Susic – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 22 Jul 2014 14:22:27 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.1 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/ https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/#comments Tue, 15 Jul 2014 20:09:52 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10393 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben weiterlesen ]]> Sie sind die Länder mit den nicht ganz so großen Ligen im Rücken, die Nationalmannschaften, die sich zumeist eher aus Legionären rekrutieren – sie sind Europas zweite Reihe. Die sich mit sehr unterschiedlicher Fortune in Brasilien präsentiert haben. Mit dem Erreichten können manche von ihnen, vor allem Belgien und die Schweiz, durchaus zufrieden sein. Aber was sie alle gemeinsam haben: Sie haben nicht in allen Bereichen ihr Optimum ausgeschöpft.

Belgien: Enttäuschend zum nicht enttäuschenden Ergebnis

Das mit den Belgiern ist so eine Sache. Sie galten als Geheimtipp und sie wurden dann auch Gruppensieger und schieden erst im Viertelfinale knapp gegen Argentinien aus. Eigentlich eine Super-WM für ein Team, das 12 Jahre bei keinem Turnier mehr dabei war. Aber dennoch hatte das Spiel der Roten Teufel, bei allem Talent, immer so ein wenig die Aura von Dienst-nach-Vorschrift, von Uninspiriert- und Biederkeit.

Belgien
Belgien: Das talentierte Team hatte viel Kontrolle in seinen Spielen, aber wenig echten Zug zum Tor.

Marc Wilmots hat eine kompakte Mannschaft geformt, mit einer bärenstarken Abwehr, aber man bekam das eigene Spiel nach vorne selten wirklich gefährlich aufgezogen – dazu fehlte auch so ein wenig das Tempo. Die Außenverteidiger sind umgeschulte Innenverteidiger, die zwar ihr möglichstes machten, aber kein Gegner musste ihre Flanken fürchten.

Auch Marouane Fellaini fehlte aus dem Zentrum heraus die Direktheit und der Zug zum Tor, Eden Hazard wirkte ein wenig überspielt, dazu konnte der als Stamm-Mittelstürmer ins Turnier gegangene Romelu Lukaku überhaupt nicht überzeugen und verlor seinen Platz bald an Neo-Liverpooler Divock Origi. Dries Mertens, der ebenso im Turnierverlauf ins Team rutschte, war noch der mit dem meisten Punch.

So hat Belgien mit dem Viertelfinal-Einzug nicht direkt enttäuscht, aber gemessen an den Erwartungen irgendwie doch zumindest unterwältigend agiert. Was für das Team spricht: Nur eine Stammkraft hat sicher das letzte große Turnier gespielt, bis auf Daniel van Buyten können alle noch mindestens eine WM spielen und auf den Erfahrungen aufbauen.

Schweiz: Zu konservativ für den großen Wurf

Auch noch recht jung ist das Team aus der Schweiz. Auch dieses hat mit dem Achtelfinal-Einzug ein ordentliches Resultat zu Buche stehen, auch dieses verlor wie danach Belgien knapp gegen Argentinien. Und wie die Belgier schafften es auch die Schweizer nicht so richtig, aus einer extrem talentierten Mannschaft auch einen wirklich attraktiven Fußball herauszuholen. Was auch an der konservativen Grundhaltung von Ottmar Hitzfeld liegen mag.

Schweiz
Schweiz: Ein Top-Kader und ein gutes Team, aber nicht so aufregend, wie es hätte sein können.

Denn eine außergewöhnliche Spielanlage oder gar Experimente gibt es bei dem 65-Jährigen nicht. Er verstand es, der Nati ein nicht besonders komplizierte, aber grundsätzlich funktionierende Spielweise einzuimpfen, mit einer klaren Ordenung. Zwei starke Außenverteidiger, ein kampfstarken Sechser, ein guter Passgeber auf der Acht. Nur vorne wollte es nicht so recht flutschen.

Shaqiri startete in den ersten beiden Spielen auf der rechten Seite, tauschte dann jeweils in der Halbzeit mit Granit Xhaka die Plätze, und jedesmal wurde es deutlich besser. Erst im dritten Spiel konnte sich Hitzfeld überwinden, Shaqiri von Beginn an auf die Zehn zu stellen – der Bayern-Spieler dankte es mit drei Toren gegen Honduras.

Auch in der Abwehr zögerte Hitzfeld lange, ehe er sich über die funktionierende Lösung drübertraute. Johan Djourou, der beim HSV eine Katastrophen-Saison gespielt hat, konnte sich der Nibelungentreue von Hitzfeld sicher sein – warum auch immer, schließlich war Djourou auch bei der WM ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Nach der Verletzung von Nebenmann Steve von Bergen gab Hitzfeld aber immer noch nicht dem (von Experten schon vorm Turnier statt Djourou geforderten) Schär die Chance, sondern Senderos – und kassierte beim 2:5 gegen Frankreich die Rechnung.

Erst im dritten Spiel kam Schär, und mit ihm gab es in 210 Spielminuten nur noch ein Gegentor – das in der 118. Minute gegen Argentinien von Di María. Nun übernimmt Vladimir Petkovic für Hitzfeld, der sich nun endgültig in die Fußball-Pension verabschiedet. Der 50-Jährige, der zuletzt Lazio trainierte, übernimmt eine gutklassige Mannschaft, aus der man noch viel herausholen kann. Wenn man sich traut.

Griechenland: Wenig Glanz, aber wieder achtbar

Es ist so eine Sache mit den Griechen. Der praktisch flächendeckend als fußballhistorische Katastrophe aufgenommene EM-Titel von 2004 hängt ihnen noch immer nach. Dabei darf man aber nicht den Fehler machen, Negative Spielweise mit Pragmatismus zu verwechseln. Denn was Fernando Santos bei Hellas spielen lässt, ist nicht mehr der plumpe Destruktivismus der späten Rehhagel-Jahre, sondern einfach jene Spielweise, die am besten zu seiner Mannschaft passt.

Griechenland
Griechenland: Ein Team aus braven Arbeitern: Zusehen macht wenig Spaß, aber wieder einmal wurde die Gruppe überstanden – und das verdient.

Was aber nicht heißt, dass Griechenland immer nur verteidigt. Ganz im Gegenteil. Über weite Strecken des Spiels gegen die Ivorer waren sie die aktivere Mannschaft, was mit dem späten Siegtor und damit dem Achtelfinal-Einzug belohnt wurde. Gegen Costa Rica war man ebenso die fast über die ganzen 120 Minuten, jedenfalls aber in der letzten Stunde mit einem Mann mehr, zuweilen drückend überlegen. Und dass man in Unterzahl gegen Japan darauf schaut, das Spiel zumindest nicht zu verlieren, kann man dem Team schwer zum Vorwurf machen.

Im Grunde war Griechenland aber doch das, was Griechenland halt meistens ist: Eine nicht gerade prickelnde Mannschaft, die aus einer gesicherten Abwehr heraus vor allem dann seine Stärken hat, wenn man schnell und direkt umschalten und die Offensivkräfte die noch offenen Räume bearbeten können. Einen dezidiert kreativen Spieler im Mittelfeld gibt es nicht, es wird Fußball gearbeitet, nicht zelebriert.

Was das griechische Team unter Fernando Santos immerhin in zwei Versuchen zweimal in die K.o.-Phase einer EM bzw. einer WM gebracht hat. Und angesichts der Tatsache, dass der Kader nicht übertrieben alt ist und immer wieder Leute nachkommen – wie die U-19, die vor zwei Jahren Vize-Europameister war – muss damit auch noch nicht Schluss sein, nur weil Santos nach vier Jahren als Teamchef nicht mehr weitermacht.

Kroatien: Unter Wert geschlagen

Schon bitter. So furchtbar viel haben die Kroaten gar nicht falsch gemacht, und doch ging’s nach der Vorrunde nach Hause. Wegen eines erstaunlichen Paradoxons – obwohl man mit Modric und Rakitic zwei Gestalter im Mittelfeld-Zentrum stehen hatte und keinen Balleroberer, war es vor allem die fehlende Durchschlagskraft am Weg nach vorne, die das Aus bedeuteten. Und keine defensive Instabilität, wie man annehmen hätte können.

Team Kroatien
Kroatien: Zweieinhalb Spiele okay bis stark, aber dennoch hat es nicht fürs Achtelfinale gereicht.

Gegen Brasilien hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verloren, wenn nicht der Referee einen Elfmeter gepfiffen hätte, den man nicht hätte pfeifen sollen. Gegen Kamerun nützte man die eklatanten Schwächen des Gegners konsequent aus. Nur gegen Mexiko wurde – vielleicht auch, weil Teamchef Kovac von seinem 4-4-1-1 abging und ein 4-3-3 versuchte, in dem sich das Team merklich nicht sonderlich wohl fühlte – es verpasst, die auf dem Papier bestehenden Stärken auszuspielen.

Weil vorne die hängende Spitze als Anspielstation fehlter – in den ersten beiden Spielen konnten weder Mateo Kovacic noch Sammir da wirklich überzeugen – war man dem mexikanischen Pressing ausgeliefert. Dennoch: Rakitic und Modric haben beide noch zumindest eine WM im Tank, mit Dejan Lovren sollte es auch bald wieder einen Innenverteidiger von Format geben, die meisten Spieler haben noch Steigerungspotenzial.

Wenn man Kovac die Zeit lässt, kann da bei der EM in zwei Jahren durchaus einiges herausschauen.

Bosnien: Zu viel Respekt gezeigt

Die große Stärke in der Qualifikation, die bei Bosnien schon lange überfällig war: Die herausragende Offensive mit dem brandgefährlichen Sturm-Duo Edin Dzeko und Vedad Ibisevic, mit Zvjedzan Misimovic dahinter an der Spitze der Mittelfeld-Raute. So fegte man über die Gegner hinweg – weshalb es schon sehr erstaunlich ist, dass Teamchef Safet Susic in der nicht gerade unüberwindbaren Gruppe mit dem Iran und Nigeria vom Erfolgs-Konzept abwich.

Bosnien
Bosnien: Beim Debüt zu wenig Mut gezeigt und auch etwas Pech gehabt. Da war mehr möglich.

Nicht nur, das er gegen Argentinien und Nigeria Ibisevic opferte und mit nur einer Spitze agierte, nein, auch sonst zeigte Bosnien vor allem im entscheidenden Spiel gegen Nigeria deutlich zu viel Respekt vor dem Anlass und deutlich zu wenig von dem Punch nach vorne, der Bosnien sonst auszeichnet. Die Herangehensweise war zu verhalten, zu langsam.

Natürlich war auch Pech dabei. Pech, dass ein korrekter Treffer gegen Nigeria nicht zählte, Pech, dass Dzeko in der Nachspielzeit den Pfosten traf, Pech, dass Messi eine leblose argentinische Mannschaft im Alleingang rettete, Pech, dass wegen der anderen Ergebnisse das Aus schon vor dem letzten Spiel feststand.

Aber das Vorrunden-Aus alleine am Pech festzumachen, würde zu kurz greifen. Der Abwehr fehlt es an internationalem Format, Misimovic ganz dramatisch am Tempo (noch ein weiterer Grund, warum es keine gute Idee war, ihm eine Anspielstation in der Spitze zu nehmen). Aber es gab auch einen Spieler, der positiv überraschte: Es ist kaum anzunehmen, dass der erst 21-jährige Sechser Muhamed Besic, der Messi an der ganz kurzen Leine hatte, noch lange bei Ferencváros in der sportlich völlig wertlosen ungarischen Liga spielt.

Vieles deutet darauf hin, dass dies eine einmalige, wenn man so will goldene Generation der Bosnier ist, die mit dem nahenden Karriere-Ende von Misimovic bald ihren ersten elementaren Baustein verliert. Wie lange man mit der Taktik auf hohem Niveau Erfolg haben wird, Flüchtlings-Kinder zu finden, die in anderen Ländern gut ausgebildet wurden, wird sich erst zeigen müssen. Die erste Teilnahme und den ersten Sieg bei einer WM kann Bosnien keiner mehr nehmen. Jedoch auch nicht die Gewissheit, dass mehr möglich gewesen wäre.

Russland: Bestenfalls biederer Durchschnitt

Furchteinflößend für die Gegner war das ja nicht von den Russen. Im Gegenteil. Die Auftritte der Sbornaja erinnerten mit einer erschreckenden Ähnlichkeit jener der Engländer vor vier Jahren. Was auch daran liegen mag, dass damals wie heute Fabio Capello der Trainer ist. Bei Österreichs Gruppengegner in der anstehenden EM-Quali stimmte über alle drei Spiele gesehen so gut wie nichts und so schaffte man es sogar in der vermutlich schwächsten Gruppe, auszuscheiden.

Russland
Russland: Weit von vergangener Form entfernt. Bieder, hölzern, harmlos und fehleranfällig.

Torhüter Akinfejev wirkte unsicher und machte teils haarsträubende Fehler. Die Innenverteidigung ist langsam und hüftsteif. Von den Außenverteidigern kommt zu wenig. Für die Position im linken Mittelfeld hatte Capello nur Notlösungen zu bieten. Kurz: Russland war von einer ungeheuerlichen Harmlosig- und Biederkeit.

Es war auch nie erkennbar, wofür diese Mannschaft eigentlich inhaltlich stehen möchte. Es gab kein echtes Pressing, keinen vernünftigen Aufbau, Alibi-Pässe im Mittelfeld. Lichtjahre von dem entfernt, was das russische Team 2008 unter Guus Hiddink zu einer der aufregendsten des Turniers gemacht hat.

Die russische Liga hat aber auch ein ähnliches Problem wie die englische, die Capello ja davor als Rekrutierungs-Becken zur Verfügung hatte, wenn auch nicht so extrem: Annährernd die Hälfte aller Spieler der russischen Liga, in der alle 23 Kader-Spieler unter Vertrag stehen, sind keine Russen – und viele besetzen bei den Klubs auch Schlüsselpositionen.

Anders gesagt: Wenn es bessere Spieler gegeben hätte, wären sie auch mit dabei gewesen. So aber konnte Capello nur Durchschnitt aufbieten, dazu sind nur zwei Stammspieler jünger als 27 Jahre. Sieht mittelfristig nicht so gut für Russland aus.

Portugal: Was schief gehen kann, ging schief

Es war ein ziemlicher Total-Kollaps, den die Portugiesen hingelegt haben – jene Portugiesen, die praktisch in der selben Besetzung vor zwei Jahren beinahe das EM-Finale erreicht hätten. Das ist aber nur in Einzelfällen wirklich Spielern anzulasten, gar beim Teamchef die Schuld zu suchen, wäre eigentlich völlig verkehrt.

Portugal
Portugal

Ob man Pepe im ersten Spiel wirklich ausschließen muss, sei mal dahingestellt, aber besonders intelligent war seine Aktion gegen Thomas Müller in keinem Fall. Nur: Fábio Coentrão schon im ersten Spiel verletzt zu verlieren, dazu mit Almeida (im ersten Spiel) und Postiga (im zweiten Spiel) mit Muskelblessuren nach jeweils 20 Minuten zu verlieren, was will man da machen.

Einen an sich verlässlicher Innenverteidiger, einen sehr guten Linksverteidiger und den Einser-Stürmer schon im ersten Spiel zu verlieren, das dann auch noch 0:4 in die Binsen ging, das verkraftet kein Team. So musste Veloso von der Sechs auf die Linksverteidiger-Position auswandern (wo er sich sichtlich unwohl fühlte), musste der international völlig unerfahrene William Carvalho auf der Schlüsselposition im defensiven Mittelfeld ran, musste der Dritte-Wahl-Stürmer Éder ganz vorne aushelfen. Und zum Drüberstreuen verletzte sich im letzten Spiel auch noch Torhüter Beto.

Derart verunsichert hätte man beinahe gegen die kampfstarken, aber individuell schwach besetzten US-Amerikaner verloren, da half dann auch der abschließende Sieg gegen Ghana nichts mehr. Und natürlich hätte Cristiano Ronaldo mehr zeigen können, aber wenn rund um ihn herum alles einstürzt, kann man das frühe Ausscheiden nicht dem Star von Real Madrid anlasten.

Es war ein Turnier nach dem Motto „Pech gehabt“. Abhaken, nach vorne schauen. Was soll’s.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Angesichts der Tatsache, dass sich neben dem Gastgeber noch 23 weitere Mannschaften für die aufgeblähte EM in zwei Jahren qualifizieren, ist anzunehmen, dass die komplette zweite Reihe aus Europa, die in Brasilien dabei war, auch dort dabei sein sollte. Einige davon werden auch sicher eine realistische Chance haben, dort gut auszusehen – vor allem Belgien, Kroatien und Portugal, aber auch die Schweizer.

Allen diesen Teams, den Mid-Majors aus dem alten Kontinent, ist beim Turnier in Brasilien aber eines gemeinsam: Bei allen herrschte Luft nach oben, niemand kann von sich sagen, das spielerische UND das resultatsmäßige Optimum herausgeholt zu haben. Die größten Sorgenkinder unter diesen Teams sind sicher die Russen (die mit Schweden, Österreich und Montenegro eine gemeine Quali-Gruppe haben) und die Bosnier, die wohl schon über dem Zenit sein dürfte (aber in der Gruppe mit Belgien, Israel und Wales kaum Probleme haben dürfte, sich zu qualifizieren).

Und klar ist auch: Viele Teams aus dieser zweiten Reihe sind nicht mehr auf Augenhöhe mit so manchem Vertreter der (vermeintlich) Großen, sondern hat diese schon überholt. Stellt sich nur die Frage, für wie lange.

(phe)

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Die tollen Kroaten, die feinen Bosnier, das EM-Gastgeber-Duell und das dänische 3:0 in Tschechien https://ballverliebt.eu/2013/03/25/die-tollen-kroaten-die-feinen-bosnier-das-em-gastgeber-duell-und-das-danische-30-in-tschechien/ https://ballverliebt.eu/2013/03/25/die-tollen-kroaten-die-feinen-bosnier-das-em-gastgeber-duell-und-das-danische-30-in-tschechien/#comments Mon, 25 Mar 2013 00:30:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8517 Die tollen Kroaten, die feinen Bosnier, das EM-Gastgeber-Duell und das dänische 3:0 in Tschechien weiterlesen ]]> WM-Quali kompakt – quasi Häppchen in Form von Kurz-Analysen von der Jagd nach den Startplätzen für Brasilien 2014! Wo Kroatien mit einer aufregenden Mannschaft wahrscheinlich dabei sein werden. Die Bosnier, die Griechenland 3:1 besiegten, mit einem sehr schiefen 4-2-3-1 ebenso. Auch die Ukraine war systematisch schräg unterwegs und gewann auswärts in Polen. Während Dänemark in einem seltsamen Spiel in Tschechien die Chance auf das WM-Ticket wahren konnte!

Kroatien – Serbien 2:0 (2:0). Mandžukić 23, Olić 37.

Kroatien - Serbien 2:0 (2:0)
Kroatien – Serbien 2:0 (2:0)

Schon bei der EM unter Slaven Bilić war das kroatische Team eines der interessanteren des Turniers, und das ist auch unter Nachfolger Igor Štimac so. Er lässt das Team in einem Hybrid aus 4-2-3-1 und 4-4-2 antreten. Der große Rivale Serbien hatte der gewaltigen Klasse dieses Teams auf fast jeder Position nichts entgegen zu setzen.

Einzige Schwachstelle bei Kroatien ist die Innenverteidigung. Ćorluka und der alte Šimunic sind keine Spieleröffner, erstens, und könnten mit internationalen Klasse-Stürmern sicherlich nicht mithalten. Štimac geht aber deswegen keinen Kompromiss im zentralen Mittelfeld ein und stellt eine robuste Absicherung hin – nein, er wählt den Weg mit zwei Passgebern. Der gebürtige Linzer Mateo Kovačić (im Winter von Dinamo Zagreb zu Inter Mailand gewechselt) und Luka Modrić sind für die Impulse aus dem Zentrum zuständig. Vor allem der 18-jährige Kovačić beeindruckt dabei mit seiner extremen Ruhe am Ball und der Resistenz gegen Pressing-Versuche des Gegners. Was Modrić kann, ist eh bekannt.

Die beiden nominellen Außenspieler, Rakitić und Kranjčar, rücken sehr weit ein und erlauben den extrem offensiven Außenverteidigern Srna und Strinić das hinterlaufen. Damit ist nicht nur Überzahl im Zentrum hergestellt, sondern auch die Breite. Vorne steht Ivica Olić als hängende Spitze und Mario Mandžukić als Knipser. Beide arbeiten extrem viel.

Die Serben, die sich unter Teamchef Siniša Mihajlović im völligen Umbau befinden, waren komplett überfordert. Das teilweise heftige kroatische Pressing verhinderte jeden Versuch von Spielaufbau bei den Serben, die Flügelspieler waren von Strinić und Srna komplett abgemeldet, Kolarov war ein komplettes Desaster (das 1:0 für Kroatien resultierte etwa aus einem schlimmen Schnitzer von Kolarov), Ivanović wurde hinten festgenagelt und konnte Strinić und Olić trotzdem nie Einhalt gebieten. Die beiden armen Teufel, die im serbischen 4-4-1-1 vorne agierten, sahen kaum einen Ball. Kroatien kam zu einem mühelosen und nie gefährdeten 2:0-Sieg.

In der Gruppe A liegt Kroatien punktgleich mit Spitzenreiter Belgien an zweiter Stelle. In dieser Form ist davon auszugehen, dass sich die Kroaten für die WM qualifizieren werden. Dieses aufregende Team wäre sicher eine Bereicherung für das Turnier.

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Bosnien – Griechenland 3:1 (2:0). Džeko 30, 54, Ibišević 35; Gekas 90.

Bosnien - Griechenland 3:1 (2:0)
Bosnien – Griechenland 3:1 (2:0)

Dass auch die Bosnier ein ziemlich attraktives Team sind, ist schon seit längerem bekannt. Nun haben sie nach zwei Play-off-Niederlagen endlich auch eine Gruppe bekommen, in der sie sich durchsetzen sollten und endlich eine Endrunde erreichen dürften.

Der interessanteste Aspekt im Team von Safet Sušić, wie es sich beim womöglich schon vorentscheidenden Spitzenspiel der Gruppe gegen EM-Viertelfinalist Griechenland darstellte, ist die Assymmetrie im 4-2-3-1. Weil Sušić sowohl Edin Džeko von Man City als auch Vedad Ibišević von Stuttgart in seiner Start-Formation haben will, stellt er Ibišević nominell auf die rechte Mittelfeld-Seite. Er spielt aber recht weit innen und rückt auch oft ins Sturmzentrum, wodurch Rechtsverteidiger Mujdža gezwungen ist, extrem offensiv zu agieren, um die Flanke nicht offen zu lassen.

Auf der anderen Seite jedoch agiert Lulić (von Lazio) eher aus der Tiefe heraus und er hält auch die Außenbahn. Somit kann Linksverteidiger Zukanović hinten bleiben und sich, wie in diesem Spiel, um Salpingidis kümmern, ohne dass nach vorne etwas abgehen würde.

Das Hauptaugenmerk im Zentrum bei Zahirović und Medunjanin liegt im gezielten Pressing, dabei unterstützen sie vor allem Zehner Misimović. Weil sich aber die Griechen darauf recht gut eingestellt hatten und mit Torosidis und Holebas auf den Flügeln sowie dem robusten Salpingidis und dem großen Samaras vorne Anspielpunkte hatte, konnte Bosnien das gewohnte schnelle Umschaltspiel nicht etablieren. Stattdessen bestand der Spielaufbau vor allem aus langen Flankenwechseln auf Lulić oder Ibišević bzw. auf den robust verteidigten Džeko. Das klappte gar nicht.

Nach rund 20 Minuten erkannte Džeko das Problem und ließ sich extrem weit zurückfallen – also sogar hinter die Mittelfeld-Reihe – um besser anspielbar zu sein, während Misimović und vor allem Ibišević sich vorne anboten. Damit war Griechenland im Zentrum in Unterzahl und Bosnien flugs 2:0 in Front. Die Tore waren zwar ein Freistoß und ein Elfer-Nachschuss (der ziemlich erbärmlich verteidigt wurde), waren aber ein logisches Produkt der etwas veränderte Spielanlage der Bosnier.

Die das Spiel mit der Führung im Rücken in der Folge beinahe nach Belieben kontrollierten. Griechenlands Teamchef Fernando Santos nahm in der Pause Linksverteidiger Tzavellas raus und brachte mit Gekas einen neuen Mittelstürmer, dafür ging Samaras auf die linke Angriffs- und Holebas auf die linke Abwehrseite. So wollte er mehr Zug Richtung bosnischen Strafraum bringen – doch konnte diese Maßnahme nicht greifen, ehe Džeko, wieder nach einem Freistoß, das 3:0 markierte. Die Entscheidung.

Nach einer kurzen Orientierungsphase kontrollierte Bosnien also den stärksten Gruppengegner und gewann hochverdient. Damit führt man die Gruppe dank der hervorragenden Tordifferenz de facto vier Punkte vor den Griechen an und hat bereits beide Spiele gegen diese absolviert. Es sollte als endlich mit einer Endrunde klappen.

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Polen – Ukraine 1:3 (1:3). Piszczek 17; Jarmolenko 2, Gusev 6, Sosulia 45.

Polen - Ukraine 1:3 (1:3)
Polen – Ukraine 1:3 (1:3)

Die beiden Gastgeber der letzten EM sind in ihrer Gruppe (gegen England und Montenegro) beide schon ziemlich im Hintertreffen – sowohl für Polen als auch für die Ukraine war das ein Spiel der letzten Chance.

Der Schlüssel, um mit Polen umzugehen, hat sich seit der EM nicht verändert: Die extrem starke rechte Seite mit Piszczek und Błaszczykowski muss kontrolliert werden, denn der Rest der Mannschaft genügt internationalen Ansprüchen nicht. Michailo Fomenko, der das Amt des ukrainischen Teamchefs von Oleg Blochin übernommen hatte, ließ sich auch etwas einfallen: Ein extrem schiefes 3-4-3, mit dem die starke polnische Seite personell in Unterzahl gestellt werden sollte.

Während also Andrej Jarmolenko de facto alleine die rechte Angriffsseite beider Ukraine bildete und sich mit dem unauffälligen Rybus und dem schwachen Boenisch vor allem in der Anfangsphase einen Spaß machte, blieb mit Shevchuk der linke Wing-Back hinten und achtete auf Błaszczykowski, während Linksaußen Gusev an der Seitenlinie blieb und sich um Piszczek kümmerte. Unterstützt wurden die beiden, wenn es ernst wurde, von Sechser Stepanenko und dem linken Mann in der Dreier-Abwehr, Alexander Kutcher.

Der Clou war, dass dann immer noch mit Fedetski und Khacheridi zwei Innenverteidiger übrig waren, um Lewandowski nicht zur Geltung kommen zu lassen. Zusätzlich spielte den Ukrainern natürlich massiv in die Hände, mit zwei Weitschüssen in den ersten sieben Minuten – die von Boenisch bzw. Wasilewski aber leicht zu unterbinden gewesen wären – blitzschnell 2:0 in Front lagen und sich in der Folge auf die Defensive konzentrieren konnten.

Natürlich kann man Klasse-Leute wie Piszczek und Błaszczykowski nie ganz kaltstellen, wie die hervorragend herausgespielte Aktion zum Anschlusstreffer wie Piszczek zeigt, aber im Großen und Ganzen hatte die Ukraine die Angelegenheit im Griff. Und als kurz vor der Pause Boenisch einmal mehr schlief, schlug es durch den fleißig laufenden Stürmer Sosulia von Dnipropetrovsk zum 3:1 für die Ukrainer ein.

Polens Teamchef Waldemar Fornalik, der wie sein Gegenüber nach der EM übernommen hatte, brachte für die zweite Hälfte Kosecki statt Rybus und ließ den neuen Mann deutlich höher agieren, um Jarmolenko effektiver nach hinten zu drücken. Weil aber erstens mit Fedetski der rechte Mann in der Dreierkette der Ukraine mehr aufrückte und zweitens Boenisch weiterhin grobe Schwächen im Zweikampf und auch im Positionsspiel zeigte, kam Polen trotz des Wechsels nicht zurück ins Spiel – im Gegenteil, die Ukrainer hatten zwei Topchancen und hätten schon 5:1 führen können, als nach einer Stunde mit Obraniak ein neuer Zehner bei den Polen kam.

Fomenko reagierte prompt und brachte Tymoschuk statt des müdegelaufenen Stepanenko. So wurde Obraniak neutralisiert – und die Ukrainer kontrollierten den 3:1-Sieg ohne gröbere Probleme über die Zeit. Nach dem Punktverlust in Moldawien und der Heimniederlage gegen Montenegro wahrte die Ukraine somit die verbliebene Mini-Chance, aber es wurde auch deutlich, dass die spielerischen Mittel begrenzt sind – und man wird nicht in jedem Spiel zwei Weitschuss-Tore erzielen und danach kontern können.

Eine Teilnahme an der WM ist für die Ukrainer damit ebenso unwahrscheinlich wie für die Polen. Mit einer Heimniederlage gegen die Ukraine im Gepäck werden wohl zwei Überraschungen gegen England und Montenegro nötig sein, um nach von der Endrunde träumen zu dürfen. Dafür ist die Mannschaft mit der Konzentration auf die rechte Seite aber wohl zu berechenbar.

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Tschechien – Dänemark 0:3 (0:0). Cornelius 57, Kjær 67, Zimling 82.

Tschechien - Dänemark 0:3 (0:0)
Tschechien – Dänemark 0:3 (0:0)

Jeweils Unentschieden gegen die seit Jahren wertlosen, sich aber auf dem Weg nach oben befindenden Bulgaren bedeuteten sowohl für Tschechien als auch für Dänemark einen eher durchwachsenen Start in die WM-Quali.

Grundsätzlich haben sich aber beide Teams gegenüber der EM nicht großartig verändert. Tschechien ist weiterhin ein eher gesichts- und konturloses Team: Keine glanzvollen Spieler, kein ungewöhnliches System, kein besonderes Flügelspiel. Ein ordentliches, aber nicht brutales Pressing gegen die gegnerische Spieleröffnung. Solide Arbeiter, die aber auch keinen Kampf-Fußball zeigen. Auf die Frage, wofür das tschechische Team Anno 2013 steht, wird man eher ratlose Blicke ernten.

Und auch die Dänen sind sich treu geblieben: Ein 4-4-1-1 mit extrem nach vorne pushenden Außenverteidigern, die von einem zwischen die Innenverteidiger abkippenden Sechser (in diesem Fall Stokholm) abgesichert werden; einrückende Außenstürmer, in Eriksen einen trickreichen, aber noch immer nicht besonders gefährlichen zentralen Gestalter – und vorne ein Pflock von einem Stürmer. In Abwesenheit des nach einer Alko-Fahrt suspendierten Bendtner ist das der Shooting-Star der dänischen Liga, Andreas Cornelius vom FC Kopenhagen.

Dadurch, dass beide Teams darauf achteten, die Räume zwischen Mittelfeld und Abwehr eng zu halten, war im Spiel nach vorne jeweils erhöhte Präzision gefordert. Die es aber nicht gab: Viele schlampige Abspiele (vor allem von Jørgensen und Krohn-Dehli) und die Tatsache, dass Eriksen von Plašil und Darida gut in Schach gehalten wurde, hinderte die Dänen an Torchancen.

Aber auch die Tschechen konnten sich nicht nach vorne kombinieren, weil immer ein Däne da war, der das zu verhindern wusste. Mit ihrer sehr kompakten und taktisch äußerst disziplinierten Defensiv-Arbeit im Mittelfeld schafften es so auch die Skandinavier, von Tschechien nicht nachhaltig in Gefahr gebracht zu werden. Die Folge: Ein zwar intensives, aber in Ermangelung von konkreten Aktionen nicht besonders unterhaltsames Spiel und ein logisches 0:0 zur Pause.

In der zweiten Hälfte stieg bei Dänemark nach vorne die Konzentration und damit auch die Genauigkeit und Cornelius drosch bei seinem Start-Elf-Debüt nach knapp einer Stunde einen Ball, der ihm eher zufällig an der Strafraumgrenze vor die Füße gefallen war, unhaltbar für Cech in den Winkel. Der tschechische Teamchef Bilek brachte im Gegenzug mit Rosický einen echten Gestalter statt Kämpfer Jiráček. Ein guter Wechsel, denn in das auffallend unkonkrete Offensiv-Spiel der Tschechen kam sofort viel mehr Direktheit und Zug zum Tor.

Die Gastgeber waren also drauf und dran, das Spiel auszugleichen, als Simon Kjær nach einem Eckball per Kopf das 2:0 erzielte. Das lässt sich eine so kompakte Mannschaft wie jene der Dänen natürlich nicht mehr nehmen – und Zimlings 3:0 in der Schlussphase machte den Deckel drauf.

Was nichts daran ändert, dass es ein seltsames Spiel war. Keines der beiden Teams wusste wirklich zu überzeugen und vor allem in der Offensive ist extrem viel pures Stückwerk. Dennoch: Bei den Dänen ist ein konkreterer Plan zu erkennen als bei den Tschechen, denen in der Startformation eklatant die Kreativität und die Qualität im gegnerischen Strafraum abgeht. Mit David Lafata muss ein Stürmer ran, der vor Jahren bei der Wiener Austria keinen bleibenden Eindruck hinterließ.

Aber trotz des 3:0-Erfolgs vermittelte auch Dänemark nicht den Eindruck, dass man zwingend viel Geld auf eine WM-Teilnahme setzen sollte. Freilich: Viel dramatisch negatives ist resultatsmäßig noch nicht passiert (Remis gegen Tschechien und in Bulgarien, Niederlage in Italien). Aber dieser Sieg war auch das erste positive Ausrufezeichen. Sollte im nächsten Spiel daheim gegen Bulgarien ein weiterer Dreier folgen, stimmt der Fahrplan in Richtung Play-Off.

(phe)

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Umstellung und ein starker Nasri: Frankreich „gewinnt“ 1:1 gegen Bosnien https://ballverliebt.eu/2011/10/11/umstellung-und-ein-starker-nasri-frankreich-gewinnt-11-gegen-bosnien/ https://ballverliebt.eu/2011/10/11/umstellung-und-ein-starker-nasri-frankreich-gewinnt-11-gegen-bosnien/#comments Tue, 11 Oct 2011 21:46:50 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5912 Umstellung und ein starker Nasri: Frankreich „gewinnt“ 1:1 gegen Bosnien weiterlesen ]]> In einem mitreißenden Match spielt die Mannschaft aus Bosnien vor allem vor der Pause phasenweise groß auf und presst Frankreich an die Wand. Doch Laurent Blanc reagiert richtig auf die Problemfelder – so holt Frankreich auch wegen eines starken Samir Nasri das zur Qualifikation nötige 1:1.

Frankreich - Bosnien 1:1

Vor zwei Jahren war Bosnien im Play-Off zur WM in Südafrika an Portugal gescheitert – mit Pech, alleine in Lissabon holzten Dzeko und Co. dreimal auf das Aluminium. Die eine Chance, die nicht wiederkommt? Weit gefehlt: Teamchef Safet Susic, der dem legendären Ciro Blazevic nachfolgte, hat es geschafft, das hohe Niveau auf solide Beine zu stellen.

Etwas, das Laurent Blanc noch zeigen muss – nach dem Desaster bei der WM machte der neue Mann an der Kommandobrücke eine radikalen Schnitt. Beide Teamchefs haben mit ihren Linien bislang durchaus Erfolg. In diesem Endspiel mussten aber die Bosnier gewinnen, um das Direkt-Ticket zur EM zu lösen. Und das merkte man.

Das Pendel schwingt zu den Bosniern…

Die Bosnier machten zwei Sachen sehr gut, die die Franzosen gar nicht im Programm hatten: Konsequentes Pressing und das Spiel über die Flanken. Das war auch systematisch bedingt: Weil die Franzosen in einem 4-3-3 antraten, in dem die Außenstürmer recht hoch standen, hatten die bosnischen Außenverteidiger in ihrem Rücken sehr viel Platz und dann nur noch Evra bzw. Revelliere vor sich. Hinzu kam, dass die Mittelfeld-Außen sehr gut in die Kanäle zwischen dem Dreiermittelfeld und der Abwehrkette stießen.

Was alles in einem irren Tempo geschah, weil der Spielplan der Bosnier in einem Guss funktionierte: Pressing, Ball erobern, blitzschnell umschalten und die freien Räume ausnützen. Die Franzosen wussten in der ersten Viertelstunde überhaupt nicht, wie ihnen geschah und konnten von Glück sagen, dass Dzeko und Co. die sich ihnen bietenden Chancen nicht verwerteten. Revelliere wurde von Lulic permanent überlaufen, die vehement nach vorne drückenden Rahimic und Medunjanin machten den Franzosen den Raum noch enger.

…dann zu den Franzosen…

Was Bosnien in den ersten 15 bis 20 Minuten veranstaltete, war absolute Weltklasse. Dann aber schafften es die Franzosen, zum einen die Flügel etwas besser in den Griff zu bekommen, indem die Außenverteidiger etwas aufrückten und zweitens das Spiel von den Flanken weg hinein ins Zentrum zu bekommen. Hierbei waren zwei Spieler von zentraler Bedeutung: Zum einen Samir Nasri, der aus dem linken Halbfeld heraus mehr Bälle forderte und sie auch bekam, und zum anderen Jeremy Menez, der von einer nun eher tiefer angelegten Ausgangsposition in die Mitte zog und so Lulic auswich.

Zudem ließ das zuvor gnadenlose Pressing der Bosnier in dieser Phase merklich nach, sie ließen sich hinten hineindrängen und der sich gut auch Richtung Außen bewegende Loic Remy zog auch immer wieder einen Innenverteidiger aus der Position, wodurch sich für die anderen Räume ergaben. Zwischen der 15. und der 30. Minuten sammelten die Franzosen Ballbesitz ohne Ende und auch einige gute Chancen, aber auch sie konnten aus ihrer Drangperiode kein Kapital schlagen.

…und wieder zurück

Gegen Ende der ersten Halbzeit hatten die Bosnier dann aber ein Rezept gefunden, wie der Ansturm der Franzosen zu bremsen ist: Rahimic und Medunjanin nahmen Nasri und Menez immer besser auf, Misimovic, der als hängende Spitze vorne blieb. So machte er sich nach Ballgewinn schnell in den Rücken von Nasri breit und konnte gemeinsam mit Pjanic wieder die Kontrolle übernehmen. Zudem erkannten die Bosnier, dass Frankreich vor allem bei schnellen Seitenwechseln sehr behäbig verschob und so anfällig ist.

Und sie verwickelten die Gastgeber wieder mehr in schnelle Zweikämpfe, die sie immer mehr für sich entscheiden konnten. So machte sich im Spiel der Franzosen wiederum wachsende Ungenauigkeit breit, Bälle gingen schneller wieder verloren und die Gäste konnten machen, was sie am besten können: Von Defensive auf Offensive umschalten. Der Lohn: Das 1:0 durch ein wunderbares Tor von Edin Dzeko kurz vor der Halbzeit.

Reaktionen

Nach der Pause blieb Misimovic dort, wo er die meiste Gefahr entwickeln konnte, also als hängende Spitze; mitunter gar ganz auf Höhe von Dzeko. Durch die zwei kompakt stehenden Viererketten dahinter kamen die Franzosen aber nicht so richtig durch, weswegen Laurent Blanc nach etwa einer Stunde reagierte und seine Raumaufteilng endgültig so managte, wie sich das in der starken Phase in der ersten Hälfte schon angedeutet hatte: Er drehte sein Dreieck im Mittelfeld um.

Letzte halbe Stunde

War es zuvor M’Vila, der alleine hinten war und von Cabaye (eher defensiver, halbrechts) und Nasri (eher offensiver, halblinks) vorne flankiert wurde, stellte Blanc nun die Spitze des Dreiecks nach vorne und betraute Nasri mit der Spielgestaltung aus der Zentrale heraus. Abgesichert wurde er nun von M’Vila (halblinks) und dem neu gekommenen Martin (halbrechts). Mit der Konsequenz, dass jene Kanäle, die zuvor für Pjanic/Misimovic und Lulic offen waren wie ein Scheunentor, geschlossen waren.

Frankreich dominiert die Schlussphase

Ein Goldgriff. Denn Bosnien kam nun nicht mehr schnell ins Zentrum, und Misimovic war nun gleich von zwei Spielern abgesichert. Dazu kam Jeremy Menez nun über die rechte Seite und machte dort dem für den gelb-belasteten Mujdza gekommenen Maletic große Probleme. Das wurde nun zur Schwachstelle bei Bosnien: Mujdza machte extrem viel nach vorne; Maletic war hinten nicht der sicherste und nach vorne wirkungslos. Folge: Auch Patrice Evra hatte viel Muße, sich nach vorne einzuschalten.

Und Nasri gestaltete aus der Mitte heraus, verteilte die Bälle, ging auch mal selber, und war von Rahimic kaum zu halten. Nach dieser Umstellung hatte Frankreich das Spiel voll im Griff und die Bosnier konnten nur noch hoffen, über die Zeit zu kommen oder aus einem Konter das zweite Tor zu machen. An letzterem scheiterte Dzeko eine Viertelstunde vor Schluss. An ersterem scheiterte sein Team kurz danach – als Nasri gegen Spahic an der Strafraumgrenze einfädelte und Referee Thomson auf den Punkt zeigte. Nasri verwandelte – und Frankreich hatte das 1:1, das nötig war.

Fazit: Die Umstellung von Blanc brachte die Entscheidung

Erstaunlicherweise hat Laurent Blanc mit der Maßnahme, sein Dreieck im Mittelfeld umzudrehen, so lange gewartet. Denn es wäre eigentlich schon vorher die logische Reaktion auf die permanente Bedrohung gewesen, welche die Bosnier mit ihren Diagonalläufen von der Flanke ins Zentrum mit den konsequent Hinterlaufenden Außenverteidigern herstellen konnten.

Als die Kanäle dicht waren und die Bosnier ihrem schnellen, kräfteraubenden Spiel von vor der Pause Tribut zollen mussten, hatte Frankreich das Spiel im Griff und verdiente sich den nötigen Punkt voll und ganz. Es ist keine vor großen Namen strotzende Mannschaft, die Laurent Blanc da zur EM führt, aber eine, die in guten Momenten funktioniert und intelligent genug ist, Schwächen des Gegners zu nützen. Vor allem in der ersten Halbzeit merkte man aber auch, dass es vor allem im Torabschluss fehlt und die Hintermannschaft, wenn man ihr mit Pressing und hohem Tempo kommt, absolut verwundbar ist. In dieser Form ist Frankreich ein gutes Team, aber sicher kein Titelanwärter.

Die Bosnier müssen also in die Relegation und haben dort das Pech, wie schon vor zwei Jahren ungesetzt zu sein. Angesichts der Stärke, welche die Mannschaft im Verlauf dieser Qualifikation und in diesem Spiel gerade in der ersten Halbzeit phasenweise gezeigt hat, wäre ein erfolgreiches Absolvieren des Play-Offs keine Überraschung. Das Tempo und das Pressing, welches diese Mannschaft zeigen kann, sind für jeden Gegner unangenehm und mit einem Edin Dzeko in der Spitze haben die Bosnier eine Waffe.

Sie würden das Feld bei der EM zweifellos absolut bereichern.

(phe)

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