Saadane – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Wed, 29 Dec 2010 17:18:03 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Day 13 / C – Voller Einsatz wird belohnt https://ballverliebt.eu/2010/06/23/day-13-c-voller-einsatz-wird-belohnt/ https://ballverliebt.eu/2010/06/23/day-13-c-voller-einsatz-wird-belohnt/#respond Wed, 23 Jun 2010 18:16:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2326 Day 13 / C – Voller Einsatz wird belohnt weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Tag 12 – Gruppe C | Mit unbändigem Willen erkämpfen sich die US-Boys in der Nachspielzeit doch noch den Einzug ins Semifinale. Damit fliegen die Slowenen raus – diese hatten gegen England zwar kaum eine Chance, aber die Three Lions machten sich selbst mal wieder das Leben schwer.

England – Slowenien 1:0 (1:0)

Slowenien - England 0:1

Drittes Spiel, dritter Versuch – das galt bei England für die Position neben Terry in der IV (King verletzt, Carragher gesperrt), in der nun No-Name Upson spielte (und wenig geprüft wurde), und für jene im RV (Wright-Phillips schwach, Lennon schwach), wo der zu Turnierbeginn wegen Krankheit geschwächte Milner zurück kehrte. Und das war eine gute Maßnahme von Fabio Capello: Denn Milner machte auf seiner Seite, unterstützt von Glen Johnson den meisten Betrieb.

Die Slowenen versuchten, hoch zu verteidigen und die die Räume durch die Mittelfeldreihe schon eng zu machen, weswegen im englischen Spiel durch die Mitte nicht allzuviel ging. Umso mehr waren die Flanken gefordert, die zu Beginn jedoch von den Slowenen ganz gut zugemacht wurden. Zudem konnte Rooney, der im 4-4-2 neben dem eher statischen Defoe die Arbeitsbiene machte, unter Kontrolle gehalten werden. Bis zum 1:0 für Defoe: Milner flankte, die slowenische Innenverteidigung war nicht geordnet, sodass das Tor nicht verhindert werden konnte.

Das gab den Engländern sichtlich Auftrieb. Hinten waren sie in der ganzen Hälfte nur einmal gefortert (bei einem Eckball), aber nach vorne war nun die Schwäche der Slowenen vor dem Tor erkannt, und natürlich wurde diese weiter auszunützen versucht. So hätten Defoe und Gerrard innerhalb von kürzester Zeit schon auf 3:0 stellen können und das Spiel entscheiden können. Das Spiel der Engländer war durch die Stärke von Milner und die gleichzeitig eher maue Performance von Gerrard ziemlich rechtslastig.

Was die Slowenen, personell unverändert in einem 4-4-1-1 mit Novakovič als hängendem Stürmer angetreten, nicht wirklich ausnützen konnten. Zwar war RV Brečko der Slowene mit den deutlich meisten Ballkontakten, seine Hauptanspielstationen Novakovič und Birsa konnten aber nicht allzu viel damit anfangen. Immerhin, die Slowenen sind keine Griechen und so versuchten sie zu Beginn der ersten Hälfte zumindest, sich nicht auf ein passendes Ergebnis in der Parallelpartie zu verlassen und etwas mehr nach vorne zu machen – speziell über Birsa – aber mehr als ein paar Freistöße schauten nicht heraus.

Anders die Engländer, die ihre mit Abstand beste Turnierleistung bis dato ablieferten. Nun versuchte auch Gerrard auf der linken Seite, sich besser in Szene zu setzen, aber die wirklich gefährlichen Aktionen und Flanken kamen zunächst hauptsächlich weiterhin von Milners rechten Seite – erst im Laufe der zweifen Hälfte drehte sich dieses Kräfteverhaltnis. Die Slowenen waren nun vor allem mit dem gesteigerten Tempo, das die Three Lions nun, wo sie führten und das Spiel sicher im Griff hatten, gingen, überfordert. Bis zur 60. Minute hätte es schon mindestens 4:0 stehen müssen, abervor allem dem enorm fleißigen Rooney wollte im Abschluss nichts gelingen.

Die Dominanz, welche das englische Team nun ausübte, schien die Slowenen nun endgültig einzuschüchtern, das Umschalten auf Angriff klappte nun nicht mehr. Daran änderte auch die Hereinnahme der Sturmspitze Dedič für Sturmspitze Ljubijankič genau nichts. Dennoch müssen sich die Engländer den Vorwurf gefallen lassen, nicht für die überfällige Entscheidung gesorgt zu haben – hätten die Slowenen ihre Dreifach-Chance (68.) genützt, die ganze schöne Dominanz wäre für die Katz‘ gewesen. Der Effekt dieser Szene: Die Engländer zogen sich nun mit etwas mehr Leuten zurück, um nicht wieder solche Lücken preiszugeben. Zudem kam in einem eher seltsamen Wechsel Joe Cole für Rooney.

Womit die vorher durchaus ansehnlichen Offensivbemühungen der Engländer ein Ende hatten. Joe Cole nahm zwar nominell die Postion von Rooney ein, aber ihm fehlt es schlicht an der Präsenz von Rooney. So kamen die Slowenen wieder etwas besser in die Partie und hielten den Gegner besser vom eigenen Tor weg, ohne allerdings selbst wirklich zu Chancen zu kommen, und wenn, waren’s wieder hauptsächlich Standards von Birsa. Dennoch unnötig, überhaupt noch ins Zittern zu kommen. Zu überlegen waren die Engländer, dass die Slowenen überhaupt noch im Spiel hätten sein dürfen. Die seltsamen Wechsel von Capello haben den Flow im Team komplett zerstört – und im Endeffekt den Engländern den Gruppensieg gekostet. Ein weiteres Tor hätte dafür gereicht…

Fazit: Die Engländer, vor allem dank Milner, zeigen endlich eine ansprechende Leistung – zumindest bis zum seltsamen Austausch von Rooney, der das englische Spiel komplett zerstörte. Slowenien kämpften recht brav, aber die Qualität war schlussendlich auf Seiten der Engländer. Dass das Achtelfinale erst mit dem Abpfiff verloren war, ist für unseren Nachbarn aber natürlich bitter.

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USA – Algerien 1:0 (0:0)

USA - Algerien 1:0

Sie hatten selbst noch kein Tor erzielt – aber da die Algerier (den schrecklichen Torwart-Fehler aus der ersten Partie einmal ausgenommen) auch noch keines bekommen haben, wussten die Amerikaner schon, was zu tun war. Alleine: Sie wurden von den erstaunlich forschen Wüstenfüchsen zu Beginn diverse Male am falschen Fuß erwischt. Vor allem bei langen Bällen aus dem Halbfeld auf Djebbour in der Spitze machte gerade IV DeMerit keine allzu glückliche Figur. Auch die Formation der Algerier war mit dem 3-4-1-2 eine Spur offensiver als in den letzten Spielen – kein Wunder, auch die Nordafrikaner benötigten ja einen Sieg, um noch ans Achtelfinale denken zu können.

Vor allem über die Flanken hatten die Algerier, wie gewohnt mit Belhadj links und Kadir rechts, ihre Hausaufgaben gemacht und gewusst, dass die US-Außen im Mittelfeld Donovan und Dempsey mit der Abwehrarbeit nicht allzu genau nehmen. Hinzu kam Ziani als hängende Spitze, der gemeinsam mit Lacen und Yebda eine Überzahl im zentralen Mittelfeld schaffen konnte. So sahen sich die Amerikaner mit diversen Weitschüssen konfrontiert, denn vor dem Tor gibt es, das ist eine Erkenntnis dieses Turniers, keinen Algerier mit WM-Format.

Die Amerikaner versuchten vor allem, durch die Mitte vor das algerische Tor zu kommen. Dazu zogen Donovan und Dempsey recht früh nach innen, wo sie immer wieder Löcher in den Schnittstellen der Dreierkette fanden, und so ebenfalls zur einen oder anderen guten Einschussmöglichkeit kamen. Allen voran natürlich jene Chance, in der erst Gomez vergab und dann Dempsey wegen Abseits zurückgepfiffen wurde.

Im Wissen um die Siegpflicht stellte US-Teamchef Bob Bradley in der Halbzeit um, brachte mit Feilhaber (für Edu) einen Mann für’s linke Mittelfeld, dafür rückte Dempsey in die Spitze; genauso wie de facto Donovan auf der anderen Seite – was für ein 4-3-3 sorgte, aber in der Praxis nicht wirklich etwas brachte. Denn dadurch, dass sich nun Bradley und er schwache Edu praktisch alleine einem algerischen Fünfer-Mittelfeld gegenüber sahen, kam wenig in die Spitze. Darum reagierte der US-Teamchef erneut, brachte mit Buddle (für Edu) einen bulligen Zentrumsstürmer, dafür ging Dempsey wieder auf die linke Seite zurück. Was nominell ein 4-4-2 war, stellte sich in der Praxis aber eher als 4-2-4 oder war 2-4-4 dar, mit konsequenterem Spiel über die Außen.

Prompt kamen die Amerikaner vermehrt zu Chancen, die Algerier kamen nur noch über Konter – und diese waren, wir kennen die Nordafrikaner ja schon, nicht allzu gefährlich. Zudem ging Nadir Belhadj nach zweieinhalb Spielen Dauerlauf auf der linken Seite merklich die Luft aus. Darum kam bei Algerien mit Ghedioura ein etwas defensiverer Spieler für Spielmacher Ziani, dessen Position zumindest ansatzweise von Yebda eingenommen wurde; Saâdane wollte die verloren gegangene Kontrolle im defensiven Mittelfeld wieder zurück erlangen – was nacht gelang, die US-Boys drückten nun vehement auf den Treffer.

Dann kam noch Beasley für LV Bornstein, womit aus dem US-Spiel ein 3-4-3 wurde – Beasley links im Mittelfeld, Dempsey mit Buddle und Altidore wieder in der Spitze. Die Algerier, die wohl wussten, dass ihre Chancen auf das Achtelfinale auch durch das Parallelspiel dahin war, hatten der Schlussoffensive der Amerikaner nicht mehr entgegen zu setzen. Alleine, diese gingen vor allem mit ihren Standardsituationen (von denen sie sich gegen die platten Algerier nun einige holten) ziemlich schludrig um. Es brauchte einen Kraftakt in der Nachspielzeit und ein Missverständnis zwischen dem algerischen Torhüter Mbolhi und Abwehrspieler Bougherra, um den Ball zum späten 1:0 über die Linie zu hämmern.

Fazit: Die Amerikaner verdienen sich den späten Sieg schon alleine aufgrund des unermüdlichen Einsatzen und des unbedingten Willens. Die Nordafrikaner haben zumindest eine Stunde absolut mitgehalten, letztlich fehlte aber die Luft und auch die Qualität.

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Das war die Gruppe C: Wirklich überzeugen konnte von diesem Quartett eigentlich keiner. Favorit England krampfte sich zu zwei Remis, zeigten erst im entscheidenden dritten Spiel zumindest Teile der fraglos vorhandenen Qualität. Dennoch ist das Team von Capello (und wohl auch der Italiener selber) ob der vielen vergebenen Chancen gegen Slowenien vollkommen selbst Schuld daran, dass man den Gruppensieg um ein Tor verpasste und es nun im schwierigeren Ast der K.o.-Runde weitergeht.

Das Team aus den USA erkämpfte sich den Platz im Achtelfinale und ist mit ihrer Never-Give-Up-Einstellung nicht nur mit dem Last-Minute-Einzug in die Runde der letzten 16, sondern sogar noch mit dem Gruppensieg belohnt worden. Auch mit dem Fehlpfiff aus dem Slowenien-Spiel sollten die US-Boys damit versöhnt sein. Das bitterste Ende gab es fraglos für Slowenien, denn just in dem Moment, als das Spiel gegen England abgepfiffen wurde, fiel im Parallelspiel das entscheidende Tor zu Ungusten der Slowenen. Sie haben sich als unangenehmer Gegner erwiesen, dem es allerdings letztlich doch an der Qualität fehlte. Der Punkt gegen die Amerikaner war trotz der 2:0-Führung schon geschenkt, und der Sieg gegen Algerien war pures Glück.

Ja, Algerien. Die Nordafrikaner waren defensiv fraglos eines der besten Teams in diesem Turnier – nur zwei Gegentore, davon beide unglücklich. Aber in der Offensive fehlt einfach ein auch nur halbwegs gefährlicher Stürmer. Dennoch haben sich die Wüstenfüchse im Rahmen ihrer Möglichkeiten ordentlich präsentiert und müssen nicht allzu enttäuscht sein.

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Frankreich II., vulgo: Algerien https://ballverliebt.eu/2010/03/23/frankreich-ii-vulgo-algerien/ https://ballverliebt.eu/2010/03/23/frankreich-ii-vulgo-algerien/#respond Tue, 23 Mar 2010 15:36:38 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=1878 Frankreich II., vulgo: Algerien weiterlesen ]]> WM-SERIE, Teil 13: ALGERIEN | Neun der elf Spieler aus der Stammformation der Algerier wurden in Frankreich geboren – zumeist unauffällige Arbeitstiere. Für das Spektakel sind andere Teams zuständig, 24 Jahre nach dem bislang letzten WM-Auftritt der Wüstenfüchse.

Es war ein Mai-Abend in Wien, als Rabah Madjer mit seinem Fersentor im Meistercup-Finale gegen die Bayern für seinen FC Porto das Siegtor erzielte. Das ist nun 24 Jahre her – so lange, dass es schon fast nicht mehr wahr ist. Für den damals 27-jährigen Stürmer war dieses Jahr 1986 der Höhepunkt seiner Karriere: Erstder Sieg im höchsten Europacup-Bewerb, und einen Monat später durfte er seine zweite Weltmeisterschaft spielen. Das algerische Team war in diesen Jahren eines der absolute Spitzenteams vom afrikanischen Kontinent, auch wenn man bei beiden WM-Auftritte die Vorrunde nicht überstehen konnte. 1982 waren sie noch die Angeschmierten beim Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Österreich in Gijon, erreichten trotz Siegen gegen die Deutschen und Chile nicht die nächste Runde. Vier Jahre später gab es nach einem 1:1 gegen Nordirland Niederlagen gegen Brasilien und Spanien.

Neben Madjer war damals auch Zinedine Zidanes Onkel Djamel dabei – und Teamchef war Rabah Saâdane. Damals, mit 40 Jahren, auch schon in seiner zweiten Amtszeit. Heute, mit 64, ist Saâdane wieder Teamchef der „Wüstenfüchse“, mittlerweile zum fünften Mal. Allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen: Waren damals Madjer und Co. noch eine spielstarke Mannschaft, besitzt das spielerische Element heute nur eine untergeordnete Rolle. Saâdane hat die Algerier, deren Fußball sich zwischendurch in einem dramatischen Loch befand, wieder auf die Weltbühne zurückgeführt. Als er sich im Herbst 2007 wieder des Nationalteams seiner Heimat annahm, hatte die Mannschaft gerade die Qualifikation für den Afrikacup vergeigt, bei der Ausscheidung für die WM ein Jahr zuvor wurde Algerien Gruppenletzter. Hinter Simbabwe und Ruanda.

Also baute Saâdane um. Von den damaligen Spielern sind heute nur noch vier mit dabei – dafür schaffte er es, eine Mannschaft zu formen, die jung genug ist, um in praktisch identer Aufstellung auch in vier Jahren noch dabei sein kann. Das Team besitzt darüber hinaus auch das Nervenkostüm, um in aufgeheizter Stimmung ein Entscheidungsspiel ausgerechnet gegen den traditionellen Erzfeind Ägypten mit 1:0 nach Hause zu schaukeln. In diesem Spiel wurde ausgerechnet ein Innenverteidiger zum Held – Anthar Yahia erzielte aus spitzem Winkel das entscheidende Tor. Damit war klar: Das beste afrikanische Team der letzten Jahre, Serien-Afrikacupsieger Ägypten, muss wieder zuschauen – und Algerien ist dabei.

Und die Tatsache, dass es genau Yahia war, der die Wüstenfüchse letztlich nach Südafrika schoss, ist exemplarisch für die Zusammensetzung dieser Mannschaft: In Frankreich als Sohn von algerischen Migranten geboren, bei Bastia und Bochum langjähriger Spieler gestählt in den Abstiegskämpfen von Frankreich und Deutschland. Unauffällig, ja, eigentlich unbekannt, wenn man sich nicht gerade eingehender mit den wenig prickelnden Mannschaften beschäftigt. Und Spieler wie Yahia gibt es in diesem Team einige – praktisch alle spielen bei Mittelständlern und Abstiegskandidaten, aber eben in starken Ligen.

Hinzu kommt, dass bis auf seinen Nebenmann in der Abwehr, Rafik Halliche, und Torhüter Gaouaoui alle Stammspieler in Frankreich das Licht der Welt erblickt und das Fußball spielen erlernt haben. Dass diese sich dann für das algerische statt für das französische Team entschieden haben, hat zwei Gründe: Zum einen natürlich das Wissen um die eigenen Wurzeln und der Heimat der Eltern. Zum anderen aber sicherlich auch das Wissen, dass es sportlich für die Equipe Tricolore ganz einfach nicht reicht. So hat Saâdane (zumindest bis auf den schwierigen Meghni) keine Künstler in seiner Mannschaft, sondern kommt eben mit einer zwar wenig spektakulären, aber wegen der mannschaftlichen Geschlossenheit, einer durchaus europäischen Arbeitseinstellung und dem recht defensiv interpretierten 4-2-3-1 als äußerst unangenehm zu spielendes Team daher.

Ein Team auch, in dem es personell keine allzu großen Überraschungen gibt, denn hinter den ersten elf Spielern gibt es kaum jemanden, der einen Ausfall adäquat ersetzen könnte. Und wie bei so vielen afrikanischen Teams ist auch bei den Algerien die Problemposition Nummer eins die der Nummer eins. Lounès Gaouauoi ist die etatmäßige Erstbesetzung, er ist aber kaum mehr als Durchschnitt – wenn überhaupt. Durch eine Verletzung verpasste er das Playoff gegen Ägypten, durch einen Blinddarmdurchbruch den Afrikacup. Sein Ersatzmann Faouzi Chaouchi machte gegen die Ägypter das Spiel seines Lebens, der ganze Kredit ist allerdings durch äußerst unsichere Auftritte im Jänner beim Afrikacup praktisch aufgebraucht. So oder so, hier drückt der Schuh.

Davor sieht die Sache aber schon sehr viel stabiler aus. Die Abwehr ist eindeutig das Punktstück der Nordafrikaner, hier kann Saâdane auf eine sichere und nervenstarke Viererkette zurückgreifen. In der Innenverteidigung ist Rafik Halliche gesetzt: Er spielt bei Nacional Funchal in Portugal, und dort in der laufenden Saison sogar Europapokal. Halliche ist vor allem bei Standardsituationen durch seine Kopfballstärke ein Spieler, auf den es aufzupassen gilt. Neben ihm spielt entweder der angesprochene Yahia oder Majid Bougherra von den Glasgow Rangers. Der 27-jährige ist zwar eigentlich gelernter Außenverteidiger, beim Afrikacup agierte aber der Schottland-Legionär – einer der wenigen, der bei einem Spitzenverein seiner Liga spielt – zentral und Yahia nahm den Platz auf der rechten Seite ein. Hier kann ohne Qualitätsverlust getauscht werden, was abhängig vom Spielverlauf durchaus auch passieren kann.

Links in der Abwehrkette spielt mit Nadir Belhadj ein Spieler, dem das Image des ewigen Talents anhaftet. Einst als große Hoffnung und um viel Geld zu Olympique Lyon gekommen, konnte sich dort aber nie durchsetzen. Darum wechselte er in die Premier League zu Portsmouth, viele Erfolgserlebnisse gab es beim finanziell gebeutelten Prügelknaben aber zuletzt nicht. Beim Afrikacup aber zeigte er sein Potential und auch seinen Offensivdrang. Direkt vor ihm ist Karim Ziani gesetzt. Er hat ein anderes Problem: Er ging von Marseille im letzten Sommer zwar zum frischgebackenen deutschen Meister Wolfsburg, spielt dort aber nicht die geringste Rolle. Er kommt nur selten zu Einsätzen, und wenn, dann kaum länger als eine Viertelstunde. Hier wird Saâdanes Problem manifest, dass er seinen Spielern auch vertrauen muss, wenn sie keine Spielpraxis haben, weil er eben über keine Alternativen verfügt.

Ähnliches gilt auch für Mourad Meghni. Der Lazio-Legionär versteht sich selbst als Freigeist, als Spielgestalter, klassischer Zehner. Kurz, als der unumstrittene Star des Teams. Damit passt er natürlich überhaupt nicht in das ansonsten sehr ausgeglichene und gut aufeinander abgestimmte Mannschaftsgefüge, was ihm schon den einen oder anderen Streit mit Teamchef Rabah Saâdane eingebracht hat. Doch auch hier gilt: Es fehlen die Alternativen. Mehdi Lacen wurde erst einmal von Beginn an ausprobiert (und prompt ging das Testspiel gegen Serbien auch 0:3 verloren), Bezzaz und Bouazza spielen nur in ihren 2. Ligen und es fehlt ihnen an Meghnis Qualität. Er wäre der einzige im algerischen Team, der auch das spielerische Potential für die Franzosen hätte, war auch in den Junioren-Nationalteams mit dem blauen Dress aktiv, ehe er sich aber doch für Algerien entschieden hat. An guten Tagen kann er gegen jedes Team ein entscheidener Vorteil sein – aber hat er keine Lust, oder nimmt ihm der Gegner diese, ist er ein unsichtbarer Totalausfall.

Was natürlich auch die Arbeitslast für die beiden Sechser deutlich erhöht. Hier sind Kapitän Yacine Mansouri von Lorient und Belhadj‘ Teamkollege aus Portsmouth, Hassan Yebda, für die Struktur im Spiel zuständig. Auch diese beiden sind in der Defensive stärker als im Aufbauspiel nach vorne, weshalb die Anlage der Algerier eher auf Konter und die Außenbahnen angelegt ist. Schlüsselspieler ist hierbei Karim Matmour auf der rechten Seite. Der M’gladbach-Legionär ist vom Selbstverständnis her eher ein Stürmer, der aber seine Stärken erst so richtig entfalten kann, wenn er aus der Etappe kommt. Darum fühlt er sich auch nicht sklavisch an seine rechte Seite gebunden, sondern geht auch immer wieder gerne in die Spitze oder in die Mittelfeld-Zentrale. Vor allem wenn er merkt, dass von Meghni keine Impulse ausgehen.

Und vorne soll dann Abdelkader Ghezzal die Zuspiele verwerten – er ist beim Serie-A-Hinterbänkler Siena seit einigen Jahren kein überragender, aber doch halbwegs regelmäßiger Torschütze und es ist unter anderem sein Verdienst, dass diese Mannschaft sich überhaupt so lange gehalten hat. In der laufenden Saison kann aber wohl auch er den Abstieg nicht mehr verhindern. Auf seiner Position hat Saâdane noch am Ehesten die Möglichkeit, etwas zu tauschen: So ist etwa der routinierte Rafik Saïfi immer noch gut genug für zwanzig, dreißig Minuten, wenn es gilt, die Brechstange auszupacken. Oder aber Rafik Djebbour, der seit vielen Jahren in Griechenland spielt und sich über Mittelständler immerhin bis zum AEK Athen hocharbeiten konnte.

Die Erfahrung des Afrikacups hat aber gerade im Falle von Algerien auch gezeigt, dass wahrlich nicht alles Gold ist, was bei den Wüstenfüchsen glänzt. Die Offensivabteilung war in fünf der sechs Spiele ein Totalausfall – vor dem schönen 3:2-Erfolg im Viertelfinale gegen die Ivorer gelang in drei Vorrunden-Spielen ein einziges Tor (dafür gab’s dort ein peinliches 0:3 gegen Malawi), danach gab es im Semifinale und im Spiel um den dritten Platz gar keines.

Was man im Hinblick auf die WM-Endrunde allerdings auch positiv auslegen kann ist, dass die Algerier ihre größte Stärke im Konter haben, wenn der Gegner das Spiel macht. Denn die Mannschaft ist auf höherem Niveau absolut unfähig, selbst in die Rolle des Gestalters zu schlüpfen und tut sich mit der Favoritenrolle sehr schwer, wie das 0:3 gegen Malawi eindrucksvoll gezeigt hat. Hier agiert das Team behäbig und einfallslos, was man durchaus in den Rollen der Spieler bei ihren Vereinen begründet sehen kann, aber auch an den Rollen der Verein in ihren Ligen. Bei diesen ist nun mal nicht die Kunst gefragt, sondern die Arbeit, vornehmlich die in der Defensive. Gegner wie Malawi gibt es bei der WM zwar nicht, aber auch hier steht mit Slowenien der vermeintlich leichteste Gegner schon zum Start auf dem Programm.

Für die Kunst sind in Südafrika wahrlich andere zuständig. Für Algerien kann es beim ersten Auftritt nach 24 Jahren nur darum gehen, zu lernen und sich auf der größten Bühne, die der Weltfußball hat, ordentlich zu präsentieren.

Wie gut dabei, dass Malawi nicht mitspielt.

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ALGERIEN
ganz in weiß, Puma – Platzierung im ELO-Ranking: 56.

Spiele in Südafrika:
Slowenien (Mittagsspiel So 13/06 in Polokwane)
England (Abendspiel Fr 18/06 in Kapstadt)
USA (Nachmittagspiel Mi 23/06 in Pretoria)

TEAM: Tor: Faouzi Chaouchi (25, Sétif), Lounés Gaouaoui (32, Chlef), Mohamed Zemmamouche (25, Algiers). Abwehr: Nadir Belhadj (27, Portsmouth), Majid Bougherra (27, Glasgow Rangers), Rafik Halliche (23, Nacional Funchal), Abdelkader Laïfaoui (28, Sétif), Slimane Raho (34, Sétif), Anthar Yahia (28, Bochum), Samir Zaoui (34, Chlef). Mittelfeld: Djamel Abdoun (24, Nantes), Yacine Bezzaz (32, Strasbourg), Hameur Bouazza (26, Blackpool), Mehdi Lacen (26, Santander), Yazid Mansouri (32, Lorient), Mourad Meghni (25, Lazio), Hassan Yebda (26, Portsmouth), Karim Ziani (27, Wolfsburg). Angriff: Rafik Djebbour (26, AEK Athen), Abdelkader Ghezzal (25, Siena), Karim Matmour (24, M’gladbach), Rafik Saïfi (35, Istres), Abdelmalek Ziaya (26, Al-Ittihad Jiddah).

Teamchef: Rabah Saâdane (64, Algerier, seit Oktober 2007)

Qualifikation: 0:1 im Senegal, 3:0 gegen Liberia, 0:1 in und 1:0 gegen Gambia, 3:2 gegen den Senegal, 0:0 in Liberia. 0:0 in Ruanda, 3:1 gegen Ägypten, 3:0 gegen Ruanda, 1:0 gegen Sambia, 3:1 gegen Ruanda, 0:2 in Ägypten. 1:0 auf neutralem Boden gegen Ägypten.

Endrundenteilnahmen: 2 (1982 und 86 Vorrunde)

>> Ballverliebt-WM-Serie
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Elfenbeinküste, Portugal
Gruppe H: Spanien, Schweiz, Honduras, Chile

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