Puyol – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Sun, 11 Dec 2011 03:16:19 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 3:1 bei Real Madrid – Barcelona hält den Anschluss an die Spitze https://ballverliebt.eu/2011/12/11/31-bei-real-madrid-barcelona-halt-den-anschluss-an-die-spitze/ https://ballverliebt.eu/2011/12/11/31-bei-real-madrid-barcelona-halt-den-anschluss-an-die-spitze/#comments Sun, 11 Dec 2011 03:15:41 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6182 3:1 bei Real Madrid – Barcelona hält den Anschluss an die Spitze weiterlesen ]]> Nur 21 Sekunden dauerte es, ehe Real im Herbst-Clasico der Primera Division in Front ging. Und doch jubelten am Ende wieder die Katalanen. Weil es das Team von Pep Guardiola einmal mehr verstand, mit hoher Flexibilität auf Real zu reagieren. Und, weil die Madrilenen ihr Pressing nicht aufrecht erhielten.

Real Madrid - FC Barcelona 1:3

De facto lag Barcelona vor diesem Spiel sechs Punkte hinter dem Dauerrivalen aus der spanischen Hauptstadt – umso wichtiger war dieses Spiel der Spiele in der Primera Division vor allem für die Katalanen. Weil klar schien: Neun Zähler Rückstand, die es bei einer Niederlage gewesen wären, sind gegen das unglaublich stabile Real Madrid kaum mehr aufzuholen. Und es begann tatsächlich fürchterlich, für Barcelona.

Mit Pressing nach vorne kommen

Mit dem Blitztor von Karim Benzema, das nach einem völlig missratenen Pass von Barça-Goalie Valdes fiel, begann das Spiel für Real optimal, und die Hausherren versuchten mit heftigem Pressing nachzulegen. Vor allem die vier offensiven Spieler im 4-2-3-1 von Mourinho hatten die Aufgabe, den Gegenspielern schon tief in deren Hälfte keine Zeit am Ball zu geben und Barcelona somit gar nicht erst dazu kommen zu lassen, ihre bekannte Zirkulation im Mittelfeld aufzuziehen.

Mourinho hat sich zu diesem Zweck dazu entschieden, bei seiner Grundformation zu bleiben und Mesut Özil als Zehner agieren zu lassen, anstatt den Deutschen für einen zusätzlichen defensiven Spieler außen vor zu lassen. Anders als bei drei der vier Clasicos im Frühjahr, in denen Mourinho jeweils drei defensive Mittelfeldleute aufbot, beließ er es diesmal bei einem Zweier-Gespann hinter Özil. Das waren Lass Diarra, der tiefer stand und den Sechser gab, und Xabi Alonso. Dieser rückte als Achter bei Ballgewinn auf und unterstützte das Quartett vor ihm.

So kam Real weniger durch spielerische Mittel in die gegnerische Hälfte, sondern viel eher dadurch, den Gegner immer weiter nach hinten zu pressen und spätestens dort einen Fehlpass zu provozieren und nicht mehr viel Platz bis zum Strafraum überwinden zu müssen. Das funktionierte recht gut. Was weniger gut klappte, war das Entwickeln eigener Kreativität – Özil tendierte nach links und spielte mit Di María gut zusammen, aber Zugriff auf den Strafraum gab es kaum.

Die Formation von Barcelona

Grundsätzlich war das bei Barça ein 4-3-3, allerdings von vornherein ein recht schiefes. Rechtsverteidiger Dani Alves ging, wie es seine Art ist, viel nach vorne, während die restlichen drei Abwehrleute (Puyol, Piqué und Abidal) in diesen Fällen eher nach rechts verschoben. Das heißt, dass Abidal im Vorwärtsgang deutlich zurückhaltender war als der Brasilianer auf der rechten Seite.

Vor der Abwehr war Busquets positioniert, der sich bei Bedarf nach hinten fallen ließ; Xavi und Fàbregas übernahmen die Halbpositionen im Mittelfeld. Iniesta bearbeitete die linke Flanke offensiv und blieb dabei recht strikt an der Linie – schließlich musste er dort alleine für die Breite sorgen, weil von Abidal kaum etwas kam. Messi startete in einer eher zentralen Rolle und kam eher aus dem Halbfeld als vom rechten Flügel (wo Dani Alves sein Revier hatte); Alexis Sánchez rührte vorne um.

Real auf gutes Stellungsspiel bedacht

Erst, als sich nach etwa einer Viertelstunde das Pressing von Real etwas legte, fand Barcelona zum gewohnten Spiel. Dani Alves drückte nun vermehrt nach vorne, aber die Viererkette der Madrilenen ließ sich davon nicht beeindrucken. Marcelo neutralisierte Alves recht gut, auch Coentrão machte defensiv auf der für ihn ungewohnten rechten Seite eine gute Figur. Zudem ließen sich die Innenverteidiger nicht vom tief kommenden Messi heraus ziehen.

Der Argentinier hatte diesmal keinen Kettenhund zur Seite gestellt bekommen, sondern sollte im Raum übernommen werden. Das erleichterte der Viererkette die Arbeit und sorgte dafür, dass die Ordnung durch die unberechenbaren Wege Messis nicht durcheinander gebracht wurde, hatte aber den nachteiligen Effekt, dass er immer wieder einiges an Platz zur Verfügung hatte. In letzter Instanz war aber zumeist Lass Diarra zur Stelle. Einmal nach einer halben Stunde kam der Franzose aber zu spät, Messis Steilpass fand Alexis Sánchez und der Ausgleich war gefallen.

Die Positionsverschiebungen bei den Katalanen

Ronaldo wurde isoliert, im Zentrum hielt Barça ein 3-gegen-3-Gleichgewicht, und hinten blieb immer eine Viererkette - Busquets ließ sich fallen.

Pep Guardiola hatte sich etwas durchaus Raffiniertes einfallen lassen, was die Besetzung und das Verschieben seiner Abwehrformation angeht. Wenn nämlich Dani Alves nach vorne ging, rückte Puyol auf diese Seite hinaus und neutralisierte Cristiano Ronaldo komplett – der Portugiese war über sehr weite Strecken der Partie kein echter Faktor. Die Raumaufteilung hinten wurde beibehalten, indem Busquets in die Abwehr zurückrückte – es blieben somit praktisch immer vier Abwehrspieler in der Kette.

Im Zentrum wurde das dadurch ausgeglichen, dass Messi viel aus der Tiefe kam. So blieb es dort bei einem 3-gegen-3-Gleichgewicht und Real konnte auch dort keine Vorteile mehr für sich generieren. Im Bedarfsfall konnte auch Iniesta Richtung Mittelkreis gehen.

Einziger Nachteil dabei: In letzter Konsequenz fehlten vorne die Anspielstationen. Mit Iniesta weit draußen und Messi aus der Tiefe blieb letztlich nur Alexis Sánchez vorne, und um den kümmerten sich Ramos und Pepe. Der giftige, ungute Chilene beschäftigte das Duo und entwischte beim Ausgleich, aber im großen und ganzen fehlte Barcelona zumeist der letzte Schritt nach vorne. So spielte sich die Partie, je näher sie der Halbzeit ging, immer mehr im Mittelfeld ab.

Fliegende Kettenwechsel 

Bei eigenem Spielaufbau rückte Busquets auf, hinten blieb eine Dreierkette übrig....

Für die zweite Halbzeit behielt Guardiola das Abwehrsystem mit dem aufgerückten Dani Alves und dem nach außen gehenden Puyol grundsätzlich bei. Die Interpretation wurde aber etwas mutiger – schließlich brauchte Barcelona einen Sieg deutlich dringender. So war die Formation im eigenen Ballbesitz hinten eine Dreierkette, aus der Busquets nach vorne herausging – ähnlich wie das damals etwa Frank Rijkaard bei Ajax Amsterdam gemacht hatte.

...im Bedarfsfall konnte aber schnell wieder eine Viererkette daraus gemacht werden.

Und genau wie Rijkaard früher hatte auch Busquets die Aufgabe, im Bedarfsfall nach hinten zu rücken und die Viererkette wieder herzustellen. Durch die vorgezogenere Rolle von Busquets steigerte Barcelona die Ballsicherheit im Mittelfeld und damit die Kontrolle, die man auf das Spiel ausüben konnte. Als es acht Minuten nach Wiederanpfiff tatsächlich das 2:1 für Barcelona gab, half neben dem erhöhten Druck aus dem Mittelfeld aber auch ein wenig das Glück mit, weil Marcelo den Schuss von Xavi unhaltbar abgefälscht hat.

Die entscheidenden Minuten

Real reagierte auf den Rückstand aber nicht etwa mit erhöhtem Pressing, um Barcelona wie in den Anfangsminuten der Partie die Luft abzuschneiden und den aufgenommenen Schwung zu bremsen, sondern – gar nicht. Nach Ballverlusten wurde nicht nachgegangen, den Gegenspielern wurde Platz und vor allem Zeit gegeben und ein Umschalten der Mannschaft nach solchen Ballverlusten war nicht zu erkennen. Immer wieder konnte sich Barcelona genüsslich vor sechs Real-Spielern (der Abwehrkette plus Diarra und Alonso) ausbreiten, ohne dass der Rest der Mannschaft großen Willen gezeigt hätte, sich an der Defensivarbeit zu beteiligen.

So war das 3:1 durch einen Kopfball von Fàbregas zwölf Minuten nach der Führung eigentlich nur folgerichtig – Real hat vielleicht nicht um einen Gegentreffer gebettelt, aber große Bereitschaft, viel für den schnellen Ausgleich zu machen, haben die Madrilenen nicht gezeigt.

Die Schlussphase

Mourinho hatte schon vor dem dritten Gegentreffer Kaká für den wirkungslosen Özil gebracht, entscheidende Wende brachte das aber auch nicht. Und weil der Real-Coach durch die akute Gelb-Rot-Gefahr bei Diarra gezwungen war, diesen gegen Khedira auszutauschen, blieb nur noch ein taktischer Wechsel übrig – Higuaín statt Di María. Damit war Cristiano Ronaldo, der auf die rechte Seite ging (während Benzema auf den linken Flügel auswich), endlich von Puyol befreit.

Was aber nichts mehr daran änderte, dass der Portugiese dem Spiel seinen Stempel ganz und gar nicht aufdrücken konnte. Mit dem dritten Tor war das Spiel de facto entschieden und Barcelona konnte den Vorsprung über die Zeit verwalten. Real kam nur noch zu einer echten Torchance – aber Higuaín kam nicht mehr an die Flanke von Benzema.

Fazit: Mourinho scheitert an Barças Flexibilität – schon wieder

Für Real begann das Spiel, wie es besser nicht beginnen konnte. Aber die geschickten Maßnahmen von Guardiola, was die Gestaltung der Abwehrkette und damit der gesamten Raumaufteilung betrifft, konnte das immer statischer werdendes Team der Madrilenen nicht mehr ausmanövrieren.

Die Rolle von Busquets war für das Gelingen dieses Ansatzes bei Barcelona von entscheidender Bedeutung. Genauso wie die Klasse der Abwehrspieler, die jederzeit problemlos zwischen der Dreierkette, mit der Guardiola in letzter Zeit immer wieder spielen lässt, und der Vierer-Abwehr umschalten kann. So hebelte Barcelona die Tatsache aus, dass mit Özil ein Zehner im Spiel war – er kam zu selten zu entscheidenden Pässen. Auch Cristiano Ronaldo wurde auf diese Weise neutralisiert.

Auch, wenn Real Madrid nach Verlustpunkten immer noch drei Punkte voran liegt, ist diese Partie dennoch ein Rückschlag für José Mourinho. Denn immer mehr hat es den Anschein, als käme er gegen die unglaubliche Flexibilität von Barcelona einfach nicht auf konstanter Basis an. Was den Druck, gegen den Rest der Liga nur ja keine Punkte liegen zu lassen, natürlich immer mehr erhöht.

(phe)

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Ballverliebt Classics: Finale Pep gegen Sir Alex, die Erste https://ballverliebt.eu/2011/05/25/ballverliebt-classics-finale-pep-gegen-sir-alex-die-erste/ https://ballverliebt.eu/2011/05/25/ballverliebt-classics-finale-pep-gegen-sir-alex-die-erste/#respond Wed, 25 May 2011 19:20:49 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4791 Ballverliebt Classics: Finale Pep gegen Sir Alex, die Erste weiterlesen ]]> FC Barcelona und Manchester United in einem Finale der Champions League… gab’s das nicht schon mal? In der Tat: Nur zwei Jahre vor dem Endspiel von Wembley standen sich Sir Alex und Pep Guardiola schon einmal im größten Spiel von Europas Fußball gegenüber. Damals gewann Barcelona. Weil sich United nach dem frühen Rückstand zu weit auseinander ziehen ließ.

Unterschiedlicher hätte die Besetzung auf den Trainerbänken an diesem Mittwoch, es war der 27. Mai 2009, im Olympiastadion von Rom kaum sein können: Auf der einen Seite Sir Alex Ferguson, vierfacher Europacup-Gewinner, davon zwei CL-Titel mit Manchester United, seit 23 Jahren der starke Mann in Old Trafford. Auf der anderen Seite: Pep Guardiola, gefühlt bis gerade eben selbst noch aktiv, in seiner allerersten Saison als Cheftrainer. Als Meister ihrer nationalen Ligen waren zu diesem Zeitpunkt beide schon fest. Barcelona war zudem bereits Cupsieger. Zum Triple in seinem ersten Jahr als Coach fehlte Guardiola nur noch dieses Spiel.

FC Barcelona - Manchester United 2:0

Was die beiden Trainer in diesem Spiel aber verband, waren ungerechtfertigte Ausschlüsse in ihren Semifinal-Rückspielen: Beim 3:1 von Manchester bei Arsenal wurde Darren Fletcher fälschlicherweise nach einem vermeintlichen Elferfoul an Van Persie vom Platz gestellt – für ihn kam Ryan Giggs in die Mannschaft. Und bei Barcelona fehlte Linksverteidiger Abidal, obwohl er beim 1:1 an Alenka eigentlich keine Notbremse begangen hatte, ja, seinen Landsmann nicht einmal berührt hatte. Aber wir wissen ja alle noch: Referee Øvrebø hatte da generell nicht seinen besten Tag.

Was aber nicht das einzige Defensiv-Problem von Guardiola war – denn dazu fielen ihm auch noch der verletzte Rafa Márquez und der gelbgesperrte Dani Alves aus. So musste Puyol nach rechts, Silvinho kam auf die linke Seite, Piqué musste spielen und Yaya Touré von der Sechs in die Innenverteidigung zurück. Dafür kam im Defensivzentrum der unroutinierte Sergio Busquets zum Einsatz – das Semifinal-Rückspiel bei Chelsea drei Wochen zuvor war sein erstes Spiel von Belang…

Schnelles Pressing und Zwei gegen Busquets

United presste nach Anpfiff des Spiels sofort, was das Zeug hielt und drückte Barcelona von Anpfiff weg hinten hinein. Der besondere Clou von Sir Alex in dieser Anfangsphase: Mit dem tief stehenden falschen Neuner Cristiano Ronaldo und dem sehr hoch stehenden Ryan Giggs gab er Busquets einiges zu denken – und vor allem zu laufen. Dennoch: Wo immer der Jungspund sich auch hinorientierte, der jeweils andere war frei und problemfrei anspielbar. Das, kombiniert mit dem logischerweise überhaupt nicht eingespielten Innenverteidiger-Duo Touré/Piqué, verhalf United zu einigen tollen Chancen.

Das Mittelfeld der Red Devils war sehr vertikal gestaffelt – Anderson verließ kaum merkbar den Mittelkreis und Carrick stand ohnehin tief zentral, nahm defensiv Messi auf und versuchte sich mit seinen ihm typischen kurzen Pässen an der Spieleröffnung. Die Breite im Spiel von Manchester kam dennoch nicht zu kurz, weil sich Park Ji-Sung gerne tief fallen ließ, um O’Shea ins Spiel zu bringen und auf der anderen Seite Evra viel nach vorne ging, um Rooney das Einrücken zu ermöglichen. So musste Touré immer wieder weit nach außen rücken, was wiederum Platz im Zentrum offenbarte.

Barcelona rannte neun Minuten lang der Musik fast hoffnungslos hinterher, brachte kaum Bälle in die gegnerische Hälfte und schaffte es nicht, die Spieleröffnung von United unter Druck zu setzen. Bis Xavi sich ein Herz nahm, eskortiert von Anderson und Carrick mit dem Ball nach vorne marschierte und an der Strafraumgrenze Rechtsaußen Eto’o bediente. Der Kameruner ließ noch Vidic aussteigen, zog ab – und weil auch Van der Sar nicht gut aussah, stand es völlig entgegen des Spielverlaufs 1:0 für Barcelona.

9’05“

Genau neun Minuten und fünf Sekunden war Manchester am Drücker, ehe United in eine komplette Schockstarre fiel. Die erste Aktion nach dem Tor sollte zum Symbolbild werden: Giggs und Ronaldo beim Anstoß, der Ball zurück zu Carrick, der sofort raus auf O’Shea. Der, weil Henry auf ihn zukommt, zu Ferdinand – der sich sofort Messi gegenüber sieht. Darum der kurze Pass auf Vidic, doch schon stürmt schon Eto’o daher, in seiner Panik will Vidic zum Torhüter passen. Doch das missglückt völlig, in der Mitte zwischen Tor und Eckfahne kullert der Ball ins Aus. Eckball für Barcelona…

Die Katalanen merkten die plötzliche Verunsicherung natürlich und fuhren sofort das volle Pressing-Programm, um United gar nicht erst wieder zurück ins Spiel kommen zu lassen. Vor allem im Mittelfeld und in der Offensive bretterten Henry, Eto’o und Co. auf den jeweils Ballführunden zu, dass einem Angst und Bange werden musste. Kein Wunder, dass bei Manchester nun kaum noch ein Ball sinnvoll verarbeitet und an den nächsten weitergespielt werden konnte, von einem geregelten Spielaufbau ganz zu schweigen. Barcelona konnte nun ohne allzu große Gegenwehr jenes ballbesitzorientierte Spiel aufziehen, für das die Blaugrana der Generation Guardiola bekannt ist.

Sturmspitze Giggs, Schwachpunkt Carrick

Barcelona - Man Utd (nach dem 1:0)
Nach dem 1:0

Manchester reagierte auf den nun massiven Druck, indem man auf ein 4-4-2 umstellte: Anderson ging zurück und flankierte Carrick, der zunehmend Schwächen zeigte, dazu orientierten sich Rooney und Park Ji-Sung vermehrt in die Defensive, um Eto’o und Henry vom Nachschub besser abschneiden zu können.

Vorne blieben nur Cristiano Ronaldo – und Ryan Giggs. Der Waliser gab nun einen praktisch astreinen zweiten Stürmer neben dem Portugiesen und hing dabei merklich in der Luft, während sich Rooney auf dem Flügel defensiv abmühte und nach vorne kaum etwas zu Stande brachte. Angesichts der neuen Raumaufteilung bei United, die auf Busquets deutlich weniger Druck ausübte – um nicht zu sagen, gar keinen mehr – fühlte sich dieser auch gleich sichtlich wohler.

Xavi und Iniesta hatten auf der anderen Seite dafür Michael Carrick als Schwachpunkt ausgemacht, weswegen die viele ihrer Angriffe über den Raum spielten, den Carrick eigentlich abdecken sollte. So fehlte es Barcelona zwar ein wenig an der Breite, aber dafür wurde Carrick systematisch kaputt gespielt – denn wenn Anderson und Park Ji-Sung helfen kamen, ließen sie wiederum Messi bzw. Silvinho freie Bahn.

Die Unsicherheit von Carrick strahlte, je länger die erste Halbzeit lief, auch seine Mitspieler aus. Vidic etwa, der sich schon beim 0:1 eher hüftsteif ausmanövrieren gelassen hatte, war in der Spieleröffnung völlig unbrauchbar, Anderson war ob der permanenten Unterzahl im Zentrum auch keiner, an dem sich das Spiel hoch ziehen konnte, Rooney und Park waren einfach zu viel defensiv beschäftigt. Und auch Edwin van der Sar ließ sich in zwei weiteren Situationen seine flatternden Nerven durchaus anmerken.

Der Gedanke hinter der Maßnahme, Giggs vorne zu belassen und Rooney auf der Flanke Defensivarbeit aufzubürden, war zweifelsohne, dass Rooney mit seiner Körperlichkeit gegen Puyol bessere Aussichten hatte als der nicht mehr ganz junge Giggs. Dass diese Überlegung nicht aufging, war aber bald klar, und einige Minuten vor der Halbzeitpause tauchten Rooney und Giggs dann doch ihre Plätze.

Zweite Hälfte

Schwierige Balance

Sir Alex nahm für die zweite Hälfte Anderson vom Feld und brachte Carlos Tévez in dessen letzten Pflichtspiel vor seinem Wechsel zu Man City. Der Argentinier gesellte sich zu Ronaldo in die Spitze, Rooney und Park Ji-Sung tauschten ihre Flanken. Im Grunde spielte United nun mit einem 4-2-4, lediglich Carrick und Giggs blieben im Mittelfeld übrig.

Manchester tat sich mit der offensiveren Ausrichtung aber sehr schwer, die richtige Balance zu finden – einerseits durften sie der Barcelona-Offensive nicht zu viel Raum geben, andererseits brauchte es aber nun vorne zählbaren Erfolg. So war das Spiel von United aber recht leicht ausrechenbar – lange Bälle auf die vier da vorne – andererseits aber waren Carrick und Giggs, die zu zweit gegen vier Mann im Zentrum anspielen mussten, völlig chancenlos, sich auch nur ansatzweise so zu stellen, dass Xavi und Co. nicht immer wieder Platz zu schnellen Gegenstößen fanden.

Standen sie zu tief, war ein Riesen-Loch zwischen ihnen und der Offensive, wo Xavi und Busquets sich ausbreiten konnten. Rückten sie auf, ohne dass die Abwehrkette mitmachte, hatte Messi seinen Spaß zwischen den Reihen. Und wenn die Abwehrkette aufrückte und hoch stand, stießen Henry und Eto’o über die Flanken in den Raum dahinter. Kurz: Wie auch immer es United machte, es war verkehrt – auch, weil die vier Offensivkräfte kaum zur Geltung kamen. Park konnte sich gegen Puyol überhaupt nicht in Szene setzen, Rooney gelang gar nichts, Tévez und Ronaldo machten viele leere Meter.

So hatte United zwar relativ viel Ballbesitz – mitunter kam man da knapp an die 50%-Marke heran – die klar torgefährlichere Mannschaft blieb aber Barcelona. Nicht nur wegen des Pfostentreffers von Xavi aus einem Freistoß kurz nach Wiederanpfiff hatte man nie ernsthaft den Eindruck, die Red Devils könnten zum Ausgleich kommen.

Berbatov kommt, Messi trifft

Schlussphase

Nach 65 Minuten nahm Sir Alex dann Park Ji-Sung raus – Cristiano Ronaldo sollte nun für mehr Druck gegen Puyol auf der Flanke sorgen, der für den Koreaner eingewechselte Dimitar Berbatov positionierte sich leicht hinter Tévez. D0ch bevor diese Maßnahme irgend eine Wirkung zeigen konnte, schlug Barcelona doch noch einmal zu.

Xavi wurde von Giggs völlig allein gelassen, seine Flanke erreicht Messi – der sich im Rücken von Ferdinand gelöst hatte – und der Argentinier versenkte den Ball per Kopf über den chancenlosen Van der Sar hinweg im Tor. Im Grunde war damit die Entscheidung gefallen, und Guardiola nahm auch gleich Henry vom Platz: Seydou Keita sorgte für mehr körperliche Präsenz im Mittelfeld und Iniesta ging auf die Linksaußen-Position.

Das Problem, das United weiterhin nicht gelöst bekam, war jenes in der Mittelfeld-Zentrale. Giggs konnte hier genauso wenig die Kreise von Xavi und Iniesta stören, wie das Anderson vor ihm gelungen war, darum probierte Ferguson es in der Schlussphase mit einem dritten Spieler – Paul Scholes.

Attentat

Der hatte auf der Bank offenbar mehr Frust aufgestaut als seine Kollegen auf dem Platz, denn kaum auf dem Feld, versuchte Scholes (der sich sehr tief stellte, Carrick rückte etwas auf) mit aller Gewalt, den Beinen von Busquets so viele Brüche zuzufügen, wie mit einem Tritt nur möglich waren. Die einzige echte Fehlentscheidung von Referee Busacca in diesem Spiel – anstatt Scholes, dem zweifellos eine Sperre von mindestens fünf Spielen gedroht hätte, hochkant rauszuschmeißen, ließ er den Rotschopf mit Gelb leben.

Zudem wechselten Ronaldo und Rooney zehn Minuten vor Schluss noch die Seiten. Wohl aus Selbstschutz für den Portugiesen, der sich mit Puyol ein Privatduell lieferte, regelmäßig ausgefahrene Ellbogen Ronaldos inklusive. Nachdem auch er verwarnt wurde, stellte ihn Ferguson so weit wie möglich weg von Puyol, um nicht eine drohende zweite gelbte Karte zu riskieren.

Das Spiel war mit dem 2:0 aber entschieden. In den letzten 20 Minuten kam United zwar noch zu einigen Eckbällen und einer richtig guten Chance von Ronaldo, doch auch Barcelona schien jederzeit in der Lage zu sein, wenn es sein muss noch ein drittes Tor nachzulegen. Letztlich fielen aber keine Tore mehr, und es flog auch keiner mehr runter.

Fazit: United ließ die Reihen zu weit auseinander ziehen

Der absolute Schlüsselfaktor in diesem Spiel war, dass United sich sehr früh – nämlich schon nach 10 Minuten – gezwungen sah, das Mittelfeldzentrum aufzumachen um vorne mehr Anspielstationen zu haben. Hatte das dicht vertikal gestaffelte Zentrum mit Giggs und einem tief stehenden Ronaldo zu Beginn den Raum um Busquets komplett im Griff gehabt, überließ Manchester den Katalanen nach dem 0:1 das Mittelfeld. Eine Maßnahme, die Barça extrem in die Hände spielte, mit heftigem Pressing verstärkt wurde und die Ferguson nie mehr beheben konnte.

Denn Barcelona war nun nicht mehr gezwungen selbst hoch zu stehen und hinter der Verteidigungslinie Raum offen zu lassen, sondern konnte sich etwas zurückfallen lassen. Dadurch ließen sich die Offensivkräfte von United nach vorne locken, ohne dass jedoch die Defensive – angesichts der Gefahr des Trios Messi, Henry, Eto’o – mit aufrückte. Barcelona streckte so United extrem in die Länge und in jenem Platz im Zentrum, wo nur zwei Manchester-Spieler waren, konnte Xavi schalten und walten. Ferguson versuchte im Laufe des Spiels drei Nebenmänner für Carrick – Anderson, Giggs und dann Scholes – aber sie alle konnten das grundlegende Problem nicht beheben. Zudem brachte Ferguson mit Tévez und Berbatov nur zusätzliche Stürmer, was den Effekt nur verstärkte. Als Scholes kam, war schon alles zu spät.

Barcelona hatte mit zwei Faktoren Glück: Zum einen, dass United nicht in den ersten Minuten schon ein bis zwei Tore schoss, die ebenso möglich wie verdient gewesen wären – und dass in der 10. Minute Eto’o jenes 1:0 erzielte, das den Katalanen so sehr in die Hände spielen sollte.

Die Nachwirkungen…

…können zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich beschrieben werden. Zum einen ist das Spiel eben erst zwei Jahre her, zum anderen sind sieben (Barcelona) bzw. zehn (Man Utd) Spieler der Startformationen immer noch beim Klub. Auffällig ist aber, dass bei Barça nicht nur der Spielstil und das System bis heute haargenau gleich sind, sondern auch die exakte Aufgabenverteilung und Spezialaufgaben der einzelnen Positionen.

Pep Guardiola hat versucht, mit dem Stürmertausch von Eto’o zu Ibrahimovic neue Impulse zu setzen – der zwar funktionierenden, aber noch nicht dauerhaft erprobten Rolle von Messi aus dem Zentrum statt über die Flanke traute er wohl nicht so ganz. Das Resultat waren aber eher atmosphärische Störungen, weil Ibra von seinem eher egozentrischen Naturell her schwierig in das Mannschaftsgefüge passte. Sportlich hatte das letztlich kaum Auswirkungen – Barcelona wurde mit 99 Punkten Meister und schied im CL-Semifinale nur knapp gegen Inter aus – aber der Schwede ergriff nach nur einem Jahr wieder die Flucht.

So ist seit verglichen mit dem Finale von Rom den Stil der Mannschaft heute kaum einen Millimeter anders als damals. Ja, ganz so extrem mit dem Ballbesitz war es in diesem Spiel nicht. Das hängt aber sicherlich auch mit dem Gegner und dem Spielverlauf zusammen.

(phe)

Das Personal

FC Barcelona: Victor Valdes (27); Carles Puyol (31), Yaya Touré (26), Gerard Piqué (22), Silvinho (35); Xavi (29), Sergio Busquets (20), Andres Iniesta (25); Samuel Eto’o (28), Lionel Messi (21), Thierry Henry (31). Seydou Keita (29), Pedro Rodríguez (21). Trainer: Josep Guardiola (38, seit einem Jahr)

Manchester United FC: Edwin van der Sar (38); John O’Shea (28), Rio Ferdinand (30), Nemanja Vidic (27), Patrice Evra (28); Michael Carrick (27), Anderson (21), Ryan Giggs (35); Park Ji-Sung (28), Cristiano Ronaldo (24), Wayne Rooney (23). Carlos Tévez (25), Dimitar Berbatov (28), Paul Scholes (34). Trainer: Sir Alex Ferguson (67, seit 23 Jahren)

Highlights des Spiels

Aus der Reihe “Ballverliebt Classics”:
05.07.1982 | Italien – Brasilien 3:2 (Duell der Philosophien, Plan vs. Phantasie)
24.05.1995 | Ajax Amsterdam – AC Milan 1:0 (Das letzte große Ajax)
06.09.1997 | Österreich – Schweden 1:0 (Höhepunkt der ÖFB-Generation Frankreich)
16.05.2001 | Liverpool – Alavés 5:4 n.V. (Europacup-Final-Allzeit-Klassiker)

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Topfavorit. Wirklich! Wirklich? https://ballverliebt.eu/2010/06/09/topfavorit-wirklich-wirklich/ https://ballverliebt.eu/2010/06/09/topfavorit-wirklich-wirklich/#comments Wed, 09 Jun 2010 14:15:56 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2153 Topfavorit. Wirklich! Wirklich? weiterlesen ]]> WM-SERIE, Teil 32: SPANIEN | Wie reagiert der seit vier Jahren de facto unschlagbare Europameister darauf, absoluter Top-Favorit zu sein? Das war früher ein Riesenproblem – doch die immer noch verflixt junge Mannschaft macht mental einen extem stabilen Eindruck.

„Schreckliche Planung“, jammerte Thierry Henry. Es war der 3. März diesen Jahres und Frankreich war gerade in einem Testspiel von Spanien förmlich am Nasenring durchs Stade de France gezogen worden, wurde mit einem Wort vernichtet. Hätten die Spanier wollen, die Franzosen hätten sich wohl sechs oder sieben Tore eingefangen. „Wie kann man ein Testspiel gegen Spanien festsetzen, so kurz vor der WM?“ Wohlgemerkt: Henry spielt für Frankreich, den Finalisten der letzten WM.

Was viel über diese Mannschaft aus Spanien aussagt. Seit dem Achtelfinal-Aus bei der WM in Deutschland vor vier Jahren, just gegen die Franzosen, hat die Mannschaft genau ein einziges Pflichspiel verloren (das Semifinale im Confed-Cup gegen die USA). Das war auch die einzige Niederlage seit November 2006. Das heißt: Eine einzige Niederlage in den letzten 48 Spielen. In der Qualifikation für diese Endrunde in Südafrika? Zehn Spiele, zehn Siege, 28:5 Tore. Und auch in Testspielen hat sich der Europameister nicht versteckt – Argentinien, England, Frankreich, Italien, keiner konnte Spanien biegen. Die Frage scheint nur zu sein, wer im Finale die Ehre hat, gegen die Spanier zu verlieren.

Aber langsam. Spanien gehörte immer zumindest zu den Teams im erweiterten Kreis der Kandidaten, bevor es in Turniere ging. Aufgegangen ist der Knopf erst, als endgültig alle gesagt haben: „Die haben’s noch nie geschafft, da braucht man jetzt gar nicht mehr drauf hoffen!“ Und siehe da, der alte Luis Aragoñés fuhr genau da den Europameistertitel ein. Hochverdient, als mit Abstand bestes Team des Turniers. Es stimmte hinten, es funktionierte vorne, und ohne Raúl und Joaquín passte auch das Mannschaftsklima. Das war das Erfolgsgeheimnis, an dem auch Vicente del Bosque, der nach der EM den Posten des Teamchefs übernahm, nicht entscheidend rüttelte. Warum auch? Und unter dem letzten wirklich großartigen Trainer, den Real Madrid hatte (womöglich, weil er mit seiner spröden und gänzlich unglamurösen Art so gar nicht zu den Galaktischen passte), wurde aus der starken Form eine echte Dominanz.

Zudem hatten fast alle Leistungsträger, die in Deutschland noch etwas zu grün waren, beim Triumph von Wien noch immer kein fortgeschrittenes Alter: Torres war 24, Iniesta ebenso, Fàbregas erst 21 und David Silva auch erst 22, genau wie Sergio Ramos. Xavi ist nun, mit 30 Lenzen, auf seinem absoluten Leistungszenit angekommen. Intern gibt es die fiesen Animositäten zwischen dem Barcelona-Lager und dem Real-Madrid-Lager vergangener Tage nicht mehr. Dieser Kader ist vereint in dem Bestreben, gemeinsamen Erfolg zu haben und nicht vom Vorhaben entzweit, denen vom anderen Großklub die Show zu stehlen. Diese Mannschaft hat de facto keine Schwächen, agiert mit einem unglaublichen Selbstvertrauen, die Spieler sind alle im richtigen Alter, die Mischung stimmt. Und durch das 0:1 gegen die Amerikaner vor einem Jahr wissen sie nun auch, dass sie in jedem Spiel Gas geben sollten. Wer in Gottes Namen soll diese übermächtige Mannschaft stoppen?

Aber das mit der Bürde des Topfavoriten ist so eine Sache. 2006 führte der Weg nur über Brasilien, und die Franzosen gingen diesen im Viertelfinale; das selbe Spielchen gab es 1998 im Finale. 2002 konnten eigentlich nur Argentinien oder Frankreich den Titel holen, am Ende schaffte es keiner der beiden auch nur ins Achtelfinale. Deutschland musste sich 1994 den Titel vermeintlich nur abholen, ehe das Team Bekanntschaft mit Bulgarien machte. Sich einen WM-Titel einfach abholen, das läuft so nicht. Zumal es ja durchaus sein kann, dass es den Spaniern früher oder später so geht wie etwa dem FC Barcelona in der abgelaufenen Champions-League-Saison – irgendwann wird schon einer daherkommen, der dem Angriffswirbel der Europameister Einhalt gebieten kann. So wie Inter Mailand im CL-Semifinale, so wie die Amerikaner vor einem Jahr. Ein WM-Traum ist wahnsinnig schnell ausgeträumt.

Umso mehr müssen die Spanier darauf achten, sich auch in der Vorrunde schon keine Blöße zu geben. Wird die Gruppe mit der Schweiz, Chile und Honduras (welche der Favorit natürlich im Normalfall im Schlaf dominieren müsste) nicht gewonnen, wartet wahrscheinlich schon im Achtelfinale der große Co-Favorit, Brasilien. Und das so unbrasilianisch humorlose Team von Carlos Dunga wäre etwa so eines, das den Spaniern recht effektiv die Lust nehmen könnte. Einer K.o.-Partie gegen Portugal oder gar Côte d’Ivoire könnte Del Bosque wesentlich entspanner entgegen sehen. Weil seine Mannschaft diesen Teams in seiner Breite zweifellos klar überlegen ist.

Und das fängt schon hinten an. Iker Casillas wäre der erste Torhüter seit Dino Zoff 1982, der als Kapitän einen WM-Pokal entgegen nehmen würde. Er ist schon sehr früh Stammkeeper von Real und auch in der Nationalmannschaft geworden, spielt schon seine dritte WM und sein fünftes großes Turnier als spanische Nummer eins und hat schon über 100 Ländermachtes auf dem Buckel, obwohl der Madrilene noch keine 30 Jahre alt ist. Seit er seine Jugendschwächen abgelegt hat, ist er ein sicherer Rückhalt und auch so ein wenig die Symbolfigur des „neuen“ Spanien: Ruhig, bescheiden, unpretentiös. Aber auf dem Platz bärenstark.

Vor dem Schlussmann von Real Madrid wird vermutlich das Innenverteidiger-Duo des FC Barcelona aufräumen – der routinierte Wuschelkopf Carles Puyol, dessen Einsatz, Stellungsspiel und Spielverständnis auf seiner Position im Moment unübertroffen sind; und der 23-jährige Gerard Piqué, dessen Stärken im Zweikampf und im Kopfballspiel liegen. Er hat seit der erfolgreichen EM den Valencia-Spieler Carlos Marchena von der Stammposition verdrängt, was eine von nur ganz wenigen Änderungen gegenüber der Champions von Wien darstellt.

Rechts hinten marschiert wie gewohnt Sergio Ramos auf und ab. Auch der blonde Flügelflitzer ist schon so lange dabei, dass man sich kaum verstellen kann, dass er auch erst 24 Jahre alt ist. Die andere, die linke Seite war über Jahre hinweg der ganz große Schwachpunkt im Team der Spanier. Ob nun Juanfran (02), Raúl Bravo (04) oder Pernía (06), es war immer das schwächste Glied in der Mannschaft. Bis Spätstarter Joan Capdevila vor zwei Jahren ein wirklich tolles Turnier spielte – und nun dennoch von Álvaro Arbeloa verdrängt wurde. Der im Schatten seines Pendants auf der rechten Seite unauffällige Arbeloa ging auch letztes Jahr ein wenig unter, als er im Rahmen des galaktischen Kaufrausches von Real Madrid um geschmeidige vier Millionen Euro von Liverpool kam. Die Abwehrkette wird also von zwei Barcelona-Spielern innen und zwei Real-Spielern außen gebildet. Und es funktioniert grandios.

Gemeinsam mit Arbeloa wechselte vor einem Jahr auch Xabi Alonso von Anfield ins Bernabéu. Der Champions-League-Sieger von 2005 spielte sich fortan auch im spanischen Team fest – so sehr, dass Marcos Senna – vor zwei Jahren beim EM-Titel einer der ganz entscheidenden Figuren – nicht einmal mehr im Kader aufscheint. Neben (oder statt) ihm im defensiven Mittelfeld agiert wiederum ein Spieler von Barcelona, nämlich Sergi Busquets. Die komplette Defensiv-Abteilung wird somit ausschließlich von Spieler der beiden dominierenden Teams der Primera División gestellt. Kein Wunder, schließlich holten sie ihre 99 bzw. 96 Punkte ja nicht nur über ihre Offensive, sondern beide Teams kassierten auch mit Abstand die wenigsten Gegentore.

Vorne kommt Real hingegen nicht mehr vor. Was nicht daran liegt, dass die Königlichen dort nicht gut wären – im Gegenteil, mit 102 Treffern in der wahrlich nicht schlechten spanischen Meisterschaft gelangen sogar um vier mehr als Barcelona – sondern daran, dass bis auf den vor drei Jahren ausgebooteten Raúl bei Real keine Spanier spielen. In den Vorbereitungsspielen agierte Del Bosque mit einem 4-2-3-1, weil mit Andres Iniesta einer aus der angestammten Vierer-Offesnivkette im Mittelfeld ausfiel. Da er aber rechtzeitig fit werden dürfte, wäre es keine Überraschung, wenn Del Bosque, vor allem gegen die Gruppengegner, die Spanien das Wasser nicht reichen können, wieder auf ein 4-1-4-1 zurückwechselte – oder per 4-3-3 den Kontrahenten so richtig einheizt. Die Offensiv-Abteilung wäre identisch mit der vom EM-Finale: Xavi und Iniesta, die beiden genialen Zwillige vom FC Barcelona, dazu kommt ihr möglicher künftiger Mannschaftskollege Fàbregas (der heute 23-Jährige ist schon seit zwei Jahren Arsenal-Kapitän).

Und auch an David Silva, dem auch erst 24-jährigen Zauberer auf der linken Seite, hat der katalonische Großklub bereits Interesse bekundet. Dass der wunderbare Einfädler noch lange beim finanzmaroden Valencia spielt, glaubt niemand so wirklich. Der große Faustpfand von Del Bosque im Mittelfeld: Sollte einer der vier Weltklasse-Offensivspieler ausfallen, kann er immer noch ohne Qualitäts- und Offensivgeist-Verlust einen zweiten Sechser bringen, oder aber genauso auch eine zweite Sturmspitze. Und der große Faustpfand der Spanier in Zukunft: Mit Kader-Alternativen Javi Martínez (21), Juan Mata (22) und vor allem Jesús Navas (24) ist man auch in den nächsten Jahren stark aufgestellt.

Wie auch in der Abteilung Attacke. Liverpools Fernando Torres, goldener Torschütze im EM-Finale gegen Deutschland, sollte seine Knieblessur rechtzeitig auskurierten. Und selbst, wenn „El Niño“, der mit 26 auch schon sein viertes großes Turnier absolviert, nicht auflaufen kann: Kein Problem, es gibt ja immer noch David Villa. Der eiskalte Goalgetter von Valencia ist ja schließlich auch nur Torschützenkönig der letzten Europameisterschaft. Beide dürfen Del Bosque allerdings nicht ausfallen, denn als Alternative gibt es dann nur noch den international wenig erfahrenen Fernando Llorente von Bilbao; Pedro Rodríguez von Barcelona, die Entdeckung der abgelaufenen Saison, ist ein klassischer Flügelstürmer.

Was nichts daran ändert, dass man an den Spaniern erst einmal vorbei muss. Ohne Frage, wenn der Europameister sein Leistungspotential in jedem Spiel abruft, gibt es keine Mannschaft, die Spanien schlagen kann; wohl nicht einmal Brasilien. Aber wehe, das Team von Del Bosque erlaubt sich, vor allem in der K.o.-Phase, auch nur einen schwachen Tag! Frag nach bei all den gescheiterten Topfavoriten der letzten Turniere. Es geht schnell, und es heißt wieder: „Ja, diese Spanier, schon eine gute Mannschaft – aber mit dem Druck können sie nicht umgehen!“

Den Europameister-Titel kann Spanien keiner mehr nehmen. Die Rolle als WM-Favorit aber auch nicht. Mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt.

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SPANIEN
rotes Trikot, blaue Hose, adidas – Platzierung im ELO-Ranking: 2.

Spiele in Südafrika:
Schweiz (Nachmittagsspiel Mi 16/06 in Durban)
Honduras (Abendspiel Mo 21/06 in Johannesburg/S)
Chile (Abendspiel Fr 25/06 in Pretoria)

TEAM: Tor: Iker Casillas (29, Real Madrid), Pepe Reina (27, Liverpool), Víctor Váldes (28, Barcelona). Abwehr: Raúl Albiol (24, Real Madrid), Álvaro Arbeloa (27, Real Madrid), Joan Capdevila (32, Villarreal), Carlos Marchena (30, Valencia), Gerard Piqué (23, Barcelona), Carles Puyol (32, Barcelona), Sergio Ramos (24, Real Madrid). Mittelfeld: Xabi Alonso (28, Real Madrid), Sergi Busquets (22, Barcelona), Cesc Fàbregas (23, Arsenal), Andres Iniesta (26, Barcelona), Javi Martínez (21, Bilbao), Juan Mata (22, Valencia), Jesús Navas (24, Sevilla), David Silva (24, Valencia), Xavi Hernández (30, Barcelona). Angriff: Fernando Llorente (25, Bilbao), Pedro Rodríguez (22, Barcelona), Fernando Torres (26, Liverpool), David Villa (29, Valencia).

Teamchef: Vicente del Bosque (59, Spanier, seit August 2008)

Qualifikation: 1:0 gegen Bosnien, 4:0 gegen Armenien, 3:0 in Estland, 2:1 in Belgien, 1:0 gegen und 2:1 in der Türkei, 5:0 gegen Belgien, 3:0 gegen Estland, 2:1 in Armenien, 5:2 in Bosnien.

Endrundenteilnahmen: 12 (1934 Viertelfinale, 50 Vierter, 62 und 68 Vorrunde, 78 Vorrunde, 82 Zwischenrunde, 86 Viertelfinale, 90 Achtelfinale, 94 Viertelfinale, 98 Vorrunde, 2002 Viertelfinale, 06 Achtelfinale)

>> Ballverliebt-WM-Serie
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Côte d’Ivoire, Portugal
Gruppe H: Spanien, Schweiz, Honduras, Chile

* Die Platzierung im ELO-Ranking bezieht sich auf den Zeitpunkt der Auslosung

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