UEFA EM 08 – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 14 Jun 2016 20:06:44 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Ungarn ziehen ÖFB-Team auf ihr Niveau runter und siegen 2:0 https://ballverliebt.eu/2016/06/14/ungarn-ziehen-oefb-team-auf-ihr-niveau-runter-und-siegen-20/ https://ballverliebt.eu/2016/06/14/ungarn-ziehen-oefb-team-auf-ihr-niveau-runter-und-siegen-20/#comments Tue, 14 Jun 2016 18:31:08 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12648 Ungarn ziehen ÖFB-Team auf ihr Niveau runter und siegen 2:0 weiterlesen ]]> Das ÖFB-Team verhaut den Start in die EM gründlich: Mit einer ungewohnt schwachen Leistung wurde das unansehnlich schwache Spiel gegen Ungarn mit 0:2 verloren. Ungarn verstand es gut, das Spiel der Österreicher zu verhindern und schlug zu, nachdem man die Angriffswege nach dem Seitenwechsel adaptiert hatte. Österreich, dann ohne den verletzten Junuzovic und den ausgeschlossenen Dragovic, fand keinen Weg mehr zurück.

Österreich - Ungarn 0:2 (0:1)
Österreich – Ungarn 0:2 (0:1)

Die Ungarn waren, logisch, zunächst einmal darauf bedacht, die größte Stärke Österreichs zu neutralisieren: Die linke Seite. Arnautovic hatte sofort, wenn er in der Nähe des Balles war, drei Gegenspieler auf sich kleben. Zwei-, dreimal geriet Arnautovic in eine solche Traube. Nicht, dass darauf dramatische Umschaltmomente zu Gusten der Ungarn entstanden, aber es zeigte doch Wirkung.

Die Ungarn spielten in einem 4-1-3-1-1, das perfekt auf die Aufteilung des ÖFB-Teams abgestimmt war: Ádam Nágy, der Sechser, stand recht tief, half wenn nötig der Abwehr beim Herausspielen und engte den Wirkungskreis von Zlatko Junuzovic ein. Dzsudzsák berarbeitete Arnautovic, der routinierte Gera übernahm die Achter-Position rund um Alaba.

Vorne bildeten Kleinheisler und Sturmspitze Szalai ein Zweiergespann, dass es Österreich durch geschicktes Aufbauen von Decksungsschatten die Eröffnung durch das Zentrum kappte. Dragovic und Hinteregger konnten diese Situationen durch Aufrücken ein paar Mal auflösen, aber das hinterließ natürlich Löcher hinten. Darum machten sie das auch nicht allzu oft.

So verhinderten die Ungarn einen gezielten österreichischen Aufbau und es gelang ihnen schnell bei jedem Österreicher zu sein, der doch in ihre Gefahrenzone eindrang.

Geordneter Rückzug

Österreich erkannte, dass man die Ungarn so nicht ausgespielt bekam, und zog sich in der Folge etwas zurück. So zwang man Ungarn dazu, selbst etwas für den Aufbau zu tun. Es wurde schnell klar, dass ihnen recht schnell die Ideen ausgingen, sobald sie im Mittelfeld waren: Einstudierte Laufwege oder ein anderweitig gearteter Plan, wie man da sinnvoll in die Nähe des Strafraums kommen sollte, war nicht vorhanden.

Allenfalls, dass die es vermehrt über die Abwehrseite von Klein und Harnik versuchten, war auffällig – ist aber auch logisch. Generell aber deckte vor allem Baumgartlinger in der von ihm bekannten Aufmerksamkeit extrem stark viele Passwege zu, scheute keinen Zweikampf und gewann auch einige Bälle.

Auch der Raum zwischen den Linien, der bei Österreich zuweilen ja etwas weit aufzugehen droht, wurde gut kontrolliert.

Grausame Passquote

Wenn Österreich durch den Rückzug Ungarn locken und Umschaltmomente für sich selbst kreieren wollte, ging der Plan aber nicht wirklich auf: Zu viele einmal gewonnene Bälle wurde durch ungenaues Passspiel schnell wieder verschenkt. Die Passquote bei Österreich bewegte sich nur knapp über der 60-Prozent-Marke, das ist ziemlich schlecht. Auch Martin Harnik lieferte eine ziemlich dürftige Leistung ab.

Dass man dennoch zu zwei, drei guten Chancen kam (auch wenn man von Alabas Weitschuss nach ein paar Sekunden absieht), und jedes Mal, wenn man nach vorne kam, deutlich mehr Gefahr ausstrahlte als jeder ungarische Angriff (mit Ausnahme des verzogenen Schusses von Dzsudzsák) war ein kleiner Mutmacher für die zweite Hälfte.

Ungarn adaptiert die Angriffswege

Genau in der Phase nach Wiederanpfiff deuteten die Ungarn schon an, wie es gehen kann: Sie haben ihren Angriffsfokus nämlich auf die andere Seite verlegt. Nicht mehr gegen Harnik und Klein, sondern gegen die Seite mit Fuchs und Arnautovic liefen nun die Mehrzahl der Gegenstöße. Zu denen kamen sie, weil sie sich nun wieder zurück zogen und Österreich wieder weiter aufgerückt war.

Der Plan, den Storck seinem Team in der Pause ganz offensichtlich mitgegeben hatte: Nach Ballgewinn vertikal an Arnautovic vorbei, dann der kurzen Pass ins Halbfeld, und der nachrückende Ungar spielt den Ball wieder vertikal in Richtung österreichischem Strafraum. Logischer Grund: Das war das Halbfeld von Alaba – dieser war höher aufgerückt als Baumgartlinger, so ergab sich in genau diesem Halbfeld Platz.

Diesen exakten Move zeigte Ungarn in der 49. Minute, in der 52. Minute wieder. Und in der 62. Minute führte genau dieser Spielzug zum 1:0 für die Ungarn.

Chaos in Unterzahl

Drei Minuten davor musste Junuzovic angeschlagen endgültig raus (Sabitzer kam), nachdem er sich schon längere Zeit nach einem Foul auf eingeschränktem Kraftniveau durch die Partie geschleppt hatte; drei Minuten nach dem Tor folgte der nächste Tiefschlag für Österreich in Form der gelb-roten Karte für Dragovic (dem man die fehlende Wettkampf-Praxis nach seiner längeren Verletzungspause deutlich ansah).

AutHun1
Nach dem Dragovic-Ausschluss (65.)

In der Folge ließ Österreich die Dragovic-Planstelle halb offen, Baumgartlinger rückte bei Bedarf nach hinten; andererseits agierte der Rest des Teams nun umso höher. Arnautovic war nun mehr im Zentrum zu finden als auf dem Flügel, Sabitzer agierte mehr als zweite Spitze denn als Zehner – indem er eher vorne auf Anspiele wartete als (wie Junuzovic) sich in den Aufbau einzubinden.

Die Folge war eine komplett über Bord geworfene Kompaktheit im Zentrum und tonnenweise Platz für die Ungarn, um zu kontern. Weder der Sechserraum noch das Abwehrzentrum war adäquat besetzt, und so schien es schon kurz nach dem Dragovic-Ausschluss nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Ungarn einen Konter zum 2:0 abschlossen.

Denn das Passspiel der Österreicher blieb ob der nun natürlich immer mehr fehlenden Ruhe auf einem unterirdischen Niveau. So war es den Ungarn letztlich ein leichtes, genau ihre Stärken auszuspielen: Einen blindlings anrennenden und angeschlagenen Gegner mit einem offenen Zentrum zu verteidigen und zu kontern.

Kurz vor Schluss haben sie es dann doch noch geschafft, Stieber schloss einen dieser Gegenstöße in den offenen Raum zum 2:0-Endstand ab.

Fazit: Erst ungenau, dann panisch

Vielleicht haben die mäßigen Testspiele doch eine größere Wirkung hinterlassen als erhofft, ganz sicher haben es aber die Ungarn erfolgreich geschafft, das ÖFB-Team auf ihr Niveau herunter zu ziehen.

Ungarn brachte über weite Strecken des Spiels keine drei vernünftigen Vertikalpässe in einer Ballbesitzphase unter, hatten vor allem vor der Pause keinen wirklichen Plan zur Spielgestaltung und waren entsprechend harmlos. Weil es ihnen Österreich aber vor allem in puncto Passgenauigkeit gleich tat, konnte das ÖFB-Team diese Schwäche bei Ungarn nicht entsprechend nützen.

Natürlich, es gab vor allem vor der Pause drei wirkliche Chancen, um das Spiel auf Kurs zu bringen. Aber mit der neu gewonnenen Bürde des Favoriten-Daseins (und der entsprechenden Herangehensweise von auf dem Papier schwächeren, aber nicht heillosen Gegnern, wie etwa Ungarn) hat sich Österreich noch nicht angefreundet.

Diese Partie qualifiziert locker für die Top-3 der schlechtesten Performances unter Marcel Koller. Ist ein blöder Zeitpunkt dafür.

Wichtiges zum Lesen

]]>
https://ballverliebt.eu/2016/06/14/ungarn-ziehen-oefb-team-auf-ihr-niveau-runter-und-siegen-20/feed/ 8
Die 75-%-Regel, oder: Wer früh glänzt, der früh verliert? https://ballverliebt.eu/2016/06/09/wer-frueh-glaenzt-der-frueh-verliert/ https://ballverliebt.eu/2016/06/09/wer-frueh-glaenzt-der-frueh-verliert/#comments Thu, 09 Jun 2016 11:44:11 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12604 Die 75-%-Regel, oder: Wer früh glänzt, der früh verliert? weiterlesen ]]> Gruppensieger Portugal: Im Viertelfinale ausgeschieden. Gruppensieger Kroatien: Im Viertelfinale ausgeschieden. Gruppensieger Holland: Auch im Viertelfinale ausgeschieden.

Das war bei der EM-Endrunde 2008 in Österreich und der Schweiz. Wer kennt es nicht, dieses Phänomen: Ein Team zeigt in der Vorrunde mit tollen Spielen auf, begeistert die Fachwelt und schwingt sich damit zum Turnier-Favoriten – nur, um spätestens im zweiten K.o.-Spiel eher sang- und klanglos die Segel streichen zu müssen. Nur: Stimmt dieser Stehsatz „Wer früh glänzt, der früh verliert“ wirklich? Wir haben uns die Zahlen angesehen.

Als Sample Size nehmen wir alle WM- und EM-Endrunden seit Einführung der Drei-Punkte-Regel, also die insgesamt elf Turniere seit der WM in den Vereinigten Staaten 1994. Das ist von den Punkten her vergleichbar und zählt alles noch zur fußballerischen Neuzeit, wenn man so will.

Vergleich: Vorrunde / K.o.-Runde

20 Teams haben es in diesen elf Turnieren geschafft, alle drei Gruppenspiele zu erreichen. Sie haben im weiteren Turnier-Verlauf 35 K.o.-Spiele gewonnen und 17 verloren. Das entspricht einer Siegquote von 67 %. Drei der elf Turniere wurden von diesen Teams letztlich auch gewonnen (Frankreich 1998, Brasilien 2002 und Spanien 2008).

31 Teams haben sieben Punkte (also zwei Siege und ein Remis). Sie haben im weitern Turnierverlauf 39 K.o.-Spiele gewonnen und 26 verloren. Das entspricht einer Sigquote von  60 %. Fünf der elf Turniere wurden von diesen Teams gewonnen (Brasilien 1994, Deutschland 1996, Italien 2006, Spanien 2012 und Deutschland 2014).

32 Teams erreichten mit sechs Punkten die K.o.-Runde (zwei Siege und eine Niederlage). Sie haben fürderhin 26 K.o.-Spiele gewonnen und 30 verloren. Das entspricht einer Siegquote von 46 %. Zwei Teams konnten mit einer Pleite in der Vorrunde das Turnier gewinnen (Frankreich 2000 und Spanien 2010).

20 Teams gingen mit fünf Zählern (ein Sieg, zwei Remis) in die K.o.-Runde. Sie gewannen im weiteren Turnierverlauf 11 K.o.-Spiele und verloren 20. Das entspricht einer schon recht mageren Siegquote von 35 % und keines dieser Teams hat das Turnier gewonnen.

29 Teams kamen mit vier Punkten (ein Sieg, ein Remis, eine Niederlage) weiter. Sie gewannen danach 14 K.o.-Spiele und haben 28 verloren, das entspricht einer Siegquote von 33 %. Nur Griechenland 2004 gewann dann das Turnier noch.

Eine Mannschaft mogelte sich mit drei Punkten weiter (in diesem Fall waren es drei Remis), das war Chile 1998, und gleich im Achtelfinale setzte es ein 1:4 gegen Brasilien.

Diese Zahlen legen schon mal die Vermutung nahe: Wer in der Gruppenphase gut abschneidet, schneidet auch danach besser ab – wer sich eher knapp in die K.o.-Phase rettet, stößt eher selten weit vor.

Diskrepanz zwischen WM und EM

Spannend ist schon in der Berechnung der Siegquoten, dass die Zahlen bei der WM extremer sind als bei der EM. Sprich: Teams mit guter Vorrunden-Bilanz bei einer WM-Endrunde gewinnen in der Folge deutlich mehr (72 % bei den Neunern bzw. 60 % bei den Siebenern) als Teams mit guter Vorrunden-Bilanz bei einer EM-Endrunde (nur 56 % bei den Neunern und 62 % bei den Siebenern).

Dafür haben die Sechs-Punkte-Teams bei einer EM im Schnitt besser abgeschnitten (50 %) als bei einer WM (44 %). Die relativ geringe Sample Size verfälscht aber auch manches Ergebnis: Das Win/Loss-Ratio bei den Vier-Punktern einer EM (40 %) um einiges höher als bei einer WM (30 %) – allerdings nur wegen den Griechenland-Vorstoßes zum Titel in Portugal.

Seit 2000 ist Griechenland überhaupt das einzige Team mit vier Vorrunden-Punkten das auch nur ein einziges K.o.-Spiel gewinnt. Alle anderen (Rumänien, Türkei und Jugoslawien 2000, dazu Italien 2008 sowie Griechenland und Frankreich 2012) haben im schon Viertelfinale verloren.

Die erste K.o.-Runde

Ganz von der Hand zu weisen ist der Unterschied zwischen WM und EM aber auch mit dieser Sample Size nicht. In der ersten K.o.-Runde (Achtelfinale bei einer WM, bisher Viertelfinale bei einer EM) wird dieser sehr auffällig.

Bei einer Weltmeisterschaft haben Gruppensieger seit 1994 drei Viertel ihrer Achtelfinal-Spiele gewonnen (76 %) – also 35 von 46. Spannend ist allerdings, dass bei den letzten beiden WM-Endrunden überhaupt nur noch ein einziger Gruppenzweiter das Achtelfinale überstanden hat (und zwar Ghana bei der WM 2010). Hätte es also die Chaos-WM 2002 nicht gegeben, wäre diese Zahl noch um einiges höher.

Bei Europameisterschaften aber haben die Gruppensieger seit 1996 beinahe die Hälfte ihrer Viertelfinal-Partien verloren, die Siegquote liegt bei nur 55 % – also 11 von 20. Vor allem die eingangs erwähnte Euro 2008 (als drei Gruppenerste flogen) haut hier den Schnitt ein wenig zusammen.

Dieser Unterschied ist aber auch relativ leicht zu erklären: Bei einer EM ist die Leistungsdichte deutlich höher als bei einer WM, sprich: Die Gegner der WM-Gruppensieger in der ersten K.o.-Runde sind in der Regel von ihrem Leistungspotenzial schon oft deutlich schwächer als jene bei Europameisterschaften. Auerßdem: Treffen bei einer WM im Viertelfinale ein Gruppensieger auf einen Gruppenzweiten, führen auch hier die Gruppensieger mit 56 % (in neun solchen Duellen gewann fünfmal der Gruppensieger). Die Parallelen sind mehr als nur frappierend.

Nur zum Vergleich: Die neun EM-Gruppenzweiten, die seit 1996 ins Halbfinale gekommen sind, waren Tschechien 1996, Frankreich 2000, Holland und Griechenland 2004, Deutschland sowie Türkei und Russland 2008 und schließlich Portugal und Italien 2012. Die elf Teams, die WM-Gruppensieger im Achtelfinale rausgekegelt haben, waren Italien und Bulgarien 1994, Dänemark und Kroatien 1998, England mit dem Senegal, der Türkei und die USA 2002, dann Frankreich und die Ukraine 2006 und eben Ghana 2010.

Wirkliche Überraschungen oder gar Sensationen waren also auch da nur wenige dabei. Tschechien eliminierte 1996 Portugal in einem Außenseiter-Duell, Bulgarien 94 und Dänemark 98 kickten jeweils Nigeria aus dem Turnier, Kroatien besiegte 98 Rumänien, Ukraine 2006 die biederen Schweizer und Ghana 2010 die bestenfalls durchschnittlichen US-Amerikaner.

Wirklich komplett unerwartet kam eigentlich nur das 1:0 von Griechenland gegen Frankreich 2004. Dazu kommen ein paar Semi-Überraschungen wie Senegals 2:1 über Schweden (wiewohl Senegal davor schon Frankreich besiegt hatte) sowie die Erfolge der Türkei und USA über Gastgeber Japan und Kontinental-Primus Mexiko 2002 sowie der türkische Elfer-Sieg gegen Kroatien und Russlands Verlängerungs-Erfolg gegen Holland 2008.

Anders gesagt: Eine wirkliche Sensation und fünf Außenseiter-Siege in insgesamt 66 Duellen in der ersten K.o.-Runde ist sogar richtig wenig. Grob gesagt gibt es in einem von zehn Matches der ersten K.o.-Runde ein Resultat, das man im als Überraschung im engeren Sinne betrachten kann. Im Schnitt also eines pro Turnier.

Die finale Phase

Wenn man im Turnier einen Schritt weitergeht und sich ansieht wie die vier Semifinalisten bzw. die beiden Finalisten in der Gruppe abgeschnitten haben, ergibt sich ein erstaunlich ähnliches Bild wie bei der ersten K.o.-Runde.

Sieben der 14 Teams mit neun Punkten in der Vorrunde haben bei WM-Turnieren gleich zwei K.o.-Runden überstanden und standen demnach im Semifinale – also die Hälfte. Die sieben Teams, die das nicht geschafft haben: Argentinien (1998, Viertelfinale gegen Holland); Spanien (2002, Viertelfinale gegen Südkorea); Spanien und Brasilien (2006, Achtel- bzw. Viertelfinale gegen Frankreich); Argentinien (2010, Viertelfinale gegen Deutschland); Kolumbien und Belgien (2014, Viertelfinale gegen Brasilien bzw. Argentinien).

Sehen wir uns die einzelnen Fälle im Kontext an: Argentinien traf 1998 auf Augenhöhe auf ein großartiges Oranje-Team. Spanien quälte sich 2002 durch eine schwache Gruppe und brauchte dann gegen Irland das Elferschießen. Vier Jahre später gewann Spanien zwar klar gegen die Ukraine, profitierte aber von einem frühen (und falschen) Ausschluss eines Ukrainers, und mühte sich danach zu zähen Siegen gegen Tunesien und Saudi-Arabien.

Brasilien zeigte 2006 Standfußball, kam zu Arbeitssiegen gegen Kroatien und Australien und glänzte nur beim 4:1 über Japan. Die Argentinier hatten 2010 eine ausnehmend leichte Gruppe und einen ausnehmend unfähigen Teamchef, und die Niederlagen von Kolumbien und Belgien 2014 waren, der anständigen Performance zum Trotz, erwartet.

Als wirkliche Sensation geht dabei eigentlich nur das Weiterkommen Südkoreas 2002 durch, aber nicht wegen der Spanier, sondern weil Südkorea einfach der krasse Außenseiter war (und von Referee Ghandour klar bevorteilt wurde).

Da bei einer EM die Sieger der ersten K.o.-Runde sofort im Semifinale standen, gilt hier der Verweis auf den letzten Punkt „Die erste K.o.-Runde“ oben.

Ungeschlagen

Wer in der Vorrunde schon einmal verliert, bei dem ist es wahrscheinlicher, dass er weiter verliert – das lässt sich auch durch weitere Zahlen untermauern. Bei WM und EM zusammen liegt der Siegquote von ungeschlagenen Teams in der K.o.-Runde bei 57 % und jener von Mannschaften, die ein Vorrunden-Spiel verloren haben, bei 41 %. Hinweis: Es ist nie ein Team mit zwei Niederlagen in die K.o.-Runde gekommen.

Wenn man jene Teams betrachtet, die ungeschlagen ins WM-Achtelfinale gekommen sind, haben 36 von 55 die erste K.o.-Runde überstanden (65 Prozent) – wobei sieben der 19 Ausgeschiedenen das Pech hatten, auf ein ebenso ungeschlagenes Team zu treffen. Oder: Wenn ein unbesiegtes Team im WM-Achtelfinale auf eines trifft, das in der Vorrunde schon einmal verloren hat, gewinnt das ungeschlagene Team in 75 Prozent der Fälle auch.

Im weiteren Verlauf einer WM sind seit 1994 genau 75 % der Halbfinalisten ungeschlagen durch die Vorrunde gegangen.

Bei einer EM sind die Zahlen wiederum ein wenig knapper: Wer ungeschlagen in ein EM-Viertelfinale gekommen ist, überstand dieses in 10 der 18 Fälle (wieder 55 %). Drei dieser Ausgeschiedenen verlor gegen ein anderen ungeschlagenes Team. Also: Wenn ein unbesiegtes Team im EM-Viertelfinale auf eines traf, das in der Vorrunde schon einmal verloren hat, gewinnt das ungeschlagene Team in 75 Prozent der Fälle auch.

Sounds familiar?

Knick in der Wahrnehmung

Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die Teams, die wir als so glänzend in der Vorrunde in Erinnerung haben. Da wären etwa die Holländer gewesen, die 2014 im ersten Spiel Spanien mit 5:1 gedemütigt haben. Oranje kam in der Folge bis ins Halbfinale und blieb dort erst im Elferschießen hängen. Das kann man schwer als echtes Scheitern betrachten. Eventuell kann man die chilenischen Teams von 2010 und 2014 in diese Kategorie einordnen; sie blieben jeweils im Achtelfinale an Brasilien hängen – einmal 1:2 und einmal im Elferschießen.

Das holländische Team, das 2008 in der Vorrunde 3:0 gegen Italien und 4:1 gegen Frankreich (die beiden amtierenden WM-Finalisten) gewonnen und dann im Achtelfinale gegen Russland eliminiert wurde, fällt in der Wahrnehmung definitv in diese Kategorie. Nur: In beiden Spielen profitierte Holland von einem frühen Gegentor und konterte die beiden (bei diesem Turnier generell schwachen) Teams gnadenlos aus; das Russland-Spiel im Viertelfinale war das erste gegen eine wirkliche Qualitäts-Mannschaft, wo man nicht innerhalb von zehn Minuten das 1:0 erzielte – entsprechend ratlos war Holland dann.

Die anderen beiden Gruppensieger, die 2008 ausschieden, waren Portugal und Kroatien – beide agierte in der Vorrunde solide und gewannen ihre Gruppe verdient, aber übertrieben glanzvoll war das nicht.

Argentinien prügelte 2006 in der Vorrunde die Serben mit 6:0 her und bezwang auch die Elfenbeinküste (plus ein 0:0 gegen Holland), war plötzlich der große Favorit. Das Aus kam im Viertelfinale, im Elferschießen, gegen ein deutsches Team von hoher Qualität. Kann passieren. Der Weg den spanischen Teams 2006 wurde hier bereits ausgeführt.

Tschechien, das ganz klar herausragende Vorrunden-Team der EM 2004, scheiterte im Halbfinale an Griechenland, nachdem sich Pavel Nedved verletzt hatte, in der Verlängerung – das war sicher eine der größeren Überraschungen. Vier Jahre zuvor blieb das bis dahin überragende Team der Niederlande im Halbfinale hängen. An Italien, im Elferschießen – eine Enttäuschung, sicher, aber keine Sensation.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Woher kommt diese These also?

Es gibt so gewisse Teams, die berüchtigt dafür sind, in Schleichfahrt durch die ersten paar Spiele zu gehen und am Ende des Turniers aufzutrumpfen – Italien vor allem, aber auch Deutschland. Bei Italien gründet sich dieser Mythos sicher auf die 1982-WM, als man sich mit drei Remis durch die Vorrunde duselte, dann aber Brasilien und Deutschland besiegte und Weltmeister wurde.

Auch das deutsche Image als „Turnier-Mannschaft“ ist eher ein Mythos: 1982 wie 1986 humpelte man mit schlechten Leistungen von A bis Z ins Finale und verlor, 1990 war die Vorrunde exzellent, dafür die K.o.-Phase ziemlich harzig. Von den folgenden Viertelfinal-Niederlagen gegen Bulgarien und Kroatien mal ganz zu Schweigen. Selbst unter Löw waren auf dem Weg in Semifinale/Finale, von 2014 abgesehen, selten mehr als ein wirklich gutes Spiel dabei (nur bei der WM 2010 waren es zwei).

Die Wahrheit ist: Die überwiegende Mehrheit der Gruppensieger kommt mit bestenfalls einer Glanzleistung zu sieben oder neun Punkten. Die Regel sind eher Arbeitssiege, knappe Angelegenheiten oder wenig bemerkenswerte Halbgas-Erfolge gegen deutlich schwächere Teams. Von dieser einen Glanzleistung, die hin und wieder mal vorkommt, lässt man sich dann leicht blenden – Hollands 4:1 über Frankreich, Argentiniens 6:0 über Serbien, Tschechiens 3:2 über Holland im vermutlich besten Fußballspiel der letzten 50 Jahre.

Wie kamen die Sieger durch die Vorrunde?

Und betrachtet man sich die Sieger der letzten Turniere, kommt dieser fast immer aus dem Pool der zahlreichen Teams, die gut genug waren, in der Vorrunde ohne dramatischen Substanz-Verlust überstanden haben; mit einer guten, einer nicht so guten und einer okayen Leistung.

Deutschland 2014: Ein super 4:0 über Portugal, ein furchtbares 2:2 gegen Ghana, ein okayes 1:0 gegen die Amerikaner. Spanien 2012: Ein gutes 1:1 gegen Italien, unterfordert beim 4:0 gegen schwache Iren, gezittert beim 1:0 gegen Kroatien. Spanien 2010: Verloren gegen die Schweiz, sicheres 2:0 gegen Honduras, glücklich beim 2:1 über Chile. Spanien 2008: Stark beim 4:1 gegen Russland, schwach beim 2:1 gegen Schweden, mit der Reserve beim 2:1 gegen Griechenland. Italien 2006: Solide beim 2:0 gegen Ghana, schwach beim 1:1 gegen die Amerikaner, recht gut beim 2:0 über Tschechien. Griechenland 2004: Stark beim 2:1 über Portugal, glücklich beim 1:1 gegen Spanien, mit Kampfgeist beim 1:2 gegen Russland. Brasilien 2002: Schwach beim glücklichen 2:1 gegen die Türkei, stark beim 4:0 gegen überforderte Chinesen, mit der Reserve beim 5:2 gegen Costa Rica.

Und so weiter.

Die 75-Prozent-Regel

Ungeschlagene Teams gewinnen ihre weiteren Spiele zu drei Vierteln, drei Viertel aller Gruppensieger gewinnen auch das erste Spiel nach der Gruppe, drei Viertel aller Semifinalisten haben im Turnierverlauf noch nicht verloren, Teams mit neun Punkten gewinnen drei Viertel aller ihrer weiteren Spiele, drei Viertel der Turniersieger haben auf dem Weg zum Titel kein Spiel verloren.

Das heißt aber auch, dass durch das Einführen einer weiteren K.o.-Runde gegenüber den letzten EM-Turnieren ein Überraschungs-Europameister unwahrscheinlicher wird: Dänemark musste 1992 nur ein K.o.-Spiel überstehen (Sieg im Elferschießen gegen Holland) und war schon im Finale, Griechenland 2004 schon zwei (gegen Frankreich und gegen Tschechien).

Ein etwaiges Sensations-Team müsste bei der EM 2016 schon drei Alles-oder-Nichts-Spiele überstehen und hätte dann auch immer noch das Finale vor sich. Und mit jedem Spiel steigt die Wahrscheinlichkeit, einen starken Gegner zu bekommen. Einmal eine 25-Prozent-Chance wahrnehmen, kommt vor. Zweimal, ist schon sauschwer. Und dreimal praktisch ausgeschlossen.

Es ist also durchaus möglich, dass es ein Glücksritter ins Halbfinale schafft. Im Finale der EM 2016 werden sich aber zwei Top-Teams gegenüber stehen – zu deutlich mehr als 75 Prozent.

tl;dr: Der Satz „Wer früh glänzt, der früh verliert“ ist Blödsinn. Je mehr Punkte man in der Vorrunde holt, desto weiter kommt man danach auch. Ausnahmen gibt es aus beiden Richtungen, sie sind aber viel mehr die Ausnahme als die Regel.

Auch lesenswert zur EURO 2016:

]]>
https://ballverliebt.eu/2016/06/09/wer-frueh-glaenzt-der-frueh-verliert/feed/ 4
Der EURO 2016-Modus benachteiligt Gruppe E und bevorzugt Gruppe A https://ballverliebt.eu/2015/12/20/euro-2016-gruppe-e-wird-bei-der-benachteiligt-gruppe-a-bevorzugt/ https://ballverliebt.eu/2015/12/20/euro-2016-gruppe-e-wird-bei-der-benachteiligt-gruppe-a-bevorzugt/#comments Sun, 20 Dec 2015 17:21:51 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11976 Die Gruppe E (und auch Gruppe F mit Österreich) wird bei der EURO 2016 klar benachteiligt, die Gruppe A von Gastgeber Frankreich hingegen systematisch bevorzugt. Und das hat gar nichts mit einer unglücklichen Auslosung zu tun. Ein Report von Sebastian Wolsing zeigt die statistische Ungerechtigkeit des Turniermodus mit 24 Mannschaften, 6 Gruppen und einem Achtelfinale.

Der Gruppe E-Effekt: Gruppe E ist die schlimmste bei der Euro

1. Einleitung

Die Europameisterschaft in Frankreich beginnt am 10. Juni 2016. Falls das Konzept von Fußballturnieren neu für dich ist, musst du nicht viel wissen: Teams qualifizieren sich und werden aus vier verschiedenen Lostöpfen gemäß ihrer Stärke in Gruppen gelost. Jede der sechs Gruppen besteht aus einer Mannschaft aus jedem Topf. Frankreich wird als Gastgeber automatisch in Gruppe A gesetzt.

Töpfe der EM-Auslosung 2016

2. Der Gruppe-E-Effekt

Viele von uns denken, dass es bei der Auslosung nicht wichtig ist, in welcher Gruppe man landet. Wichtig seien nur die Gegner, die man zugelost bekommt. Aber bei dieser speziellen Europameisterschaft ist das nicht richtig. Die Playoff-Struktur nach der Gruppenphase sieht nämlich so aus:

EURO 2016: Playoffs
Erklärung: 1A bedeutet zum Beispiel Sieger der Gruppe A, 2F bedeutet Zweiter der Gruppe F. Welche Drittplatzierten weiterkommen, entscheidet sich erst im Turnier.

Wir haben also 6 Gruppen, Gruppensieger und Gruppenzweite. Das ergibt 12 Teams, die weiterkommen. Für die 16 nötigen im Playoff kommen noch die vier besten Gruppendritten weiter. Die mathematische Symmetrie in einem System mit vier oder acht Gruppen besteht also nicht mehr. Das bedeutet:

  1. Die Sieger aus Gruppe A, B, C und D treffen im Achtelfinale auf Gruppendritte. Die Sieger aus E und F treffen auf Gruppenzweite. Eine klare Benachteiligung.
  2. Die Gruppenzweiten aus A, B, C und F treffen auf andere Gruppenzweite, jene aus D und E auf einen Gruppensieger. Eine klare Benachteiligung.
  3. Die Gruppen A, B und C bekommen beide Vorteile.
  4. Die Gruppen D und F bekommen je einen Vor- und Nachteil.
  5. Die Gruppe E bekommt beide Nachteile.

Das würde theoretisch bedeuten, dass Mannschaften aus Gruppe E im Playoff bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, ins Viertelfinale einzuziehen. Gruppe D und F haben eine höhere als E, aber eine niedrigere als A, B und C.

EURO 2016: Gruppenschwierigkeit
Auf wen die jeweiligen Gruppensieger und -zweiten im Viertelfinale treffen: Ein niedrigerer Wert bedeutet eine schwierigere Ausgangslage.

Das gilt für das Achtelfinale. Aber auch das Viertelfinale ist nicht symmetrisch. Der Sieger aus Spiel 1 und 8 im Achtelfinale wird auf jeden Fall ein Gruppenzweiter sein.

EURO 2016: Viertelfinale

Die Sieger aus Spiel 2 und 7 treffen also automatisch nicht auf einen Ersten. Das können die Sieger aus den Gruppen A und D, oder mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit die Drittplatzierten aus B, E, F bzw. aus C, D, E sein.

Wir erwarten hier also, dass die Gruppen A und D im Viertelfinale einen Vorteil haben werden, weil ihre Sieger bis zum Semifinale keinen anderen Gruppensieger treffen können.

Theoretisch ist also die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg eines Teams aus Gruppe A höher, als für Mannschaften aus allen anderen Gruppen.

EURO 2016: Play<off-Schwierigkeit
Diese Tabelle beschreibt den schwierigstmöglichen Weg für Mannschaften, ins Finale zu kommen (wenn immer das besser gesetzte Team gewinnt). 3 Punkte für einen drittplatzierten Gegner, 2 für einen Zweitplatzierten, 1 für einen Gruppensieger. Eine niedrigere Summe bedeutet eine schwierigere Ausgangslage.

3. Simulationen

Mit Simulationen können wir dieses Problem noch deutlicher illustrieren. Die folgenden Simulationen wurden so gewichtet, dass das beste Team eine hohe Wahrscheinlichkeit auf einen Sieg gegen das schlechteste Team hat (Anm. von ballverliebt: Sebastian hat sein SImulationsmodell in den Kommentaren etwas genauer erklärt).

Nach 100.000 Simulationen sieht das Ergebnis für den Einzug ins Viertelfinale folgendermaßen aus.

EURO 2016: Simulationen für das Viertelfinale

Man sieht: Gruppe E und F haben einen großen Nachteil gegebüber den anderen. A, B und C haben einen deutlich einfacheren Weg als die anderen Gruppen und E hat den schwierigsten.

Für das Semifinale sieht das Ergebnis in der Folge so aus:

EURO 2016: Simulationen für das Semifinale

Das zeigt, dass sich die Chancen für A und D im Viertelfinale leicht erhöhen. Kommen wir zum Gewinn des Turniers.

EURO 2016: Simulationen für den Turniersieg

Die Simulationen bestätigen, was die Tabelle 3 bereits angedeutet hat. Die Wahrscheinlichkeit das Turnier aus den unterschiedlichen Gruppen heraus zu gewinnen. Basierend auf diesen Werten ist es 28% weniger wahrscheinlich, das Turnier aus Gruppe E zu gewinnen, als aus Gruppe A. Das scheint mir außerhalb einer fairen Schwankungsbreite zu liegen.

4. Verbesserungen

Das scheint kein optimaler Weg zu sein, um eine Europameisterschaft zu organisieren. Wie könnte man das verbessern? Es ist zwar wenig hilfreich, aber man kann argumentieren, dass ein System mit 6 Gruppen mathematisch unnütz ist. Auch 16 Aufsteiger aus 24 Mannschaften könnte man für keine gute Idee halten.

Die Dinge, die UEFA berücksichtigen will sind:

  • Bedingung 1: Mannschaften aus der selben Gruppe sollen in der ersten Playoffrunde nicht aufeinander treffen.
  • Bedingung 2: Der Playoff-Baum soll symmetrisch sein.

Daraus ziehen wir für die Playoffs nach der Gruppenphase folgenden Schluss. Es gibt

  • Sechs Erstplatzierte (6 x 1 = 6)
  • Sechs Zweitplatzierte (6 x 2 = 12)
  • Vier Drittplatzierte (4 x 3 = 12)

In Summe ergibt das 30 (6 + 12 + 12), was nicht rund durch die Zahl der Spiele im Achtelfinale (8) dividiert werden kann. Bei vier Gruppen mit sechs Teams würde das anders aussehen. 4 x 1 + 4 x 2 + 4 x 3 + 4 x 4 = 40, was dividierbar durch 8 ist.

Die UEFA will das aber verzweifelt mit sechs Gruppen durchziehen, dann müssen wir aber Bedingung 1 von vorhin verwerfen. Man könnte stattdessen nach der Gruppenphase alle Aufsteiger so reihen, wie es nun mit den Gruppendritten gemacht wird und daraus das Viertelfinale gestalten.

EURO 2016: Alternativer Vorschlag für das Playoff
Vorschlag für ein alternatives Playoff. W(1) bedeutet bester Gruppensieger, R(6) bedeutet schlechtester Gruppenzweiter, T(4) bedeutet schlechtester Gruppendritter.

Nach dieserm Modell sehen Simulationen folgendermaßen aus:

EURO 2016: Alternative Simulationen

EURO 2016: Alternative Simulationen, Sieger

Das wäre sportlich und mathematisch fairer. Es muss aber gesagt werden, dass es für die Teams weniger praktikabel wäre. Sie wüssten vor dem Ende der kompletten Gruppenphase nicht, wo ihr nächstes Spiel stattfindet. Praktische Beschränkungen sprechen auch gegen das ansonsten beste System. Die vielen Spiele in einem Double-Elimination-System, würden zu viel kosten.

5. Schlussgedanken

Eine bemerkenswerte Sache ist, dass die „Regeln“ besagen, dass der Gastgeber in Gruppe A sein muss. Dort besteht eine höhere Chance auf den Turniergewinn. Da der Gastgeber außerdem unabhängig von seiner Ranglistenplatzierung immer in Topf 1 gesetzt wird, ist die Gruppe A noch einmal zusätzlich als absoluter Goldtopf zu sehen.

Ich werde den Teams in Gruppe E etwas fester die Daumen drücken. Sie werden es brauchen.

Mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Wolsing durch ballverliebt.eu übersetzt.

Warum die Österreich-Gruppe doch kein Glücksfall war und wie die Frankreich-Gruppe bevorzugt wird. Der Turniermodus der EURO 2016 ist unfair, sagt dieser Report.

Posted by Ballverliebt on Sonntag, 20. Dezember 2015

]]>
https://ballverliebt.eu/2015/12/20/euro-2016-gruppe-e-wird-bei-der-benachteiligt-gruppe-a-bevorzugt/feed/ 8
Auf Wiedersehen, Råsunda https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/ https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/#comments Fri, 23 Nov 2012 01:21:26 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8041 Auf Wiedersehen, Råsunda weiterlesen ]]> Ein dezenter, gelber Kranz mit schwarzen Bändern war es, der vor dem Match am Mittelkreis platziert wurde. „Vila i frid“, stand darauf geschrieben, „Ruhe in Frieden“. Eine Schweigeminute folgte. Dann ein riesiges Feuerwerk und eine gigantische Choreo. Die Bildnisse von sechs Herren in gesetzterem Alter ragten auf dem Oberrang, darunter ein 60 Meter langes Spruchband: „Legenden des Råsunda – für alle Zeit unsterblich“.

Auf dem Unterrang: In großen Lettern „AIK“, dem Heimatverein des altehrwürdigen schwedischen Nationalstadions. Alternierend mit der Zahl 1937. Dem Jahr, in dem die Arena eingeweiht wurde. Jene Arena, für die nun endgültig der letzte Vorhang gefallen ist.

Am Ende gab es ein Pfeifkonzert. Weil Edinson Cavani in Minute 93 seinen Elfmeter sicher in das aus sicher Sicht linke Eck geschoben hatte. Torhüter Turina war in die andere Richtung geflogen. Das 2:1, der Sieg für Napoli in diesem Europa-League-Spiel. Nicht einmal ein verdienter Punkt gegen das B-Team von Napoli war dem Stockholmer Traditionsklub AIK vergönnt, weil Verteidiger Niklas Backman den Torschützen recht plump im eigenen Strafraum umgehackt hätte.

AIK – Napoli 1:2

Es war ein Spiel, an das man sich nicht lange erinnern müsste. Die Gäste aus Italien verzichteten auf Stammspieler wie Cannavaro, De Sanctis, Campagnaro und Maggio; Hamsik, Zuñíga und Inler kamen erst im Laufe des Spiels. Wirklich interessiert schien die Truppe lange eher nicht.

Die Gastgeber traten in einem typisch schwedischen 4-4-2 auf, die Phantasie im Spiel nach vorne war enden wollend, einige der langen Bälle nach vorne dafür nicht. Immerhin, vom Rückstand ließ man sich nicht schocken, ein langer Flankenball von Lundberg fand den Kopf von Daníelsson, das 1:1. Im Gegensatz zum pathetischen Vorlauf ein Spiel von überschaubarer Qualität und eher begrenztem Unterhaltungswert.

Dabei hat dieses Stadion viel erlebt.

„Heja Sverige“ und die Geburtsstunde des Mythos namens Pelé

1958 etwa fand in Schweden die Weltmeisterschaft statt. An diese erinnert man sich in Deutschland eher ungern. Weil sich der amtierende Weltmeister völlig aus dem Konzept bringen ließ. Von Zuschauern, die das Heimteam lautstark mit Sprech-Chören anfeuerten! Eine Unerhörtheit, entfuhr es den Deutschen. Nachdem sie, komplett entnervt von den ständigen „Heja Sverige“-Rufen von den Rängen des Ullevi von Göteborg ihr Semifinale gegen den WM-Gastgeber 1:3 in den Sand gesetzt hatten.

Schweden – Brasilien 2:5 (1:2)

Weltmeister wurde Schweden damals aber nicht. Weil man im Finale im Råsunda mit 2:5 gegen Brasilien verlor. Jenes Team, in dem ein 17-Jähriger aufgeigte, der die Welt erstmals verzückte: Pelé! Sein Tor zum 3:1 nach einer Stunde war die Vorentscheidung, sein 5:2 in der Nachspielzeit war der Schlusspunkt.

Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass Schweden damals nicht zufällig und nicht nur wegen der ungewohnt heißblütigen Zuschauer ins Finale gekommen war. Spielmacher Gunnar Gren war schon ein Jahrzehnt Legionär für Milan und die Fiorentina in Italien; Nils Liedholm war ebenso bei den Rossoneri aktiv und wird dort noch heute als Klub-Legende verehrt. Auch Kurre Hamrin war schon zwei Jahre in Italien, er sollte dort noch weitere 13 Saisonen bleiben. Nacka Sköglund? Seit acht Jahren bei Inter Mailand. Und auch Orvar Bergmark sollte es später noch an den Stiefel verschlagen.

Eine Weltklasse-Truppe also – es sollte 35 Jahre dauern, bis das Trekronor-Team wieder in solche Sphären vorstieß.

Auch bei Heim-EM stark

Und zwar anlässlich der Europameisterschaft 1992 im eigenen Land. Jenes Turnier, das vor allem wegen Überraschungs-Sieger Dänemark in Erinnerung blieb. Für Schweden aber auch ein großer Erfolg war. Dem Halbfinal-Aus im Råsunda gegen Deutschland zum Trotz

Schweden – Deutschland 2:3 (0:1)

In einem Turnier, das von großer spielerischer Vorsicht und noch größerer Langeweile auf dem grünen Rasen geprägt war, ragt dieses Spiel – das wohl größte in der Karriere von Thomas Häßler – heraus. Schweden kämpfte tapfer, aber letztlich war gegen den amtierenden Weltmeister und den kleinen Berliner kein Kraut gewachsen.

Was aber nichts daran änderte, dass diese Mannschaft praktisch in selber Besetzung zwei Jahre später ihren größten Erfolg in der jüngeren Vergangenheit schaffte: Platz drei bei der WM in den Vereinigten Staaten. Mit dem umsichtigen Jonas Thern als Sechser, mit Parma-Stürmerstar Thomas Brolin. Mit Kennet Andersson, der danach ebenso in die Serie A ging. Mit Martin Dahlin, dem dunkelhäutigen Angreifer, der bei Borussia M’gladbach seine größte Zeit hatte. Mit Roland Nilsson, gestählt in Jahren in Englands höchster Liga.

Und natürlich mit Torwart-Dauerbrenner Thomas Ravelli, mit 143 Einsätzen der Rekord-Nationalspieler, der selbst dann noch im Tor stand, als er schon aussah wie Mitte 60.

[VIDEOS: Highlights der ersten Hälfte von Schweden-Deutschland und die der zweiten]

Schweden – Österreich 0:1 (0:1)

Der Anfang vom Ende der starken 90er-Jahre-Generation kam dann aber ebenso im Råsunda. Am 9. Oktober 1996 war es, als sich Andi Herzog im ÖFB-Teamdress durchtankte und das Tor zum 1:0-Endstand herstellte. Für Österreich der Startschuss zur erfolgreichen Qualifikation für die WM in Frankreich, für das Trekronor-Team der entscheidende Rückstand, dem man bis zum 0:1 ein Jahr später in Wien hinterher lief.

Die WM 1998 verpasste man also ebenso wie die Euro96. Schweden hatte aber das Glück, dass mit Henke Larsson, Freddie Ljungberg und später natürlich auch Zlatan Ibrahimovic die nächste starke Generation sofort nach kam. Von 2000 bis 2008 verpasste man kein einziges großes Turnier. Und die wichtigen Heimspiele in der Qualifikation wurde immer im alten Råsunda ausgetragen.

Alt und charmant

Es ist alles ein wenig eng im Råsunda

Dass es sich bei dem im Stadtteil Solna im Westen Stockholms gelegenen Stadion, in das etwas mehr als 30.000 Leute reinpassen, nicht gerade um eine moderne Fußball-Arena handelte, wurde einem an jeder Ecke des Baus klar. Vielleicht noch nicht so sehr an der Haupttribünen-Seite, wo bis vor Kurzem auch der schwedische Verband seinen Hauptsitz hatte. Aber innen drin. Dort ist alles recht beengt, es wirkt alles zuweilen etwas improvisiert. Nicht, dass schon der Putz herunterbröckelt. Aber viel fehlt da wohl nicht mehr.

Nicht am allerneuesten Stand der Technik

Es gab zuletzt eine Vidiwall, die auf dem Dach der recht niedrigen Haupttribüne angebracht war. Ansonsten verbreiteten die Anzeigetafeln eher den Charme aus der elektonischen Gründerzeit. Außerhalb des Stadions (wie am Bild rechts, an der Südtribüne angebracht) oder auch im Stadion selbst, wo eine baugleiche Anzeige bis zuletzt auf der Gegentribüne auf Höhe der Mittellinie angebracht war und die Zuschauer über Spielstand und die abgelaufene Zeit informiert.

Die Vidiwall auf der Haupttribüne ist nicht gerade ein Megatron

Das Råsunda auf europäische Bühne

Es gab eine Zeit, in der man aber auch als solches Mittelklasse-Stadion europäische Endspiele ausrichten konnte. Und während Michael Konsel mit seinem Sieg im Tor des ÖFB-Teams im Oktober 1996 gute Erinnerungen an dieses Stadion haben kann, setzte es für seinen langjährigen Konkurrenten um den Platz zwischen den Team-Pfosten, Franz Wohlfahrt, im Mai 1998 eine bittere Niederlage. Im vorletzten Finale des Europapokals der Pokalsieger.

Chelsea – Stuttgart 1:0 (0:0)

71 Minuten lang hielten die Stuttgarter das 0:0, ehe Chelsea-Spielertrainer (!) Gianluca Vialli sich einen neuen Sturm-Partner einwechselte. Statt Tore André Flo kam also Gianfranco Zola ins Spiel, und kaum eine Minute drin, besorgte der Joker auch schon das 1:0. Der letzte internationale Titel für die Blues, bevor Roman Abramovich den Klub mit seinem Geld erschlug. Und der letzte internationale Titel für die Blues, ehe jener Italo-Schweizer, der im Råsunda neben Raubein Dennis Wise auf Krassimir Balakov aufpasste, als Trainer dieses Klubs 14 Jahre später die Bayern ärgerte.

Die Erinnerung an dieses Spiel verbindet Wohlfahrt übrigens mit einem damals noch recht jungen Trainer am Anfang seiner Trainer-Karriere: Joachim Löw. Der nach dieser Saison, in der er ins Europacup-Finale kam, sich als Bundesliga-Vierter für den Uefa-Cup qualifizierte und erst im Pokal-Halbfinale an den Bayern gescheitert war, entlassen wurde – wegen Erfolglosigkeit.

Eine Weltpremiere für das Råsunda

Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Drei Jahre vor dem Europacup-Endspiel gab es für das Stadion von Schwedens Hauptstadt bereits eine absolute Weltpremiere: Als erstes Fußball-Stadion überhaupt wurde das Råsunda zu einer Arena, in der ein WM-Finale der Herren UND eines der Frauen ausgetragen wurde. Im strömenden Regen schlugen sich Fans der im Viertelfinale ausgeschiedenen Gastgeber auf die Seite des Nachbarn aus Norwegen und sie wurden nicht enttäuscht. Zwei recht derbe deutsche Abwehrfehler in der ersten Hälfte ermöglichten Tore von Hege Riise und Mariann Pettersen.

Vier Jahre später wurde die Rose Bowl von Los Angeles zum zweiten Stadion, das WM-Finale von Männern und von Frauen gesehen hat. Bis heute sind das die beiden einzigen Arenen, und mindestens bis 2019 wird das auch so bleiben.

Ein junger Xavi zu Gast

Mit den Erfolgen des schwedischen Nationalteams kamen die Klubs aus der Allsvenskan nur sehr vereinzelt mit. Und noch seltener waren echte internationale Highlights des elffachen Meisters AIK – vier davon wurden im Råsunda gefeiert.

AIK – Barcelona 1:2 (0:0)

1999 schaffte man sogar den Sprung in die Champions League. Und die Begann gleich mit einem Kracher: Der FC Barcelona gab sich die Ehre. Das war jenes Team der Katalanen, in dem Trainer Louis van Gaal zu Beginn der Post-Bosman-Ära so etwas wie ein „Ajax, Version 2.0“ aufbauen wollte. Mit dem selben taktischen Grundgerüst wie zur seiner großen Ajax-Zeit, und zum Teil sogar mit dem selben Personal – die De-Boer-Zwillinge, Jari Litmanen, Patrick Kluivert, auch mit Winston Bogarde.

Und mit einem sehr jungen Xavi, gerade mal 19 Jahre alt. In der Gruppe mit den Katalanen, mit der Fiorentina von Trapattoni um Rui Costa und Batistuta, und mit dem Arsenal von Wenger um Bergkamp und Overmars gab es für das Team des schottischen Trainers Stuart Baxter, wie kaum anders zu erwarten war, nur einen Zähler – ein 0:0 daheim gegen die Italiener.

Vom Tor des bosnischen Stürmers Nebojsa Novakovic, mit dem er AIK gegen das Star-Ensemble aus Barcelona sogar mit 1:0 in Führung brachte, schwärmen Fans des Klubs natürlich bis heute. Dass es durch Gegentore in den Minuten 86 und 93 noch eine 1:2-Niederlage gab – vergeben und vergessen.

Was bleibt, sind Souvenirjäger…

Als der erste Ärger über den verpassten Punkt gegen Napoli verraucht war, setzte auf der vollbesetzten Tribüne recht schnell wieder die Wehmut zurück. Das wissen, dass dieses Europa-League-Spiel gegen Cavani und Co. das allerletzte Spiel an dieser historischen Stätte war. Dass das Råsunda das erste WM-Finalstadion der Geschichte wird, das abgerissen wird und vollkommen von der Bildfläche verschwindet, und nicht „nur“ renoviert wird.

Dass ihnen die Gäste aus Italien nicht einmal die eher zweifelhafte Ehre gelassen haben, wenn schon nicht das letzte Tor geschossen, dann doch zumindest den letzten Ausschluss zu lassen (Salvatore Aronica musste nach einer Notbremse an Mohamed Bangura frühzeitig vom Platz) – geschenkt. Schnell wurde begonnen, sich alles unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest war. Naja – eigentlich sogar auch, was niet- und nagelfest war. Schilder, Sitze, braucht ja keiner mehr.

…und der Umzug nach Fan-Voting

Wo es im Jahr 2013 für AIK weitergeht? Ein Verein, der die Rückennummer 1 nicht vergibt, weil diese für die Fans reserviert ist, kann das natürlich nicht entscheiden, ohne die eigenen Anhänger zu fragen. Darum wurde ein Voting veranstaltet: In das neue, hochmoderne 50.000-Zuschauer-Nationalstadion in der Nachbarschaft oder in die ebenfalls brandneue 30.000-Mann-Arena im Süden Stockholms? Das Ergebnis war eindeutig: Die Nationalmannschaft und AIK werden sich auch weiterhin eine gemeinsame Heimstätte haben.

Sich ein Stadion mit dem ungeliebten Rivalen Hammarby zu teilen? Na, das wäre ja wohl auch noch schöner!

(phe)

Alle Bilder: phe

]]>
https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/feed/ 1
Ballverliebt Classics: Als Europa zur Ottokratie wurde https://ballverliebt.eu/2011/12/23/ballverliebt-classics-als-europa-zur-ottokratie-wurde/ https://ballverliebt.eu/2011/12/23/ballverliebt-classics-als-europa-zur-ottokratie-wurde/#comments Fri, 23 Dec 2011 08:01:09 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6142 Ballverliebt Classics: Als Europa zur Ottokratie wurde weiterlesen ]]> „Otto…!“ Noch heute bekommen Griechen, ganz gleich ob Fußball-Fan oder nicht, leuchtende Augen und ein breites Lächeln im Gesicht, wenn der Name „Rehhagel“ fällt. Der knorrige Deutsche hatte 2001 das seit jeher national und international absolut bedeutungslose Team der Hellenen übernommen. In nur drei Jahren machte er daraus den Europameister – eine der größten Sensationen der Fußball-Geschichte. „Bevor ich kam“, erklärte der schon während der EM 2004 ‚Rehhakles‘ Genannte, „hat jeder gemacht, was er will. Jetzt macht jeder, was er kann!“

Dabei sprach Rehhagel kein Wort Griechisch – dafür holte er sich Jannis Topalidis. Der Deutsch-Grieche aus Stuttgart wurde mehr als nur Ottos Co-Trainer: Er war Dolmetscher, Vertrauter und auch sein Sprachrohr. Zwar ging sein erstes Spiel als Teamchef mit einem 1:5 in Finnland verloren, aber der belächelte Rehhagel machte bald ernst. Er verbannte Vereinsfunktionäre und Spielerberater aus dem Umfeld der Nationalmannschaft und machte die Ansammlung von Spielern aus drei gegnerischen Lagern – Olympiakos, Panathinaikos und AEK – ein Team. Ja, mehr noch, eine Familie. Eine Gemeinschaft.

Und doch schien in der Qualifikation zur Euro2004 in Portugal alles den gewohnten Gang zu nehmen: Zwei Niederlagen zum Start, daheim gegen Spanien und in der Ukraine. Doch die Maßnahmen Rehhagels begannen zu greifen, und in den restlichen sechs Quali-Spielen gab’s kein einziges Gegentor mehr, dafür nur noch Siege. Wie das 1:0 in Saragossa gegen Spanien. Und das 1:0 am letzten Spieltag gegen Nordirland, das die direkte Qualifikation sicherte und die Spanier ins Playoff schickte.

Die Griechen wurden in die Gruppe mit Veranstalter Portugal gelost; zu den Spaniern, die trotz des Umwegs als klar besser als die Hellenen galten; dazu kamen noch die Russen. Alleine die Tatsache, dass die Griechen dabei waren – erst zum dritten Mal hatte man es bei einem großen Turnier geschafft – wurde Rehhagel als Riesenerfolg angerechnet. Nur die Mega-Außenseiter aus Lettland, die sich überraschend qualifiziert hatten, sahen die Buchmacher noch chancenloser als die Griechen. Mehr als der dritte Gruppenplatz bei einem möglichen Sieg gegen die Russen im letzten Spiel wurde als pure Träumerei betrachtet.

Das Eröffnungsspiel

Griechenland - Portugal 2:1 (1:0)

Und vielleicht wäre ja alles ganz so gekommen, wenn nicht Paulo Ferreira in der allerersten Partie des Turniers nach sechs Minuten den Ball in der Vorwärtsbewegung in die Beine von Giorgios Karagounis gespielt hätte. Und sich Fernando Couto nicht so vornehm zurück gehalten und den Richtung Strafraum ziehenden Griechen gestellt hätte. So aber zog Karagounis ab und traf aus 20 Metern zum 1:0 für Griechenland. Es war der endgültige Startschuss zu diesem hellenischen Sommermärchen.

Denn die Führung und die Tatsache, dass der ganze Druck nun umso mehr auf den Portugiesen lastete, spielte dem Außenseiter in die Hände. Bei dem die Aufteilung in der Abwehr so aussah, dass Michalis Kapsis der portugiesischen Solo-Spitze Pauleta überall hin nachlief und Traianos Dellas, Rehhagels knapp zwei Meter großer „Koloss von Rhodos“, als Libero die restliche Abwehr organisierte.

Vor der Viererkette bauten die Griechen einen weiteren Wall aus drei defensiven Mittelfeldspielern auf. Basinas war dabei ein beinahe klassischer Vorstopper, dessen Hauptaufgabe darin bestand, Rui Costa aus dem Spiel zu nehmen. Assisiert wurde er von Zagorakis rechts und Karagounis links. Dieses Trio stellte die Mitte komplett zu, sodass Rui Costa unsichtbar wurde und die Mitte als Weg für die Portugiesen dicht.

Portugal auf die Außen gedrängt

Somit blieb dem Gastgeber nur der Weg über die Außen, aber Figo und Simão hatten es dort immer mit zumindest zwei Gegenspielern zu tun, weil die Dreierkette vor der Abwehr so verschob, dass Zagorakis bzw. Karagounis immer helfen konnten und somit immer eine Überzahl auch auf den Flanken gegeben war. Um die Außenverteidiger der Portugiesen kümmerten sich mit Charisteas und Giannakopoulos die beiden Außenspieler im griechischen Fünfer-Mittelfeld.

Der Weg in den Strafraum war den Portugiesen damit komplett versperrt, Pauleta sah kaum einen Ball. So konnten es sich Seitaridis und Fyssas auch immer wieder erlauben, nach vorne aufzurücken. Das Problem, dass im portugiesischen Rückraum mit Maniche und Costinha zwei Sechser ohne Gegenspieler dastanden und so theoretisch das Spiel von hinten lenken konnten, begegneten die Griechen mit durchaus sehenswertem Pressing.

Portugals Teamchef Scolari kratzte für die zweite Hälfte nur an Symptomen, aber nicht am System. Zwar machten Cristiano Ronaldo (statt Simão) und Deco (statt Rui Costa) einen deutlich agileren Eindruck als ihre Vorgänger vor der Pause, aber die Griechen mussten ihrerseits nichts umstellen. Und nachdem der damals 19-jährige Cristiano Ronaldo in seiner ersten Defensivaktion im eigenen Strafraum den aufgerückten Seitaridis umrannte, gab’s Elfmeter und Basinas verwertete diesen unhaltbar zum 2:0.

Schlussphase im Eröffnungsspiel

Zweiter Stürmer, zweiter Manndecker

Dann erst entschloss sich Scolari, mit Nuno Gomes (statt Costinha) einen zweiten Stürmer einzuwechseln. Rehhagel ließ sich nicht darauf ein, hinten Dellas mit Manndeckung zu betrauen, sondern beorderte stattdessen Katsouranis (der zur Pause für den gelb-rot-gefährdeten Karagounis gekommen war) nach hinten, um sich des zweiten Stürmers anzunehmen. Fyssas blieb auf der Außenbahn und kümmerte sich nun praktisch alleine um diese.

Mit den aktiven neuen Spielern entwickelte das Spiel der Potugiesen einen fast schon dramatischen Linksdrall, Figo wurde überhaupt nicht mehr eingebunden, wie generell es Deco und Co. verabsäumten, die auch bei den Griechen nun unterbesetzte Seite zu bespielen. So lief sich Portugal immer wieder fest, die Abstimmung vor allem zwischen Cristiano Ronaldo und Pauleta passte überhaupt nicht, bei beiden Stürmer kamen mit der Manndeckung nicht zurecht und Dellas, ohne direkten Gegenspieler, klärte immer wieder. Das 2:1 durch Ronaldo in der Nachspielzeit (nach einer Ecke von Figo) fiel viel zu spät, die Griechen hatten die Sensation trocken nach Hause verteidigt.

Glück gegen Spanien

Griechenland - Spanien 1:1 (0:1)

Weil im zweiten Spiel die Spanier, die am Eröffnungstag die Russen mit viel Mühe 1:0 besiegt hatten, von Anfang an mit zwei Stürmern antraten, opferte Rehhagel Basinas und ließ mit Katsouranis gleich einen zweiten Manndecker auflaufen. Er kümmerte sich um Raúl, der etwas aus der Tiefe kam und somit auch seinen Gegenspieler oftmals aus der Abwehr herauszog.

Das fehlen von Basinas im Mittelfeld ließ aus der Dreierkette gegen Portugal gegen das 4-4-2 der Spanier (das eigentlich mehr ein 4-2-2-1-1 war) noch Zagorakis und Karagounis übrig. Das war aber kein Problem, weil es im Zentrum bei den Spaniern ohnehin keinen wirklich kreativen Spieler gab und somit auch keiner bewacht werden musste. So verlegte sich Zagorakis darauf, aus der Tiefe das Spiel zu lenken und Karagounis rückte immer wieder auf und presste auf Baraja und Albelda.

Die Spanier, bei denen Etxeberria von Fyssas komplett abgemeldet wurde, kamen nur über die linke Seite mit Raúl Bravo und Vicente nach vorne. Morientes und Raúl waren aber gut abgedeckt und so gab es den ersten Torschuss erst nach einer halben Stunde: Kapsis verlor den Ball leichtsinnig und Morientes nützte die plötzliche Unordnung zum 1:0 für Spanien.

Neue Situation: Man ist hinten

Das war eine komfortable Situation für die Spanier, die nun nicht mehr zwingend gegen die ungewohnte Manndeckung anrennen mussten, sondern sich ein wenig zurücklehnen konnten. Bei den Griechen wurde vor allem das Spiel über die Außenbahnen vernachlässigt. Charisteas und Giannakopoulos, die nominell über die Flanken kamen, spielten sehr weit innen und die Außenverteidigier sahen sich somit, anders als noch gegen Portugal, mit einer 1-gegen-2-Unterzahl konfrontiert.

Umso mehr, als Spaniens Teamchef Iñaki Saez nach der Pause für den unsichtbaren Etxeberria auch noch Joaquín einwechselte. Dieser machte sofort viel Wirbel und narrte Fyssas nach Belieben. Die Spanier hatten alles sicher im Griff und das zweite Tor schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, zumal Saez nach einer Stunde auch das Mittelfeld stärkte, indem er statt Spitze Morientes nun Zehner Valerón ins Spiel brachte.

Rehhagel versuchte seinerseits, mit Vassilis Zartas mit einen offensiveren Mittelfeldspieler (statt Karagounis) mehr Akzente nach vorne setzen zu können. Der neue Mann orientierte sich deutlich höher und spielte mit den Flügelspielern (Charisteas und Vryzas, nachdem Mittelstürmer Nikolaidis für den angeschlagenen Giannakopoulos eingewechselt worden war). Zartas bereitete auch gleich den Ausgleich vor, auch wenn dieser mit den Umstellungen nichts zu tun hatte, sehr viel aber mit einer Unzulänglichkeit des spanischen Innenverteidigers Helguera: Der Mann von Real Madrid berechnete einen 50-Meter-Pass von Zartas auf Charisteas völlig falsch, sprang unter dem Ball durch und Charisteas schoss aus dem nichts das 1:1.

Da bei den Spaniern nun nur noch eine Spitze übrig war (Raúl) und Valerón auf die Zehn ging, wechselten Kapsis und Katsouranis ihre Gegenspieler – Kapsis blieb hinten und rannte Raúl nach, während Katsouranis ins Mittelfeld zu Zagorakis aufrückte und dort Valerón das Leben schwer machte. Die Folge war ein ähnliches Spiel wie gegen Portugal: Durch die Mitte kam Spanien nicht durch, so musste es über die Flügel gehen. Und her machte Joaquín seinen Gegner Fyssas so sehr zu schaffen, dass Rehhagel ihn noch vor Spielende durch Venetidis ersetzen musste.

Doch trotz der drückenden Dominanz über die rechte Seite scheiterte Spanien zum einen am wieder hervorragend spielenden Nikopolidis und an der Tatsache, dass man sich in der Mitte gegen die Überzahl, welche die Griechen durch den Einsatz eines Liberos erhielten, nicht entscheidend durchsetzen konnte. So führte Rehhagels Team die Gruppe vorm letzten Spiel mit vier Zählern an, punktgleich mit Spanien, dahinter Portugal mit drei Punkten und Russland mit zwei Niederlagen.

Nach Rückstand das Spiel machen? Funktioniert nicht!

Griechenland - Russland 1:2 (1:2)

Das Turnier der Russen stand unter keinem guten Stern. Erst fiel Teamchef Georgi Jartsev mit Onopko und Ignashevitch die komplette Innenverteidigung aus, dann flog im zweiten Spiel gegen Portugal auch noch Torhüter Ovtchinnikov zu Unrecht vom Platz – so war das Aus der Sbornaja eben schon vorm letzten Gruppenspiel in Faro an der Algarve besiegelt.

Dennoch gaben sie Vollgas und brachten durch das 1:0 von Kirichenko schon in der 2. Minute die Griechen dazu, einem Rückstand hinterher laufen zu müssen. Was in diesem Fall tatsächlich so war, denn ob der Situation in der Gruppe konnte sich Griechenland alles andere als sicher sein, dass es auch mit einer Niederlage für das Viertelfinale reicht. Mit einem 0:1 standen die Chancen noch recht gut, aber als nach einer Viertelstunde aus einem Eckball das 0:2 durch Bulykin fiel, wurde der Faden dünner. So lange Portugal in deren Must-Win-Spiel gegen Spanien nicht führt, reichte das zwar noch. Aber darauf vertrauen, dass das so bleibt, durfte man natürlich nicht.

Hatten die Griechen mit ihrer Spielanlage zuvor noch davon profitiert, dass der Gegner aktiv war und man selbst reagieren konnte, war man nun gezwungen, gegen eine sich zurückziehende Mannschaft, die nach Ballgewinn schnell kontert – vor allem Gusev machte der linken Seite der Griechen enorme Probleme – das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen. Das funktionierte nicht: Basinas und Zagorakis hatten acht russische Feldspieler zwischen sich und dem Tor, aber kaum mehr als drei eigene Mitspieler. Hinzu kam, dass Seitaridis auf der rechten Seite alleine für Breite sorgen sollte (gegen zwei Russen) und schlicht das Tempo und die Ideen nach vorne fehlten.

Anschlusstor – reicht das?

Deshalb brachte Rehhagel schon vor der Pause den kreativeren Zartas statt des tief agierenden Basinas. Schon in seiner ersten Aktion holte Zartas einen Eckball heraus, aus dem der Anschlusstreffer fiel – Zisis Vryzas konnte Malafejev überwinden. Damit waren die Griechen zur Pause erst einmal auf der sicheren Seite: Eine Niederlage, die nicht höher ausfällt als eine der Spanier, reicht – sofern die Iberer dabei nicht zwei Tore mehr erzielen. Das hieß zur Halbzeit: Das 1:2 reicht nur dann nicht, wenn Spanien gleichzeitig 3:4 oder 4:5 gegen Portugal verliert. Was bei einem Pausenstand von 0:0 im Parallelspiel mehr als unrealistisch erschien. Und als die Portugiesen nach rund einer Stunde in Führung gingen, hieß das für Griechenland: Bleibt’s beim eigenen 1:2, reicht das. Ein drittes Gegentor darf aber nicht mehr fallen.

Nach dem Seitenwechsel blieb Zartas aber unauffällig, auch weil die Russen – bei denen Alentichev deutlich in seinem Aktionsradius eingeschränkt worden war – die Mitte gut zumachten und die Griechen somit gezwungen waren, ihre Angriffe über die Flügel aufzubauen. Das machte vor allem der extrem aktive Seitaridis gut, er drückte Jevsejev und Semshov (war für Karjaka gekommen) nach hinten und sorgte so dafür, dass Kirichenko vorne in der Luft hing. Auf der anderen Seite bekam Gusev nun Unterstützung von Dmitri Sychov (war für Bulykin gekommen), sodass Venetidis immer deutlich mehr Defensivarbeit verrichten musste als Seitaridis. Das Spiel der Griechen nach vorne war damit sehr eindimensional – alles über Seitaridis – und harmlos.

Die Russen versuchten schon relativ früh, das Tempo aus dem eigenen Spiel nach vorne herauszunehmen. Sie hatten erkannt, dass dem Gegner nichts einfällt, wollten den Griechen gar nicht erst die Gelegenheit geben, zu schnellen Gegenstößen zu kommen. Außerdem führten sie ja und konnten selbst mit dem Sieg den letzten Gruppenplatz nicht mehr verlassen. Wozu also das Risiko eingehen, den Griechen ins offene Messer zu laufen.

Diesen war aber, je länger es dem Ende entgegen ging, auch immer mehr klar: Diese knappe Niederlage reicht, also war es ihnen wichtiger, kein Tor mehr zu kassieren, als mit aller Kraft – die, man hatte es ja gesehen, äußerst schwach übersetzt war – auf den Ausgleich zu gehen. So gab es in der letzten halben Stunde nur noch eine nennenswerte Chance (für die Russen). Beide Teams waren mit dem Resultat einverstanden. Die Griechen waren als Gruppenzweiter weiter, Spanien nach dem 0:1 gegen Portugal im Parallelspiel raus.

Großer Erkenntnisgewinn

Das 1:2 hat außerhalb der beiden Länder kaum jemand gesehen – alles hatte sich natürlich auf die Parallel-Partie konzentriert – brachte aber für Otto Rehhagel ganz entscheidende Erkenntnisse. Selbst gegen die eher limitierten Russen – die Mannschaft war mit jener, die vier Jahre später unter Guus Hiddink so überzeugend ins Halbfinale marschiert war, nicht einmal im Ansatz zu vergleichen – war es den Griechen nicht möglich, mit eigenen Mitteln das Spiel zu machen. Das hieß im Viertelfinale gegen Frankreich umso mehr: Seine Mannschaft darf unter gar keinen Umständen in Rückstand geraten, will sie eine Chance haben. Was gegen Russland nicht geht, wird gegen den Titelverteidiger, auch wenn der keine überzeugende Vorrunde absolviert hatte, erst recht nicht klappen.

Griechenland - Frankreich 1:0 (0:0)

So stellte Rehhagel für das Spiel gegen Frankreich auch um. Seine größte Sorge galt dabei natürlich dem genialen Zinedine Zidane und dem flinken Thierry Henry. Dem Arsenal-Stürmer, der in der Premier-League-Saison vor dem Turnier 30 Tore erzielt hatte, stellte er nicht Katsouranis auf die Füße, sondern opferte Rechtsverteidiger Seitaridis, der in den Gruppenspielen so stark auf der Außenbahn agiert hatte. Der Plan dahinter war klar: Der schnelle Seitaridis hatte gegenüber Katsouranis klare Tempo-Vorteile. Die erachtete Rehhagel als wichtiger als die Vorstöße auf der rechten Flanke.

Bei Zidane kam Rehhagel entgegen, dass der französische Teamchef Jacques Santini seinen Kapitän und Superstar nicht auf der Zehn spielen ließ, sondern auf der rechten Seite in einem 4-2-2-2. Das erlaubte es Rehhagel, dem Star von Real Madrid gleich von drei Leuten umzingeln zu lassen: Linksverteidiger Fyssas, dazu den ins linke Halbfeld geschobenen Katsouranis.

Und Giorgios Karagounis. Der rückte statt eines Linksaußen (in der Vorrunde Giannakopoulos bzw. Papadopoulos) auf diese Position und lief Zidane, sofern sich dieser auf dieser Seite aufhielt, praktisch überallhin nach.

Das Fehlen von Seitaridis auf der anderen Seite glich Rehhagel aus, indem er Kapitän Zagorakis auf die Außenbahn stellte, um dort Pirès das Leben schwer zu machen; falls nötig unterstützt von Basinas und Charisteas. Was im Umkehrschluss hieß: Rehhagel hatte noch anderthalb dezidiert offensive Spieler auf dem Feld – Sturmspitze Nikolaidis, der nach drei Kurzeinsätzen nun erstmals im Turnier von Beginn an spielen durfte, und eben Charisteas.

Extrem statisches Spiel

Der Plan war damit deutlich defensiver als in den Gruppenspielen angelegt: Dem Gegner die Spielgestaltung rauben, die Angreifer somit gleich doppelt aus der Partie zu nehmen – zum einen durch strenge Manndeckung, zum anderen eben durch das Abschneiden vom Nachschub aus dem Mittelfeld. Es dauerte nicht lange, ehe Zidane – der seine Verfolger auch durch frühes Einrücken nicht abschütteln konnte – mit Pirès die Seiten tauschte. Aber auch das half nichts, weil der extrem giftige Zagorakis ein mindestens genauso unangenehmer Gegenspieler war. Wenn nicht sogar noch unangenehmer.

So wurde das Spiel extrem statisch: Den Franzosen wurde auf den Flanken und in der Spitze jede Luft zum atmen genommen und die Griechen hatten überhaupt nie die Absicht, und auch nicht das Personal, selbst etwas nach vorne zu machen. So blieb den recht hilflos im Raum stehenden Makélélé und Dacourt (der den angeschlagenen Vieira nicht einmal ansatzweise ersetzen konnte) nur die Option „lang und weit“, aber mit vier eigenen Offensivspielern gegen acht bis neun Griechen konnte das nicht gut gehen. So kamen auch keinerlei Impulse.

Eine zentrale Stärke der Griechen: Keine billigen Freistöße!

Eine ganz große Stärke der Mannschaft aus Griechenland war es bei diesem Turnier aber nicht nur, aus dem Spiel heraus wenig bis gar nichts zuzulassen – sondern, mindestens ebenso wichtig, keine billigen Freistöße in der Nähe des Strafraums zu erlauben. Bei aller Härte im Spiel gegen den Mann und aller Konsequenz im verhindern des gegnerischen Spielaufbaus verstanden es vor allem Zagorakis und Basinas, die hauptsächlich für diesen Raum zuständig waren, sich taktisch so diszipliniert zu verhalten, dass es praktisch keine Fouls in gefährlichen Lagen gab und so etwa in diesem Spiel Zidane und Henry nie die Gelegenheit hatten, mal einen Freistoß Richtung Tor zu zirkeln.

Mit der Konzentration von Zagorakis auf die Defensive war zwar die rechte Seite offensiv relativ begrenzt, was aber nicht heißt, dass der Kapitän nicht durchaus auch mal den Vorwärtsgang einlegte und schnell umschaltete, wenn sich die Gelegenheit ergab. So wie etwa in der 65. Minute, als er Lizarazu sehenswert aussteigen ließ, eine Flanke zur Mitte brachte und dort Charisteas völlig frei zum 1:0 einköpfeln konnte – weder Thuram noch Gallas fühlten sich für den Reservisten von Werder Bremen zuständig.

Zu späte Umstellung von Santini

Die ganze Problematik dieser lustlosen und satt wirkenden französischen Mannschaft manifestierte sich im Gesichtsausdruck von Teamchef Santini, der wie eine Mischung aus Hilflosigkeit und Trägheit wirkte. Es war kein Feuer erkennbar, kein Teamgeist, kein echter Plan. Wenn die Franzosen in die Nähe des griechischen Tores kamen, dann lange nur über Einzelaktionen – ein Vorstoß von Bixente Lizarazu, ein Lauf aus der Tiefe von Henry. Aber mehr Druck konnte erst aufgebaut werden, als Santini viel zu spät die völlig überflüssige Doppelsechs auflöste.

Mit Wiltord (statt den überforderten Dacourt) auf der rechten Seite und Zidane zentral konnte das Geflecht der Griechen etwas entzerrt werden, dazu bewegte sich Louis Saha (statt des von Kapsis komplett abmontierten Trezeguet) deutlich mehr und deutlich besser als sein Vorgänger. So gelang es den auch immer müder werdenden Griechen kaum noch, sich nachhaltig zu befreien. Bestes Beispiel dafür war Libero Traianos Dellas: Der 1.97m-Riese zeigte sich als reiner Holzhacker, als totaler Zerstörer unfähig zur Spieleröffnung. Er holzte die Bälle nur noch so weit wie möglich weg, nicht selten auf die Tribüne. Aber man hielt den Franzosen stand und hatte sensationell das Halbfinale erreicht.

Das beste Team des Turniers

Dort wartete aber mit den Tschechen das zweifellos beste Team des Turniers. Die große Stärke der Mannschaft von Karel Brückner war die enorme Vielseitigkeit: Da war der schnelle Milan Baroš, der schon fünf Turniertore auf dem Konto hatte. Neben ihm Jan Koller, ein Baum von einem Kerl. Und dahinter mit Pavel Nedvěd, Tomáš Rosický und Karel Poborský drei der besten offensiven Mittelfeldspieler Europas – abgesichert vom extrem verlässlichen Tomáš Galásek. Das war eine andere Hausnummer als die lustlosen Franzosen.

Griechenland - Tschechien 1:0 n.V.

Rehhagel stellte Rechtsverteidiger Seitaridis auch diesmal als Manndecker auf, er sollte den in Überform agierenden Baroš neutralisieren. Die Bewachung von Jan Koller wurde indes aufgeteilt: Aus dem laufenden Spiel heraus war Michalis Kapsis der Bewacher des Zwei-Meter-Riesen von Borussia Dortmund, im Strafraum und bei Standard-Situationen übernahm jedoch Dellas. Ganz einfach deshalb, weil der selbst annähernd zwei Meter groß war.

Auch das Mittelfeld-Trio der Tschechen wurde manngedeckt: Katsouranis kümmerte sich um Nedvěd, Fyssas degradierte Poborský zur Wirkungslosigkeit und Zagorakis wich nie weit von Rosickýs Seite. Doch mit dem hohen Tempo und vor allem der hohen Variabilität der tschechischen Offensiv-Kräfte kamen die Griechen zu Beginn kaum mit. Koller und Baroš ließen sich oft weit fallen und kamen aus der Tiefe, Nedvěd rückte viel ein und erlaubte Jankulovski das Hinterlaufen – Charisteas hatte damit große Probleme. Es brauchte schon ein paar gute Aktionen von Nikopolidis im Tor, um diese Phase unbeschadet zu überstehen.

Der zweite freie Mann: Angelos Basinas

Dass es die Griechen aber mit Fortdauer der ersten Halbzeit doch geschafft haben, das Spiel zu beruhigen und nicht mehr permanent unter Beschuss zu stehen, war vor allem einem der unbesungenen Helden dieser Mannschaft zu verdanken: Angelos Basinas. Der schmächtige Sechser mit dem schon etwas schütteren Haaransatz war, wenn man so will, der zweite Libero im System von Otto Rehhagel; der freie Mann im Mittelfeld.

Während um ihn herum alle mit klaren Mann-gegen-Mann-Zuteilungen eingedeckt waren, musste Basinas den Löcherstopfer im Zentrum spielen. Das erforderte enorme Spielübersicht, die Fähigkeit, das Spiel lesen zu können, und vor allem eine absolute Pferdelunge. Die Laufleistung von Basinas suchte seinesgleichen. Nicht nur in diesem Spiel, sondern im ganzen Turnier – nur war er gegen die quirligen Tschechen ganz besonders wichtig.

Mit seiner permanenten Unterstützung wo immer gerade eine Unterzahl-Situation zu entstehen drohte, war Basinas der große Stabilisator im Mittelfeld und entlastete vor allem Zagorakis gegen Rosický. Doppelt wichtig – denn Zagorakis hatte schon im Viertelfinale eine gelbe Karte gesehen und wäre somit bei einer weiteren Verwarnung im Finale gesperrt gewesen, und zum anderen stellte Basinas immer wieder mögliche Passwege zu, wenn Rosický unter Druck kam und zu einem schnellen Abspiel gezwungen wurde.

Pavel Nedvěd muss raus

Womöglich hätten die Tschechen das alles schon noch irgendwie austanzen können, wenn sich nicht nach einer halben Stunde ihre wichtigster Spieler verletzt hätte: Pavel Nedvěd ramponierte sich in einem unglücklichen Zweikampf mit Katsouranis sein rechtes Knie. Humpelnd versuchte er es noch ein paar Minuten, letztlich musste aber Šmicer noch vor der Halbzeitpause den Blondschopf ersetzen.

Hatte Katsouranis mit Nedvěd noch so seine Schwierigkeiten, hatte nun Šmicer ganz klar das Nachsehen. So gelang es den Griechen in der zweiten Halbzeit, mit der Manndeckung gegen Šmicer und Poborský die Flügel zu neutralisieren, mit Dellas als überzähligem Mann in der Abwehr die Stürmer zu kontrollieren und mit Basinas als überzähligem Mann im Zentrum auch dort die Tschechen immer weniger zur Geltung kommen zu lassen.

Rehhagel schaltet einen Gang hoch

Was den Teamchef der Griechen dazu veranlasste, nach 70 Minuten einen Gang nach vorne zu schalten. Er nahm den sichtlich überraschten Basinas vom Feld und brachte dafür mit dem nach seiner Zerrung wieder genesenen Giannakopoulos einen offensiveren Mann; anders als bei seinen ersten zwei Einsätzen spielte er aber nicht auf der Flanke, sondern tatsächlich im Zentrum. Es war dies eigentlich der Wechsel, der zuvor im Turnierverlauf eher Zartas ins Spiel kommen sah, aber Rehhagel wollte wohl eher einen schnellen Spieler zum flinken Umschalten als den eher statischeren Ballverteiler Zartas in der Partie haben.

Was aber nicht den gewünschten Effekt hatte – denn ohne Basinas als freien Mann im Mittelfeld hatte Rosický plötzlich wieder etwas mehr Freiräume und vor allem konnten sich Koller und Baroš durch ihr Zurückfallen lassen wieder Räume erarbeiten und ihre Tempoläufe waren immer wieder nur durch Fouls zu stoppen. Erstmals im Turnierverlauf gaben die Griechen vermehrt Freistöße in Strafraumnähe her. Ein Tor der Tschechen sah deutlich wahrscheinlicher aus als eines des Außenseiters, dennoch ging es mit dem 0:0 in die Verlängerung.

Alles auf eine Karte

In der Verlängerung

Für diese wechselte Rehhagel erneut: Statt des extrem fleißigen Stürmers Vryzas brachte er nun doch Vassilis Zartas in die Partie. Er und Giannakopoulos flankierten nun den in die Spitze aufgerückten Charisteas, gaben praktisch zwei Spielgestalter, die auch ein wenig auf die Flanken aufpassen mussten. So stellte Rehhagel, zum ersten Mal überhaupt in diesem Turnier, eine Überzahl in der kreativen Zone der gegnerischen Hälfte her.

Damit nahmen die Griechen nun tatsächlich das Heft in die Hand und die Tschechen, die damit ganz offensichtlich nicht gerechnet hatte, wussten nicht wirklich damit umzugehen. Zudem machte Petr Čech, damals noch ohne Rugby-Mütze, im Tor einen alles andere als sicheren Eindruck: Unsicher beim Herauslaufen, mit Schwierigkeiten beim Fangen des Balles.

Und so kam, was kommen musste: In der 105. Minute ließ René Bolf nach einer Ecke von Zartas den aufgerückten Dellas zum Kopfball kommen, der Libero markierte das einzige Länderspiel-Tor seiner Karriere. Und weil die Silver-Goal-Regel galt, nach der bei einem Tor der Gegner nur bis zum Ende der laufenden Hälfte der Verlängerung die Chance zum Ausgleich hatte, war das natürlich die Entscheidung – Referee Pierluigi Collina pfiff in seinem letzten Spiel bei einem großen Turnier nur noch für einige Sekunden an, ehe er nicht nur dem Spiel ein Ende machte, sondern auch dem Turnier der an sich besten Mannschaft dieser Europameisterschaft. Ohne Nedvěd hatten es auch die Tschechen nicht geschafft, ein probates Mittel gegen die Manndeckung der Griechen zu finden.

Die Krönung im „Wiederholungsspiel“

So kam es im Finale quasi zur Wiederholung vom Eröffnungsspiel – Griechenland gegen Portugal. Das Team von Luiz Felipe Scolari war im Turnierverlauf der einzige Gegner der Griechen, der mit nur einem Stoßstürmer agierte und nicht im 4-4-2, dafür mit drei Spielmachern im Mittelfeld. Darum entschied sich Rehhagel für einen anderen Ansatz als in den Partien gegen Frankreich und Tschechien, und orientierte sich wiederum am ersten Spiel: Bis auf die klare Zuteilung von Kapsis auf Solo-Spitze Pauleta gab es keine Manndeckung mehr.

Griechenland - Portugal 1:0 (0:0)

Das Team von Portugal unterschied sich gegenüber dem ersten Aufeinandertreffen drei Wochen zuvor personell auf fünf Positionen, aber nicht von der Ausrichtung her. Es war ein 4-2-3-1, das auf der iberischen Halbinsel schon länger üblich war, den echten Durchbruch aber erst zwei Jahre später bei der WM in Deutschland feiern sollte.

Rehhagel stellte gegen das Triumvirat mit Figo, Deco und Ronaldo wieder die defensive Mittelfeld-Kette mit Basinas, Katsouranis und Kapitän Zagorakis, die im Verbund verschoben und die Portugiesen kaum zur Entfaltung kommen ließen. Pauleta hing in der Luft und wurde von seinem Bewacher Kapsis zusätzlich kaltgestellt.

Griechen spielen mit

Der große Unterschied zu Viertel- und Semifinale war aber, dass Seitaridis wieder fleißig über die rechte Außenbahn nach vorne randalieren konnte. Zagorakis übernahm in diesen Fällen Cristiano Ronaldo (bzw. Figo, die beiden tauschten sehr häufig die Seiten), Valente war somit sehr viel defensiv gebunden und durch den nach innen rückenden Charisteas und den wieder enorm viel arbeitenden Vryzas enstand durchaus Arbeit für die portugiesische Defensive. Costinha holte sich schon sehr früh eine gelbe Karte ab.

Ähnlich stellte sich die Situation auf der linken Flanke mit Fyssas und Giannakopoulos dar, mit Katsouranis als Absicherung. Das Spiel der Griechen musste fast zwangsläufig über die Außenbahnen kommen, weil Basinas, anders als in den Spielen davor, nicht mehr als freier Mann vor der Abwehr agieren konnte sondern mit Deco selbst viel gegen den Mann zu arbeiten hatte. So bekamen die Portugiesen keinen Zugriff auf den griechischen Strafraum und die Mannen von Otto Rehhagel sorgten mit einigen Angriffen über Seitaridis und Fyssas gut für Entlastung.

Führeres Stören nach Seitenwechsel

Den Hausherren hat sicher auch nicht geholfen, dass nach der nach einem unglücklichen Zweikampf verletzte Rechtsverteidiger Luis Miguel kurz vor der Halbzeit ausgewechselt werden musste. Seine Energie und sein Drang nach vorne kamen zwar nicht so gut zum Tragen wie in den Runden davor beim dramatischen Viertelfinale gegen England und dem letztlich recht sicheren Halbfinale gegen die Holländer, aber der für ihn eingewechselte Paulo Ferreira hatte nicht die Präsenz von Miguel.

Zudem attackierten die Griechen nach dem Seitenwechsel schon höher und erschwerten so die Spieleröffnung der Portugiesen zusätzlich. Maniche und Co. kamen mit dem Pressing überhaupt nicht zurecht. Ebenso wie mit Angelos Charisteas bei einer Ecke von Basinas von der rechten Seite: Costinha war zu weit weg vom Mann, Carvalho stand hinter dem griechischen Stürmer, und Ricardo segelte im Herauslaufen am Ball vorbei – so konnte Charisteas tatsächlich zum 1:0 treffen.

Otto parkt den Bus

Schlussphase

Scolari wusste auf dem Eröffnungsspiel, dass er mit einem zweiten Stürmer nichts erreichen würde. Also reagierte er, indem er sofort Costinha vom Feld nahm und mit Rui Costa einen vierten Spielgestalter für das Mittelfeld brachte. Dafür rückte Deco etwas zurück und kam eher aus der Etappe. Die Griechen zogen sich nun komplett zurück und parkten den sprichwörtlichen Bus vor dem eigenen Strafraum.

Die Zauberformel blieb aber weiterhin „Überzahl herstellen“ – den vier offensiven Mittelfeld-Leuten der Portugiesen stellten sich nun neben den drei zentralen Männern bei den Griechen zusätzlich Seitaridis (gegen Ronaldo) und erst Giannakopoulos und dann Venetidis gegen Figo auf den Flügeln gegenüber. Torschütze Charisteas und der statt Vryzas gekommene Papadopoulos sollten für etwas Entlastung sorgen.

Der Plan, schon im Mittelfeld den Raum eng zu machen und nicht auf eine reine Abwehrschlacht zu vertrauen, ging auf: Kaum einmal erreichte der Ball das innere des Strafraums, obwohl die Portugiesen den Ballbesitz in lichte Höhen schraubten. So blieb ein Weitschuss von Figo in der 89. Minute, der nur um ein paar Zentimeter links am Pfosten vorbei ging, die einzige wirkliche Ausgleichschance. Die Sensation war perfekt: Griechenland war Europameister!

Resonanz zwischen Bewunderung und Verärgerung

Die wohl größte Sensation der Fußball-Geschichte – ein Exot, von dem in Wahrheit drei Niederlagen erwartet wurden, gewinnt das Turnier – hat sehr gemischte Reaktionen hervorgerufen. Vor allem in Deutschland, der Heimat von Otto Rehhagel, war man vom sensationellen Erfolg des selbsternannten „Kindes der Bundesliga“ naturgemäß begeistert, zumal nach der eigenen eher schändlichen Vorstellung (dem Vorrunden-Aus, nachdem man gegen Lettland nicht gewonnen und dann gegen ein tschechisches B-Team verloren hatte) händeringend ein Erfolg versprechender neuer Teamchef für die zwei Jahre danach anstehende Heim-WM gesucht wurde.

Ansonsten herrschte aber weniger Bewunderung über die taktisch äußerst durchdachte Herangehensweise, die sich von Spiel zu Spiel zum Teil sehr deutlich unterschied, sondern eher Verärgerung. Über die Tatsache nämlich, dass man ein Turnier, das von sensationell hohem Niveau, sehenswertem Angriffsfußball und wundervollen Spielen am laufenden Band geprägt war, vom Triumph der als äußerst negativ und ob der Verwendung von Libero und Manndeckern auch noch extrem rückständig empfundenen Griechen entwertet sah.

Die Nachwirkungen

Eine Sichtweise, die sich bei den nur noch plumpen Vorstellungen der Mannschaft bei der Euro2008 und der WM 2010 noch verstärkte. Die Gegner hatten sich auf das Spiel der Griechen eingestellt. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass sich vor dem Triumphzug in Portugal erst zweimal überhaupt eine griechische Mannschaft für ein großes Turnier hatte qualifizieren können – für die EM 1980 und die WM 1994. Nach dem Turnier in Portugal gelang die Qualifikation für die EM-Endrunden 2008 und 2012, sowie für die WM-Endrunde in Südafrika.

Dass Griechenland sich nicht dauerhaft in der Weltspitze etablieren konnte, ist logisch und erwartbar. Aber das Team aus Hellas ist nach den drei Wochen von Portugal nicht wieder in der völligen Versenkung verschwunden, in der es sich davor befunden hatte. Griechenland wurde zum Stammgast bei großen Turnieren, und das alleine ist aller Ehren wert.

Zumal es vielen Helden von 2004 nicht beschieden war, auf Klub-Ebene an diesen Erfolg anzuknüpfen. Zerstörer Traianos Dellas etwa, Libero mit Holzfuß, konnte sich bei der Roma in der folgenden Saison zwar einen Stammplatz erkämpfen, wurde über die Zwischenstation AEK aber nur vier Jahre später, auch wegen der fehlenden Fähigkeit zur Spieleröffnung, ins Ausgedinge nach Zypern abgeschoben. Auch Michalis Kapsis, der als Manndecker in allen Spielen dabei war, hatte nur noch eine gute Saison, bei Girondins Bordeaux. Viele Verletzungen plagen ihn aber seither. Giorgos Karagounis konnte sich trotz einer starken EM auch weiterhin nicht bei Inter Mailand durchsetzen nach zwei Jahren bein Benfica kehrte er zu Panathinaikos zurück.

Zehner Vassilis Zartas ging in die zweite deutsche Liga zu Köln und trug nur vier Spiele zum Aufstieg bei, Angelos Basinas bekam nach zwei ordentlichen Jahren in Mallorca nichts mehr auf die Kette. Und Angelos Charisteas, der drei Tore erzielt hatte – darunter die goldenen gegen Frankreich und im Finale gegen Portugal – konnte sich bei Bremen weiterhin nicht durchsetzen, flüchtete nach Holland und ist danach nur noch mit unübersichtlich vielen Vereinswechseln aufgefallen. Dimitris Papadopoulos landete bei seinen Auslandsversuchen bei Dinamo Zagreb und in der zweiten spanischen Liga bei Celta de Vigo.

Aber es gibt auch positivere Karriere-Verläufe – Linksverteidiger Seitaridis etwa wechselte nach der EM zum FC Porto und war danach noch drei Jahre bei Atlético Madrid aktiv; Stelios Giannakopoulos blieb noch lange Jahre Stammspieler bei den Bolton Wanderers, Kostas Katsouranis wurde Führungsspieler bei Benfica, Torhüter Nikopolidis holte – obwohl ihm immer eher das Image eines Fliegenfängers treu blieb – noch sieben Meisterschaften mit Olympiakos, ehe er 2011 aufhörte.

Einige Europameister ihren Status in der Heimat genützt und sind in vielen verschiedenen Funktionen tätig geworden. Kapitän Theodoros Zagorakis etwa wurde Präsident von seinem Stamm-Klub PAOK, mit Zisis Vryzas als Sportdirektor. Linksverteidiger Fyssas wurde Technischer Direktor beim griechischen Verband, Flügelspieler Georgios Georgiadis, den Rehhagel bei der triumphalen EM aber nicht einsetzte, U-21-Teamchef. Lebemann Demis Nikolaidis, der unmittelbar nach dem Turnier seine aktive Karriere beendete, wurde Präsident bei seinem Klub AEK – mit mäßigen Resultaten, aber mit wirtschaftlichem Erfolg.

Und Otto? Teamchef Rehhagel trat nach dem Triumph nicht zurück und wurde klarerweise auch nicht deutscher Teamchef – da bekam Jürgen Klinsmann den Zuschlag. Er verpasste zwar knapp die WM 2006, qualifizierte sich aber für die Euro2008 und die WM 2010, nach der er dann doch Schluss machte. Nach neun Jahren auf der griechischen Bank, mit 106 Spielen – mehr als doppelt so vielen wie jeder andere Teamchef in der Geschichte des Verbandes.

Und ein Volksheld, ja, das ist der knorrige Deutsche immer noch. Er wird es bleiben.

(phe)

Der Kader…

Tor: Kostas Chalkias (30, AEK), Teofanis Katergiannakis (30, Olympiakos), Antonis Nikopolidis (33, Panathinaikos). Abwehr: Panagiotis Fyssas (31, Benfica), Nikos Dabizas (31, Leicester), Traianos Dellas (28, Roma), Mihalis Kapsis (31, AEK), Giorgios Seitaridis (23, Panathinaikos), Stylianos Venetidis (28, Olympiakos). Mittelfeld: Angelos Basinas (28, Panathinaikos), Giorgios Georgiadis (32, Olympiakos), Sylianos Giannakopoulos (30, Bolton), Jannis Goumas (29, Panathinaikos), Pantelis Kafes (26, Olympiakos), Giorgios Karagounis (27, Inter Mailand), Kostas Katsouranis (25, AEK), Vassilis Lakis (28, AEK), Theodoros Zagorakis (33, AEK). Angriff: Angelos Charisteas (24, Bremen), Demis Nikolaidis (31, Atlético Madrid), Dimitris Papadopoulos (23, Panathinaikos), Zisis Vryzas (31, Fiorentina), Vassilis Zartas (32, AEK). Teamchef: Otto Rehhagel (65).

Bild:  Fritz Duras, Austria Aktuell

]]>
https://ballverliebt.eu/2011/12/23/ballverliebt-classics-als-europa-zur-ottokratie-wurde/feed/ 6
Schweiz nah dran, aber effizientere Spanier holen den EM-Titel https://ballverliebt.eu/2011/06/25/schweiz-nah-dran-aber-effizientere-spanier-holen-den-em-titel/ https://ballverliebt.eu/2011/06/25/schweiz-nah-dran-aber-effizientere-spanier-holen-den-em-titel/#comments Sat, 25 Jun 2011 21:56:14 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5041 Schweiz nah dran, aber effizientere Spanier holen den EM-Titel weiterlesen ]]> „Spanien ist Europameister“ – nicht zum ersten Mal gibt es in jüngerer Vergangenheit eine solche Meldung. Im Finale der U21-EM in Dänemark machte es das Team der Schweiz mit Zauberzwerg Shaqiri und Supertalent Xhaka den Iberern lange sehr schwer. Doch die Albiroja nützte die wenigen Chancen besser.

Spanien - Schweiz 2:0

U17-Weltmeister sind sie schon, die Schweizer. Amtierender sogar – zumindest, bis in zwei Wochen in Mexiko der Nachfolger gekürt wird. Mit Granit Xhaka und dem im Finale eingewechselten Pajtim Kasami sind sogar zwei dieser Truppe diesmal dabei gewesen. Beim Finale der U21-Europameisterschaft. Dessen Erreichen ein weiterer Beweis für die hervorragende Arbeit ist, die in diesem Land geleistet wird. Und was die Spanier können, der Gegner im Finale, ist ohnedies bekannt. Welt- und Europameister bei den „Großen“, und auch im U-Bereich sind die Iberer derzeit in der Weltspitze. Nicht umsonst gelten sie bei der U20-WM in Kolumbien, die in diesem Sommer stattfindet, als aussichtsreicher Mitfavorit.

Pierluigi Tami, Teamchef der Schweizer, tauschte gegenüber dem Semifinale gegen Tschechien nicht nur personell aus – U17-Weltmeister Xhaka konnte nach abgesessener Sperre wieder mitmachen, Hochstrasser blieb dafür draußen – sondern veränderte auch das System. Aus dem 4-1-4-1 im Semifinale wurde ein 4-4-2, in dem allerdings die Flügelspieler im Mittelfeld (Shaqiri und Emeghara) oftmals weit aufrückten, sodass es in der Praxis gerne ein 4-2-4 war. Ebenso erstaunlich auch die Rolle von Xhaka: Statt als zentraler Offensivmann im Mittelfeld stand der Jungstar vom FC Basel extrem tief, oftmals tiefer als der Sechser Fabian Lustenberger, und nahm überwiegend Defensiv-Aufgaben wahr.

Defensiv-Arbeit im der gegnerischen Hälfte

Der Clou an der Zwei-Stürmer-Variante bei den Schweizern war aber weniger, dass vorne mehr Anspielstationen gewesen wären. Nein, vielmehr waren Mehmedi und Fabian Frei die vordersten Verteidiger: Sie kümmerten sich abwechselnd, und mitunter auch gemeinsam, um Javi Martínez. Der ist bei den Spaniern, die gegenüber dem 3:1-Sieg nach Verlängerung gegen Weißrussland unverändert aufliegen, der wichtigste Mann in der Spieleröffnung, aber da der Weltmeister aus Südafrika (wo er als Back-up für Busquets im Kader stand) war komplett kaltgestellt.

Die Folge war, dass das Angriffsspiel der Spanier sehr eindimensional war und sich in der Form einer Sanduhr auf dem Feld präsentierte, vor allem auf der linken spanischen Seite: Außenverteidiger gibt nach innen ab, vor dem schweizer Strafraum wieder zurück nach außen. Auf Rechts zeigte zwar Emeghara massive Schwächen in der Rückwärtsbewegung, nagelte aber Montoya schon alleine duch seine Präsenz und die ständige Gefahr von schnellen Vorstößen hinten fest;, Mata ging immer wieder zentral, wurde dort aber gut von Xhaka aufgenommen.

Auf links hatte Didac Vila zwei Möglichkeiten: Entweder selbst mit dem Ball marschieren, was gegen den giftigen Shaqiri kaum zum Erfolg führte. Oder, was er vermehrt tat, kurz auf Alcantara oder den recht tief agierneden Muniain ablegen und auf den Doppelpass gehen. Das Problem dabei: Durch die Eliminierung von Martínez wurde auch diese Variante seinem Platz beraubt und der wie das Amen im Gebet erfolgende Pass in den Lauf des Flügelspielers (Alcantara auf Muniain bzw. Muniain auf Didac, je nachdem) konnte von den Schweizern problemlos abgefangen werden. Kein Zweifel, dass in der Vorbereitung genau auf diesen sich ständig wiederholenden Pass nach Außen aufmerksam gemacht wurde.

Wenige Chancen

Nicht uninteressant, das sei an dieser Stelle auch erwähnt, die tiefere Positionierung von Iker Muniain (und auch Mata, der jedoch nicht zur Geltung kam) gegenüber dem Halbfinale gegen Weißrussland. Diese gab dem Bilbao-Jungstar nämlich eine größere Flexibilität in seinem Aktionsradius: Er konnte zentral nach vorne gehen bzw. in die Mitte ziehen und den aufrückenden Didac bedienen, er konnte Richtung Eckfahne laufen und auf das Anspiel von Alcantara lauern, er war aber auch schnell zur Stelle, wenn Shaqiri (der selbst oft sehr weit einrückte) ihn defensiv forderte. In einer ansonsten nach Halt suchenden Mannschaft war Muniain der beste Mann.

Die Schweizer konnten, weil sie eben sehr clever auf die etwas eindimensionalen Spanier eingestellt waren und die Iberer durch eine hohe Verteidigungslinie und der durchaus Druck ausübenden De-Facto-Viererkette vorne den spanischen Ballbesitz auf 55% drücken und hatten auch durch aufmerksames Spiel in der Verteidigung kaum Mühe, die Spanier in Schach zu halten und aus dem Spiel kaum jemals auch nur in die Nähe des Tores kommen zu lassen.

Auf der anderen Seite hing durch die defensive Rolle von Mehmedi und Frei vorne und der tiefen Positionierung von Xhaka fast die ganze Spielgestaltung an Shaqiri hängen. Der kam zwar auch zur besten Chance, als er mit einem ansatzlosen Drehschuss De Gea prüfte, aber die spanische Defensive schaffte es ansonsten auch ohne massivere Anstrengungen, die Offensivbemühungen der Schweizer zu unterdrücken. So war es ein auf hohem taktischen Niveau geführtes gegeseitiges Neutralisieren ohne echte Höhepunkte.

Rückstand und Reaktion

Bis zur 41. Minute. Für einmal verschoben die schweizer Ketten bei einem hohen spansichen Seitenwechsel auf Didac Vila, dieser hatte, von Koch und Shaqiri alleine gelassen, alle Zeit der Welt für eine präzise Flanke, und Ander Herrera musste nur noch den Kopf hinhalten und zum etwas überraschend fallenden 1:0 einzunicken. Ein Tor, bis zu einem gewissen Grad aus heiterem Himmel, das die Schweizer nun zur Reaktion zwang.

Die erste, noch vor der Pause, war der Seitentausch von Shaqiri mit Emeghara. Er sollte Muniain offensichtlich durch seine offensivere Grundausrichtung ähnlich aus dem Spiel nehmen wie er das mit Mata bzw. Montoya auf der anderen Flanke gemacht hatte. Diese Maßnahme wurde aber nach dem Seitenwechsel wirder verworfen, Shaqiri ging zurück auf seine angestammte rechte Außenbahn. Dafür nahm Tami einige Minten nach Wideranpfiff – nachdem er gesehen hatte, dass es keine Besserung in Sachen Offensive gab – einen Doppelwechsel vor.

Doppelwechsel verpufft

Ab der 55. Minute

Statt Frei und Emeghara betraten Mario Gavranovic (für ganz vorne) und Amir Abrashi (für rechts) das Feld; Shaqiri rückte auf die halbrechte bis zentrale Position und Xhaka rückte nun endgültig ins Mittelfeld auf. Die beisen Basel-Spieler mit kosovarischen Wurzeln sollten nun den zentralen Offensiv-Hub geben, das wurde aber von zwei Faktoren torpediert. Zum einen war das eine sich sichtbar einschleichende Kombination aus ausgehender Kraft und zunehmender Frustration, die sich in einigen eher derben Aktionen manifestierte (wie der rüden Sense von Berardi gegen Montoya).

Und zum anderen die nicht wirklich geklärte Frage, wer denn nun Emegharas linke Seite übernehmen soll, nachdem der junge Mann von GC Zürich den Platz verlassen hatte. Der Vermutung liegt nahe, dass es Gavranovic hätte sein sollen, er kam tendenziell von dieser Seite. Aber während Emeghara „nur“ schlampig in der Defensive war, ließ Gavranovic sie ganz bleiben. Mata merkte das natürlich und nützte den sich bietenden Platz gegen den gelbvorbelasteten Berardi. Spanien hatte das Spiel im Griff.

Entscheidung statt Schlussoffensive

So wurden die Schweizer, die das ganze Spiel über schon massive Schwierigkeiten hatten, die Spitzen gefährlich zu bedienen, auch nur noch aus einem Standard gefährlich, als Neu-Nürnberger Timm Klose den Ausgleich per Kopf nach einem Shaqiri-Freistoß nur knapp verpasste. Besser machte es Thiago Alcântara auf der anderen Seite, als er einen Freistoß aus etwa 30 Metern über den verdutzten und zu weit vor seinem Tor stehenden Yann Sommer zum 2:0 versenkte, als alle noch mit einem Wechsel (Jeffrén war für Adrián gekommen) beschäftigt waren.

Das Tor brachte die Schweizer Schlussoffensive natürlich zum erliegen – es war die Entscheidung.

Fazit: Schweizer clever, aber Spanier effizienter

Mit der Maßnahme, Javi Martínez zu doppeln und den Spaniern so das Metronom zu nehmen, trafen die Schweizer die exakt richtige Entscheidung, auch die schnellen Pässe auf die Außen hatte man gut im Griff. Die Eidgenossen verpassten es aber, auch selbst aus dem Spiel heraus einigermaßen gefährlich vor David de Gea aufzutauchen. Das gelang nur bei Shaqiris Chance in der ersten Halbzeit.

Einmal in Führung, konnten die Spanier ohne größere Befürchtungen auf Verwalten spielen, weil bei den Schweizern erst zu viel von Shaqiri abhing und dann, als er mit Xhaka einen Partner gehabt hätte, die linke Seite offen gelassen wurde, was eine Einladung für die Spanier war. Es fehlte den Schweizern an den Mitteln, selbst für die Spielgestaltung zu sorgen, als es gefragt gewesen wäre. Womit letztlich beide Teams verdient im Finale standen – die Spanier wegen ihrer auch individuellen Klasse, die Schweizer wegen cleverer Arbeit in Verbindung mit einem tollen Jahrgang – und dann auch das richtige Team gewonnen hat.

PS: Das Spiel um Platz drei, welches wegen der Olympia-Quali notwendig geworden war, entschied Weißrussland dank eines späten Tores mit 1:0 gegen Tschechien für sich.

(phe)

]]>
https://ballverliebt.eu/2011/06/25/schweiz-nah-dran-aber-effizientere-spanier-holen-den-em-titel/feed/ 1
„Team Alaba“ goes Normandie https://ballverliebt.eu/2010/07/06/team-alaba-goes-normandie/ https://ballverliebt.eu/2010/07/06/team-alaba-goes-normandie/#respond Tue, 06 Jul 2010 13:26:55 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2434 „Team Alaba“ goes Normandie weiterlesen ]]> Nach der WM ist vor der EM! Nämlich der U19-EM, die ab 18. Juli – also in knapp zwei Wochen – in der Normandie in Szene geht. Auch das österreichische Team ist dabei, dank des großartigen David Alaba. Das Ziel der Legionärstruppe kann nur heißen: Qualifikation für die U20-WM!

Es war zweifellos in erster Linie David Alaba zu verdanken, dass sich die ÖFB-Junioren das Ticket für das Turnier der besten acht Jahrgänge Europas lösen konnten. Jenem David Alaba, der schon mit seinen 18 Jahren Bundesliga- und Champions-League-Erfahrung mit dem FC Bayern machen durfte, und nicht zuletzt auch im Nationalteam gezeigt hat, dass er der talentierteste Österreicher am Platz war. Jenem David Alaba, den U19-Teamchef Andi Heraf gar nicht erst versucht hatte, einzuberufen, weil er einen Korb des FC Bayern (lächerlich) und von Didi Constantini (schon eher) fürchtete. Dass nichts schlimmeres als ein harmloses „Sorry, geht nicht“ gedroht hätte – anderes Thema.

Nur Aleks Dragovic, jetzt schon einer der besten Innenverteidiger der österreichischen Bundesliga – wenn nicht sogar schon der Beste – fehlt im Aufgebot, das Andi Heraf für das am 18. Juni beginnende Turnier nominiert hat. Der Bursche bekam von der Austria nicht frei. Die Violetten begründen dies mit dem Saisonstart, der auch heuer wieder lächerlich früh daherkommt. Dass es bei Sturm vor einigen Jahren wegen der Abstellungen für die damalige U19-EM genauso möglich war, das erste Saisonspiel auf September zu verlegen, wie Rapid letztes Jahr wegen eines belanglosen Freundschaftsspiels (!) – anderes Thema.

Zumal ja noch lange nicht fix ist, ob Dragovic überhaupt bei der Austria bleibt. Seinem Marktwert hätte es sicher nicht geschadet, die Spiele in Frankreich mit zu machen (von der unbezahlbaren Turnier-Erfahrung mal ganz zu schweigen), und wenn die Austria ihn noch verscherbeln will, dürfte sie ihn im Europacup womöglich ohnehin nicht einsetzen. Aber da siegten einmal mehr die Egos von Vereinen über die Vernunft. Sei’s drum – auch so kann die Mannschaft was. Sie kann wahrscheinlich sogar wesentlich mehr, als Heraf aus ihr herausholt.

Der unumstrittene Boss am Platz ist natürlich David Alaba. Der Jungstar kann im Grunde jede Position spielen und ist mit seiner für sein Alter schon enormen Erfahrung und auch seiner enormen Klasse für diese Mannschaft unverzichtbar. Sein kongenialer Partner im Mittelfeld ist mit Christoph Knasmüllner ein weitere Stammspieler aus dem zweiten Team der Münchener Bayern, der in seinem zweiten Jahr beim Nobelklub schon Stammspieler und Leistungsträger in der zuletzt von Mehmet Scholl betreuten II. Mannschaft. Dazu kommt mit Christian Klem ein Rechtsfuß von Sturm Graz, der seit drei Jahren schon Stammspieler im Regionalliga-Team ist, aber sich in der Kampfmannschaft noch nicht wie erhofft durchsetzen konnte.

Dazu kommt Raphael Holzhauser. Der 1.93m-Hüne kommt aus der Rapid-Jugend und schoss die U19 des VfB zum Klassensieg und damit ins deutschlandweite Semifinale. Und mit Tobias Kainz vom SC Heerenveen steht noch ein Legionär zur Verfügung. Auch Robert Gucher, der im Winter als Stammspieler bei Serie-B-Team Frosinone zu Genoa wechselte und dort in der Primavera spielt und schon diverse Male auch im Kader der Kampfmannschaft war, steht zur Verfügung. Viel internationale Ausbildung also im Mittelfeld, garniert mit dem besten aus den heimischen Akademien, wie Georg Teigl und Marco Meilinger (Salzburg) und eben Klem (Sturm).

Das selbe Bild bietet sich im Angriff. Marco Djuricin von Hertha BSC erzielte für das (eher mittelmäßige) U19-Team der Haupstädter 13 Tore in 17 Einsätzen; und Andreas Weimann darf sich ebenfalls Stammspieler nennen – in der II. Mannschaft von Aston Villa. Er ballerte sein Team ins Reserves-Meistersachftsfinale gegen Manchester United, wo er erst im Elfemeterschießen unterlegen war – Weimann war einer jener beiden Villains, der seinen Penalty verwandelte. Als Alternative steht dann auch noch Andi Tiffner bereit. Der gebürtige Kärntner wurde in der Red-Bull-Akademie ausgebildet, stürmte zuletz für Blau-Weiß Linz in der Regionalliga Mitte und wird in der neuen Saison ins Austria-Dress schlüpfen.

Nur in der Abwehr dominieren die heimischen Kräfte, von Kapitan Michael Schimpelsberger einmal abgesehen. Der Holland-Legionär – der nicht nur im U19-Team die Binde trägt, sondern auch in der II. Mannschaft von Meister Twente Enschede – ist allerdings der einzige gelernte Innenverteidiger im Kader von Andi Heraf. Das mag durchaus als Schwachstelle gelten, und das hat sich schon in der Qualifikation gezeigt. In den drei entscheidenden Spielen gegen die Schweiz, Dänemark und Serbien gab es sechs Gegentore! Mit zwei Einschlägen pro Spiel wird bei der EM in der Normandie natürlich nichts zu holen sein.

Schimpelsbergers Partner in der Innenverteidigung dürfte in Abwesenheit von Dragovic ein anderer Austrianer werden, nämlich Emir Dilaver. Vor allem bei Flanken und hohen Bällen könnten die beiden aber durchaus Probleme bekommen – der eine misst 1.81m, der andere 1.83m. Hier wird viel darauf ankommen, in wieweit der gelernte Rechtsverteidiger Patrick Farkas von Mattersburg aushelfen kann. Womöglich stellt ihn Heraf aber auch gleich in die Zentrale, was auf der rechten Seite Platz für Mahmud Imamoglu (Vienna) machen würde – oder für Christian Klem, der auch ein brauchbarer Rechtsverteidiger wäre.

Als Linksverteidiger wird kein Weg an Lukas Rath vorbeiführen. Der 18-Jährige ist in Mattersburg der Nachfolger von Christian Fuchs, auch Rath darf trotz seines jungen Alters schon auf einen Saison als Bundesliga-Stammspieler zurückblicken. Im Tor wird der Austrianer Philipp Petermann stehen, der bei den Jung-Veilchen in der abgelaufenen Saison den zu den Profis aufgerückten Heinz Lindner recht ordentlich vertreten hat. Christian Petrovcic, der Ersatztorhüter von Regionalligist GAK, ist die klare Nummer zwei.

Bei dem Turnier in der Normandie treten wie erwähnt die acht besten U19-Teams des Jahres gegeneinander an, in zwei Vierergruppen, aus denen die jeweils ersten beiden ins Semifinale aufsteigen. Das wäre das Traumziel des ÖFB-Teams – aber der dritte Gruppenplatz würde schon reichen, um sich für die U20-WM im kommenden Sommer in Kolumbien zu qualifizieren. Vier Jahre nach den Erfolgen der Vor-Vorgänger in Kanada wäre das ein weiteren schönes Lebenszeichen und wieder viel Turniererfahrung für die jungen Burschen.

Und nur zur Verdeutlichung der Wichtigkeit und des Niveaus dieser Veranstaltung: 32 der Jungs, die 2007 neben Gludovatz‘ Team in Kanada waren, standen in den Aufgeboten zur WM der Großen in Südafrika, 17 davon als Stammspieler – vor allem Chilene (Isla, Medel, Sánchez, Vidal und Carmoa schlugen Österreich im P3-Spiel), Argentinier (Di María, Agüero und Romero), Mexikaner (Giovani, Vela, Juárez, Hernández) und auch zwei US-Amerikaner (Bradley, Altidore), die im Viertelfinale gegen Österreich verloren hatten. Und sechs Burschen aus Ghana, die vor nicht mal einem Jahr U20-Weltmeister wurden, waren auch in Südafrika dabei.

Den notwendigen dritten Gruppenplatz zu erreichen, wird aber wahrlich keine allzu leichte Aufgabe. Die Gruppengegner heißen (in dieser Reihenfolge) England, Frankreich und Holland. Wenn es gelingt, einen dieser drei hinter sich zu lassen, darf man ein großes Ziel als erreicht betrachten. Leider werden wir, so wie es aussieht, nur das Spiel gegen England zu sehen bekommen (Eurosport, ORF-Sport-Plus). Mehr wird’s leider wohl erst zu sehen geben, sollten unsere Burschen das Semifinale erreichen.

Aber eigentlich kann man ja eben schon mit einem dritten Gruppenplatz zufrieden sein. Ach ja: Traditionell starke Nachwuchs-Nationen wie Deutschland, Tschechien, Belgien und Ungarn sind gar nicht dabei. Aber das ist ein anderes Thema.

(phe)

]]>
https://ballverliebt.eu/2010/07/06/team-alaba-goes-normandie/feed/ 0
Das Viertelfinal-Resümee https://ballverliebt.eu/2008/06/23/das-viertalfinal-resumee/ https://ballverliebt.eu/2008/06/23/das-viertalfinal-resumee/#comments Mon, 23 Jun 2008 15:29:44 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=232 Das Viertelfinal-Resümee weiterlesen ]]> Die EM 2008 ist so gut wie vorbei, und doch wartet das Wichtigste noch. Die nächsten beiden Tage sind spielfrei, dann geht es um die Plätze 1-4. Nur noch ein Gruppensieger der Vorrunde ist dabei – und das ist wohlgemerkt auch der einzige Gruppensieger aus der Qualifikation, der noch dabei ist: Spanien.

Das Team von Luis Aragones hat es also zweifellos verdient, dort zu stehen wo es nunmal steht. Aber der Reihe nach, mein kleines Resümee der Viertelfinalspiele.

Deutschland – Portugal (3:2)

[ad#bv_test]Die Deutschen haben mit einer taktisch disziplinierten Leistung die individuelle Stärke der Portugiesen ausgehebelt. Löw und Flick haben mit dem schnellen Herstellen von Doppel-Verteidigungen den Dribblern Portugals den Wind aus den Segeln genommen und dann auf ein waschechtes Konterkonzept gesetzt. Das 1:0 (Podolski auf Schweinsteiger) hat dann auch genau so funktioniert – es war übrigens die einzige Torchance, die sich das DFB-Team aus dem Spiel erarbeitet hat.

Bei allen drei Gegentoren haben die Portugiesen schwere Deckungsfehler in der Verteidigung gemacht. Das hat die deutsche Elf eiskalt ausgenutzt. Über eine unglückliche Schiedsrichterleistung mussten sie sich auch nicht beklagen. Deco machte ein vermeintliches Tor, ob er wirklich vorne war, weiß ich nicht so genau. Lahm beginn in der 49. Minute eine vermeintliche Tätlichkeit, wurde aber nicht vom Platz gestellt. Ballack foulte vor seinem 3:1 ganz klar den Verteidiger, der Schiri hat es nicht gesehen.

Der Sieg der Deutschen geht trotzdem in Ordnung. Taktisch diszipliniert, kämpferisch, effizient. Die deutschen Tugenden von vor 2006 scheinen wieder aufzublühen. Das ist erfolgreich, aber „fulminant“, „grandios“ und ähnliche Adjektive der deutschen Presselandschaft kann ich dafür nicht finden.

Kroatien – Türkei (1:3 n.E.)

Das war das sicherlich langweiligste Viertefinalspiel. 119 Minuten geschah sehr wenig. Die ersatzgeschwächten Türken versuchten ein harmloses 4-3-3, die müde wirkenden Kroaten traten wie gegen Deutschland mit einem 4-4-1-1 an. Und so neutralisierte man sich großteils. Dass die Karierten die Partie mit einem besser in Form spielenden Olic gewonnen hätten, steht für mich trotzdem außer Frage. Von ihnen kam einfach etwas mehr. Der Stürmer zeigte sich aber bei den wenigen Chancen die es gab als Chancentod.

Das Finale war dann dramatisch. In der 119. patzt Ersatztorhüter Rüstü, das Spiel ist eigentlich vorbei. Nur der Schiedsrichter wollte die angezeigte Nachspielminute tatsächlich voll ausnützen. Rüstü knallt den Ball vor bis in den kroatischen Strafraum, Sentürk kriegt ihn vor die Füße und knallt ihn wunderschön unter die Latte. Warum man sowas nicht früher zu sehen bekam, wissen nur die beiden Teams.

Im Elferschießen versagten den Jungen bei den Kroaten dann die Nerven, Rüstü konnte seinen Fehler auch noch ausbessern. Ich freu mich mit den Türken, verdient ist das Halbfinale für eine Mannschaft die normalerweise schon drei Mal verdient ausgeschieden wäre aber irgendwie dann doch nicht.

Und für die Deutschen droht es ein Aufwärmspiel zu werden. Zu den bereits gesperrten und verletzten, kamen noch ein paar Leistungsträger dazu.

Holland – Russland (1:3 n.N.)

Die Oranjes waren klarer Favorit nach der Gruppenphase, aber im letzten Spiel gegen Schweden haben die Russen bereits angedeutet, dass ihnen das scheissegal sein könnte. Und deshalb sahen die Fans in Basel da auch schon ein erstes Finale. Hiddink, der alte Haudegen, entzauberte die leider zu unflexible Spielart der Holänder mit einem temporeichen Offensivkonzept.

Das Spiel hätte freilich auch anders ausgehen können. Hätten die Holländer eine ihrer Chancen rein- statt Zentimeter neben das Tor gemacht. Oder hätte Schiri Lubos Michel seine gelb-rote Karte gegen Kolodin nicht mysteriöserweise zurückgenommen. Dann wäre mein Europameistertipp vielleicht noch im Rennen (hätte mich doch für Spanien entscheiden sollen, hatte vor dem Turnier geschwankt) .

Aber alles in allem war der Sieg nach Nachspielzeit der Russen völlig verdient. Angeführt von einem überragenden Arshavin legte das Team eine echte Talentprobe ab. Schnell, clever, offensiv. Wär ich nicht Holland-Fan, wäre das wohl eine echte Freude gewesen. Dass sich Hiddink und seine Elf im Halbfinale von den Spaniern noch einmal so vorführen lassen wie in der Vorrunde, wage ich nun zu bezweifeln. Das wird das nächste Finale.

Italien – Spanien (2:4 n.E.)

Die Italiener verteidigten und konterten, die Spanier versuchten zwar das zu ignorieren, taten sich damit aber ziemlich schwer. Über 120 Minuten mühten sich Villa, Silva, Torres und Co. ab, aber nach vorne kam gegen die italienische Mauer einfach wenig zustande. Nach der seltsamen Auswechslung von Torres, zeigte sich auch dessen Ersatz Guiza als Chancentod (ich hab übrigens schon im Spiel gesagt, dass der bitte später keinen Elfer schießen sollte).

Der deutsche Schiedsrichter pfiff ebenfalls grausam und hoffentlich sein letztes Spiel der EM. Er übersah gleich 2-3 Elfer für La Rocha.

Das Spiel war alles in allem nicht attraktiv, was man aber zu fast 100% dem italienischen Mistkick ankreiden darf. Wann wird das endlich aufhören? Schauspielern, mauern, jammern, schauspielern, mauern, liegenbleiben. Wer will das sehen?

Dass die Spanier dann im Elferschießen endlich einmal die Nerven behielten und die Azzuri aus dem Turnier knallten, das hat mich mit dieser schon fast verloren geglaubten EM noch einmal auf gut gestellt.

Gruppensieg in der Quali. Gruppensieg in der Vorrunde. Vier Siege im Turnier, dreimal toll, viermal verdient. Die Bilanz der Spanier legt den Europameistertipp ziemlich nahe. Die Auslosung macht freilich auch Deutschland möglich. Und dem Duo Hiddink-Arshavin (Hiddink ist übrigens nach der EM angeblich frei – Herr Stickler, bitte aufwachen) ist natürlich auch alles zuzutrauen. Mal sehen ob die Spanier da drüber kommen.

]]>
https://ballverliebt.eu/2008/06/23/das-viertalfinal-resumee/feed/ 4
Österreich – Polen: Video von Fan der auf einer Statue gefangen ist https://ballverliebt.eu/2008/06/13/osterreich-polen-video-von-fan-der-auf-einer-statue-gefangen-ist/ https://ballverliebt.eu/2008/06/13/osterreich-polen-video-von-fan-der-auf-einer-statue-gefangen-ist/#comments Fri, 13 Jun 2008 14:17:19 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=219 Österreich – Polen: Video von Fan der auf einer Statue gefangen ist weiterlesen ]]> Bei aller Liebe für den Sport. Das Highlight des gestrigen Abends gab es gestern abend um 2 Uhr Früh vor der Fanzone Wien.

[ad#bv_test]Ein polnischer Fan kletterte bei den Feiern auf einen Monolithen (Bild: kick08.net) gegenüber der Hauptuni, kam dort aber darauf, dass er nicht mehr ohne Hilfe runter kam. Extrem witzig, aber auch gefährlich. Die Feuerwehr rückte mit 5 vollbesetzten Autos und einem Kran an, während der arme Kerl eine halbe Stunde lang von anderen Fans besungen wurde. Der nahm es demonstrativ cool und zündete sich eine Angstschweiß-getränkte Zigarette an.

]]>
https://ballverliebt.eu/2008/06/13/osterreich-polen-video-von-fan-der-auf-einer-statue-gefangen-ist/feed/ 2
Österreich – Polen: Video von Fanzone, Stadion, Hymnen und Feiern https://ballverliebt.eu/2008/06/13/osterreich-polen-video-von-fanzone-stadion-hymnen-und-feiern/ https://ballverliebt.eu/2008/06/13/osterreich-polen-video-von-fanzone-stadion-hymnen-und-feiern/#respond Fri, 13 Jun 2008 14:12:27 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=218 Österreich – Polen: Video von Fanzone, Stadion, Hymnen und Feiern weiterlesen ]]> Es ist mir erst hinterher bewusst geworden, aber ich war gestern beim ersten (und vielleicht einzigen) Tor und Punkt Österreichs bei einer Europameisterschaft dabei. Hier ein Video mit zugegeben verbesserungswürdiger Qualität – leider fehlt mir das nötige Equipment.

[ad#bv_test]PS: Auch das hier ansehen.
PPS: Hicke wurde bejubelt, weil er meine Aufstellung fast umgesetzt hat. Mut gewinnt.
PPPS: Wer verkauft Deutschland-Karten zum Normalpreis?
PPPPS: „Schade Deutschland, alles ist vorbei.“

]]>
https://ballverliebt.eu/2008/06/13/osterreich-polen-video-von-fanzone-stadion-hymnen-und-feiern/feed/ 0