tunesien – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 29 Jun 2018 16:24:16 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Afrikas Teams bei der WM: Kein Rückschritt trotz Debakel https://ballverliebt.eu/2018/06/29/wm-2018-bilanz-aegypten-marokko-tunesien-senegal-nigeria/ https://ballverliebt.eu/2018/06/29/wm-2018-bilanz-aegypten-marokko-tunesien-senegal-nigeria/#comments Fri, 29 Jun 2018 12:13:19 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=14904 Afrikas Teams bei der WM: Kein Rückschritt trotz Debakel weiterlesen ]]> Es ist paradox: Einerseits sind erstmals seit 1982 alle afrikanischen Teilnehmer in der Vorrunde gescheitert. Andererseits war es dennoch kein Rückschritt. Wir blicken auf die fünf Teams des ersten Kontinents, für den die WM in Russland vorbei ist. Die reine Punkte-Ausbeute ist mit 11 Punkten aus 15 Spielen fast gleich wie jede bei den letzten paar Turnieren – vor vier Jahren waren es zwölf Zähler gewesen.

Anders, als es in der Vergangenheit üblich war, zerfleischten sich die Teams diesmal nicht in aller Öffentlichkeit selbst – die Ägypter hielten die Spannungen zumindest bis nach dem letzten Spiel unter der Decke. Die Gründe, warum es nach Marokko (1986), Kamerun (1990), Nigeria (1994 und 1998), dem Senegal (2002), Ghana (2006 und 2010) sowie Nigeria und Algerien (2014) diesmal kein afrikansiches Team geschafft hat, liegen diesmal nicht an amateurhafter Organisation, einer korrputen Funktionärs-Kaste und individualistischen Ego-Shootern der Marke Eto’o im Spielerkader.

Die Reorganisation der Setzliste bei der Auslosung aber hat keinen Kontinent so hart getroffen wie Afrika. Dass erstmals nach FIFA-Ranking und nicht nach Geographie gelost wurde, bescherte Marokko und Tunesien Gruppen, aus denen sie realistischerweise unmöglich rauskommen konnten. Nach Papierform wäre das auf Nigeria genauso zugetroffen.

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LINK-TIPP: Afrikas Teams bei der WM 2014 in Brasilien.

Senegal: Simpel, solide, mit Potenzial

Aliou Cissé, der einzige schwarzafrikanische Teamchef bei dieser WM, hatte im Vorfeld einige System-Experimente absolviert, beim Turnier selbst spielte er aber in allen drei Spielen mit einem recht handelsüblichen 4-4-1-1 durch. Auch das Spielprinzip war relativ simpel: Umsichtige und körperstarke Innenverteidigung mit Koulibaly und Sané, kampfstarke Mittelfeld-Zentrale mit den England-Legionären Gueye, N’Diaye und Kouyaté, und nach vorne das Tempo und die Dribblings von Sarr und (vor allem) Sadio Mané.

Die Lions de la Téranga sind eine gut organisierte, sehr solide Mannschaft. Die Kehrseite der Medaille: Das Team ist auch relativ berechenbar und im offensiven Umschalten oft nicht konsequent genug. Das nützte Kolumbien im letzten Spiel – da konnte der Senegal nicht die nötigen Chancen kreieren.

Zeitweise war auch das Mitelfeld ein wenig offen (wie beim 2:2 gegen Japan) und obwohl er eine grundsätzlich recht ordentliche Figur abgegeben hat, war es auch ein Patzer des in Guinea spielenden Keepers Khadim N’Diaye gegen Japan, der zum Aus beigetragen hat. Am Ende waren es weder Punkte noch Tore, sondern zwei gelbe Karten gegenüber Japan, die den Unterschied zwischen Achtelfinale und Vorrunden-Aus gemacht haben.

Dennoch: Man darf mit dem ersten Auftritt auf der ganz großen Bühne seit 16 Jahren zufrieden sein. Das Team hat auf jeden Fall noch einen WM-Zyklus drin. Spieler wie Niang, Sarr und Wagué sind noch sehr jung und haben Entwicklungspotenzial. Für Aliou Cissé, der seit 2015 Teamchef ist, steht nun ein Afrikacup-Viertelfinale 2017 (Elferschießen-Aus gegen den späteren Sieger Kamerun) und eine sehr anständige WM-Gruppenphase zu Buche.

Nigeria: Gegen den Ball gut, mit Ball – naja

Das Team aus Nigeria verließ sich fast ausschließlich auf die defensive Stabilität. Gernot Rohr fehlte auch das Mittelfeld-Personal für ein gezieltes, offensives Ballbesitzspiel.

Der routinierte Ex-Chelsea-Spieler John Obi Mikel, der talentierte Wilfred Ndidi von Leicester, der auch noch sehr junge Oghenekaro Etebo (der vom spanischen Absteiger Las Palmas zum englischen Absteiger Stoke wechselt): Gut im Spiel gegen den Ball, aber nicht gerade kreative Köpfe.

Selbst gegen Kroatien, als Mikel nominell einen Zehner im 4-2-3-1 spielte, war dies eher als Abwehr-Maßnahme gegen Modric und Rakitic gedacht, nicht als Spielgestalter (was Mikel, bei aller Routine, nicht kann). Das 3-5-2, das gegen Island und Argentinien zum Einsatz kam, betonte die Stärken des Teams: Defensive Disziplin, Robustheit, Umschaltspiel.

Man wurde nur aus einem Eckball, einem Elfmeter, einem genialen Moment von Messi und einmal einer schlecht verteidigten Flanke bezwungen. Wie vor vier Jahren unter dem mittlerweile verstorbenen Trainer Stephen Keshi gilt aber auch 2018: Selbst ein Spiel aufziehen kann Nigeria nicht, und als Argentinien am Ende blind anrannte, gab es auch keinerlei offensive Entlastung.

Die Schwäche der Argentinier ermöglichte es Nigeria, in einer laut Papierform nicht zu überstehenden Gruppe nach dem Achtelfinale zu greifen. Es hat nicht ganz gereicht – aber man blieb ein fairer Verlierer und zerrüttete sich nicht intern. Und man hat nun den Kamerun als punktbestes afrikanisches Team der WM-Geschichte überholt. Immerhin.

Marokko: Spielerisch großartig, aber kein Stürmer

Hervé Renard heißt nicht nur „Fuchs“, er ist auch einer. Der Franzose, der schon Sambia und die Elfenbeinküste zu Afrikacup-Triumphen geführt hat, machte aus Marokkos Team in Rekordzeit die sicherlich aufregendste Mannschaft auf dem ganzen Kontinent. Vor ein paar Jahren war Marokko ein No-Name-Team, das außer einem Serie-A-Spielgestalter und einem Premier-League-Stürmer (Kharja und Chamakh) nichts hatte.

Heute ist Marokko ein Team, das alles hat – nur keinen Stürmer. Der wild rotierende Mittelfeld-Wirbel, der eine Halbzeit lang über den Iran hinweg fegte, war atemberaubend. Der Wille, mit dem man gegen Portugal den Ausgleich jagte, war beeindruckend. Und die Coolness, mit der man als bereits eliminiertes Team Spanien beinahe besiegt hätte, bestätigte den starken Eindruck, den Marokko hinterlassen hat.

Hätte Marokko am Ende sieben Punkte auf dem Konto gehabt und wäre Gruppensieger geworden – niemand hätte sagen können, es wäre unverdient gewesen. Aber: Trotz aller Dominanz wurde gegen den Iran und Portugal kein eigenes Tor erzielt und jeweils 0:1 verloren. Weder El Kaabi noch Boutaïb sorgten für die nötige Präsenz im Strafraum. Und so reichte es eben nicht zu sieben Punkten, sondern nur zu einem.

Anders als beim Senegal oder Nigeria ist diese marokkanische Mannschaft aber am Ende ihres Zyklus angekommen. Bis auf den hochveranlagten, aber schwierigen Hakim Ziyech von Ajax und Real-Madrid-Nachwuchs-Linksverteidiger Achraf Hakimi ist das komplette Team an die 30 Jahre alt oder schon drüber. Schade eigentlich.

Tunesien: Mit wehenden Fahnen, aber auch Pech

Erst war da die Auslosung, die den Tunesiern in der Gruppe Belgien und England beschert hat. Das war ein wenig Pech – denn so war das Vorrunden-Aus schon mehr oder weniger programmiert.

Und es kam auch noch Verletzungspech dazu. Der Kreuzbandriss von Kaptiän und Spielgestalter Youssef Msakni im Mai. Dann die Verletzung von Torhüter Moutaz Hassen im ersten Spiel. Die von Rechtsverteidiger Bronn im zweiten Spiel. Die von Ersatzkeeper Ben-Mustapha vor dem dritten Spiel. Die Tunesier konnten einem wirklich leid tun.

Dafür ließen sie sich nie entmutigen, und das ist ihnen hoch anzurechnen. Nach einer halben Stunde Verwirrung gegen England stellte man taktisch um, hielt bis zur Nachspielzeit das 1:1. Gegen Belgien bekam man zwar die Bude angefüllt, aber versteckte sich nicht und spielte mit. Ja, das war sicher ein wenig naiv. Aber Tunesien ging lieber mit fliegenden Fahnen unter, anstatt sich nur devot die zwei Niederlagen abzuholen.

Mit der selbstbewussten und vorwärtsgewandten Spielanlage zeigte auch Teamchef Nabil Maâloul, das er durchaus etwas bewegen kann, wenn er das Spielermaterial dazu hat. Beim Asien-Cup 2015 betreute er die völligen Blindgänger aus Kuwait, die selbst 5-Meter-Pass kaum auf die Reihe bekamen, bei drei Vorrunden-Niederlagen. Als eines von wenigen Teams switchte Tunesine zwischen mehreren Systemen (Grundlage war ein 4-1-4-1, zweite Halbzeit gegen England war es ein 5-3-2, gegen Belgien ein klares 4-2-3-1).

Die Belohnung für all das war der hochverdiente 2:1-Sieg zum Abschluss gegen Panama – nach einem frühen Rückstand. Es war der erste volle Erfolg nach 13 sieglosen WM-Spielen seit 1978. Die (in Europa überwiegend völlig unbekannten) Spieler sind auch durch die Bank noch so jung, dass dieses Team noch einige Jahre zusammenbleiben kann.

Ägypten: Harmlos auf dem Feld, unruhig im Umfeld

Nur Ägypten ist wirklich auf ganzer Linie gescheitert. Die Hoffnungen, dass Mo Salah dem Team den verblassten Glanz von drei Afrikacup-Siegen in Folge (2006, 2008, 2010) im Alleingang wieder zurückgibt, waren maßlos überzogen. Wahrscheinlich hätte das selbst ein vollkommen fitter Salah nicht geschafft. Drei Wochen nach der Schulterverletzung im Champions-League-Finale erzielte Salah zwar die einzigen beiden Tore. Die beste Leistung zeigte Ägypten aber im ersten Spiel gegen Uruguay, als Salah noch fehlte.

Die ägyptische Liga, von deren beiden Spitzenklubs Zamalek und Al-Ahly sich das Grundkorsett des Teams rekrutiert, ist laut Ranking die stärkste in ganz Afrika. Aber am Weg nach vorne fehlte es dem Nationalteam schon massiv an Tempo, Idee und Alternativen zum Plan „Gib Salah den Ball, der wird’s schon richten.“ Fünf der ohnehin nur acht Tore (in sechs Spielen) in der Qualifikationsgruppe hat Salah erzielt, ein weiteres hat er aufgelegt.

Wenn dann auch noch atmosphärische Störungen hinzu kommen, wie sie im ägyptischen Lager in Grosny im Nachgang des Turniers bekannt wurden, kommt man denn selbst in der leichtesten der acht Gruppen mit null Punkten aus dem Turnier heraus. Héctor Cúper, der Ägypten als erster Trainer nach dem großen Hasan Shehata wieder zu einigermaßen sinnvollen Resultaten geführt hat, wurde gleich nach dem 1:2 im letzten Spiel gegen Saudi Arabien entlassen.

Wer hat gefehlt?

Nicht dabei waren von den großen Namen der amtierende Afrikameister Kamerun, deren Vorgänger aus der Elfenbeinküste, dazu Ghana, Algerien und auch Südafrika. Sie haben den Cut zum Teil deutlich verpasst.

In Algerien hat nach der Trennung von Christian Gourcuff (der  Vahid Halilhodzic nach dem WM-Achtelfinale 2014 nachgefolgt war) wieder Chaos eingesetzt, man hat in den letzten zwei Jahren drei Teamchefs verbraucht und hat aktuell gar keinen – zudem steht alsbald ein Generationswechsel an. Von Schalkes Nabil Bentaleb abgesehen, gibt es aber kaum vielversprechende Talente.

Auch die Elfenbeinküste hat derzeit keinen Nationaltrainer. Der aus seiner Zeit als Belgien-Coach berüchtigte Marc Wilmots die Qualifikation gegen den gerissenen Renard und dessen Marokkaner verbockt und wurde entlassen, ein kolportiertes Interesse an Frank de Boer war offiziell nicht vorhanden. Aktuell leitet U-21-Teamchef Ibrahim Kamara das Team. Nach dem Ende der Generation um Drogba und die Touré-Brüder sind die Hoffnungsträger nundSerge Aurier (Tottenham), Franck Kessié (Milan) und Eric Bailly (Man Utd). Es fehlt aber ein wenig an der Breite.

Das selbe Problem hat auch der neue Kamerun-Teamchef, die Spieler-Legende Rigobert Song. Der Titel beim Afrikacup 2017 sieht mittlerweile eher wie ein Ausrutscher nach oben aus. Song hat einige starke Spieler zur Verfügung (Aboubakar von Porto, Zambo-Anguissa und N’Jie von Marseille und dem in China spielenden 2017er-Shooting-Star Bassogog), aber wie bei den Ivorern gibt es sonst nicht mehr als Durchschnitts-Qualität.

James Kwesi Appiah, der Ghana bei der WM 2014 eher suboptimal geführt hatte, ist seit einem Jahr wiederum Teamchef, konnte die schon unter Vorgänger Avram Grant verhaute WM-Quali aber nicht mehr retten – die Resultate dort und in Testspielen (2:0 gegen Japan, 1:1 gegen Ägypten, 3:0 gegen Saudi-Arabien) sehen aber okay aus. Unter ihm ist auch der Ex-Lustenauer Raphael Dwamena zum Teamspieler geworden.

Und Südafrika wird wohl so lange nicht aus der Talsohle kommen, solange niemand aus der gut organisierten und finanziell realtiv soliden, sportlich aber bestenfalls mittelmäßigen heimischen Liga den Sprung nach Europa wagt. Seit der WM von 2002 hat sich die Bafana Bafana für keine WM auf sportlichem Weg qualifizieren können, beim Afrikacup war man im gleichen Zeitraum nur einmal im Viertelfinale, aber gleich dreimal nicht qualifziert.

So geht es weiter

Im Sommer 2019, also in genau einem Jahr, steigt im Kamerun der erste Afrikacup nach der Turnierreform: Erstmals werden 24 statt wie bisher 16 Teams dabei sein, dazu wird das traditionell im Jänner bzw. Februar ausgetratene Turnier in den Juni verlegt. Die Qualifikation dafür (zwölf Vierergruppen, in denen jeweils die Top-2 das Ticket buchen) hat bereits mit einem Spieltag begonnen. Im September geht’s weiter.

Mit der Erweiterung ist quasi sichergestellt, dass keiner der großen Namen das Turnier verpassen wird. In den letzten Jahren hatten stets vermeintliche Favoriten die Qualifikation in den Sand gesetzt – wie Ägypten (2012, 2013, 2015), Nigeria (2012, 2015), Kamerun (2012, 2013), Algerien (2012), Südafrika (2010, 2012) und der Senegal (2010, 2013).

Die Erweiterung würde es theoretisch erlauben, dass Teams bzw. Trainer längerfristig etwas aufbauen können, ohne bei einem verpassten Afrikacup gefeuert zu werden und gleich wieder bei Null anfangen zu müssen. Die allgemeine Qualität des Turniers wird vermutlich nicht dramatisch sinken. Zum einen waren schon die letzten vier, fünf Turnier phasenweise kaum anzusehen, zum anderen besteht zwischen den Teams auf den Rängen 10 bis 25 in Afrika kaum ein nennenswerter Niveau-Unterschied.

Andererseits – und das ist beispielsweise im arabischen Raum ähnlich – wird die Chance zum langfristigen Aufbau so oder so nicht ergriffen. Der letzte Trainer, der in einem großen Land über mehrere Jahre hinweg arbeiten durfte, war Hasan Shehata in den Nuller-Jahren in Ägypten.

Das wird nun auch für den Senegal mit Cissé, für Nigeria mir Rohr, für Marokko mit Renard und für Tunesien mit Maâloul die größte Frage in der mittelfristigen Zukunft sein: Dürfen sie weitermachen?

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Afrika-Cup 2013: Unter den Blinden ist der Einäugige König https://ballverliebt.eu/2013/02/12/afrika-cup-2013-unter-den-blinden-ist-der-einaugige-konig/ https://ballverliebt.eu/2013/02/12/afrika-cup-2013-unter-den-blinden-ist-der-einaugige-konig/#respond Tue, 12 Feb 2013 02:40:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8338 Afrika-Cup 2013: Unter den Blinden ist der Einäugige König weiterlesen ]]> Zu sagen, es wäre nicht so besonders prickelnd gewesen, ist ein handfestes Understatement. Nein – was den Zuschauern beim Afrika-Cup 2013 in Südafrika geboten wurde, war zuweilen von einer erschreckenden Erbärmlichkeit. Das war nicht nur kein Fortschritt, das war ein ordentlicher Rückschritt. Zumindest, was die spielerische Note anging. Das Problem, dass dem zu Grunde liegt, ist ein typisch afrikanisches: Chaos im Umfeld. Letztlich warf mit Stephen Keshi selbst der Teamchef von Champion Nigeria entnervt von fehlender Rückendeckung vom Verband zunächst das Handtuch. Ballverliebt analysiert.

Ballverliebt-Allstars vom Afrika-Cup 2013
Ballverliebt-Allstars vom Afrika-Cup 2013

In nur einem Jahr von „Nicht qualifiziert“ bis „Afrika-Meister“! Nigeria schoss nicht nur von Null auf Hundert, sondern setzte dabei auch ähnlich viele symbolische Zeichen, wie das der Sensations-Titel von Sambia im letzten Jahr getan hatte. Die Message ist die selbe: Ein Verband, der den Trainer halbwegs in Ruhe lässt und dafür sorgt, dass es keinen Streit um die Prämien gibt; ein ausgeglichen besetzter Kader, in dem im Zweifel Teamfähigkeit mehr zählt als fußballerische Qualität; und ein halbwegs funktionierendes Konzept im Spiel nach vorne.

Die Grundformation von Nigeria
Die Grundformation von Nigeria

Das alles brachte Nigeria am Besten zusammen. Ausgerechnet. War doch das Team vom Olympiasieger 1996 in den letzten 15 Jahren immer ein Garant für Trouble all the way. Aber Stephen Keshi sortierte alle Stinkstiefel von Odemwingie bis Taye Taiwo aus. Er lud nur Spieler ein, die er für teamfähig hielt. Dabei waren auch einige aus jener Mannschaft, die in Kolumbien 2011 bei der U-20-WM aufzeigten und ins Viertelfinale kamen – wie IV Kenneth Omeruo und Flügel-Joker Ahmed Musa.

Das taktische Konzept war nicht besonders kompliziert, funktionierte aber. Ein körperlich extrem robustes Mittelfeld-Trio im 4-3-3, das die nach innen ziehende Flügelstürmer bedient, während die Außenverteidiger nach vorne preschen und für die Breite sorgen. That’s about it.

Das war nicht so schlecht – in fact, es war das klar Beste des Turnieres – aber von Weltklasse reden wir hier beileibe nicht. In diesem Turnier hat es gereicht, immerhin. Und es ist zudem auch ein Ausruf an die anderen Länder: Ihr braucht nicht krampfhaft einen europäischen Trainer. Die afrikanischen haben auch Qualität.

Als Team muss man funktionieren…

Burkina Faso vertraute mit Paul Put einem Belgier, der nur deshalb in Afrika arbeitet, weil er in der Heimat in einen Skandal um Spielmanipulationen beteiligt ist. Dass Put aber auch ein durchaus patenter Trainer ist, zeigte er in diesem Turnier. Wie bei Nigeria galt auch hier: It’s not very fancy, but it works.

Die Grundformation von Burkina Faso
Die Grundformation von Burkina Faso

Die Burkinabé scheiterten letztes Jahr sang- und klanglos mit drei Niederlagen, weil es der damalige Teamchef Paulo Duarte schwer an der nötigen Flexibilität mangelt. Put vertraute auf fast exakt dasselbe Personal, aber er verpasste dem Team ein klares Konzept nach vorne: Während das defensive Zentrum strikt defensiv ausgerichtet ist, marschieren die Außenverteidiger nach vorne, unterstützen die Flügelstürmer. Dazu ein extrem flexibler und beweglicher Zehner hinter einer aktiven Spitze. So machte Burkina Faso (mit Ausnahme des 4:0 gegen Äthiopien, als der Gegner einbach) zwar nicht viele Tore, bekam aber auch recht wenige.

Und weil auch hier der Teamgeist stimmte und man sich nicht als Ansammlung von Individualisten verstand, führte der Weg für Pitroipa und Co. bis ins Finale. Der größte Erfolg in der Geschichte des Verbands.

…dann braucht’s nur noch ein Konzept

Zu den vielen Teams, wo’s nicht nach Wunsch lief, später mehr. Vorher gilt es noch die beiden weiteren positiven Überraschungen des Turniers zu würdigen. Bei beiden stimmte das Mannschafts-Gefüge. Und beide hatten ein klares Konzept.

Die Grundformation von Kap Verde
Die Grundformation von Kap Verde

Zum einen natürlich der Debütant aus Kap Verde. Im Konzept von Teamchef Lucio Antunes beginnt die Abwehr-Arbeit beim Positionsspiel der Offensiv-Reihe im 4-3-3. Diese pressen zwar nicht extrem auf die gegnerische Spieleröffnung, sondern kappen durch ihr flaches und enges Positionsspiel die Passwege für die Spieleröffnung der anderen Mannschaft – ganz ähnlich, wie es etwa auch John Herdman beim kanadischen Frauen-Nationalteam mit macht. Herdman brachte das Konzept die olympische Bronze-Medaille, Antunes beinahe ins Semifinale des Afrika-Cups.

Auch, wenn man im Viertelfinale als klar besseres Team gegen Ghana verlor, zeigte man doch, dass man Kamerun nicht aus Zufall in der Qualifikation eliminiert hatte. Der Plafond dürfte damit zwar erreicht sein, aber Antunes und seine Spieler demonstrierte eindrucksvoll, was man mit einem Konzept – und natürlich auch einem Grundmaß an individueller Klasse – herauszuholen ist.

Die Grundformation von Äthiopien
Die Grundformation von Äthiopien

Diese individuelle Klasse und die internationale Erfahrung fehlte dem Team aus Äthiopien komplett, weshalb es letztlich „nur“ einen Punkt gab. Aber wie das Team von Sewnet Bishaw auftrat, war bemerkenswert. Der Plan war, den Gegner kommen zu lassen und nach Ballgewinn überfallsartig umzuschalten und mit schnellen, kurzen Pässen den Gegner beim Stellen der Abwehr zu verwirren. Schnelle Lochpässe sah das Konzept kaum vor.

Dass man aufgrund von Ausschlüssen und Wechseln alle drei Torhüter einsetzt und dennoch im letzten Spiel sogar noch ein Feldspieler in den Kasten muss, mag der fehlenden Routine und der Übermotivation geschuldet sein. Es sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Äthiopien ein Musterbeispiel ist, wie es geht: Teamgeist, ein klares Konzept und ein Teamchef, der in Ruhe arbeiten kann.

Vor allem aber war es ausgerechnet die international unroutinierste Truppe von allen, die das beste Umschaltverhalten von Defensive auf Offensive zeigte. Was ein ganz mieses Licht auf viele andere Teams wirft.

Die Grundformation von Mali
Die Grundformation von Mali

Während Mali zum zweiten Mal hintereinander Dritter wurde. Dabei aber, wie schon letztes Jahr, keinerlei Glanz verbreitete. Die diesmal vom jungen Franzosen Patrice Carteron gecoachte Truppe unterschiedet sich kaum von jener aus dem letzten Jahr. Auch diesmal war die körperliche Robustheit Trumpf, um die Gegner vom eigenen Tor wegzuhalten.

Innerhalb dieses Konzeptes profitiert die Mannschaft durchaus davon, dass die Flügelspieler Modibo Maiga und Samba Diakité nicht mehr, wie letztes Jahr noch, in Frankreich spielen, sondern im Stahlbad der Premier League. Die Last des Gestaltens lag wiederum hauptsächlich bei Seydou Keita. Der ist ein sehr guter Achter, aber kein wirklicher Spielmacher. Entsprechend un-filigran war Mali dann auch. Aber äußerst stabil – auch psychisch. Bei afrikanischen Mannschaften ja nichts selbstverständliches.

Der da vorne wird’s schon richten

Bei vielen anderen galt: Safety first. Vor allem bei Außenseitern und vor allem bei Teams von Verbänden, die mit dem Begriff „Kontinuität“ nicht so richtig viel anfangen können.

In vielen Ländern haben Teamchefs eine Halbwertszeit von deutlich unter einem Jahr. Zwei, drei Testspiele, oft auf mangelhaftem Geläuf, dann soll’s beim Afrika-Cup sofort funktionieren, und wenn’s das erwartbarerweise nicht tut, setzt man einfach den nächsten, zumeist europäischen, Trainer auf die Bank. Von Nachhaltigkeit braucht man da gar nicht erst anfangen zu reden – schon kurzfristige Spielkultur stellt sich da nicht sein. Wie auch? Wenn der Trainer weiß, dass schnelle Ergebnisse gefragt sind, wird erstmal an einer stabilen Defensive gearbeitet. Weil das einfach leichter und schneller geht. Dass es oft jahrelanger Aufbauarbeit bedarf, um einer Nationalmannschaft das spielerische Handwerkszeug mitzugeben, um ein Spiel selbst aufzuziehen, sieht man nicht zuletzt derzeit in Österreich mit Marcel Koller.

Die Grundformation von Togo
Die Grundformation von Togo

Weshalb auch hier gilt: Unter den Blinden in der Einäugige König. Oder anders formuliert: Wer vorne einen Emmanuel Adebayor hat, kann es sich leisten, dass sonst auf dem Weg nach vorne überhaupt nichts los ist. Didier Six, der achte Teamchef seit Togos WM-Teilnahme vor sieben Jahren, ließ seine Mannschaft mit langen Bällen seinen Superstar anspielen, während zwei, maximal drei Spieler gemächlich aufrückten und der Rest hinten dem Ball nachwinkte und Adebayor alles Gute wünschte.

Das brachte Togo immerhin ins Viertelfinale, war aber weniger dem eigenen Glanz zu verdanken, als mehr der Tatsache, dass es andere nicht viel besser machten, aber keinen Superstürmer vorne hatten.

Die Grundformation von Angola
Die Grundformation von Angola

Ein ähnliches Konzept verfolgte auch Angola. Vorne einen starken Stürmer hinstellen, der die Bälle halten und auch selbst verwerten kann. Die Erkenntnisse des letzten Turniers bestätigten sich aber: Die starke Zeit von Angola, als man bei der WM und in drei Afrikacup-Viertelfinals hintereinander, ist vorbei. Die Stützen von einst hören auf, und es kommt kaum etwas nach, weil die meisten nachrückenden Spieler im eigenen Saft einer heimischen Liga schmoren, die zwar hervorragend zahlt, aber sportlich keinen echten Wert hat. Da konnte selbst ein an sich guter Stürmer wie Manucho nichts mehr retten.

Die Grundformation von Tunesien
Die Grundformation von Tunesien

Tunesien hingegen hat nicht einmal einen Stürmer von Format. An sich nicht schlimm. Aber Sami Trabelsi ist zwar schon in seinem zweiten Afrika-Cup Teamchef seines Heimatlandes, gegenüber dem letzten Auftritt war dieses Turnier kein Schritt nach vorne. Letztes Jahr gab’s, angetrieben von den starken Msakni und Ifa, den Einzug ins Viertelfinale. Mehr Konzept als damals war diesmal nicht zu erkennen, dafür hatten Msakni und Ifa keine Gala-Form. Die Folge: Es kam überhaupt kein Tempo, überhaupt kein Zug, überhaupt kein Druck in die Mannschaft. Aus dem Mittelfeld kamen keine Impulse. Und Saber Khalifa ist eben kein Emmanuel Adebayor. Die logische Folge: Das Aus in der Vorrunde. Konsequenz: Sami Trabelsi ist zurückgetreten. Und kam damit vermutlich nur seiner Entlassung zuvor.

Denn natürlich braucht es grundsätzlich Kontinuität auf dem Trainerposten. Aber wenn nicht der Funken einer Weiterentwicklung zu erkennen ist, bringt alles Festhalten am Teamchef nichts.

Ebenfalls auffällig: Alle diese Teams spielen mit einem 4-3-3, dem Mode-System dieses Afrika-Cups. Am Inhaltlichen mangelte es aber allen. Sei es, dass das Mittelfeld-Trio kein Tempo reinbrachte (Tunesien) oder dass die Außenverteidiger zu wenig machten (Togo) – man hatte den Eindruck, die Trainer lassen halt ein 4-3-3 spielen, weil’s grade Mode ist oder weil Gernot Rohr damit letztes Jahr guten Erfolg hatte.

Tore schießen: Schon schwer.

Rohr war 2012 Teamchef von Gabun und führte ein talentiertes, aufregendes Team beinahe ins Semifinale, scheiterte erst im Elferschießen an Mali. Und ließ eben in einem klaren 4-3-3 spielen. Ähnlich, wie es nicht nur die Hälfte des aktuellen Felds tat, sondern eben auch er selbst wieder. Diesmal als Teamchef des Niger.

Die Grundformation des Niger
Die Grundformation des Niger

Die Unterschiede: Zum einen drehte Rohr gegenüber seiner Zeit in Gabun das Mittelfeld-Dreieck um, und zum anderen fehlt es den Nigrern schlicht an der individuellen Klasse, die letztes Jahr etwa ein Pierre-Emerick Aubameyang mitbrachte. Man muss jedoch sagen, dass man hier den Schwung der letztjährigen Teilnahme mitgenommen hat, sichtlich einen Schritt nach vorne gemacht hat, ist kompakter, in sich gewachsener.

Was auch an Rohr liegt, der ein Gespür dafür haben dürfte, aus wenig viel zu machen. Die Spieler kommen immer mehr zu afrikanischen Spitzenklubs vor allem aus Tunesien. Eine Schwäche konnte Rohr aber nicht beheben: Die unglaubliche Harmlosigkeit vor dem Tor. Ihren treffsichersten Spieler, Moussa Maazou, stelte Rohr auf den Flügel. Dort sorgte er zwar für Betrieb, aber nicht für Torgefahr. Die Nigrer holten beim 0:0 gegen die D.R. Kongo zwar ihren ersten Punkt, blieben aber in allen drei Spielen torlos.

Die Grundformation von Algerien
Die Grundformation von Algerien

Algerien spielte auf deutlich höherem Niveau, scheiterte aber ebenso an der eigenen Harmlosigkeit. Was schade ist, denn sonst machte Algerien schon ziemlich viel richtig. Ein gutklassiger Kader mit vielen Spielern aus europäischen Top-Ligen, mit Vahid Halilhodzic ein guter Teamchef. Dazu eine aktive Spielanlage und das Bemühen, das Spiel selbst zu gestalten. Aber halt keinen, der die Tore schießt. Gegen Tunesien hätte man einen Kantersieg feiern müssen, verlor aber 0:1. Gegen Togo drückte man und drückte man auf den Ausgleich, kassierte dann in der Nachspielzeit das 0:2. Womit das Aus schon besiegelt war – obwohl man bis auf die Stürmerposition einen deutlich besseren Fußball gezeigt hatte als zumindest vier der Viertelfinalisten.

Nachhaltigkeit vor/nach dem Heimturnier?

Eine ganz besondere Ärmlichkeit an spielerischem Niveau zeigten hingegen das Heimteam bei diesem Turnier und jenes beim nächsten, also Südafrika und Marokko.

Die Grundformation von Marokko
Die Grundformation von Marokko

Den Marokkanern bringt es zwei Jahre, ehe man selbst den Afrika-Cup ausrichtet, überhaupt nichts, sich auf die Verletzung von Younes Belhanda auszureden. Sein Ersatz Abdelaziz Barrada war noch der beste in einer marokkanischen Mannschaft, in der sonst recht wenig passte. Vor allem Spieleröffnung und -aufbau waren von lähmender Langsamkeit, quälender Phantasielosigkeit und erschütternder Planlosigkeit geprägt. Es wurde verschleppt, statt schnell gemacht. Es war furchtbar.

Wie soll das weitergehen bei Marokko? In zwei Jahren steht eben das Heimturnier an. Vermutlich wird es so kommen wie meistens in Afrika: Man wird acht Monate vor dem Turnier in einem Anfall von akuter Panik den Teamchef tauschen – noch ist Rachid Taoussi im Amt – schnell schnell irgendeinen routinierten, semi-bekannten Europäer oder einen nationalen Feuerwehrmann holen, das Turnier so halbwegs über die Bühne bringen, und danach so weiter wurschteln wie davor. Nachhaltigkeit: Null.

Es sei denn, die Marokkaner lernen von Nigeria. Kann man ja auch nie ausschließen.

Die Grundformation von Südafrika
Die Grundformation von Südafrika

Viel lernen muss auch Südafrika noch. Konnte man vor zweieinhalb Jahren bei der WM noch sagen, dass das Turnier für die relativ junge Mannschaft noch etwas zu früh kam, muss man nun konstatieren: Schrecklich! Nicht nur, dass man sich keinen Millimeter nach vorne entwickelt hat, nein, es wird immer noch schlimmer.

Es gibt nicht einmal eine Ahnung von Spielkultur. Man ist heillos damit überfordert, über das Mittelfeld einen eigenen Angriff aufzubauen. Dean Furman etwa, einziger Weißer in der Stammformation, ist zwar ein vorbildlicher Kämpfer. Aber, mit Verlaub, es hat einen Grund, warum er nur dritte Liga spielt, in England. Katlego Mphela, seit Jahren konstanter Torschütze in der sportlich selbst im afrikanischen Vergleich komplett wertlosen südafrikanischen Liga, trifft nichts. Phala und Parker bringen keine vernünftige Flanke zu Stande. Einziges Mittel, um vor das Tor zu kommen: Langer Hafer von ganz hinten, und dann Hoffen und Beten.

Der Veranstalter hat sich nur mit Wucht und Wille ins Viertelfinale durchgemogelt. Aber inhaltlich war Südafrika, traurig aber wahr, in einem schlechten Turnier die schlechteste Mannschaft.

Wenn sich Qualität selbst schlägt

Ein Aus im Viertelfinale ist für den Gastgeber durchaus achtbar – für den großen Turnierfavoriten aber nichts weniger als eine absolute sportliche Katastrophe. Die sich die Ivorer aber zu einhundert Prozent selbst zuzuschreiben haben. Denn man zeigte von dem, was man eigentlich kann, wenig bis gar nichts.

Die Grundformation der Côte d'Ivoire
Die Grundformation der Côte d’Ivoire

Wo war etwa das extrem effektive Mittelfeld-Pressing, das Teamchef Sabri Lamouchi beim souveränen und nie gefährdete 3:0-Testsieg in Österreich spielen ließ? Nichts davon zu sehen. Und das kann auch nicht mit Erwartungsdruck zu tun haben, mit Nervosität in einer so dermaßen routinierten Mannschaft auch nicht.

Wie schon letztes Jahr unter François Zahoui spielte man nun auch unter Lamouchi langsam und abwartend, ohne viel Initiative zu zeigen. Vor allem aber kann man Lamouchi eines anlasten: Seine Personalentscheidungen. Ya-Konan kann aus dem Mittelfeld extrem gefährlich sein, er spielte kaum. Gradel ist flink und wendig; aber beim Turnier spielte der sich seit Jahren auf dem absteigenden Ast befindende Kalou. Lacina Traoré hatte in der Vorbereitung schon gut in die Mannschaft gefunden, Lamouchi ließ ihn nur einmal von Beginn an ran.

Und als es dringend nötig war, konnte man den Schalter nicht von Abwarten auf Angreifen umlegen. Diese Generation der Ivorer hat keinen Titel gewonnen. Vermutlich hielt man an den lebenden Denkmälern aber zu lange fest. Ein Schnitt, wie ihn Nigeria vollführte, ist bei den Ivorern unumgänglich. Er kann aber nur funktionieren, wenn der Teamchef – wer immer es sein wird – vom Verband die Rückendeckung bekommt, die notwendig ist, wenn man Nationalhelden auf das Altenteil schieben muss.

Die Grundformation von Ghana
Die Grundformation von Ghana

Während für Ghana einen ähnlichen Weg wie Nigeria gegangen ist: Einen einheimischen Trainer installieren und sich von Stinkstiefeln wie Inkoom und den Ayew-Brüdern trennen. Der Unterschied zu Nigeria: Bei Ghana klappte es nicht. Weil Asamoah Gyan vorne zu wenig mitarbeitete. Weil sich bei Isaac Vorsah jetzt zeigt, was schon länger auffällt – nämlich, dass er maßlos überschätzt wird. Dass John Paintsil seine beste Zeit längst hinter sich hat. Und vor allem: Dass sich die Jungen schon weiter wähnen, als sie sind. Badu und Rabiu, die U-20-Weltmeister von 2009, waren keine wirkliche Hilfe. Lediglich Mubarak Wakaso und Christian Atsu, die als Flügelstürmer einiges an Schwung brachten, wussten zu gefallen – wie auch Albert Adomah. Der ist mit seinen 25 Jahren aber schon zu alt, um wirklich noch auf den internationalen Durchbruch hoffen zu dürfen.

Ansonsten hat John Appiah aber noch nicht den Schlüssel gefunden, den sein nigerianischer Kollege Keshi schon gefunden hat. Wenn er die richtigen Schlüsse aus diesem Turnier zieht und weitermachen darf, kann man im Lager von Ghana aber viel aus diesem Turnier mitnehmen.

Die Grundformation der D.R. Kongo
Die Grundformation der D.R. Kongo

Die richtigen Spieler, aber nicht die nötige Ruhe im Umfeld hatte indes die D.R. Kongo auf Lager. Streit um die Prämien, Streik-Drohungen, Rücktritt von Teamchef Le Roy zwei Tage vorm ersten Spiel, Rückkehr von Le Roy am Tag vor dem Auftakt – der mutigen Aufholjagd beim 2:2 gegen Ghana zum Trotz, das konnte nicht gutgehen.

Was wirklich schade ist, denn mit diesem Kader wäre auch das Semifinale nicht unrealistisch gewesen. Vor allem, weil mit Youssouf Mulumbu und Cedric Makiadi zwei absolute Könner auf im zentralen Mittelfeld die Fäden ziehen konnten. Dazu kennt sich das Gerippe der Mannschaft von TP Mazembe, einer der besten Klubmannschaften des Kontinents, in- und auswendig.

Aber vor allem im letzten Gruppenspiel wurde deutlich, dass man vor dem Turnier gestritten hatte, anstatt sich zielgerichtet vorzubereiten. Zu viel wollte Dieumerci Mbokani alleine machen, zu wenig spielte man zusammen, nicht kompakt genug war das Auftreten. So gab’s das Aus in der Vorrunde.

Ein klarer Fall eines Verbandes, der den sportlichen Erfolg verhindert, statt ihn fördert.

Und der Titelverteidiger?

Das muss sich der sambische Verband nicht vorwerfen. Letztes Jahr wurde Sambia zum Vorbild, indem man mit einer eingeschworenen Truppe ohne Stars, aber mit einem klaren Konzept und einem Trainer, der arbeiten darf, sensationell den Titel holte. Diesmal verlor man zwar kein Spiel, aber man gewann auch keines. Der Titelverteidiger scheiterte in der Vorrunde.

Die Grundformation von Sambia
Die Grundformation von Sambia

Die große Stärke von Sambia war 2012 das unglaublich explosive Umschalten von Defensive auf Offensive, mit dem man aus einer sicheren Abwehr heraus die Gegner zermürbte. Dazu gab es ein sehr fluides Mittelfeld, das kaum Fehler machte und Stürmer, die kaum Chancen brauchten. Kein Team hatte beim Turnier letztes Jahr so wenig Torschüsse zu verzeichnen als Sambia. Und doch holte man den Titel.

All das fehlte Sambia diesmal. Man war im Rampenlicht, das ist ungewohnt. Man musste sich nichts mehr beweisen, man hatte auch nicht den emotionalen Antrieb, den es 2012 gegeben hatte.

Jedenfalls fehlte der Punch aus dem Mittelfeld komplett. Dieser wäre aber notwendig gewesen, weil die Gegner den Titelverteidiger kommen ließen. Anders als letztes Jahr, als man ja selbst der große Außenseiter war. Rainford Kalaba, überragender Spieler beim Titelgewinn, tauchte unter. Und die Stürmer schossen einfach keine Tore.

Gegen Äthiopien wäre man beinahe von den eigenen Waffen, dem schnellen Umschalten, besiegt worden. Gegen Nigeria verwandelte bezeichnenderweise Keeper Mweene den späten Elfer zum Ausgleich. Und als es gegen Burkina Faso unbedingt einen Sieg brauchte, fehlte es an der Durchschlagskraft.

Dennoch: In der WM-Quali schaut es für Sambia gut aus und mit Ghana hat man dort einen Gruppengegner, dem es selbst gerade nicht so gut geht. Und es ist dem sambischen Verband durchaus zuzutrauen, Hervé Renard nicht zu feuern, sondern mit dem ebenso gewieften wie schwierigen Franzosen weiter zu machen.

Es wäre wieder mal ein Signal an den restlichen Kontinent.

Fazit: Sportlich war’s nicht schön. Nigerias Signale sind das schon.

Ohne Frage: Von allen kontinentalen Meistern – Spanien, Uruguay, Japan, Mexiko – ist Nigeria (von Ozeanien-Meister Tahiti natürlich abgesehen) mit Abstand die schwächste Mannschaft. Das generelle Niveau des Turnieres war schlecht. Aber dennoch gehen von dem Titelgewinn der jungen nigerianischen Mannschaft mit ihrem Trainer Stephen Keshi positive Signale aus. Es gibt den einen oder anderen afrikanischen Verband, der’s kapiert hat – Keshis Rücktritt legt allerdings den Verdacht nahe, dass Nigeria nicht dazu gehören dürfte. Sein Rücktritt vom Rücktritt sagt: Liebe Freunde, reißt euch zusammen.

Das Chaos bei vielen anderen – auch etwa bei Kamerun, Ägypten und Senegal, die gar nicht dabei waren – sorgt mit seinem kurzsichtigen Denken dafür, dass die Lücke von den „kleineren“ Teams zur kontinentalen Spitze kleiner wird. Das ist aber kein Zeichen für gestiegene Qualität, im Gegenteil, sondern im Falle Afrikas ist es eine Nivellierung auf äußerst bescheidenem Level. Die Hilflosigkeit mancher Mannschaften macht es möglich, dass eine intelligent spielende Truppe wie jene aus Kap Verde beinahe ins Semifinale einzieht und sich das absolut verdient.

Die echte Weltspitze enteilt den afrikanischen Teams dabei immer mehr. Erst, wenn die Länder mit dem größten Potential ihre Probleme auf die Reihe kriegen – wie etwa Nigeria auf einem guten Weg ist – kann sich das ändern. Zumal dann immer noch die Leistungslücke geschlossen werden muss.

Und der Afrika-Cup 2013 hat gezeigt: Das kann dauern.

(phe)

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Mehr als nur eine Feel-Good-Story: Das war der Afrika-Cup 2012 https://ballverliebt.eu/2012/02/13/mehr-als-nur-eine-feel-good-story-das-war-der-afrika-cup-2012/ https://ballverliebt.eu/2012/02/13/mehr-als-nur-eine-feel-good-story-das-war-der-afrika-cup-2012/#comments Mon, 13 Feb 2012 22:57:00 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6696 Mehr als nur eine Feel-Good-Story: Das war der Afrika-Cup 2012 weiterlesen ]]> „Sie haben die Kraft gefunden, als ob es vorherbestimmt gewesen wäre. Ich habe ihnen gesagt, wenn wir ins Finale kommen, spielen wir in Libreville, wo es den Flugzeugabsturz gegeben hat. Das war vor unserem ersten Spiel gegen Senegal – jenes Land, wo die Mannschaft damals hingeflogen wäre. Das hatte eine ganz eigene Bedeutung.“ – Hervé Renard, Teamchef von Sambia.

Ballverliebt-Allstars des Afrika-Cups 2012

Es ist, global betrachtet, eine der größten Feel-Good-Storys der Fußball-Geschichte. Außenseiter Sambia, die No-Name-Truppe, holt als krasser Außenseiter genau dort den ersten kontinentalen Titel, wo vor 19 Jahren die beste Mannschaft, die das Land jemals hatte, bei einem Flugzeug-Unglück auf so tragische Weise ausgelöscht worden war. Im Kleinen ist der Titelgewinn für Sambia aber ein ganz, ganz deutlicher Fingerzeig für die gefallenen Giganten Afrikas. Weniger für die Ivorer, die im Endspiel das Elfmeterschießen verloren haben, ohne davor in sechs Turnierspielen auch nur ein einziges Gegentor kassiert zu haben.

Nein, es ist ein Fingerzeit für Nationalmannschaften wie jene von Nigeria und Kamerun. Weil der unerwartete Lauf Sambias zum Titelgewinn zeigt: Mit Kontinuität und Teamgeist kommt man weiter. Mit internem Streit, Individualismus und ständig wechselnden Teamchefs auf der Seitenlinie nicht. Freilich, zwischen dem sehr ordentlichen Auftritt in Angola vor zwei Jahren und dem großen Wurf jetzt war Sambias Teamchef Hervé Renard auch anderthalb Jahre nicht im Amt. Aber er vertraute fast ausschließlich auf jene Spieler, die schon länger zusammen spielen und er kannte auch die Verhältnisse.

Starke Defensive, flinke Offensiv-Kräfte

Die Grundformation von Sambia

Und er schuf auf dem Platz die Voraussetzungen, um die Stärken der Spieler optimal zu nützen, um für das Team einen Mehrwert zu erzielen. Wichtigstes Element war dabei das zentrale defensive Viereck mit den beiden Innenverteidigern Himoonde und Sunzu (die gemeinsam bei TP Mazembe in der DR Kongo spielen und in den letzten drei Jahren zweimal die Champions League gewonnen hat und das Finale der Klub-WM erreichte) und den beiden Sechsern. Einer davon war immer Nathan Sinkala, der sogar noch in der heimischen Liga spielt. Dieses Quartett machte es den Gegnern praktisch unmöglich, durch die Mitte vor das Tor des sicheren Goalies Kennedy Mweene zu kommen.

Das restliche Mittelfeld, das war ein weiteres Kern-Merkmal von Sambia, agierte extrem flexibel. Den Part neben Sinkala konnten Lungu, Chansa und auch Kasonde einnehmen, jeder von den dreien konnte aber genauso gut eine der Außenpositionen einnehmen. Durch dieses ständige Wechseln im Mittelfeld, das oft sogar im eigenen Ballbesitz in hohem Tempo im Aufbauspiel vollzogen wurde – indem die Außen nach innen zogen und die Sechser entsprechend verschoben – entblößte man gegnerische Sechser immer wieder.

Hinzu kam der äußerst aktive Kapitän Chris Katongo, der immer und überall unterwegs war, und der flinke und torgefährliche Stürmer Emmanuel Mayuka. Die Young Boys aus Bern reiben sich vergnügt die Hände, weil der 21-Jährige seinen Wert verzehnfacht hat und nun über 11 Millionen Euro wert sein dürfte. Ein tolles Beispiel von hervorragendem Scouting – da können sich viele Teams aus Österreich eine ganz dicke Scheibe abschneiden.

Das Spiel von Sambia war nicht spektakulär und vor allem im Semifinale gegen Ghana agierte man schon übervorsichtig, aber es war perfekt auf die Spieler zugeschnitten und jeder Spieler hielt sich daran. Auch, wenn es Spektakel-Fans und Vorurteilsbeladene ungern sehen: Aber auch beim Afrika-Cup führt der Weg zum Titel nur über disziplinierte Defensive, ein passendes Konzept, funktionierendes Kollektiv und der Bereitschaft, Ergebnis-Fußball dem Erlebnis-Fußball vorzuziehen.

Warten auf Fehler war nicht genug

Was ja im Übrigen nicht nur für Champion Sambia gilt, sondern auch für die anderen drei Teams im Halbfinale. Allen voran Überdrüber-Top-Favorit Côte d’Ivoire. Nach der reinen Papierform darf es nie passieren, dass ein Team mit Spielern aus dem Kongo, der Schweiz, der zweiten russischen Liga und einem Quartett aus der selbst im afrikanischen Vergleich sportlich irrelevanten südafrikanischen Liga die Weltstars von Man City, Chelsea und Arsenal auch nur fordern kann.

Die Grundformation der Côte d'Ivoire

Die Ivorer verließen sich im ganzen Turnier eher darauf, auf Fehler beiden Gegnern zu lauern und diese dann gnadenlos auszunützen. Das hat funktioniert, weil es keinem Gegner gelungen ist, gegen die von der individuellen Klasse allen 15 Konkurrenten fraglos haushoch überlegene Mannschaft fehlerfrei zu spielen – im Übrigen auch Sambia nicht. Aber das eine Geschenk, den Elfmeter in der zweiten Hälfte, verschoss Drogba.

Teamchef François Zahoui, der als Spieler vor 20 Jahren beim bislang einzigen Titelgewinn dabei war, vertraute vor allem auf seine komplett schussfeste Defensive. Sol Bamba und Kolo Touré spielten ein fast fehlerfreies Turnier, Boubacar Barry war der klar beste Torhüter des Afrika-Cups.

Was aber nicht übertünchen kann, dass auch die Ivorer keineswegs frei von Problempositionen waren. Rechts hinten konnten weder Igor Lolo noch Jean-Jacques Gosso überzeugen, Salomon Kalou nahm an einigen Spielen nur am Rande teil – sein Ersatzmann Max Gradel von St. Etienne machte, wann immer er spielen durfte, einen deutlich flinkeren, frischeren, willigeren und fleißigeren Eindruck als Kalou. Und dass Gervinho, der andere Außenstürmer im 4-3-3, nicht gerade die Effizienz in Person ist, wissen Arsenal-Fans nur allzu gut.

Das bittere für die Ivorer ist natürlich, dass sie genau wissen: Dieses Turnier war eine einmalige Chance. Teams wie Kamerun, Nigeria und Ägypten nicht dabei, man spazierte mit angezogener Handbremse ins Finale, und doch klappte es auch beim vierten Anlauf dieser Mannschaft nicht mit dem Titel, der ihnen längst zustehen würde. Ihr Glück ist es, dass es schon nächstes Jahr die Chance zur Wiedergutmachung gibt. Das wird dann die ultimativ allerletzte Chance für Leute wie Drogba, Zokora und Kolo Touré, doch noch was zu holen. Ein wenig mehr Unternehmungsgeist könnte dabei nicht schaden, hinten ist man gut gerüstet.

Ähnliches Problem bei Ghana

Die Grundformation von Ghana

Die Black Stars waren fast ein Abziehbild der Ivorer: Nach vorne tat man sich extrem hart gegen die zumeist recht gut verteidigende Gegner. Vor allem Kwadwo Asamoah kam überhaupt nicht ins Turnier, von Sulley Muntari kam zu wenig und André Ayew alleine konnte die Mannschaft letztlich nicht herausreißen.

Der Unterschied zu den „Elefanten“: Hinten wurde gepatzt. Torhüter Adam Kwarasey, der eigentlich Larsen heißt und Norweger ist, machte nicht den sichersten Eindruck, Kapitän John Mensah musste sich in einem Spiel für das Team opfern und einen Ausschluss hinnehmen, die Ersatzleute Vorsah und Jonathan Mensah konnten ihn nicht ersetzen. Zudem fehlte Teamchef Stevanovic auf den Außenbahnen die Linie: Mal spielte Inkoom statt Pantsil rechts hinten, mal vor Pantsil rechts vorne und Ayew dafür links, dann musste Inkoom auch mal links hinten ran, weil dort weder Masahudu Alhassan noch Lee Addy eine überzeugende Figur gemacht haben. Schon gegen Tunesien im Viertelfinale musste ein Geschenk in Form eines schlimmen Goalie-Fehlers zur Rettung herhalten, gegen Sambia im Semifinale fehlte dann jede Inspiration – und das kleine Finale gegen Mali war ohnehin mehr eine Bestrafung.

Es ist sicher noch zu früh zu sagen, dass die große Zeit von Ghana mit dem U20-WM-Titel 2009, dem Finalzeinzug beim Afrika-Cup vor zwei Jahren und dem Viertelfinale bei der WM vorbei ist. Aber bei den Black Stars muss man nun aufpassen, nicht in jene unübersichtliche Mischung aus Altstars über dem Zenit, fehlendem Teamgeist auf dem Platz und zu vielen Trainerwechseln zu verfallen, die Kamerun und Nigeria vorläufig in den Orbit gejagt hat. Ghana steht fraglos am Scheideweg.

Mali wird Dritter – wenn auch eher zufällig

Dass in solchen Turnieren Teams, die schlechter spielen als manche Konkurrenten letztlich weiter kommen als diese, das ist nichts Neues. Mali ist so ein Beispiel: Sowohl Guinea in der Gruppe als auch Gabun im Viertelfinale war man eigentlich recht deutlich unterlegen, auch inhaltlich, aber ein Tausenguldenschuss (gegen Guinea) und ein Elfmeterschießen (gegen Gabun) reichten für den überraschenden Einzug ins Halbfinale.

Die Grundformation von Mali

Und das, obwohl mit Seydou Keita der eigentliche Star und klar beste Spieler der Mannschaft ein erschreckend anonymes Turnier spielte. Er stand oft viel zu hoch, um seine Stärken in Passgenauigkeit und Spieleröffnung ausspielen zu können. Sein Können im Pressing gegen den gegnerischen Spielaufbau kam auch nicht allzu häufig zum Einsatz.

Dafür sprangen andere in die Presche, wie vor allem Adama Tamboura. Der Linksverteidiger vom französischen Zweitligisten Metz ist eine DER Entdeckungen in diesem Turnier (auch wenn er mit 26 Jahren nicht mehr der Jüngste ist), auch die beiden Sechser Samba Diakité und Bakaye Traoré zeigten gute Abstimmung – kein Wunder, die sind bein Nancy auch Teamkollegen. Nach vorne wurde es dann halt immer dünner, aber damit passt man ja ins Bild bei diesem Turnier. Der dritte Platz ist für Mali sicher ein riesiger Erfolg, wie groß die Nachhaltigkeit sein wird, steht aber auf einem ganz anderen Blatt Papier.

Die Gastgeber: Gleicher Erfolg, unterschiedliche Aussichten

„Nachhaltigkeit“ ist auch das Stichwort bei den beiden Gastgebern. Ihre insgesamt acht Spiele waren, gemeinsam mit dem Finale, die einzigen mit einer guten Zuschauerkulisse – bei anderen Spielen, vor allem dem Viertelfinale zwischen Sambia und dem Sudan mit nur 200 (!!!) Zuschauern fanden vor teils erschreckend leeren Rängen statt. Bei Eintritts-Preisen, die einen durchschnittlichen Wochenlohn als unterstes Limit haben, ist das aber auch kein Wunder.

Die Grundformation von Gabun

Die Ansätze bei den beiden Ausrichtern war grundverschieden. Gabun mit dem Deutsch-Franzosen Gernot Rohr als Teamchef hat vor zwei Jahren trotz des Aus in der Vorrunde schon angedeutet, dass man eine junge Mannschaft mit viel Entwicklungspotential ist, die tollen Auftritte hier waren der beinahe logische nächste Schritt. Die Hingabe und der Schwung, den die mit einem Schnitt von 25 Jahren noch recht junge Truppe gezeigt hat, konnte einen mitreißen – vor allem der Über-Thriller gegen Marokko im mit Abstand besten und aufregendsten Spiel des Turniers war eine Augenweide.

Aber auch das System und die generelle Spielanlage war eine äußerst positive Erscheinung. Die Außenverteidiger Moussono und Mouele marodierten nach vorne wie kaum jemand anderer in diesem Turnier, das Sturm-Trio war ständig in Bewegung, gut am Ball und der Wille, nach vorne zu spielen und die Partien an sich zu reißen, war fast immer erkennbar – aber nie über eine gesamte Partie. Und genau dieser Aspekt, der sicher auch auf fehlende internationale Erfahrung zurück zu führen ist, kostete dem Team mit dem positivsten Fußball ein noch besseres Resultat als das Viertelfinale.

Die Zukunftsaussichten sind aber nicht so schlecht. Wenn man die richtigen Lehren aus dem eigenen Auftreten zieht, und die aus dem Titelgewinn von Sambia – sprich, auf Kontinuität zu setzen – ist angesichts der wahrlich nicht übertrieben schweren Quali-Gruppe mit Burkina Faso, Niger und Congo die Teilnahme am WM-Playoff für Brasilien beinahe Pflicht.

Die Grundformation von Äquatorialguinea

Da wird es er wild zusammengekaufte Haufen, der für Äquatorialguinea aufläuft, wesentlich schwerer haben. Nicht nur, weil mit Tunesien ein starker Gegner wartet, sondern vor allem, weil der Mannschaft die Basis fehlen dürfte. Das Team ist deutlich älter und hat viel weniger Spieler, die noch viel Entwicklungspotential nach oben zeigen. Rechtsverteidiger Kily David ist so einer, Sechser Ben Konaté sicher auch – aber im Großen und Ganzen lebte der zweite Co-Gastgeber schon viel mehr von der Spezialsituation Heimturnier und der Euphorie, die die zwei (glücklichen) Siege gegen Libyen und den Senegal entfachten.

Sicher, praktsich alle Spieler sind über sich hinausgewachsen, aber für Teamchef Gilson Paulo, der die Mannschaft erst kurz vor dem Turnier übernommen hatte, wird ein dauerhaftes Etablieren unter den besseren Teams Afrikas sicher kein leichteres Unterfangen als es das Heimturnier war.

Sudan und Liyben: Die arabischen Überraschungen

Ägypten, Sieger der letzten drei Ausgaben, war nicht qualifiziert – aber mit den Nachbarn Sudan und Liyben gab es dennoch zwei Teams aus dem arabischen Sprachraum, die mit schönen Erfolgen nach Hause zurückkehren.

Die Grundformation des Sudan

Das trifft vor allem auf den Sudan zu – die 23 Kader-Spieler kehren tatsächlich alle nach Hause zurück, Teamchef Mohamed Abdalla hatte nicht einen einzigen Legionär mit dabei. Die Spielanlage des Sudan war der von Sambia nicht unähnlich: Durch die Mitte zumachen, über die Außen Gegenstöße setzen, mit Mustafa Haitham gab es eine sehr aktive hängende Spitze und mit Mudathir einen Stürmer, der nicht viele Chancen braucht.

Die Qualität des Champions hat der Sudan freilich nicht und für den Viertelfinal-Einzug brauchte es schon auch Geschenke von Burkina Faso im letzten Gruppenspiel, aber pures Glück war das alles nicht. Was der Mannschaft fehlte, war die Breite in der eigenen Spielgestaltung, weil die Mittelfeld-Außen viel einrückten, die Außenverteidiger aber nicht konsequent hinterliefen. Aber der erste Sieg bei einem Spiel des Afrika-Cups seit 42 Jahren ist ein feiner Erfolg.

Die Grundformation von Libyen

Eine weitere echte Feel-Good-Story, die aufgrund des Vorrunden-Aus leider etwas unterging, war der Auftritt von Libyen. Schon alleine die Tatsache, dass sich die Mannschaft trotz des tobenden Bürgerkrieges, ausgesetzter Meisterschaft und mit natürlich gestrichenen Heimspielen überhaupt qualifiziert hat, zumal mit einigen Kickern, die selbst an der Front gekämpft hatten, ist schon ein Wunder.

Aber der Auftritt beim Turnier selbst, der von Spiel zu Spiel couragierter wurde, toppte das dann sogar noch. Gegen Äquatorialguinea wirkte man noch gehemmt, aber den späteren Champion Sambia hatte man schon am Rande der Niederlage und gegen den Senegal folgte dann die Krönung: Mit einer geschickten Umstellung, mit modernem Systemfußball, mit einem passenden Konzept und dessen disziplinierter Ausführung gelang doch tatsächlich ein 2:1-Erfolg.

Für das Viertelfinale hat es nicht gereicht, aber die Libyer sind dennoch ohne jeden Zweifel einer der ganz großen Gewinner dieses Afrika-Cups.

Seltsames Turnier von Senegal

Die Grundformation von Senegal

In der ersten Hälfte des ersten Spiels gegen Sambia wurden zwei Schläfrigkeiten in der senegalesischen Abwehr eiskalt ausgenützt – der Anfang vom Ende für die vorher als heiße Mit-Favoriten gehandelte Mannschaft. In der Folge gab es nicht nur gegen Sambia, sondern auch in der zweiten Partie gegen Äquatorialguinea Chancen am laufenden Band. Ja, die Spielanlage von Senegal mit ihrem Mittelding aus 4-2-3-1 und 4-2-4 war recht eindimensional. Aber die an sich guten Laufwege von Ba und Cissé und der ungeheure Schwung von Issia Dia auf der rechten Seite bereitete den beiden Gegnern große Probleme. Vor allem im zweiten Spiel hätte es statt der 1:2-Niederlage in der letzten Minute eigentlich einen Kantersieg geben müssen. So war Senegal ausgeschieden, die Luft war raus, der Auftritt gegen Libyen blutleer und das Punktekonto stand auch nach drei Spielen immer noch auf Null. Peinlich.

Was Senegal zum Verhängnis wurde, war neben der schlechten Chancen-Verwertung vor allem fehlende Kompaktheit im Mittelfeld und eine Abwehrkette, die nicht auf der Höhe war. Teamchef Amara Traoré, der von draußen kaum Impulse geben konnte, ist jedenfalls schon nicht mehr im Amt.

Unaufgeregte Maghreb-Teams

Was angesichts der sonst weit verbreiteten Hire-&-Fire-Politik in afrikanischen Verbänden etwas überraschend war: Eric Gerets darf trotz den enttäuschenden Vorrunden-Aus auch weiterhin die Mannschaft aus Marokko betreuen. Auch, wenn der Auftritt der Mannschaft das Verpassen des Viertelfinales durchaus rechtfertigte.

Die Grundformation von Marokko

Und auch der Teamchef selbst mit seinem vorschnellen Signal zum geordneten Rückzug im Mega-Match gegen Gabun seinen Teil dazu beigetragen hat. Das Hauptproblem Marokkos war die Abhängigkeit von Houssine Kharja. Er sollte seine Mitspieler aus der Tiefe heraus dirigieren und einsetzen. Das wussten aber auch die Gegner und stellten den Italien-Legionär so gut es ging zu – und kein anderer übernahm die Verantwortung. Zu wenig Nachdruck gegen Tunesien, zu früh sicher gefühlt und Gabun ins Spiel zurücklassen, und schon war das Turnier vorbei.

Woran es Marokko vor allem fehlt, sind Führungsfiguren. Boussoufa und Hadji sind Schönwetter-Spieler, Kharjas Nebenmann Hermach fehlt es an der Klasse und im Sturmzentrum macht Chamakh einfach zu wenig aus seinen Anlagen.

Die Grundformation von Tunesien

Da fußte die Abordnung aus Tunesien schon auf deutlich mehr Säulen. Sami Trabelsi vertraute einem recht großen Block von Akteuren aus der eigenen, sportlich durchaus sehenswerten Liga. Der Vorteil dabei: Die Mittelfeld-Zentrale mit Korbi und Traoui war gut eingespielt, als im dritten Spiel mit Ragued erstmals ein dritte Mann eingezogen wurde, stand man noch sicherer.

Zudem machten zwei Spieler auf sich Aufmerksam: Rechtsvertediger Bilel Ifa (21), der recht bald in der französischen Liga auftauchen dürfte, ud vor allem Youssef Msakni. Der auch erst 21-Jährige mit dem Lausbuben-Gesicht ist ein Offensiv-Allrounder, wie man ihn sich wünscht: Er kann über die Flanken kommen (hier eher über die linke), der kann hinter den Spitzen spielen, und er kann auch selbst Tore schießen.

Tunesien ist nach einem sportlichen Durchhänger in den letzten Jahren wieder zurück auf der Spur nach oben: Mit einer kompakten und sicheren Defensive, fleißigen Außenverteidigern (auch Chammam, der im Turnierverlauf Jemal ersetzte) und einem offensiven Alleskönner mit viel Potential. Wer weiß, wie viel Tunesien schon diesmal erreichen hätte können, wenn nicht der sonst so sicherer Torhüte Mathlouthi im Viertelfinale gegen Ghana daneben gegriffen hätte.

Die Grundformation von Guinea

Die Pechvögel aus Guinea

Es gibt eine Mannschaft, das das Viertelfinale absolut verdient gehabt hätte, aber durch einen Glücktreffer von Mali außen vor blieben: Das Team aus Guinea. Unter ihrem französischen Teamchef Michel Dussuyer, dessen Vater im Turnierverlauf verstarb, zeigten die Westafrikaner sehenswerten Angriffsfußball. Im ersten Spiel gegen Mali scheiterten sie an der Chancenverwertung, aber gegen Botswana gab’s beim 6:1 kein Halten mehr. War aber alles nicht mehr genug, genau wie das achtbare 1:1 gegen Ghana – bei dem sich die Mannschaft wohl etwas zu früh aufgegeben hat.

Auch Guinea ist im Grunde eine Mannschaft, die sich ansehnlicher präsentiert hat als es der Kader annehmen hätte lassen. Zwei Burschen aus der Drittliga-Mannschaft von Stuttgart, jede Menge Spieler aus wenig prickelnden Vereinen aus Ländern wie Schweiz, Belgien und der Türkei, Zweitliga-Kicker aus Frankreich – aber es war klar ersichtlich, dass es im Team stimmt. Jeder rannte für den anderen, bis auf die letzte halbe Stunde gegen Ghana war das Bestreben, positiven Fußball zu zeigen und Tore zu erzielen, immer sichtbar.

Die Grundformation von Angola

Das war zu wenig

Andere Teams, denen man mehr zugetraut hätte, haben sich selbst geschlagen. Angola etwa: WM-Teilnehmer von 2006, zuletzt dreimal das Viertelfinale erreicht, aber diesmal war doch ein deutlicher Rückschritt zu erkennen. Wenn die Mannschaft schon hinten nicht besonders sicher steht – was ja auch schon beim Heim-Turnier vor zwei Jahren nicht der Fall war – dann muss zumindest nach vorne etwas gehen. Aber von den Flanken kam zu wenig Konkretes, aus der Zentrale gab’s nur Alibi-Fußball und Flavio, einer der WM-Torschützen von vor sechs Jahren, ist deutlich über seinen Zenit hinaus.

Das alles kann ja mal passieren, das ist auch keine Schande. Anders als der Umgang der angolanischen Autoritäten, die sich als ganz schlechte Verlierer zeigten: Reporter wurde gewaltsam von der Mannschaft abgeschottet, Berichterstattung darüber unter Androhung von Strafen zu verhindern versucht. Das gab kein gutes Bild ab.

Die Grundformation von Burkina Faso

Zu wenig Konkretes – das ist auch der sportliche Vorwurf, den sich Burkina Faso machen lassen muss. Aus der Zentrale von Marseille-Sechser Kaboré kam viel zu wenig, Alain Traoré haderte früh mit sich, den Mitspielern, den Referees, mit Gott und der Welt, Joker Aristide Bancé irrlichterte wirr über den Platz, Bakary Koné schoss hinten Böcke am laufenden Band und Moumouni Dagano wirkt vorne wie ein Dinosaurier. Der flinke Jonathan Pitroipa, der einzige noch verbleibende Spieler von höherer Qualität, war mit der ganzen Verantwortung auf seinen schmalen Schultern sichtlich überfordert. Und letztlich half es auch nicht, dass von der Trainerbank keine hilfreichen Impulse kamen: Teamchef Paulo Duarte hielt stur an seinem steifen 4-2-3-1 fest.

Die Folge: Drei Niederlagen und das Vorrunden-Aus.

Die Grundformation von Niger

Chancenlose Debütanten

Drei Niederlagen war auch die Bilanz, die man von den zwei Debütanten erwartet und auch bekommen hat. Wobei das Team aus Niger bei seiner Afrika-Cup-Premiere vor allem defensiv gar keine so schlechte Figur gemacht hat: Der Versuch, den Gegnern keinen Platz und keine Zeit am Ball zu lassen, Kompakt und sicher zu stehen und nach Ballgewinn über die flinken Issoufou und Maazou nach vorne zu kommen, war stets erkennbar und wurde auch ganz okay ausgeführt.

Die individuelle Qualität der eher zufällig gegenüber den Südafrikanern qualifizierten Mannschaft war natürlich nicht mit jener der Gruppengegner zu vergleichen, und doch hätte man Marokko beinahe einen Punkt abgetrotzt. Leider wurde das alles überschattet von der eher unwürdigen Posse hinter den Kulissen und an der Seitenlinie, wo man dem erfolgreichen Teamchef Harouna Doula (immerhin Afrikas Trainer des Jahres 2011) im Franzosen Rolland Courbis einen Anstands-Wauwau vor die Nase setzte, der dann auch bei den Spielen seinen dicken Bauch Kommandos gebend in der Coaching-Zone präsentierte, während sich Doula etwas indigniert auf der Trainerbank einigelte.

Die Grundformation von Botswana

Fehlende Qualität vor allem im Spiel nach vorne war letztlich auch bei Botswana der limitierende Faktor. Abgesehen vom 1:6 gegen Guinea, wo man in Unterzahl komplett auseinander fiel, stand man mit zwei Viererketten und einem Sechser dazwischen recht sicher, machte Ghana und Mali das Leben mit gutem Lauf- und Stellungsspiel verteufelt schwer und verlor diese beiden Spiele nur knapp.

Aber im Angriff… Jerome Ramathlhakwane versuchte zwar, mit viel Laufarbeit fehlende Ideen von hinten auszugleichen, aber außer Mondbällen aus der eigenen Hälfte hatte Botswana überhaupt nichts anzubieten. Kein Wunder, dass schon in der Quali kein Team, das den Cut geschafft hat, weniger Tore erzielt hat. Durchaus erstaunlich, dass es trotzdem zu zwei Treffern – einem Elfmeter und einem Konter – gereicht hat.

Aber für Botswana gilt genau wie für Niger: Schön, mal dabei gewesen zu sein. Es wird auch in Zukunft nicht allzu oft passieren.

Fazit: Was bleibt?

Genau natürlich wie der Titelgewinn für Sambia eine Ausnahme ist. Die Mannschaft aus dem 13-Millionen-Einwohner-Land im Süden des Kontinents wird sich nun genausowenig zu einem dauerhaften Titelkandidaten aufschwingen wie das Griechenland nach dem Titel 2004 oder der Irak nach dem Erfolg beim Asien-Cup 2007 gelungen ist.  Schon hinter einer WM-Teilnahme in Brasilien steht ein dickes Fragezeichen, muss man doch in der Gruppe an Ghana vorbei, um überhaupt in die entscheidenden Playoffs einzuziehen.

Aber die Mannschaft ist jung genug, um noch einige weitere Afrika-Cups zu absolvieren und kann nächstes Jahr in Südafrika oder in drei Jahren in Marokko auch wieder eine gute Figur abgehen. Der Unterschied: Ab sofort werden vor allem Underdogs gegen den Afrika-Meister doppelt und dreifach motiviert in die Spiele gehen.

Für Didier Drogba und seine Ivorer geht es nächstes Jahr noch einmal um alles oder nichts, aber es wird nicht leichter. Kamerun, Nigeria, Ägypten und Ausrichter Südafrika werden die Scharte der verpassten Quali ausmerzen wollen. Dass das vor allem bei afrikanischen Funktionären zumeist in kontraproduktiver Übermotivation umschlägt, ist dabei aber natürlich nichts Neues.

Aber wer weiß, vielleicht sorgt das Signal, das Sambia ausgesendet hat, beim einen oder anderen ja doch für etwas mehr Mitdenken.

(phe)

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Dritter Erfolg im dritten Spiel: Gabun ist Gruppensieger https://ballverliebt.eu/2012/02/01/drittes-spiel-dritter-sieg-gabun-gruppensieger/ https://ballverliebt.eu/2012/02/01/drittes-spiel-dritter-sieg-gabun-gruppensieger/#respond Wed, 01 Feb 2012 10:13:37 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6617 Dritter Erfolg im dritten Spiel: Gabun ist Gruppensieger weiterlesen ]]> Wieder hatte Gabun zu Beginn der Partie Probleme, wieder wuchtete man sich ins Spiel zurück – diesmal auch mit einer intelligenten System-Umstellung. Somit geht der Co-Gastgeber nach dem 1:0 gegen Tunesien als Gruppensieger ins Viertelfinale. Den Nordafrikanern fehlte es wieder einmal an der Durchschlagskraft.

Gabun - Tunesien 1:0

Gabun – Tunesien 1-0 (0-0). 1-0 Aubameyang 62′

Beide Teams waren schon fix in der nächsten Runde – so rotierten auch beide ein wenig. Gernot Rohr blieb in seinem 4-3-3, ließ aber mit Mbanangoye einen seiner beiden Sechser permanent auf die linke Seite rausschieben, um den dort aufgestellten Flügelstürmer Roguy Méyé zu unterstützen. Das wurde notwenig, weil Außenverteidiger Muele sehr viel mit seinem Gegenspieler Khalifa zu tun hatte.

Bei den Tunesiern wurde aus dem 4-2-3-1 der letzten Spiele ein 4-3-1-2 mit Msakni als Zehner. Oder eher als falschen Neuner, denn die beiden nominellen Stürmer, vor allem Khalifa, wichen oft weit auf die Flügel aus und zogen dann nach innen. Damit kam Gabun zunächst nicht so ganz zurecht und mit dem Wall, den die Tunesier im Mittelfeld mit de facto drei zentralen Mittelfeld-Spielern, ganz nach italienischem Vorbild, eingezogen haben, gab es kaum ein Durchkommen.

Msaknis Rolle bereitet Gabun Probleme

Die Tunesier kontrollierten somit das Spiel zunächst und versuchten vor allem die Positionierung von Youssef Msakni auszunützen. Dieser stand zu hoch, um für die Innenverteidiger sinnvoll gedeckt zu werden, aber zu hoch für die beiden Sechser, die kaum mehr eine Rolle für den eigenen Aufbau spielen könnten, wenn sie sich zu weit nach hinten ziehen lassen. Trotz des klaren Plus an Ballbesitz schaffte es Tunesien aber nicht, aus dieser Überlegenheit auch Tore zu erzielen.

Nach etwa einer halben Stunde ließ sich Sturmspitze Daniel Cousin etwas zurückfallen und bearbeitete zunehmend die Dreierkette im tunesischen Mittelfeld. Das immer mutiger Vorrücken von Mbanangoye sorgte dafür, dass Jamel Saihi auf der halblinken Position in der tunesischen Zentrale etwas hin- und hergerissen war: Einerseits bereitete ihm Cousin mehr Arbeit, andererseits sollte er aber auf der Flanke aushelfen. So kam Gabun gegen Ende der ersten Hälfte deutlich besser ins Spiel.

Rohr stellt um

Gernot Rohr nahm für die zweite Halbzeit eine erstaunliche Änderung vor: Es brachte Madinda für Méyé, stellte ihn aber nicht – wie in den ersten Partien – auf die Zehn, sondern ins rechte Mittelfeld, und Mbanangoye ins linke, stellte somit auf ein 4-4-2 um. Damit bekam Gabun die Oberhand: Weil von den zwei zentralen Mittelfeld-Männern nun einer (Poko) explizit auf Msakni spielte und sich notfalls auch tief fallen ließ und der andere (Palun) sich eher nach vorne orientierte, stand Gabun nun wesentlich sicherer und konnte gleichzeitig mehr für das Spiel tun.

Die Flügel waren zudem in tieferen Positionen besetzt als vor der Pause, griffen somit auch mehr ins Spiel ein. Nun wirkten die Tunesier verwirrt, und ehe sie wirklich auf die sich geänderte Raumaufteilung reagiert hatten, erzielte Aubameyang nach einer Stunde das 1:0.

Späte Reaktion

Erst jetzt reagierte der tunesische Teamchef Sami Trabelsi. Er brachte Allagui und Chikhaoui (für Jemâa und Ben-Yahia), änderte aber seine Formation nicht gravierend – es gab weiterhin keinen klassischen Zehner, weil Chikhaoui aus der halbrechten Position im Mittelfeld kam. Seine Präsenz am Platz zeigte aber dennoch wirkung, ebenso wie der sehr willige Sami Allgui und das Wissen bei Gabun, dass selbst ein Remis für den Gruppensieg reicht.

Die Tunesier hatten also die Schlussphase der Partie wieder deutlich im Griff, verpassten es aber weiterhin – im Gegensatz zu den ersten beiden Partien, in denen sie vor dem Tor eiskalt agierten – den Ball im Netz unterzubringen. Gabun verteidigte den Sieg über die Zeit und ist damit mit drei Erfolgen Gruppensieger.

Fazit: Interessantes Freundschaftsspiel

Letztlich war es von der Bedeutung kaum mehr als ein Freundschaftsspiel, aber uninteressant war es beileibe nicht. Wie gegen die Marokkaner hatte Gabun zunächst Probleme, sich auf den Gegner einzustellen, traute sich aber mit Fortdauer des Spiels wiederum immer mehr zu und die Umstellung zur Halbzeit brachte dem Co-Gastgeber endgültig die Oberhand.

Tunesien steckte nicht auf und mit Chikhaoui kam jene Linie ins Spiel zurück, die davor etwas verloren gegangen war. Was den Nordafrikanern aber weiterhin fehlt, ist ein wirklich zielbringendes, eigenes Angriffsspiel. Sie sind (heute nicht, aber in den bisherigen zwei Spielen) stark im Nützen der wenigen Chancen, aber solltes, wovon auszugehen ist, im Viertelfinale gegen die defensiv extrem starken Ghanaer gehen, dürfte ihnen die nötige Durchschlagskraft fehlen. Das zumindest ist der Eindruck aus der Gruppenphase.

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Marokko – Niger 1-0 (0-0). 1-0 Belhanda 78′

Marokko - Niger 1:0

Kaum mehr als eine lästige Pflichtaufgabe war das letzte Spiel für die bereits eliminierten Marokkaner, und entsprechend schlampig war auch das Passspiel der Mannschaft. Zwar kontrollierte man den Außenseiter relativ sicher, aber schon aus der Abwehr heraus passierte immer wieder billige Fehlpässe. Die Ungenauigkeiten konnte Kharja zumeist noch kaschieren, aber nachdem er kurz vor Ende der ersten Hälfte verletzt ausgetauscht werden musste, war es mit der Strukur im Aufbauspiel der Marokkaner geschehen.

Beim Niger vertraute man wieder auf das etwas schiefe Mittelding aus 4-1-4-1 und 4-4-2, wobei Maazou diesmal deutlich mehr vom linken Flügel kam als gegen Tunesien. Der Außenseiter machte wiederum einen guten Job, wenn es um das Attackieren des Gegnern im Mittelfeld ging, was der Passsicherheit der Marokkaner auch nicht gut tat. Eigene Angriffe wurden aber, einmal mehr, zumeist nur durch lange Bälle gestartet, womit die marokkanische Defensive wenig Probleme hatte.

Und es letztlich auch kein Tor gab. Anders als auf der anderen Seite, wo gegen Ende des Spiels Belhanda das dennoch nicht ganz unverdiente 1:0-Siegtor für seine Mannschaft erzielte. Ein glanzloser Arbeitssieg – mehr nicht.

(phe)

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Gabun dreht unfassbare Partie noch um – 3:2 über Marokko, das Viertelfinale! https://ballverliebt.eu/2012/01/28/gabun-dreht-unfassbare-partie-noch-um-32-uber-marokko-das-viertelfinale/ https://ballverliebt.eu/2012/01/28/gabun-dreht-unfassbare-partie-noch-um-32-uber-marokko-das-viertelfinale/#respond Fri, 27 Jan 2012 23:12:00 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6581 Gabun dreht unfassbare Partie noch um – 3:2 über Marokko, das Viertelfinale! weiterlesen ]]> Es war ohne Zweifel das aufregendste Spiel des Turniers! Was Gabun und Marokko boten, war dramatischer Fußball bis in die 97. Minute, eine Werbung für den Afrika-Cup. Marokko fühlte sich zu früh sicher, Gabun drehte das Match, doch in den Schlussminuten wurde es erst so richtig unglaublich. „Unglaublich“ müssen sich auch die Nigrer gedacht haben, nachdem sie trotz sehr beherzter Leistung in ein Last-Minute-1:2 gegen Tunesien gelaufen waren.

Gabun - Marokko 3:2

Beim leichten 2:0-Erfolg gegen Niger waren die Außenverteidiger von Co-Gastgeber Gabun nach vorne praktisch nicht zu stoppen und bereiteten dem Gegner große Probleme – aber defensiv getestet wurden sie da natürlich nicht. Genau dort setzte Eric Gerets, der belgische Teamchef der Marokkaner, auch den Hebel an: Er ließ seine Außenspieler grundsätzlich relativ weit innen stehen, um sie mit Bällen aus dem Zentrum hinaus auf die Flügel, in den Rücken der Außenverteidiger Gabuns, zu füttern.

In den Rücken der Außenverteidiger

Marokko musste diese Partie nach der Auftaktpleite gegen Tunesien gewinnen, um eine realistische Chance auf das Viertelfinale zu wahren, ein Remis hätte zumindest noch einen kleinen Hoffnungsschimmer am Leben erhalten. Und dementsprechend starteten die Nordafrikaner auch: Als die aktivere Mannschaft mit der klareren Struktur und dem ausgereifteren Plan, das Spiel schnell in die eigene Richtung zu befördern.

Die Gabuner Außenverteidiger wurden, nachdem ihnen Carcela und Belhanda ein paar Mal auf den Flügeln entwischt war, zunehmend vorsichtiger, womit Marokko das erste Etappenziel erreicht hatte. Ohne Moussono und Mouela, die vorne die Außenstürmer hinterlaufen, fehlte dem Team von Gernot Rohr sichtlich der Back-up-Plan. Auch deshalb, weil durch die innen lauernden Außenspieler der Marokkaner die beiden defensiven Mittelfeldspieler gebunden waren und im Zentrum eine marokkanische Überzahl entstand.

Marokkos Schlüsselspieler: Hossine Kharja

So kamen auch aus dem Zentrum kaum Impulse und die Mannschaft aus Gabun, die vor allem in der ersten Hälfte gegen Niger den Gegner noch an die Wand spielte, machte einen etwas ratlosen Eindruck. Dieser verstärkte sich zunächst noch, als die Marokkaner nach einer halben Stunde durch ihren Kapitän und Schlusselspieler, Hossine Kharja, in Führung gingen.

Der Mann von der Fiorentina ist im Mittelfeld der Marokkaner das Um und Auf: Er lenkt das Spiel aus der Tiefe, versorgt seine Vorderleute mit Zuspielen, diesmal eben vor allem Richtung Außen, und in dieser ersten Hälfte bekam er vor allem auch die Zeit dazu. Weil die beiden defensiven Mittelfeld-Leute von Gabun eben hinten gebunden waren und Kharjas Nebenmann Hermach auch noch Madinda aus dem Spiel nahm, gab es keinen, der seine Kreise wirklich einengen konnte. So hatte Marokko das Spiel im Griff und ging auch nicht unverdient mit dieser 1:0-Führung in die Pause.

Marokko wiegt sich in Sicherheit…

Und nach dem Seitenwechsel sah es auch zunächst so aus, als sollte sich das Spiel der ersten Hälfte fortsetzen: Die Marokkaner legten bis etwa zur 60. Minute eine Abgeklärtheit an den Tag, aus der schon ersichtlich war, dass hier  die überwiegende Mehrheit der Spieler in Top-Ligen wie Italien und Frankreich am Werk war, und den Gabunern diese internationale Erfahrung einfach noch fehlt.

So konnten sich die Marokkaner in Sicherheit wiegen und die Tatsache, dass Eric Gerets schon für die zweite Hälfte mit Youssef El Arabi die einzige Spitze vom Platz nahm und stattdessen den Zehner Youssef Hadji nach vorne stellte, signalisierte zudem: Routiniert die Zeit runterspielen, jetzt. Es dauerte eine Viertelstunde, aber dann hatten die Gabuner erkannt, dass Marokko hier keine großen Ambitionen mehr hegte.

…und Gabun merkt das

Ein guter Wechsel von Gernot Rohr half dem Aufbäumen auf die Sprünge: Der Deutsch-Franzose nahm den eher kaltgestellten Stéphane Nguéma raus und brachte mit dem routinierten Daniel Cousin einen neuen, bulligen Mann für die Zentrale; dafür ging der flinke, eher filigrane Pierre-Emerick Aubameyang auf den Flügel. Dort konnte er auch alleine, ohne Hilfe von hinten, Bälle besser halten als sein Vorgänger und so auch zum einen eigenen Chancen kreieren als auch zum anderen seiner Mannschaft Zeit geben, aufzurücken.

Was nun auch immer mehr die Außenverteidigier taten. Vor allem Moussono auf der linken Seite konnte mit Mouloungui für solchen Wirbel sorgen, dass sich Eric Gerets schnell gezwungen sah, den damit überforderten Mickaël Basser rauszunehmen und mit Jamal Alioui einen frischen Mann für rechts hinten zu bringen.

In zwei Minuten das Spiel gedreht

Aber der Schaden war bereits angerichtet, die Hausherren warfen alles nach vorne. Im Mittelfeld wurde der Spieß nun umgedreht – nun wurden die Marokkaner schnell angegriffen, wodurch sie keine Möglichkeit mehr hatten, für dauerhafte Entlastung zu sorgen. Und Hossine Kharja war in dieser Phase komplett abgetaucht, gerade jetzt, wo die Mannschaft seine Klarheit am dringendsten gebraucht hätte.

Und so kam, was sich immer mehr abgezeichnet hatte: Alioui verlängerte von Cousin bedrängt eine Ecke direkt vor das Tor, wo Aubameyang die x-te Torchance für Gabun zum Ausgleich nützte, zwei Minuten später holte sich Moubamba einen verlorenen Ball umgehend zurück, der Ball kam über Aubameyang zu Cousin in der Mitte, der drückte ab – 2:1, das Spiel war gedreht!

Dramatische Schlussphase

Die Marokkaner – die mit diesem Resultat fix ausgeschieden wären – bemühten sich, zurück zu ihrem eigentlichen Matchplan zu gehen und hinter die Außenverteidigier zu kommen. Die Präzision war mit dem ganzen Druck natürlich dahin und weil die Löwen vom Atlas Risiko gehen und hinten aufmachen mussten, fiel beinahe das 1:3, doch in der 89. Minute schafften sie es doch noch einmal, zur Grundlinie durchzugehen. Der Ball wurde für den am Sechzehner stehenden Belhande zurückgespielt, der zog ab, und Moussono wehrte mit der Hand ab. Elfmeter, und Kharja verwertete zum 2:2. Womit Marokko immer noch so gut wie aus dem Rennen war, aber zumindest noch hoffen konnte.

Aber nur wenige Minuten. Gerade als die fünf angezeigten Nachspiel-Minuten abgelaufen waren, senste Benatia in der Strafraumgrenze den kurz zuvor eingewechselten Mbanangoye um. Es dauerte wegen der Behandlung und einem Wechsel zwei Minuten, ehe der Gefoulte den Freistoß ausführen konnte. Und über die Mauer hinweg im kurzen Eck versenkte! Das 3:2, der Endstand – das Stadion stand endgültig Kopf, Gabun steht im Viertelfinale.

Fazit: Kampfgeist bringt Gabun ins Viertelfinale

Natürlich hat die Einwechslung von Cousin geholfen, weil Aubameyang dadurch auf die davor ziemlich abgemeldeten Außenbahnen gehen und dort Leben in das Flügelspiel von Gabun brachte. Letztlich entschieden aber zwei andere Faktoren noch viel mehr über den Verlauf des Spiels: Zum einen, dass sich die Marokkaner viel zu früh sicher fühlten, nachdem sie auch die erste Phase nach dem Seitenwechsel sicher im Griff gehabt hatten und das Signal, das Eric Gerets mit der Auswechslung des einzigen echten Stürmers bereits zur Halbzeit sendete.

Und zum anderen der enorme Kampfgeist und Siegeswillen der Spieler aus Gabun. Die nach einer Stunde begriffen, dass sie die Marokkaner biegen konnten, wenn sie die sich immer mehr einschleichende Selbstzufriedenheit der Gegenspieler nützten, indem sie sie aggressiver angingen, früher attackierten und selbst den bedingungslosen Vorwärtsgang einschalteten. Dass es mit dem Freistoß-Tor in der 97. Minute dann doch noch den Sieg gab, nachdem die Marokkaner mit dem Ausgleich das schlimmste verhindert zu haben glaubten, spricht für den Kampfgeist dieser Mannschaft.

Die sich ihr Ticket im Viertelfinale damit redlich verdient haben. Während sich die Marokkaner das Aus doch selbst zuschreiben müssen – denn sie waren eine Stunde lang die reifere, klarer strukturierte und deutlich sicherere Mannschaft.

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Tunesien – Niger 2-1 (1-1). 1-0 Msakni 4′ / 1-1 Ngounou 8′ / 2-1 Jemâa 90′

Tunesien - Niger 2:1

Debütant Niger fing sich durch recht schleißiges Zweikampf-Verhalten in der Defensive sofort das 0:1 und glich mit einem Tor, das sehr wahrscheinlich aus einem Handspiel entstanden ist, praktisch umgehend wieder aus – spielte aber, als sich das Geschehen etwas beruhigt hatte, eine erstaunliche Partie.

Mit der auch die Tunesier ganz offensichtlich nicht gerechnet hatten. Sami Trabelsi drehte ein wenig an seiner Besetzung, beließ das 4-2-3-1 aus dem knappen Sieg gegen Marokko aber bei. Anders Harouna Doula (oder doch sein ihm vom Verband, warum auch immer, vor die Nase gesetzter Anstands-Wauwau Rolland Courbis?) bei Niger: Er brachte mit William Ngounou aus der dritten (!) schwedischen Liga eine zweite Spitze neben Maazou, dafür blieb die linke Mittelfeld-Seite de facto unbesetzt.

Was Bilel Ifa natürlich dazu einlud, nach vorne zu gehen, doch sobald er den Ball hatte, fielen Lacina aus dem Halbfeld und Soumaila frontal vor ihm über ihn her. Und ganz ähnlich machten sie das im ganzen Mittelfeld: Korbi und Traoui hatten kaum Zeit zum Spielaufbau, weil ihnen sofort ein Nigrer auf den Füßen stand.

Niger nervt den Gegner

Der Plan, um selbst nach vorne zu kommen, war relativ simpel: Den erkämpften Ball halten, bis man sich halbwegs formiert hatte, und dann ein schneller Steilpass auf einen der beiden Stürmer. Die Tunesier kamen damit überhaupt nicht zurecht und so hatte der krasser Außenseiter diverse Chancen, sogar in Führung zu gehen.

Der Favorit verlor ob des unerwarteten Spielverlaufs nicht die Nerven, das nicht, aber man merkte den Tunesiern schon an, dass sie von der robusten und aktiven Gangart der Nigrer im Mittelfeld und den sich daraus ergebenden Chancen durchaus genervt waren. Vor allem, weil sie kein wirksames Mittel dagegen fanden um den Druck im Mittelfeld zu entgehen und die vor allem in Eins-gegen-Eins-Situationen alles andere als sattelfeste Abwehr der Nigrer selbst zu testen.

Tunesier bleiben zu statisch

An diesem Prizinzip änderte Sami Trabelsi auch in der zweiten Hälfte nichts – er änderte nicht einmal sein System. Der für Chermiti eingewechselte Jemâa hing ähnlich in der Luft wie sein Vorgänger, viel zu selten, genau genommen nur ein einziges Mal, ging es schnell mit direkten Pässen nach vorne. Die Tunesier verhielten sich weiterhin zu drucklos, agierten zu umständlich und wurden von den flink umschaltenden Nigrern hinten immer wieder in Verlegenheit gebracht.

Daran änderten auch die weiteren Wechsel, alle innerhalb des Systems, nichts. Tunesien hatte zwar deutlich mehr Ballbesitz, konnte die Statik des eigenen Spiels aber praktisch nie durchbrechen, bis kurz vor Schluss Jemâa einmal schnell mit einem Steilpass aus der Tiefe geschickt wurde – eine Geradlinigkeit, die man davor komplett vermisste. Der Auxerre-Stürmer ließ sich dann auch nicht zweimal bitten und schoss doch noch das mehr als schmeichelhafte 2:1-Siegtor.

Fazit: Da hat wohl das falsche Team gewonnen.

Natürlich sind die Spieler aus Niger ihren Gegnern individuell klar unterlegen. Das wurde aber ob des cleveren Matchplans, der wirklich gut umgesetzt wurde, nie so richtig deutlich und das sich anbahnende Unentschieden wäre alles andere als glücklich gewesen. Im Gegenteil, angesichts der statischen und unvariablen Tunesier, die über 90 Minuten hinweg nicht fähig waren, ihr Spiel auf passende Art und Weise umzustellen, wäre ein Sieg für den krassen Außenseiter sogar korrekt gewesen.

Dass sie nun sogar verloren haben und damit (wie, fairerweise, nicht anders zu erwarten war) die Heimreise antreten müssen, ist ein harsches Resultat, weil es ihre beherzte Leistung in diesem Spiel gegen Tunesien nicht reflektiert. Die Adler von Kathargo werden sich im Turnierverlauf, was die eigene Offensivleistung betrifft, steigern müssen. Aus einer gesicherten Abwehr heraus kontern können sie, das hat man gegen Marokko gesehen. Aber das Spiel selbst zu gestalten ist ganz offensichtlich nicht ihre Stärke.

(phe)

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1:2 gegen Tunesien – Marokko stauchelt / Co-Gastgeber mit tollem Start https://ballverliebt.eu/2012/01/23/12-gegen-tunesien-marokko-stauchelt-co-gastgeber-mit-tollem-start/ https://ballverliebt.eu/2012/01/23/12-gegen-tunesien-marokko-stauchelt-co-gastgeber-mit-tollem-start/#comments Mon, 23 Jan 2012 21:44:07 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6528 1:2 gegen Tunesien – Marokko stauchelt / Co-Gastgeber mit tollem Start weiterlesen ]]> Ein heißer Außenseiter steht schon mit dem Rücken zur Wand! Weil Marokko gegen die gute Organisation der Tunesier kein Mittel fand und 1:2 verlor, werden die Löwen vom Atlas wohl das nächste Spiel gegen Co-Gastgeber Gabun gewinnen müssen. Was aber sauschwer wird, weil sich Gabun beim 2:0 über den Niger als bärenstarkes Team gezeigt hat!

Marokko - Tunesien 1:2

Marokko – Tunesien 1-2 (0-1). 0-1 Korbi 34′ / 0-2 Msakni 72′ / 1-2 Kharja 86′

Ein wenig schief war es, was die Tunesier spielten – eine Maßnahme, die bei der WM in Südafrika total in war und seither nicht mehr so richtig aufgegriffen wurde. Nominell war es ein 4-2-3-1, aber weil Allagui (links) deutlich höher agierte als Dhaoudi auf der anderen Seite und auch Linksverteidiger Ifa viel mehr nach vorne machte als Jemal auf der andere, hatte das Spiel der Tunesier deutlich Schlagseite nach links.

Was allerdings in erster Linie eher an der grundsätzlich eher defensiven Grundausrichtung des Teams lag. Dhaoudi hatte deutlich mehr Defensiv-Aufgaben zu erledigen und rückte nicht selten neben Korbi und Traouri in eine Rolle, die vor der Abwehrkette eine weitere mit drei defensiven Mittelfeldspieler einziehen ließ. Allagui kam über die halblinke Seite, Chikhaoui war als Zehner nicht gerade ein Laufwunder, beschäftigte aber den Marokkaner Belhanda alleine durch seine Präsenz.

Marokko initiativer…

Die klar initiavere Mannschaft waren dann auch die Marokkaner. Bei ihnen war es Kapirän Hossine Kharja, der aus der Tiefe heraus das Spiel lenkte und die Bälle verteilte – sofern ihn die Tunesier ließen. Denn Traoui und Korbi hatten vor allem die Aufgabe, den Italien-Legionär genau daran zu hindern. So verlegten die Marokkaner ihr Spiel vermehrt auf die Außen, aber Assaidi kam auf der linken Angriffsseite gegen Ifa kaum zum Zug und Amrabat rieb sich gegen Jemal, der ja auch einen guten Innenverteidiger spielen kann, komplett auf.

Wenn es allerdings galt, schnell von Offensive auf Defensive umzuschalten, boten die Tunesier zwischen den Reihen durchaus Platz an, den Marokko aber nicht konsequent genug ausnützte. Marouane Chamakh lief an vorderster Front zwar viel, aber die Ordnung ging dabei zuweilen verloren. Auch, weil Boussoufa nicht aktiv genug darauf einging, dass daraus auf konstanter Ebene in den tunesischen Strafraum eingedrungen werden konnte. Und wenn doch, war der ausgezeichnete Mathlouthi im Tor zu Stelle.

…aber Tunesien macht das Tor

Die Tunesier hatten zwar bereits aus einem Fernschuss den Pfosten getroffen und einmal musste auch Goalie Lamyaghri schon in höchster Not klären, aber dennoch kann man nicht behaupten, dass sich die Führung für Tunesien angedeutet hätte. Nach einer halben Stunde lupfte Korbi einen Freistoß von der halblinken Seite Richtung langen Pfosten und Torhüter Lamyaghri musste spekulieren, ob Khalifa vor dem Tor noch mit dem Kopf abfälscht – der tat es nicht und der Goalie war geschlagen.

Marokkos Teamchef Eric Gerets reagierte für die zweite Hälfte auf die maue Darbietung von Assaidi und wechselte Adel Taarabt von QPR ein.  Das Hauptproblem bei den Marokkanern blieb aber bestehen: Es gab keinen im Offensiv-Quartett, der das Spiel an sich reißen hätte können, alles hing von den Ideen und der Organisation ab, die  Kharja bringen sollte. Dieser war aber durch die gut gegen ihn verteidigenden Tunesier gezwungen, sich immer weiter nach hinten fallen zu lassen, um etwas Raum zu bekommen, und von dort konnte er seiner Mannschaft keine Struktur verleihen. Genauso wenig wir Youssef Hadji, der nach einer Stunde den schwachen Boussoufa ersetzte.

Keine Struktur bei Marokkanern

So verloren sich die Marokkaner zunehmend in etwas unkoordiniert wirkende Einzelaktionen, mit denen die ruhige und gut organisierte tunesische Abwehr kaum Probleme hatte – und als eine Viertelstunde vor Schluss der kurz zuvor für Chikhaoui eingewechselte Msakni das 2:0 besorgte, schien das Spiel gelaufen, auch weil die Marokkaner es zunächst weiterhin nicht schafften, die nötige Struktur ins eigene Spiel zu bringen.

Das klappte erst in der unmittelbaren Schlussphase, nachdem Kharja sein Team durch ein irreguläres Tor (ganz klares Abseits) auf 1:2 heran gebracht hatte. Erst jetzt kamen die Tunesier wirklich unter Druck, weil die Spielfeldbreite nun besser ausgenützt wurde und die Marokkaner mehr darauf achteten, zusammen zu spielen. Alleine für den Ausgleich reichte es nicht mehr.

Fazit: Gute Organisation bringt Tunesien Sieg

Mit den Tunesiern gewann die deutlich besser organisierte und kompaktere Mannschaft. Sie schafften es gut, Kharja wenig zur Enftaltung kommen zu lassen, sich von der durchaus dreckigen Spielweise von Chamakh nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und in den entscheidenden Momenten die wenigen sich bietenden Chancen auch in Tore umzumünzen. Die Marokkaner hingegen, auch wenn sie über die gesamte Spielzeit die klar aktivere Mannschaft nach vorne waren, waren nicht gefestigt genug und vor allem fehlt es an einem Akteur, der das Spiel seines Teams lenken und steuern kann, wenn Kharja nicht wie erhofft dazu in der Lage ist.

Somit steht das Team von Eric Gerets im nächsten Spiel gegen Gabun schon mächtig unter Druck und in Wahrheit unter Siegzwang, um im Rennen um den Viertelfinalplatz eine realistische Chance zu bewahren. Das wird aber alles andere als leicht, weil sich der Co-Gastgeber in seinem Spiel als spielstark und vor allem eingespielt präsentiert hat. Vor allem bei zweiterem fehlte es bei den Marokkanern.

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Gabun – Niger 2-0 (2-0). 1-0 Aubameyang 30′ / 2-0 Nguéma 45′

Gabun - Niger 2:0

Der zweite Co-Gastgeber aus Gabun startete gegen den vermeintlich leichtesten Gruppengegner: Debütant Niger. Alleine, dass diese Mannschaft aus einem er ärmsten Ländern der Welt überhaupt den Sprung zu diesem Turnier geschafft hat, ist eigentlich ein Fußball-Märchen und neben der Heimstärke des Teams von Harouna Doula vor allem der Dummheit der Südafrikaner zu verdanken, die zu blöd waren, die Quali-Regeln zu lesen.

Entsprechend lastete der Druck natürlich voll auf der vom Deutsch-Franzosen Gernot Rohr betreuten Mannschaft aus Gabun. Und diese machte sofort einen sehr gefestigten Eindruck, von großer Nervosität war nichts zu sehen. Im Gegenteil: Das sehr offensiv angelegte 4-3-3 wurde mit großer Selbstsicherheit und dem Willen, das Spiel zu machen, interpretiert.

Extrem aktive Außenverteidiger

Entscheidend waren dafür die beiden Außenverteidiger, Charly Moussono und Edmond Mouele (die beide in der Heimat spielen). Die zwei marschierten nach vorne, dass den Gegenspielern beinahe schwindelig wurde. Durch ihren enormen Vorwärtsdrang konnten die Außenstürmer (nominell Mouloungui links und Nguema rechts, die beiden wechselten aber mit Mittelstürmer Aubameyang oftmals auch die Positionen) einrücken, ohne dass die Breite verloren ging.

Angesichts der recht hohen Positioniertung von Zehner Madinda tummelten sich also vier Offensivspieler annähernd im Zentrum, die von den vielen Flanken aus dem konsequenten Flügelspiel gefüttert werden konnten. Das, verbunden mit einem recht sicheren Passspiel und einem guten Auge für den freien Mitspieler, bescherte dem auch individuell klar besser besetzten Team von Gabun klare Vorteile, die sich vor der Pause auch in Zählbares ummünzen ließen.

Beide Tore von den Flügeln

Dabei wurden beide Tore, aufgrund der Spielanlage fast logisch, über die Flügeln eingeleitet. Das erste über rechts nach einer Flanke von Nguéma, bei der Aubameyang am zweiten Pfosten zum Ball kam und diesen über die Linie bugsierte, das zweite kurz vor dem Pausenpfiff über die linke Seite. Hierbei flankte der einmal mehr aufgerückte Moussono auf Aubameyang, sein Schuss wurde von Kassali Douada im Tor des Niger noch hervorragend pariert – aber gegen den Abstauber von Nguéma war er machtlos.

Niger fehlen die Mittel

Der Außenseiter hatte bei dem durchaus flinken Spiel und der personellen Übermacht der Gastgeber in der eigenen Spielfeldhälfte kaum Chancen. Die Außenspieler im Mittelfeld waren von den fleißigen Außenverteidigern von Gabun defensiv enorm gefordert, selbiges gilt für die Zentrale, die es nicht nur mit dem viel laufenden Madinda zu tun hatte, sondern auch mit den durchaus frech nach vorne schielenden defensiven Mittelfeld-Spielern des Gegners.

So blieb nur Alhassane Issoufou übrig, der Solo-Spitze Moussa Maazou sinnvoll einsetzen konnte, dieser konnte aber keine Akzente setzen und wurde schon vor der Pause ausgewechselt. Die einzige Möglichkeit des Niger, nach vorne zu kommen, waren lange Bälle und die Hoffnung, dass Maazou diese lang genug halten konnte, dass einige Mitspieler aufrückten. Das gelang aber nicht oft.

Gabun schläfert sich selbst ein

Mit der sicheren Führung im Rücken und dem Wissen, dass man vom Niger absolut nichts befürchten musste (außer vielleicht Verletzungen bei einigen harten Attacken, die der Referee mit Masse allerdings ungeahndet ließ), stieg Gabun nach dem Seitenwechsel ganz deutlich vom Gas und schläferte sich dabei fast ein wenig selbst ein. Es gelang immer noch ohne Probleme, keine Gefahr vor dem eigenen Tor aufkommen zu lassen, eigene Chancen entstanden durch das mangelnde Tempo aber nur noch durch konstant auftretende individuelle Schnitzer in der Abwehr des Teams aus Niger.

Das die letzten zwanzig Minuten dann auch noch mit einem Mann weniger auskommen musste – weil der auch erst eingewechselte Amadou Moutari nach einem herben Einsteigen von Nguéma verletzt nicht mehr spielen konnte, das Austauschkontingent aber schon erschöpft war. Wie sehr es sich Gabun da aber schon gemütlich gemacht hatte, konnte man gut daran sehen, dass Linksverteidiger Mohamed Soumaila seine Seite nun alleine abdeckte, aber dennoch kaum mehr etwas anbrannte.

Fazit: Gabun attraktiv, Niger chancenlos

Gabun hatte mit dem etwas überforderten Gegner keinerlei Mühe und hätte sicherlich noch höher gewinnen können, wenn man es in der zweiten Hälfte darauf angelegt hätte. Die offensive Grundausrichtung und der Zug zur gegnerischen Grundlinie machten die Mannschaft von Gernot Rohr bislang sicher zum attraktivsten im (zugegeben noch recht kurzen) Turnierverlauf und muss sich weder vor Tunesien noch vor den Marokkanern verstecken.

Für Niger bleibt die Erkenntnis, dass es eine tolle Sache ist, dabei zu sein und dass die Qualifikation sicher zu einem großen Teil auch glücklichen Umständen zu verdanken war. Die Qualitäten, mit denen sie in ihren Heimspielen Ägypten und Südafrika besiegt hatten, wurden in diesem Spiel nicht deutlich. Und es ist wahrscheinlich, dass das auch gegen Tunesien und Marokko so bleibt.

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Bären, Falken und Pharaonen – Gemeinsam im Urlaub https://ballverliebt.eu/2010/04/22/baren-falken-und-pharaonen-gemeinsam-im-urlaub/ https://ballverliebt.eu/2010/04/22/baren-falken-und-pharaonen-gemeinsam-im-urlaub/#comments Thu, 22 Apr 2010 12:07:33 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=1935 Bären, Falken und Pharaonen – Gemeinsam im Urlaub weiterlesen ]]> WM-SERIE: “LEIDER NEIN”, Teil 2 | Russland, der EM-Semifinalist? Nicht dabei. Schweden, Dauergast seit vielen Jahren? Auch nicht dabei. Ägypten, zuletzt dreimal in Serie Afrikacup-Sieger? Auch nicht! Nicht alle Favoriten haben’s nach Südafrika geschafft…

Es war eine vermeintlich leichte Aufgabe. Slowenien. In einer leichten Gruppe an die zweite Stelle gespült worden. Für einen amtierenden EM-Semifinalisten doch kein Problem! Und genauso traten die Russen im Playoff-Hinspiel in Moskau auch auf: Drückend überlegen, dem Gegner in allen Belangen überlegen. Nur das mit dem Torabschluss, das wollte nicht so richtig klappen – so stand es kurz vor Schluss nur 2:0 für den schon zu dem Zeitpunkt als WM-Mitfavoriten gehandelten russischen Bären. Es hätte mindestens 5:0 stehen müssen! Doch so kam wie aus dem nichts Nejc Pečnik und erzielte das Auswärtstor für die Slowenen. So gewannen die Russen ein hochüberlegen geführtes Match nur mit 2:1. Immer noch kein Problem, beim Rückspiel in Maribor ist auch ein knapper Vorsprung eigentlich nur da, um über die Zeit gebracht zu werden. Aber dann…

Aber dann spielten die Slowenen, die plötzliche WM-Chance vor Augen, groß auf und gingen vor der Halbzeit durch Bochum-Legionär Zlatko Dedič in Führung. Und die Russen warfen die Nerven weg! Alexander Kershakov flog nach 65 Minuten vom Platz, der Ausgleich wollte nicht gelingen. Und spätenstens, als in der Nachspielzeit auch noch Juri Shirkov vorzeitig vom Platz musste, war klar: Russland ist raus! Ein hoch gehandelter Mitfavorit, mit Trainerfuchs Guus Hiddink, mit so vielen Klassespielern in den eigenen Reihen – gescheitert an der eigenen Überheblichkeit. Das Desater kostete Hiddink den Job, vielen Spielern ihr gutes Image in Russland. Und einem wie Andrej Arshavin verhagelte es die komplette Saison bei Arsenal, er wirkte daskomplette restliche Jahr deutlich gehemmt.

Die Russen bauen nun schon vor, in Richtung Euro2012. Dick Advocaat ist neuer Teamchef, eine logische Wahl, schließlich holte der Holländer schon mit Zenit St. Petersburg 2008 zum ersten Mal einen Europacup nach Russland. Er vollzog einen fliegenden Wechsel von Belgien nach Russland, um es besser zu machen als sein Landsmann.

Nicht nur die Russen sind es allerdings, die die Qualifikation als zumindest sicherer Tipp für die Endrude verpasst haben. Auch die Schweden haben es nicht geschafft. Erstmals seit der WM 1998 sind die Skandinavier damit nicht dabei, Teamchef Lars Lagerbäck nahm seinen Hut selbst, Zlatan Ibrahimovic zumindest bis zum nächsten Turnier ebenso. Bei den Schweden muss allerdings angemerkt werden, dass sich ihr Scheitern schon bei ihrer äußerst matten EM in Österreich angedeutet hat. Das überalterte Team wirkte langsam und hölzern, wurde so vor allem von den Russen regelrecht vorgeführt. In der Gruppe zogen die Schweden gegen Dänemark und Portugal den Kürzeren, immerhin konnten die Ungarn noch eingeholt werden.

Auf ein Neues nach der WM heißt es auch bei den Tschechen, bei dene nach dem unnötigen Vorrudenaus in der Schweiz das pure Chaos folgte. Neuer Teamchef, neue Verbandsspitze, und eine Horror-Qualifikation. Als Verbandsboss Hašek für die letzten Spiele selbst den Teamchef-Posten übernahm, war es schon zu spät und die Tschechen in einer wirklich leichten Gruppe an der Slowakei und Slowenien gescheitert. Michal Bilek ist der neue sportliche Verantwortliche. Für die nächste Europameisterschaft soll der Generationswechsel, wie bei den Schweden, vollzogen sein.

Und um den Haken zu den Russen zu schlagen: Auch der zweite unterlegene Semifinalist der letzten Europameisterschaft hat den Sprung nach Südafrika verpasst. Die Türken! Sie standen gegen die überragenden Spanier und die dank ihrer Weltklasse-Offensive tatsächlich bärenstarken Bosnien von Anfang an auf verlorenem Posten. Der Nachfolger von Fatih Terim auf der Kommandobrücke? Ausgerechnet der mit den Russen gescheiterte Guus Hiddink… Die Türken eliminierten im Viertelfinale von Wien die Kroaten, welche ebenso fehlen. Zweimal gegen England verloren, zweimal gegen die Ukraine nicht gewonnen – das war zu viel. Und von den beiden Gastgebern der nächsten Europameisterschaft schaffte es kein einziger zur WM-Endrunde. Die Ukrainer blieben im Playoff gegen die Griechen hängen. Und die Polen waren in der leichten Tschechien-Gruppe sogar noch schlechter als der Nachbar…

Verlassen wir aber nun Europa – denn auch anderswo blieben namhafte Mannschaften auf der Strecke. Wie etwa in Afrika! Die „Pharaonen“ aus Ägypten sind zweifelsfrei die beste Mannschaft ihres Kontinents, gewannen die Afrikacups von 2006, 2008 und 2010. Und scheiterten dennoch auch dieses Mal! Ausgerechnet gegen Erzfeind Algerien, im Entscheidugsspiel – weil am Ende der Gruppenphase die beiden Teams exakt punkt- und torgleich waren. Zuzuschreiben haben sich die Ägypter das Aus vor allem selbst, denn hätten sie im Heimspiel gegen Sambia nicht Punkte gelassen, alles wäre im Lot gewesen. Auch Tunesien scheiterte vornehmlich an sich selbst: Der WM-Teilnehmer von 98, 02 und 06 hatte Nigeria im Griff und hätte in Mosambik wohl nur ein Remis gebraucht. Die Tunesier verloren aber mit 0:1, so schnappten ihnen die Nigerianer im letzten Moment doch noch das WM-Ticket weg!

Meilenweit von einer Teilnahme entfernt waren indes die Marokkaner – sieglos, mit nur drei Toren in den sechs Finalrundenspielen müssen sie daheimbleiben. Wie auch der Senegal, der Viertelfinalist von 2002! Die neue Generation der Senegalesen überstand nicht einmal die Vorrunde, wie auch Angola. Der Gastgeber des Afrikacups hielt sich zwar dort mit dem erneuten Viertelfinal-Einzug schadlos, aber die WM geht ohne die „Schwarzen Antilopen“ in Szene.

Ordentlich gerupft wurde in der Qualifikation vor allem der arabische Raum. Neben den Ägyptern verpassen schließlich auch Stammgäste wie der Iran (trotz nur einer Niederlage, aber mit zu vielen Remis) und die „Falken“ aus Saudi-Arabien (im Playoff gegen Bahrain) das WM-Ticket. Und Bahrain zog ja dann auch noch gegen Neuseeland den Kürzeren! Auch der amtierende Asien-Meister Irak fehlt. Und die Chinesen standen völlig auf verlorenem Posten.

Vor alle diese Teams gilt nun die Hoffnung auf die Endrunde in Brasilien 2014. Dort wollen sie alle wieder dabei sein. Aber sicher nicht alle werden es auch schaffen!

Ballverliebt-WM-Serie | Leider Nein!
Teil 1 – Zwerge / Teil 2 – Favoriten / Teil 3 – Stars

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Das Team spielt ca. 65 Minuten recht gut mit. Bis auf zwei Aussetzer hält die Abwehr solide, so wie zumeist auch gegen England. Der Sturm bleibt weiter sehr harmlos, auch wenn man als Optimist eine leichte Steigerung attestieren kann. Kienast war bemüht, ist aber halt von der Fuß- und Oberkörperarbeit ein „Holzpupperl“. Das Mittelfeld hat phasenweise ebenfalls passabel gespielt, jedenfalls deutlich weniger fehlpassanfällig als wir es gewohnt sind.

Dann naht das letzte Spielviertel und der Herr Bundestrainer hat nichts Besseres zu tun, als ein funktionierendes Gefüge durch defensiv orientierte Einwechslungen mit fragwürdiger Qualität (abgesehen von Sariyar – Kavlak) zu zerstören, und verwandelt am Ende sogar noch die wie gesagt brauchbare Viererkette in eine Dreierkette als er Hiden aufs Feld schickt. Ab der 75ten ist ein Knackpunkt feststellbar, die Mannschaft beginnt wieder unruhig zu spielen, wirkt hinten wieder schlecht organisiert, und geht ziemlich scharf am Gegentreffer vorbei.

Logische Konsequenz: Pfiffe und „Hicke Raus!“ Rufe, immerhin hat er es mit den Wechseln verbockt. Und dann sagt der erfolgloseste Bundestrainer seit Ewigkeiten über eben jene (durchaus vernehmbaren) Rufe aus den Zuseherrängen: „Jaaa, das waren vielleicht drei oder vier Schreier… und 25 haben sich angeschlossen weil ihnen kalt war.“

Trotz der Leistungssteigerung und der Tatsache, dass die Konzentrationsspanne des Teams deutlich länger als zur 20ten Minute gereicht hat: Das pack‘ ich echt nicht.

Zumal, wollte er sein „Spiel des Jahres“ nicht eigentlich gewinnen?!

PS: England ist raus. Russland ist weiter. Und auch wenn ich von den unbelehrbaren Britenjunkies gleich eins auf den Deckel kriege: Ich freue mich, endlich einmal kriegen sie die Rechnung für sehr mäßige Qualileistungen und erreichen nicht durch pures Glück die Endrunde…

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