Stockholm – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 18 Dec 2012 00:37:09 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Auf Wiedersehen, Råsunda https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/ https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/#comments Fri, 23 Nov 2012 01:21:26 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8041 Auf Wiedersehen, Råsunda weiterlesen ]]> Ein dezenter, gelber Kranz mit schwarzen Bändern war es, der vor dem Match am Mittelkreis platziert wurde. „Vila i frid“, stand darauf geschrieben, „Ruhe in Frieden“. Eine Schweigeminute folgte. Dann ein riesiges Feuerwerk und eine gigantische Choreo. Die Bildnisse von sechs Herren in gesetzterem Alter ragten auf dem Oberrang, darunter ein 60 Meter langes Spruchband: „Legenden des Råsunda – für alle Zeit unsterblich“.

Auf dem Unterrang: In großen Lettern „AIK“, dem Heimatverein des altehrwürdigen schwedischen Nationalstadions. Alternierend mit der Zahl 1937. Dem Jahr, in dem die Arena eingeweiht wurde. Jene Arena, für die nun endgültig der letzte Vorhang gefallen ist.

Am Ende gab es ein Pfeifkonzert. Weil Edinson Cavani in Minute 93 seinen Elfmeter sicher in das aus sicher Sicht linke Eck geschoben hatte. Torhüter Turina war in die andere Richtung geflogen. Das 2:1, der Sieg für Napoli in diesem Europa-League-Spiel. Nicht einmal ein verdienter Punkt gegen das B-Team von Napoli war dem Stockholmer Traditionsklub AIK vergönnt, weil Verteidiger Niklas Backman den Torschützen recht plump im eigenen Strafraum umgehackt hätte.

AIK – Napoli 1:2

Es war ein Spiel, an das man sich nicht lange erinnern müsste. Die Gäste aus Italien verzichteten auf Stammspieler wie Cannavaro, De Sanctis, Campagnaro und Maggio; Hamsik, Zuñíga und Inler kamen erst im Laufe des Spiels. Wirklich interessiert schien die Truppe lange eher nicht.

Die Gastgeber traten in einem typisch schwedischen 4-4-2 auf, die Phantasie im Spiel nach vorne war enden wollend, einige der langen Bälle nach vorne dafür nicht. Immerhin, vom Rückstand ließ man sich nicht schocken, ein langer Flankenball von Lundberg fand den Kopf von Daníelsson, das 1:1. Im Gegensatz zum pathetischen Vorlauf ein Spiel von überschaubarer Qualität und eher begrenztem Unterhaltungswert.

Dabei hat dieses Stadion viel erlebt.

„Heja Sverige“ und die Geburtsstunde des Mythos namens Pelé

1958 etwa fand in Schweden die Weltmeisterschaft statt. An diese erinnert man sich in Deutschland eher ungern. Weil sich der amtierende Weltmeister völlig aus dem Konzept bringen ließ. Von Zuschauern, die das Heimteam lautstark mit Sprech-Chören anfeuerten! Eine Unerhörtheit, entfuhr es den Deutschen. Nachdem sie, komplett entnervt von den ständigen „Heja Sverige“-Rufen von den Rängen des Ullevi von Göteborg ihr Semifinale gegen den WM-Gastgeber 1:3 in den Sand gesetzt hatten.

Schweden – Brasilien 2:5 (1:2)

Weltmeister wurde Schweden damals aber nicht. Weil man im Finale im Råsunda mit 2:5 gegen Brasilien verlor. Jenes Team, in dem ein 17-Jähriger aufgeigte, der die Welt erstmals verzückte: Pelé! Sein Tor zum 3:1 nach einer Stunde war die Vorentscheidung, sein 5:2 in der Nachspielzeit war der Schlusspunkt.

Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass Schweden damals nicht zufällig und nicht nur wegen der ungewohnt heißblütigen Zuschauer ins Finale gekommen war. Spielmacher Gunnar Gren war schon ein Jahrzehnt Legionär für Milan und die Fiorentina in Italien; Nils Liedholm war ebenso bei den Rossoneri aktiv und wird dort noch heute als Klub-Legende verehrt. Auch Kurre Hamrin war schon zwei Jahre in Italien, er sollte dort noch weitere 13 Saisonen bleiben. Nacka Sköglund? Seit acht Jahren bei Inter Mailand. Und auch Orvar Bergmark sollte es später noch an den Stiefel verschlagen.

Eine Weltklasse-Truppe also – es sollte 35 Jahre dauern, bis das Trekronor-Team wieder in solche Sphären vorstieß.

Auch bei Heim-EM stark

Und zwar anlässlich der Europameisterschaft 1992 im eigenen Land. Jenes Turnier, das vor allem wegen Überraschungs-Sieger Dänemark in Erinnerung blieb. Für Schweden aber auch ein großer Erfolg war. Dem Halbfinal-Aus im Råsunda gegen Deutschland zum Trotz

Schweden – Deutschland 2:3 (0:1)

In einem Turnier, das von großer spielerischer Vorsicht und noch größerer Langeweile auf dem grünen Rasen geprägt war, ragt dieses Spiel – das wohl größte in der Karriere von Thomas Häßler – heraus. Schweden kämpfte tapfer, aber letztlich war gegen den amtierenden Weltmeister und den kleinen Berliner kein Kraut gewachsen.

Was aber nichts daran änderte, dass diese Mannschaft praktisch in selber Besetzung zwei Jahre später ihren größten Erfolg in der jüngeren Vergangenheit schaffte: Platz drei bei der WM in den Vereinigten Staaten. Mit dem umsichtigen Jonas Thern als Sechser, mit Parma-Stürmerstar Thomas Brolin. Mit Kennet Andersson, der danach ebenso in die Serie A ging. Mit Martin Dahlin, dem dunkelhäutigen Angreifer, der bei Borussia M’gladbach seine größte Zeit hatte. Mit Roland Nilsson, gestählt in Jahren in Englands höchster Liga.

Und natürlich mit Torwart-Dauerbrenner Thomas Ravelli, mit 143 Einsätzen der Rekord-Nationalspieler, der selbst dann noch im Tor stand, als er schon aussah wie Mitte 60.

[VIDEOS: Highlights der ersten Hälfte von Schweden-Deutschland und die der zweiten]

Schweden – Österreich 0:1 (0:1)

Der Anfang vom Ende der starken 90er-Jahre-Generation kam dann aber ebenso im Råsunda. Am 9. Oktober 1996 war es, als sich Andi Herzog im ÖFB-Teamdress durchtankte und das Tor zum 1:0-Endstand herstellte. Für Österreich der Startschuss zur erfolgreichen Qualifikation für die WM in Frankreich, für das Trekronor-Team der entscheidende Rückstand, dem man bis zum 0:1 ein Jahr später in Wien hinterher lief.

Die WM 1998 verpasste man also ebenso wie die Euro96. Schweden hatte aber das Glück, dass mit Henke Larsson, Freddie Ljungberg und später natürlich auch Zlatan Ibrahimovic die nächste starke Generation sofort nach kam. Von 2000 bis 2008 verpasste man kein einziges großes Turnier. Und die wichtigen Heimspiele in der Qualifikation wurde immer im alten Råsunda ausgetragen.

Alt und charmant

Es ist alles ein wenig eng im Råsunda

Dass es sich bei dem im Stadtteil Solna im Westen Stockholms gelegenen Stadion, in das etwas mehr als 30.000 Leute reinpassen, nicht gerade um eine moderne Fußball-Arena handelte, wurde einem an jeder Ecke des Baus klar. Vielleicht noch nicht so sehr an der Haupttribünen-Seite, wo bis vor Kurzem auch der schwedische Verband seinen Hauptsitz hatte. Aber innen drin. Dort ist alles recht beengt, es wirkt alles zuweilen etwas improvisiert. Nicht, dass schon der Putz herunterbröckelt. Aber viel fehlt da wohl nicht mehr.

Nicht am allerneuesten Stand der Technik

Es gab zuletzt eine Vidiwall, die auf dem Dach der recht niedrigen Haupttribüne angebracht war. Ansonsten verbreiteten die Anzeigetafeln eher den Charme aus der elektonischen Gründerzeit. Außerhalb des Stadions (wie am Bild rechts, an der Südtribüne angebracht) oder auch im Stadion selbst, wo eine baugleiche Anzeige bis zuletzt auf der Gegentribüne auf Höhe der Mittellinie angebracht war und die Zuschauer über Spielstand und die abgelaufene Zeit informiert.

Die Vidiwall auf der Haupttribüne ist nicht gerade ein Megatron

Das Råsunda auf europäische Bühne

Es gab eine Zeit, in der man aber auch als solches Mittelklasse-Stadion europäische Endspiele ausrichten konnte. Und während Michael Konsel mit seinem Sieg im Tor des ÖFB-Teams im Oktober 1996 gute Erinnerungen an dieses Stadion haben kann, setzte es für seinen langjährigen Konkurrenten um den Platz zwischen den Team-Pfosten, Franz Wohlfahrt, im Mai 1998 eine bittere Niederlage. Im vorletzten Finale des Europapokals der Pokalsieger.

Chelsea – Stuttgart 1:0 (0:0)

71 Minuten lang hielten die Stuttgarter das 0:0, ehe Chelsea-Spielertrainer (!) Gianluca Vialli sich einen neuen Sturm-Partner einwechselte. Statt Tore André Flo kam also Gianfranco Zola ins Spiel, und kaum eine Minute drin, besorgte der Joker auch schon das 1:0. Der letzte internationale Titel für die Blues, bevor Roman Abramovich den Klub mit seinem Geld erschlug. Und der letzte internationale Titel für die Blues, ehe jener Italo-Schweizer, der im Råsunda neben Raubein Dennis Wise auf Krassimir Balakov aufpasste, als Trainer dieses Klubs 14 Jahre später die Bayern ärgerte.

Die Erinnerung an dieses Spiel verbindet Wohlfahrt übrigens mit einem damals noch recht jungen Trainer am Anfang seiner Trainer-Karriere: Joachim Löw. Der nach dieser Saison, in der er ins Europacup-Finale kam, sich als Bundesliga-Vierter für den Uefa-Cup qualifizierte und erst im Pokal-Halbfinale an den Bayern gescheitert war, entlassen wurde – wegen Erfolglosigkeit.

Eine Weltpremiere für das Råsunda

Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Drei Jahre vor dem Europacup-Endspiel gab es für das Stadion von Schwedens Hauptstadt bereits eine absolute Weltpremiere: Als erstes Fußball-Stadion überhaupt wurde das Råsunda zu einer Arena, in der ein WM-Finale der Herren UND eines der Frauen ausgetragen wurde. Im strömenden Regen schlugen sich Fans der im Viertelfinale ausgeschiedenen Gastgeber auf die Seite des Nachbarn aus Norwegen und sie wurden nicht enttäuscht. Zwei recht derbe deutsche Abwehrfehler in der ersten Hälfte ermöglichten Tore von Hege Riise und Mariann Pettersen.

Vier Jahre später wurde die Rose Bowl von Los Angeles zum zweiten Stadion, das WM-Finale von Männern und von Frauen gesehen hat. Bis heute sind das die beiden einzigen Arenen, und mindestens bis 2019 wird das auch so bleiben.

Ein junger Xavi zu Gast

Mit den Erfolgen des schwedischen Nationalteams kamen die Klubs aus der Allsvenskan nur sehr vereinzelt mit. Und noch seltener waren echte internationale Highlights des elffachen Meisters AIK – vier davon wurden im Råsunda gefeiert.

AIK – Barcelona 1:2 (0:0)

1999 schaffte man sogar den Sprung in die Champions League. Und die Begann gleich mit einem Kracher: Der FC Barcelona gab sich die Ehre. Das war jenes Team der Katalanen, in dem Trainer Louis van Gaal zu Beginn der Post-Bosman-Ära so etwas wie ein „Ajax, Version 2.0“ aufbauen wollte. Mit dem selben taktischen Grundgerüst wie zur seiner großen Ajax-Zeit, und zum Teil sogar mit dem selben Personal – die De-Boer-Zwillinge, Jari Litmanen, Patrick Kluivert, auch mit Winston Bogarde.

Und mit einem sehr jungen Xavi, gerade mal 19 Jahre alt. In der Gruppe mit den Katalanen, mit der Fiorentina von Trapattoni um Rui Costa und Batistuta, und mit dem Arsenal von Wenger um Bergkamp und Overmars gab es für das Team des schottischen Trainers Stuart Baxter, wie kaum anders zu erwarten war, nur einen Zähler – ein 0:0 daheim gegen die Italiener.

Vom Tor des bosnischen Stürmers Nebojsa Novakovic, mit dem er AIK gegen das Star-Ensemble aus Barcelona sogar mit 1:0 in Führung brachte, schwärmen Fans des Klubs natürlich bis heute. Dass es durch Gegentore in den Minuten 86 und 93 noch eine 1:2-Niederlage gab – vergeben und vergessen.

Was bleibt, sind Souvenirjäger…

Als der erste Ärger über den verpassten Punkt gegen Napoli verraucht war, setzte auf der vollbesetzten Tribüne recht schnell wieder die Wehmut zurück. Das wissen, dass dieses Europa-League-Spiel gegen Cavani und Co. das allerletzte Spiel an dieser historischen Stätte war. Dass das Råsunda das erste WM-Finalstadion der Geschichte wird, das abgerissen wird und vollkommen von der Bildfläche verschwindet, und nicht „nur“ renoviert wird.

Dass ihnen die Gäste aus Italien nicht einmal die eher zweifelhafte Ehre gelassen haben, wenn schon nicht das letzte Tor geschossen, dann doch zumindest den letzten Ausschluss zu lassen (Salvatore Aronica musste nach einer Notbremse an Mohamed Bangura frühzeitig vom Platz) – geschenkt. Schnell wurde begonnen, sich alles unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest war. Naja – eigentlich sogar auch, was niet- und nagelfest war. Schilder, Sitze, braucht ja keiner mehr.

…und der Umzug nach Fan-Voting

Wo es im Jahr 2013 für AIK weitergeht? Ein Verein, der die Rückennummer 1 nicht vergibt, weil diese für die Fans reserviert ist, kann das natürlich nicht entscheiden, ohne die eigenen Anhänger zu fragen. Darum wurde ein Voting veranstaltet: In das neue, hochmoderne 50.000-Zuschauer-Nationalstadion in der Nachbarschaft oder in die ebenfalls brandneue 30.000-Mann-Arena im Süden Stockholms? Das Ergebnis war eindeutig: Die Nationalmannschaft und AIK werden sich auch weiterhin eine gemeinsame Heimstätte haben.

Sich ein Stadion mit dem ungeliebten Rivalen Hammarby zu teilen? Na, das wäre ja wohl auch noch schöner!

(phe)

Alle Bilder: phe

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Groundhopping-Bericht: Wenn die Finnen bei den Schweden https://ballverliebt.eu/2011/06/10/groundhopping-bericht-wenn-die-finnen-bei-den-schweden/ https://ballverliebt.eu/2011/06/10/groundhopping-bericht-wenn-die-finnen-bei-den-schweden/#respond Fri, 10 Jun 2011 21:38:35 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4952 Groundhopping-Bericht: Wenn die Finnen bei den Schweden weiterlesen ]]> Die große nordeuropäische Rivalität – Schweden gegen Finnland! Im Finale der Eishockey-WM hatte Suomi zuletzt das Tre-Kronor-Team 6:1 gedemütigt, von aufgeheizter Stimmung war bei der Quali-Partie zur Fußball-EM im altehrwürdigen Råsunda von Stockholm aber nichts zu sehen. Im Gegenteil: Es ging so entspannt zu, wie es den Leuten dort halt eben entspricht.

So geht's auch: Finnische Fans und die schwedische Polizei vor dem Match

Da streicheln schon mal mitgereiste finnische Fans die Pferde der Stockholmer Polizei. Da fahren Schweden und Finnen gemeinsam mit der U-Bahn zum Stadion raus, unterhalten sich und blödeln. Da mischen sich um alle Ecken des Stadions die Fangruppen durch, ohne dass es irgend eine ordnende Hand benötigte. Und das, obwohl es für beide Teams eine richtungsweisende Partie war: Für Schweden ging es darum, den zweiten Gruppenplatz hinter Holland zu festigen und womöglich als bester Zweiter direkt zur EM zu fahren. Für die Finnen, eine bislang enttäuschende Quali mit einem Prestigeerfolg zumindest halbwegs zu retten.

Das altehrwürdige Råsunda

Südtribüne

Im Stadtteil Solna liegt fünf U-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt jenes Stadion, in dem Brasilien 1958 mit einem 5:2-Finalsieg gegen Gastgeber Schweden erstmals Weltmeister wurde. Bald aber droht dem in den 1930er-Jahren erbauten Stadion, das knapp über 30.000 Zuschauer fasst, das Ende: Weil in der Nachbarschaft die neue, moderne Swedbank-Arena erbaut wird, hat das Råsunda bald ausgedient und wird abgerissen. Das erste WM-Finalstadion, das komplett von der Bildfläche verschwindet: Alle anderen, wie jenes von Rom 1934 oder Bern 1954, wurden „nur“ renoviert oder neu erbaut.

Haupt- und Nordtribüne

Auch bei der EM 1992 war das Råsunda eines der vier Stadien (u.a. mit dem Semifinale Schweden-Deutschland), das neben denen in Göteborg, Malmö und Norrköping das Turnier ausrichtete. Und das schwedische Nationalteam spielt alle wichtigen Heimspiele ebenso in diesem Stadion, in dem auch der schwedische Verband SvFF untergebracht ist und der Traditionsklub AIK spielt. Nicht umsonst prangt über der Haupttribüne groß „Willkommen im Råsunda-Stadion, Schwedens Nationalarena für Fußball“.

Finnland im Abwärtstrend

Das finnische Team war lange Jahre ein solides Platz-drei-Team – nichts außergewöhnliches, aber ein solides Mittelklasse-Team mit dem einen oder anderes Legionär. Lange lebte das Team von Stars wie Jari Litmanen und Sami Hyypiä und man verfügte in Jussi Jääskeläinen über einen soliden Torhüter. Solche Spieler gibt es im aktuellen Kader (Video: Aufstellung der Finnen) vom derzeitigen Teamchef Mixu Paatelainen nicht. Weit und breit nicht.

Schweden - Finnland 5:0

Das beginnt vorne, wo mit Mikael Forssell ein Stürmer die Spitze im 4-2-3-1 gibt, der bei Hannover überhaupt keine Rolle spielt. Und das endet hinten, wo Petri Pasanen (schreckliche Saison in Bremen) und der Rapidler Markus Heikkinen (ja eigentlich eher ein Sechser) das Duo vor Torhüter Anssi Jaakkola (vom schottischen Mittelständler Kilmarnock) geben.

Und dann passt es dazu, dass mit dem Mittelfeld der eigentlich noch am besten besetzte Mannschaftsteil gegen das klar besser besetzte Zentrum der Schweden einfach nicht auf der Höhe war. Nicht die Eremenko-Brüder, nicht der CL-erfahrene Mika Väyrynen (lange bei Eindhoven), und auch nicht Serie-A-Stammspieler Perparim Hetemaj von Brescia. Das Mittelfeld schaffte es nicht, das Spiel an sich zu reißen, und die Abwehr war der reinste Torso.

Ohne Zlatan, wichtigster Mann Bajrami

Vom System her macht es bei Erik Hamrén keinen Unterschied, ob Zlatan Ibrahimovic spielt oder nicht – so oder so ist es ein 4-2-3-1 (Video: Aufstellung der Schweden). Aber in der Spielweise gibt es sehr wohl einen Unterschied.

In der ersten halben Stunde war Emir Bajrami (Nr. 6), nur notdürftig bewacht von Kasper Hämäläinen, der wichtigste Mann im Angriffsspiel der Schweden

Weil er nicht ganz fit war, musste Ibra erst einmal auf der Bank Platz nehmen, Johan Elmander spielte ganz vorne und Ola Toivonen hinter ihm. In der halben Stunde, bis Ibrahimovic für den dann ebenso angeschlagenen Toivonen kam, lief das Spiel der Schweden hauptsächlich über die Außen, und hier über den sehr präsenten Emir Bajrami von Twente Enschede. Vor allem die hohen Flankenwechsel von Mikael Lustig auf Bajrami fanden immer wieder punktgenau ihr Ziel, zudem wurde er gut unterstützt vom Neo-Gladbacher Oscar Wendt. Johan Elmander bewegte sich viel, konnte aber weder von Bajrami noch von Toivonen und Larsson wirklich eingesetzt werden.

Dennoch war Schweden die klar bessere Mannschaft und als Ibrahimovic nach einer halben Stunde reinkam, stand es nach einem Freistoß von Källström, der an allen vorbei gehüpft war, bereits 1:0.

Mit Zlatan und seinem Spielkamerad Heikkinen

Mit den Bewegung der Sturmspitze war’s vorbei, als eben der Milan-Star unter tosendem Applaus den schwedischen Teils der 32.200 Zuschauer im ausverkauften Råsunda kam. Elmander ging zurück auf die Zehn und Ibrahimovic suchte sich sofort jenen finnischen Innenverteidiger, der noch wackeliger war als der andere – nämlich natürlich Markus Heikkinen, der für jeden im Stadion ersichtlich schon mit dem fleißigen Elmander seine liebe Not hatte. Zlatan wich dem Rapidler minutenlang nicht von der Seite und das zeigte schnell Wirkung.

Ibrahimovic wich Heikkinen lange nicht von der Seite

Kaum ein paar Minuten auf dem Platz, hob Heikkinen nämlich im offensichtlichen Halbschlaf das Abseits auf, wodurch Ibrahimovic sofort das 2:0 besorgen konnte, kurz darauf verlor Heikkinen in der Vorwärtsbewegung gegen Sebastian Larsson den Ball, der brauchte den in der Mitte völlig frei stehenden Ibrahimovic nur noch bedienen – das 3:0. Kurz vor der Pause strich noch ein Freistoß des Superstars knapp über die Latte.

Das erstaunliche: Ibrahimovic hatte nun eine gute Szene nach der anderen, obwohl seine Laufleistung eigentlich lächerlich ist und sein Arbeitsaufwand gleich Null. Er lässt die anderen arbeiten und lauert auf die Zuspiele, die er mit seiner Klasse und seiner Kaltschnäuzigkeit dann auch ausnützt.

Heikkinen geht, Hühnerhaufen bleibt

Der bemitleidenswert hilflose und heillos überforderte Heikkinen wurde in der Halbzeit von seinen Qualen erlöst, entscheidende Sicherheit gewann die finnische Defensive mit Markus Halsti (vom schwedischen Meister Malmö) aber auch nicht: Das Abwehrverhalten bei einer ganz ordinären Freistoßflanke, die Ibrahimovic drei Meter vor dem Tor völlig alleingelassen in aller Ruhe zum 4:0 einköpfen konnte, demonstriert die ganze Lächerlichkeit der finnischen Defensive an diesem Tag.

Die restliche halbe Stunde ließen es die Schweden dann deutlich ruhiger angehen, ehe zehn Minuten vor Schluss ein sensationeller Pass von Ibrahimovic noch Bajrami freispielte und dieser mit einem ebenso sehenswerten Heber zum 5:0-Endstand traf. Ein Ergebnis, das auch in der Höhe so in Ordnung geht – und dennoch wurden die Finnen von ihren durchaus zahlreich mitgereisten Fans gefeiert.

Trennung der Fangruppen? Weiter nicht notwenig

Während andere Gruppierungen schon bei 0:2 gegen den großen Rivalen einen medienwirksamen Spielabbruch provozierten, blieb hier aber auch nach dem 0:5-Debakel der Finnen zwischen den Fangruppen alles ruhig. Einziger kleiner Aufreger war eine einzelne Rauchbombe, die in der Schlussphase im finnischen Block hochging. Es folgte ein kurzes, beleidigtes Pfeifkonzert des restlichen Stadions frei nach dem Motto „ja, muss das denn sein?“, und das war’s dann auch schon wieder.

Etwas wortkarg, aber ohne das geringste Aggressionspotential mischten sich auch beim Abmarsch aus dem Stadion die finnischen Fans unter die schwedischen. Die Polizei war im Grunde nur damit beschäftigt, den möglichst reibungslosen Fluss der Zuschauer durch das Nadelöhr in die (pervers überteurete) U-Bahn zu organisieren. Wer ein Handyticket hatte, war da klar im Vorteil. Und wer die 40 Kronen, also umgerechnet 4,40€, für die Einzelfahrt (!) erst beim einzigen Schalter der Station beim wahrscheinlich langsamsten Ticketverkäufer Schwedens holen musste, war halt zum Warten gezwungen.

Aber nicht mal das war ein Problem, bei den relaxten Nordeuropäern.

(phe)

Alle Fotos: Philipp Eitzinger

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