Uruguay – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 10 Jul 2018 21:47:46 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Südamerika bei der WM 2018: Zu wenig echte Weltklasse https://ballverliebt.eu/2018/07/10/wm-2018-suedamerika-brasilien-argentinien-uruguay-kolumbien-peru/ https://ballverliebt.eu/2018/07/10/wm-2018-suedamerika-brasilien-argentinien-uruguay-kolumbien-peru/#comments Tue, 10 Jul 2018 08:42:33 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15004 Südamerika bei der WM 2018: Zu wenig echte Weltklasse weiterlesen ]]> Zum vierten Mal hintereinander kommt der Weltmeister nicht aus Südamerika – Rekord. Schon im Viertelfinale war für den letzten des Conmebol-Quintetts Endstation – erstmals seit 2006. Brasilien muss sich einerseits ärgern, dass man die sicher größte Chance seit langem nicht genützt zu haben.

Andererseits aber festigte dieses Turnier die Vormachtstellung der Seleção, die bis zum Amtsantritt von Teamchef Tite vor zwei Jahren geraume Zeit nicht gegeben war. Argentinien ist am Ende, Kolumbien stecken geblieben, Chile nicht einmal qualifziert. So heißt der erste Verfolger am Kontinent derzeit Uruguay.

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LINK-TIPP: Südamerika bei der WM 2014

Brasilien: Ausgewogen und stark genug – eigentlich

2006 war Brasilien zu statisch, 2010 zu vorsichtig, 2014 mental nicht für die Heim-WM gerüstet (vor allem die längst in China untergetauchten Oscar und Hulk). Diesmal hat eigentlich alles gestimmt. Bis auf die Chancenauswertung im Viertelfinale. Denn obwohl Belgien einen perfekten Plan hatte: Was die Chancen und deren Qualität betrifft, hätte Brasilien dieses Spiel dennoch gewinnen können bzw. müssen.

Es ist argumentierbar, dass dies die beste brasilianische Mannschaft seit dem Titel von 2002 ist. Die Abwehr ist routiniert und lässt praktisch nichts zu, im Tor gibt es zwei Weltklasse-Optionen (neben Alisson noch Éderson von Man City). Im Mittelfeld gibt es die richtige Balance aus Absicherung und Vorwärtsgang, und vorne einen Neymar. Dieser hat seinem Image zwar mit seiner übergroßen Theatralik keinen Gefallen getan, grundsätzlich aber ein gutes Turnier gespielt. Er hat zwei Tore erzielt (darunter das wichtige 1:0 im Achtelfinale gegen Mexiko), ein weiteres augfelegt, hat im Schnitt 4,6 Torschüsse pro Spiel vorbereitet. Gemeinsam mit Coutinho (der aus dem Mittelfeld heraus ähnlich produktiv war, aber weniger Risiko einging – logisch, wenn man seine Position berücksichtigt) bestimmte er den brasilianischen Angriff.

Man kann durchaus hinterfragen, ob Gabriel Jesus (statt Firmino) und Willian (statt Douglas Costa) wirklich die Optimalbesetzungen waren. Fagner ist nur dritte Wahl als Linksverteidiger (hinter den verletzten Dani Alves und Danilo) und das sah man auch. Weil aber auch alle anderen Teams ihre Schwächen hatten, hätte das vollauf zum Titel reichen können. Wenn man nur das Belgien-Spiel überstanden hätte.

Nach den peinlichen Auftritten bei den letzten drei Copa-América-Turnieren (Viertelfinale 2011 und 2015, Vorrunde 2016) hat sich Brasilien unter Tite – der nach dem 2016er-Turnier von Dunga übernommen hat – eindrucksvoll an der Spitze der südamerikanischen Hackordnung zurückgemeldet. Unter dem auch in der Heimat hochgeschätzten Tite, der als Trainer bereit bestätigt wurde, gab es bis zum unglücklichen 1:2 gegen Belgien in 16 Spielen 13 Siege und drei Remis.

Uruguay: Unspektakulär und kaum zu bezwingen

Glücklich, wer als Nationalteam über die Stamm-Innenverteidigung von Atlético Madrid verfügt. Godín und Giménez haben auch im Trikot der Celeste de facto nichts zugelassen, sind ohne Gegentor durch Vorrunde marschiert und sind danach nur von einem Eckball, einem Freistoß und einem Fehler von Keeper Muslera bezwungen.

Glücklich auch, wer Luis Suárez und Edinson Cavani als Stürmer aufbieten kann. Vor allem Cavani zeigte ein großartiges Turnier, war nach vorne stets brandgefährlich und arbeitete stark auch nach hinten. Im Viertelfinale bestätigte sich aber der Eindruck von der Copa Centenario vor zwei Jahren: Es geht nur mit beiden. Damals war nur Cavani dabei (neben ihm versuchten sich Rolán, Stuani und Hernández), Uruguay schied sang- und klanglos in der Vorrunde aus. Diesmal war im Viertelfinale gegen Frankreich ohne den verletzten Cavani nur Suárez dabei, die Offensiv-Power war gleich Null.

Dazwischen hat Óscar Tabárez, mit 71 Jahren der älteste Trainer des Turniers, den fälligen Generationswechsel aber vollzogen. Mit Bentancur (20), Torreira (22) und Nández (22) spielten drei ganz junge Spieler im Mittelfeld, das im Turnierverlauf auch in der Anordnung verändert wurde. Die ersten zwei Matches absolvierte Uruguay im flachen 4-4-2, dann kam Torreira auf die Sechs und Bentancr übernahm die Spitze einer Raute.

Mit dem verdienten Viertelfinale-Einzug etabliert sich Uruguay nach dem zweiten Platz in der Qualifikation weiterhin als zweite Kraft auf dem Kontinent. Dass es nicht für mehr reicht, liegt auch an den ein wenig fehlenden personellen Alternativen. Aber hey, Uruguay hat kaum halb so viele Einwohner wie Österreich.

Argentinien: Der komplette Kollaps

Viel erinnerte an Frankreich 2010. Eine Revolte unter den Spielern, ein entmachteter Trainer, internes Chaos und sportlicher Kollaps. Der Finalist von WM 2014, Copa América 2015 und Copa Centenario 2016 zerfiel in seine Einzelteile.

Man wirkte auch nie wie eine von Jorge Sampaoli – einem Apostel des Offensivspiels, des wütenden Pressings, der ungewöhnlichen Formationen – gecoachtes Team. Lahm und einfallslos in einem 4-2-3-1 beim 1:1 gegen Island. Komplett kollabierend gegen Kroatien in einem nicht funktionierenden 3-4-3, das völlig an Messi vorbei lief. Eine Halbzeit lang gegen Nigiera solide in einem 4-4-2, das danach dem Panikmodus wich. Man kämpfte aneinander vorbei, erzwang aber noch den nötigen Sieg. Im Achtelfinale (im 4-3-3 spielend) stemmte man sich mit Einsatz gegen die Niederlage, aber Frankreich konnte stets einen Gang höher schalten. Das von Sampaoli angekündigte 2-3-3-2 blieb eine Ankündigung.

In vier Spielen war nie erkennbar, was die Spielidee bei Argentinien sein soll, welche Rolle Messi einnehmen soll, wer nun eigentlich die Kommandos gibt. Mascherano geht das Spiel mittlerweile viel zu schnell, Di María war gegen Frankreich sagenhaft schlecht. Die in der durch 30 teilnehmende Klubs katastrophal verwässerten heimischen Liga spielenden Maximiliano Meza und Cristian Pavón haben kein internationales Format. Enzo Pérez ist kaum mehr als ein Mitläufer, Éver Banega spielt gute Pässe, aber ist zu langsam. Und Torhüter von Weltformat hatte Argentinien ohnehin nie.

Eine große Generation ist in Russland mit einem Knall abgetreten. Messi, Mascherano, Higuaín, Di María, Agüero, Banega, Otamendi – für sie alle war dies höchstwahrscheinlich ihre letzte WM. Mehr als zwei, drei Spieler aus dem aktuellen Team werden 2022 nicht mehr dabei sein. Oder muss man sich gar um die Teilnahme für Katar sorgen? Ohne Messi ist Argentinien nur das achtbeste Team in Südamerika. Achtmal trat man in der Quali ohne ihn an, sieben Punkte gab es in diesen Spielen.

Und es kommt auch zu wenig nach. In den letzten fünf U-20-Weltmeisterschaften hat Argentinien nur einmal die Vorrunde überstanden, ist 2015 gegen Österreich ausgeschieden, war zweimal nicht einmal qualifiziert. Die neuen Zentralfiguren in den kommenden Jahren werden wohl Paulo Dybala (der aber teamintern offenbar überhaupt keine Lobby hat) und Giovanni Lo Celso sein. Rundherum gibt es einige Kandidaten – Mauro Icardi von Inter, Manuel Lanzini von West Ham, eventuell Lucas Alario von Leverkusen. Aber längst nicht so viele, dass man automatisch von einem WM-Titelkandidaten sprechen könnte.

Kolumbien: Kein eindeutiges Urteil möglich

Juan Quintero wurde nach vier Jahren wieder ins kolumbianische Team zurückgeholt, spielte eine ansprechende WM. Radamel Falcao, der 2014 verletzt gefehlt hatte, machte endlich sein erstes WM-Tor. Yerry Mina und Davínson Sánchez gaben die Visitenkarte ab, nach dem nahenden Karriereende von Godín das beste Verteidiger-Duo Südamerikas zu werden.

Und doch: Es hing bei Kolumbien zu viel an James Rodríguez. Wenn der von Real zu den Bayern abgeschobene Kreativ-Spieler dabei war, war Kolumbien eine Macht – wie beim 3:0 gegen Polen. Wenn er fehlte, wie beim Achtelfinale gegen England, gibt es zwar immer noch einen Plan B (Dreierkette, um gegnerische Wing-Backs zu beschäftigen) und einen Plan C (Härte, um den Rhythmus und die Nerven des Gegners runterzuziehen). Aber spielerisch ist dann nicht mehr viel los.

Natürlich ist es auch Pech, dass man im ersten Spiel gleich nach fünf Minuten in Unterzahl ist – wiewohl Kolumbien dennoch Gruppensieger wurde. Natürlich ist es Pech, dass der wichtigste Spieler schon nicht fit zum Turnier kommt und sich nach anderthalb Spielen wieder verletzt. Natürlich ist es auch Pech, wenn man im Elfmeterschießen rausfliegt.

Darum sind die Kolumbianer einerseits unter Wert geschlagen worden, weil ein Halbfinal-Einzug genauso möglich gewesen wäre. Und andererseits haben sie auch wieder bekommen, was sie verdienen, wenn am Ende eben doch zu viel mit einem Spieler steht und fällt. Ein eindeutiges Urteil über dieses Turnier ist bei Kolumbien also nicht zu fällen. Aber: Dieses Team ist noch nicht am Ende. In den kommenden vier Jahren wird kaum ein Spieler aus Altersgründen rausfallen.

Peru: Gut, aber es fehlte Durchschlagskraft

Für Peru war es schon das Größte, erstmals seit 36 Jahren überhaupt an einer WM teilnehmen zu können. Mit einem verdienten Sieg gegen Australien im Gepäck ging es nach der Vorrunde wieder nach Hause, wirklich böse ist den Peruanern auch offenbar keiner. Dabei wäre eine Achtelfinal-Teilnahme nicht nur möglich, sondern eigentlich auch verdient gewesen.

Gegen Dänemark scheiterte man im ersten Spiel an der fehlenden internationalen Cleverness, aber keineswegs an einem besseren Gegner. Die sowohl auf einem solidem Defensiv-Block und einem ballbesitzorientierten Kurzpass-Spiel angelegte Strategie sorgte dafür, dass man im Grunde alle drei Spiele über weite Strecken unter Kontrolle hatte. Peru zeigte keinen Hauruck-Fußball, aber es fehlte die Durchschlagskraft.

Das Team hat nicht nur in der Qualifikation, sondern auch nun bei der WM selbst gezeigt, dass eine klare Philosophie und ein guter Teamgeist es ermöglichen, mehr zur erreichen, als eigentlich drin ist. Die Semifinal-Einzüge bei Copa América 2011 und 2015 wurden eher glücklichen Umständen zugeschrieben. Aber spätestens, als man 2016 bei der Centenario Brasilien eliminierte und danach zum WM-Ticket stürmte, zeigte sich echte Substanz. Viele Spieler werden auch noch einige Jahre für Peru spielen können.

Dennoch steht hinter der Nachhaltigkeit der Entwicklung ein Fragezeichen. Die peruanische Liga ist extrem schwach, in der Copa Libertadores – der südamerikanischen Champions Leauge – gewannen Perus Klubs nur 6 der letzten 60 Spiele. Zum fünften Mal in Folge findet 2018 das Achtelfinale ohne peruanische Beteiligung statt. Sogar die Klubs aus Venezuela und Bolivien haben bessere Bilanzen. Das sind keine guten Voraussetzungen, neues Talent an die Spitze heranzuführen.

Wer hat gefehlt?

In erster Linie hat man natürlich Chile vermisst. Der Sieger von Copa América 2015 und Copa Centenario 2016 sowie Finalist des Confed-Cups 2017 wurde hinter Peru nur Sechster in der Eleminatoria Sudamericana.

Zum Verhängnis wurde den Chilenen wohl vor allem die Altersstruktur. Da viele maßgeblichen Spieler praktisch gleich alt waren (und 2007 bei der U-20-WM vor Österreich Dritter wurden), verfügte Chile praktisch ein Jahrzehnt lang über ein extrem eingespieltes Team von gutklassigen Spielern. Nun sind sie allerdings alle gleichzeitig alt geworden. Bravo (35), Valdivia (34), Beausejour (34), Jara (32), Vidal (31), Medel (30), Isla (30), Alexis Sánchez (29): Diese acht Spieler alleine kommen auf 840 Länderspiel-Einsätze.

Marcelo Bielsa hat das Team aufgebaut, Jorge Sampaoli hat es zum Höhepunkt des Copa-Sieges im eigenen Land getrieben, Juan Antonio Pizzi hat mit dem Titel 2016 für das letzte Hurra gesorgt. Jetzt ist es die Aufgabe von Reinaldo Rueda, eine völlig neue Mannschaft zusammen zu stellen. Mit Namen, die man in Europa (noch?) nicht kennt und wohl auch mit einer anderen Spielweise. Rueda, der 2010 mit Honduras und 2014 mit Ecuador bei der WM war, steht eher für staubigen Fußball. Die Zeit der chilenischen Kunst ist vermutlich erst einmal vorbei.

Ein ähnliches Problem, also ein abrupt erzwungener Generationswechsel, macht Paraguay zu schaffen. Das Team, die von 1998 bis 2010 bei jeder WM dabei war (2x Achtelfinale, 1x Viertelfinale), 2004 Olympia-Silber holte und 2011 noch im Finale der Copa América stand, hatte keine Nachfolger. In der Quali für diese WM hatte man zwar bis zum letzten Spieltag eine Chance zur Teilnahme, verschenkte sie aber leichtfertig. Statt Legionären in Spanien, England und Deutschland tummeln sich die Spieler heute vor allem in der eigenen Liga. Der prominenteste Spieler in Europa ist Antonio Sabaría von Betis Sevilla.

Ähnliches gilt auch für Ecuador (WM-Teilnahme 2002, 2006 und 2014), wo die mittelfristige Prognose nicht so gut aussieht. Venezuela (viele Legionäre in Europas zweiten Ligen und in der MLS) hat derzeit ohnehin andere Probleme als Fußball und Bolivien (fast alle Spieler in der eigenen Liga aktiv) ist seit Jahrzehnten irrelevant.

So geht es weiter

Wie auch Asien, Afrika sowie Nord- und Mittelamerika geht es auch in Südamerika 2019 mit der nächsten Kontinentalmeisterschaft weiter. Im kommenden Sommer rittern die zehn Conmebol-Teams um den Titel. Turnusmäßig ist nun Brasilien mit der Austragung dran. In den WM-Arenen von Rio de Janeiro, Sao Paulo, Belo Horizonte, Porto Alegre und Salvador wird gespielt, zum Auffüllen – es wird in drei Vierergruppen gespielt – hat man sich diesmal Japan und Katar eingeladen.

Danach wird umgestellt. Ab 2024 findet die Copa dann stets parallel zur Europameisterschaft statt. Als sportlich wie finanziell hochwertigen Pausenfüller schiebt man 2020 erneut ein gesamt-amerikanisches Turnier ein. Diese Copa Panaméricana wird, wie schon die baugleiche Copa Centenario 2016, in den USA stattfinden.

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Erstes Abtasten von Team und Foda – 2:1 über Uruguay https://ballverliebt.eu/2017/11/15/foda-debut-oesterreich-uruguay/ https://ballverliebt.eu/2017/11/15/foda-debut-oesterreich-uruguay/#comments Wed, 15 Nov 2017 21:55:11 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14356 Erstes Abtasten von Team und Foda – 2:1 über Uruguay weiterlesen ]]> Dieses erste Spiel unter dem neuen Teamchef Franco Foda lässt einen irgendwie mit ein paar Fragezeichen zurück. Gute Unterhaltung war der etwas glückliche 2:1-Sieg gegen Uruguay nicht, die erste Hälfte war furchtbar, die zweite überwiegend ganz gut. Aber mehr als ein gegenseitiges Abtasten und Kennenlernen von Team und Trainer war dieser erste Lehrgang und auch das erste Match unter Foda natürlich nicht – und viele Fragen bleiben logischerweise vorerst auch noch unbeantwortet.

Österreich – Uruguay 2:1 (1:1)

Die Zusammensetzung von Fodas erstem Kader ließ eher ein System mit Dreier-Abwehr vermuten. Die Realität war aber ein 4-4-2 mit dem einzigen Rechts- und dem einzigen Linksverteidiger im Aufgebot – Bauer und Ulmer.

Eine Hälfte wie vor zehn Jahren

Ein, klassisches flaches 4-4-2 kam im Nationalteam unter Koller nur sehr punktuell zum Einsatz (Constantini verwendete es in seinem ersten Jahr als Teamchef 2009 zuletzt auf längerer Basis), und selbst Foda hat sein einstiges Stamm-System schon längere Zeit nicht mehr verwendet. So wirkte die erste Hälfte des ÖFB-Teams auch irgendwie wie vor zehn Jahren; altbacken und etwas ratlos.

Baumgartlinger und Grillitsch konnten im zentralen Mittelfeld nichts gestalten, weil zwischen ihnen und dem nächstvorderen Spieler meist drei, vier Uruguayer platziert waren. Es blieb der Weg über die Außenspieler, in der Passmap spricht man von einer „U-Form“: Viel Passverkehr in der Abwehrkette und zwischen den Außenverteidigern und ihren Mittelfeld-Außen, wenig Konstruktives aus dem Zentrum, praktisch keine Bälle für die beiden Stürmer.

Die Mittelfeld-Außen Sabitzer und Kainz viel damit beschäftigt, einzurücken und die Halbfelder gegen den gegnerischen Aufbau zuzumachen. Ein Pressing wie vor allem in der Frühphase der Koller-Ära war überhaupt nicht mehr vorhanden.

Uruguays flexibles Mittelfeld

Die Urus spielten aus einer 4-1-4-1-Grundordnung heraus, dieses wurde aber flexibel interpretiert: Giorgian de Arrascaeta rückte von der linken Seite situativ in den Angriff neben Cavani auf; auch wechselte er mit Jonathan Urretaviscaya zuweilen sie Seiten. Fix blieb nur das Zentrum mit Sechser Vecino und den ihn flankierenden Jungspunden Betancur (20) und Valverde (19). Diese drei riegelten die Passwege durch das Zentrum ab.

Im Aufbau wurde in der Regeln zunächst der kurze, sichere Pass gesucht – meist tat sich Uruguay damit aber schwer, weil die Österreicher schnell beim Passempfänger waren und so einen geordneten Aufbau von Uruguay ganz gut verhinderten. Häufig spielte Uruguay daher lange Diagonalbälle in die Schnittstelle zwischen ÖFB-LV Ulmer und IV Dragovic – oder, wie bei Cavanis Tor zum 1:1-Ausgleich, auf die linke Angriffsseite, wo Bauer zu weit eingerückt war.

Uruguay erarbeitete sich neben dem Tor – das vom ÖFB-Team von A bis Z horrend schlecht verteidigt war – noch zwei, drei weitere sehr gute Chancen. Vor allem Hereingaben in den Rückraum waren ein Mittel, das Österreichs Defensive öfters in Verlegenheit brachte. Dass es zur Halbzeit 1:1 stand, schmeichelte Österreich.

Umstellung zur Pause fruchtet

Foda hatte erkannt, dass das flache 4-4-2 null Torgefahr brachte (die frühe Führung durch Sabitzer war auch nur durch einen seltsamen Ausflug von Uru-Keeper Martín Silva möglich), und wechselte die Raumaufteilung für die zweite Hälfte. Arnautovic, der seine Stärken als abgeschnittene Sturmspitze zuvor überhaupt nicht einbringen konnte, spielte nun auf seiner Stammposition im linken Mittelfeld, dafür übernahm Kainz (und zehn Minuten später Louis Schaub) die Zehn in einem 4-2-3-1.

Nun hatten die drei Uruguayer im Zentrum einen dritten Spieler zu beachtet, wodurch sich mehr Räume und mehr Passoptionen für Baumgartlinger und Grillitsch ergaben. Zudem rückte oftmals Baumgartlinger oder (eher) Grillitsch neben Schaub auf; diese gegenüber der ersten Hälfte deutlich gesteigerte Mobilität stellte Uruguay vor Probleme.

Vor allem Grillitsch zeigte in dieser Phase erneut eine großartige Leistung: Er erkennt Räume und sich ergebende Passwege, verteilt die Bälle ungemein intelligent. Wenn der Hoffenheim-Legionär am Ball ist, kann man sich fast sicher sein, dass die folgende Aktion Hand und Fuß hat.

Tabárez reagiert

Schlussphase

Das ÖFB-Team wurde zwar nicht torgefährlich, hatte aber das Zentrum im Griff und damit Uruguay an der kurzen Leine. Uruguays Langzeit-Teamchef Óscar Tabárez sah sich das veränderte Geschehen 20 Minuten lang an und reagierte dann.

Aus dem 4-1-4-1 wurde ein 4-3-1-2, womit Uruguay wieder Überzahl im Zentrum hatte. Mit dem österreichischen Schwung war es damit wiederum vorbei, zumal wenig später auch Grillitsch ausgewechselt wurde und die vielen personellen Änderungen generell den Spielfluss brachen.

Die Gäste waren in der Schlussphase dem Siegtreffer wiederum näher als das ÖFB-Team. Aber es war eine Freistoß-Flanke von Louis Schaub, die sich hinter dem verdutzten Martín Silva, Keeper von Brasiliens Erstliga-Klub Vasco da Gama, ins Tor senkte.

Fazit: Ausbaufähig

Die Vorstellung beim ersten Spiel von Marcel Koller war bemüht, aber unausgewogen. Jene bei der Constantini-Premiere war furchtbar, obwohl es einen Sieg gab. Das erste Spiel der Amtszeit von Franco Foda war auch keine Offenbarung, vor allem die erste Halbzeit war Anlass zur Verwunderung: Was dieses flache 4-4-2 sollte, ist rätselhaft.

Foda zeigte aber die grundsätzliche Bereitschaft zu taktischen Umstellungen, auch ohne das Personal dafür zwingend tauschen zu müssen. Die Änderungen für die zweite Hälfte waren die richtigen Antworten auf ein nicht funktionierendes System. So zog man die Initiative im Spiel auf seine Seite – zumindest für eine halbe Stunde. Dass es einen Sieg gab, ist für das öffentliche Standing von Foda sicher von Vorteil.

Im Trainingslager ging es in erster Linie darum, dass sich Spieler und Trainerteam kennen lernen und ein Gefühl füreinander entwickeln. Das Spiel war wohl kaum mehr als ein erster Testlauf für Foda, wie sich das Team in einem Match coachen lässt, das muss sich alles noch ein wenig finden. Ist völlig normal. Wie alle Seiten beteuern, ist die Chemie durchaus in Ordnung, das ist ein gutes Zeichen. Wenn Alaba, Ilsanker und Hinteregger wieder fit sind, hat er auch mehr Alternativen, womöglich ist auch Prödl noch ein Thema.

Viele Fragen hat diese erste Trainingswoche und das erste Spiel unter Franco Foda aber auch (logischerweise) nicht beantwortet bzw. beantworten können. Etwa, ob es ein bevorzugtes System gibt (wie unter Koller) oder dieses von Spiel zu Spiel angepasst wird (wie bei Sturm unter Foda). Oder, wo der Teamchef gedenkt, David Alaba einzusetzen – neben dem diesmal eher durchschnittlichen Baumgartlinger gab Florian Grillitsch ein nächstes, starkes Statement für sich im Mittelfeld-Zentrum ab.

Auch, ob das Pressing ein Mittel ist/bleibt oder ob man sich unter Foda weiter davon verabschiedet, werden erst andere Spiele gegen andere Gegner und mit womöglich anderem Personal zeigen können. Ob Lindner die Nummer eins im Tor bleibt, ist sicherlich ebenso noch offen.

Am 19. März kommt das ÖFB-Team das nächste Mal für einen Lehrgang zusammen. In den beiden Ende März geplanten Testspielen wird man vermutlich schon ein wenig mehr erkennen können, wohin Foda die Nationalmannschaft steuern will.

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Südamerika bei der WM: Zwar wieder kein Titel, aber erneut breiter geworden https://ballverliebt.eu/2014/07/18/zwar-wieder-kein-titel-aber-suedamerika-stellt-sich-immer-noch-breiter-auf/ https://ballverliebt.eu/2014/07/18/zwar-wieder-kein-titel-aber-suedamerika-stellt-sich-immer-noch-breiter-auf/#comments Thu, 17 Jul 2014 22:34:03 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10428 Südamerika bei der WM: Zwar wieder kein Titel, aber erneut breiter geworden weiterlesen ]]> Nur ein Team von außerhalb konnte südamerikanische Teams in der K.o.-Runde besiegen. Eines! Was nur zeigt, wie stark und vor allem mit welcher beeindruckenden Breite die Teams aus Südamerika bei der WM auftrumpften. Mittlerweile sind nicht nur zwei Teams da, die Weltmeister werden können, sondern vier, die von extrem hoher Qualität sind. Und ein Fünfter war vor vier Jahren ja immerhin im Semifinale. In dem das Team des Gastgebers diesmal ja ein historisches Debakel erlitt.

Brasilien: Wo sind die ganzen Samba-Kicker hin?

Als die Seleção vor einem Jahr den Confed-Cup gewann, sah man eine Mannschaft, die nichts besonders innovatives machte, aber eine solide Mischung aus allen Einflüssen war, die es im modernen Fußball so gibt. Keine aufregende, aber eine grundsolide Truppe. Zwölf Monate später gab es den krachenden Einsturz eines Teams, das offenbar alles verlernt hatte, nicht als Mannschaft funktionierte und in dem Teamchef Scolari zu viel und zu lange an „seinen“ Spielern festhielt.

Brasilien
Brasilien: Wenn Fred der beste Mittelstürmer ist, hat die Seleção ein ziemlich massives Problem.

Dabei war eben in der Tat alles weg. Paulinho, der aus dem Mittelfeld den Punch bringen sollte, ist nach einem verlorenen Jahr in Tottenham ein Schatten seiner selbst. Hulk stagniert oder enwickelte sich sogar zurück. Fred ist eine Gemeinheit von einem Mittelstürmer, verglichen mit ihm war Toni Polster ein Dauerläufer.

In keinem Spiel konnte Brasilien wirklich überzeugen. Gegen Kroatien hätte man ohne das Elfer-Geschenk wohl nur 1:1 gespielt, Kamerun war kein Gegner, gegen Chile und Kolumbien wackelte man bedenklich, ehe es gegen Deutschland das 1:7-Desaster im Halbfinale setzte. Die vermutlich beste Leistung konnte man gegen Mexiko abrufen. Bezeichnenderweise gewann Brasilien dieses Spiel nicht.

Das Halbfinale, das in die WM-Geschichte eingehen wird, offenbarte drastisch, wie sehr die Mannschaft von Thiago Silva (der den Laden hinten zusammenhielt) und Neymar lebte. Unter dem Druck des Gewinnen-Müssens warfen die Spieler übermotiviert alle Grundlagen der Taktik über Bord und liefen Deutschland nicht ins Messer, sondern mit Anlauf in ein deutsches Katana.

Die grundsätzliche Frage, die sich Brasilien nach Platz vier bei der Heim-WM (was ja rein als Ergebnis eh nicht so schlecht ist) stellt, ist eine aus brasilianischer Sicht erschreckende: Wie kann es sein, dass es ausgerechnet im Land des Samba-Fußballs, im Land von Pelé, Garrincha, Zico, Romario, Ronaldo und Ronaldinho nur einen einzigen Offensiv-Akteur von Weltformat gibt? Inhaltliche Fehlleistungen und Spiele, in denen alles daneben geht, können immer mal passieren. David Luiz und Thiago Silva sind dennoch Weltklasse-Spieler, Luiz Gustavo trotz allem ein Sechser von internationalem Format. Aber Oscar tauchte völlig unter, Hulk ebenso. Alles hing an Neymar.

Die Seleção ist nicht in einem so tiefen Loch, wie es nun scheint. Der neue Teamchef, wer immer es sein wird, muss aber einen Weg finden, dass nicht alles zusammenklappt, wenn Neymar nicht dabei ist oder einen schlechten Tag hat. Und ganz generell muss sich der Verband etwas einfallen lassen, wie man wieder ein paar ordentliche Offensiv-Spieler und vor allem Mittelstürmer aus dem Zuckerhut zaubert. Denn was den Zug zum Tor angeht, ist man alleine in Südamerika nicht mehr unter den Top-3.

Argentinien: Wo ist die Hilfe für Messi?

Nein, dass die Albicelete prickelnden Offensiv-Fußball gezeigt hätte, könnte man nicht gerade behaupten. Auch, dass Lionel Messi zu jeder Zeit Herr der Lage ist und ein Kapitän, der vorangeht und die Kollegen pusht, wenn’s mal nicht läuft, kann man nicht sagen. Allerdings war der große kleine Mann von Barcelona fast immer zur Stelle, wenn seine Mannschaft mal ein Tor oder zumindest einen Assist von ihm brauchte.

Argentinien
Argentinien: Es lebte mehr von Messi, als bei der Besetzung nötig war. Aber es funktionierte.

Seltsam, aber obwohl die Qualität der Spieler direkt um Messi herum – Higuaín, Lavezzi, Agüero, natürlich Di María – deutlich höher ist als die der Nebenleute von Neymar, steht und fällt auch bei Argentinien alles mit einem Spieler. Die Auftritte des knapp unterlegenen Finalisten waren selten wirklich unterhaltsam und fußten vornehmlich auf einer außergewöhnlich sicheren Defensiv-Abteilung.

Die vom wahren Chef auf dem Feld dirigiert wurde, nämlich von Javier Mascherano. Er hatte mit Biglia einen patenten Adjutanten, hatte mit Garay und Demichelis sichere Hinterleute und Torhüter Romero zeigte ein sehr gutes Turnier, obwohl er bei Monaco nur in internen Trainings-Spielchen Praxis bekam.

Im Grunde spielte Argentinien so, wie Finalisten oft spielen: Hinten wenig anbrennen lassen, vorne im entscheidenden Moment zuschlagen. Wiewohl es Alejandro Sabella, so sehr es ihm an Charisma zu fehlen scheint, gelungen ist, die Gruppe zu vereinen, und sei es nur, um gemeinsam Sabellas Autorität öffentlich in Frage zu stellen. Seinen Grundsatz von „Humilidad y Trabajo“, von Demut und Arbeit, haben aber alle angenommen.

Nach dem überforderten Clown Maradona und dem ahnungslosen Selbstdarsteller Batista hatte Argentinien einen Teamchef gefunden, der sich ausschließlich mit dem sportlichen beschäftigt. Das wurde belohnt, aber um in vier Jahren auch wieder eine gute Rolle zu spielen, muss es gelingen, neue Schlüsselfiguern zu finden. Mascherano ist schon 30, Messi befindet sich seit einem, anderthalb Jahren am absteigenden Ast. Es wird sicherlich noch mehr Verantwortung auf Angel di María zukommen.

Denn Messi wird schon ein wenig mehr Hilfe benötigen, in Zukunft.

Kolumbien: Wäre mit Falcao noch mehr möglich gewesen?

Er war eine Augenweide, dieser James Rodríguez (der, um das ein für allemal festzuhalten, NICHT „dscheims“ heißt, sondern „chames“). Vorbereiter, Vollstrecker, Gegenspieler-Verrückt-Macher, und das alles mit einem Babyface, das das genau Gegenteil der wilden Erscheinung Carlos Valderrama ist. Kolumbien stürmte unaufhaltsam ins Viertelfinale und hatte dort gegen Brasilien zu spät gemerkt, dass man gar keine Angst vor dieser Truppe haben muss.

Kol
Kolumbien: Eine Augenweide. Tolle Spieler, viel Initiative, und das nicht mal in Bestbesetzung

Weshalb sich die Frage stellt: Wäre mit einem fitten Radamel Falcao vielleicht sogar noch mehr möglich gewesen? Denn Teo Gutiérrez zeigte sich als hervorragender Arbeiter, als guter Mitspieler für James und Cuadrado, aber nicht als Vollstrecker. Während hinter im die vermutlich beste offensive Mittelfeld-Reihe des Turniers wirbelte. Dazu verwirrte man die Gegner mit permanenten Rochaden: Da agierte James mal als Sturmspitze, mal links, da ging Jackson Martínez mal ins Zentrum, dazu gab’s mit Armero und Zuñíga zwei forsche Außenverteidiger. Eine Augenweide.

Die Cafeteros bestätigten den Aufwärtstrend, der schon unter Hernán Dário Gomez begonnen wurde und José Néstor Pekerman, an sich ja ein ruhiges Gemüt, formte Kolumbien zu einer ähnlich aufregenden Mannschaft wie seine „Fabelhaften Peker-Boys“ aus Argentinien bei der WM 2006. Und das Schöne ist: Bis auf Kapitän Mario Yepes fällt in näherer Zukunft kein Stammspieler aus Altersgründen aus dem Team.

Kolumbien kann also als Ganzes noch besser werden. Und Falcao ist bald wieder zurück.

Chile: Ist diese Form konservierbar?

Nächsten Sommer findet in Chile die Cópa America statt. Die Roja hat dieses Turnier noch nie gewonnen und nach dem knappen und auch eigentlich nicht verdienten Achtelfinal-Aus gegen Brasilien versprach Arturo Vidal, dass sich das ändern wird. Die Vorzeichen sind gut: Die Mannschaft ist mit einem Schnitt von 26,5 Jahren noch relativ jung, alle haben die komplexen Taktik-Varianten von Teamchef Jorge Sampaoli verinnerlicht, und Vidal selbst war nicht mal voll fit.

Chile
Chile: Das mit Abstand aufregendste, was dieses WM-Turnier zu bieten hatte. Viel zu früh raus.

Und die Chilenen waren, wie schon vor vier Jahren unter Marcelo Bielsa, eine überaus geile Mannschaft. Sampaoli ist ein im positiven Sinne fußballerischer Geistesgestörter, ein Besessener, ein Freak. Und so spielen auch seine Teams. Wie einst das 3-1-4-2-Monster von La U, wie das 2-1-3-4-0-Gebilde, das Australien eine halbe Stunde lang verzweifeln ließ. Wie das Pressing-Ungetüm, das Xabi Alonso so sehr in den Wahnsinn trieb, dass dieser sich nach einer Halbzeit traumatisiert auswechseln ließ.

Und mit Eduardo Vargas hat man nun auch endlich einen Stürmer, der auch mal Tore macht, Alexis Sánchez in Top-Form bringt auch die nötige Direktheit mit. Marcelo Díaz auf der Sechs – neben Mena, Aranguiz und Silva einer von vier Stammkräften, die unter Sampaoli bei La U gespielt haben – ist die personifizierte Balance. Dazu ist Claudio Bravo ein exzellenter Torhüter.

Und wohlgemerkt: Im ganzen Kader gibt es nicht einen einzigen gelernten Innenverteidiger. Keinen.

Chile hat es absolut drauf, auf absehbare Zeit eine bestimmende Kraft in Südamerika und damit auch in der Welt zu werden bzw. zu bleiben. Wenn Pinilla gegen Brasilien in der 120. Minute nicht die Latte, sondern das Tor getroffen hätte, wer weiß, wie weit Chile gekommen wäre.

Eines ist nur klar: Kein Team bei dieser WM ist mit dem nackten Resultat – Aus im Achtelfinale – so massiv unter Wert geschlagen worden wie Chile. Jetzt muss nur noch die Form bis nächstes Jahr konserviert werden.

Uruguay: Wer folgt den alten Herren?

José Maria Giménez erspielte sich schon einen Stammplatz bei den Großen, Stürmer Nico López kommt bei Udinese regelmäßig zum Einsatz, Linksaußen Diego Laxalt bei Serie-A-Absteiger Bologna. Aber sonst? Keiner der Mannschaft aus Uruguay, die vor einem Jahr Vize-Weltmeister bei der U-20-WM wurde, ist auch nur in der Nähe eines Stammplatzes bei einem halbwegs vernünftigen Klub, geschweige denn in der Nähe der Nationalmannschaft. Das wird über kurz oder lang zum Problem werden.

Uruguay
Uruguay: Fast alles hing an Godín und Suárez. Folgt nun der Generationswechsel bei der Celeste?

Denn obwohl man sich alte Willenskraft zeigte und somit England und Italien in 50:50-Spielen nieder ringen konnte, bleibt nach dem WM-Turnier, das mit einer Demontage im Achtelfinale gegen Kolumbien endete, die Erkenntnis: Besser ist Uruguay nicht geworden. Noch mehr als zuletzt schon hängt praktisch alles an Luis Suárez vorne und Diego Godín hinten.

Der Rest ist, bei allem Respekt, braver Durchschnitt und es ist weit und breit niemand in Sicht, der etwa im Mittelfeld das Spiel an sich reißen könnte. Arévalo ist nicht der Typ dafür, Lodeiro ist ein seit Jahren steckengebliebenes Talent, Cavani ist im Trikot von PSG wesentlich gefährlicher.

Und dann wird auch noch der ganze Auftritt überschattet von Suárez ekelhafter Dummheit gegen Italien. Die folgende Sperre heißt, dass Suárez die Copa America nächstes Jahr verpasst. Das wird für Langzeit-Teamchef Tabárez die Nagelprobe werden. Noch ein weiteres Mal mit den alten Recken, aber ohne den besten Spieler versuchen, alles rauszuquetschen, oder im Wissen um die Chancenlosigkeit, um den Titel mitzuspielen, den Umbau starten?

Die Antwort darauf wird gleichzeitig die Antwort auf die Frage sein, ob sich Tabárez, 67 Jahre alt, den Generationswechsel noch antun will.

Ecuador: Wäre die Quali auch ohne Höhenlage gelungen?

Immerhin: Seine drei Tore (also alle, die Ecuador bei dieser WM schoss) brachten Enner Valencia einen Premier-League-Vertrag bei West Ham ein. Sehr viel mehr wird aber nicht bleiben. La Tri verlor zwar nur knapp gegen die Schweiz und rang Frankreich ein verdientes Remis ab, aber dennoch hinterließen die drei Spiele vor allem eines: Verwunderung ob des antiquierten Spielstils der auch nicht mehr ganz jungen Mannschaft.

Ecuador
Ecuador: Mit dem flachen 4-4-2 und Konzentration auf die Flügel war das reichlich antiquiert.

Neben Honduras kam nur noch Ecuador mit einem flachen 4-4-2 mit zwei defensiven Mittelfeld-Leuten in einem damit unterbesetzten Zentrum auf, das Spiel nach vorne passierte praktisch ausschließlich über die Flügelspieler Valencia und Montero. Sturmspitze Caicedo fiel in den ersten zwei Spielen nur durch seine Mähne auf, und im dritten nicht mal mehr das, weil er zwischendurch beim Friseur war.

Anders als Enner Valencia. Der Angreifer, der nur durch den plötzlichen Tod von Chicho Benítez vor einem Jahr in die Mannschaft gerutscht war, war beweglich, hatte Übersicht und war auch torgefährlich.

Inhaltlich aber hat sich Ecuador seit der WM 2006, als man mit einem flachen 4-4-2 souverän das Achtelfinale erreichte und dort eher unglücklich England unterlag, keinen Zentimeter weiterentwickelt. Das Team vor acht Jahren war auch individuell echt gut (mit Leuten wie Delgádo, Méndez, dazu Reasco und De la Cruz als AV). Dieses ist eher wieder eines wie 2002, das sich wegen der Höhenlage in den Quali-Heimspielen zur Endrunde gemogelt hat.

Natürlich: Mit Carlos Gruezo von Stuttgart gibt es ein Riesen-Talent im zentralen Mittelfeld. Aber der hat vor drei Jahren noch U-17-WM gespielt. Für eine tragende Rolle bei einer WM der Großen war’s noch ein wenig früh.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2015 in Chile

Die Brasilianer, die viel gutzumachen haben. Die Argentinier mit Messi, der so knapp dran war, aber nun immer noch keinen Nationalteam-Titel gewonnen hat. Der Offensiv-Wirbel der Kolumbianer. Und natürlich die positiv Verrückten von Gastgeber Chile. Nicht zu vergessen Titelverteidiger Uruguay, der zeigen muss, wie er sich selbst neu erfindet.

Die Copa America, die in einem Jahr stattfindet, ist von der Ausgangslage elf Monate davor die wohl spannendste seit Jahrzehnten, weil sie mehr ist als nur das programmierte Finale zwischen Brasilien und Argentinien, sondern  es gleich zwei Teams gibt, die mindestens auf Augenhöhe mit ihnen sind, wenn nicht sogar schon besser. Die Teams des südamerikanischen Kontinents rücken immer weiter zusammen. Eine Entwicklung, die nur gut sein kann.

Fünf der sechs CONMEBOL-Teams überstanden die Vorrunde, und es gab nur ein Team von außerhalb, das K.o.-Spiele gegen das Quintett gewinnen konnte (Deutschland). Anders gesagt: Hätte man sich nicht gegenseitig eliminiert, wäre die kollektive Stärke noch viel augenfälliger geworden. Andererseits hat es nun drei Turniere hintereinander keinen südamerikanischen Weltmeister gegeben – die längste Durststrecke der Geschichte. Weil die beiden Großen im entscheidenden Moment wieder Federn ließen und die Nachrücker halt doch noch nicht ganz so weit sind.

Noch.

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WM-Geschichte für Einsteiger (1) https://ballverliebt.eu/2014/06/06/wm-geschichte-fuer-einsteiger-1/ https://ballverliebt.eu/2014/06/06/wm-geschichte-fuer-einsteiger-1/#comments Fri, 06 Jun 2014 10:44:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10220 WM-Geschichte für Einsteiger (1) weiterlesen ]]> Das war eine feine Sache, dieses Olympische Turnier von Amsterdam 1928. Genau wie jenes von 1924. Wenn man davon ausgeht, dass die FIFA damals schon so tickte, wie sie heute tickt (und zeitgenössische Berichte deuten darauf hin), musste sie der Neid gepackt haben. Kurz: Es kann nicht sein, dass die Entscheidung, wer denn die beste Nationalmannschaft im Fußball ist, bei den Kollegen des IOC fällt. Schließlich war man ja selbst der Weltverband.

1930 – ein besseres Jux-Turnier

Nach einem Rundruf in Europa und Südamerika – jenen beiden Kontinenten, die schon voll im Fußballfieber waren – meldeten sich von Italien bis Spanien jede Menge Länder, die sich die Austragung vorstellen konnten. Aber nur eine war bereit, die Kosten selbst zu tragen. Das war Uruguay. Logisch: Die letzten beiden olympischen Turnieren hatte das kleine Land zwischen Brasilien und Argentinien gewonnen, da ließ man sich nicht lumpen.

Anders als praktisch alle europäischen Länder, denen die Überfahrt zu teuer, zu strapaziös und überhaupt das Turnier dann irgendwie doch nicht wichtig genug war. Gab ja nichts zu verdienen und es war schließlich Welt-Wirtschaftskrise. So brauchte es auch keine Qualifikation, nein, man war froh, überhaupt 13 Teams zusammenkratzen zu können, davon sieben alleine aus Südamerika.

Finale 1930: Uruguay - Argentinien 4:2 (1:2)
Uruguay – Argentinien 4:2 (1:2)

Kein Wunder, dass sich letztlich mit Uruguay und Argentinien auch die Kontrahenten des Olympia-Finales von zwei Jahren davor im Finale trafen. Wie „professionell“ das Turnier organisiert war, zeigt auch die Tatsache, dass es die FIFA nicht mal für nötig befunden hatte, einen Ball zu bestimmen, mit dem gespielt werden sollte. So brachten die Finalisten jeweils ihren eigenen mit – Argentinien spielte vor der Pause mit dem eigenen Spielgerät eine 2:1-Führung heraus.

Nach dem Seitenwechsel war es aber wohl so, dass Uruguay es besser verstand, bei allem Individualismus der damals in Mode war, auch hie und da zu verteidigen. Die Celeste kassierte keinen Treffer mehr, aber schoss noch drei – so wurde Uruguay mit einem 4:2-Sieg erster Fußball-Weltmeister.

1934 – Auf Mussolinis Geheiß

Die Europäer sahen, dass das erste Turnier ein schöner Erfolg war und drängten nun doch auf den Markt. Italien bekam anderthalb Jahre nach dem Turnier in Uruguay den Zuschlag, das Turnier 1934 zu veranstalten. Sehr zur Freunde des faschistischen Diktators Benito Mussolini, der den Sport als hervorragendes Propaganda-Material betrachtete.

Deshalb wurden flugs ein paar argentinische Vize-Weltmeister von 1930, die in ihrer Ahnengalerie irgendwo was Italienisches aufweisen konnten, eingebürgert. Was Vittorio Pozzo, einem strammen Nationalisten (wenn auch, wie man später offenbar herausfand, kein Faschist) im Geiste und bedingungslosen Pragmatisten in Fußball-Fragen, nur recht war. Er ging zwar vom vorherrschenden 2-3-5 nicht grundsätzlich ab, verpasste dem Team eine defensive Grundausrichtung (sprich: Manndeckung) und setzte im Aufbau auf das Genie Giuseppe Meazza.

Hätte aber alles nichts geholfen, wenn nicht von oben ein wenig nachgeholfen worden wäre. Im Halbfinale gegen jene Österreicher, die in den Jahren davor als „Wunderteam“ die Konkurrenz demolierten, brauchte es schon eine ziemlich, nun ja, eigenwillige Schiedsrichter-Performance des Schweden Eklind. Dieser war vor dem Spiel von Mussolini persönlich eingeladen worden, erkannte dann einen Treffer von Rechtsaußen Enrique Guaita an, obwohl der österreichische Goalie von drei Italienern behindert wurde, und klärte später eine österreichische Flanke sogar höchst selbst. Italien siegte 1:0, der zeitgleiche Finaleinzug der Tschechoslowaken war deutlich weniger umstritten – 3:1 gegen die Deutschen.

Italien - Tschechoslowakei 2:1 n.V. (1:1, 0:0)
Italien – Tschechoslowakei 2:1 n.V. (1:1, 0:0)

Wegen seiner „hervorragenden“ Spielleitung im Halbfinale durfte Eklind auch das Endspiel von Rom leiten, wieder zeigten seine Entscheidungen einen gaaanz leichten Drall Richtung Italien. Die harte Gangart der Squadra Azzurra war ihm egal, dummerweise für die Italiener aber auch dem Gegner. Die Tschechoslowaken nämlich ließen sich nicht unterkriegen und glichen in der zweiten Halbzeit sogar zum 1:1 aus, weshalb es in die Verlängerung ging.

Kurz nach Beginn dieser sorgte allerdings Angelo Schiavio, Mittelstürmer aus Bologna, für das Tor zum 2:1. Es war der Endstand, Italien war Weltmeister – sehr zur Freude von Mussolini. Seine selbstgestellte Mission war erfüllt, und er selbst war daran wohl nicht ganz unbeteiligt.

1938 – Großdeutsche Blamage

Was die WM 1934 für Mussolini war, hätten zwei Jahre später die Olympischen Spiele von Berlin für seinen Diktator-Kollegen aus Deutschland werden sollen, dem kam da aber ein gewisser Herr Owens, Sprinter aus den USA, dazwischen, der den deutschen Modellathleten die Show gestohlen hat.

Knapp zwei Jahre später verleibte sich sein Land in Anbahnung eines Weltkriegs Österreich ein, und weil die athletischen und robusten Deutschen eine echt gute Mannschaft hatten und die flinken, technisch versierten Österreicher mit ihrem „Scheiberlspiel“ ebenso, hielt man die neu geschaffene Verbindung daraus für beinahe unschlagbar. Das Gegenteil war aber der Fall: Zwei so verschiedene Stile konnten in den wenigen Wochen zwischen Anschluss und WM nicht zusammengeschweißt werden und das großdeutsche Team flog bei der WM in Frankreich schon in der allerersten Runde raus. Gegen die kleinen, neutralen Schweizer. Wie peinlich.

Sogar Kuba hatte die erste Runde überstanden, aber am Ende stand wie schon vier Jahre davor ein Finale zwischen den humorlosen Italienern und einem Team aus dem spielstarken mitteleuropäischen Raum – diesmal den Ungarn. Diese waren im Semifinale gegen Schweden schon nach wenigen Sekunden im Rückstand, gewann aber noch 5:1, während Italien gleichzeitig die Brasilianer mit ihrem Superstar Leonidas mit 2:1 Einhalt bieten konnten.

Italien - Ungarn 4:2 (3:1)
Italien – Ungarn 4:2 (3:1)

Im Endspiel starteten die Italiener forsch und führten schon nach einer halben Stunde mit 3:1, danach verlegten sie sich darauf, den ungarischen Wirbelwind zu bremsen und die Führung über die Zeit zu bringen. Halb durch die zweite Hälfte gelang Kapitän György Sarosi – der nach dem Krieg nach Italien ging und dort bis zu seinem Tod mit über 80 Jahren blieb – der 2:3-Anschlusstreffer, aber mit dem Tor zum 4:2 zehn Minuten vor Schluss machte Silvio Piola von Lazio den Deckel drauf.

Die spannendste Figur in diesem Finale war aber Alfred Schaffer, der Trainer der Ungarn. Er suchte sich schon als Aktiver seine Vereine nach den Verdienstmöglichkeiten aus, gilt somit als erster kontinentaler Profi. So spielte er schon in den 1920-ern in Deutschland, arbeitete als Trainer dort genauso wie in Wien und auch in Italien, ehe er kurz nach Kriegsende 1945 tot in einem Zug in Prien am Chiemsee gefunden wurde. Weshalb er mit 52 Jahren starb, kam nie raus.

1950 – Maracanazo

Seine Bemühungen, Fußball-Weltmeister zu werden, gingen schief, aber Hitler schaffte es sehr wohl, mit dem von ihm angezettelten Weltkrieg die zwei folgenden Endrunden zu verhindern. Jene 1942 hätte er gerne im Deutschen Reich stattfinden gesehen, 1946 hatte die Welt verständlicherweise ganz andere Sorgen als ein Fußball-Turnier. Auch für 1950 standen die Bewerber nicht gerade Schlange. Brasilien hob schließlich als einziger die Hand. Deutschland war wegen der Kriegsschuld (wie auch Japan) ausgeschlossen.

Und durfte auch England begrüßen. Das Team von der Insel hatte die ersten drei Turniere verweigert, weil man ja ohnehin felsenfest davon überzeugt, war dem Rest der Welt um acht bis zwölf Klassen überlegen zu sein, und um dies zu demostrieren, ließ sich die FA herab, um Superstar Stanley Matthews herum eine Mannschaft nach Südamerika zu schicken – die dann prompt gegen eine bunt zusammengewürfelte Hobbykicker-Truppe aus den USA 0:1 verlor und wie begossene Pudel schon nach der Vorrunde rausflogen. In der Heimat glaubte man bei der Übermittlung des Resultats „0:1“ an einen Tippfehler, korrigierte diesen auf „10:1“ und freute sich des vermeintlichen Sieges.

Qualifiziert, aber nicht dabei war dafür das Team aus Indien. Die weit verbreitete Geschichte, man habe das Antreten verweigert, weil die FIFA die Inder nicht barfuß antreten lassen wollte, ist eine nette, aber falsche Story. Die Reise nach Brasilien war dem indischen Verband schlicht zu teuer. Ein schönes Einkommen sicherte dafür der von Brasilien vorgeschlagene neue Modus: Vier Gruppen, dann eine Finalgruppe von vier Teams statt des gruppenlosen K.o.-Modus von vor dem Krieg. Die Betonköpfe von der FIFA waren dagegen, gaben aber dann doch nach, weil die Veranstalter gedroht hatten, sonst kein Turnier zu veranstalten.

Brasilien - Uruguay 1:2 (0:0)
Brasilien – Uruguay 1:2 (0:0)

Die Endrunde fand statt, und nach dem frühen Aus der Engländer war eigentlich klar, dass nur Brasilien Weltmeister werden konnte. In der Finalrunde wurde Schweden 7:1 und Spanien 6:1 demoliert, sodass im letzten Spiel gegen Uruguay ein Remis reichte. So sicher waren sich die Hausherren, dass die Zeitungen schon am Tag des letzten Spieles den Titel feierten.

Offiziell 171.000, in Wahrheit wohl deutlich mehr, wollten im Maracanã bei der Krönung dabei sein, sie sahen aber die größte Katastrophe in der Geschichte der Seleçao: Hinten hielt Maspoli (bis auf einen Schuss von Friaça) alles, Uruguay nahm die Angreifer der Favoriten in Manndeckung und nützte es vorne aus, dass niemand wirklich verteidigen wollte und Linksverteidiger Bigode die Hosen gestrichen voll hatte. Erst glich nach einer Stunde Schiaffino aus, zehn Minuten vor Schluss schoss der zierliche Alcides Ghiggia den 2:1-Siegtreffer für Uruguay.

Die traurige Folge des „Maracanazo“ war eine Selbstmord-Welle in Brasilien – die bereits begann, indem sich einige schockierte Zuseher über die Brüstung des Stadions stürzten.

1954 – Goldenes Team nur mit Silber

Die Deutschen durften vier Jahre später in der Schweiz wieder mitmachen, wurden aber immer noch mit Argwohn betrachtet. Sportlich wurde das Team aber ohnehin als weitgehend chancenfrei betrachtet, weil es ja nur einen Weltmeister geben konnte: Ungarn. Das „Goldene Team“ um Ferenc Puskás und Nandor Hidekguti war das mit sehr viel Abstand beste der Welt, gewann als erste kontinentale Mannschaft ein Jahr davor im Wembley mit 6:3, und um zu beweisen, dass das kein Zufall war, legte man im letzten Spiel vor der WM gleich nochmal ein 7:1 in Budapest nach. Die Frage war nur, wer im Finale gegen die Ungarn verlieren durfte – die heißesten Kandidaten waren die wiedererstakten Österreicher um Ocwirk, Hanappi und Happel; die Engländer, Weltmeister Uruguay und die noch immer stinkigen Brasilianer.

Ungarn prügelte Südkorea 9:0, eine nicht in Bestbesetzung auftretende deutsche Mannschaft 8:3, schaltete im Viertelfinale ohne nennenswerte Probleme Brasilien 4:2 aus und traf erst im Halbfinale auf Widerstand – gegen Uruguay brauchte es die Verlängerung. Österreich entwickelte sich zum logischen Finalgegner, aber im Viertelfinale musste man bei über 40 Grad gegen den Gastgeber antreten, Torhüter Rudi Hiden erlitt einen Sonnenstich und musste quasi ferngesteuert werden. Österreich gewann zwar 7:5 (ein lächerliches Ergebnis, eigentlich), kroch aber im Halbfinale am Zahnfleisch und ging gegen die Deutschen 1:6 unter.

Deutschland - Ungarn  3:2 (2:2)
Deutschland – Ungarn 3:2 (2:2)

So waren die Deutschen also doch im Endspiel. Der Dauerregen, der sich am Finaltag über Bern ergoss, machte den Ungarn zwar etwas sorgen – im tiefen Boden fiel ihnen ihr flinkes, technisch starkes Kombinationsspiel deutlich schwerer – aber als Puskás und Czibor nach zwei deuschen Abwehrfehlern schon nach acht Minuten eine 2:0-Führung herausgeschossen hatten, war der ungarische Sieg nur noch eine Frage der Höhe.

Dachten wohl auch die Ungarn selbst. Doch die kampfbetonte deutsche Spielweise und ihre Spezialschuhe von Zeugwart Adi Dassler (Herr Adidas) – die hatten Schraubstollen. Das, in Verbindung mit dem Regen, in Verbindung mit Bruder Leichtsinn bei den Ungarn, führte dazu, dass die Deutschen schnell zum 2:2-Ausgleich kamen. Das vor allem auch deshalb lange Bestand hatte, weil Toni Turek im deutschen Tor einen fantastischen Tag hatte.

Kurz vor Schluss sorgte ein flacher Schuss ins linke Eck von Helmut Rahn für das 3:2 und die Entscheidung – zum zweiten Mal hintereinander hatte der haushohe Favorit im entscheidenden Spiel gegen einen krassen Außenseiter verloren.

Ungarn kam nie wieder auch nur in die Nähe eines WM-Endspiels. Brasilien dafür schickte sich an, die Fußball-Welt zu dominieren. Aber mehr dazu in Teil 2!

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Überzahl in Ballnähe entscheidend: Erst Österreich mit Vorteilen, dann Uruguay https://ballverliebt.eu/2014/03/06/ueberzahl-in-ballnaehe-entscheidend-erst-oesterreich-mit-vorteilen-dann-uruguay/ https://ballverliebt.eu/2014/03/06/ueberzahl-in-ballnaehe-entscheidend-erst-oesterreich-mit-vorteilen-dann-uruguay/#comments Thu, 06 Mar 2014 08:24:04 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9977 Überzahl in Ballnähe entscheidend: Erst Österreich mit Vorteilen, dann Uruguay weiterlesen ]]> Das Ergebnis, ein 1:1 gegen Uruguay, sieht gut aus. Die erste Halbzeit, in der Österreich den amtierenden Südamerika-Meister an die Wand spielte, sah ebenfalls sehr gut aus. Dass es auf die logischen Änderungen beim Gegner für die zweite Hälfte aber keinerlei nennenswerte Reaktion gab, sah gar nicht gut aus. Ein Test mit durchaus Licht, aber auch mit einigem Schatten.

Österreich - Uruguay 1:1 (1:0)
Österreich – Uruguay 1:1 (1:0)

Kein Cavani bei Uruguay – kein Nachteil für Österreich. Ohne den PSG-Stürmer brachte Tabárez ein 4-4-2 auf’s Feld, das einen ganz großen Nachteil gegenüber dem durchaus spritzigen ÖFB-Team hatte: Die ungeheure Langsamkeit der teil massiv in die Jahre gekommenen Akteure.

Österreich im 3-gegen-1-Vorteil

Das auffälligste bei Österreich war, neben dem nennenswerten Offensiv-Pressing der vier vorderen Spieler, vor allem die geschickte Art und Weise, wie im Mittelfeld Überzahl geschaffen wurde. Dabei hatte Österreich natürlich den Vorteil der numerischen Überlegenheit im Zentrum (systembedingt), außerdem hielt sich Diego Pérez fast ausschließlich in der Nähe von Alaba auf. Das ging doppelt daneben: Zum einen war Alaba dennoch der unumstrittene Boss auf dem Feld, zum anderen entstanden so noch größere Löcher im uruguayischen Zentrum.

So gelang es Österreich fast immer, wenn Uruguay den Ball nach vorne tragen wollte, den Ballführenden zu stellen. Und zwar nicht nur mit 2-gegen-1-Situationen, sondern oft sogar mit 3-gegen-1. Die Abstände zwischen den Spielern und das fehlende Tempo dieser Spieler machte es Uruguay unmöglich, auf diese Weise vor das Tor von Robert Almer zu kommen. Suárez hing in der Luft und war in der ersten Hälfte kaum ein Faktor.

Nach Ballgewinn schnell und direkt

Dass das österreichische Offensiv-Pressing bald nachließ, hatte einen simplen Grund: Wenn man selbst zwei Drittel Ballbesitz hat, gibt es einfach keinen Gegner mit Ball, den man anpressen könnte. Gegen die in der Defensive durchaus kompakt stehenden Urus tat sich Österreich mit dem eigenen Aufbau allerdings durchaus schwer. Von hinten heraus erfolgte die Spieleröffnung zumeist über Hinteregger, und da oft über lange Diagonalpässe. In puncto körperlicher Robustheit hat Uruguay allerdings einen Vorteil, so taten sich Arnautovic und Harnik recht schwer. Auch, weil die Außenverteidiger Suttner und Garics (später Klein) sehr vorsichtig begannen und erst nach und nach ein wenig auftauten.

Deutlich besser klappte es bei Österreich, wenn man in den erwähnten Überzahl-Situationen im Mittelfeld den Ball eroberte und schnell umschalten konnte. Dann ging es mit schnellen, direkten Vertikalpässen innerhalb kürzester Zeit in den gegnerischen Strafraum. Dass Maxi Pereira der Ball vor dem 1:0 für Österreich verspringt, konnte man nicht einkalkulieren, aber dass aus genau so einer Situation das Tor fiel, ist logisch und alles andere als Zufall. Wie es auch kein Zufall war, dass das österreichische Team – das wann immer möglich den Abschluss suchte – bis zur Pause noch einige weitere gute Torgelegenheiten hatte.

Tabárez stellt um…

Großmeister Tabárez erkannte die Probleme natürlich und reagierte entsprechend. Er nahm den gegen Alaba untergehenden Pérez raus (positionsgetreu kam Gargano) und, noch wichtiger, er ließ den unsichtbaren Forlán draußen und brachte quasi gemeinsam mit Gastón Ramírez von Southampton ein neues System – ein 4-1-4-1. Damit hatte er die massive Unterlegenheit im Zentrum zahlenmäßig schon einmal ausgeglichen. Weil Gargano ein weiter gestreutes Betätigungsfeld hatte als nur Alaba nachzulaufen.

Zweite Halbzeit
Zweite Halbzeit

Und, weil Ramírez seinen Part sehr giftig spielte und so die pure Körperlichkeit von vor der Pause in ein gezieltes Angehen der Österreicher umgewandelt wurde. Inhaltlich ganz simpel: Nun schaffte es Uruguay besser, im Zentrum Überzahl-Situationen in Ballnähe herzustellen, damit bekam die Celeste das ganze Spiel besser in den Griff. Nun wirkte es sich auch noch mehr aus, dass den österreichischen Flügelspielern (nun Arnautovic rechts und Ivanschitz links) nicht so viel gelang – obwohl zumindest Arnautovic, der negativen Körpersprache zum Trotz, viel versuchte und nie aufsteckte. Für den Maestro das Signal, die Daumenschrauben weiter anzuziehen: Es kamen Álvaro Pereira und Nico Lodeiro.

…und zieht die Daumenschrauben an

Der ob der sich klar geänderten Kräfteverhaltnisse war das 1:1, obwohl im speziellen Fall es eine patschert verteidigte Ecke und kein taktischer Geniestreich war, folgerichtig. Wie auch, dass Uruguay nun mit zwei offensiv denkenden zentralen Mittelfeld-Leuten (neben Ramírez eben Lodeiro) das Geschehen auch weiterhin im Griff behielt.

Weil Ivanschitz gegen Aushilfs-Rechtsverteidiger Gargano (ein Duell zweier eigentlich Zentral-Spieler auf der Seite, auch nicht uninteressant) keinen Stich machte und die Wechsel von Koller zwar das Personal änderten (Kavlak für Leitgeb, dann Hinterseer für Junuzovic), aber nicht so sehr die Raumaufteilung. Einem möglichen Siegtreffer war nun Uruguay deutlich näher, von Österreich kam keine nennenswerte Reaktion mehr.

Fazit: Erst super, dann ohne Reaktion – wie in Schweden

Es erinnerte bei Österreich sehr viel an das entscheidende WM-Quali-Spiel in Stockholm: Eine großartige erste Halbzeit, in der die Marschrichtung passte und von den Spielern sehr gut umgesetzt wurde, ehe der Gegner in der Pause umstellt, das Heft in den Hand bekommt – und von Österreich aber keine Reaktion mehr kommt. So sehr man sich über die funktionierende Taktik zu Beginn freuen darf, so sehr muss man sich über ausbleibende Adaptierungen nach solchen des Gegners wundern.

Das Ergebnis, ein 1:1 gegen den amtierenden Südamerika-Meister, ist sehr respektabel, wiewohl natürlich allen klar sein muss, dass diese Mannschaft aus Uruguay ihren Zenit schon ganz deutlich überschritten hat. Österreich hat gezeigt, dass man sich auch vor Teams aus der erweiterten Weltspitze nicht fürchten muss. Eher schon davor, dass man guten Änderungen beim Gegenüber noch immer hilflos gegenüber steht.

Das darf sich ruhig ändern.

(phe)

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Ballverliebt Classics: Senegal 2002 – in memoriam Bruno Metsu https://ballverliebt.eu/2013/10/24/ballverliebt-classics-senegal-2002-in-memoriam-bruno-metsu/ https://ballverliebt.eu/2013/10/24/ballverliebt-classics-senegal-2002-in-memoriam-bruno-metsu/#comments Thu, 24 Oct 2013 14:21:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9686 Ballverliebt Classics: Senegal 2002 – in memoriam Bruno Metsu weiterlesen ]]> metsuBruno Metsu ist tot, der Franzose erlag 59-jährig einem Krebsleiden. Der Name des Trainers, dessen Markenzeichen seine wallende Haarmähne war, wird immer untrennbar mit einer der größten Leistungen verbunden bleiben, die je ein Underdog bei einem großen Turnier geschafft hat: Dem Viertelfinal-Einzug mit dem vor und auch nach seiner Ära international irrelevanten Team aus dem Senegal bei der WM-Endrunde 2002.

Zwei Jahre zuvor hatte der damals 46-Jährige, nach einigen Stationen in Frankreichs zweiter Liga, das Team übernommen. Nach einem achtbaren Afrikacup-Viertelfinale startete man noch unter Vorgänger Peter Schnittger nur mit zwei Remis in eine schwere WM-Quali-Gruppe mit Marokko, Ägypten und Algerien. Dann kam Metsu und der Aufstieg bekann.

Vor dem letzten Quali-Spieltag lag der Senegal in der Fünfergruppe auf Rang drei, aber nur der Sieger löste das WM-Ticket. Vorne lag Marokko mit 15 Zählern, war aber in der letzten Runde spielfrei. Mit je 12 Punkten folgten Ägypten und Senegal, beide aber mit einer besseren Tordifferenz als Marokko. Die Ausgangslage für Senegal war klar: Man musste drei Tore höher gewinnen als zeitgleich Ägypten bei deren Erzfeind Algerien.

Senegal gab in Namibia also Vollgas, führte zur Halbzeit schon 3:0, während es im Parallelspiel 0:0 stand. Das hätte gereicht. Nach einer Stunde ging Ägypten 1:0 in Führung – Senegal brauchte wieder ein Tor. Es gab zwei, stand zehn Minuten vor dem Ende 5:0, womit Ägypten wieder eines brauchte. Doch Algerien glich sogar aus. Dabei blieb es: Senegal sprang auf Gruppenplatz eins und war bei der WM in Südkorea und Japan dabei.

Und bekam neben Dänemark und Uruguay auch Frankreich zugelost. Sogar im Eröffnungsspiel.

Frankreich nimmt Senegal nicht ernst…

Frankreich war der amtierende Welt- und Europameister, hatte in seinem Kader die aktuellen Torschützenkönige aus der Premier League (Henry), der Serie A (Trezeguet) und der Ligue I (Cissé). Senegal gab im Eröffnungsspiel in Seoul niemand eine Chance, dam Team wurde im Vorfeld als „Frankreich B“ belächelt. Weil bis auf Leboeuf keiner aus der französischen Start-Elf in der Ligue I spielte, beim Senegal aber mit Ausnahme des zweiten und des dritten Torhüters der komplette Kader in Frankreich engagiert war. Nicht mal, dass Zinedine Zidane mit einem Muskelfaserriss fehlte, wurde als wirkliches Problem empfunden.

Senegal - Frankreich 1:0 (1:0)
Senegal – Frankreich 1:0 (1:0)

Und dann kam Senegal. Mit einer Spielanlage, die den Franzosen überhaupt nicht schmeckte: In einem 4-3-3 mit weit zurück gezogenen Außenstürmern und einer Mittelfeld-Zentrale, die ein Pressing aufzog, dass es eine Freude war. Vor allem was die körperliche Robustheit angeht, hatten Sechser Aliou Cissé und die beiden Achter Salif Diao und vor allem Papa Bouba Diop klare Vorteile gegenüber dem eher schmalen Djorkaeff und dem eleganten, aber langsamen Emmanuel Petit.

Statt Zidane spielte Djorkaeff – 34, mit seiner besten Zeit hinter sich und bei Bolton unter Vertrag – einen seltsamen Hybrid aus halbrechter Achter, aus Zehner und aus Linksaußen. Durch seine ständigen Positionswechsel entging er zwar der direkten Bewachung von Aliou Cissé, er überließ aber Petit und Vieira alleine die Arbeit gegen das extrem giftige senegalesische Mittelfeld-Trio.

Das Fehlen eines Verbindungsspielers zwischen Defensive und Offensive und die Tatsache, dass Petit und vor allem Vieira viel in Zweikämpfe verwickelt wurden, limitierte Frankreich zu langen Bällen von Petit auf die Flügelspieler Wiltord und Henry, die der starke Daf und der herausragende Coly aber in guten Händen waren.

…und wird bestraft

Die vielen Ballverluste in der Vorwärtsbewegung gegen das pressende Zentrum Senegals und die Tatsache, dass Sturmspitze Diouf links auftauchte, rechts auftauchte, ständig an der Abseitslinie lauerte (und auch 12-mal in selbigem stand) – all das beunruhigte Frankreich nicht. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass Desailly als Libero oft ins Mittelfeld aufrückte und den hüftsteifen Leboeuf alleine gegen den quirligen Diouf spielen ließ. Trezeguets Lattenschuss nach 22 Minuten schien dem Titelverteidiger zu versichern: Wir haben unsere Chancen, das wird schon.

Ehe nach einer halben Stunde Djorkaeff im Aufbau ein kurzes Anspiel von Vieira viel zu lässig annehmen wollte, von Salif Diao den Ball abgeluchst bekam, und Frankreich einmal mehr in der Vorwärtsbewegung erwischt war. Über den pfeilschnellen Diouf, der auf der linken Seite durchging, kam Senegal nach vorne, vor seiner Flanke ließ er noch Leboeuf wie einen Schlusjungen aussehen. Die Flanke selbst wurde erst von Desailly abgefälscht, Petit wollte klären und schoss dabei Barthez an, der Ball hüpfte Bouba Diop vor die Füße – und im Fallen stocherte er die Kugel über die Linie.

Zittern erst am Ende

Linksverteidiger Lizarazu schaltete sich viel in die Offensive ein, brachte aber wenig Konkretes zu Stande. Wiltord rieb sich gegen Daf völlig auf. Und Djorkaeff war eine Vorgabe, weshalb er nach einer Stunde Christophe Dugarry wich. Damit stellte Frankreichs Teamchef Lemerre auf ein schiefes 4-2-2-2 um, wie es ganz ähnlich auch sein Nachfolger Santini bei der EM zwei Jahre später spielen sollte: Mit Lizarazu hoch und Henry als Mittelding aus Linksaußen und Mittelstürmer, dazwischen mit Dugarry auf der linken Halbposition.

Mit schwindenden Kräften versuchten die Senegalese viel schneller und weniger durchdacht, Diouf zu schicken. Obwohl es noch für einen Alu-Treffer reichte, wurde es in der letzten halben Stunde ein Zittern für den Außenseiter, auch weil wenig später auch Henry am Pfosten scheiterte. Lemerre brachte Djibril Cissé für den abgemeldeten Wiltord, ließ den extravaganten, bulligen Mittelstürmer aber wie Wiltord als Rechtsaußen spielen – wo er sich sichtlich nicht wohl fühlte.

Erst fehlte Frankreich das Bewusstsein, dass diese senegalesische Mannschaft wirklich ein Problem sein könnte, dann konnte man den Schalter nicht so recht umlegen, und wenn es doch gelang, in Abschlussposition zu kommen, scheiterte man entweder am Torgestänge oder am hervorragenden Torhüter Tony Sylva – dem dritten Keeper des AS Monaco. Nach 93 Minuten und sechs Sekunden pfiff Referee Ali Bujsaim ab, Senegal hatte den haushohen Favoriten zu Fall gebracht.

Am Feld ordneten sich auch schwierige Charaktere unter

Im Vorfeld der zweiten Partie gegen Dänemark bekam Senegals Kapitän Aliou Cissé Probleme mit der Achillessehne (womit Metsu sein Sechser nicht zur Verfügung stand) und Khalilou Fadiga Probleme mit dem Gesetz. Der Mann vom AJ Auxerre ließ es sich nämlich nicht nehmen, bei einem Juwelier eine Halskette um 280 Euro mitzunehmen, ohne aber dafür zu bezahlen. Wegen des geringen Beutewerts und dank gutem Willen des Juweliers blieb Fadiga ohne Strafe.

Generell galt Metsu als ein Trainer, der es hervorragend verstand, auf die völlig unterschiedlichen Typen in seiner Mannschaft sehr individuell einzugehen. Schwierige Persönilchkeiten wie der auch im Privatleben eher exaltierte Diouf ließ er an der langen Leine, während gesetteltere Typen wie etwa Rechtsverteidiger Ferdinand Coly auch von innerhalb des Kaders dafür sorgten, dass alle an einem Strang zogen. So scherte auf dem Feld keiner aus, und das Kollektiv war besser als die Einzelteile.

Dänen frustrieren Senegal

Die Spielweise der Senegalesen war den Dänen, die in ihrem ersten Spiel Uruguay 2:1 besiegt hatten, natürlich nicht verborgen geblieben. Dänemark war, schon damals unter Morten Olsen, schon ein taktisch sehr progressives Team mit einem modernen 4-2-3-1, einem bulligen Abräumer vor der Abwehr (Tøfting), einem Spieleröffner als Achter (Gravesen) und mit robustem Forchecking im Mittelfeld. In letzterem also den Senegalesen sehr ähnlich.

Senegal - Dänemark 1:1 (0:1)
Senegal – Dänemark 1:1 (0:1)

Was in der brütenden Nachmittagshitze von Daegu dem Nervenkostüm der Beteiligten nicht gut tat. Die Dänen gingen ihrerseits im Mittelfeld sehr aggressiv auf ihre Gegenspieler, bei Senegal fehlte im Zentrum aber ganz deutlich die Ruhe, die Cissé-Ersatz Pape Sarr nicht ausstrahlen konnte. Zudem stand die Abwehrkette von Dänemark deutlich tiefer als jene von Frankreich. Das hatte mehrere für Senegal negative Folgen.

Zum einen nämlich konnte man das Pressing- und Umschaltspiel, das gegen Frankreich so gut funktioniert hatte, nicht ausspielen; und zum anderen fehlte Diouf der Platz im Rücken der Abwehr, in den er steil gehen konnte. So bewegte er sich zwar auch diesmal viel im Abseits, strahlte aber keine Gefahr aus.

Das Pärchen aber, das sich am heißesten liebte, waren Khalilou Fadiga und Thomas Helveg. Schon nach zehn Minuten hätte Fadiga schon nach einem Ellbogenschlag Rot sehen müssen, der ansonsten gute Referee Batres aus Guatemala übersah die Szene aber, gab sogar Foul gegen Helveg. Von da an war der kaum mehr zu bändigen.

Zu sagen, das Spiel wäre flapsig formuliert eine 90-minütige Massenschlägerei gewesen, wäre dann doch zu hart, aber auf dem Feld herrscht sehr wohl eine sehr vergiftete Atmosphäre. Und wie sehr Senegal von der extrem körperpetoten Gangart der Dänen beeindruckt waren, zeigte sich auch an dem völlig patscherten Rempler von Diao an Tomasson, der den fälligen Elfer nach einer Viertelstunde zum 1:0 für Dänemark verwertete.

Metsu stellt um, personell und inhaltlich

Den als Sechser gegen das dänische Körperspiel und den starken Tomasson überforderten Sarr nahm Metsu für die zweite Halbzeit ebenso vom Feld wie Rechtsaußen Moussa N’Diaye. Er brachte aber nicht nur mit Henri Camara und Souleymane Camara zwei Offensivkräfte, sonder stellte auch sein System auf ein 4-2-1-3 um. Diao und Bouba Diop spielten nun eine Doppel-Sechs gegen Tomasson, Fadiga war der Freigeist vor den beiden; während Henri (rechts) und Souleymane (links) nun Diouf flankierten.

Dazu presste Senegal die Gegenspieler nun nicht erst in der eigenen Hälfte an, sondern schon deutlich weiter vorne. Olsen reagierte auf das sich verändernde Spiel und brachte für statt Gravesen nun mit Christian Poulsen einen frischen Gegenspieler für den nun zentral agierenden Fadiga; davor hatte schon der von Coly komplett abmontierte und entsprechend frustrierte Grønkjær für Jørgensen Platz gemacht.

Die Dänen zeigten sich beeindruckt und nach einem Weltklasse-Konter zum 1:1 sogar schwer getroffen. Henri Camara hatte am eigenen Strafraum den Ball von Jørgensen erobert, 13 Sekunden und vier Stationen später schlug es am anderen Ende des Feldes ein. Salif Diao, dessen Wechsel vom damaligen französischen Erstligisten CS Sedan zu Liverpool bereits feststand, schloss den Konter mit einem Außenristschuss ab.

Auch in der Folge war Senegal klar am Drücker. Fadiga hätte gleich das zweite Tor nachlegen können (58.), Souleymane Camara vergab etwa eine Riesenchance (69.), Diatta kam danach bei einer Ecke frei zum Kopfball (72.). Die drückende Überlegenheit der Senegalesen gegen ein in sich zusammen klappendes dänisches Team endete erst mit Diaos Attentat auf Henriksens Schienbein, für das der Torschütze zu Recht die rote Karte sah. Metsu nahm Souleymane Camara wieder aus dem Spiel, brachte mit Habib Beye einen Defensiven, und ließ in einem 4-4-1 das Unentschieden über die Zeit verwalten.

Keine Missionars-Arbeit

Dass in Afrika andere Gepflogenheiten herrschen, als in Frankreichs zweiter Liga, wurde Metsu nach seinem Engagement schnell klar. Er versuchte aber nicht, dem mitunter etwas eigenwilligen Umfeld europäische Humorlosigkeit überzustülpen, Metsu begriff, dass das kontraproduktiv gewesen wäre. Die fünf Voodoo-Priester, die der Fußballverband beschäftigte, ließ er gewähren. Was ihm wohl auch deshalb nicht so schwer fiel, weil er sich im Senegal sehr wohl fühlte. Er lernte eine Senegalesin kennen und lieben, heiratete sie, und konvertierte nach der WM ihr zuliebe sogar zum Islam.

Seine totale Identifikation mit dem Land und mit der Mannschaft, verbunden mit der Erkenntnis, dass die Mannschaft unter ihm einem dramatischen Schritt nach vorne gemacht hat, verliehen Metsu in seinem Team eine Autorität, die nicht auf Angst fußte, sondern auf Kollegialität. „Man kann mit Bruno über alles reden, sogar über Sex“, grinste Elhadji Diouf während der WM.

Uruguay bereitet Probleme…

Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Uruguay war klar, dass ein Remis auf jeden Fall für das Achtelfinale reicht. Doch die Urus, die ihrerseits einen Sieg benötigten, bereiteten schon aufgrund ihrer Formation einige Probleme. Das 3-4-3 von Victor Pua war ob der Dreierkette hinten deutlich weniger anfällig für Dioufs Tänze an der Abseitslinie, weil statt zwei hier natürlich drei Spieler da waren, die den flinken Stürmer stellen konnten. Zudem wurde durch die Wing-Backs der Urus im Notfall hinten eine Fünferkette gegen Außenstürmer aufgefädelt – was aber selten der Fall war.

Senegal - Uruguay 3:3 (3:0)
Senegal – Uruguay 3:3 (3:0)

Die Senegalesen konnten ihr auf Ballgewinn im Zentrum ausgelegtes Spiel nicht aufziehen, weil Uruguay den Ball ganz einfach nicht ins Zentrum kommen ließ. Zwar hatten García und Romero in der Theorie eine 2-gegen-3-Unterzahl im Zentrum, aber weil das Spiel der Urus ohnehin darauf ausgelegt war, mit langen Bällen die trickreichen Außenstürmer Recoba und Silva ins Spiel zu bringen, bekam Senegal im Zentrum keinen Zugriff. Und was noch dazu kam: Uruguay war ein sehr körperbetont spielendes Team voller harter Arbeiter, in der es mit Álvaro Recoba von Inter Mailand, dem damals bestbezahlten Spieler der Welt, nur einen echten Künstler.

…trotz 0:3-Rückstands

Dennoch lag Senegal zur Halbzeit 3:0 voran – ein Hohn eigentlich, wenn man sich den Spielverlauf betrachtet. Das 1:0 resultierte aus einem geschenkten Elfer, den Diouf mit einer klaren Schwalbe herausgeholt hatte; es folgten zwei sinnvoll aufgezogene Konter, die beide von Bouba Diop zu Toren abgeschlossen worden – einer davon noch dazu aus Abseits-Position.

Pua ging nach dem Seitenwechsel natürlich volles Risiko. Morales ersetzte als Sturmspitze den glücklosen Abréu, dazu kam Diego Forlán für Sechser Romero. Forlán spielte als rechter Wing-Bank, der vom nach innen gerückten späteren Schalke-Legionär Varela abgedeckt wurde. Kaum eine halbe Minute nach Wiederanpfiff stocherte Morales den Ball zum 1:3 über die Linie, und Forlán besorgte in der Folge mit einem Tausendguldenschuss das 2:3.

Metsu nahm den schwer gelb-rot-gefährdeten Coly (der schon in der 1. Minute Gelb sah, Daf keine 120 Sekunden später) für vom Feld, um ihn vor dem schwer überforderten holländischen Referee Jan Wegereef zu schützen, dazu kam Amdy Faye als defensivere Alternative für N’Dour (der für den gesperrten Diao in die Start-Elf gerückt war) und Moussa N’Diaye, der seinen Startplatz an Henri Camara verloren hatte, für eben diesen. Und obwohl Uruguay drückte, sah es so aus, als sollte Senegal das 3:2 über die Zeit zittern.

Am Ende war’s auch Glück

Bis der für Coly gekommene Beye in der 87. Minute im Strafraum den Ball erreichen wollte, und Morales zu Boden sackte – ohne aber auch nur annähernd von Beye getackelt zu werden. Wegereef war einmal mehr auf eine Schwalbe hereingefallen, Recoba verwandelte sicher und die Urus hatten zwei Minuten später sogar noch die Riesen-Chance auf den Sieg. Rodríguez kam aus 20 Metern zum Schuss, Diatta klärte für den schon geschlagenen Sylva per Kopf. Der steil nach oben prallende Ball fiel genau zu Uru-Stürmer Morales, der einen Meter vor dem leeren Tor zum Kopfball kam – und rechts am Gehäuse vorbei zielte…

Senegal hatte das 3:3 und damit den Achtelfinal-Einzug gerettet, das aber wegen des holländischen Kartenspielers auch teuer bezahlt. Khalilou Fadiga würde das anstehende Spiel gegen Schweden gesperrt verpassen. Was allerdings mit Tunesien, Kamerun, Nigeria und Südafrika auch die anderen vier afrikanischen Teams zutraf, ebenso wie für die von Senegal im Eröffnungsspiel besiegten Franzosen und mit Argentinien auch er zweite Top-Favorit. Schon im Achtelfinale waren nur noch Außenseiter übrig, ein Feld, in das Senegal so gesehen gut passte.

„Le sorcier blanc“

Senegal, so sagte Mestu später einmal, habe ihm die Lust am Fußball wiedergegeben. Er selbst sah sich weniger als Taktikfuchs, sondern eher als eine Art „Chef de Mission“, einen, der es versteht, eine Gruppe als Mannschaft zum Funktionieren zu bringen. Weshalb er auch den Spitznamen des „Weißen Zauberers“, der ihm verpasst wurde, nie mochte. Wenn man nicht an seine Spieler glaube und seine Spieler vor allem auch gern habe, so sein Credo, kann man auch keine guten Resultate mit ihnen einfahren.

So wusste er etwa vor dem Eröffnungsspiel um alle die Stärken, die Frankreich zu dieser Zeit hatte. Er entschied sich aber dafür, seiner Mannschaft im Vorfeld ein Video zu zeigen, wo man die Schwächen der einzelnen Spieler beim Welt- und Europameister erkennen konnte. Um nicht in Ehrfurcht zu erstarren, sondern im Gegenteil den Glauben zu vermitteln, dass tatsächlich etwas möglich ist.

Experiment im Achtelfinale: Diouf am Flügel

Daran glaubte man natürlich auch im Achtelfinale, obwohl man gegen Schweden wiederum leichter Außenseiter war. Henke Larsson und Co. hatten die im Vorfeld als „Todesgruppe“ bezeichnete Staffel mit Argentinien, England und Nigeria sogar gewonnen und sie gingen auch gegen den Senegal nach elf Minuten durch einem Larsson-Kopfball nach einer Ecke in Führung. Der Senegal war nun das erste Mal wirklich gezwungen, das Spiel selbst zu machen, und das machten sie gar nicht schlecht.

Senegal - Schweden 2:1 n.V. (1:1, 1:1)
Senegal – Schweden 2:1 n.V. (1:1, 1:1)

Statt des nach seinem Brutalo-Foul gegen Dänemark immer noch gesperrten Salif Diao kam diesmal Amdy Faye ins halblinke Mittelfeld, die entscheidendere Änderung betraf aber Elhadji Diouf. Weil Linksaußen Fadiga fehlte, stellte Metsu seinen schnellen und trickreichen Mittelstürmer an die linke Außenbahn, dafür kam Pape Thiaw zu seinem allerersten Turnier-Einsatz, der 21-Jährige spielte im Sturmzentrum.

Einerseits zog sich Schweden nach dem Tor natürlich zurück, andererseits aber schnürte der Senegal die Skandinavier vor allem durch starkes Flügelspiel auch ziemlich hinten hinein. Auf der rechten Seite war es der einmal mehr bärenstarke Ferdinand Coly, der gemeinsam mit dem recht früh nach innen rückenden un zuweilen als zweite Sturmspitze spielenden Henri Camara für die Breite sorgte, auf der anderen Diouf.

Ihn auf den Flügel zu stellen, erwies sich als Goldgriff von Metsu. Diouf war sehr aktiv, immer anspielbar, verwickelte Mellberg und Jakobsson konsequent in 1-gegen-1-Duelle und wurde defensiv von Daf und Faye adäquat abgesichert. Als Camara nach 37 Minuten den hochverdienten Ausgleich erzielte, war das der neunte Torschuss vom Senegal. Schweden hatte bis dorthin genau einen – und das was das frühe Tor.

Gebremster Schwung

In der zweiten Hälfte stellte Metsu Diouf dann doch wieder ins Zentrum, Thiaw agierte dafür nun rechts und Camara wechselte auf die linke Seite. Er wollte wohl etwas mehr auch das dicht gestaffelte schwedische Zentrum anbohren, um für die Flügelspieler noch mehr Räume zu schaffen. Eine Maßnahme, die aber nicht ganz aufging – denn immer mehr präsentierte sich der Senegal in der zweiten Hälfte als One-Man-Team, in dem praktisch jede gefährliche Aktion nach vorne nur über Diouf ging.

Umso mehr, nachdem sich Innenverteidiger Malick Diop am Sprunggelenk verletzte, nach 66 Minuten raus musste. Weil Metsu keine gleichwertigen Innenverteidiger mehr auf der Bank hatte, musste Habib Beye kommen, dieser ist aber ein reiner Rechtsverteidiger. Somit übernahm Coly den rechten Innenverteidiger-Posten. Was defensiv keinen merkbaren Bruch verursachte, offensiv aber sehr wohl, denn obwohl Coly aus der Innenverteidiger-Position heraus weiterhin seine offensiven Pflichten als RV nachzugehen versuchte, fehlte nun natürlich der Punch aus der Tiefe.

Das Trainer-Duo der Schweden, Tommy Söderberg und Lars Lagerbäck, brachten in dieser Phase mit Andreas Andersson (für die rechte Seite) und dem 20-jährigen Stürmer-Talent Zlatan Ibrahimovic (für die Spitze neben Larsson) zwei neue Offensiv-Kräfte und vor allem Ibrahimovic sorgte zuweilen für mehr als nur Entlastung. Dennoch: Mit einem 1:1 ging’s in die Verlängerung.

Vollgas in der Verlängerung

Anstatt, wie bei Spielen mit Golden-Goal-Regel so oft der Fall, aber nun mehr Vorsicht an den Tag zu legen, gingen beide Teams voll auf den Sieg los. So traf für Schweden gleich mal Anders Svensson, nachdem er Diatta sehenswert aussteigen hat lassen, den Pfosten; im Gegenzug zielte Diouf nur knapp rechts am Tor vorbei. Das Offensiv-Trio des Senegal rochierte nun ziemlich wild: Diouf wich nun wieder viel auf die linke Seite aus; Camara agierte mal links, mal rechts; und Thiaw sorgte für Überzahl-Situationen in Ballnähe.

Und Thiaw war es letztlich auch, der das senegalisische Siegtor vorbereitete: Mit einem schnellen Horizontal-Lauf fünf Meter vor dem Strafraum zog er drei Schweden auf sich, legte mit der Ferse für den vertikal in den entstehenden Raum stoßenden Henri Camara ab. Dieser ging noch an Mjällby vorbei und zog ab: Das Tor, das 2:1, der Einzug ins Viertelfinale. Als erst zweites afrikanisches Team nach dem Kamerun zwölf Jahre zuvor.

Seltsames Turnier

„Der ganze afrikanische Kontinent drückt jetzt uns die Daumen“, hatte Metsu nach der Vorrunde, die seine Mannschaft ja als einzige des Kontinents überstanden hatte, selbstbewusst gesagt. Und in diesem Turnier war in der Tat auch für durchschnittliche Teams sehr viel möglich. Was mehrere Gründe hatte. Zum einen natürlich die übervolle Saison in Europa – zu dieser Zeit bestand die Champions League aus zwei Gruppenphasen, ehe die K.o.-Runde folgte. Dann natürlich die Hitze und gemeinsam mit der Hitze und vor allem der Luftfeuchtigkeit gerade bei den Spielen in Südkorea.

Und auch die im Vergleich zu Turnieren davor und danach zwei Wochen kürzere Vorbereitungszeit (das Turnier startete schon am 31. Mai) trug dazu bei, dass Top-Teams strauchelten und Außenseiter, ohne groß über ihre Verhältnisse zu spielen, weit kommen konnten. Frankreich, Argentinien und Portugal blieben schon in der Vorrunde auf der Strecke. England musste schon in der Gruppenphase an die Grenzen gehen und war im Viertelfinale gegen Brasilien dann schlicht und einfach körperlich leer. Spanien konnte den Schalter nach einer leichter Vorrunde, in der man unterfordert war, nicht auf mehr Ernsthaftigkeit umlegen und scheiterte gegen Südkorea auch am Referee.

Italien quälte sich schon in der Vorrunde und blieb dann im Achtelfinale ebenso an Südkorea hängen – wobei die Entscheidungen von Schiedsrichter Byron Moreno gar nicht sooo falsch waren, wie sie in Erinnerung blieben. Andererseits aber schaffte es ein wirklich nicht besonders gutes US-Team ins Viertelfinale, kam ein wirklich nicht besonders gutes deutsches Team nur dank der überragenden Kahn und Ballack ins Finale. Dazu trumpfte Brasilien, in den vier Jahren davor die reinste Chaos-Truppe, angeführt von Ronaldo, Ronaldinho und Rivaldo auf.

Ungewöhnlich uninspriert gegen tolle Türken

Und die Türkei kam zur ihrer Sternstunde. In einer Gruppe mit Costa Rica und den heillos überforderten Chinesen belegte man hinter Brasilien Platz zwei, unbekümmert eliminierten die Türken dann im Achtelfinale des Co-Gastgeber aus Japan, der von seltsamen Umstellungen des eigenwilligen Teamchefs Philippe Troussier verunsichert und von der Chance, daheim ins Viertelfinale zu kommen, mental überwältigt war. Man darf aber nicht den Fehler machen, zu glauben, die Türken wären nur durch glückliche Umstände so weit gekommen. Nein, Teamchef Senol Günes hatte einerseits einen sehr guten Kader zur Verfügung, verpasste diesem ein hochinteressantes taktisches Konzept, mit dem man eine der aufregendsten Teams einer sonst nicht so aufregenden WM wurde. Dazu stieg das Selbstvertrauen der Mannschaft von Spiel zu Spiel.

Anders als beim Senegal, wo eher die Selbstverliebtheit gestiegen war. Metsu machte diese Beobachtungen im Vorfeld des Viertelfinales, und er artikulierte dieses Gefühl später dann auch. Die Spieler hätten begonnen, den entstehenden Hype um sie selbst zu glauben. Die lockere Stimmung breitete sich auch auf das Spielfeld aus, dort, wo bei allem Laissez-faire noch immer große Disziplin geherrscht hatte. Was sich dann auch im Spiel gegen die Türken zeigen sollte. Vor allem Khalilou Fadiga, der nach seiner Gelbsperre wieder spielberechtigt war, tauchte völlig ab. Aber auch das zentrale Mittelfeld, das sich bis dahin als stark im Ballgewinn und schnellen Umschalten präsentiert hatte, agierte nicht nur ungewöhnlich zahm, sondern vor allem ausgesprochen zögerlich und vorsichtig.

Senegal - Türkei 0:1 n.V.
Senegal – Türkei 0:1 n.V.

Ferdinand Coly, der so brilliante Rechtsverteidiger, wirkte müde und von zahlreichen Wehwehchen geplagt, konnte den an sich gigantischen Platz vor ihm nicht nützen. So hingen Henri Camara und Elhadji Diouf, die sich wirklich bemühten, ziemlich in der Luft. Anders die türkischen Offensiv-Kräfte. Beim Team von Senol Günes gab es vor der Viererkette einen Sechser, Tugay half dort gegen Diouf und bediente die Achter. Das war halblinks Emre, der eher die Pässe schlug als selbst nach vorne zu gehen, und rechts Ümit Davala, der Achter, offensiver Außenverteidiger und Rechtsaußen in Personalunion war. Dazu gab es mit Bastürk und dem Glatzkopf Hasan Sas, der ein unglaubliches Turnier zeigte, zwei Spielmacher mit allen erdenklichen Freiheiten. Und vorne mit Hakan Sükür eine Strafraum-Kobra, die das Spiel schon früh entscheiden hätte können, wenn er nicht so eine unglaubliche Un-Form gehabt hätte und größte Chancen versemmelt hätte.

Keine Wechsel von Metsu

Die einzige echte Chance für den Senegal hatte Henri Camara kurz vor der Halbzeit, aber ein Tor für die Türken schien an diesem Abend in Osaka immer näher zu sein als eines für die Afrikaner. Umso mehr, als Günes halb durch die zweite Halbzeit den indisponierten Sükür vom Platz nahm und Joker İlhan Mansız brachte. Der in Schwaben geborene und aufgewachsene Stürmer, der sich später auch als Mode-Designer und Eiskunstläufer (!) versuchen sollte, prüfte gleich nach seiner Einwechslung Tony Sylva, konnte ihn weder da noch in der folge überwinden, womit es mit einem 0:0 nach 90 Minuten in die Verlängerung ging.

Metsu war während des ganzen Turniers tendenziell eher sparsam mit seinen Wechseln umgegangen. Gegen Frankreich gab es keinen einzigen, gegen Schweden einen und auch gegen Uruguay wechselte er nur verletztungsbedingt, bzw. um Coly vorm Ausschluss zu bewahren. Nur gegen Dänemark drehte er das komplette Team während des Spiels um. Dennoch ist es erstaunlich, dass er gerade im Viertelfinale, als zumindest fünf Spieler deutlich unter Form agierten, alle elf Akteure aus der Startformation durchspielen ließ, keinerlei Impulse setzte, keine neuen und vor allem frischen Kräfte brachte. Auch in der Verlängerung nicht. In der nach drei Minuten Ümit Davala einen seiner vielen Sprints auf der rechten Seite anzog und seine Flanke den vor dem Tor postierten İlhan fand. Für den fühlten sich weder Malick Diop noch Lamine Diatta verantwortlich, sodass der Türke unbedrängt zu einem sehenswerten Volley-Drehschuss ansetzen konnte, gegen den Sylva machtlos war. Die Türkei war damit im Halbfinale, die Reise des Senegal bei dieser WM-Endrunde war vorbei.

One Hit Wonder

Der Niederlage zum Trotz: Der Senegal hatte ein großartiges Turnier gespielt und die Trauer über den verpassten Halbfinal-Einzug wich schnell dem Stolz über das Erreichte. Als erst zweites afrikanisches Team war man ins WM-Viertelfinale vorgestoßen, was für die bis dahin international völlig unbekannten Spieler das Tor zur großen Fußball-Welt öffente und auch die Möglichkeit brachte, den in Südkorea und Japan erzielten Erfolg zu versilbern. Doch wer glaubte, das senegalesische Team würde sich als neue Nummer eins Afrikas etablieren können, sah sich schnell eines Besseren belehrt. 2004 und 2006 ging es noch ins Viertel- bzw. Halbfinale des Afrikacups, bei dem man seither nie mehr auch nur die Vorrunde überstanden hat. Weder bei der WM in Deutschland noch bei der in Südafrika war der Senegal dabei. Metsu hat das womöglich geahnt, legte nach der WM sein Amt zurück.

Wie durchschnittlich der Kader eigentlich besetzt war, wird deutlich, wenn man sich den weiteren Karriere-Verlauf der Spieler ansieht. Diouf fiel bei Liverpool komplett durch, war bei Bolton noch ganz okay, findet aber seither nirgendwo mehr wirklichen Anschluss. Diatta versuchte sich ohne Glück bei Lyon, Diao setzte sich bei Liverpool nicht durch, Fadiga weder bei Inter noch bei Bolton. Respektable Premier-League-Karrieren können Bouba Diop (Fulham und Portsmouth), Cissé (Birmingham und Portsmouth) und Camara (Wigan) vorweisen; Tony Sylva wurde vom dritten Monaco-Torhüter zum Lille-Stammgoalie. Wirkliche Welt-Stars wurden sie aber allesamt nicht.

Metsu, der in seinen 20 Monaten im Senegal zum Islam konvertiert war, ging in den arabischen Raum, wo er große Erfolge feierte. Champions-League-Sieger mit dem FC Al-Ain, dazu drei nationale Meistertitel in Katar und den Emiraten. Außerdem erreichte er 2011 als Teamchef von Gastgeber Katar das Viertelfinale im Asien-Cup, wo man knapp am späteren Sieger Japan scheiterte. Trotzdem: Für alle Beteiligten bleibt als größte Leistung ihrer Karriere das WM-Viertelfinale mit dem Senegal hängen. Obwohl – oder gerade weil – es ein klassisches One-Hit-Wonder war.

Metsu war 2004 im Gespräch als französischer Teamchef, nach der verkorksten EM in Portugal bekam aber Raymond Domenech den Vorzug. Vor anderhalb Jahren, nach einem peinlichen Vorrunden-Aus beim Afrika-Cup, war er in der engeren Auswahl für eine Rückkehr als Nationaltrainer des Senegal. Daraus wurde auch nichts. Wenig später wurde bei Metsu Darmkrebs diagnostiziert.

Diesen Kampf gewann er nicht.

(phe)

Foto: www.dohastadiumplusqatar.com via fr.wikipedia.org

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Confed-Cup 2013: Wenig bedeutendes Turnier, sehr bedeutende Erkenntnisse https://ballverliebt.eu/2013/07/02/confed-cup-2013-wenig-bedeutendes-turnier-sehr-bedeutende-erkenntnisse/ https://ballverliebt.eu/2013/07/02/confed-cup-2013-wenig-bedeutendes-turnier-sehr-bedeutende-erkenntnisse/#comments Tue, 02 Jul 2013 00:04:57 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8953 Confed-Cup 2013: Wenig bedeutendes Turnier, sehr bedeutende Erkenntnisse weiterlesen ]]> Ja, das hat durchaus Spaß gemacht. Eine ziemliche Dichte an ziemlich feinen Teams, in einem Turnier, dass war weltweite Aufmerksamkeit, aber vergleichsweise geringe Bedeutung hat. Das Resultat: Ein ausgesprochen gutklassiges Turnier mit vielen unterhaltsamen Spielen, aber (vom Gastgeber abgesehen) ohne den Druck des Gewinnen-Müssens. Ein Jahr vor der WM also eine Gelegenheit zu probieren und Erkenntnisse zu sammeln. Nicht unbedingt nur taktische, auch solche das Klima betreffend.

1.: Brasilien ist auf einem guten Weg

Grundformation von Brasilien beim Confed-Cup 2013
Grundformation beim Confed-Cup 2013

Wie viel der Sieg beim Confed-Cup im geschichtlichen Großen Granzen wert ist, darüber lässt sich trefflich diskutieren. Sicher ist aber: Gastgeber Brasilien ist sportlich auf bestem Weg, für die Heim-WM in einem Jahr gerüstet zu sein. Das Duo Thiago Silva/David Luiz in der Innenverteidigung ist auf Nationalteam-Ebene womöglich das beste der Welt, mit Marcelo und Dani Alves kommt man zumindest bei den acht teilnehmenden Nationen dem Ideal der zwei guten Außenverteidiger am Nächsten, das Mittelfeld-Zentrum hält dicht, nach vorne gibt es mit Neymar und Oscar einiges an Talent – wiewohl die beiden ihr bestmögliches Zusammenspiel noch nicht gezeigt haben.

Hauptmerkmal der Seleção unter Luiz Felipe Scolari ist vor allem die extrem druckvolle Anfangsphase in jeder Partie gewesen. Japan und Mexiko geriet da schon vorentscheidend ins Hintertreffen, Spanien im Finale musste auch einem frühen Rückstand hinterherlaufen. Allen Spielen gemein war aber auch, dass Brasilien die Intensität nach dieser starken Anfangsphase – mit dem Finale als Ausnahme – danach deutlich zurückschraubte. Man cruiste, wenn möglich auf der frühen Führung im Halbgas-Modus dem Sieg entgegen. Gegen Japan und Mexiko klappte das, gegen Italien (wo es kein schnelles Tor gab) nicht, auch Uruguay überstand diese Phase im Semifinale.

Brasilien bei der Copa América 2011
Brasilien bei der Copa América 2011

Vergleicht man die Truppe mit jener, die vor zwei Jahren bei der Copa América – wo es nach einer mühsamen Gruppenphase das Aus im Viertelfinale gegeben hatte – so erkennt man vieles nicht mehr wieder. Nicht nur personell. Beim Turnier in Argentinien machte die Seleção unter Mano Menezes nicht nur einen seltsam langsamen und uninspirierten Eindruck, sondern ließ vor allem zwei Dinge komplett vermissen: Kompaktheit im Mittelfeld und Breite im Spiel nach vorne.

„Zu wenig Bewegung, zu wenig Tempo, sehr statisches Spiel und vor allem: Ein zu großer Abstand, bzw. zu wenig Kontakte zwischen den sechs Spielern hinten und den vier vorne“, analysierten wir im ersten Gruppenspiel, dem 0:0 gegen Venezuela.

„Weil die Brasilianer wieder ein veritables Loch zwischen defensivem Mittelfeld und Offensivreihe ließen, hatten die drei Paraguayer im Mittelkreis das Zentrum sehr gut unter Kontrolle, weil wiederum nur Ramires einen Link zwischen der Defensive und Ganso und Co. darstellte. Auch von den Außenverteidigern kam wieder gar nichts“, hieß es in der Analyse vom zweiten Gruppenspiel, einem 2:2 gegen Paraguay.

„Das brasilianische Spiel verfiel in den alten Trott: Wenig Breite, viel Platz zwischen Defensive und Offensive und ein Offensiv-Quartett, dass nicht gut harmonierte, wenn der Ball doch einmal vorne war“, im Viertelfinale gegen Paraguay – das letztlich im Elferschießen verloren wurde.

Im zentralen Mittelfeld ist von der Copa 2011 keiner mehr übrig: Luiz Gustavo sorgt für Umsicht und defensive Stabilität, Paulinho – die große Entdeckung des Turniers – für den Schub nach vorne, und Oscar versuchte, sich durch extrem viel Laufarbeit immer anspielbar zu machen. Scolari packte also vor allem körperliche Präsenz ins Zentrum. Während Marcelo auf der linken AV-Position ein Fixpunkt ist, kämpft Scolari rechts hinten mit den gleichen Problemen wie seit Jahren: Dani Alves performt in der Seleção einfach nicht, Maicon ist längst endgültig kein Thema mehr, und viele Alternativen hat Scolari nicht.

Die rechte Seite mit einem schwachen Dani Alves und dem ebenfalls nicht überzeugenden Hulk ist der wohl größte Schwachpunkt, den es für die WM noch zu beheben gilt. Im Tor ist Júlio César immer noch ein guter Mann, aber nicht mehr der Weltklasse-Keeper vergangener Tage. Und bei allem Respekt vor seiner sehr ansprechenden Performance bei diesem Turnier: Brasilien hatte auch schon mal bessere Mittelstürmer als Fred. Der noch dazu der einzige echte, gelernte Mittelstürmer im ganzen Kader war.

2. Pressing- und ballbesitzorientierte Europäer werden’s schwer haben.

Grundformation von Spanien
Grundformation von Spanien

Man sollte sehr vorsichtig sein, Spanien nach einem mauen Turnier und nach den Vernichtungen von Real und vor allem Barcelona im CL-Semifinale schon abschreiben zu wollen. Immerhin wurde die U-21 gerade einmal mehr Europameister.

Aber: Der Confed-Cup zeigte sehr wohl, dass es für Teams, die ihr Spiel auf Pressing und Ballbesitz anlegen, vor allem aufgrund der klimatischen Bedingungen – heiß und schwül – sehr schwer sein wird. Vor allem, wenn man bedenkt, dass den Top-Klubs aus Spanien und Deutschland, deren Nationalteams so spielen, wieder eine lange Saison mit vielen Europacup-Partien bevorsteht.

Spanien war körperlich im Halbfinale gegen Italien schon schwer am Limit und im Finale dann komplett tot, obwohl man in der Gruppenphase das billige Trainingsspielchen gegen Tahiti hatte, anstatt drei echte Ernstkämpfe absolvieren zu müssen. Angesichts dieser Erkenntnisse gilt es, bei der WM danach zu trachten, nach zwei Gruppenspielen den Aufstieg geschafft zu haben und Verlängerungen in der K.o.-Phase auf jeden Fall zu vermeiden. Vor allem für Teams aus den hinteren Gruppen, also E bis H, wäre eine Verlängerung wohl tödlich, weil diese Teams im weiteren Turnierverlauf immer einen Tag weniger zur Regeneration haben als jene aus den vorderen Gruppen.

Darauf gilt es sich vor allem eben für Deutschland und für Spanien, aber auch für Bosnien und Holland einzustellen, will man wirklich eine Chance auf den Titel haben. Denn würde im Viertelfinale etwa die ohnehin starke Truppe aus Kolumbien, die Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit noch dazu wie kaum eine zweite kennt, und man ist physisch schon derart bedient wie Spanien beim Confed-Cup schon nach zwei ernsthaft geführten Spielen, wird garantiert Schluss sein.

3.: Reaktive Teams aus Europa dürften im Vorteil sein

Auch, wenn sich Italien im Gruppenspiel gegen Japan – dem wohl aufregendsten bei diesem Turnier – nicht so besonders geschickt anstellte, ist es dennoch so, dass man die Italiener groß auf der Rechnung haben muss. Weil Prandelli bei seinem Team, anders als etwa Del Bosque mit Spanien, aus einer Vielzahl von Systemen (4-3-2-1 gegen Mexiko und Japan, 4-4-1-1 gegen Brasilien, 3-4-2-1 gegen Spanien und wieder 4-3-2-1 gegen Uruguay), Formationen und Taktiken wählen kann, einige extrem vielseitige Spieler zur Verfügung hat (Marchisio, Giaccherini, De Rossi, etc.) sich dabei am Gegner orientiert und überhaupt kein Problem damit hat, selbst das Spiel nicht zu machen.

Dreimal verwendete Italien das 4-3-2-1
Dreimal verwendete Italien das 4-3-2-1

Weil Italien in der Regel nicht bzw. nur wenig presst, was vor allem gegen Spanien im Halbfinale auffällig war, spart das Team einiges an Kraft. Durch den relativ breiten Kader und angesichts der Tatsache, dass Prandelli zu regelmäßigen Umstellungen neigt – mal spielte Marchisio, mal Aquilani, gegenüber wechselten sich Giaccherini und Candreva ab, Pirlo bekam immer wieder seine Pausen, durch die Wechsel zwischen Dreier- und Viererkette auch Barzagli bzw. Bonucci – bekommen viele Akteure auch im Regelfall ihre Downtime.

Dass das Klima reaktive Mannschaften bevorzugt, kann aber auch für andere europäische Mannschaften von Vorteil sein. Hodgsons England fällt einem da spontan ein, auch die Schweizer. Die Portugiesen, sollten sie sich qualifizieren, könnten das auch.

Sicher ist nur: Vor allem für die europäischen Teams wird das Wetter ein ganz entscheidender Punkt werden.

4.: Südamerikanische Dominanz zu erwarten

Schon in Südafrika trumpften vor allem die südamerikanischen Teams „hinter“ Brasilien und Argentinien auf. Uruguay erreichte das Halbfinale, Paraguay das Viertelfinale, Chile das Achtelfinale (und scheiterte dort an Brasilien). Mit Spaniens 2:1 gegen Chile  gab es bis zum Achtelfinale in 19 Spielen gegen nicht-südamerikanische Teams nur eine einzige Niederlage.

Auch Uruguay zeigte sich vom System her flexibel
Auch Uruguay zeigte sich vom System her flexibel

Eine ähnliche Dominanz darf man auch nächstes Jahr erwarten – nicht nur, weil es einige richtig gute Teams aus den Conmebol-Verband sein werden, die teilnehmen, sondern auch, weil diese die klimatischen Bedingungen einfach gewöhnt sind.

Dabei ist Uruguay, trotz des Semifinales beim Confed-Cup, nicht mal der heißeste Kandidat. Óscar Tabárez ist zwar immer noch ein interessanter Trainer, dem Flexibilität in Systemfragen sehr wichtig ist – er switchte zwischen Dreier- und Viererkette, zwischen zwei und drei Stürmern, zwischen flachem und etwas windschief-rautenförmigen Mittelfeld. Aber das Team ist tendenziell überaltert und über den Zenit, den es 2010 und 2011 erreichte, schon ein wenig hinaus. Es ist seither sehr wenig frisches Blut und neuer Konkurrenzkampf in den Kader gekommen.

Zu wenige Tore: Mexiko
Zu wenige Tore: Mexiko

Aber das sehr gut funktionierende Team aus Kolumbien um die Neo-Monegassen Falcao und James Rodríguez und dem hochinteressanten Teamchef José Néstor Pekerman kann durchaus ein Kandidat für das Semifinale sein. Auch Chile, mit Jorge Sampaoli ebenso mit einem aufregenden Trainer im Amt, ist einiges zuzutrauen.

Die Kenntnis um das Klima wäre grundsätzlich auch bei Mexiko vorhanden. Dort scheitert es aber an anderer Stelle: Das Team von Juan Manuel de la Torre ist erstens ziemlich eindimensional, vom 4-4-1-1 mit Giovani als hängender Spitze geht er nicht ab – wiewohl in den U-Teams etwa durchaus eher mit Dreierkette agiert wird. Und, zweitens, ist Mexiko bei aller Spielstärke, erschreckend harmlos vor dem Tor. Nur drei in sechs Quali-Finalrundenspielen, in den ersten zweieinhalb Spielen beim Confed-Cup nur ein Elfer-Tor. Obwohl mehr als genug Chancen dagewesen wären.

5.: Japan kann viel, muss es sich aber auch zutrauen

Japan: Personell seit 2011 unverändert
Japan: Personell seit 2011 unverändert

Wer vom ziemlich flachen Auftritt Japans beim Auftakt-0:3 gegen Brasilien enttäuscht war, wurde im zweiten Spiel gegen Italien wieder in die Realität versetzt: Wie schon beim Asien-Cup, den Japan nach Strich und Faden zerlegte, zeigte sich das Team von Alberto Zaccheroni (auch er so ein feiner Trainer!) von seiner guten Seite: Ramba-Zamba-Tempofußball, mit viel Vertrauen in das eigene Können.

Wie den Mexikanern fehlt es aber auch Japan an den Toren. Maeda ist ein fleißiger Arbeiter, aber kein Goalgetter, Mike Havenaar fehlt da auch die internationale Klasse. Interessantes Detail: Obwohl es einige neue Alternativen in europäischen Top-Ligen gibt, vor allem in Deutschland, ist es beim Confed-Cup die exakt gleiche Grundformation gewesen wie vor zweieinhalb Jahren beim Asien-Cup. Heißt: Die Mannschaft ist eingespielt, kenn sich in- und auswendig. Sie kann auch bei der WM aufzeigen, wenn Zac einen Weg findet, mit dem Klima umzugehen und wenn sich die Japaner auch wirklich etwas zutrauen.

6.: Die Afrikaner werden wieder früh heimfahen. Das wird aber nicht am Klima liegen.

Nigeria hat fraglos Potenzial. Nicht so viel, um in der K.o.-Runde bei der WM weit zu kommen. Nein, sie werden froh sein müssen, die Vorrunde zu überstehen. Aber immerhin ist man in Nigeria mit Stephen Keshi auf einem guten Weg – sportlich.

Nigeria fehlten zwei wichtige Spieler
Nigeria fehlten zwei wichtige Spieler

Man war gegen Uruguay auf Augenhöhe, traute sich gegen Spanien im Mittelfeld zu attackieren. Zudem ist man noch stärker, wenn mit Victor Moses von Chelsea und Mittelstürmer Emmanuel Emenike von Spartak Moskau, die verletzt fehlten. Linksaußen Nnamdi Oduamadi zeigte durchaus auf, der in Italien spielende 22-Jährige ist eine der Entdeckungen dieses Turniers. Die Qualifikation für die WM sollte gelingen (wenn es auch ziemlich wahrscheinlich nicht besonders glanzvoll geschehen wird) und es ist auch kein Afrika-Cup mehr im Weg, nach dem afrikanische Verbände ja gerne den Panik-Button drücken.

Doch obwohl auch Côte d’Ivoire an sich die Qualität hätte, zumindest ordentlich abzuschneiden, ist nicht zu erwarten, dass alle fünf afrikanischen Teilnehmer im kommenden Jahr zu den „Geläuterten“ gehören wird. Was nach dem Afrika-Cup Anfang des Jahres galt, gilt nämlich natürlich weiterhin: So lange die nationalen Verbände nicht professionell arbeiten, können sich die Teams sportlich nicht entwickeln. Nicht zuletzt stritt man auch in Nigeria auch vor diesem Turnier mal wieder um die Prämien.

Und der sportliche Wert der allermeisten Teams aus Afrika ist, das wurde beim von Nigeria gewonnen Turnier deutlich, jämmerlich. Weshalb man davon ausgehen kann, dass sich der größte Teil dss Quintetts nächstes Jahr sehr schnell wieder von der WM verabschieden wird. Und es wird nichts mit dem Klima zu tun haben.

7.: Tahiti – ein witziger Farbtupfer

Immerhin: Tahiti schon ein Tor
Immerhin: Tahiti schoss ein Tor

Dass die mit dem längst aufs sportliche Altenteil des griechischen Mittelständlers Panthrakikos geschobenen Marama Vahirua verstärkte Hobbykicker-Auswahl aus Tahiti die Bude dreimal angefüllt bekommen würde, war von vornherein klar. Ob man die Bilanz von 1:24 Toren jetzt als Erfolg sehen möchte oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Zum Vergleich: Bei der U-20-WM vor vier Jahren kam man mit 0:21 Toren davon.

Man wusste um die Chancenlosigkeit und präsentierte sich als witziger Farbtupfer. Teamchef Eddy Etaeta ließ alle drei Torhüter je ein Spiel ran, gegen Nigeria gab es sogar ein Tor. Die Grundausrichtung war mit dem 5-4-1 klar defensiv, aufgrund des eklatanten Klasse-Unterschieds half das aber natürlich auch wenig.

Aber die Teilnahme kann Tahiti keiner mehr nehmen, mit einem Spiel gegen Spanien vor 71.800 Zuschauern im Maracanã. Dass es 0:10 verloren wurde, was soll’s. Marama Vahirua übrigens hat seine Karriere nach dem Turnier beendet.

Fazit: Feines Turnier mit interessanten Erkenntnissen

Das Turnier hat einige schöne Spiele produziert und einen schönen Überblick über die allgemeinen Formkurven gegeben. Vor allem Italien hat einiges ausprobiert. Spanien wird sich etwas überlegen müssen, in Richtung WM. Die nachrückenden Teams wie Mexiko und Japan haben ihre Möglichkeiten angedeutet, mehr aber (noch?) nicht.

In jedem Fall aber ist dieser Confed-Cup ein Plädoyer dafür gewesen, dieses Turnier nicht mehr per se zu belächeln, weil es ja sportlich um nicht allzu viel geht. Dazu war der Unterhaltungswert zu hoch und die Erkenntnisse daraus zu bedeutend.

(phe)

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Die ’11-Besten https://ballverliebt.eu/2011/12/29/die-11-besten/ https://ballverliebt.eu/2011/12/29/die-11-besten/#comments Wed, 28 Dec 2011 23:02:28 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6279 Die ’11-Besten weiterlesen ]]> Das Jahr 2011 verlässt uns, aber die Erinnerungen an viele tolle Spiele aus den vergangenen zwölf Monaten wird uns natürlich bleiben. Darum gibt’s wie schon letztes Jahr noch mal die besten, interessantesten, richtungsweisendsten Spiele. Die Reihenfolge dieser elf Spiele aus 2011 ist natürlich willkürlich und nicht allzu eng zu sehen!

Platz 11 | Premier League | Chelsea – Liverpool 0:1

Chelsea-Liverpool 0:1

„Das sieht nach einem durchaus tauglichen Konzept aus, was Kenny Dalglish da mit seiner Dreierkette gefunden hat. Und Chelsea? Da könnte das Luxusproblem “Torres und Drogba und Anelka” zu einem tatsächlichen werden. Die Variante mit Drogba und Torres vorne und Anelka als Zehner dahinter war ein totaler Flop.“ – Die einen waren mit King Kenny auf der Bank auf dem Weg nach oben, zum Teil mit unüblichen Aufstellungsvarianten. Die anderen begannen zu erkennen, dass es vielleicht doch keine so einfach war, Torres sinnvoll einzubauen. Er verlor hier sein erstes Spiel im Chelsea-Dress ausgerechnet gegen sein altes Team. Süße Rache, nennt man so etwas wohl.

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Platz 10 | Asien-Cup | Japan – Syrien 2:1

Japan - Syrien 2:1

„In der offensiven Dreierreihe wird rochiert, was das Zeug hält. Da taucht Matsui schon mal auf der ganz anderen Seite auf, Kagawa in der Mitte oder gar als Sturmspitze, Honda mal zurückhängend, mal auf die Seiten, dann wieder ganz vorne. Fàbregas, Nasri, Rosický und Konsorten lassen grüßen. Und vorne macht Ryoichi Maeda, was bei Arsenal einen Robin van Persie ausmacht. Vom Toreschießen mal abgesehen.“ – Was der Italiener Alberto Zaccheroni aus den Japanern gemacht hat, war atemberaubend. Ein Tempo, eine Ballsicherheit eine Dominanz: Man war beim ganzen Asien-Cup, nicht nur im Gruppenspiel gegen Syrien, die mit sehr viel Abstand beste Mannschaft. Und wenn man etwas konsequenter im Ausnützen der Torchancen gewesen wäre, hätte das Arsenal Asiens nicht so sehr um den Titel zittern müssen.

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Platz 9 | Europa League | ZSKA Moskau – FC Porto 0:1

ZSKA Moskau - FC Porto 0:1
„Zwei der interessantesten Trainer Europas: Wunderkind André Villas-Boas vom FC Porto und der etwas schrullige Leonid Slutski von ZSKA Moskau. So unterschiedlich die beiden Trainer der zwei womöglich aufregendsten Mannschaften sind, die sich unter den letzten 16 der diesjährigen Europa League befinden, so ähnlich ist das Leistungsvermögen.“ – Auf dem Weg zum Sieg in der Europa League mit Porto bekam es André Villas-Boas im Achtelfinale mit einem ähnlich tollen Team und einem ganz anderen Trainer-Typen zu tun. Die beiden Mannschaften neutralisierten sich. Und wer weiß, womöglich wäre der Portugiese heute nicht Chelsea-Coach, hätte nicht Fredy Guarín das 1:0-Goldtor erzielt. In einem Spiel, das gezeigt hat, wie ähnlich sich so verschiedene Typen doch sein können.
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Platz 8 | Frauen-WM | USA – Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.

USA - Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.
„Kurioserweiser übernahmen die US-Amerikanerinnnen sofort wieder das Kommando. Mit der ganzen Wut über den harten Strafstoß samt Ausschluss und der überaus kleinlichen Entscheidung, den Elfer wiederholen zu lassen, drückten sie das brasilianische Team nun vor allem über die Flanken nach hinten.“ – Es war beileibe nicht das beste Spiel der Frauen-WM in Deutschland, dieses Viertelfinale. Im Gegenteil: Zwei hypernervöse Teams überboten sich lange in Fehlpässen. Aber die ganze Dramatik, die der Partie durch eine schreckliche Schiedsrichter-Leistung und dem US-Ausgleich in der 122. Minute eigen war, ließ sie doch zum zentralen Spiel des Turniers werden. Ein Spiel, in dem krass benachteiligte US-Girls Brasilien bestraften.
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Platz 7 | Europa League | SV Ried – Brøndby IF 2:0

SV Ried - Brøndby IF 2:0
„Weswegen Brøndby umso mehr schauen musste, über die Flügel nach vorne zu kommen. Damit hatte Ried das Ziel im Grunde erreicht: Die Mitte zwar offenlassen, aber keine Kreativität zulassen, das Spiel des Gegners so auf die Flügel zu verlagern, und dort den numerischen Vorteil ausspielen.“ – Zwar waren die Rieder letztlich die einzige österreichische Mannschaft, die sich nicht für die EL-Gruppenphase qualifizieren konnte, aber dennoch sind die Innviertler der große Gewinner des Jahres 2011. Nicht nur wegen des Cup-Siegs, sondern auch deshalb, weil man dank einer konsequent verfolgten Vereinsphilosophie auch den Abgang der halben Mannschaft verkraften konnte und zum zweiten Mal hintereinander Herbstmeister wurde. Weil sich eben nicht nur Brøndby am Rieder System die Zähne ausbiss.
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Platz 6 | EM-Qualifikation | Frankreich – Bosnien 1:1

Frankreich - Bosnien 1:1
„Was alles in einem irren Tempo geschah, weil der Spielplan der Bosnier in einem Guss funktionierte: Pressing, Ball erobern, blitzschnell umschalten und die freien Räume ausnützen. Die Franzosen wussten in der ersten Viertelstunde überhaupt nicht, wie ihnen geschah.“ – Bosnien ist die wohl beste Nationalmanschaft Europas, die bei der EM nicht dabei sein wird. Denn bevor Dzeko und Co. im Playoff gegen Portugal die Nerven verließen, spielten sie Frankreich komplett her und nur zwei Faktoren rettete den Bleus das Remis und die direkte Qualifikation: Eine Umstellung von Blanc und ein starker Nasri.
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Platz 5 | Deutsche Bundesliga | Bayern München – Borussia Dortmund 1:3

Bayern München - Borussia Dortmund 1:3
„Dortmund verfügt über ein hervorragendes Flügelspiel und nahm Ribéry und Robben ziemlich aus dem Spiel. Die beiden sahen sich, wann immer sie am Ball waren, sofort mit mindestens zwei Gegenspielern konfrontiert; oftmals sogar mit noch mehr. Das, und das für die Borussia so typische aggressive Pressing führte dazu, dass die Bayern nicht zu einem geordneten Spielaufbau kamen.“ – Die Bayern-Kapitel „Van Gaal“ endete als großes Missverständnis. Wirre Aufstellungs-Varianten, die Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen und natürlich atmosphärische Störungen führten zum vorzeitigen Ende. Und natürlich die brutale Überlegenheit von Dortmund, die sich vor allem im direkten Duell zeigte. Jürgen Klopp manövrierte seinen Kontrahenten auf jeder Position aus und machte damit im Titelrennen den Deckel drauf.
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Platz 4 | EM-Qualifikation | Aserbaidschan – Österreich 1:4

Aserbaidschan - Österreich 1:4
„Willi Ruttensteiner hatte es angekündigt, und er machte es auch wahr: Der Interims-Teamchef wollte vom ÖFB-Team beim Spiel in Aserbaidschan frühes Pressing sehen, er wollte die Gastgeber unter Druck setzen, sie gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen. Und tatsächlich: Die Spielanlage der Österreicher war gegenüber den letzten Spielen kaum noch wiederzuerkennen.“ – Kaum war Constantini nicht mehr Teamchef, war sofort zu erkennen, was für ein Potential wirklich in der Mannschaft steckt. Ja, es war „nur“ Aserbaidschan, aber jeder Spieler machte den Eindruck, genau zu wissen, welche Aufgabe er genau hat. So machte vor allem die Art und Weise des Spiels beim 4:1 in Baku Freude.
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Platz 3 | La Liga, Copa del Rey, Champions League | Der Clásico-Vierteiler

1:1-Remis, 1:0 n.V. Real, 2:0 Barça, 1:1-Remis
„Real ging viel aggressiver zu Werke als beim 1:1 am Wochenende, störte deutlich früher, presste auf den Gegner und stand teilweise verteufelt hoch – die Mittelfeldreihe machte sich genau dort breit, wo Barcelona eigentlich das eigene Spiel aufziehen wollte. So kamen die Katalanen kaum wirklich dazu und Real war gut im Spiel.“ – Groß war die Vorfreude auf vier Clásicos in nur 17 Tagen, aber nachdem die letzte Schlacht geschlagen war, blieben im Rückspiegel vor allem Härteeinlagen in Erinnerung. Und nach den Titeln in Liga und Champions League ein Punktsieg für Barcelona. Nach den Spielen am 16. April (1:1 in Madrid in der Liga), am 20. April (1:0 n.V. für Real im Cupfinale), am 27. April (2:0 für Barça im CL-Semi-Hinspiel in Madrid) und am 3. Mai (1:1 in Barcelona im CL-Semi-Rückspiel).
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Platz 2 | Copa América | Uruguay – Chile 1:1

Uruguay - Chile 1:1
„Und in dieser Tonart ging es weiter: Chile spielte nun Rambazamba-Fußball wie in besten Bielsa-Tagen, zudem kam mit Paredes statt dem müder werdenden Suazo noch ein frischer Mann. Die Chilenen spielten sich in einen Rausch, in dem Uruguay unterzugehen drohte.“ – Die Copa América wurde zum Triumph für Uruguay, aber eine Mannschaft setzte der Celeste schon in der Gruppe ganz extrem zu: Chile! Jenes Team, dass unter Claudio Borghis Vorgänger Marcelo Bielsa bei der WM für tollen Offensivfußball stand, zeigte in diesem grandiosen Spiel ein Feuerwerk. Das mit Abstand beste Spiel einer eher enttäuschenden Copa. Weil Chile weiterhin ein Team zum Verlieben ist.
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Platz 1 | La Liga | FC Barcelona – Villarreal CF 5:0

FC Barcelona - Villarreal CF 5:0
„Weil es dank des Verzichts auf eine nominelle Abwehr mehr Ballverteiler gibt, weil die Breite dennoch gegeben ist, und weil Messi und Fàbregas jetzt schon zuweilen miteinander harmonieren, als spielten sie schon seit Jahren zusammen. Pep Guardiola ist gerade dabei, die Pyramide mit diesem 3-3-4-ähnlichen System wieder zurückzudrehen. Womit er potentiell ein neues Kapitel der Fußballgeschichte aufschlägt.“ – Im Grunde war es „nur“ ein Liga-Spiel. Aber was Barcelona hier spielte, war ein Blick in eine mögliche Zukunft. Ob es ein Modell für die ganze Fußball-Welt ist oder nur für eine Mannschaft von der Qualität Barças, ist eine andere Frage. Aber Villarreal war tatsächlich nicht die letzte Mannschaft, die dieser Formations-Variante rein gar nichts entgegensetzen konnte. Weil Barcelona damit noch stärker aussieht als vorher.

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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2011 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2012 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!

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Copa, SF1: Suárez nützt Torwartfehler – Uruguay steht im Endspiel https://ballverliebt.eu/2011/07/20/copa-sf1-suarez-nutzt-den-torwartfehler-uruguay-steht-im-endspiel/ https://ballverliebt.eu/2011/07/20/copa-sf1-suarez-nutzt-den-torwartfehler-uruguay-steht-im-endspiel/#respond Wed, 20 Jul 2011 09:59:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5370 Copa, SF1: Suárez nützt Torwartfehler – Uruguay steht im Endspiel weiterlesen ]]> Sicher stehen und keine Fehler machen – das klappte bei Überraschungs-Semifinalist Peru gegen Favorit Uruguay 52 Minuten lang wunderbar. Einmal im Rückstand, fehlte aber die Klasse, das Spiel zu drehen. Weshalb die beiden Tore von Suárez den Finaleinzug für Uruguay bedeuten!

Uruguay - Peru 2:0

In ihrer ersten Partie bei dieser Copa América standen sich diese beiden Mannschaften schon einmal gegenüber. Da trotzte Peru mit einer starken Defensivleistung dem Favoriten ein 1:1 ab, weil es gelang, die Flügel der Urus auszuschalten – das war auch in diesem Halbfinale, in welches das Team von Sergio Markarián sensationell schaffte, die Marschroute.

Gegenseitige Blockade

Erstaunlicherweise war es zunächst nicht das Team aus Peru, welches sich zurückzog. Nein, Uruguay zwang mit einer recht passiven Anfangsphase und zwei tief stehenden Viererketten dem Außenseiter das Spiel auf – und dieser war damit auch einigermaßen überfordert. Weil Uruguay eben so tief stand und mit Vargas und Guerrero die Spitzen in Sergio Markariáns 4-4-1-1 im Getümmel untergingen, blieb oft nur die Option „Langer Ball“, diese wurden aber leichte Beute der Uru-Defensive.

Besonders kreativ war aber auch die Celeste nicht, als sie sich nach einigen Minuten entschied, doch am Spiel teilzunehmen. Weil beide Mannschaften in einem sehr ähnlichen System spielten, standen sich zwei recht defensive Mittelfeld-Zentralen gegenüber, die sich gegenseitig blockierten. Dennoch versuchte es auch Uruguay vermehrt über die Mitte – Forlán und vor allem Suárez gingen kaum auf die Flügeln, wie das in den vergangenen Spielen noch der Fall gewesen war. Vor allem Suárez steigerte sich früh in Frust hinein: In den ersten fünf Minuten legte er sich zweimal mit den Referees an (einmal zu Recht, einmal zu Unrecht) und kassierte nach einem eher dämlichen Foul auch gleich die gelbe Karte.

Action auf den rechten Flügeln

So fehlte es auch an der Breite im Spiel beider Teams. Lediglich auf den jeweiligen rechten Flügeln kam so etwas wie Action auf: Maxi Pereira preschte bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach vorne, weil er vom früh verwarnten Yotún wenig zu befürchtet hatte und auch defensiv vom jungen Peruaner kaum gestört wurde. In diesem Fällen blieb Martín Cáceres hinten, wodurch im Bellbesitz bei Uruguay hinten eine Dreierkette entstand. Allerdings schaffte es Maxi Pereira nicht oft, Bälle auch wirklich in die Mitte zu bringen.

Der sehr aktive Luís Advíncula auf peruanischer Seite drückte den sonst sehr gefährlichen Álvaro Pereira nach Kräften zurück und verwickelte ihn in viele Zweikämpfe, aber spätestens beim starken Martín Cáceres war auch bei ihm Schluss: Oft kam Advíncula gar nicht dazu, Flanken zu schlagen oder nach innen zu ziehen. So ging es mit einem logischen 0:0 in die Halbzeit.

Wer den ersten Fehler macht…

Die zweite Hälfte schickte sich an, ähnlich zu verlaufen wie die erste – bis Peru-Goalie Fernández einen Weitschuss von Forlán nach vorne abprallen ließ. Suárez ließ sich nicht zweimal bitten und versenkte den Ball zum 1:0. Ein individueller Fehler warf die ganze, an sich gut funktionierende Marschroute der Peruaner über den Haufen.

Der Außenseiter musste nun natürlich aufmachen, selbst aktiver werden und höher stehen. Und genau das nützte wiederm Suárez nur wenige Minuten später: Die Abseitsfalle überlistend, nützte er nach einem langen Ball von hinten den vielen Platz hinter der peruanischen Defensive und besorgte somit aus einem Konter das 2:0 – die Vorentscheidung.

…und nicht für Druck sorgen kann…

Markarián brachte mit Chiroque (für Advíncula) einen neuen Mann für die rechte Seite. Der wuselige Chiroque sollte dringend benötigtes Tempo in die ansonsten nicht gerade mit übertriebener Schnelligkeit gesegnete Mannschaft bringen, um die nun naturgemäß wiederum sehr dichte uruguayanische Defensive zu knacken. Zudem kam mit Lobatón (statt Yotún) ein zusätzlicher Mann für das Mittelfeldzentrum, um dort Überzahl herzustellen und die Kontrolle zu erhalten.

Die Formation hatte nun aber deutliche Schlagseite nach rechts, weil es links am Flügelspieler fehlte: Nach dem Austausch von Yotún musste Linksverteidiger Vílchez die komplette Seite übernehmen; Vargas und Guerrero wichen zwar immer wieder dorthin aus, aber Druck kam über die Flanke, die er weiterhin recht umtriebige Maxi Pereira verteidige, nicht.

…fliegt raus

Endgültig geschlagen war Peru, als sich Vargas zwanzig Minuten vor dem Ende zu einem Ellbogen-Schlag ins Gesicht von Coates hinreißen ließ. Der Referee stand nur einen Meter daneben und zögerte keine Sekunde, Vargas die korrekte rote Karte zu zeigen.

Von einer Szene abgesehen, in der Torhüter Muslera nicht ganz auf der Höhe war, spielte Uruguay den Vorsprung nun trocken über die Zeit. Peru fehlten ohne Vargas und mit einem Mann weniger schlichtweg die Mittel, um das Team aus Uruguay noch wirklich zu gefährden.

Fazit: Höhere Klasse setzt sich durch

Spektakulär war es wahrlich nicht: Etwa 50 Minuten kam Uruguay nur schwer durch und sorgte auch Peru nicht für großen Druck, dann zwei schnelle Tore, und die letzte halbe Stunde wurde verwaltet. Am Ende setzte sich mit Uruguay aber die klar besser besetzte Mannschaft durch, weil Peru einen Fehler zu viel machte. Es lässt sich aber dennoch nicht leugnen, dass bei Uruguay zu viel über die Mitte ging und es einen individuellen Fehler beim Gegner brauchte, um zum Torerfolg zu kommen.

Peru stand mit ganz wenigen Ausnahmen defensiv wieder einmal sehr diszipliniert und ließ vor allem Suárez aus dem Spiel heraus kaum zur Geltung kommen, weil man das Zentrum gut zumachte und der Favorit es versäumten, über die Flügel mehr Druck auszuüben. Um selbst das Spiel in die Hand nehmen zu können, fehlte neben der individuellen Klasse einen Pizarro oder Farfán vor allem die Schnelligkeit, welche diese beiden gegen die ebenso sehr sichere Hintermannschaft der Urus bringen hätten können

Internationale Klasseleistung war das von Uruguay eher nicht – aber manchmal reicht es ja auch aus, die wenigen Fehler des Gegnern zu nützen.

(phe)

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Copa, VF 1/2: Argentinien ist raus! https://ballverliebt.eu/2011/07/17/copa-vf-12-argentinien-ist-raus/ https://ballverliebt.eu/2011/07/17/copa-vf-12-argentinien-ist-raus/#comments Sun, 17 Jul 2011 01:37:34 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5327 Copa, VF 1/2: Argentinien ist raus! weiterlesen ]]> Es hatte sich schon in der Gruppenphase angedeutet. Und im Viertelfinale war es nun soweit: Gastgeber Argentinien scheidet bei der Copa América aus! Weil Uruguay auch in Unterzahl das Konzept eisenhart durchzog, Torhüter Muslera eine Weltklasse-Leistung bot. Und Tévez im Elfmeterschießen nicht traf. Der Lohn für Uruguay: Halbfinale gegen Senstations-Team Peru, das Kolumbien eliminierte!

Argentinien - Uruguay 1:1 n.V., 4:5 i.E.

Die Formation, die Sergio Batista in dieses Viertelfinale schickte, war die selbe wie beim überzeugenden 3:0 gegen Costa Rica. Allerdings schafften es die Urus, wie nicht anders zu erwarten war, deutlich besser, damit umzugehen: Sie spielten kompromisslos gegen den Mann, sehr körperlich und robust. Ohne den weiterhin nicht fitten Edinson Cavani griff Teamchef Tabárez auf jenes 4-4-2 zurück, mit dem er Mexiko mit 1:0 geschlagen hatte.

Der frühe Führungstreffer für Uruguay – Diego Pérez war am langen Pfosten alleinegelassen worden, sodass er die Kopfballablage nach einem Freistoß über die Linie drücken konnte – spielte der Celeste natürlich zusätzlich in die Hände. Was Tabárez spielen ließ, hatte mitunter etwas von Manndeckung

Mann gegen Mann

So passte in der Zentrale Egídio Arévalo explizit auf Messi auf, Diego Pérez übernahm den wiederum auf halblinker Position agierenden Di María; der von der linken Flanke nach innen ziehenden Kun Agüero wurde von Maxi Pereira, mit der Ausnahme von ein oder zwei Szenen, zur Unsichtbarkeit degradiert.

Der Schlüsselspieler bei Uruguay war aber einmal mehr Álvaro Pereira auf der linken Mittelfeldseite. Er schaffte es zum einen, den gegen Costa Rica noch sehr starken Mariano Zabaleta weit hinten zu binden, was dem argentinischen Spiel das letzte Fünkchen Breite nahm. Und andererseits war er der Hauptlink zwischen Defensive und dem Stürmerduo Forlán/Suárez. Keine neue Rolle für ihn: Das war schon bei der WM in Südafrika sein Job.

Ausgleich änderte nichts, Ausschluss wenig…

Argentinien kam nach einer Viertelstunde zum Ausgleich, Higuaín hatte sich bei einem Freistoß von Messi im Rücken von Lugano gelöst. Weiterhin attackierte die Uru-Mittelfeldreihe relativ hoch und früh, während sich die Abwehrkette eher passiv dahinter aufreihte. Im Spiel nach vorne war vor allem Suárez von der argentinischen Hintermannschaft kaum anders als mit Foul zu stoppen.

Aber weil auch die Urus mit einiger Härte weitermachten, zeichnete sich bald ab, dass das Spiel nicht mit 11 gegen 11 zu Ende gehen würde. Kurz vor der Pause war es dann so weit: Diego Pérez, der Bewacher von Di María, sah nach einem taktischen Foul kurz vor der Halbzeit die Ampelkarte. Die Reaktion von Uruguay: Praktisch keine. Tabárez ließ einfach in einem 4-3-2 weiterspielen.

…weil Zanetti völlig nutzlos war

Das ging sich aus, weil von Zanetti auf der Position des Rechtsverteidigers nicht die geringsten Impulse kamen, der Oldie völlig nutzlos für das Spiel der Argentinier war. Überspitzt formuliert reichte es völlig aus, ihn von Álvaro González und Maxi Pereira von der weite böse Blicke zuzuwerfen. Die Dreierkette im Mittelfeld teilte sich nun Messi und Di María einfach untereinander auf, auch weil Gago weiterhin keine wirkliche Rolle zugedacht bekam. Es gab niemanden, den er zu bewachen hatte – allenfals Álvaro Pereira, der nun aber selbst vermehrt defensiv zu tun hatte.

Das Signal zum Schlussspurt war die Einwechslung von Javier Pastore für den abmontierten Di María. Der neue Mann ging ind Zentrum und Messi wich etwas weiter auf den rechten Flügel aus, die beiden Edeltechniker spielten viel besser zusammen als das zuvor mit Di María geklappt hatte. Dass die Uru-Defensive ob der vermehrten Laufarbeit müder wurde, spielt da natürlich auch eine Rolle.

Muslera rettet, Mascherano „gleicht aus“

Auch, wenn Uruguay aus Kontern ständig brandgefährlich blieb, war Argentinien am Drücker, und nur einige unglaubilche Rettungstaten von Fernando Muslera im Uru-Tor hielten das 1:1 fest. Ehe Javier Mascherano auf dem Feld wieder für Gleichstand sorgte: Obwohl es kaum mehr als ein Allerweltsfoul war, musste der Sechser in Minute 86 mit Gelb-Rot vom Platz. So ging es mit gleich vielen Spielern und gleich vielen Toren in die Verlängerung.

Batista hatte schon zuvor Tévez für den gegen Maxi Pereira absolut chancenlosen Agüero gebracht, in Unterzahl fädelten sich dann Tévez, Messi und Pastore vor Gago (und dann vor Biglia, der als echter Sechser dann hineinkam) als kreative Dreiekette auf, Higuaín arbeitete vorne gegen Lugano und Scotti. Erstaunlich: Der verletzungsbedingte frühe Tausch von Scotti für Victorino blieb trotz eigenem und gengerischem Ausschluss der einzige von Tabárez bis zur 109. Miunte. Da gingen die müde gelaufenen Álvaro Pereira und Elgidio Arévalo (der zudem am Rande des Ausschlusses wanderte).

Unterhaltsame und spannende Verlängerung

Der von beiden Teams gut genützte vermehrte Platz auf dem Feld sorgte ebenso für eine äußerst kurzweilige Verlängerung wie die Tatsache, dass beide Mannschaften ganz offensichtlich kein dringendes Bedürfnis hatten, ins Elfmeterschießen zu gehen und dieses somit aktiv verhindern wollten. Chancen gab es auf beiden Seiten und letztlich wäre ein Sieg weder für Uruguay noch für Argentinien nicht unverdient gewesen.

Am Ende ging es aber doch ins Shoot-Out. Bei dem Lionel Messi zwar für Argentinien seinen Versuch sicher verwertete, das taten danach aber auch alle fünf Urus – Forlán, Suárez, Scotti, Gargano und Cáceres. Bei Argentinien allerdings brauchten Pastore und Higuaín schon mächtig Glück. Tévez hatte das nicht: Der überragende Muslera parierte seinen Versuch.

Womit der Gastgeber aus dem Turnier raus ist…

Fazit: Unglücklich verloren, aber verdient ausgeschieden

…und Sergio Batista seinen Job wohl los. Denn seine Mannschaft war in diesem Spiel gegen Uruguay sicherlich nicht die klar schlechtere Mannschaft. Aber über das Turnier gesehen hat Argentinien einfach viel zu wenig gezeigt, um irgend welche Ansprüche auf einen Halbfinal-Einzug oder gar mehr zu stellen. Der haarsträubende Auftritt gegen Bolivien, danach sie exakt selben Fehler gegen Kolumbien – Batista hat sich selbst geschlagen. Ein einziger Sieg bei einem Heimturnier, und das gegen eine U23 aus Costa Rica, ist für einen Titelanwärter eine beschämende Bilanz.

Batista schaffte es nicht, Messi dauerhaft zum funktionieren zu bringen. Er fand keine Antwort auf den Mangel an Außenverteidigern (Dreierkette wäre eine Idee gewesen). Er konnte nicht konsequent für Breite sorgen. Es kam zu wenig aus dem Mittelfeld hinter Messi. Alles spielerische Brandherde, die nicht einmal ausgetreten wurden, geschweige denn gelöscht.

So darf sich Uruguay über ein vermeintlich leichtes Halbfinale gegen Peru freuen. Die Celeste zog ihr gut funktionierendes Defensiv-Konzept auch nach dem Ausschluss unbeirrt durch und wurde damit belohnt, dass Messi viel auf sich alleine gestellt war, weil Di María, Agüero, Zabaleta und damit auch Higuaín kaum ein Faktor waren. Außerdem hat ein Team das Weiterkommen einfach verdient, dass nach 120 aufregenden und kräftezehrenden Minuten noch fünf Elfmeter so bombensicher verwandeln kann.

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Was kann Kolumbien wirklich? Mäßig gegen Costa Rica, stark gegen ein nicht funktionierendes Team aus Argentinien, überhaupt nicht gefordert von Bolivien. Es war nicht möglich, Kolumbien einzuschätzen – aber Peru legte die Stärken der Cafeteros lahm und offenbarte so deren Schwächen.

Peru - Kolumbien 2:0 n.V.

Das größte Problem der Kolumbianer in ihrer Formation war das zu große Loch zwischen den fünf defensiven Spielern und den offensiven. In diesem Bereich konnten sich die Peruaner ohne große Mühe so stellen, dass es den Kolumbianern nicht möglich war, durch das Zentrum Guarín und Aguilar zu bedienen.

Was aber nötig gewesen wäre, denn durch die hohe Positionierung von Advincula und vor allem Vargas waren die im Turnierverlauf so starken kolumbianischen Außenverteidiger Zuñíga und Armero so zurückgedrängt, dass sie auf den Flügeln das im Zentrum entstandenen Loch nicht umgehen konnten. Die Folge: Kolumbien hatte es extrem schwer, den Ball sinnvoll in die gegnerische Hälfte zu bringen. Die wenigen echten Chancen, die es gab, vergab vor allem Falcao.

Peru neutralisiert Guarín

Beim Außenseitern aus Peru war die Aufteilung im Mittelfeld durchaus interessant. Hier stand mit Balbín der Sechser recht tief, Cruzado spielte schräg vor ihm aber weder einen zweiten Sechser, noch war er auf der Höhe der Offensivreihe. Er mischte sich auch nicht, wie für einen Achter sonst üblich, in das Spiel nach vorne ein – er hatte nur einen Auftrag: Die Kreise von Fredy Guarín so nachhaltig wie möglich zu stören.

Chiroque neben ihm rückte indes immer wieder in die Spitze auf und spielte mitunter beinahe auf einer Höhe mit Guerrero. Peru-Teamchef Makarián hatte offenbar deutlich weniger Angst vor Aguilar, an dem das Spiel auch ohne Sonderbewachung vorbei lief. Die Offensive der Peruaner hatte vor allem zwei Mittel zu Bieten: Lange Bälle zum einen und Vargas zum anderen. Letzterer sorgte er für viel Betrieb, aber wenig Gefahr.

Zusätzliche Kontrolle im Mittelfeld

In der Halbzeit ließ Makarián Advincula in der Kabine und brachte mit Carlos Lobatón dafür einen zusätzlichen Mann für das defensive Mittelfeld, einen, über den das Umschalten von Defensive auf Offensive laufen kann. Er stand etwas tiefer im Zentrum, wodurch Peru im Ballbesitz ein recht klares 4-3-3 spielte. So gelang es weiterhin, die Flügel in Schach zu halten und im Zentrum hatte Peru die gegnerische Offensive nun auch im Griff.

Wenn es mal so weit ist, dass Mondbälle von Innenverteidiger Yepes noch die gefährlichste Variante sind, dem Gegner zuzusetzen, spricht das nicht für Kolumbien – die Gelben agierten auch nach der Pause behäbig und uninspierert, langsam und auch etwas lustlos.

Aufbäumen in Ansätzen

Umso bitterer wäre es gewesen, durch einen wirklich dämlichen Elfmeter – Rodríguez hatte Moreno umgerissen – dann doch in Rückstand zu geraten, aber Falcao nahm die Einladung nicht an und knallte den Strafstoß links am Tor vorbei. Hernán Darío Gómez brachte in der Folge Rodallega für den völlig enttäuschenden Ramos, das Problem wurde damit aber nicht behoben: Ohne Unterstützung von hinten waren die kolumbischen Außenstürmer völlig wertlos.

So orientierte sich Rodallega oftmals in die Mitte und Guarín wich etwas aus, wirklich gebracht hat das aber kaum – so war ein kolumbianisches Aufbäumen in Ansätzen zwar erkennbar, aber wirklich zwingend war das lange nicht. Und doch hätte Guaríns Lattenschuss in der Nachspielzeit beinahe doch noch für den späten Sieg gesorgt.

Peru nützt die Fehler aus

Auch in der Verlängerung änderte sich das Bild des Spieles nicht – Peru legte die Seiten lahm und machte die Mitte zu. Unterschied zur regulären Spielzeit: Der Kolumbianische Schlussmann Neco Martínez patzte! Er konnte einen Freistoß wegen eines Crashs mit seinem eigenen Mitspieler Yepes nicht festhalten und Lobatón wuchtete den Ball von der Strafraumgrenze zum 1:0 unter die Latte.

Die Reaktion von Kolumbien? Außer Panik-Wechseln keine. Mit Teó Gutiérrez und Jackson Martínez kamen noch zwei Stürmer, aber ohne die ausgewechselten Aguilar und Sánchez fehlten nun nicht nur Spieler, welche die vielen Spitzen nun bedienen hätten können, sondern auch die Absicherung nach hinten. So fand Peru bei Kontern natürlich mehr Platz vor – und nachdem Martínez wieder zu kurz geklärt hatte und Vargas zum 2:0 traf, war alles entschieden.

Fazit: Kolumbien fehlt der Plan B

Peru hat gezeigt: Wenn man die so starken Außenverteidiger Zuñíga und Armero aus dem Spiel nimmt, steht das komplette Spiel der Kolumbianer still. Das alleine wäre aus Sicht der Unterlegenen noch halb so schlimm, aber es wurde 120 Minuten lang offensichtlich, dass es keinen Plan B gibt, wenn von den Außen nichts kommt und Guarín ständig einer auf den Füßen steht.

So hat Peru letztlich verdient gewonnen, weil man den eigenen Matchplan wunderbar durchgebracht hat und spät, aber doch auch selbst getroffen hat. Ja, zweimal auf Einladung des kolumbianischen Schlussmannes, aber immerhin. Im Semifinale sind die Peruaner wiederum Außenseiter und müssen das Spiel nicht selbst gestalten – und das liegt ihnen ja besonders.

(phe)

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