Räume für Inter im Mittelfeld schon eng zu machen und den Nerazzurri die Zeit am Ball und zum Spielaufbau zu nehmen. Zudem musste Robben raus, nachdem er alleine durch seine Präsenz Chivu einiges an Verusicherung verliehen hatte. Sein Ersatz Hamit Altintop fiel da deutlich ab. Und der zunehmend leichtsinnige und oft eher kopflos weit nach vorne aufrückende Van Buyten musste Holger Badstuber weichen.

Inter merkte: Nach einer Stunde, indem man von starken und spielfreudigen Bayern zum Teil hergespielt worden war, gab es nun tatsächlich noch die Möglichkeit, sogar wirklich noch ins Viertelfinale einzuziehen. Vor allem Sneijder riss die Verantwortung nun an sich und sorgte dafür, dass die Münchner hinten noch mehr zu wackeln begannen und Konter der Bayern gar nicht mehr ausgespielt wurden, sondern nur noch zum Zeitgewinn genützt wurden.

Und so kam es, wie es kommen musste: Breno, dessen Leistung sich der Bewertung „katastrophal“ in der zweiten Halbzeit mit riesengroßen Schritten näherte, ließ sich viel zu billig von Eto’o austanzen und vergaß völlig auf Pandev in seinem Rücken, nachdem sich dieser auch vom ebenso heftig nachlassenden Pranjic gelöst hatte. Der Mazedonier drosch den Querpass von Eto’o in die Maschen – das 3:2 für Inter. Und das Ende für die Bayern.

Fazit: Ein lange schreckliches Inter profitiert vom Bayern-Kollaps

Das Resultat sagt deutlich mehr über die Bayern aus als über Inter. Dass eine Mannschaft, die eine halbe Stunde Zeit hat, um ein einziges Tor zu schießen, sich aufbäumt, kann man von einem amtierenden Champions-League-Sieger erwarten.

Dass die Bayern aber, die Inter komplett unter ihrer Knute hatten und schon 4:1 oder 5:1 führen hätten müssen diese Überlegenheit noch so aus der Hand geben und in der letzten halben Stunde so derart zu kollabieren, dass sich der K.o.-Schlag in Form des dritten Gegentores schon abgezeichnet hatte, ist kaum nachvollziehbar. Viele Gründe gibt es für den Zusammenbruch: Der leichtsinnige Umgang mit besten Torchancen auf der einen Seite genauso wie eine Abwehr, die ganz einfach höheren internationalen Ansprüchen in keinster Weise genügt.

Was sich letztlich auch Louis van Gaal ankreiden lassen muss, der taktisch ja eigentlich alles richtig gemacht hatte: Seine Mannschaft reagierte hervorragend auf das Manöver, Sneijder auf die Seite zu beordern und auf die vorgezogene Rolle von Pandev. Aber es war auch der Holländer, der sich weigerte, für die Abwehr – die ja letzte Saison schon das Sorgenkind war – adäquat nachzurüsten.

So gesehen haben die Bayern ihr Glück, dass die auf dem Weg ins letztjährige Champions-League-Finale gegen die Fiorentina und Man United mit auch schon teils fragwürdigen Defensiv-Leistungen strapaziert hatten, nun aufgebraucht. Und sich als an sich etwas bessere von zwei ähnlich starken Teams nun verabschiedet.

Womit sie nun vor den Trümmern einer Saison stehen

(phe)

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Hannover sägt Van Gaals Trainerstuhl ein weiteres Bein ab https://ballverliebt.eu/2011/03/06/hannover-sagt-van-gaals-trainerstuhl-ein-weiteres-bein-ab/ https://ballverliebt.eu/2011/03/06/hannover-sagt-van-gaals-trainerstuhl-ein-weiteres-bein-ab/#respond Sun, 06 Mar 2011 12:03:03 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4266 Hannover sägt Van Gaals Trainerstuhl ein weiteres Bein ab weiterlesen ]]> Wie lange ist Louis van Gaal noch Trainer bei den Bayern? Nach dem 1:3 in Hannover scheint die Antwort eher „Tage“ zu sein als „Wochen“. Denn beim Überraschungsteam der Bundesliga machten die Bayern einmal mehr erstaunlich viel schon in der Herangehensweise an die Partie falsch.

Hannover 96 - Bayern München 3:1

Es war als Schicksalsspiel für Bayern-Trainer Louis van Gaal angekündigt worden – und die Bayern versagten nach dem Cup-Aus gegen Schalke nun auch beim Überraschungsteam in der Bundesliga – und das, obwohl bei Hannover der an sich beste Stürmer Didier Ya-Konan verletzt nicht dabei sein konnte – für ihn spielte Ex-Bayer Jan Schlaudraff als zweite Spitze in einem recht klassischen 4-4-2.

Deutlich mehr umstellen musste indes Van Gaal: Der zuletzt formschwache Schweinsteiger musste gelbgesperrt aussetzen, Luiz Gustavo war krank. So agierte Kroos in der tiefen Rolle vor der Abwehr und – was schon in den letzten Spielen nicht funktioniert hat – Linksverteidiger Pranjic als Achter, dafür mit Badstuber wieder ein spieler links hinten, der sich dort nicht allzu wohl fühlt. Folgerichtig kam vom gelernten Innenverteidiger nicht allzu viel Unterstützung für Ribéry.

Numerische Überlegenheit ohne Vorteil abgegeben

Das Hauptproblem war aber einmal mehr das zentrale Mittelfeld. Gegen die zwei Hannoveraner im Zentrum gaben die Bayern – mit nominell drei Zentralen – die Überlegenheit auf, indem sich Müller weiter nach vorne orientierte und Kroos sehr tief stand. Das muss nicht verkehrt sein, Dortmund hat so zum Rückrundenstart das 4-4-2 von Leverkusen absolut zerlegt. Großer Unterschied: Der angehende Meister hat Leverkusen mit eigenem Pressing entnervt und konnte so auf die Zentrale verzichten. Hier waren es aber die Hannoveraner, die zum Teil recht heftig gegen die Bayern pressten.

Vor allem die Tatsache, dass bei Hannover zwei Spitzen da waren, die volle Kanne pressten und somit schon die Spieleröffnung der Bayern extrem störten, brachte den vermeintlichen Favoriten schwer ins Wanken. So war Lahm gezwungen, umso mehr nach vorne zu tun. Ein weiteres Problem war – einmal mehr – Danijel Pranjic. Er war auf der Acht völlig unsichtbar und für Kroos selten eine Option, weil er, wie auch der Rest der Mannschaft, sehr hoch stand und die Bayern somit auf lange Bälle zurückgreifen mussten. Die sehr selten ankamen. Da half es auch nicht, dass Robben und vor allem Ribéry viel einrückten, um in der Zentrale wieder einen numerischen Vorteil herzustellen.

Und die Tatsache, dass die Bayern versuchten, sich sehr hoch anspielen zu lassen, spielte dem explosiven Konterfußball, den Mirko Slomka (wir erinnern uns mit Wehmut, der wäre nach der EM fast ÖFB-Teamchef geworden!) seinem Team eingeimpft hat, voll in die Karten. So konnte Rausch einen Vorstoß von Lahm nützen, um in dessen Rücken freie Fahrt zu haben, seine Flanke fand den Norwegen Abdellaoue, und es stand 1:0 für die Hausherren.

Hannover mit Plan, Bayern ohne Ordnung

Defensiv stand Hannover exzellent, vor allem Robben hatten die Norddeutschen gut im Griff. Kam der Holländer mit Tempo, standen wie in den letzten Wochen auch immer zwei bis vier Gegenspieler um ihn herum. Wurde Robben allerdings stehend angespielt ohne Gefahr für Tempoläufe, ließ Hannover komplett von ihm ab und stellte den Strafraum voll. Ähnliches praktizierten sie auf der anderen Seite mit dem dennoch etwas aktiveren Ribéry. So blieben den Bayern fast nur Fernschüsse.

Der ärmste Hund bei den Münchnern war aber nicht Gomez, der zwar vorne viel arbeitete – und ebenso einige Male vom schwachen Schiedsrichter Drees benachteiligt wurde wie Hannover bei einigen falschen Abseitsentscheidungen – aber dem wenig gelang. Nein, das war Anatoli Tymoschuk: Er musste nicht nur den Innenverteidiger spielen, sondern zunehmend auch dem etwas hilflosen Kroos in der Spieleröffnung helfen und zudem die rechte Seite abdecken, die der defensiv haarsträubend schlechte Lahm freiließ. Denn nicht nur, dass der Kapitän seine Flanke offen ließ, auch im Zweikampf im Strafraum schaute er zumeist nur andächtig zu.

Symptome behandeln und wiederkehrende Fehler korrigieren

Dass Tymoschuk an dieser Dreifach-Aufgabe scheitern musste, war aufgelegt, seine Auswechslung zur Halbzeit war allerdings nur ein Behandeln der Symptome der Schwäche anderer, anstatt dass Van Gaal die Ursachen für die Überforderung angetastet hatte. Für den Ukrainer kam Daniel van Buyten, der nun nicht mehr hinter dem etwas disziplinieren Lahm aufräumen musste, zudem kam mit Ottl eine sich besser anbietende Anspielstation statt Pranjic ins defensive Mittelfeld. Es ist schon erstaunlich: Van Gaal ließ Pranjic zuletzt fast immer im Mittelfeld beginnen, um Luiz Gustavo (Achter) oder diesmal Badstuber (Innenverteidiger) auf der LV-Position beginnen zu lassen. Jedesmal korrigierte er diesen Missstand im Laufe des Spiels, weil es schlicht nicht funktioniert hat. Und doch stellt er Pranjic immer wieder ins Mittelfeld.

Der Kroate fühlt sich links sichtbar wohler, und nun kam auch etwas mehr Unterstützung für Ribéry, als das der ausgewechselte Badstuber geliefert hatte. Doch bevor diese Maßnahme wirklich greifen konnte, stand es schon 0:2 – nach einer Ecke ließen die Bayern Rausch völlig frei von der Strafraumgrenze schießen, Gomez fälschte den Schuss noch leicht ab. Ganz hatten sich die Münchner aber noch nicht aufgegeben und vier Minuten später zeigten sie auch, wie gut Hannover daran tat, sie nicht in den Strafraum kommen zu lassen. Ein Ball von (dem sonst indiskutabel schlechten) Müller fand etwas glücklich Ribéry, der setzte sich gegen Pogatetz durch und bediente Robben, der nur noch einschieben musste.

Robben erst nach Schlampigkeitsfehler mit mehr Einsatz

Dass Robben aber seit Wochen seltsam abwesend wirkt, wurde ihm aber kurz darauf wieder zum Verhängnis. Leichtfertiger Ballverlust in der Vorwärtsbewegung, und wieder ging’s bei Hannover schnell. Weder Kroos noch Ottl und schon gar nich Van Buyten griffen den aufs Tor zustürmenden Pinto an, und auch Kraft machte beim folgenden Schuss keine gute Figur – und es stand 3:1 für Hannover.

Offensichtlich hat Robben diesen Fehler gebraucht, denn nun drehte er auf und schwang sich zu einem Aktivposten auf. Und zwar so sehr, dass in der Folge sein Gegenspieler Rausch – der die Freiheiten lange genoss – gegen den defensiv stärkeren Chahed ausgewechselt wurde. Allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Partie schon vorentschieden war. Breno hatte in der 71. Minute nach einer Tätlichkeit die rote Karte gesehen.

Dreierkette ohne Innenverteidiger

Van Gaal musste nun alles riskieren und tat das auch. Er löste die Verteidigung komplett auf, indem er mit Van Buyten den verbliebenen IV als Kopfballoption in die Spitze schickte, nachdem er schon zuvor Klose für Kroos eingewechselt hatte. Hinten spielten die Bayern nun de facto mit einer Dreierkette, gebildet aus den Außenverteidigern Lahm und Pranjic sowie dem verbliebenen defensiven Mittelfelspieler, Ottl. In der letzten Viertelstunde gab es nur noch die Devise „Brechstange“.

Slomka brachte einen fünften Verteidiger für den fleißigen Stindl, nachdem er mit der Einwechslung von Stoppelkamp (für Schlaudraff) schon eher auf ein 4-5-1 umgestellt gehabt hatte. Man kann Hannover vorwerfen, die sich durchaus bietenden Kontermöglichkeiten in der Schlussphase nicht gut ausgespielt zu haben. Das machte aber in diesem Spiel nichts mehr aus, weil die Bayern ohnehin nie den Eindruck hinterlassen hatten, tatsächlich noch zwei Tore aufholen zu können.

Fazit: Van Gaal arbeitet an seiner Entlassung

Es ist schon erstaunlich, wie viel man falsch machen kann. Pranjic als Achter, Lahm zu offensiv, Tymoschuk mit drei aufgaben, offensives Mittelfeld zu hoch, Notlösungen auf links hinten. Und dann noch individuelle Aussetzer wie von Robben und Kraft (beim dritten Gegentor), sowie Breno (beim dämlichen Ausschluss). Und Van Gaals Reaktionen auf diese Unzulänglichkeiten. Wenn mal ein Spiel vercoacht wird, kann das ja mal passieren. Aber der „Tulpengeneral“ macht seit Wochen nicht den Eindruck, diese Fehler wirklich korrigieren zu wollen.

Hannover hingegen machte so ziemlich alles richtig. Aktives Pressing von beiden Sturmspitzen (was deren Verwendung auch tatsächlich rechtfertigt), bekannt explosives Umschalten von Defensive auf Offensive, konsqeuentes Ausnützen der Fehler der Bayern. Nicht umsonst rangiert Hannover, letztes Jahr erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg gerettet, auf dem dritten Platz und befindet sich auf dem Weg in die Champions-League-Quali – auf die viertplatzierten Bayern sind’s nun schon fünf Punkte Vorsprung…

(phe)

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Schlechte Bayern legen Schalke das Pokalfinale unter den Tannenbaum https://ballverliebt.eu/2011/03/03/schlechte-bayern-legen-schalke-das-pokalfinale-unter-den-tannenbaum/ https://ballverliebt.eu/2011/03/03/schlechte-bayern-legen-schalke-das-pokalfinale-unter-den-tannenbaum/#comments Thu, 03 Mar 2011 11:20:32 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4247 Schlechte Bayern legen Schalke das Pokalfinale unter den Tannenbaum weiterlesen ]]> Zum ersten Mal seit zehn Jahren verlieren die Bayern zwei Heimspiele hintereinander – und das 0:1 im Pokal-Semifinale gegen Schalke resultierte aus einer wirklich schlechten Leistung gegen das zu Beginn erstmals in einem 4-3-2-1-Tannenbaum-System agierende Schalke.

Bayern München - Schalke 04

Felix Magath musste auf den am Knie verletzten Klaas-Jan Huntelaar verzichten – und in Ermangelung einer echten Klasse-Alternative und angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Auswärtsspiel bei den Bayern handelte, stellte der Schalke-Trainer um: Er verzichtete ganz auf einen zweiten Stürmer und ließ Raúl alleine an vorderster Front spielen und fand dafür neue Rollen für Farfán und Jurado, die im 4-4-2 üblicherweise die Außenpositionen im Mittelfeld besetzten: Die beiden Spielten in den Halbpositionen hinter Raúl in einem 4-3-2-1. Dahinter platzierte Magath drei statt der üblichen zwei defensiven Mittelfeldspieler: Kluge rechts, Annan links, und Matip als etwas tiefer stehender Sechser.

Das stellte sich nach vorne natürlich als – im wahrsten Sinne des Wortes – flügellahm dar, stellte die Bayern aber durchaus vor Probleme. Bei den Münchnern rückte gegenüber dem 1:3 gegen Dortmund Schweinsteiger von der tief stehenden Sechs auf die Achterposition, dafür übernahm Luiz Gustavo die Rolle vor den Innenverteidigern (diesmal Tymoschuk und Breno). Ribéry und vor allem Robben taten sich gegen die sehr tief stehenden Gegenspieler aber sehr schwer: Gerade Robben fand gegen Sarpei und den oft nach außen rückenden Annan überhaupt keine Bindung zum Spiel, da war auch Lahm keine große Hilfe.

Ein mindestens ebenso großes Problem wie der Spielaufbau waren bei den Bayern aber die Defensiv-Standards. Die Zuordnung klappte überhaupt nicht, bzw. agierten die Bayern dabei sehr passiv. So schwammen sie nach einer Viertelstunde bei zwei Ecken schon bedenklich, ehe es bei der dritten dann fast folgerichtig einschlug: Schweinsteiger versuchte nicht einmal, gegen Höwedes ins Kopfball-Duell zu gehen, sein Pass fand Raúl, und der Spanier traf zum 1:0 für die Schalker.

Schalke zieht sich weiter zurück

Schalke stellt auf 4-4-2 um

Die Reaktion der Bayern? Erstmal keine. Auffällig war aber, dass Ribéry auf seiner Seite zielgerichteter agierte als Robben auf der anderen, und die eine oder andere Flanke segelte tatsächlich in den Strafraum. Mit der Führung im Rücken tat sich Magath wohl nicht allzu schwer, die Formation zu adaptieren. Farfán tauschte mit Jurado immer mehr die Position und stellte sich erst halbrechts, und rückte in der Folge auf die Position im rechten Mittelfeld. Schalke spielte nun mit einem recht klassischen 4-4-2 (bzw. einem 4-4-1-1 mit Jurado als hängender Spitze). Uchida fühlte sich mit der Hilfe von Farfán nun deutlich wohler und Ribéry wurde nun auch gut in Schach gehalten.

Der Spielaufbau bei den Hausherren gestaltete sich äußerst behäbig und es fehlte eklatant am Tempo – daran änderte sich auch nichts, als mit Kroos ein neuer Sechser kam (für Tymoschuk eingewechselt, Luiz Gustavo ging in die Innenverteidigung). Die exzellente Raumaufteilung bei Schalke zwang die ohnehin plan- und vor allem lustlos wirkenden Bayern zu ewigem Hin- und Hergeschiebe des Balles mit elf Schalkern hinter selbigem. Vor allem nach einer deutlich schwungvolleren Anfangsphase der zweiten Hälfte verebbten die Bayern zusehens.

Bayern einfach schlecht

Schalke spielte defensiv sehr ansprechende Partie, profitierte aber davon, dass die Bayern schlicht und einfach eine wirklich schlechte Partie ablieferten. Die Offensivspieler standen oft 40 Meter vor Luis Gustavo, Breno und Kroos, die von hinten heraus ebenso händeringend wie vergeblich nach sich anbietenden Mitspielern ausschau hielten. Und vorne fehlte es massiv an der Bewegung – keiner in der Bayern-Offensive suchte freie Räume oder versuchte, durch vermehrte Laufarbeit solche zu schaffen.

So musste zwar Manuel Neuer dann und wann eingreifen, wirklich gefährlich wurden die Bayern aber nur sehr vereinzelt. Ein Extralob muss man im Gegensatz dazu (einmal mehr) an Raúl aussprechen: Wie sich der 33-jährige Spanier für keinen Weg zu schade wie, wie er mit seinem Pressing die gegnerische Spieleröffnung permanent stört, wie er mannschaftsdientlich spielt und dazu noch (heute weniger, aber allgemein) Torgefahr ausstrahlt, ist bewundernswert.

Fazit: Schalke solide, Bayern behäbig

Der einzige taktisch interessante Punkt dieser Partie war die Startformation von Schalke – das 4-3-2-1 um das Fehlen von Huntelaar zu kompensieren und dazu defensiv gut zu stehen. Das Team von Felix Magath legte es sichtbar von Anfang an darauf an, den Bayern den Ball zu überlassen, hinten gut zu stehen und vorne auf einen Geniestreich und/oder eine Standardsituation zu hoffen.

Die Belohnung dafür war ein 1:0-Sieg und trotz der an sich verkorksten Saison mit einiger Wahrscheinlichkeit doch noch ein Platz im internationalen Geschäft. Denn dass die Königsblauen im Finale am 21. Mai gegen Zweitligist Duisburg klarer Favorit ist, steht wohl außer Frage.

Bei den Bayern hingegen muss man sich durchaus Sorgen machen: War man am Samstag gegen Dortmund noch einer klar besseren Mannschaft unterlegen – was ja mal passieren kann – so war diese Leistung gegen eine ordentliche, aber sicher nicht überragend aufgeigende Schalke Mannschaft schlecht bis unterirdisch. In dieser Form wird’s nicht nur in der für die CL-Plätze wichtigen Partie am Wochenende bei Überraschungsteam Hannover schwer – sondern vor allem im Rückspiel gegen Inter Mailand. Langsam aber sicher wackelt Louis van Gaal immer bedenklicher.

(phe)

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Dortmund macht den Deckel drauf https://ballverliebt.eu/2011/02/27/dortmund-macht-den-deckel-drauf/ https://ballverliebt.eu/2011/02/27/dortmund-macht-den-deckel-drauf/#comments Sun, 27 Feb 2011 12:28:00 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4195 Dortmund macht den Deckel drauf weiterlesen ]]> Die letzten wilden Träumer sind nun auch aufgewacht: Wer auch immer glaubte, die Bayern hätten im deutschen Titelrennen noch eine Chance, wurde von der mit 22,3 Jahren jüngsten Dortmund-Elf der Bundesliga-Geschichte eindrucksvoll eines besseren belehrt. Nach dem 3:1-Sieg steht der Titel für den BVB de facto fest.

Bayern München - Borussia Dortmund 1:3

Gegenüber dem 1:0-Sieg bei Inter kehrte Luiz Gustavo wieder auf die Position des Linksverteidigers zurück – Van Gaal nahm diesmal keinen gegnerischen Zehner aus, den es in Manndeckung zu nehmen gab. Das hieß, dass Pranjic in die Zentrale zurückkehrte – und zwar nicht als Sechser, sondern als recht hoch stehender Achter. Die Absicht dahinter war vermutlich, den Platz ausnützen, denn Sven Bender – der bei Dortmund üblicherweise auf der halbrechten Position defensiver steht als Nuri Sahin.

Aber Sahin und Bender wechselten die Plätze oftmals – so stand Pranjic zumeist gegen Sahin, während Bender viel Platz vor ihm hatte. Das nützte dieser natürlich aus und zog immer wieder mit Tempo auf Schweinsteiger zu. Womit dieser nicht nur Robert Lewandowski zu beobachten hatte, sondern sich auch noch mit Bender herumschlagen musste. Das verschaffte Dortmund einen signifikanten Vorteil in der Mittelfeldzentrale.

Konkurrenz auf den Flügeln

Hinzu kam, dass der überlegene Tabellenführer aus Dortmund, anders als Inter Mailand, selbst über ein hervorragendes Flügelspiel verfügt und nicht nur mit eigenen Angriffen, sondern auch mit hervorragender Defensiv-Arbeit Ribéry und Robben ziemlich aus dem Spiel nahm. Die beiden sahen sich, wann immer sie am Ball waren, sofort mit mindestens zwei Gegenspielern konfrontiert; oftmals sogar mit noch mehr. All das, und das für die Borussia so typische sehr hoch beginnende und aggressive Pressing führte dazu, dass die Bayern nicht zu einem geordneten Spielaufbau kamen.

So musste Dortmund nur noch warten, bis sich durch das harte Pressing Fehler bei den Bayern und damit eigene Chancen ergaben, und schon in der 9. Minute war es so weit: Schweinsteiger wurde sah zwei Mann aus verschiedenen Richtungen auf sich zustürzen, verstolperte den Ball, und Großkreutz brauchte nur noch Barrios bedienen – das 1:0. Die Bayern reagierten, indem sie sich selbst weiter nach vorne schoben, und kamen nach einer Eckball-Serie durch einen Kopfball von Luiz Gustavo (Piszczek hatte das Nachsehen) schnell zum Ausgleich.

Schweini zwischen den Stühlen

Aber die Borussia ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erzielte durch einen überfallsartigen Konter, abgeschlossen von einem sensationellen Heber von Nuri Sahin, sofort wieder die erneute Führung. In der Folge tauschten Bender und Sahin dann doch immer mal wieder die Plätze, ohne aber, dass die Bayern darauf reagierten – so hatte der türksiche Spielgestalter unerhoffte Freiheiten.

Und weil Sahin in der Offensive noch stärker ist als Sven Bender, saß Schweinsteiger in einer ähnlichen Zwickmühle wie das defensive Mittelfeld von Leverkusen bei deren Heimpleite gegen Dortmund: Angesichts der Tatsache, dass Lewandowski als Zehner deutlich höher spielt als Götze (oder im Herbst Kagawa) das tat, konnte Schweinsteiger nicht nach vorne rücken, um Sahin früher zu empfangen. So aber gewährte er Sahin den Platz, den er bei Kontern immer wieder ausnützte. So überließ Dortmund den Bayern zwar den Ball, hatte aber selbst die deutlicheren Chancen, noch vor dem Seitenwechsel für die Vorentscheidung zu sorgen.

Van Gaal behebt Kardinalproblem nicht

In der Pause wechselte Louis van Gaal zwar – er behob aber nicht das Problem im Mittelfeld, sondern ersetzte den formschwachen Badstuber durch Breno. In der Zentrale blieb alles beim Alten – und somit auch das Spiel: Schweinsteiger stand zu tief und konnte nichts ausrichten, die Flügel blieben unter Kontrolle und Pranjic konnte als Achter weiterhin keine Akzente setzen. Deshalb setzte Van Gaal in der 57. Minute auf ein neues Pferd auf der Pranjic-Position: Toni Kroos kam für Luiz Gustavo, Pranjic ging nach links hinten.

Ob diese Maßnahme wirklich gegriffen hätte, ist allerdings hypotetisch, denn in der 60. Minute versenkte ausgerechnet Mats Hummels, der bei den Bayern nie eine reaslistische Chance hatte, einen Eckball zum 3:1 gegen seinen Ex-Klub. Was für Dortmund aber beileibe kein Anlass war, sich zurückzulehnen

Klopp zieht die Daumenschraube an

Im Gegenteil: Nun folgte eine neue Welle extremsten Pressings im Mittelfeld, dass die Bayern gar nicht erst auf die Idee kommen sollten, zu glauben, es wäre noch etwas möglich. Zudem kam etwa 20 Minuten vor Schluss Jakub Blaszczykowski für Sturmspitze Barrios. Aber nicht, wie man erwarten hätte können, für die Flügel – nein, der Pole übernahm erst einmal die Position von Barrios ganz vorne. Er sollte dort allerdings weniger für Torgefahr sorgen, sondern schlicht auf alles pressen, was sich bewegte. Klopp zog somit die Daumenschraube an: 3:1 voran beim vermeintlich stärksten Konkurrenten, aber nix da mit mal locker nach Hause spielen.

Die Bayern kamen erst in den letzten Minuten wieder etwas besser zur Geltung, als Antonio da Silva für den vor allem in der Defensivarbeit gegen Robben so starken Großkreutz als Zehner kam; Blaszczykowski ging nun doch auf den Flügel und Lewandowski nach vorne. Dadurch, und durch die am Ende offensichtlich nachlassenden Kräfte der Borussia, kamen die Bayern in der Schlussphase doch noch zu einigen Chancen, vornehmlich aus Weitschüssen. Dass Weidenfeller-Ersatz Langerak aber seine erste echte Prüfung erst in der 74. Minute zu bestehen hatte (gegen Gomez), spricht Bände – und ist ein klares Indiz dafür, dass Dortmund hochverdient gewonnen hat.

Fazit: Raumaufteilung war der Schlüssel

Der Schlüssel zum Sieg für Dortmund war die geschicktere Raumaufteilung in der Zentrale. Einer aus dem Duo Bender/Sahin hatte gegen den von Lewandowski nach hinten gedrückten Schweinsteiger immer Platz, um mit Tempo Richtung Bayern-Tor zu ziehen. Außerdem gewann die Borussia die Duelle auf den Flanken – und das heftige Pressing gab den Bayern den Rest.

Mit dieser wahrhaft meisterliche Vorstellung hat Borussia Dortmund nun zwar noch nicht rechnerisch, aber de facto den Deckel auf den ersten Meistertitel seit neun Jahren gemacht. Zehn Spiele vor Schluss hat der BVB nun 12 Punkte auf Leverkusen und gar 16 Zähler auf die Bayern Vorsprung, und beide Teams haben Klopp und Co. bereits auswärts besiegt.

Da geht nichts mehr schief.

(phe)

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3 Aspekte, 2 Zäsuren und 1 Eiertor https://ballverliebt.eu/2011/02/23/3-aspekte-2-zasuren-und-1-eiertor/ https://ballverliebt.eu/2011/02/23/3-aspekte-2-zasuren-und-1-eiertor/#comments Wed, 23 Feb 2011 22:46:15 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4173 3 Aspekte, 2 Zäsuren und 1 Eiertor weiterlesen ]]> Neun Monate ist es her, dass Inter Mailand im Finale der Champions League die Bayern mit 2:0 besiegt hatten. Nun kommt es im Achtelfinale zur Revanche – und im Hinspiel verlegten sich beide Teams auf ihre Stärken und neutralisierten sich somit auf ansprechendem Niveau. Bis zur 90. Minute…

Inter Mailand - Bayern München 0:1

Aspekt 1: Inters lahmende Flügel

Es ist keine allzu neue Erkenntnis, aber gerade in einem Spiel gegen eine so flankenorientierte Mannschaft wie die Bayern war es klar, das es für Inter (in diesem Spiel mit einem 4-3-2-1-Tannenbaum) zu einem Problem werden kann: Der Treble-Sieger von 2010 verfügt im Grunde über kein Flankenspiel. Für die Bayern natürlich eine Einladung erster Güte, Inter über die Seiten zu bearbeiten – und genau das taten sie auch. Vor allem Daniel Pranjic nagelte den gefürchteten Maicon hinten fest, dass der Brasilianer seine Offensivstärke überhaupt nicht ausleben konnte. Im Zusammenspiel mit dem diskret startenden, aber immer besser werdenden Ribéry (der in Minute 24 die Latte traf) war die linke Bayern-Seite extrem stark. Auch natürlich, weil Zanetti mit dem Tempo, das die beiden anschlugen, nicht immer mitkam.

Auf der rechten Bayern-Seite stellte sich die Sache deutlich vorsichtiger dar. Philipp Lahm hielt sich einigermaßen zurück – zum einen, weil er den Dunstkreis von Sneijder offenbar nicht allzu gerne verlassen wollte, um eine zusätzliche Absicherung zu sein. Vor allem aber, weil Esteban Cambiasso deutlich höher stand als sein Pendant Zanetti und Lahm somit deutlich früher empfangen konnte. So wa Robben zwar oft auf sich alleine gestellt, aber er machte seine Sache nicht schlecht und ließ Chivu ebenso nicht zur Entfaltung kommen. Die Folge: Die Münchner dominierten über die Flügel und Inter war gezwungen, durch die Mitte zu kommen.

Aspekt 2: Luiz Gustavo vs. Wesley Sneijder

Bayern-Coach Van Gaal wusste natürlich: Der Schlüssel zu einem Erfolg über Inter liegt nicht nur daran, die Flügel zu dominieren. Es musste auch dafür gesorgt sein, dass Wesley Sneijder nicht zur Geltung kam! Und da ist die Frage nach der Absicht und dem Plan, ob es ein gezieltes Ablenkungsmanöver war oder nicht, eigentlich zweitrangig. Gemeint ist die Tatsache, dass der gelernte Mittelfeldspieler Luiz Gustavo, wie üblicherweise in der Bundesliga auch, als Linksverteidiger spielte und der gelernte Linksverteidiger Danijel Pranjic im defensiven Mittelfeld. Zumindest zwei Minuten lang.

Dann nämlich tauschten die beiden doch die Plätze und Luiz Gustavo kümmerte sich um Sneijder. Äußerst liebevoll. Denn obwohl der schmächtige Brasilianer, der im Winter aus Hoffenheim kam, körperlich nicht gerade eine furchteinflößende Gestalt ist, nahm er den Holländer dermaßen an die Kandarre, dass diesem schnell anders wurde. Gustavo agierte als Kettenhund so konsequent (was auch beinhaltete, dass er Sneijder zweimal eher rüde anging), dass Inters Zehner schon nach zehn Minuten zurück ins hintere Mittelfeld wich, um seinem Gegenspieler aus dem Weg zu gehen.

Dass die Bayern Sneijder auf diese Weise aus dem Spiel zu nehmen versuchten (und es gelang ja auch nicht schlecht), liegt natürlich auch am Spielertyp Luiz Gustavo. Mit Mark van Bommel, der im Winter ja bekanntlich zu Inters Lokalrivalen Milan gewechselt war, hätte Van Gaal dieses Spielchen im Mittelfeld nicht aufziehen können – mit der Zecke Luiz Gustavo aber sehr wohl.

Aspekt 3: Ungleiches Duell vor dem Bayern-Tor

Was natürlich alles nicht überdecken kann, dass in der Qualität der Spieler, die sich vor Bayern-Goalie Kraft tummelten, deutliche Unterschiede zwischen den Teams gab – zu Gusten von Inter, versteht sich. Der umgelernte Tymoschuk und der (noch) nicht mit allen internationalen Wassern gewaschene Badstuber waren der Erfahrung und der Qualität eines Samuel Eto’o natürlich klar unterlegen. Weshalb es sich nicht verhindern ließ, dass Inter vornehmlich durch die Mitte immer wieder zu guten Chancen kam.

Nicht nur in der 1. Minute, als Ranocchia schon das 1:0 für das Heimteam erzielen hätte müssen, ebenso wie Cambiasso (18.) und Eto’o (33.). Und auch in der Schlussphase der Partie hatte Inter mehrere klare Gelegenheiten, das Spiel für sich zu entscheiden – wäre da nicht der sensationell agierende Thomas Kraft gewesen, der mit unglaublichen Reflexen immer wieder das Gegentor verhindert hat.

So lief die Partie, wie man es durchaus erwarten konnte: Die Bayern von der Spielanlage wie ein Heimteam, mit mehr Ballbesitz und klaren Vorteilen an den Flanken; Inter aber mit mehr klareren Chancen. Bis zur ersten Zäsur des Spiels in der 37. Minute.

Zäsur 1: Pranjic raus, Breno rein (37.)

Der so fleißige und, so lange er spielte, vor allem im Zurückdrängen von Maicon so exzellente Bayern-Linksverteidiger Danijel Pranjic musste mit einer Zerrung ausgewechselt werden. Was für die Formation hieß: Der eingewechselte Breno ging in die Innenverteidigung, von dort Badstuber auf die linke Seite.

Womit Ribéry nun die komplette Seite ziemlich alleine zu beackern hatte, denn ein schneller Spieler mit Offensivdrang ist der gelernte Innenverteidiger Badstuber natürlich nicht – und dass er sich auf der Seite auch ganz generell nicht übertrieben wohl fühlt, weiß man ja spätestens seit der WM. Erstaunlicherweise konnte Inter dieses entstandene Manko aber nicht so ausnützen, wie man das erwarten hätte können – denn Bastian Schweinsteiger übernahm die Verantwortung und machte nicht nur den umsichtigen Achter, sondern hielt angesichts der Tatsacher, dass er Zanetti aus dem Spiel nahm, auch Ribéry den Rücken frei.

Zumal Ribéry nun vollends zu seinem Spiel gefunden hatte und so Zanetti und Maicon weiterhin ziemlich beschäftigte. Die besten Chancen hatten die Bayern gegen die recht kosequenten Lúcio/Ranocchia aber dann, wenn sie etwas überraschendes probierten – so wie in der 53. Minute, als Robben von seiner „falschen“ linken Seite an der Strafraumgrenze quer nach links zog und schoss, aber „nur“ für den zweiten Aluminium-Treffer der Bayern sorgen konnte.

Zäsur 2: Ranocchia raus, Kharja rein (73.)

Inter - Bayern (Schlussphase)

Die brandgefährliche Schlussoffensive für Inter begann paradoxerweise mit der Verletzung eines Innenverteidigers. Doch mit der Einwechslung von Allround-Waffe Houssine Kharja für Ranocchia mischte Leonardo zwar nicht sein System, aber dafür bunt seine Formation durch. Der Marokkaner kann im Grunde alles spielen (wie auch seine Teamkollegen Zanetti, Stankovic, Cambiasso, usw. – unter anderem das macht Inter zu einer so interessanten Mannschaft). Der im Winter von Genoa ausgeliehene 28-Jährige machte seine ersten Spiele für Inter als Außenverteidiger, diesmal entschied sich Leonardo, den bulligen Kharja neben Sneijder in die Offensive zu stellen. Stankovic rückte dafür auf die Zanetti-Position, Zanetti auf die Chivu-Position und Chivu auf die Ranocchia-Position.

Und siehe da, Inter spielte nun wie aus einem Guss nach vorne. Schweinsteiger musste sich nun um Kharja UND Stankovic kümmern; Ribéry arbeitete zwar gut nach hinten, ihm liegt dieses Spiel aber nun mal nicht besonders. In dieser Phase war es in erster Linie Kraft, der die Inter-Führung verhinderte – vor allem mit seiner sensationellen Reaktion gegen den Kopfball von Motta (85.), kurz darauf strich ein Schuss von Eto’o nur knapp am Tor vorbei.

…und das Eiertor

Keine Frage: Die Bayern mussten, trotz des Plus an Spielanteilen und zweier Alu-Treffer, mit dem 0:0 nun mehr als zufrieden sein und froh, nach dem großen Druck, den Inter nun ausübte, zumindest nicht in Rückstand geraten zu sein. Aber dann! In der 90. Minute zog Robben aus der Distanz ab und der in letzter Konsequenz kaum geprüfte Inter-Torhüter Júlio César ließ den Ball, anstatt ihn zu fangen, nach vorne abprallen. Mario Gomez – der in den 89 Minuten davor kaum eine echte Torchance vorgefunden hatte – musste nur noch „Danke“ sagen.

Und die Bayern hatten mit 1:0 gewonnen.

Fazit: Eigentlich haben alle (fast) alles richtig gemacht

Über das komplette Spiel gesehen, wäre ein Unentschieden ein korrektes Resultat gewesen. Die Bayern dominierten (wie erwarten) die Flügel, Inter bot (wie erwartet) die höhere individuelle Qualität im Sturm dagegen. Sneijder konnte sich ob der Umklammerung von Luiz Gustavo nie wirklich entfalten.

Im Grunde genommen haben beide Mannschaften eigentlich alles richtig gemacht, weswegen das (trotz häufiger Fehlpässe im Spielaufbau) zweifellos gutklassige Spiel einem logischen 0:0 zusteuerte. So entschied nach anderthalb Stunden letztlich ein billiger individueller Fehler – und Inter steht im Rückspiel nun mit dem Rücken voll zur Wand.

Was die Vorfreude auf die Partie in München naturgemäß nicht kleiner werden lässt.

(phe)

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Dieses Finale stimmt https://ballverliebt.eu/2010/04/30/dieses-finale-stimmt/ https://ballverliebt.eu/2010/04/30/dieses-finale-stimmt/#comments Fri, 30 Apr 2010 12:43:14 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=1975 Dieses Finale stimmt weiterlesen ]]> Inter Mailand also gegen Bayern München. Schönwetterfans und Nebenbei-Konsumenten hätten lieber wieder Barcelona gegen Man Utd (oder vergleichbares) im CL-Finale gesehen. Aber wer sich eingehender mit der Sache beschäftigt, muss zum Schluss kommen: Dieses Finale stimmt.

Messi aus dem Spiel genommen. Die eigenen Chancen eiskalt genützt, sich nicht von Barcelona das Tempo und das Spiel diktieren lassen, auch selbst gute Angriffszüge gezeigt. Sich von einem frühen Heim-Rückstand nicht schocken lassen. Das war Inter Mailand beim 3:1 im Semifinal-Hinspiel gegen Barcelona. Perfekt verteidigt, nicht mit mit tumbem Ballrausdreschen oder Blutgrätschen im Minutentakt, sondern mit spielerischen Mitteln, mit gutem Stellungsspiel und großer Laufarbeit mit einem Mann weniger – das war Inter beim 0:1 im Rückspiel.

Inter zeigte in diesen beiden Spielen alles: Tolle Offensive im Hinspiel, grandiose Defensiv-Arbeit im Rückspiel. Barcelona hingegen offenbarte, dass es keinen funktionalen Plan B gibt, wenn der Gegner so spielt, dass das eigenen schnelle Kombinationsspiel seine Wirkung verliert. Da kann Barcelona auch 75% Ballbesitz haben, einfallslos bis verzweifelnd war die Vorstellung im Rückspiel dennoch. Wer es nicht schafft, gegen neun Feldspieler in einer Stunde mehr als zwei, drei Chancen herauszuarbeiten (von denen bis auf eine auch noch alle eher Zufallsprodukte waren), darf sich nicht wundern, wenn die andere Mannschaft weiterkommt. Inter schaffte es, die ganze Palette zu präsentieren, Barcelona nicht. Und darum ist es absolut korrekt, dass Inter Mailand im Finale steht.

Wo Trainer Mourinho mit Louis van Gaal auf den einzigen trifft, der ihm in Sachen Ego das Wasser reichen kann. Die Münchener Bayern kamen, anders als Inter, aber weniger durch geniale taktische Schachzüge ins Finale, sondern eher wegen der puren Wucht der Willenskraft. Die Bayern waren schon in der Vorrunde vor dem Aus, ehe Juventus in Turin 4:1 besiegt wurde – weil sie den Sieg mehr wollten als die zögerlichen Italiener. Sie kamen im Achtelfinale gegen die Fiorentina weiter, weil sie auch nach Rückständen nie die Köpfe hängen ließen. Sie schalteten Manchester United aus, weil es die Engländer nicht schafften, den Bayern den Zahn zu ziehen – weder mit einem Hinspiel-Tor nach 62 Sekunden, noch mit einer 3:0-Führung im Rückspiel. Und sie schaltete Lyon aus, weil, zugegeben, die Franzosen nicht zeigen konnten, wie zur Hölle sie Bordeaux und vor allem Real Madrid ausschalten haben können.

Im Finale steht also ein Team, das mit Hirnschmalz dorthin kam, und eines, das sich mit Willenskraft dorthin durchkämpfte. Eine klassische Herz-gegen-Hirn-Situation also. Über die Saison haben es in der Tat ausschließlich diese beiden Mannschaften verdient, sich in Madrid gegenüber zu stehen. Barcelona fand keine Alternative zum Schönspielen, Manchester konnte den Sack zweimal nicht zu machen. Chelsea fehlte es an Durchschlagskraft, Real Madrid an der Effizienz und sicher auch an Teamgeist, Arsenal an Routine, Lyon letztendlich an der Klasse.

Im Übrigen gibt es auch im kleineren europäischen Bewerb ein schönes Finale. Ein Halbgroßer (Atlético Madrid) gegen einen echten Underdog (Fulham) – genau solche Endspiele machen auch die Europa League, vormals UEFA-Cup, zu so einer feinen Sache. Genau solche Endspiele lassen einem auch dem Cupsieger-Bewerb ein wenig nachtrauern. Die Mannschaft aus Fulham war in jeder einzelnen Runde der Außenseiter, kegelte aber Titelverteidiger Donetsk aus dem Bewerb, ebenso Juventus (nach einer 1:3-Hinspielniederlage), den deutschen Titelträger von 2009 Wolfsburg, und verwehrte schließlich auch Final-Gastgeber Hamburg eine Endspiel-Teilnahme.

Atlético hingegen rettete sich mit mehr Glück als Verstand auf den dritten Gruppenplatz in der Champions League, um dann zum Meister der knappen Begegnungen zu werden. Um ein Tor mehr erzielt als Galatasaray, per Auswärtstoren gegen Sporting Lissabon weitergekommen, ebenso (wenn auch über zwei Spiele hochverdient) gegen Valencia. Und im Semifinale gegen Liverpool einmal klar besser und einmal annähernd gleichwertig. Auch hier wird also ersichtlich: Im Grunde ist Atlético gegen Fulham, wenn man die Saison betrachtet, das logische und das richtige Finale.

Ein kleiner Nachsatz sei aber noch erlaubt: Atlético Madrid steht im Endspiel der Europa League, und das sicher nicht als Außenseiter. Barcelona ist in der spanischen Meisterschaft immer noch (wenn auch knapp) voran. Arjen Robben und Wesley Sneijder, die Real Madrid im letzten Sommer unbedingt loswerden wollten, stehen sich ausgerechnet im Estadio Bernabéu in dem Spiel gegenüber, das man getrost als europäische Super Bowl bezeichnen kann. Und Real selbst scheiterte schon im Achtelfinale an Olympique Lyon.

Das finden sie bei den Königlichen sicher alles sehr witzig.

(phe)

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