Shaqiri – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 22 Jul 2014 14:22:27 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/ https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/#comments Tue, 15 Jul 2014 20:09:52 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10393 Europas zweite Reihe bei der WM: Von „recht gut“ bis „Katastrophe“ – und mit Luft nach oben weiterlesen ]]> Sie sind die Länder mit den nicht ganz so großen Ligen im Rücken, die Nationalmannschaften, die sich zumeist eher aus Legionären rekrutieren – sie sind Europas zweite Reihe. Die sich mit sehr unterschiedlicher Fortune in Brasilien präsentiert haben. Mit dem Erreichten können manche von ihnen, vor allem Belgien und die Schweiz, durchaus zufrieden sein. Aber was sie alle gemeinsam haben: Sie haben nicht in allen Bereichen ihr Optimum ausgeschöpft.

Belgien: Enttäuschend zum nicht enttäuschenden Ergebnis

Das mit den Belgiern ist so eine Sache. Sie galten als Geheimtipp und sie wurden dann auch Gruppensieger und schieden erst im Viertelfinale knapp gegen Argentinien aus. Eigentlich eine Super-WM für ein Team, das 12 Jahre bei keinem Turnier mehr dabei war. Aber dennoch hatte das Spiel der Roten Teufel, bei allem Talent, immer so ein wenig die Aura von Dienst-nach-Vorschrift, von Uninspiriert- und Biederkeit.

Belgien
Belgien: Das talentierte Team hatte viel Kontrolle in seinen Spielen, aber wenig echten Zug zum Tor.

Marc Wilmots hat eine kompakte Mannschaft geformt, mit einer bärenstarken Abwehr, aber man bekam das eigene Spiel nach vorne selten wirklich gefährlich aufgezogen – dazu fehlte auch so ein wenig das Tempo. Die Außenverteidiger sind umgeschulte Innenverteidiger, die zwar ihr möglichstes machten, aber kein Gegner musste ihre Flanken fürchten.

Auch Marouane Fellaini fehlte aus dem Zentrum heraus die Direktheit und der Zug zum Tor, Eden Hazard wirkte ein wenig überspielt, dazu konnte der als Stamm-Mittelstürmer ins Turnier gegangene Romelu Lukaku überhaupt nicht überzeugen und verlor seinen Platz bald an Neo-Liverpooler Divock Origi. Dries Mertens, der ebenso im Turnierverlauf ins Team rutschte, war noch der mit dem meisten Punch.

So hat Belgien mit dem Viertelfinal-Einzug nicht direkt enttäuscht, aber gemessen an den Erwartungen irgendwie doch zumindest unterwältigend agiert. Was für das Team spricht: Nur eine Stammkraft hat sicher das letzte große Turnier gespielt, bis auf Daniel van Buyten können alle noch mindestens eine WM spielen und auf den Erfahrungen aufbauen.

Schweiz: Zu konservativ für den großen Wurf

Auch noch recht jung ist das Team aus der Schweiz. Auch dieses hat mit dem Achtelfinal-Einzug ein ordentliches Resultat zu Buche stehen, auch dieses verlor wie danach Belgien knapp gegen Argentinien. Und wie die Belgier schafften es auch die Schweizer nicht so richtig, aus einer extrem talentierten Mannschaft auch einen wirklich attraktiven Fußball herauszuholen. Was auch an der konservativen Grundhaltung von Ottmar Hitzfeld liegen mag.

Schweiz
Schweiz: Ein Top-Kader und ein gutes Team, aber nicht so aufregend, wie es hätte sein können.

Denn eine außergewöhnliche Spielanlage oder gar Experimente gibt es bei dem 65-Jährigen nicht. Er verstand es, der Nati ein nicht besonders komplizierte, aber grundsätzlich funktionierende Spielweise einzuimpfen, mit einer klaren Ordenung. Zwei starke Außenverteidiger, ein kampfstarken Sechser, ein guter Passgeber auf der Acht. Nur vorne wollte es nicht so recht flutschen.

Shaqiri startete in den ersten beiden Spielen auf der rechten Seite, tauschte dann jeweils in der Halbzeit mit Granit Xhaka die Plätze, und jedesmal wurde es deutlich besser. Erst im dritten Spiel konnte sich Hitzfeld überwinden, Shaqiri von Beginn an auf die Zehn zu stellen – der Bayern-Spieler dankte es mit drei Toren gegen Honduras.

Auch in der Abwehr zögerte Hitzfeld lange, ehe er sich über die funktionierende Lösung drübertraute. Johan Djourou, der beim HSV eine Katastrophen-Saison gespielt hat, konnte sich der Nibelungentreue von Hitzfeld sicher sein – warum auch immer, schließlich war Djourou auch bei der WM ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Nach der Verletzung von Nebenmann Steve von Bergen gab Hitzfeld aber immer noch nicht dem (von Experten schon vorm Turnier statt Djourou geforderten) Schär die Chance, sondern Senderos – und kassierte beim 2:5 gegen Frankreich die Rechnung.

Erst im dritten Spiel kam Schär, und mit ihm gab es in 210 Spielminuten nur noch ein Gegentor – das in der 118. Minute gegen Argentinien von Di María. Nun übernimmt Vladimir Petkovic für Hitzfeld, der sich nun endgültig in die Fußball-Pension verabschiedet. Der 50-Jährige, der zuletzt Lazio trainierte, übernimmt eine gutklassige Mannschaft, aus der man noch viel herausholen kann. Wenn man sich traut.

Griechenland: Wenig Glanz, aber wieder achtbar

Es ist so eine Sache mit den Griechen. Der praktisch flächendeckend als fußballhistorische Katastrophe aufgenommene EM-Titel von 2004 hängt ihnen noch immer nach. Dabei darf man aber nicht den Fehler machen, Negative Spielweise mit Pragmatismus zu verwechseln. Denn was Fernando Santos bei Hellas spielen lässt, ist nicht mehr der plumpe Destruktivismus der späten Rehhagel-Jahre, sondern einfach jene Spielweise, die am besten zu seiner Mannschaft passt.

Griechenland
Griechenland: Ein Team aus braven Arbeitern: Zusehen macht wenig Spaß, aber wieder einmal wurde die Gruppe überstanden – und das verdient.

Was aber nicht heißt, dass Griechenland immer nur verteidigt. Ganz im Gegenteil. Über weite Strecken des Spiels gegen die Ivorer waren sie die aktivere Mannschaft, was mit dem späten Siegtor und damit dem Achtelfinal-Einzug belohnt wurde. Gegen Costa Rica war man ebenso die fast über die ganzen 120 Minuten, jedenfalls aber in der letzten Stunde mit einem Mann mehr, zuweilen drückend überlegen. Und dass man in Unterzahl gegen Japan darauf schaut, das Spiel zumindest nicht zu verlieren, kann man dem Team schwer zum Vorwurf machen.

Im Grunde war Griechenland aber doch das, was Griechenland halt meistens ist: Eine nicht gerade prickelnde Mannschaft, die aus einer gesicherten Abwehr heraus vor allem dann seine Stärken hat, wenn man schnell und direkt umschalten und die Offensivkräfte die noch offenen Räume bearbeten können. Einen dezidiert kreativen Spieler im Mittelfeld gibt es nicht, es wird Fußball gearbeitet, nicht zelebriert.

Was das griechische Team unter Fernando Santos immerhin in zwei Versuchen zweimal in die K.o.-Phase einer EM bzw. einer WM gebracht hat. Und angesichts der Tatsache, dass der Kader nicht übertrieben alt ist und immer wieder Leute nachkommen – wie die U-19, die vor zwei Jahren Vize-Europameister war – muss damit auch noch nicht Schluss sein, nur weil Santos nach vier Jahren als Teamchef nicht mehr weitermacht.

Kroatien: Unter Wert geschlagen

Schon bitter. So furchtbar viel haben die Kroaten gar nicht falsch gemacht, und doch ging’s nach der Vorrunde nach Hause. Wegen eines erstaunlichen Paradoxons – obwohl man mit Modric und Rakitic zwei Gestalter im Mittelfeld-Zentrum stehen hatte und keinen Balleroberer, war es vor allem die fehlende Durchschlagskraft am Weg nach vorne, die das Aus bedeuteten. Und keine defensive Instabilität, wie man annehmen hätte können.

Team Kroatien
Kroatien: Zweieinhalb Spiele okay bis stark, aber dennoch hat es nicht fürs Achtelfinale gereicht.

Gegen Brasilien hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verloren, wenn nicht der Referee einen Elfmeter gepfiffen hätte, den man nicht hätte pfeifen sollen. Gegen Kamerun nützte man die eklatanten Schwächen des Gegners konsequent aus. Nur gegen Mexiko wurde – vielleicht auch, weil Teamchef Kovac von seinem 4-4-1-1 abging und ein 4-3-3 versuchte, in dem sich das Team merklich nicht sonderlich wohl fühlte – es verpasst, die auf dem Papier bestehenden Stärken auszuspielen.

Weil vorne die hängende Spitze als Anspielstation fehlter – in den ersten beiden Spielen konnten weder Mateo Kovacic noch Sammir da wirklich überzeugen – war man dem mexikanischen Pressing ausgeliefert. Dennoch: Rakitic und Modric haben beide noch zumindest eine WM im Tank, mit Dejan Lovren sollte es auch bald wieder einen Innenverteidiger von Format geben, die meisten Spieler haben noch Steigerungspotenzial.

Wenn man Kovac die Zeit lässt, kann da bei der EM in zwei Jahren durchaus einiges herausschauen.

Bosnien: Zu viel Respekt gezeigt

Die große Stärke in der Qualifikation, die bei Bosnien schon lange überfällig war: Die herausragende Offensive mit dem brandgefährlichen Sturm-Duo Edin Dzeko und Vedad Ibisevic, mit Zvjedzan Misimovic dahinter an der Spitze der Mittelfeld-Raute. So fegte man über die Gegner hinweg – weshalb es schon sehr erstaunlich ist, dass Teamchef Safet Susic in der nicht gerade unüberwindbaren Gruppe mit dem Iran und Nigeria vom Erfolgs-Konzept abwich.

Bosnien
Bosnien: Beim Debüt zu wenig Mut gezeigt und auch etwas Pech gehabt. Da war mehr möglich.

Nicht nur, das er gegen Argentinien und Nigeria Ibisevic opferte und mit nur einer Spitze agierte, nein, auch sonst zeigte Bosnien vor allem im entscheidenden Spiel gegen Nigeria deutlich zu viel Respekt vor dem Anlass und deutlich zu wenig von dem Punch nach vorne, der Bosnien sonst auszeichnet. Die Herangehensweise war zu verhalten, zu langsam.

Natürlich war auch Pech dabei. Pech, dass ein korrekter Treffer gegen Nigeria nicht zählte, Pech, dass Dzeko in der Nachspielzeit den Pfosten traf, Pech, dass Messi eine leblose argentinische Mannschaft im Alleingang rettete, Pech, dass wegen der anderen Ergebnisse das Aus schon vor dem letzten Spiel feststand.

Aber das Vorrunden-Aus alleine am Pech festzumachen, würde zu kurz greifen. Der Abwehr fehlt es an internationalem Format, Misimovic ganz dramatisch am Tempo (noch ein weiterer Grund, warum es keine gute Idee war, ihm eine Anspielstation in der Spitze zu nehmen). Aber es gab auch einen Spieler, der positiv überraschte: Es ist kaum anzunehmen, dass der erst 21-jährige Sechser Muhamed Besic, der Messi an der ganz kurzen Leine hatte, noch lange bei Ferencváros in der sportlich völlig wertlosen ungarischen Liga spielt.

Vieles deutet darauf hin, dass dies eine einmalige, wenn man so will goldene Generation der Bosnier ist, die mit dem nahenden Karriere-Ende von Misimovic bald ihren ersten elementaren Baustein verliert. Wie lange man mit der Taktik auf hohem Niveau Erfolg haben wird, Flüchtlings-Kinder zu finden, die in anderen Ländern gut ausgebildet wurden, wird sich erst zeigen müssen. Die erste Teilnahme und den ersten Sieg bei einer WM kann Bosnien keiner mehr nehmen. Jedoch auch nicht die Gewissheit, dass mehr möglich gewesen wäre.

Russland: Bestenfalls biederer Durchschnitt

Furchteinflößend für die Gegner war das ja nicht von den Russen. Im Gegenteil. Die Auftritte der Sbornaja erinnerten mit einer erschreckenden Ähnlichkeit jener der Engländer vor vier Jahren. Was auch daran liegen mag, dass damals wie heute Fabio Capello der Trainer ist. Bei Österreichs Gruppengegner in der anstehenden EM-Quali stimmte über alle drei Spiele gesehen so gut wie nichts und so schaffte man es sogar in der vermutlich schwächsten Gruppe, auszuscheiden.

Russland
Russland: Weit von vergangener Form entfernt. Bieder, hölzern, harmlos und fehleranfällig.

Torhüter Akinfejev wirkte unsicher und machte teils haarsträubende Fehler. Die Innenverteidigung ist langsam und hüftsteif. Von den Außenverteidigern kommt zu wenig. Für die Position im linken Mittelfeld hatte Capello nur Notlösungen zu bieten. Kurz: Russland war von einer ungeheuerlichen Harmlosig- und Biederkeit.

Es war auch nie erkennbar, wofür diese Mannschaft eigentlich inhaltlich stehen möchte. Es gab kein echtes Pressing, keinen vernünftigen Aufbau, Alibi-Pässe im Mittelfeld. Lichtjahre von dem entfernt, was das russische Team 2008 unter Guus Hiddink zu einer der aufregendsten des Turniers gemacht hat.

Die russische Liga hat aber auch ein ähnliches Problem wie die englische, die Capello ja davor als Rekrutierungs-Becken zur Verfügung hatte, wenn auch nicht so extrem: Annährernd die Hälfte aller Spieler der russischen Liga, in der alle 23 Kader-Spieler unter Vertrag stehen, sind keine Russen – und viele besetzen bei den Klubs auch Schlüsselpositionen.

Anders gesagt: Wenn es bessere Spieler gegeben hätte, wären sie auch mit dabei gewesen. So aber konnte Capello nur Durchschnitt aufbieten, dazu sind nur zwei Stammspieler jünger als 27 Jahre. Sieht mittelfristig nicht so gut für Russland aus.

Portugal: Was schief gehen kann, ging schief

Es war ein ziemlicher Total-Kollaps, den die Portugiesen hingelegt haben – jene Portugiesen, die praktisch in der selben Besetzung vor zwei Jahren beinahe das EM-Finale erreicht hätten. Das ist aber nur in Einzelfällen wirklich Spielern anzulasten, gar beim Teamchef die Schuld zu suchen, wäre eigentlich völlig verkehrt.

Portugal
Portugal

Ob man Pepe im ersten Spiel wirklich ausschließen muss, sei mal dahingestellt, aber besonders intelligent war seine Aktion gegen Thomas Müller in keinem Fall. Nur: Fábio Coentrão schon im ersten Spiel verletzt zu verlieren, dazu mit Almeida (im ersten Spiel) und Postiga (im zweiten Spiel) mit Muskelblessuren nach jeweils 20 Minuten zu verlieren, was will man da machen.

Einen an sich verlässlicher Innenverteidiger, einen sehr guten Linksverteidiger und den Einser-Stürmer schon im ersten Spiel zu verlieren, das dann auch noch 0:4 in die Binsen ging, das verkraftet kein Team. So musste Veloso von der Sechs auf die Linksverteidiger-Position auswandern (wo er sich sichtlich unwohl fühlte), musste der international völlig unerfahrene William Carvalho auf der Schlüsselposition im defensiven Mittelfeld ran, musste der Dritte-Wahl-Stürmer Éder ganz vorne aushelfen. Und zum Drüberstreuen verletzte sich im letzten Spiel auch noch Torhüter Beto.

Derart verunsichert hätte man beinahe gegen die kampfstarken, aber individuell schwach besetzten US-Amerikaner verloren, da half dann auch der abschließende Sieg gegen Ghana nichts mehr. Und natürlich hätte Cristiano Ronaldo mehr zeigen können, aber wenn rund um ihn herum alles einstürzt, kann man das frühe Ausscheiden nicht dem Star von Real Madrid anlasten.

Es war ein Turnier nach dem Motto „Pech gehabt“. Abhaken, nach vorne schauen. Was soll’s.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juni 2016 in Frankreich

Angesichts der Tatsache, dass sich neben dem Gastgeber noch 23 weitere Mannschaften für die aufgeblähte EM in zwei Jahren qualifizieren, ist anzunehmen, dass die komplette zweite Reihe aus Europa, die in Brasilien dabei war, auch dort dabei sein sollte. Einige davon werden auch sicher eine realistische Chance haben, dort gut auszusehen – vor allem Belgien, Kroatien und Portugal, aber auch die Schweizer.

Allen diesen Teams, den Mid-Majors aus dem alten Kontinent, ist beim Turnier in Brasilien aber eines gemeinsam: Bei allen herrschte Luft nach oben, niemand kann von sich sagen, das spielerische UND das resultatsmäßige Optimum herausgeholt zu haben. Die größten Sorgenkinder unter diesen Teams sind sicher die Russen (die mit Schweden, Österreich und Montenegro eine gemeine Quali-Gruppe haben) und die Bosnier, die wohl schon über dem Zenit sein dürfte (aber in der Gruppe mit Belgien, Israel und Wales kaum Probleme haben dürfte, sich zu qualifizieren).

Und klar ist auch: Viele Teams aus dieser zweiten Reihe sind nicht mehr auf Augenhöhe mit so manchem Vertreter der (vermeintlich) Großen, sondern hat diese schon überholt. Stellt sich nur die Frage, für wie lange.

(phe)

]]>
https://ballverliebt.eu/2014/07/15/europas-zweite-reihe-von-recht-gut-bis-katastrophe-und-mit-luft-nach-oben/feed/ 5
Schweiz nah dran, aber effizientere Spanier holen den EM-Titel https://ballverliebt.eu/2011/06/25/schweiz-nah-dran-aber-effizientere-spanier-holen-den-em-titel/ https://ballverliebt.eu/2011/06/25/schweiz-nah-dran-aber-effizientere-spanier-holen-den-em-titel/#comments Sat, 25 Jun 2011 21:56:14 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5041 Schweiz nah dran, aber effizientere Spanier holen den EM-Titel weiterlesen ]]> „Spanien ist Europameister“ – nicht zum ersten Mal gibt es in jüngerer Vergangenheit eine solche Meldung. Im Finale der U21-EM in Dänemark machte es das Team der Schweiz mit Zauberzwerg Shaqiri und Supertalent Xhaka den Iberern lange sehr schwer. Doch die Albiroja nützte die wenigen Chancen besser.

Spanien - Schweiz 2:0

U17-Weltmeister sind sie schon, die Schweizer. Amtierender sogar – zumindest, bis in zwei Wochen in Mexiko der Nachfolger gekürt wird. Mit Granit Xhaka und dem im Finale eingewechselten Pajtim Kasami sind sogar zwei dieser Truppe diesmal dabei gewesen. Beim Finale der U21-Europameisterschaft. Dessen Erreichen ein weiterer Beweis für die hervorragende Arbeit ist, die in diesem Land geleistet wird. Und was die Spanier können, der Gegner im Finale, ist ohnedies bekannt. Welt- und Europameister bei den „Großen“, und auch im U-Bereich sind die Iberer derzeit in der Weltspitze. Nicht umsonst gelten sie bei der U20-WM in Kolumbien, die in diesem Sommer stattfindet, als aussichtsreicher Mitfavorit.

Pierluigi Tami, Teamchef der Schweizer, tauschte gegenüber dem Semifinale gegen Tschechien nicht nur personell aus – U17-Weltmeister Xhaka konnte nach abgesessener Sperre wieder mitmachen, Hochstrasser blieb dafür draußen – sondern veränderte auch das System. Aus dem 4-1-4-1 im Semifinale wurde ein 4-4-2, in dem allerdings die Flügelspieler im Mittelfeld (Shaqiri und Emeghara) oftmals weit aufrückten, sodass es in der Praxis gerne ein 4-2-4 war. Ebenso erstaunlich auch die Rolle von Xhaka: Statt als zentraler Offensivmann im Mittelfeld stand der Jungstar vom FC Basel extrem tief, oftmals tiefer als der Sechser Fabian Lustenberger, und nahm überwiegend Defensiv-Aufgaben wahr.

Defensiv-Arbeit im der gegnerischen Hälfte

Der Clou an der Zwei-Stürmer-Variante bei den Schweizern war aber weniger, dass vorne mehr Anspielstationen gewesen wären. Nein, vielmehr waren Mehmedi und Fabian Frei die vordersten Verteidiger: Sie kümmerten sich abwechselnd, und mitunter auch gemeinsam, um Javi Martínez. Der ist bei den Spaniern, die gegenüber dem 3:1-Sieg nach Verlängerung gegen Weißrussland unverändert aufliegen, der wichtigste Mann in der Spieleröffnung, aber da der Weltmeister aus Südafrika (wo er als Back-up für Busquets im Kader stand) war komplett kaltgestellt.

Die Folge war, dass das Angriffsspiel der Spanier sehr eindimensional war und sich in der Form einer Sanduhr auf dem Feld präsentierte, vor allem auf der linken spanischen Seite: Außenverteidiger gibt nach innen ab, vor dem schweizer Strafraum wieder zurück nach außen. Auf Rechts zeigte zwar Emeghara massive Schwächen in der Rückwärtsbewegung, nagelte aber Montoya schon alleine duch seine Präsenz und die ständige Gefahr von schnellen Vorstößen hinten fest;, Mata ging immer wieder zentral, wurde dort aber gut von Xhaka aufgenommen.

Auf links hatte Didac Vila zwei Möglichkeiten: Entweder selbst mit dem Ball marschieren, was gegen den giftigen Shaqiri kaum zum Erfolg führte. Oder, was er vermehrt tat, kurz auf Alcantara oder den recht tief agierneden Muniain ablegen und auf den Doppelpass gehen. Das Problem dabei: Durch die Eliminierung von Martínez wurde auch diese Variante seinem Platz beraubt und der wie das Amen im Gebet erfolgende Pass in den Lauf des Flügelspielers (Alcantara auf Muniain bzw. Muniain auf Didac, je nachdem) konnte von den Schweizern problemlos abgefangen werden. Kein Zweifel, dass in der Vorbereitung genau auf diesen sich ständig wiederholenden Pass nach Außen aufmerksam gemacht wurde.

Wenige Chancen

Nicht uninteressant, das sei an dieser Stelle auch erwähnt, die tiefere Positionierung von Iker Muniain (und auch Mata, der jedoch nicht zur Geltung kam) gegenüber dem Halbfinale gegen Weißrussland. Diese gab dem Bilbao-Jungstar nämlich eine größere Flexibilität in seinem Aktionsradius: Er konnte zentral nach vorne gehen bzw. in die Mitte ziehen und den aufrückenden Didac bedienen, er konnte Richtung Eckfahne laufen und auf das Anspiel von Alcantara lauern, er war aber auch schnell zur Stelle, wenn Shaqiri (der selbst oft sehr weit einrückte) ihn defensiv forderte. In einer ansonsten nach Halt suchenden Mannschaft war Muniain der beste Mann.

Die Schweizer konnten, weil sie eben sehr clever auf die etwas eindimensionalen Spanier eingestellt waren und die Iberer durch eine hohe Verteidigungslinie und der durchaus Druck ausübenden De-Facto-Viererkette vorne den spanischen Ballbesitz auf 55% drücken und hatten auch durch aufmerksames Spiel in der Verteidigung kaum Mühe, die Spanier in Schach zu halten und aus dem Spiel kaum jemals auch nur in die Nähe des Tores kommen zu lassen.

Auf der anderen Seite hing durch die defensive Rolle von Mehmedi und Frei vorne und der tiefen Positionierung von Xhaka fast die ganze Spielgestaltung an Shaqiri hängen. Der kam zwar auch zur besten Chance, als er mit einem ansatzlosen Drehschuss De Gea prüfte, aber die spanische Defensive schaffte es ansonsten auch ohne massivere Anstrengungen, die Offensivbemühungen der Schweizer zu unterdrücken. So war es ein auf hohem taktischen Niveau geführtes gegeseitiges Neutralisieren ohne echte Höhepunkte.

Rückstand und Reaktion

Bis zur 41. Minute. Für einmal verschoben die schweizer Ketten bei einem hohen spansichen Seitenwechsel auf Didac Vila, dieser hatte, von Koch und Shaqiri alleine gelassen, alle Zeit der Welt für eine präzise Flanke, und Ander Herrera musste nur noch den Kopf hinhalten und zum etwas überraschend fallenden 1:0 einzunicken. Ein Tor, bis zu einem gewissen Grad aus heiterem Himmel, das die Schweizer nun zur Reaktion zwang.

Die erste, noch vor der Pause, war der Seitentausch von Shaqiri mit Emeghara. Er sollte Muniain offensichtlich durch seine offensivere Grundausrichtung ähnlich aus dem Spiel nehmen wie er das mit Mata bzw. Montoya auf der anderen Flanke gemacht hatte. Diese Maßnahme wurde aber nach dem Seitenwechsel wirder verworfen, Shaqiri ging zurück auf seine angestammte rechte Außenbahn. Dafür nahm Tami einige Minten nach Wideranpfiff – nachdem er gesehen hatte, dass es keine Besserung in Sachen Offensive gab – einen Doppelwechsel vor.

Doppelwechsel verpufft

Ab der 55. Minute

Statt Frei und Emeghara betraten Mario Gavranovic (für ganz vorne) und Amir Abrashi (für rechts) das Feld; Shaqiri rückte auf die halbrechte bis zentrale Position und Xhaka rückte nun endgültig ins Mittelfeld auf. Die beisen Basel-Spieler mit kosovarischen Wurzeln sollten nun den zentralen Offensiv-Hub geben, das wurde aber von zwei Faktoren torpediert. Zum einen war das eine sich sichtbar einschleichende Kombination aus ausgehender Kraft und zunehmender Frustration, die sich in einigen eher derben Aktionen manifestierte (wie der rüden Sense von Berardi gegen Montoya).

Und zum anderen die nicht wirklich geklärte Frage, wer denn nun Emegharas linke Seite übernehmen soll, nachdem der junge Mann von GC Zürich den Platz verlassen hatte. Der Vermutung liegt nahe, dass es Gavranovic hätte sein sollen, er kam tendenziell von dieser Seite. Aber während Emeghara „nur“ schlampig in der Defensive war, ließ Gavranovic sie ganz bleiben. Mata merkte das natürlich und nützte den sich bietenden Platz gegen den gelbvorbelasteten Berardi. Spanien hatte das Spiel im Griff.

Entscheidung statt Schlussoffensive

So wurden die Schweizer, die das ganze Spiel über schon massive Schwierigkeiten hatten, die Spitzen gefährlich zu bedienen, auch nur noch aus einem Standard gefährlich, als Neu-Nürnberger Timm Klose den Ausgleich per Kopf nach einem Shaqiri-Freistoß nur knapp verpasste. Besser machte es Thiago Alcântara auf der anderen Seite, als er einen Freistoß aus etwa 30 Metern über den verdutzten und zu weit vor seinem Tor stehenden Yann Sommer zum 2:0 versenkte, als alle noch mit einem Wechsel (Jeffrén war für Adrián gekommen) beschäftigt waren.

Das Tor brachte die Schweizer Schlussoffensive natürlich zum erliegen – es war die Entscheidung.

Fazit: Schweizer clever, aber Spanier effizienter

Mit der Maßnahme, Javi Martínez zu doppeln und den Spaniern so das Metronom zu nehmen, trafen die Schweizer die exakt richtige Entscheidung, auch die schnellen Pässe auf die Außen hatte man gut im Griff. Die Eidgenossen verpassten es aber, auch selbst aus dem Spiel heraus einigermaßen gefährlich vor David de Gea aufzutauchen. Das gelang nur bei Shaqiris Chance in der ersten Halbzeit.

Einmal in Führung, konnten die Spanier ohne größere Befürchtungen auf Verwalten spielen, weil bei den Schweizern erst zu viel von Shaqiri abhing und dann, als er mit Xhaka einen Partner gehabt hätte, die linke Seite offen gelassen wurde, was eine Einladung für die Spanier war. Es fehlte den Schweizern an den Mitteln, selbst für die Spielgestaltung zu sorgen, als es gefragt gewesen wäre. Womit letztlich beide Teams verdient im Finale standen – die Spanier wegen ihrer auch individuellen Klasse, die Schweizer wegen cleverer Arbeit in Verbindung mit einem tollen Jahrgang – und dann auch das richtige Team gewonnen hat.

PS: Das Spiel um Platz drei, welches wegen der Olympia-Quali notwendig geworden war, entschied Weißrussland dank eines späten Tores mit 1:0 gegen Tschechien für sich.

(phe)

]]>
https://ballverliebt.eu/2011/06/25/schweiz-nah-dran-aber-effizientere-spanier-holen-den-em-titel/feed/ 1
Zwischen Gentlemen und „Shaq Attack“ https://ballverliebt.eu/2010/05/10/zwischen-gentlemen-und-shaq-attack/ https://ballverliebt.eu/2010/05/10/zwischen-gentlemen-und-shaq-attack/#respond Mon, 10 May 2010 17:04:16 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2001 Zwischen Gentlemen und „Shaq Attack“ weiterlesen ]]> WM-SERIE, Teil 22: SCHWEIZ | Er hat zweimal die Champions League gewonnen, ist siebenfacher deutscher Meistertrainer – fühlte sich aber immer auch ein wenig als Schweizer. Als Nati-Coach fährt Ottmar Hitzfeld erstmals zur WM, wo er die Balance zwischen Etablierten und jungen Wilden finden muss.

“Ein schöner Gegner, um uns warmzuspielen“, lachte ein entspannter Ottmar Hitzfeld nach der Auslosung. Die seiner schweizer Nationalmannschaft ausgerechnet Europameister Spanien als ersten Gegner beschert hatte. Einerseits hört sich das nach dezentem Größenwahn an. Andererseits passt es auch wieder zur Entspanntheit jenes als Gentleman auftretenden Hitzfeld, der einst mit Dortmund und den Bayern die Champions League gewonnen hat und nun trotz einer peinlichen Heimniederlage gegen Luxemburg als Gruppensieger zur WM-Endrunde fährt.

Hitzfeld, mittlerweile 61 Jahre alt, hat eine spezielle Bindung zur Schweiz. Geboren und aufgewachsen in der deutschen Grenzstadt Lörrach, redet er fließendes Schweizerdeutsch, wenn die Kameras nicht an sind. Zudem feierte er seine größten Erfolge als Spieler in der Schweiz, und begann dort auch seine große Trainerlaufbahn. Hitzfeld machte nie einen Hehl daraus, am Ende seiner Karriere gerne Teamchef jenes Landes zu werden, in dem er selbige begann. Und weil die Schweizer lange auf ihn warten mussten, stand er auch nach der Luxemburg-Blamage, gleich im zweiten Pflichtspiel, nachdem er das Amt von Sympathieträger Köbi Kuhn übernommen hatte, nie wirklich zur Diskussion.

Was sich bezahlt machen sollte. Natürlich, mit den biederen Griechen und den ordentlichen, aber nicht überragenden Israelis waren die Schweizer in einer Gruppe, in der sich so ein Fauxpas schon ausbügeln lässt. Dass aber letztlich die Griechen zweimal geschlagen werden und am Ende die direkte Qualifikation steht, spricht nicht nur für die Qualität von Hitzfeld, sondern auch für die der ganzen Mannschaft. In der es nicht wenige Spieler gibt, die trotz ihres noch nicht allzu weit fortgeschrittenen Alters vor internationaler Erfahrung nur so strotzen! Immerhin ist die Endrunde in Südafrika schon das vierte Turnier hintereinander, an dem die Schweizer teilnehmen. Für die meisten ist dies also nicht der erste Sommerausflug




Ads

Und für Nachwuchs ist schon gesorgt. Denn der Höhenflug der Schweizer basiert nicht auf einer einmaligen „goldenen Generation“, sondern auf jahrelang beinhart durchgezogener Nachwuchsarbeit, einem klaren Bekenntnis zur Nationalmannschaft auch in der Liga, und einer Schar jungen Talenten, die früh den Weg ins Ausland suchen. Einem Weg, der einst vom jetzigen Fulham-Erfolgsmanager Roy Hodgson begonnen wurde! Von den 23 Spielern, die bei der Euro2004 in Portugal dabei waren, sind noch maximal sechs im aktuellen erweiterten Kader übrig. Und man kann davon ausgehen, dass mit Ludovic Magnin und Hakan Yakin nicht zwei Wackelkandidaten den Sprung auf den WM-Zug schaffen werden. In der Tat sind es nur die Routiniers Frei und Spycher, sowie Barnetta (damals 19) und Vonlanthen (damals 18), die sich ihrer Kaderzugehörigkeit sicher sein können.

Alle anderen sind Spieler deutilch unter dreißig, die sich auf die Topligen Europas verteilt haben. Zwar nicht alle bei Topklubs, aber gut und jung genug, um noch drei große Turniere vor sich zu haben. Und der Strom an jungen Talenten reißt auch nicht ab! Es wäre keine allzu große Überraschung mehr, wenn Hitzfeld zwei Shooting-Stars vom FC Basel mitnehmen sollte – Valentin Stocker, rotzfrecher 21-jähriger Offensivspieler, und Xherdan Shaqiri. Der 18-jährige 1.68m-Zwerg tauchte, nicht ganz passend zu seiner eher schmächtigen Statur, nach dem gewonnen Cup-Finale mit einem „Shaq-Attack“-Shirt auf. Diese beiden stehen sinnbildlich für die Saat, welche die Schweizer nun ernten können.

So muss Hitzfeld nicht mühsam 23 Spieler zusammen kratzen, von denen er zehn im Grunde eh nicht brauchen kann, sondern sieht sich beim Streichen aussichtsreicher Kandidaten mit einigen Härtefällen konfrontiert. So wird etwa Philipp Degen, immerhin bei Liverpool unter Vertrag, wohl im endgültigen Aufgebot fehlen. Auch der polarisierende Altmeister Hakan Yakin, der in Luzern seinen dritten Frühling erlebt, und Stürmer-Schlacks Marco Streller müssen um ihr Ticket massiv bangen. Zudem ist für gute Spieler aus der heimischen Liga, wie Davide Chiumiento von Luzern, die Konkurrenz im Mittelfeld schlicht zu groß. Und von Ligadominator Young Boys Bern wird wohl gar nur ein einziger dabei sein: Marco Wölfli, als zweiter Torhüter.

Die heimische Liga ist für Hitzfeld aber generell nur ein B-Pool, in der Tat ist wohl Kapitän Alex Frei der einzige Spieler der „Super League“, der in der Startformation stehen dürfte. Und selbst der sammelte viele, viele Jahre internationale Meriten in Frankreich und Deutschland. Es gilt bei den Eidgenossen also: Wer nicht im Ausland spielt (oder zumindest lange gespielt hat), ist bestenfalls eine Alternative. Quasi die Flucht aus der Schweiz als Grundvoraussetzung, um sich in der Nationalmannschaft etablieren zu können. Vielleicht kann das auch mal jemand Dietmar Constantini erklären, der auf Spieler einer Liga setzt, die im internationalen Vergleich über lange Jahren hinweg deutlich hinter jener der Schweizer angesiedelt ist.

Hitzfeld vertraut in der „Nati“ einem klassischen 4-4-2 mit zwei defensiven, zentralen Mittelfeldspielern. Deswegen ist es anzunehmen, dass etwa Hakan Yakin, ein klassischer Zehner, maximal als Alternative mitfährt. Was beim aufbrausenden Charakter des 33-Jährigen durchaus zum Problem werden könnte – weshalb er durchaus auf der Kippe steht. Andererseits ist Yakin der einzige echte zentrale Spielmacher, den die Schweizer haben und bringen könnten. Zur Not auch als Stürmer, wie bei der EM im eigenen Land. Ansonsten sollen die offensiven Akzente aber eher von den Flanken kommen. Hier ist Tranquillo Barnetta auf der linken Seite ein extrem wichtiger Mann.

Der Leverkusen-Legionär trägt nämlich zumeist die Hauptlast im Offensivspiel, auch weil er über die Saison die meiste Spielpraxis sammeln konnte. Auf der rechten Seite nämlich hat Hitzfeld die Wahl zwischen Marco Padalino, der bei Sampdoria aber nicht regelmäßig zum Einsatz kommt, und Johan Vonlanthen. Der auch erst 24-Jährige machte in einer schrecklichen Saison mit dem FC Zürich aber mehr durch seine Mitgliedschaft einer obskuren Sekte, die ihm das Arbeiten (sprich Fußballspielen) an Samstagen strikt verbieten würde, auf sich Aufmerksam. Und Valon Behrami spielt bei West Ham zwar viel, ist aber nicht so offensivstark wie Padalino und Vonlanthen.

Probleme, die Hitzfeld im Angriff nicht hat. Kapitän Alex Frei ist nach seinem Handbruch rechtzeitig fit und ist, wenn er sich nicht wieder verletzt, gesetzt. Um den Platz neben ihm herrscht indes ein massives Gerangel! Die besten Chancen dürfen sich Routinier Blaise Nkufo (gerade holländischer Meister mit Twente Enschede geworden) und Jungstar Eren Derdiyok, der ein ansprechende erste Saison bei Bayer Leverkusen gespielt hat, machen. Bestenfalls als fünfter Stürmer würde Nürnbergs Albert Bunjaku, der nach starkem Herbst im Frühjahr deutlich abgebaut hatte, mitfahren.

Auch im defensiven Mittelfeld gibt es einige Spieler, die für die beiden Sechser-Positionen in Frage kommen. Die wahrscheinlichste Variante ist jene mit Inler von Udinese und Gelson von St. Étienne. Aber auch Pirmin Schwegler (Frankfurt) und der erfahrene Beni Huggel (Basel) können dort ohne allzu großen Qualitätsverlust auflaufen. Relativ klar verteilt sind dafür die Plätze in der Abwehrkette.

Hier führt an Stephan Lichtsteiner rechts und Christoph Spycher (mit 32 Jahren der älteste Stammspieler) links  kein Weg vorbei. Reto Ziegler, Alternative auf der linken Außenbahn, wird den Platz von Spycher aber über kurz oder lang übernehmen: Während der 24-jährige Sampdoria-Stammspieler nächstes Jahr auch international ein gute Rolle spielen will, kehrt Spycher zum Herbst seiner Karriere in die schweizer Liga, zu Young Boys Bern, zurück. Es wäre keine Überraschung, sollte er das Nationaltrikot nach der Weltmeisterschaft an den Nagel hängen.

In der Innenverteidigung baut Hitzfeld auf zwei humorlose Kanten, die abräumen sollen. Namentlich sind dies Stéphane Grichting, der mit Auxerre eine starke Saison spielt, und Philipp Senderos, der in den letzten Jahren aber bei Arsenal, Milan und Everton deutlich weniger Einsatzzeit bekam, als das auch dem schweizer Teamchef recht sein kann. Alternative Steve von Bergen spielte zwar bei Hertha BSC, ist aber am Abstieg der Berliner nicht unschuldig. Die Besetzung der Abwehrzentrale heißt aber auch: Mit schnellem Spiel, wie es von eigentlich allen Gruppengegnern zu erwarten ist, kann man den Eidgenossen beikommen. Da wird auch viel auf Diego Benaglio, einem Klassemann zwischen den Pfosten, ankommen.

Genau solche flinken Gegenspieler fehlten den Konkurrenten in der Qualifikation praktisch völlig. Gegen Spanien, Chile und Honduras kann das durchaus zu einem Problem werden. Anonsten aber ist durch die mannschaftliche Geschlossenheit und die Kompaktheit, welche die Schweizer auszeichnet, eine Wiederholung des erfreulichen Achtelfinal-Einzugs von vor vier Jahren durchaus nicht unmöglich. Und genau das, nämlich das Überstehen der Vorrunde, ist auch das klar definierte Ziel.

Vor allem, nachdem die Europameisterschaft im eigenen Land vor zwei Jahren so jäh nach der zweiten extrem unglücklichen Niederlage im zweiten Spiel schon arg früh erledigt war. Die Auftritte bei der EM bestätigten einerseits zwar die grundsätzliche Qualität in der Mannschaft. Zwei Jahre nach dem Aus im Achtelfinale, ohne in vier Spiele auch nur ein Tor kassiert zu haben, war aber auch offensichtlich: So sicher die Defensive zu stehen pflegt, so harmlos ist oft die Offensive. Das könnte sich auch diesmal als Achillesfernse erweisen! Zwar hat Derdiyok zwei Jahre mehr Erfahrung als damals, aber Alex Frei ist nach wie vor extrem oft verletzt und Blaise Nkufo wird nicht jünger. Weswegen es wiederum nicht verwunderlich wäre, sollten die Offensiv-Talente Shaqiri und Stocker WM-Luft schnuppern dürften. Um für die Zukunft schon besser gerüstet zu sein.

Auf der einen Seite sind die Schweizer mittlerweile ein fast selbstverständlicher Stammgast bei Welt- und Europameisterschaften, von dem man ein Überstehen der Gruppenphase jederzeit als durchaus möglich betrachten kann. Andererseits aber… Wenig bewegliche Defensive, kaum kreative Spieler im Mittelfeld, oft eher harmlose Offensive: Augenschmaus waren die Schweizer eigentlich auch nie so richtig. Fast schon so ein wenig eine graue Maus.

Da kann ein bisschen Shaq Attack sicher nicht schaden.

————————————————

SCHWEIZ
rotes Trikot, weiße Hose, Puma – Platzierung im ELO-Ranking: 21.

Spiele in Südafrika:
Spanien (Nachmittagsspiel Mi 16/06 in Durban)
Chile (Nachmittagspiel Mo 21/06 in Port Elizabeth)
Honduras (Abendspiel Fr 25/06 in Bloemfontein)

TEAM: Tor: Diego Benaglio (26, Wolfsburg), Johnny Leoni (25, FC Zürich), Marco Wölfli (27, Young Boys). Abwehr: Stéphane Grichting (31, Auxerre), Stephan Lichtsteiner (26, Lazio), Alain Nef (28, Triestina), Philipp Senderos (25, Everton), Christoph Spycher (32, Frankfurt), Steve von Bergen (27, Hertha BSC), Reto Ziegler (24, Sampdoria). Mittelfeld: Tranquillo Barnetta (25, Leverkusen), Valon Behrami (25, West Ham), Gelson Fernandes (23, St. Étienne), Gökhan Inler (25, Udinese), Benjamin Huggel (32, Basel), Marco Padalino (26, Sampdoria), Pirmin Schwegler (23, Frankfurt), Xherdan Shaqiri (18, Basel), Valentin Stocker (21, Basel), Johan Vonlanthen (24, FC Zürich), Hakan Yakin (33, Luzern). Angriff: Albert Bunjaku (26, Nürnberg), Eren Derdiyok (22, Leverkusen), Alex Frei (30, Basel), Blaise Nkufo (35, Twente Enschede), Marco Streller (29, Basel).

Teamchef: Ottmar Hitzfeld (61, Deutscher, seit August 2008)

Qualifikation: 2:2 in Israel, 1:2 gegen Luxemburg, 2:1 gegen Lettland, 2:1 in Griechenland, 2:0 in und 2:0 gegen Moldawien, 2:0 gegen Griechenland, 2:2 in Lettland, 3:0 in Luxemburg, 0:0 in Israel.

Endrundenteilnahmen: 8 (1934 und 38 Viertelfinale, 50 Vorrunde, 54 Viertelfinale, 62 und 66 Vorrunde, 94 und 2006 Achtelfinale)

>> Ballverliebt-WM-Serie
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Côte d’Ivoire, Portugal
Gruppe H: Spanien, Schweiz, Honduras, Chile

* Die Platzierung im ELO-Ranking bezieht sich auf den Zeitpunkt der Auslosung

]]>
https://ballverliebt.eu/2010/05/10/zwischen-gentlemen-und-shaq-attack/feed/ 0