Prohaska – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 25 Mar 2024 09:33:09 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Ballverliebt Classics: Córdoba, ganz neutral https://ballverliebt.eu/2020/04/16/ballverliebt-classics-cordoba-ganz-neutral/ https://ballverliebt.eu/2020/04/16/ballverliebt-classics-cordoba-ganz-neutral/#comments Thu, 16 Apr 2020 06:29:28 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=16886 Ballverliebt Classics: Córdoba, ganz neutral weiterlesen ]]>

Kein Fußballspiel ist in Österreichs Fußballgeschichte so verklärt wie dieses. Bei den einen sorgt schon das Wort „Córdoba“ für verdrehte Augen, für die anderen steht es, ebenso wie Edi Fingers berühmter Radio-Kommentar, für die größte Stunde im heimischen Fußball seit dem Krieg. Auch 42 Jahre danach sorgt der österreichische 3:2-Sieg über Deutschland noch für Emotionen.

Aber wie gestaltete das Spiel jenseits mythischer Zuschreibungen, wie trat das ÖFB-Team 1978 taktisch und spielerisch auf? Dieser weitgehend blinde Fleck verlangt nach neutraler, nüchterner Beobachtung.

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Hans Krankl hat mit dem FC Barcelona den Europacup gewonnen, Herbert Prohaska mit der Roma den Scudetto und Bruno Pezzey mit Frankfurt den UEFA-Cup, Walter Schachner verbrachte später sieben Jahre in der Serie A – für sie war die WM 1978 der internationale Durchbruch. Für die Routiniers Edi Krieger, zuvor mit Brügge im Meistercup-Finale, und Josef Hickersberger war die WM Höhe- und Schlusspunkt ihrer internationalen Karrieren.

Sie alle sind untrennbar mit dem Begriff „Córdoba“ verbunden, doch nicht bei allen war es tatsächlich klar, dass sie auch spielen würden. Andere hatten ihren Fixplatz im Team vermeintlich sicher gehabt.

Personalsuche im Vorfeld

So wäre das Wunsch-Duo im defensiven Mittelfeld eigentlich Josef Hickersberger und Roland Hattenberger gewesen. Hickersbergers lädiertes linkes Knie wurde rechtzeitig heil, Hattenbergers Schulter nicht. Stürmer Sepp Stering, die wie Hattenberger sämtliche Quali-Spiele absolviert hatte, war mit einem Kreuzbandriss out.

Auch Erich Obermayer hat sich erst in den letzten Vorbereitungsspielen statt Peter Persidis in die Startformation gespielt, als staubiger Ausputzer-Libero hinter dem aufrückenden Pezzey. Eine Offensiv-Variante mit Pezzey und Offensiv-Libero Edi Krieger, wie in der Quali etwa gegen Malta, war Teamchef Helmut Senekowitsch zu riskant. Außerdem laborierte Krieger im Vorfeld des Turniers an einer Rippenverletzung und war für das erste Match gegen Spanien ohnehin gesperrt.

Das Fehlen von Hattenberger wurde nach der Ankunft in Argentinien immer mehr zur Gewissheit. Zunächst schien Senekowitsch eine Variante mit Günther Happich oder Heribert Weber statt Hattenberger zu favorisieren; Ernst Baumeister wäre der Hickersberger-Backup gewesen.

Oder, andere Variante: Kreuz – hängender Stürmer oder Flügel – rückt ins Zentrum, dafür der flinke Oberacher oder der direktere Schachner neben Krankl ganz vorne. Auch als möglich wurde eine Variante mit Hickersberger (der in Düsseldorf vom Libero bis zur Sturmspitze schon alles gespielt hatte) am Flügel betrachtet. Dann hätten Weber, Prohaska und Kreuz im Mittelfeld sowie Jara am anderen Flügel gespielt sowie Krankl als Solo-Spitze.

Das eigentliche Schlüsselspiel

Bei der WM in Argentinien nahmen 16 Teams teil, in der Vorrunde wurden vier Vierergruppen absolviert. Die Top-2 jeder Gruppe zogen in die Finalrunde mit wiederum zwei Vierergruppen ein. Deren Sieger bestreiten das Endspiel, die jeweiligen Zweiten das Match um Platz drei. Österreich war in einer Vorrundengruppe mit Turnier-Mitfavorit Brasilien sowie mit Spanien und Schweden. Das als recht hoch gesteckt betrachtete Ziel war der Einzug in die Finalrunde, im Grunde war man in Österreich aber happy, überhaupt erstmals nach 20 Jahren wieder bei einer WM dabei zu sein.

Für das erste Match gegen Spanien war klar, dass es zumindest einen Punkt braucht, um auf die Finalrunde hoffen zu können. Senekowitsch entschied sich für Schachner als zweite Spitze, der junge Steirer kam eher aus der Etappe des linken Flügels. Kreuz bearbeitete den rechten Flügel; Hickersberger bildete mit Prohaska ein Zwei-Mann-Zentrum und Jara wurde links aufgestellt.

Österreich begann nervös, ging aber nach zehn Minuten durch einen von Schachner sehenswert abgeschlossenen Konter 1:0 in Führung. Die Spanier blieben das Team mit mehr Ballbesitz und waren auch nach dem 1:1 durch einen Weitschuss von Dani (21.) die Mannschaft auf der aktiven Suche nach Gelegenheiten. Österreich klammerte sich an das Remis und setzte vereinzelte Nadelstiche, ehe in der 77. Minute sogar das Siegestor fiel: Miguel Angel konnte einen Weitschuss von Jara nicht fangen, Krankl staubte ab.

Der 2:1-Erfolg war ein „Hit and Run“, ein durch solide Defensive mit zwei verwerteten schnellen Gegenstöße sowie einem zwar dominanten, aber auch eher einfallslosen Kontrahenten aus Spanien gesicherter Erfolg. Ohne dieses etwas glückliche 2:1 zum Auftakt wäre das restliche Turnier aus österreichischer Sicht so nicht möglich gewesen.

Österreich 1978 aus taktischer Sicht

Eine wirklich aufregende Mannschaft im Sinne eines Spektakels war das ÖFB-Team 1978 nicht. Zwei Punkte muss man aber herausheben: Die sehr genau abgestimmte und zumeist ungemein taktisch disziplinierte Balance zwischen Abwehr und Mittelfeld sowie die gute Ballbehandlung. Gab es 1990 und 1998 immer (mindestens) eine handvoll technisch limitierter Kampfkicker, konnte 1978 tatsächlich jeder mit dem Ball umgehen und war ein potenzieller Spielgestalter – allenfalls der als reine Absicherung spielende Libero Erich Obermayer fällt da ein wenig heraus.

Das bestimmende Element im Aufbau waren die Vorstöße von Bruno Pezzey. Der damals noch sehr junge Wuschelkopf hatte im Vorwärtsgang genau jene Rolle inne, mit der Franz Beckenbauer in den zehn Jahren davor die Rolle des Libero revolutioniert hatte. Die Vorstöße Beckenbauers hatten im Zentrum für Überzahl gesorgt und boten somit Raum und Zeit zur Spielgestaltung.

Dies war grundsätzlich bei Pezzey genauso, mit dem Unterschied, dass er zusätzlich nomineller Manndecker der gegnerischen Sturmspitze war. Im ÖFB-Team war es Libero Obermayer, der Pezzey den Rücken frei hielt; einer aus dem zentralen Mittelfeld – zumeist Hickersberger – sicherte zusätzlich ab.

Routinier Hickersberger war im Zentrum für die Absicherung, die Balleroberungen, die Übersicht und das Stopfen von Löchern zuständig. Sein Aktionsradius war extrem groß, er arbeitete, damit Prohaska – stark in der Gestaltung, aber mit Schwächen in der defensiven Zweikampfführung – mit Läufen aus der Tiefe das Spiel nach vorne tragen kann. Krieger, der ab dem zweiten Match spielte, konnte je nach Anforderung als Wachhund für den gegnerischen Gestalter oder als vertikaler Box-to-Box-Spieler eingesetzt werden.

Das bedeutete, dass Österreich 1978 eine solide Defensive sowie ein gut abgestimmtes und im Spiel gegen den Ball recht versiertes Mittelfeld hatte. Das hieß aber auch, dass sich die Arbeit im Aufbau auf die jungen Schultern von Prohaska (22) und Pezzey (23) konzentrierte. Dies machte die österreichische Spielgestaltung relativ berechenbar. In den fünf Spielen bis zum Deutschland-Match gelangen nur vier Tore: Ein Konter, ein Abstauber nach Weitschuss, ein Elfmeter und nur ein einziges nach einem gezielten Aufbau.

Turnierverlauf für das ÖFB-Team

Weil auch den Schweden eine Safety-First-Spielweise eigen und die Trekronor mit Spielmacher Anders Linderoth auch sehr eindimensional waren, entwickelte sich im zweiten Spiel Österreichs eine zähe Angelegenheit ohne Torraumszenen. Ein geschenkter Elfmeter verhalf dem ÖFB-Team kurz vor Ende der ersten Halbzeit zur Führung, Konter gegen die zum Risiko gezwungenen Schweden danach wurden nicht genutzt. Durch den 1:0-Erfolg stand der Aufstieg in die zweite Gruppenphase aber schon fest.

Brasilien hatte weder gegen Schweden (1:1) noch gegen Spanien (0:0) gewonnen und brauchte gegen Österreich einen Sieg, zudem fielen Spielgestalter Rivelino (krank) sowie dessen Partner Zico und Stürmer Reinaldo (beide verletzt) aus. Österreich kam mit dem damals unüblichen 4-2-2-2 Brasiliens nicht zurecht und der letzte mentale Punch fehlte auch, eine nervöse Seleção gewann 1:0. Damit war Brasilien weiter und Österreich Gruppensieger.

Österreich rechnete sich im ersten Finalrunden-Spiel gegen Holland Chancen aus, das von Ernst Happel trainierte Oranje-Team hatte bis dahin nicht überzeugt. Der stumpfe, langsame Rasen von Mendoza hatte Holland vor Probleme gestellt, aber auf dem kurzen, schnellen Geläuf von Córdoba kam das flinke Pressing- und Positionswechselspiel voll zur Geltung. Nach einem schlecht verteidigten Standard, einem patscherten Elfmeterfoul von Prohaska und einem Konter lag Österreich schon zur Pause 0:3 im Rückstand, die Köpfe blockierten, die defensive Disziplin war weg und am Ende hieß es gar 1:5.

Gegen die Italiener, die beim 0:0 gegen Deutschland klar dominierend gewesen waren, gab es hingegen die sicherlich cleverste Vorstellung im ganzen Turnier. Senekowitsch nützte den Systemvorteil, den Österreich gegen Bearzots italinisch-typisches, schiefes 3-5-2 hatte, voll aus. Kreuz und Schachner spielten auf vertauschten Seiten, wodurch Cabrini weit nach hinten gedrückt wurde, dafür stand Gentile oft verloren im Halbfeld herum; Krieger kümmerte sich um Rossi – somit hatte Sara keinen Gegenspieler und war der wahre Spielgestalter. Ein verlorenes Laufduell von Strasser gegen Rossi brachte eine unglückliche 0:1-Niederlage.

Das deutsche Team

Deutschland kam als amtierender Weltmeister und EM-Finalist nach Argentinien, aber es war nicht mehr das Team von 1974. Der Hauptunterschied: Franz Beckenbauer war nicht mehr dabei.

Die deutsche Erfolgself, die 1972 Europameister und 1974 Weltmeister war und 1976 noch einmal ins EM-Finale kam, war personell und taktisch eine Mischung der dominierenden Bundesliga-Teams von damals – den Bayern mit ihrem geduldigen Ballbesitzspiel und dem aufrückenden Beckenbauer sowie Mönchengladbach mit dem spritzigen Umschaltspiel und vielen Positionswechseln.

Noch 1976 beim EM-Finale wurde ein Bayern-Ballbesitzspiel mit drei maßgeblichen Bayern-Spielern gezeigt – Beckenbauer, Schwarzenbeck und Hoeneß. Zwei Jahre später wurde vor allem Beckenbauer vermisst, dessen Platz als Libero von Manni Kaltz eingenommen wurde. Dieser war vor allem als Rechtsverteidiger von Offensivgeist beseelt, aber ihm fehlte die Übersicht und die gestalterische Gabe von Beckenbauer (wie allen anderen Kandidaten, fairerweise).

So ähnelte das deutsche Spiel jenem der Österreicher durchaus: Defensiv solide und kaum zu überwinden, aber ohne jeden Punch im Spiel nach vorne. Hölzenbein, Bonhof und Flohe waren gute Spieler, aber ohne die Präsenz und die Ideen vom Libero fehlte etwas. Dazu tüftelte Bundestrainer Helmut Schön ohne Erfolg an der Besetzung der Flügelpositionen. Dribbler Abramczik isolierte sich selbst, Dieter Müller war eher im Zentrum daheim, Hansi Müller eher im offensiven Mittelfeld.

Ein Interview von DFB-Präsident Hermann Neuberger, in dem er Schön und der Mannschaft fehlenden Teamgeist, fehlende Ideen, fehlende Kondition und schlechtes Training vorwarf sowie eine interne Standpauke ankündigte, sorgte zusätzlich für Zündstoff. Der daheim gebliebene Paul Breitner richtete der DFB-Delegation via seiner Kolumne in der „Bild“ öffentlichkeitswirksam allerhand Meinung aus. Es rumorte gewaltig.

In der Vorrunde kam Deutschland nicht über 0:0 gegen Polen und Tunesien hinaus, das 6:0 gegen Mexiko blieb der einzige Sieg; in der Finalrunde gab es ein glückliches 0:0 gegen Italien und ein unglückliches 2:2 gegen Holland. „Wer unter die besten Vier kommen will, muss schon hin und wieder eine Begegnung gewinnen“, stöhnte Schön, zumal Heinz Flohe nach einer Muskelzerrung im Italien-Spiel nicht mehr zur Verfügung stand.

Somit brauchte Deutschland für einen Finaleinzug ein Remis im Parallelspiel und einen eigenen Sieg mit fünf Toren Differenz über Österreich. Ein knapperer Sieg reichte sicher für das Spiel um Platz drei, ebenso ein eigenes Remis bei einer italienischen Niederlage gegen Holland. Österreich war fix schon vor dem Duell mit Deutschland fix ausgeschieden.

Trash Talk

Schon nach Abschluss der Vorrunde vermittelten die Österreicher den Eindruck, dass die Finalrunde ein schöner Bonus ist und alle Ziele im Grunde erreicht sind. Man wollte sich gegen Holland und Italien vernünftig verkaufen, aber man wusste vor allem: Im letzten Spiel gegen Deutschland kann man dem ungeliebten Nachbarn noch viel kaputtmachen. Entsprechend wurde gestichelt. „Wenn die Deutschen gegen uns so schwach sind wie gegen Polen und Tunesien, freue ich mich schon auf das Spiel“, feixte Hickersberger im Kicker.

Auf Manni Kaltz‘ selbstbewusste Ansage, er würde sich selbst zu den drei besten Abwehrspielern der Welt zählen, konterte Kurt Jara trocken: „Dann müssten aber mindestens 300 andere in den letzten Tagen gestorben sein.“ Herbert Prohaska attestierte dem DFB öffentlich „fehlende Spielerpersönlichkeiten“ und sogar Teamchef Senekowitsch versprach dem Titelverteidiger: „Ein Aussetzer wie gegen Holland passiert uns nur einmal.“

Nicht, dass die verbalen Spitzen nur von Österreich nach Deutschland geflogen wären, keineswegs. Aber der kleine Underdog lehnte sich bei medialen Trash Talk in den Tagen vor dem Match schon ungewöhlich weit aus dem Fenster.

Selbstbewusste österreichische Anfangsphase

Von einem deutschen Sturmlauf, um den angepeilten 5:0-Sieg einzufahren, war von Anfang an nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Schon in den ersten Minuten wurden alle Schwächen, welche das DFB-Team im Turnierverlauf gekennzeichnet hatte, deutlich sichtbar. Das Spiel wurde fast nur mit dem Ball am Fuß nach vorne getragen. Vor der Abwehr gab es vor allem Querpässe, um einen Kanal zu finden, in den man hineindribbeln konnte.

Ganz anders die Österreicher. Das Mittelfeld wurde sehr schnell überbrückt und vor allem die linke Seite war sehr konstruktiv. Heini Strasser nützte seinen Ballbesitz gegen den defensivfaulen Abramczik gut, Willy Kreuz sorgte für Überladungen gegen Berti Vogts. So konnte Kreuz auf der linken Seite weitgehend ungehindert nach vorne arbeiten, vor allem, wenn es schnell ging.

Vermutlich hatte Schön Kreuz tatsächlich auf der linken Angriffsseite erwartet, so wie er es zumeist gegen Italien gespielt hat, weil er seinen rechten Manndecker Vogts auf Kreuz angesetzt hatte und Dietz, der immer den gegnerischen Rechtsaußen übernahm, auf Schachner. Weil Kreuz und Schachner aber bald auf ihre üblichen Seiten wechselten, war Dietz plötzlich rechts-defensiv und Vogts links aufgestellt. „Strikte Manndeckung“, wie auch ORF-Kommentator Robert Seeger schnell bemerkte.

Auch, dass „Österreich so offensiv agiert wie noch in keinem Spiel bei dieser WM“, vermittelte Seeger recht bald. Dennoch war es das deutsche Team, das wie aus dem Nichts nach 18 Minuten in Führung ging: Karl-Heinz Rummenigge taucht plötzlich auf der rechten Seite auf, kein Österreicher ist da, um ihn zu übernehmen, doppelter Doppelpas mit Dieter Müller, und schon steht’s 1:0 für Deutschland.

Weiter keine Struktur bei Deutschland

Die angriffigere Spielweise hatte dafür gesorgt, dass im österreichischen Zentrum die gewohnte Kompaktheit gefehlt hatte und man relativ offen gegen den Ball agierte, so hatte man sich auch das Gegentor eingefangen, aber dennoch blieb Österreich grundsätzlich das besser abgestimmte Team. Doch bei allem Offensivgeist: Da Kreuz und Schachner von relativ weit hinten kamen und – wie in den vorangegangenen fünf Spielen auch – das Nachrücken einem gewissen Sicherheitsgedanken geopfert wurde, blieb Krankl ganz vorne oft ein wenig isoliert.

Deutschland ließ auch mit der Führung im Rücken jede Struktur vermissen. Es ließ sich noch weiter zurückfallen und die Spitzen wurden nur noch durch lange Bälle ins Spiel gebracht. Beer hing in der Luft, Hölzenbein wurde durch Sara und Kreuz vermehrt zum Helfen zur Außenbahn gedrängt und Bonhof fand selten ein Ziel für seine dynamischen Vertikalläufe.

Die größte Vorgabe blieb aber Abramczik. Strasser hatte den Standard-Trick des 22-Jährigen schnell durchschaut (Haken nach rechts), ließ Abramczik immer wieder auflaufen und der Schalker blieb isoliert. Nur sein Mundwerk lief heiß. „Ein ekelhafter Mensch“, sollte Robert Sara danach sagen: „Jeder Italiener, gegen den wir gespielt haben, war sympathischer als er!“ Ambraczik provozierte seine Gegenspieler am laufenden Band, kurz vor Schluss streckte er Koncilia nach einem Abwurf nieder, wandelte vor allem gegen Ende am Rande des Ausschlusses.

Österreich fast der Zahn gezogen

Deutschland brachte die 1:0-Führung in die Halbzeit, Schön brachte für den zweiten Abschnitt Hansi Müller statt Erich Beer. Der 20-jährige Stuttgarter brachte spürbar Linie ins deutsche Spiel. Mit ihm gelang es dem DFB-Team viel besser, den Ballbesitz im Angriffsdrittel zu halten, er unterstützte auch die Offensiv-Reihe darin, Vorstöße von Pezzey zu unterbinden und Steilpässe zu den österreichischen Stürmern zu verhindern.

Zwar brannte in der ÖFB-Defensive nicht viel an, weil diese in der Rückwärtsbewegung gut verzögerte und den Deutschen die Anspielstationen nahm. Hansi Müllers Positionierung auf der halblinken bis linken Seite bedeutete aber, dass Rummenigge mehr Freiheiten hatte und nun als extrem mobiler Zehner agierte. So waren Sara (mit Hansi Müller) und Pezzey (mit Dieter Müller) gebunden und Rummenigge wurde ohne direkten Gegenspieler zum klar gefährlichsten Deutschen.

Dies wiederum zwang Hickersberger zu vermehrtem Hintenbleiben und die Versuche der Österreicher, Chancen zu kreieren, waren immer mehr von einer gewissen Ratlosigkeit gezeichnet. Deutschland war, immer noch 1:0 in Führung, auf dem besten Wege, den rot-weiß-roten Kontrahenten den Zahn zu ziehen. Bis zur 60. Minute, als Krieger nach einem Vorstoß den Ball von halbrechts vor das Tor hebt, Kreuz nicht ganz zum Kopfball kommt und die Kugel dem hinter Kreuz postierten Vogts auf die Beine fällt und von dort ins Tor kullert.

Der österreichische Ausgleich zum 1:1 hatte sich in der Viertelstunde davor nicht gerade abgezeichnet.

Schlag auf Schlag

Der deutsche Plan, das 1:0 staubig über die Zeit zu bringen, war durchkreuzt. Das Finale hatte das DFB-Team offenkundig abgeschrieben, aber zumindest das Spiel um Platz drei hätten sie schon gerne noch gespielt. Jedenfalls stachelte der Ausgleich die deutschen Lebensgeister spürbar an; für den kaum sichtbare Dieter Müller kam mit Klaus Fischer eine neue Sturmspitze.

Im eigenen Defensiv-Drittel schufen die Deutschen nun stets schnell Überzahl in Ballnähe und das Zweikampfverhalten im Mittelfeld war nach dem Ausgleich ebenfalls robuster, die ganze Herangehensweise körperlicher. Im Parallelspiel hatte Holland gegen Italien zum 1:1 ausgeglichen, es brauchte also immer noch einen deutschen Sieg für das Kleine Finale.

Aber es war die österreichische Mannschaft, die nachsetzte. Strasser spielte auf der linken Seite den vorstoßenden Krieger frei, dessen Flanke fand Krankl. Dessen Bewacher Rüssmann war zwei Meter weg, Libero Kaltz stand *irgendwo*, so konnte Krankl die scharfe Flanke mit links stoppen, einmal am Boden auftropfen lassen und mit einem Drehschuss zum 2:1 verwerten.

Die österreichische Führung währte aber nicht lange: Nach Wiederanpfiff war der Ball exakt 12 Sekunden im Spiel, ehe Hickersberger mit einem Foul an Abramczik einen Freistoß verursachte. Bonhof brachte diesen vor das Tor, Hölzenbein war mit dem Kopf zur Stelle, Ausgleich zum 2:2.

Schlagabtausch in der Schlussphase

In der Folge bekam das Spiel immer mehr von einem Handball-Match. Beide Offensiv-Reihen und beide Defensiv-Abteilungen blieben jeweils in ihrem Bereich, ein konstruktives Mittelfeld gab es nicht mehr und die Bälle flogen in hohem Bogen von einem Strafraum zum anderen. Die Kräfte waren offenkundig am Schwinden.

Holland erzielte zeitgleich das 2:1 gegen Italien und den Deutschen würde damit das 2:2 zum zweiten Gruppenplatz reichen. Ab etwa der 80. Minute ging Bonhof vermehrt nach vorne, mit dem offensichtlichen Bestreben, einen österreichischen Aufbau von hinten schon im Keim zu ersticken. Mit Erfolg: Lange Seitenverlagerungen und hohe Steilpässe kamen praktisch nicht mehr an.

Krankls zweiter großer Auftritt

Es war offensichtlich, dass das Spiel einem Endstand von 2:2 entgegen schnaufte, mit dem die Deutschen um Platz drei spielen dürften und mit dem sich Österreich mit erhobenem Haupt von der WM verabschieden würde können. Und dann, 87. Minute, schlug Robert Sara von der Mittellinie eine 50-Meter-Seitenverlagerung, die Rüssmann falsch berechnete und so den Weg zu Hans Krankl fand.

Rüssmann sprintete Krankl hinterher, holte ihn aber nicht mehr ein. Kaltz konnte den Rapid-Stürmer auch nicht mehr aufhalten, der schoss, traf, das 3:2, Jubel. „Das ganze Turnier habe ich keinen Libero hinter mir gebraucht – nur bei diesem Tor, und da war von Manni Kaltz nichts zu sehen“, sollte Rüssmann noch Jahre später schimpfen.

Eine Minute später hatte Abramczik den erneuten schnellen Ausgleich noch auf dem Fuß, als die österreichische Abseitsfalle bei einem Standard nicht funktionierte, aber der Schuss ging knapp rechts am Tor vorbei. Dann pfiff Referee Abraham Klein das Match ab.

Der erste österreichische Sieg über Deutschland nach 47 Jahren war Tatsache.

Ende und Anfang

Ohne das späte Tor von Krankl hätte es Deutschland tatsächlich geschafft, mit einem einzigen Sieg in sechs Spielen um Bronze kämpfen zu dürfen. So hatte Italien trotz des 1:2 gegen Holland den zweiten Gruppenplatz gesichert und holte sich im P3-Spiel ein 1:2 gegen Brasilien ab. Helmut Schön vollzog seinen angekündigten Rückzug und zwei Jahre später, als sich das DFB-Team den EM-Titel holte, waren nur noch Kaltz, Dietz, Rummenigge und Hansi Müller übrig. In Córdoba endete eine große deutsche Ära…

…und eine starke österreichische begann. Für Krankl, Prohaska und Pezzey war das Turnier das Sprungbrett zu erfolgreichen Karrieren in Spanien, Italien bzw. Deutschland. Helmut Senekowitsch, der von Sekaninas bonzenhaften Gutsherren-Art, den ÖFB zu führen, genug hatte, zog es nach Mexiko, später nach Spanien, Griechenland und für ein paar Monate auch nach Deutschland. Die mit acht Teams ausgetragene EM 1980 verpasste Österreich hauchdünn gegen den späteren Finalisten Belgien, bei der WM 1982 zog man trotz internen Problemen wieder in die zweite Gruppenphase ein.

Das Spiel in Córdoba selbst war untypisch für das ÖFB-Team bei der WM 1978 – weil eine an sich eher defensivstarke Mannschaft von Beginn an mit großem Drang nach vorne agierte und es sichtbar war, dass es sich für sie um mehr als das sechste Turnier-Spiel handelte. Hier war eine Truppe am Werk, die ein Statement setzen wollte. Nicht das Spiel an sich, aber dieses gesetzte Ausrufezeichen in diesem bis heute letzten Bewerbsspiel außerhalb Europas prägte den österreichischen Fußball und dessen interne Wahrnehmung über viele Jahre hinweg – zumal Österreich in den zehn Bewerbsspielen gegen den DFB seither ein Remis und neun Niederlagen bei 4:23 Toren eingefahren hat.

Und der Mythos Córdoba ist bis heute präsent – zumindest, wenn es mal wieder gegen Deutschland geht.

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Vor 20 Jahren: Der Kegelabend von Valencia https://ballverliebt.eu/2019/03/26/vor-20-jahren-der-kegelabend-von-valencia/ https://ballverliebt.eu/2019/03/26/vor-20-jahren-der-kegelabend-von-valencia/#respond Tue, 26 Mar 2019 08:51:40 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15624 Vor 20 Jahren: Der Kegelabend von Valencia weiterlesen ]]> Pep Guardiola hat den Ball am Fuß und viel Raum vor sich. Raúl bietet sich an, indem er aus dem Strafraum heraus entgegen kommt, weder Manndecker Schöttel noch Libero Feiersinger erwarten den Pass. Raúl bekommt den Ball, dreht sich, legt schnell rechts auf Nebenmann Urzaiz ab und zieht wieder in den Strafraum hinein. Urzaiz gibt den Ball auf Raúl zurück, dieser steht vor Wohlfahrt, zieht ab, trifft. Das 1:0 für Spanien, fünfeinhalb Minuten sind gespielt.

Valencia, 27. März 1999, 21.50 Uhr. Das Unheil nimmt seinen Lauf.

Spanien – Österreich 9:0 (5:0)

Bis auf Landskrona neun Jahre zuvor hat wohl kein anderes Spiel Österreichs immerwährenden fußballerischen Minderwertigkeits-Komplex so nachhaltig Nahrung gegeben wie der Kegelabend von Valencia, das 0:9 in Spanien. Der Abend, an dem Raúl und Co. dem ÖFB-Team die sprichwörtlichen „alle Neune“ einschenkten.

Und kaum ein anderes Zitat ist im heimischen Fußball so berühmt geworden wie Toni Pfeffers lakonischer Kommentar in der Halbzeitpause. „Na, hoch wer‘ ma’s nimmer g’winnen, des is amoi kloa“, keuchte er Andi Felber ins ORF-Mikro. Da stand es bereits 0:5.

Aber wie konnte es so weit kommen? War das 0:9 ein schmerzhafter, historischer Zufall oder eher ein sich anbahnendes Desaster, das irgendwann einfach passieren musste? Und wurden die richtigen Schlüsse daraus gezogen – oder wurde überhaupt aus der Blamage gelernt?

Hier der Versuch einer Einordnung.

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Die Vorgeschichte

Spanien hatte bei der WM enttäuscht, agierte zu verhalten und schied schon nach der Vorrunde aus. Die EM-Quali begann zudem mit einem peinlichen 2:3 in Zypern – einer Mischung aus schlampiger Defensive, kopfloser Offensive und auch ein wenig Pech. Die Blamage von Larnaca jedenfalls kostete dem angezählten Trainer Javier Clemente endgültig den Job. Sein Nachfolger José Antonio Camacho führte sich mit einem 2:1-Sieg in Israel ein.

Spanien und Österreich bei der WM 1998

Österreich war ebenso in der WM-Vorrunde ausgeschieden. Man haderte ein wenig mit der allzu vorsichtigen Spielweise, aber im Grunde war alles in Ordnung. Dass Teamchef Herbert Prohaska weitermachen würde, stand nie zur Debatte und die Verabschiedungen von Torhüter Konsel (eher freiwillig) und Goalgetter Polster (dezidiert gegen den Willen des Spielers) waren aufgrund des Alters der beiden argumentierbar. Nach seiner Rückkehr von Bremen nach Salzburg wurde auch Heimo Pfeifenberger nicht mehr berücksichtigt. Die tendenzielle Überalterung des Stammpersonals blieb vor allem in der Abwehr aber bestehen.

Nach der WM rang man in einem Freundschaftsspiel Weltmeister Frankreich ein 2:2 ab, in die EM-Quali startete man mit einem 1:1 in einer Regen-Lotterie gegen Israel. Es folgten ein solides 3:0 über das Team aus Zypern, welches man nach deren Überraschung gegen Spanien ernst nahm und ein 4:1 in San Marino. Man war im Plansoll.

Zypern hatte neben dem Spanien-Sieg noch die beiden Pflichterfolge über San Marino auf dem Konto, führte daher vor jenem 27. März 1999 die Gruppe an. Der Gruppensieger fuhr fix zur EM in Belgien und Holland, der beste der neun Gruppenzweiten ebenso; die restlichen acht Zweiten spielen im Playoff um vier weitere EM-Startplätze.

Im erwarteten Zweikampf zwischen Spanien und Österreich ging das ÖFB-Team also mit einem kleinen Vorteil ins Spiel im Mestalla von Valencia. Allgemeiner Tenor: Ein Punkt wäre schön, würde die Chance auf den Gruppensieg intakt halten und auf jeden Fall ein Bonus im Rennen um den besten Zweiten sein. Eine Niederlage wäre aber auch kein Drama. Man hat ja immer noch das Heimspiel gegen Spanien und zumindest Platz zwei wird’s schon werden.

Herbert Prohaska bot zudem eine Wette um seinen Bart an: Wenn Österreich in Spanien zumindest einen Punkt holt, kommt sein Markenzeichen weg. Der Schnurrbart blieb noch sieben Jahre dran.

Personal und Taktik

Didi Kühbauer, der bei Real Sociedad in der spanischen Liga spielte, kämpfte mit einer zähen Fußverletzung, die damals als nicht näher definierbare Knöchelblessur Rätsel aufgab und erst viel später als Riss des Syndesmosebandes diagnostiziert wurde. Ivica Vastic hatte sich beim 4:1 gegen San Marino die zweite gelbe Karte abgeholt und war gesperrt. Andi Herzog hatte Probleme mit dem Knie, bekam erst am Tag vor dem Match grünes Licht für einen Einsatz. Ohne personelle Sorgen war Prohaska also nicht.

Spanien – Österreich 9:0 (5:0)

Im Vorfeld wurden vor allem die spanischen Flügelspieler thematisiert. Den jungen Joseba Etxeberria (Bilbao) rechts und den routinierten Luis Enrique (Barcelona) links gelte es zu neutralisieren. Daran änderte sich auch nichts, als sich Luis Enrique im letzten Liga-Spiel vor dem Ländermatch verletzte und durch Fran von Deportivo La Coruña ersetzt wurde.

Daher entschied sich Prohaska dafür, die Außenbahnen jeweils doppelt zu besetzen – rechts mit Neukirchner gegen Fran und Cerny in der offensiveren Rolle, um Außenverteidiger Sergi zu binden. Links mit Wetl gegen Etxeberria und dessen Hintermann Salgado sowie mit Prosenik, der eher im Halbfeld agierte und Wetl defensiv helfen sollte.

Im Zentrum verlieb Roman Mählich, der die defensive Arbeit für Spielmacher Andi Herzog zu erledigen hatte. Als Solo-Spitze entschied sich Prohaska für den schnellen Mario Haas. Die Abwehr war ohnehin klar: Torhüter Wohlfahrt, Libero Feiersinger und die Manndecker Pfeffer (gegen den bulligen Urzaiz) und Schöttel (gegen den wendigen Raúl).

Man sieht schon: Sieben der zehn Feldspieler Österreichs waren in manndeckender Mission aufgestellt, das Zentrum wurde de facto abgeschenkt. Offenbar erwartete man von Guardiola und Valerón keine entscheidenden Aktionen – den Flügeln galt der volle Fokus.

Was für eine fatale Fehleinschätzung.

Spanischer Spielplatz in der Spielfeldmitte

Bei Spanien hatte Javier Clemente den Libero schon einige Jahre zuvor entsorgt, nach der WM 1994 nämlich. Schon bei der EM 1996 agierte man mit der Viererkette, wie auch 1998 mit Hierro als Sechser davor. Camacho sah dann aber das Potenzial mit Guardiola und Valerón im Zentrum.

Guardiola war zwar auch ein Sechser, aber kein Zweikämpfer und Ballgewinner, sondern ein Taktgeber und Ballverteiler. Einer, der Räume sieht und bespielt und von hinten heraus als Quarterback das Spiel seines Teams orchestriert. Er hatte fast das komplette Jahr 1998 mit einer Wadenverletzung passen müssen, der auf Zweikampf und Direktheit gepolte Ex-Teamchef Clemente hatte mit der Spielweise Guardiolas aber ohnehin nichts anfangen können. Der spätere Trainer Guardiola aber hätte den einstigen Spieler Guardiola geliebt.

Pep und Valerón jedenfalls mussten sich innerlich über Österreichs Taktik kaputtgelacht haben. Der defensiv nicht gerade begnadete und zudem angeschlagene Herzog, dazu Mählich als Solo-Abräumer für 45 Meter Spielfeldbreite – das spanische Zentrum hatte einen Heidenspaß. Guardiola alleine kam auf 114 Ballkontakte, Valerón und der später eingewechselte Mendieta gemeinsam auf 102.

Die unbekannte Dimension „Raum“

Besonders schonungslos aufgedeckt wurden aber die Schwächen des Manndeckungs-Fußballs. Im Spiel gegen den Ball klebten Pfeffer, Schöttel, Neukirchner und auch Wetl sklavisch an ihren zugeteilten Gegenspielern. Mählich orientierte sich an Valerón.

Somit war es für die Spanier ein Kinderspiel, bizarre Löcher in die ÖFB-Formation zu reißen. Die Dimension „Raum“ kam im Denken eines österreichischen Fußballers (und eines österreichischen Fans, Journalisten, Trainers, etc.) schlicht nicht vor. Abwehrspieler hatten ihre Gegenspieler zu verfolgen, und wenn alle Stricke reißen, steht hinten noch der Libero zum ausputzen.

Das 1:0 durch Raúl: Schöttel im Rücken, Feiersinger herausgezogen, Doppelpass mit Urzaiz, alleine vorm Tor. Und bumm.

Schon beim oben beschriebenen Tor zum 1:0 in der 6. Minute wurde dies schön deutlich. Neukirchner stellte Fran an der Außenlinie, Mählich hing an Valerón. Zwischen Herzog und den beiden Manndeckern dafür: Freier Raum, wohin man auch blickt. Diesen konnten die Spanier bespielen.

Dafür brauchten sie noch nicht einmal Überzahl zu haben. Es reichte der Lockvogel-Lauf eines Spielers, um Platz zu schaffen – ohne dass Österreich einen Gedanken daran verschwendete, was mit dem Raum im frei gewordenen Rücken passiert. Wenn auch noch, wie beim Tor zur spanischen Führung, Libero Feiersinger gemeinsam mit Schöttel Raúls Lockvogel-Lauf mitmacht, spielt das dem Torschützen natürlich zusätzlich in die Hände.

Das 2:0 in Minute 17

Ganz ähnlich beim 2:0 rund zehn Minuten später. Fran zieht von außen ins Zentrum, nimmt Neukirchner mit. Valeron kreuzt vor ihm, um Mählich wie ein Magnet aus dem Zentrum zu nehmen, weil Mählich ihm natürlich nachläuft. Feiersinger orientiert sich erst zum Knäuel mit Valeron und Urzaiz, um dort Überzahl herzustellen – der Sechserraum ist völlig frei.

Weil Fran so frei ist, stürzen Feiersinger und auch Raúls Manndecker Schöttel auf Fran zu, Raúl hat in deren Rücken keinen Gegenspieler mehr. Fran spielt Raúl den Ball zu, dieser lupft ihn über den heraus stürmenden Wohlfahrt. Dass Mählich dem Ball bis zum Pfosten nachrennt und diesem dort gebannt zusieht, anstatt ihn wegzudreschen und/oder Raúl daran zu hindern, den Ball endgültig über die Linie zu drücken, passt ins patscherte Gesamtbild.

Beim 3:0 nach einer halben Stunde setzt sich Fran außen im Laufduell gegen Neukirchner durch, seine Traum-Flanke hechtet Urzaiz per Flugkopfball in die Maschen – ein kaum zu verhinderndes Traumtor. Spätestens jetzt wäre Spanien in Führung gegangen.

Fünf Minuten später kann sich Wetl gegen Etxeberria nur mit einem Foul wehren. Dummerweise war das im Strafraum, Hierro verwertet den fälligen Elfmeter zum 4:0. Quasi mit dem Halbzeitpfiff legt Raúl eine flach gespielte Flanke zentral vor den Strafraum, wo Pfeffer meterweit von Urzaiz weg steht. Dieser zieht ab und trifft zum 5:0.

Ach ja, die Flügelzange?

„Ich kann’s nur so erklären, dass wir zu weit weg waren vom Mann“, sagte Toni Pfeffer wenige Augenblicke danach im ORF-Interview, mit dem Nachsatz: „Wir müssen wirklich näher dran sein am Mann, denn sonst wird es ein schlimmes Debakel.“

Dieses Interview verrät sehr viel über die Art und Weise, wie Fußball damals gedacht wurde. Denn ja, bei den Toren zum 3:0 und zum 5:0 – ein schneller Lauf an der Außenlinie und ein Gegenstoß – war tatsächlich er selbst zu weit weg von Urzaiz. Gerade bei den ersten zwei spanischen Treffern aber war es gerade das Problem, dass die Österreicher allzu nah an den ihnen zugewiesenen Spielern klebten – und dabei zu viel freien Raum ließen. Das klassische Manndecker-Dilemma.

Andreas Felber sprach auch die Flügelzange an, auf welche Österreich die Taktik ausgerichtet hatte. Ja, wo war sie denn? Nur ein einziges der neun Tore wurde tatsächlich klassisch von den Außenbahnen vorbereitet. Dazu kommen ein Eckball, ein Elfmeter (bei dem Etxeberria gefoult wurde, ja, ein Außenspieler) – und sechs Tore, die durch das Zentrum eingeleitet wurden.

Die Andeutung von Gefährlichkeit

Etwas zynisch formuliert: Die Hauptaufgabe der vier spanischen Flügelspieler war es, den Österreichern die Illusion vorzugaukeln, dass sie wichtig wären. So nämlich banden sie immer vier der sechs nominellen Mittelfeldspieler und im Zentrum konnte sich das Quartett mit Hierro, Guardiola, Valerón und Raúl ungehindert austoben. Die nackten Zahlen: Raúl verbuchte vier Tore und drei Assists, Pep Guardiola spielte bei fünf Treffern den vorletzten Pass.

Die Außenverteidiger Sergi und Salgado hatten 54 bzw. 53 Ballkontakte, Fran links ebenfalls 53; Etxeberria und der in der Schlussphase für ihn eingewechselte Dani kamen zusammen auf 57 Ballaktionen. Man sieht: Sehr gleichmäßig verteilt. Auch die Rollenverteilung – die AV hinterlaufen die einrückenden Flügelstürmer – war schon sehr modern für diese Zeit.

Fran erzielte ein Tor (nach einer einstudierten Freistoß-Variante) und bereitete drei vor (eine Flanke, ein Eckball, ein Lochpass aus dem Sechserraum). Etxeberria zog den Elfmeter zum 4:0. Sie waren gefährlich, wann immer sie einrückten. Salgado und Sergi sorgten dafür, dass sich nur ja nicht zu viele Österreicher mit ins Zentrum bewegten.

6:0 reicht uns… oder geht’s etwa zweistellig?

Das 6:0, wieder Raúl nach Doppelpass mit Urzaiz in den Rücken von Schöttel

Gleich nach Wiederanpfiff erhöhte Raúl auf 6:0, wieder konnte er ein Zuspiel von Guardiola im Entgegenkommen zu Urzaiz weiterspielen, sich umdrehen, in den Rücken von Schöttel kommen, den Doppelpass von Urzaiz annehmen und Wohlfahrt umkurven. Eine Kopie des ersten Tores. Die österreichischen Spieler – alle stur auf Manndeckung bedacht, weil sie nichts anderes kannten – waren so unglaublich leicht zu manipulieren.

In der Folge nahmen die Spanier deutlich den Zug zum Tor heraus. Das 6:0 reichte ihnen offensichtlich. Man verlegte sich darauf, den Ball in den eigenen Reihen zu halten – die längste Ballstaffette ging über 20 Stationen.

Marcelino, Guardiola, Valerón, Guardiola, Fran, Valerón, Raúl, Guardiola, Salgado, Valerón, Guardiola, Fran, Marcelino, Urzaiz, Hierro, Valerón, Fran, Guardiola, Raúl, Sergi. Es folge ein Foul von Cerny an Sergi, man schrieb die 59. Minute.

Das Publikum in Valencia forderte schon während des Tores zum 6:0 mit lauten Stimmen „Mendieta! Mendieta!“ Der Blondschopf feierte an jenem Tag seinen 25. Geburtstag, war der Star des heimischen FC Valencia und hatte bis zu diesem Match noch kein Länderspiel absolviert. In der 71. Minute kam Mendieta dann auch rein, er ersetzte Valerón, und wenig später versenkte Raúl einen Eckball zum 7:0.

Da bekamen die Spanier, vermehrt angetrieben von Mendieta, dann doch wieder ein wenig Lust. Na, geht sich das vielleicht sogar noch zweistellig aus? In der 77. Minute landete Wetls Versuch, eine Flanke von Raúl zu klären, zum 8:0 im Netz. In der 84. Minute hatte Fran eine diebische Freude daran, eine einstudierte Freistoßvariante zum 9:0 im Tor zu versenken.

Der ÖFB-Teamchef heizte sich auf der Bank eine Tschick an, seine Spieler waren längst sturmreif geschossen. Der für Urzaiz ins Spiel gekommene Munitis narrte Kogler (der Feiersinger als Libero ersetzt hatte) und Wetl mit vier 180-Grad-Drehungen in sieben Sekunden (86.). Dann traf Dani nach einem schnellen Doppelpass mit Munitis aus zu spitz gewordenem Winkel nur das Außennetz (90.). Dann musste Wohlfahrt auch noch ein Geschoss von Mendieta parieren (93.).

Aber, nein, mit aller Macht ging Spanien nicht mehr auf das zehnte Tor. Kurz vor dem neunten hatte Hierro sich ja auch noch die gelbe Karte abgeholt. Wegen Zeitverzögerung.

Kein Witz.

Harsche Reaktionen…

Nach 94 Minuten und 18 Sekunden hatte der französische Referee Gilles Veissière ein Erbarmen und beendete das Spiel. Die große Zerfleischung in der österreichischen Medienlandschaft konnte beginnen.

Die „Krone“ reihte das 0:9 gar in eine Reihe von Tragödien wie jene der tödlich verunglückten Skifahrer Rudi Nierlich und Ulli Maier ein, während direkt daneben Andi Herzog mit den Worten „Das war eine Hinrichtung“ zitiert wurde. Deutlich weniger geschmacklos, aber nicht weniger scharf kritisierten die OÖN, dass auch am Tag nach der „Weltblamage“ weder Prohaska zurückgetreten ist, noch ÖFB-Präsident Mauhart. Dieser weigerte sich trotz des 0:9, den Teamchef zu entlassen.

Wie Mauhart stellten sich auch die Spieler demonstrativ hinter Prohaska. „Aufstellung und Konzept waren in Ordnung“, sagte Herzog. „Es wäre nicht korrekt, wenn es jetzt den Unschuldigsten trifft“, meinte Wohlfahrt. Dennoch: Zwei Tage nach dem 0:9 warf Prohaska ob des öffentlichen Drucks das Handtuch. Er wäre als Teamchef untragbar geworden, erklärte er, er habe die Fans nicht mehr auf seiner Seite und ohne deren Rückhalt kann niemand ein glaubhafter Teamchef sein.

… aber keine Grundsatzfragen

Was in Valencia aber wirklich passiert ist, war nie wirklich ein Thema. Dass das 0:9 aufgezeigt hat, dass die Spielidee mit Libero und Manndeckern dem Untergang geweiht war – wie es fast alle anderen Länder der Fußballwelt erkannten. Bei der WM 1998 hatten noch 18 der 32 Teams mit diesem System gespielt (56 Prozent), bei der WM 2000 waren es nur mehr drei von 16 (19 Prozent).

In Österreich wurde nur diskutiert, wer denn nun den Libero geben könnte, jetzt wo Wolfgang Feiersinger endgültig zu alt für internationales Niveau war. Prohaskas Nachfolger Otto Baric stellte lieber Stürmer Ivica Vastic als Abwehrchef auf, anstatt auch nur darüber nachzudenken, wie alle anderen auf Viererkette und Raumdeckung zu wechseln.

„Wir haben Anschauungsunterricht in modernem Fußball, Raumaufteilung und Technik bekommen“, gab Kapitän Herzog zwar zu Protokoll. Auf den Einfall, aus diesem Unterricht zu lernen, kam aber fast niemand.

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Nur Leo Windtner, damals noch Vize-Präsident des ÖFB und Landespräsident von Oberösterreich, brachte bei der Suche nach Prohaskas Nachfolger leise den Namen Roy Hodgson ins Spiel. Hodgson hatte von 1992 bis 1995 die Schweizer von den Vorzügen des Verzichts auf den Libero überzeugt und die Eidgenossen so zu WM 1994 und EM 1996 geführt. Nach fast drei Jahrzehnten ohne jegliche Endrunden-Teilnahme.

Aber Hodgson hatte nie eine Chance. In Österreich hatten in den Jahren zuvor zwei Trainer die Viererkette probiert. Per Brogeland beim LASK und Wolfgang Frank bei der Austria, und beide waren krachend gescheitert. An der geistigen Unbeweglichkeit der österreichischen Fußballer und deren Unwillen, sich von vermeintlich Bewährtem zu trennen. Ein halbes Jahr vor dem 0:9 Österreichs hatte sich schon Berti Vogts daran versucht, eine Viererkette im DFB-Team zu installieren. Die Spieler verweigerten ihm die Gefolgschaft nach einem holprigen 2:1 über Malta und dramatisch unzunlänglichen 45 Minuten gegen Rumänien istallierte er in der Halbzeit wieder einen Libero. Und trat kurz darauf als Bundestrainer zurück.

Wir haben’s schon immer so gemacht in Österreich. Wir sind eben nicht die Spanier oder die Italiener. um eine Viererkette zu spielen, muss man ein perfekter Fußballer sein. Wir bleiben beim Libero und bei der Manndeckung. Das kennen wir, das können wir.

Jüngere Geschichte vernebelte den Blick

Immerhin waren Salzburg 1994 und Rapid 1996 mit Libero jeweils ins Europacup-Finale eingezogen, immerhin hatte sich Österreich mit Libero als Gruppensieger für die WM 1998 qualifiziert.

Ja, eh.

Aber gerade im Nationalteam wurden die Warnzeichen wegen der guten Resultate nicht erkannt. In der Qualifikation spielte man gegen Schweden und Schottland. Zwei Raumdeckungs-Teams. Nur: Schweden besiegte man einmal eher glücklich und einmal mit Mega-Dusel. Gegen Schottland holte man einen Punkt aus zwei Spielen.

Bei der WM spielte man gegen Italien, Chile und Kamerun. Es war die letzte Gruppe in der Geschichte des internationalen Fußballs, in der alle vier Teams mit Libero aufliefen.

Und so wurde weiter eisern dem zugeteilten Gegenspieler nachgedackelt, wohin er auch rannte, und welche Räume auch immer man damit aufmachte. Otto Baric kam, holte sich sein persönliches Debakel drei Monate später beim 0:5 in Tel-Aviv ab und brachte die EM-Quali auf Gruppenplatz drei zu Ende. Dieses Debakel gegen Israel – ein Libero-Team – verstärkte den Eindruck: Es liegt nicht an der Spielweise. Die Spieler sind nur einfach nicht gut genug.

Fatale Blindheit für das Offensichtliche

Nach Landskrona, der Niederlage gegen die Färöer, war praktisch allen sofort bewusst, was los war. Das WM-Team von 1990 hatte nie die Qualität, die man ihm fälschlicherweise zugeschrieben hatte. Das Ticket wurde in einer leichten Gruppen gesichert, die starken Testspiele vor der WM waren eben nur Testspiele, und die Spieler glaubten, dass sie die Insel-Kicker arrogant aus dem Stand abschießen können würden.

In der Folge gab es danach noch weitere Lehrstunden wie das 1:9 von Ernst Happels Innsbruckern gegen Real Madrid oder das 2:6 der Austria gegen Arsenal. Österreichs Spieler waren einfach nicht besonders gut und sie ergaben sich nach Landskrona zusätzlich in Fatalismus.

Das Fatale am Kegelabend von Valencia war, dass man es nicht für das begriff, was es war: Die bittere Vorführung der Tatsache, dass das mit dem raumdenkenden Spiel und der Abkehr vom Libero eben nicht nur eine mögliche Variante von vielen ist, sondern die radikalste Revolution des Fußballspiels an sich seit den 1920er-Jahren.

Schweiz – Österreich 3:2

Es dauerte drei Jahre und fünf Monate, ehe Österreich erstmals ohne Libero antrat. Erst musste Zoran Barisic, Michael Streiter, Ivica Vastic, Günther Neukirchner, Martin Hiden und Michael Baur den Ausputzer hinter den Manndeckern spielen.

Als Hans Krankl in einem Testspiel in der Schweiz im August 2002 eine Viererkette aufstellte, war sie so heillos damit überfordert, dass Krankl in der Folge lieber doch wieder auf das alte System zurückgriff.

Baur stürmte in gewohnter Manier schon nach wenigen Minuten ungeniert in die gegnerische Hälfte. Die Außenverteidiger Wimmer und Panis standen so verschüchtert hinten und so eng am eigenen Strafraum, als wollten sie die eigenen Innenverteidiger decken. Das hatte nicht einmal Schülerliga-Niveau. Die Schweizer spielten das Jahrzehnt, das sie an Viererketten-Erfahrung Vorsprung hatten, cool aus.

Langsames Erwachen

Andererseits: Woher hätte das Wissen darüber, wie man eine Viererkette ohne Libero spielt, auch kommen sollen? Alle zehn Trainer in der Liga hatten im Frühjahr 1999 ihren Ausputzer hinter den Manndeckern. Osim, Weber, Augenthaler, Krankl, Koljanin, Jara, Verdenik und später Koncilia, Roitinger, Stöhr und Sundermann – die Herkunft der Bundesliga-Coaches zu diesem Zeitpunkt sind genau jene Regionen, die am längsten am Libero festgehalten haben. Österreich, Deutschland und der Balkan.

Und auch die Legionäre im ÖFB-Team spielten überwiegend im klassischen Libero-Land Deutschland. Kühbauer, der in Spanien unter dem deutschen Viererketten-Pionier Bernd Krauss trainierte, war die einzige echte Ausnahme.

Erst mit Walter Schachner, der 2001 mit einer Viererkette (übrigens mit dem ganz jungen Emanuel Pogatetz) beim FC Kärnten in die Bundesliga aufstieg und Cupsieger wurde, kamen auch andere Teams auf den Geschmack. Als Krankl im August 2002 sein Experiment gegen die Schweiz startete, spielten die Austria (eben mit Schachner) und Salzburg (mit dem Dänen Lars Söndergaard) mit einem 4-4-2. Immerhin zwei Teams.

Zwei.

Der letzte Trainer, der sich in Österreichs Bundesliga vom Libero verabschiedet hat, war Franz Lederer. Dieser ließ Mattersburg noch 2006 mit den Manndeckern Patocka und Ratajczyk vor Libero Mravac im Cupfinale spielen.

Der perfekte Sturm

Beim Spiel in Valencia ist alles zusammen gekommen. Eine veraltete Spielweise, die gegen das moderne Raum-Spiel eklatante Nachteile hatte. Eine Häufung von Österreichern, die auch davon abgesehen einen schlechten Tag hatten. Eine komplette Fehlleistung im Scouting des Gegners und die Unfähigkeit, den Fehler zu sehen und zu korrigieren. Ein Kontrahent, der dringend ein Ergebnis brauchte, der nicht nach dem 3:0 völlig abstellte und bei dem auch annähernd jeder Schuss ein Treffer war.

Das 0:9 war der perfekte Sturm.

Der eigentliche Wahnsinn aber ist, dass man – vom Trainerwechsel abgesehen – völlig zur Tagesordnung übergegangen ist und NICHTS in Frage gestellt hat. Und zwar noch viele Jahre nicht.

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18 Jahre im Zeitraffer: Wie das ÖFB-Team wurde, was es heute ist https://ballverliebt.eu/2016/06/14/18-jahre-im-zeitraffer-wie-das-oefb-team-wurde-was-es-heute-ist/ https://ballverliebt.eu/2016/06/14/18-jahre-im-zeitraffer-wie-das-oefb-team-wurde-was-es-heute-ist/#comments Tue, 14 Jun 2016 08:30:59 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12606 18 Jahre im Zeitraffer: Wie das ÖFB-Team wurde, was es heute ist weiterlesen ]]> Fünf Trainer versuchten sich vergeblich, zahllose Spieler kamen zum Einsatz, aber das Resultat war immer das gleiche: Österreich verpasst die Qualifikation für die Endrunde. Das war seit der WM 1998 immer so – bis der Bann nun gebrochen wurde. Wir blicken kurz zurück: Das waren die Teams, die die jeweiligen Zwei-Jahres-Zyklen für das ÖFB-Team bestritten haben.

Vorrunde bei der WM 1998

Österreich WM 98
WM 1998 – Ø-Alter 31 Jahre

Das Team von 1998 war das letzte, das sich auf sportlichem Wege für ein großes Turnier qualifiziert hat, als Gruppensieger vor Schottland und Schweden. Der Höhepunkt dieses Teams war das 1:0 in der Qualifikation gegen Schweden – jenes Spiel, das das die Weichen für den Gruppensieg endgültig stellte.

Zur WM selbst schleppte sich das Team eher, als dass es eine wirkliche Euphorie gegeben hätte: Polster stieg mit Köln ab, Herzog lief seiner Form hinterher, die Testspiele waren furchtbar (0:3 gegen die USA, 2:3 gegen Ungarn). Seinen Zenit hatte das Team überschritten und die Spielanlage bei der WM war recht defensiv; gegen Kamerun spielten drei DM hinter Herzog, gegen Chile drei DM und gar kein Herzog davor – in beiden Partien wurde Roman Mählich neben Kühbauer und Pfeifenberger eingesetzt. Beide Partien endeten dank österreichischen Ausgleichs-Toren in der Nachspielzeit 1:1.

Hannes Reinmayr, im Vorfeld der WM deutlich besser in Form als Herzog, kam erst im letzten Spiel gegen Italien von Beginn an ran, der eingewechelste Herzog erzielte das 1:2-Ehrentor per Elfer in der Nachspielzeit.

Quali zur Euro 2000

Österreich EM 2000
Quali für die EM 2000 – Ø-Alter 30 Jahre

Nach der WM waren die Team-Karrieren von Konsel (eher freiwillig) und Polster (eher weniger freiwillig) beendet, Wolfgang Feiersinger spielte nur noch eine Partie.

Eine wirkliche Verjüngung fand aber nicht statt – die neuen Leute Winklhofer, Mayrleb und vor allem Wohlfahrt waren keine echten Jungspunde mehr. Auch am System änderte Herbert Prohaska nichts (auf was auch, es spielte kein Bundesliga-Team anders als mit Libero, Manndecker und Zehner); allenfalls verzichtete er auf eine zweite Spitze zugunsten eines weiteren DM.

Nach drei mühsamen Spielen mit sieben Punkten (gegen Israel, Zypern und San Marino) lief man in Valencia in das längst legendäre 0:9. Otto Baric übernahm, suchte eifrig einen neuen Libero (und probierter etwa Zoki Barisic und Ivica Vastic auf dieser Position aus). Nach dem 0:5 in Tel-Aviv beendete Österreich die Gruppe als Dritter hinter Spanien und Israel und knapp vor Zypern.

Quali zur WM 2002

Österreich WM 02
Quali für die WM 2002 – Ø-Alter 30 Jahre

Für seine erste volle Quali-Kampagne legte sich Baric auf den in Hochform agierenden Routinier Michael Baur von Serienmeister FC Tirol fest, er grub Thomas Flögel aus der schottischen Liga aus und setzte von Beginn an auf den jungen Martin Stranzl, der sich beim deutschen Bundesliga-Mittelständler 1860 München festgespielt hatte. Dafür waren Schöttel, Pfeffer, Mählich und Cerny kein Thema mehr.

Am grundsätzlichen Fußball änderte sich aber nichts: Libero und Manndecker, Andi Herzog als Zehner, zwei Stürmer davor. Die restliche Fußballwelt hatte sich zum großen Teil schon weiter entwickelt, Österreich lebte von Elfer-Killer Wohlfahrt und Andi Herzog in seinem letzten Frühling.

Nach dem der Setzliste gemäßen zweiten Platz hinter Spanien und vor Israel ging es mit einem Haufen von Replacements (Stichwort Israel-Verweigerer) in zwei Playoff-Niederlagen gegen die Türkei.

Quali zur Euro 2004

Österreich EM 04
Quali für die WM 2004 – Ø-Alter 28 Jahre

Hans Krankl übernahm, probierte tonnenweise mehr oder weniger (überwiegend weniger) talentierte Spieler und kündigte großmundig den radikalen Schnitt und die totale Verjüngung des ÖFB-Teams an.

Der radikale Schnitt passierte (nur drei Stammkräfte der letzten Quali überlebten), das mit der Verjüngung war eine oft wiederholte, aber dadurch nur umso dreistere PR-Lüge: Die neuen Fixleiberl-Kicker waren an die bzw. über der 30er-Marke. Krankl stellte auf Viererkette um (wiewohl das ziemlich stocksteif interpretiert wurde), oft mit Roland Kirchler als hängende Spitze.

Herzog war nach einem mäßigen Intermezzo bei Rapid in die MLS zu den L.A. Galaxy gewechselt und kein Thema mehr; anonsten galt: Wenn wir schon verlieren, dann wenigsten mit 28-Jährigen und nicht mit 31-Jährigen. Es wurden die Gesichter getauscht, aber nicht das Prinzip. Es war die verlorene Generation.

In der Quali für die EM 2004 gab es im Grunde nur ein einziges gutes Spiel (das 5:0 gegen Weißrussland), dafür eine Niederlage mit einer besonders untauglichen Leistung in Moldawien. Gegen die Gruppen-Favoriten Tschechien und Holland gab es keinen Punkt und in der Gruppe mit Monster-Rückstand den dritten Platz.

Quali zur WM 2006

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Quali für die WM 2006 – Ø-Alter 28 Jahre

Nach zwei Jahren des personellen Irrlichterns hatte Krankl erkannt, dass es eh nix bringt und holte Kühbauer (längst im biblischen Alter) zurück, setzte verstärkt auf Christian Mayrleb in seinem dritten Frühling und wechselte wild die Torhüter durch. Mit Ivanschitz und Pogatetz durften auch zwei tatsächlich noch eher junge Spieler ran.

Das Team hatte zu dieser Zeit eine deutlich merkbare GAK-Schlagseite (Standfest, Ehmann, Pogatetz, Aufhauser und auch Schranz wurden mit den Grazern 2004 Meister) – was logisch war, da beim anderen Top-Team jener Zeit (der Austria) praktisch keine Österreicher spielten und man Legionäre von nennenswerter Qualität bequem an einer Hand abzählen konnte.

Nach einem erfreulichen 2:2 gegen England zum Auftakt ging in der Folge aber einiges schief – Heimniederlage (trotz ansprechender Leistung) gegen Polen und ein 3:3 in Nordirland ließen Krankls Elf schnell wieder ins Hintertreffen geraten. In Wales gab es einen verdienten Sieg, weil Krankl versehentlich mal was richtig gemacht hatte (Stranzl statt des gesperrten Aufhauser im Mittelfeld), was er vier Tage später gleich wieder rückgängig machte – und Österreich war wieder so planlos aus wie sonst auch. Nach zwei erschütternd ambitionslosen Spielen in Polen (2:3) und Aserbaidschan (0:0) war Krankl Geschichte.

Vorrunde bei der EM 2008

Vorrunde der EM 2006 – Ø-Alter 25 Jahre

Für die Heim-EM 2008 und die beiden Jahre der Vorbereitung durfte Pepi Hickersberger ran und er eliminierte alles, was er für zu alt oder für nicht tauglich oder beides hielt – wenn auch nur nach und nach. Davon abgesehen probierte er jeder Personalie, die nicht bei drei auf den Bäumen war – von Ertl bis Feldhofer, von Atan bis Mörz, von Eder bis Salmutter.

Er setzte in seinem ersten Jahr auf ein 4-4-2 und verlor damit gegen Ungarn und Costa Rica. Er setzte in seinem zweiten Jahr auf ein 4-2-3-1 und holte zumindest Remis gegen Ghana, England und Tunesien. Und erst kurz vor der EM stellte er auf die Dreierkette um, die in zwei der drei EM-Spiele zum Einsatz kam. Dazu baute er die ersten von jenen Burschen ein, die 2007 im Halbfinale der U-20-WM waren – Harnik, Prödl und Hoffer.

Bei der EM selbst startete man gegen Kroatien ultra-feig und erst die Einwechslung von Ümit Korkmaz brachte Schwung. Im zweiten Spiel gegen Polen dominierte Österreich, geriet aber durch ein Abseits-Tor in Rückstand und rettete gerade noch das 1:1. Und gegen die Deutschen hielt man gut mit, aber ein Ballack-Gewaltschuss brachte den deutschen Sieg und das österreichische Aus.

Man hatte sich weder blamiert noch wirklich aufgezeigt.

Quali für die WM 2010

Österreich WM 2010
Quali für die WM 2010 – Ø-Alter 24 Jahre

Der ÖFB schaffte es, als Hickersberger-Nachfolger den Tschechen Karel Brückner aus der geplanten Pension zurück zu holen und er baute erst einmal auf dem EM-Kader auf, brachte zudem die von Hicke ausgebooteten Scharner und Janko zurück. Mit ihnen gab es zum Start gleich mal ein 3:1 gegen Frankreich, danach aber ein peinliches 0:2 in Litauen, ein peinliches 1:1 auf den Färöern und ein bitteres 1:3 daheim gegen Serbien.

Dem ausgebrannten Brückner ließ immer wieder durchklingen, dass er sich eigentlich nicht wirklich für den Job interessiert, hinzu kamen Sprachschwierigkeiten und fehlende Chemie zur Mannschaft, die sich etwas vernachlässigt fühlte. Darum wurde Brückner nach nur einem halben Jahr im Amt entsorgt und durch Didi Constantini ersetzt. Der Tiroler verfrachtete gleich mal Andi Ivanschitz ins Aus, dafür holte er ein paar junge Burschen mit erst einer Handvoll Bundesliga-Einsätzen: Dragovic und Baumgartlinger von der Austria, Pehlivan von Rapid, Jantscher und Beichler von Sturm. Man brachte die Qualifikation mit Anstand zu Ende und landete hinter Frankreich und Serbien auf dem dritten Rang; beim letzten Match im Stade de France durfte auch David Alaba debütieren.

Quali für die EM 2012

Österreich EM 2012
Quali für die EM 2012 – Ø-Alter 27 Jahre

Constantini ekelte in der Folge einige weitere Teamspieler raus, die gerne etwas besser auf Spiele vorbereitet werden wollten und das auch so artikulierten – Garics und Stranzl etwa, auch Manninger hatte von Constantinis Sprunghaftigkeit schnell genug.

In der Quali für die EM 2012 startete man mit einem äußerst glücklichen Erfolg gegen Kasachstan und einem Arbeitssieg gegen Aserbaidschan, es folgte ein turbulentes Remis in Belgien. Mit sieben Punkten aus den ersten drei Spielen wähnte sich der Boulevard schon auf halbem Weg zur EM – aber im verbleibenden Jahr von Constantinis Amtszeit gab es keinen einzigen Sieg in einem Quali-Spiel mehr.

Die Auftritte wurden immer noch planloser, Constantinis Wortmeldungen immer noch pampiger, und nach einem lähmenden Jahr des DiCo’schen Abwehrkampfes gegen das 21. Jahrhundert war seine Zeit als Teamchef endlich abgelaufen. In seinen knapp drei Jahren holte der fünf Siege in Pflichtspielen.

Die übermächtigen Besiegten: Rumänien, Färöer, Litauen, Kasachstan und Aserbaidschan.

Quali für die WM 2014

Österreich WM 2014
Quali für die WM 2014 – Ø-Alter 26 Jahre

Sehr zum Unmut von Alt-Teamspielern von Polster über Krankl bis Prohaska zauberte ÖFB-Sportchef Ruttensteiner danach den Schweizer Marcel Koller aus dem Hut. Unter ihm hatte das chaotische und selten nachvollziehbare Herumgewurstle der DiCo-Zeit ein Ende, dafür hielt nun endlich Bedacht und Seriosität Einzug. Koller legte sich recht schnell auf eine erste Elf fest (die jener von Constantinis Team beim 0:2 daheim gegen Belgien schon frappant ähnelte). Kein Teil des Teams mehr war Paul Scharner, der Koller daraufhin öffentlich die Fähigkeit für den Job absprach.

Personelle Kontinuität und eine stringente Strategie, die auf hohem Pressing und schnellem Umschalten aufgebaut war, wurde immer besser verinnerlicht. In der Qualifikation für die WM in Brasilien forderte man Deutschland, erkämpfte vier Punkte gegen Irland, remisierte daheim gegen Schweden und ließ nur einmal wirklich unnötig Punkte liegen – beim 0:0 in Kasachstan. Natürlich war das Team noch sehr von der Präsenz eines Junuzovic und den Toren von Alaba abhängig, aber es entwickelte sich etwas. Vor allem Marko Arnautovic, von Bremen nach Stoke gewechselt, kam in ruhigeres Fahrwasser. Und Veli Kavlak ersetzte den am Ende der Quali verletzten Baumgartlinger auch recht patent.

Bis zum vorletzen Spiel, jenem in Schweden, bestand eine realistische Chance auf das WM-Playoff, aber in Stockholm waren die Schweden (noch) zu abgezockt. Österreich wurde Dritter und hatte Schlagdistanz zum zweiten Topf hergestellt.

Quali für die EM 2016

Österreich EM 2016
Quali für die EM 2016 – Ø-Alter 28 Jahre

Praktisch unverändert ging Koller, der den Vertrag trotz heftigem Bezirzen des 1. FC Nürnberg und des Schweizer Verbandes verlängerte, in den nächsten Anlauf. Und es wurde immer besser.

Einem okayen 1:1 daheim gegen Schweden folge ein mühsames 2:1 auswärts in Moldawien, aber dann ging’s los mit der Siegesserie: Heim-Erfolge gegen Montenegro (verdient) und Russland (etwas glücklich), danach ein 1:0-Sieg in Moskau und, als Meisterstück, das 4:1 in Stockholm – damit war fix, dass Österreich erstmals nach 18 Jahren wieder auf sportlichem Wege für ein Großereignis qualifiziert war. Und der Sieg in Montenegro nach Rückstand und widrigem Spielverlauf war womöglich sogar der wichtigste – weil er gezeigt hat, dass das Team auch dann einen unbändigen Willen hat und nicht aufsteckt, wenn es nicht läuft und es eigentlich auch um nichts mehr geht.

Nun geht diese seit vier Jahren gewachsene Truppe also in die Europameisterschaft. Gegen Ungarn, Portugal und Island in der Vorrunde, und hoffentlich noch mit dem einen oder anderen Match in der K.o.-Phase.

Und der Aussicht, vielleicht nicht wieder 18 Jahre warten zu müssen, ehe es in eine Endrunde geht. Das wäre übrigens 2034.

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Österreich kurz vor Toreschluss, Teil 1: Toni, Andi, Kegelabend https://ballverliebt.eu/2013/10/09/osterreich-kurz-vor-toreschluss-teil-1-toni-andi-kegelabend/ https://ballverliebt.eu/2013/10/09/osterreich-kurz-vor-toreschluss-teil-1-toni-andi-kegelabend/#comments Wed, 09 Oct 2013 02:33:07 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9596 Österreich kurz vor Toreschluss, Teil 1: Toni, Andi, Kegelabend weiterlesen ]]> Am Freitag kommt es zum Showdown: Österreich gastiert in der Friends-Arena von Stockholm, dann geht’s auf die Färöer-Inseln. Die entscheidenden Spiele, ob sich das ÖFB-Team erstmals seit 16 Jahren auf sportlichem Wege für ein Großereignis qualifizieren kann oder nicht. Aus diesem Anlass unser großer Zweiteiler: Österreich im Quali-Endspurt, ein Rückblick auf die letzten 24 Jahre: So lief es für Österreich in den Qualifikationen und so sah es kurz vor Ultimo aus.

Hier Teil 1: Von Polsters Gala gegen die DDR über die Regenschlacht von Belfast bis zu jenem Jahr, in dem die Vorwahl des ÖFB auf „0905“ geändert wurde.

1989: Mit Tonis Hattrick nach Italien

In die erste Quali unter Josef Hickersberger, jene für die WM 1990 in Italien, ging Österreich mit recht anständigen Test-Resultaten im Rücken: Siege über Ungarn und Dänemark, dazu ein 2:4 in Prag und ein 0:2 gegen Brasilien. Im Auftaktspiel in Kiew gegen die UdSSR gab’s ein 0:2, ehe man in Wien ein zwischenzeitliches 3:0 über die Türkei fast noch verschenkt hätte – 3:2 hieß es am Ende.

Nach dem Jahreswechsel gab’s den ersten echten Dämpfer: Im erschreckend leeren Leipziger Zentralstadion führte man nach einem frühen Polster-Tor lange mit 1:0 und hatte das Spiel fest im Griff, ehe ein Glücksschuss von Kirsten drei Minuten vor Schluss das 1:1 bedeutete. Fast noch schlimmer war das folgende 0:0 in Island, dem ein äußerst mühevoller 2:1-Heimsieg über die Skandinavier folgte. Wirklicher Glaube, es schaffen zu können, kam erst mit dem starken 0:0 daheim im rappelvollen Praterstadion gegen Vize-Europameister UdSSR auf.

Quali für die WM 1990 in Italien
Quali für die WM 1990 in Italien

So war zwei Spieltage vor Schluss Island schon fertig und auch schon raus, Österreich musste noch in die Türkei und hatte dann die DDR zur Gast – beide direkten Gegner. Die Euphorie nach dem tollen Punkt gegen die Sowjets wurde aber mit einem bitteren 0:3 in Istanbul ordentlich zusammen gefaltet. Nun brauchte es neben einem eigenen Sieg auch Schützenhilfe der Sowjets – weil diese völlig unerwartet in der DDR verloren hatten, daher gegen die Türkei zumindest noch einen Punkt brauchten.

Stand vorm letzten Spieltag: UdSSR 9, Türkei 7, DDR 7, Österreich 7. Die Stimmung in Österreich war alles andere als positiv. Vor allem Toni Polster hatten sich Fans und Medien als Sündenbock Nummer eins herausgepickt: Für Sevilla traf er in Spanien nach Belieben, im Nationalteam wirkte er oft lustlos. Was sich am 15. November 1989 ändern sollte: Weil Polster einen absoluten Gala-Tag erwischte, die Spieler aus Ostdeutschland mit den Köpfen aber eher bei der sechs Tage zuvor gefallenen Berliner Mauer waren und auch noch einen Elfmeter verschossen.

Toni Polsters Hattrick beim 3:0-Sieg  – einem geschenkten Elfer zum 2:0 inklusive – bedeutete auch wegen des gleichzeitigen 2:0 der Sowjets gegen die Türkei Gruppenplatz zwei, damit das WM-Ticket. In Italien gab es jeweils 0:1-Niederlagen gegen den Gastgeber und gegen die Tschechoslowakei, der abschließende 2:1-Erfolg gegen die USA reichte nicht mehr für das Achtelfinale.

1991: Nach Landskrona war alles aus

In der Qualifikation für die Euro 92 erwischte Österreich eine mörderisch starke Gruppe: Neben WM-Viertelfinalist Jugoslawien auch die Dänen, die nach einem Generationswechsel auf dem Weg nach oben waren. Dass das de-facto-Ende für Österreich in Schweden kam, hieß aber nicht, dass man sich für die Endrunde dort qualifiziert hatte – im Gegenteil, weil Pflichtspiel-Debütant Färöer nicht über ein eigenes Stadion verfügte, musste man für das allererste Spiel in das südschwedische Städtchen Landskrona ausweichen und besiegte dort prompt das rot-weiß-rote Team mit 1:0. Ein Spiel, über das im Grunde eh schon längst alles erzählt wurde.

Die Endrunde war abgeschrieben, Teamchef Hickersberger seinen Job los, und Österreich mit einem Schlag in ein dramatisches Loch gefallen. Unter dem neuen Trainer Alfred Riedl taumelte das zum Gespött Europas gewordene Team trotz früher Führung in ein 1:4 bei Ivica Osims Jugoslawen, holte nur ein 0:0 gegen Nordirland, und das 3:0 im Rückspiel gegen die Färöer war der einzige Sieg in der ganzen Quali – dazwischen gab’s in einem Test noch ein 0:6 gegen Schweden, danach ein 1:2 in Dänemark und nach dem 0:3 im Rückspiel gegen die Dänen war die Amtszeit von Riedl auch schon wieder vorbei.

Quali für die EM 1992 in Schweden
Quali für die EM 1992 in Schweden

Interimistisch war für die zwei letzten Spiele Didi Constantini der Verantwortliche, aber natürlich hatte weder das 1:2 in Belfast noch das abschließende 0:2 gegen Jugoslawien für das ÖFB-Team eine nennenswerte Relevanz. Für die Jugoslawen schon, weil sie sich erstens damit sportlich für die EM qualifizierten, es zweitens aber das letzte Pflichtspiel als kompletter Staatenbund sein sollte.

Die Geschichte ist hinlänglich bekannt: Nach dem Ausbruch des Krieges wurde das Team wenige Wochen vor der Endrunde ausgeschlsosen, der Gruppenzweite Dänemark rückte nach und wurde prompt Europameister.

1993: Gruppe war viel zu stark

Nach dem totalen Absturz sollte der schon von seiner Krebkskrankheit gezeichnete Ernst Happel die Zukunft auf den Weg bringen, letztlich ohne den unmittelbaren Siegdruck. Schließlich bekam man es in der Quali für die 1994er-WM in den USA mit gleich drei Weltklasse-Teams zu tun: Den amtierenden EM- und späteren WM-Semifinalisten Schweden, dazu Frankreich und auch noch jenen Bulgaren, die in den Staaten in ins Halbfinale kommen sollen.

Die Gruppe war für das umformierte ÖFB-Team natürlich viel zu stark. Dem 0:2 zum Start in Frankreich (mit einem großartigen Tor von Papin nach feiner Vorlage von Cantona) folgte ein 5:2-Sieg gegen Israel im letzten Spiel, das Happel erleben sollte – vier Wochen später starb er. Für das anstehende Freundschaftsspiel in Deutschland übernahm wieder Didi Constantini, dann wurde der U-21-Teamchef zum A-Teamchef befördert: Herbert Prohaska.

Nach dem 0:1 daheim gegen Frankreich (wieder Papin nach Cantona-Assist) folgte mit dem starken 3:1-Heimerfolg gegen Bulgarien ein Spiel, dass die Hoffnung auf eine WM-Teilnahme durchaus nährte. Man wähnte sich in einem Dreikampf mit den Bulgaren und den Schweden um den zweiten Gruppenplatz hinter den schon enteilt scheinenden Franzosen, ehe ein peinliches 1:3 in Finnland und dann das 0:1 in Schweden mit einem reichlich patscherten Gegentor dieses zarte Pflänzchen schnell zum verwelken brachte, daran änderte auch das 3:0 gegen Finnland nichts mehr.

Quali für die WM 1994 in den USA
Quali für die WM 1994 in den USA

So galt schon vor dem folgenden 1:4 gegen Bulgarien der Fokus schon der kommenden EM-Quali und das das 1:1 in Tel-Aviv und auch das 1:1 daheim gegen Schweden waren kaum noch mehr als Testspiele unter Wettkampf-Bedingungen. Österreich beendete die vermutlich schweste Gruppe, in der man jemals war, als Vierter, während Bulgarien mit einem der unglaublichsten Finishes der Fußball-Geschichte mit einem Kontertor in der 90. Minute des letzten Spiels beim direkten Gegner Frankreich noch 2:1 gewann und damit in allerletzter Minute das WM-Ticket buchte.

1995: Vom Winde verweht (und vom Regen auch)

Österreich sah sich mit WM-Achtelfinalist Irland und den chronischen Under-Achievern Portugal in einer grundsätzich nicht unmachbaren Gruppe für die Euro-96-Quali, allerdings waren die Testspiele davor der pure Horror. 1:2 gegen Schottland, 4:3 mit Emmentaler-Abwehr gegen die irrelevanten Polen, eine 1:5-Ohrfeige daheim von Deutschland, und nach einer ganz besonders erbärmlichen Darbietung beim 0:3 im letzten Test, Walter Schachners Abschiedsspiel gegen Russland, wollte Prohaska schon hinschmeißen – nur ein ihn zum Bleiben anflehender ÖFB-Präsident Mauhart konnten Prohaska umstimmen.

Immerhin: Zum Auftakt gab es dann den ersten Pflichtspiel-Auswärtssieg seit einem 1:0 in Albanien über sechs Jahre (!!!!!) davor – ein 4:0 bei Fußball-Weltmacht Liechtenstein. Danach ging aber erst einmal alles den nach der Vorbereitung erwarteten Gang: Von Nordirland im Happel-Stadion beim 1:2 klar ausgespielt (einem herrlichen Gillespie-Tor inklusive), dann 0:1 in Portugal verloren – trotz einigermaßen okayer Leistung. Dann passierte aber etwas, womit man nicht rechnen konnte: Salzburg schwang sich zu einem unglaublichen Lauf bis ins Uefa-Cup-Finale auf, ein Schwung, von dem auch das ÖFB-Team getragen wurde.

Denn es folgte ein Frühling mit starken Leistungen, einem 5:0-Kantersieg gegen Lettland und einem 7:0-Erfolg gegen Lichtenstein – beide im alten Lehener Stadion von Salzburg; gekrönt vom 3:1-Auswärtssieg in Irland. Plötzlich war Österreich wieder voll im Geschäft, bis… Ja, bis die Schmach von Riga kam. Ein völlig unnötiger 2:3-Umfaller auswärts in Lettland schien die Chancen zu begraben, doch ein reichlich glücklicher 3:1-Heimerfolg gegen Irland, der neben Dreifach-Torschütze Stöger vor allem einem Konsel in Gala-Form zu verdanken war, und alles war wieder drin.

Quali für die EM 1996 in England
Quali für die EM 1996 in England

Österreich hatte noch ein Heimspiel gegen Portugal auf dem Programm und musste nach Nordirland; die Iren hatten ein Heimspiel gegen Lettland und die Reise nach Lissabon noch vor sich. Irland gewann erwartungsgemäß gegen die Letten, aber auch Österreich zeigte beim 1:1 gegen Portugal eine ansprechende Leistung, bei der auch ein Sieg absolut nicht unverdient gewesen wäre.

Vorm letzten Spieltag stand es also: Portugal 20, Irland 17, Österreich 16, Nordirland 14. Die Nordiren hatten wegen den gegen Irland verlorenen Direktvergleichs keine Chance mehr, Österreich wäre also bei einem eigenen Sieg und gleichzeitigem Punktverlust von Irland bei den Portugiesen (die ihrerseits noch einen Punkt brauchten, um sicher zu sein) fix bei der EM gewesen und hätte nicht einmal ins Play-Off der beiden schlechteren Gruppenzweiten gemusst.

Und Portugal gewann auch gegen die Iren, mit 3:0 sogar. Aber Österreich… Im böigen Wind, der eisigen Kälte und dem sintflutartigen Regenfall von Belfast zeigte sich das ÖFB-Team von seiner allerschlechtesten Seite und verlor sang- und klanglos 3:5, wobei das Resultat noch deutlich besser aussieht als die Leistung war. So beendete Österreich die Quali sogar nur auf Platz vier.

1997: Frankreich, wir kommen!

Die Stimmung hellte sich bei der Auslosung für die Gruppen der WM-Quali für Frankreich merklich auf. Mit EM-Teilnehmer Schottland und den Schweden, die die EM sogar verpasst hatten, blieb man von wirklichen Kalibern verschont. In den Testspielen würgte man sich mit teils äußerst unansehnlichen Leistungen zu Siegen gegen die Schweiz, Ungarn und Tschechien, im Auftakt-Spiel wollte man wie Gegner Schottland möglichst keinen Fehler machen, was in einem eher trostlosten 0:0 mündete.

Was folgte, war die Initialzündung für einen denkwürdigen Durchmarsch. Andi Herzog brachte Österreich in Schweden früh in Führung, daraufhin wurde man vom Trekronor-Team eigentlich nach allen Regeln der Kunst zerlegt, war komplett chancenlos – aber rettete ein hochgradig unverdientes, aber immens wichtiges 1:0 über die Zeit. Das folgende 2:1 gegen Lettland war zwar nicht besonders schön, erfüllte aber den Zweck und brachte Toni Polster das 45. Länderspieltor, das ihm zum Rekordhalter machte.

Das 0:2 in Schottland nach Jahreswechsel war der letzte Ausrutscher. Es folgte ein 2:0 gegen Estland (mit Ivica Vastic‘ erstem Länderspieltor), ein 3:1 in Lettland und ein 3:0 mit Polster-Hattrick in Estland. Im September kam es dann in Wien zum großen Showdown gegen Schweden. Ein Spiel, dass diese Spieler-Generation definieren sollte, ein enges Spiel, mit drei Ausschlüssen von einem fehlerfreien Referee, wenig gutem Fußball, aber höchster Spannung von An- bis Abpfiff. Andi Herzogs Weitschusstor eine Viertelstunde vor Schluss bescherte Österreich den 1:0-Erfolg und damit die Pole-Position in der Gruppe.

Quali für die WM 1998 in Frankreich
Quali für die WM 1998 in Frankreich

Mit dem WM-Ticket vor Augen verkrampfte das ÖFB-Team beim Auswärtsspiel in Weißrussland aber völlig. Das goldene Tor von Heimo Pfeifenberger brachte einen äußerst glücklichen 1:0-Sieg und damit auch schon fix die WM-Teilnahme, weil man selbst bei einer Pleite im letzten Spiel gegen die Weißrussen bester Gruppenzweiter gewesen wäre. Ein Rechenspielchen, das nicht in der Praxis angewandt werden musste: Österreich fuhr bei der großen Party im Happel-Stadion lockerleicht 4:0 über die Weißrussen drüber und war Gruppensieger.

Nach acht Jahren war das ÖFB-Team wieder bei einer Endrunde dabei, in Frankreich gab es durch Last-Minute-Tore jeweils 1:1-Remis gegen Kamerun und Chile und ein 1:2 gegen Italien zum Abschluss. Wie 1990 Gruppendritter, wie 1990 nicht genug für das Achtelfinale.

1999: Der Kegelabend von Valencia

Die Mannschaft hatte ein Durchschnittsalter von knapp 30 Jahren, war also eigentlich bei der WM schon über den Zenit hinaus. Dennoch glaubte man für die EM 2000 in Holland und Belgien gute Karten zu haben, schließlich hatte man eine wirklich nicht allzu schwere Gruppe erwischt. Außerdem gab’s vorm Auftakt noch ein starkes 2:2 gegen den frischgebackenen Weltmeister Frankreich.

Auch, wenn das 1:1 zum Start in der Regenschlacht gegen Israel nicht ganz das war, was man sich erwartete, man auch beim 3:0 in Zypern und ganz speziell beim 4:1 in San Marino nicht direkt glänzte: Der Fahrplan stimmte, und wegen des Fehlstarts von Spanien (Niederlage in Zypern) überwinterte Österreich sogar als Tabellenführer.

Und dann kam der Kegelabend von Valencia. Doch anders als die letzte Blamage diesen Ausmaßes, der von Landskrona, beendete das 0:9 in Spanien zwar die Amtszeit des Teamchefs, nicht aber die Chancen auf die EM. Denn am Ende war es letztlich auch nur eine Niederlage und die Tordifferenz war ja im Kampf um Platz zwei völlig irrelevant, es zählte schließlich der Direktvergleich.

Weil Ivica Osim, um den ÖFB-Präsident Mauhart heftig buhlte, nicht seinen guten Posten bei Sturm Graz aufgeben wollte und Roy Hodgson am Veto von Fans, Medien („kein Externer!“) und Experten („keiner, der Viererkette spielt, das macht in Österreich keiner!“) scheiterte, wurde Otto Baric als Teamchef installiert und er führte sich gleich mit einem 7:0 über San Marino ein. Ehe er sich in Tel-Aviv sein persönliches Valencia abholte. Das 0:5 in Israel beendete dann auch die letzten Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme und vor dem Heimspiel gegen Spanien beschränkten sich die Hoffnungen darauf, bitte vielleicht nicht wieder wie ein kranker Vogel abgeschossen zu werden. Die Iberer waren gnädig, gewannen „nur“ mit 3:1.

Quali für die EM 2000 in Belgien und Holland
Quali für die EM 2000 in Belgien und Holland

Da Israel am vorletzten Spieltag gegen San Marino spielte und Österreich da spielfrei war, war die Quali auch rechnerisch nicht mehr möglich. Zum Abschluss gab es ein 3:1 gegen Zypern, das angesichts des gerade ansetzenden Champions-League-Wunders von Sturm Graz genau gar keinen interessierte. Österreich wurde Dritter und die Israeli gingen im Play-Off gegen Dänemark mit 0:5 und 0:3 ein wie die Primeln.

In Teil 2: Von einer schlecht postierten israelischen Mauer über ein irre-reguläres Spiel bis zu David Alaba.

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Eine Mannschaft, ein Ziel: WM in Kanada! https://ballverliebt.eu/2013/09/19/eine-mannschaft-ein-ziel-die-wm-in-kanada/ https://ballverliebt.eu/2013/09/19/eine-mannschaft-ein-ziel-die-wm-in-kanada/#respond Thu, 19 Sep 2013 21:38:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9491 Eine Mannschaft, ein Ziel: WM in Kanada! weiterlesen ]]> Acht Tickets hat die FIFA den europäischen Mannschaften zugesprochen, für die Endrunde der Frauen-WM im Jahr 2015 in Kanada. An diesem Wochenende startet die sieben Qualifikations-Gruppen – und mit dabei ist natürlich auch Österreich. Letztes Jahr erst im Play-Off an der Teilnahme an der vor zwei Monaten ausgetragenen EM gescheitert, peilt die im Schnitt erst 21,5 Jahre alte Truppe nun Gruppenplatz zwei hinter den praktisch unschlagbaren Französinnen an. Der kann zum Play-Off reichen.

Zum Start geht’s am Samstag in Vöcklabruck gegen Bulgarien – da ist ein klarer Sieg zu erwarten – und am Mittwoch auswärts gegen EM-Teilnehmer Finnland. Ballverliebt stellt die Mannschaft vor, die für Rot-Weiß-Rot an den Start geht.

Voraussichtliche Startformation Österreichs
Voraussichtliche Startformation Österreichs

Zehn Monate sind vergangen, seit Österreichs Fußball-Frauen zum ersten Mal überhaupt in den Play-Offs für ein großes Turnier gespielt haben. Gegen Russland klappte es mit dem letzten Schritt nicht, die EM fand ohne Österreich statt – nun beginnt der nächste Anlauf. Der ungleich schwerer wird, weil für die Weltmeisterschaft 2015 in Kanada nur acht Plätze an Teams aus Europa gehen, davon sieben an die Gruppensieger.

group 7

Zum Start im Rennen um dieses achte Ticket geht es am Samstag in Vöcklabruck gegen Bulgarien, vier Tage später in Turku gegen Finnland. Ersteres ist ein Pflichtsieg, zweiteres schon eine vorentscheidende Partie im Rang um jenen zweiten Platz, der es sein muss, will man eine Chance haben. Die vier besseren Zweiten aus den sieben Gruppen ermitteln in K.o.-Duellen, wer die Gruppensieger nach Kanada begleitet.

Bei Österreich ist seit der EM-Quali manches gleich geblieben, manches hat sich aber auch grundlegend verändert. Hier ein Überblick.

Tor

Geht als Nr. 1 in die WM-Quali: Anna-Carina Kristler (Foto: Gerhard Möhsner)
Geht als Nr. 1 in die WM-Quali: Anna-Carina Kristler (Foto: Gerhard Möhsner)

Vor zwei Jahren ging Anna-Carina Kristler als Nummer eins in die Quali, wurde dann von Jasmin Pfeiler verdrängt und erlangte am Ende ihren Platz zurück. Auch weil sich Pfeiler in der Zwischenzeit in die Karenz verabschiedet hat, hat sich die 25-jährige Kärntnerin Kristler als klarer Einser-Goalie etabliert.

Sie verfügt über gute Reflexe und ist stark auf der Linie, mitunter war sie in der Vergangenheit jedoch etwas wackelig beim Herauslaufen, hat ihre Fehlerquote (die ihr vor anderthalb Jahren zwischenzeitlich den Startplatz gekostet hatten) mittlerweile aber deutlich reduziert. Kann sich zudem nicht über fehlende Beschäftigung bei ÖFB-Frauenliga-Aufsteiger Sturm Graz beklagen.

Ihr Einsatz war vor zwei Wochen noch äußerst fraglich: Im Liga-Spiel gegen Altenmarkt wurde sie von Olga Lasová ziemlich abgeräumt. Der Verdacht auf Oberschenkelbruch bewahrheitete sich gottlob aber nicht.

Ihr Back-up ist nun Manuela Zinsberger, 17 Jahre jung und hoch veranlagt, von Abo-Meister Neulengbach.

Verteidigung

Vor Kristler gab es die größten personellen Veränderungen. Aus der Abwehrkette von der EM-Quali ist nur noch Carina Wenninger übrig – Rechtsverteidigerin Marion Gröbner (10 Jahre Nationalspielerin), Innenverteidigerin Susi Höller (5 Jahre) und Kapitänin Marlies Hanschitz (10 Jahre), die auf links spielte, sind nicht mehr mit dabei.

Abwehr-Chefin Carina Wenninger (Foto: Gerhard Möhsner)
Abwehr-Chefin Carina Wenninger (Foto: Gerhard Möhsner)

Die mit 1,78 m recht große Wenninger ist seit vier Jahren Stammspielerin bei Bayern München, hat trotz ihrer erst 22 Jahre schon 36 Länderspiele in den Beinen (sie debütierte, wie auch Puntigam und Schnaderbeck, schon mit 16 Jahren) und ist auch außerhalb des Platzes für die Gruppe enorm wichtig – nicht umsonst setzten sich alle dafür ein, dass sie letztes Jahr trotz ihrer Gelbsperre zum Rückspiel nach Russland mitfliegen durfte.

Ihre neue Partnerin in der Zentrale ist jene Spielerin, die die gesperrte Wenninger in Rostov ersetzt hatte: Virginia Kirchberger vom deutschen Bundesliga-Aufsteiger Cloppenburg. Ihre Klubkollegin Verena Aschauer, die gegen Ende der EM-Quali als linke Mittelfeldspielerin ins Team kam und gegen Dänemark mit ihrem wunderbaren Tor das sensationelle 3:1 gegen den späteren EM-Halbfinalisten einleitete, ist die neue Linksverteidigerin.

Rechts dürfte nun Heike Manhart endlich ihre Position im Nationalteam gefunden haben. Die Steirerin war schon im zentralen Mittelfeld aufgeboten, auch schon links offensiv, musste im ÖFB-Trikot auch immer wieder verletzt vorzeitig vom Platz. Ob die platinblonde 20-Jährige, die ihrem ehemaligen Trainer vom FC Südburgenland, Csaba Mittersiller, zum ungarischen Top-Klub Szombathely folgte, eine Lösung aus Mangel an Alternativen ist oder sich wirklich festsetzt, wird sich zeigen. Zuletzt im Test gegen Belgien sah das schon mal nicht völlig verkehrt aus.

Mittelfeld

Die Besetzung des Mittelfelds blieb gegenüber der ersten Quali-Kampagne unter Dominik Thalhammer personell unverändert, die genaue Rollenverteilung wurde aber in den Trainingslagern und den fünf Testspielen im Jahr 2013 verfeinert. Gerade hier soll die Vorgabe umgesetzt werden, ballsicherer zu werden, mehr selbst aktiv zu werden, gedankenschneller zu handeln und sich mehr Chancen herauszuspielen. Was damit genau entgegen dem zuletzt bei der EM ganz massiv etablierten Trend geht, vor allem reaktiven Umschalt-Fußball zu spielen. Auch hier gilt aber: Das hat gegen Belgien, und auch dem vernehmen nach beim 2:2 in Irland im Juni, schon recht gut funktioniert.

Im Zentrum agiert weiterhin das bewährte steirische Duo mit Viktoria Schnaderbeck und Sarah Puntigam, die schon vor viereinhalb Jahren beim Algarve Cup erstmals zusammen agierten, als 18- bzw. 16-Jährige. Mehr als in der Vergangenheit lässt sich nun eine der beiden – zumeist eher Schnaderbeck – zwischen die Innenverteidiger fallen, um den Außenverteidigern das Aufrücken zu ermöglichen. Die jeweils andere – eben zumeist die letzten Winter von den Bayern in die Schweiz gewechselte Puntigam – agiert höher. Dadurch, dass sich beide schon lange kennen, ist die Abstimmung gut. Leichtes Problem war zuletzt nur, dass der Abstand zwischen Abwehr und Rest der Mannschaft mitunter etwas groß war.

Gefährlich von der rechten Seite: Laura Feiersinger (Foto: Gerhard Möhsner)
Gefährlich von der rechten Seite: Laura Feiersinger (Foto: Gerhard Möhsner)

Dass die AV aufrücken können, ist wichtig für die Außen-Spielerinnen im Mittelfeld. Auf der linken Seite hat sich Nadine Prohaska festgesetzt. Sie ist an sich gelernte zentrale Mittelfeld-Spielerin und hat dadruch ein Gespür für gutes Defensiv-Verhalten – vor allem gegen aufrückende AV des Gegners oft nicht unwichtig.

Auf der rechten Seite ist Laura Feiersinger gesetzt. Anders als ihr Vater, der ja Libero war, ist bei ihr vor allem der Vorwärtsgang gefragt. Mit ihrem Tempo, ihrem Zug nach vorne und ihrer Spielfreude ist sie von essenzieller Bedeutung für das Team. Im Trikot der Nationalmannschaft hat sie zwar bisher „nur“ fünf Tore erzielt, darunter waren aber zwei ganz extrem wichtige – nämlich jene bei den beiden 1:0-Siegen gegen Portugal in der EM-Quali. Sie ist zudem eine von drei aktuellen Team-Spielerinnen von Bayern München; mit Kirchberger, Puntigam und Prohaska gibt es dazu noch drei ehemalige im Kader.

Die beiden Außen rücken nun entweder hoch auf, wodurch sich ein 4-2-4 ergibt (mit dem vor allem die Abseitslinie hervorragend bespielt werden kann, wie sich gegen Belgien zeigte), oder rücken ein wenig ein, um von den AV die Breite hineinbringen zu lassen.

Angriff

Drei Tore fehlen Nina Burger noch, dann hat sie Gerti Stallinger eingeholt. Ein viertes, und die – man möchte es angesichts ihrer erst 25 Jahre kaum glauben – älteste Spielerin im Kader ist alleinige Rekord-Torschützin im ÖFB-Trikot. Stallinger hat zwischen 1990 und 2005 für ihre 30 Treffer 56 Länderspiele gebraucht, für Burger (deren ersten vier Länderspiele gleichzeitig die letzten vier für Stallinger waren) ist die Partie gegen Bulgarien die 48. im Trikot mit dem Bundesadler vorne drauf. Ihr selbst ist diese Marke zwar laut eigener Aussage egal, sie zeigt aber schon, wie sehr die Mannschaft von Burger abhängig ist.

Nina Burger ist bald Österreichs Rekord-Torschützin (Foto: Gerhard Möhsner)
Nina Burger ist bald Österreichs Rekord-Torschützin (Foto: Gerhard Möhsner)

Ihre Partnerin im Angriff steht auch in der Wahrnehmung im Schatten von Burger – was Lisa Makas gegenüber aber eigentlich nicht ganz fair ist. Die 21-Jährige von Cupsieger St. Pölten-Spratzern ist vor allem durch ihre Laufwege wichtig, die gegnerische Abwehrketten auseinander ziehen soll. Was allerdings dennoch nichts daran ändert, dass sie im Nationalteam ruhig etwas torgefährlicher werden könnte: Fünf ihrer acht Tore im ÖFB-Trikot erzielte Makas in ihren ersten vier Länderspielen.

Dennoch kann sich Makas ihres Platzes vor allem nach dem Kreuzbandriss von Conny Haas ziemlich sicher sein, weil es (noch?) keine wirklichen Alternativen gibt. Laura Feiersinger kann in der Spitze spielen, ist aber auf dem rechten Flügel besser aufgehoben; genau wie Team-Küken Jelena Prvulovic. Maria Gstöttner ist seit 2008 nur noch im Ausnahmefall dabei.

Die Gruppe

Die Ausgangslage ist recht simpel: Frankreich ist für alle außer Reichweite. Trotz des peinlichen Viertelfinal-Aus bei der EM, das Ex-Teamchef Bruno Bini den Job gekostet hat, ist Frankreich dennoch die wohl talentierteste und beste Mannschaft des Kontinents. Alles andere als das Punktemaximum am Ende der Qualifikation wäre eine kleine Sensation.

Auftaktgegner Bulgarien sammelte zuletzt in der EM-Quali in zehn Spielen null Punkte und 1:54 Tore, Kasachstan gewann zwar gegen die Schweiz (wie auch immer das zugegangen sein mag), wurde aber in Deutschland mit 0:17 abgeschossen. Und die Ungarinnen beendeten ihre Gruppe in der EM-Qualifkation als Vorletzter mit zehn Punkten, wobei es aber sechs dieser Punkte eben gegen Bulgarien gab. Kurz gesagt: Wenn man den Anspruch hat, in dieser Gruppe Zweiter zu werden, darf man in diesen sechs Spielen sehr wenig liegen lassen. Wenn man einer der vier besseren Zweiten werden will, müssen sechs möglichst klare Siege her.

scheduleBleibt Finnland. Bei der EM im Sommer schied Finnland nach der Vorrunde aus, mit zwei (glücklichen) Remis gegen Italien und Dänemark und einer 0:5-Ohrfeige von Schweden. Im Spiel nach vorne eher bieder, im Verteidigen von Flanken schwach, und beim Spiel in Turku auch ohne Kapitänin Saari (Verteidigerin) und Stürmer Sällström (beide verletzt). Aber mit der internationalen Erfahrung auch einer Heim-EM vor vier Jahren, und mit dem Selbstverständnis, in dieser Gruppe natürlich Zweiter zu werden.

Der erste Doppel-Spieltag

Dass es gegen Bulgarien einen Sieg gibt, steht eigentlich außer Frage und sollte, wenn nichts dramatisch schief geht, nur eine Frage der Höhe sein. In Finnland wird sich zeigen, wie weit die Mannschaft wirklich schon ist. Mit Zählbarem im Gepäck aus Turku heimzureisen, ist sicher nicht leicht, aber auch sicher nicht unmöglich.

(phe)

Ein ganz ganz großes Dankeschön an Gerhard Möshner und die Freunde des ÖFB-Frauen-Nationalteams dafür, dass wir die Bilder verwenden dürfen!

Kader: Tor: Anna-Carina Kristler (25 Jahre, Sturm Graz, 16 Länderspiele), Manuela Zinsberger (17, Neulengbach, 1). Abwehr: Verena Aschauer (19, Cloppenburg, 9), Gini Kirchberger (20, Cloppenburg, 13), Heike Manhart (20, Szombathely, 15), Julia Tabotta (19, St. Pölten, 2), Lisi Tieber (23, Sturm Graz, 10), Carina Wenninger (22, Bayern München, 36). Mittelfeld: Laura Feiersinger (20, Bayern München, 23), Jenny Pöltl (20, Eastern Tennessee State, 11), Nadine Prohaska (23, St. Pölten, 33), Sarah Puntigam (20, Kriens, 31), Viktoria Schnaderbeck (22, Bayern München, 23), Katja Trödthandl (24, Landhaus, 13), Sarah Zadrazil (20, Eastern Tennessee State, 8). Angriff: Nina Burger (25, Neulengbach, 47), Lisa Makas (21, St. Pölten, 23), Jelena Prvulovic (19, Landhaus, 2). Teamchef: Dominik Thalhammer (42, seit zweieinhalb Jahren)

Kader Bulgarien: Tor: Stanimira Matarova (24 Jahre, Sportika Blagoevgrad), Roxana Shahanska (21, NSA Sofia). Abwehr: Neli Atanasova (21, NSA), Nikoleta Boycheva (19, Magdeburg), Anelia Kukunova (19, Ekomet Plovdiv), Lidia Nacheva (20, Levante/ESP), Joana Papazova (21, NSA), Monika Rashgeva (20, NSA), Radoslava Slavcheva (29, Medik Konin/POL). Mittelfeld: Polina Georgieva (Supersport Sofia), Borislava Kireva (24, NSA), Liliana Kostova (25, Apollon Limassol/CYP), Dejana Petrakieva (31, NSA), Kristina Petrunova (21, Sportika). Angriff: Velislava Dimitrova (19, Magdeburg), Mariana Gagova (19, NSA), Valentina Gospodinova (26, NSA), Velika Koshuleva (22, NSA). Teamchef: Emil Kartselski (34, neu).

Kader Finnland: Tor: Tinja-Riikka Korpela (27 Jahre, Lilleström, 47 Länderspiele), Siiri Välimaa (23, NiceFutis, 0). Abwehr: Tuija Hyyrynen (25, Umeå, 56), Laura Kivistö (32, Vantaa, 12), Emma Koivisto (19, Espoo, 5), Susanna Lehtinen (30, Örebro, 71), Nea-Stina Liljedal (20, Espoo, 0), Katri Nikso-Koivisto (30, Lilleström, 77), Anna Westerlund (24, Piteå, 59). Mittelfeld: Emmi Alanen (22, Umeå, 29),>Adelina Engman (18, Åland, 9), Annika Kukkonen (23, Sunnanå, 41), Nora Heroum (19, Espoo, 15), Marianna Tolvanen (20, Espoo, 32), Leena Puranen (26, Jitex Mölndal, 55). Angriff: Juliette Kemppi (19, Åland, 0), Heidi Kivelä (24, Vantaa, 4), Jaana Lyytikäinen (30, Åland, 34), Sanna Talonen (29, Örebro, 90). Teamchef: Andrée Jeglertz (41, seit vier Jahren).

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„Der Sprung ins Ausland ist auf keinen Fall ein Fehler!“ https://ballverliebt.eu/2012/03/30/der-sprung-ins-ausland-ist-auf-keinen-fall-ein-fehler/ https://ballverliebt.eu/2012/03/30/der-sprung-ins-ausland-ist-auf-keinen-fall-ein-fehler/#comments Thu, 29 Mar 2012 22:37:20 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6913 „Der Sprung ins Ausland ist auf keinen Fall ein Fehler!“ weiterlesen ]]> – Interview mit ÖFB-Teamspielerin Nadine Prohaska

Jubiläum für das Frauen-Nationalteam: Am Sonntag steigt in Armenien das 100. Spiel der Verbandsgeschichte. Und am Gründonnerstag wartet beim 101. Antreten eine Schnittpartie in der EM-Quali! In Wiener Neustadt geht es gegen Portugal. Mit dabei ist auch eine Deutschland-Heimkehrerin.

Voller Einsatz: Nadine Prohaska (r.) ist aus dem ÖFB-Team nicht mehr wegzudenken (Foto: Rudi Dannenbaum)

Drei Punkte in Jerewan sind Pflicht, ehe es im Heimspiel gegen Portugal darum geht, das erfreuliche 1:0 aus der Auswärtspartie im Herbst zu bestätigen und so die Chance auf die EM 2013 in Schweden zu wahren. Ehe die Mannschaft nach Armenien abgehoben ist, hat sich Ballverliebt noch mit Nadine Prohaska unterhalten. Die 21-Jährige, die im Winter von Bayern München zurück in die heimische Liga gewechselt ist, über die EM-Quali, über die Herausforderung, Neulengbach zu entthronen und über den Sprung ins Ausland.

Nadine Prohaska, am Sonntag geht’s in Jerewan gegen Armenien. Diese Mannschaft war bislang nur ein Punktelieferant – sind die Reisen dorthin und wieder zurück womöglich anstrengender als das Spiel?

Naja, die Reise ist schon mal ganz sicher anstregend. Man ist den ganzen Tag unterwegs, womöglich kommen dann auch noch Flugverspätungen dazu… Aber es ist auf keinen Fall so, dass wir darüber die Konzentration auf das Spiel verlieren. Wir sind klarer Favorit und sollten deutlich gewinnen. Wir werden auch sicher wieder viel offensiver spielen als beim Testspiel zuletzt in Spanien, ganz klar. Wir dürfen und werden Armenien sicher nicht unterschätzen. Das Hinspiel haben wir 3:0 gewonnen, da wird’s sicher noch eine Video-Analyse geben. Wir sind gut vorbereitet.

Am Gründonnerstag steht dann in Wiener Neustadt das Heimspiel gegen Portugal an. Ist das schon ein Thema oder gilt erst der ganze Fokus Armenien?

Erst müssen wir ganz klar die Pflichtaufgabe in Armenien erfüllen. Aber dann zählt nur noch Portugal! Wir haben auswärts 1:0 gewonnen, das war für die Portugiesinnen ein ganz großer Rückschlag. Die brennen sicher auf Revanche, das hat ihnen wehgetan. Es wird auf jeden Fall ganz schwierig, die sind mit uns auf Augenhöhe.

Wie lief die Partie beim 1:0-Sieg in Portugal im November ab?

Die Spiele des ÖFB-Teams in der EM-Quali

In der ersten Halbzeit haben wir sehr diszipliniert gespielt, waren die bessere Mannschaft und sind auch hochverdient in Führung gegangen. Gegen Ende hat Portugal noch ziemlichen Druck entwickelt, aber wir haben das 1:0 gottlob drübergebracht – wir hätten ja den Sack schon längst zumachen können, da wäre ein Ausgleich extrem ärgerlich gewesen.

Was kann man vom Heimspiel in Wr. Neustadt erwarten?

In Portugal war es ein enges und kampfbetontes Spiel. Das wird es am Donnerstag ohne Frage auch werden. Wir werden großen Kampfgeist zeigen müssen, denn mit spielerischen Mitteln alleine werden wir sie nicht schlagen.

Wie stehen die Chancen, tatsächlich Gruppenzweiter zu werden und in die Play-Offs zu kommen? Ein Punktverlust der Tschechinnen am Samstag in Portugal würde sicher helfen…

Der Gruppensieger (und der beste der sieben Zweiten) sind für die EM 2013 qualifiziert, die Zweiten spielen Play-Off

Ja, aber trotzdem wird sich wohl alles auf unser Spiel in Tschechien im Juni als Endspiel um Platz zwei hinauslaufen – das wird super, da freue ich mich schon riesig darauf. Es wird sehr, sehr schwer, aber wir haben beim 1:1 im Hinspiel gesehen, dass wir mithalten konnten. Es ist unser ganz großes Ziel, uns zu qualifizieren, und dafür geben wir alles. So nah dran waren wir einer erfolgreichen Quali für ein großes Turnier noch nie!

Bei diesem 1:1 gegen die Tschechinnen war auffällig, dass das ÖFB-Team am Ende noch Gas geben konnte, während der Gegner körperlich längst am Ende war.

Das stimmt, was die Fitness betrifft, sind wir auf einem guten Level. Die Spielerinnen werden da vom ÖFB gut dabei unterstützt, da bekommen wir auch Programme mit, die wir zu absolvieren haben.

Im Oktober gegen Armenien haben Sie auf der Zehner-Position gespielt, zuletzt im Verein auf der Sechs. Wo fühlen Sie sich da wohler?

So lange es eine Position im Zentrum ist, ist alles in Ordnung… die Außenbahn ist nicht mein Metier. Bei den Bayern habe ich hauptsächlich auf der Sechs gespielt, jetzt in Spratzern ist es genauso. Wobei ich sagen muss, dass es mir schon taugt, wenn ich mich in die Offensive einschalten kann.

Gibt es einen Unterschied, ob man in Deutschland im defensiven Mittelfeld spielt, oder im Nationalteam, verglichen mit der heimischen Liga?

Natürlich. In der österreichischen Liga hat man viel mehr Platz und viel mehr Zeit am Ball, kann das Spiel besser lenken, kann mehr bewirken. Das ist in der deutschen Liga oder im Nationalteam anders.

Sie waren zweieinhalb Jahre bei Bayern München, wenn auch zumeist in der Zweitliga-Mannschaft. Was kann man da mitnehmen, für die österreichische Liga?

Extrem viel! Alleine das Tempo ist dort ein ganz anderes, selbst in der 2. Liga. Da geht’s viel schneller zu. Da muss man wissen, wohin man mit dem Ball will, bevor man ihn überhaupt hat. Was die Fitness angeht, muss man auf einem absoluten Top-Level sein. Und natürlich macht man auch taktisch einen riesigen Sprung nach vorne. Das sind alles Sachen, die ich jetzt meinen Kolleginnen, die diese Erfahrung noch nicht haben, weitergeben kann.

Besteht nicht die Gefahr, dass man sich vom geringeren Tempo in der heimischen Meisterschaft runterziehen lässt?

Ja, da muss man sehr aufpassen und so gut es geht dagegen steuern. Aber es passiert automatisch, weil man hier einfach viel mehr Zeit am Ball hat.

Ist das Niveau der 2. Liga in Deutschland mit unserer ÖFB-Liga vergleichbar?

Seit Winter läuft Nadine Prohaska in der ÖFB-Liga für Spratzern auf (Bild: www.ffc-spratzern.at)

Ich glaube schon, dass die österrechischen Spitzenteams wie wir in Spratzern und natürlich Neulengbach in der zweiten Liga in Deutschland eine starke Rolle spielen könnten. Aber die Leistungsdichte ist dort natürlich viel höher, es gibt praktisch keine Mannschaften, die vom Niveau her wirklich abfallen.

Warum sind Sie dann von den Bayern weggegangen und sind zu Spratzern gewechselt?

Da ist viel zusammen gekommen. Zum einen natürlich, dass ich in der ersten Mannschaft nicht viele Chancen bekommen habe. Das ist nicht lustig, wenn man dauernd nur auf der Bank sitzt und kaum Spielpraxis bekommt. Das ist nicht, was ich wollte. Dazu kam noch, dass ich jetzt viel besser meinem Studium nachgehen kann, das war per Fernstudium von München aus schon sehr mühsam. Und ich bin auch gerne wieder mehr daheim.

Wie ist der Wechsel zu den Bayern 2009 zustande gekommen?

Ich habe mich in München gemeldet, wollte dorthin. Ich habe ein Probetraining absolviert, und die haben mich genommen. Die Bayern hatten auch damals schon einige Österreichierinnen – Nina Aigner hat noch gespielt, Carina Wenninger war schon dort, Viki Schnaderbeck ist mit mir gewechselt.

Und warum jetzt der Transfer zu Spratzern? Bei Ihrem Ex-Team Neulengbach wäre die Chance auf Titel doch viel größer?

Stimmt schon, aber mich hat die sportliche Herausforderung gereizt. Ich will dabei helfen, dass auch mal jemand anderer die nationalen Titel holt und nicht immer nur Neulengbach.

Die beiden Teams haben punktgleich überwintert, im Cup gab’s zuletzt für Spratzern das Aus gegen Neulengbach, dann „nur“ ein 1:1 gegen den FC Südburgenland. Was fehlt noch für einen Titel, sei es Meisterschaft oder Pokal?

So steht’s derzeit in der ÖFB-Frauenliga. Nicht über die geringe Anzahl der Spiele wundern – die UEFA sperrt auch Termine für Junioren-Länderspiele, mehr als rund 20 Spieltage pro Saison sind in keinem Land drin.

Das 1:4 im Cup war schon extrem schade, weil wir gut mitgespielt haben. Neulengbach hat halt die Klasse, auch mal aus dem Nichts ein Tor zu schießen. Sie sind auf diesem Niveau routinierter als wir, sind auch schon länger zusammen, damit eingespielter. Es ist immer noch möglich, den Titel heuer schon zu holen, aber es wäre eher eine Überraschung. Nächste Saison wollen wir dann aber endgültig ernst machen!

Ist ein Wechsel ins Ausland noch mal ein Thema?

Jetzt erst einmal nicht, nein. Ich studiere Wirtschafts-Recht in Wien, dieses Studium möchte ich fertig bringen. Was dann kommt, weiß man eh nie, ich möchte die Möglichkeit nicht völlig abschreiben. Immerhin war’s in München trotz allem eine tolle Zeit. Aber im Moment bin ich einfach nur froh, dass ich regelmäßig zum Einsatz komme, spielen kann – und ich gewinne einfach gerne. Ich hab‘ bei Spratzern eine Riesenfreude!

Würden Sie Ihren Kolleginnen raten, den Sprung ins Ausland zu wagen?

Er ist zumindest auf gar keinen Fall ein Fehler, weil man einfach extrem viel lernen kann. Nicht nur sportlich, auch menschlich – das kann ich natürlich nur empfehlen. Aber es ist halt nicht ganz leicht, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Man muss sich selbst einschätzen können, ob man das auch Zeug dazu hat.

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen alles Gute!

Nadine Prohaska (21) ist seit 2008 im Nationalteam.
Die Wienerin spielte für Landhaus (bis 2007) und
Neulengbach (2007-09), ehe sie zu Bayern München
ging. Diesen Winter wechselte sie zu Spratzern.

Das Interview führte Philipp Eitzinger

Kader: Tor: Anna-Carina Kristler (23 Jahre, St. Veit, 8 Länderspiele), Jasmin Pfeiler (27, Altenmarkt, 14). Abwehr: Marion Gröbner (26, Herford, 33), Marlies Hanschitz (26, Innsbruck, 38), Susanna Höller (22, Sindelfingen, 27), Nina Klima (22, Spratzern, 0), Carina Wenninger (21, Bayern München, 25). Mittelfeld: Jasmin Eder (19, Cloppenburg, 5), Kathrin Entner (23, Neulengbach, 22), Laura Feiersinger (18, Bayern München, 10), Heike Manhart (19, Südburgenland, 7), Nadine Prohaska (21, Spratzern, 22), Sarah Puntigam (19, Bayern München, 18), Viktoria Schnaderbeck (21, Bayern München, 12), Daniela Tasch (23, Neulengbach, 9), Katja Trödthandl (22, Landhaus, 8). Angriff: Nina Burger (24, Neulengbach, 35), Maria Gstöttner (28, Neulengbach, 35), Cornelia Haas (25, LUV Graz, 4), Lisa Makas (19, Spratzern, 10).

Ebenfalls in dieser Woche kämpft das U19-Team unter Teamchefin Irene Fuhrmann in England in der Elite-Runde um die Qualifikation für die Junioren-EM. Ihr Kader für die Spiele gegen Wales (Samstag, 31. März), Finnland (Dienstag, 2. April) und England (Donnerstag, 5. April): Tor: Melissa Abiral (Neulengbach), Sabine Baumann (Landhaus). Abwehr: Verena Aschauer (Cloppenburg), Gina Babicky (Spratzern), Romina Bell (Neulengbach), Tina Charwat (Landhaus), Virginia Kirchberger (Cloppenburg), Jenny Pöltl (Südburgenland). Mittelfeld: Jelena Gatea (Bergheim), Sandra Hausberger (Innsbruck), Mona Kohn (Neulengbach), Katharina Schiechtl (Innsbruck), Cornelia Sochor (Neulengbach), Julia Tabotta (Spratzern), Sarah Wronski (Spratzern). Angriff: Arbresha Jahaj (Innsbruck), Simona Koren (LUV Graz), Sarah Zadrazil (Bergheim).

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Abo-Champ wehrt Herausforderinnen noch mal ab – aber Abstand wird kleiner https://ballverliebt.eu/2012/03/10/abo-champ-wehrt-herausforderinnen-noch-mal-ab-aber-abstand-wird-kleiner/ https://ballverliebt.eu/2012/03/10/abo-champ-wehrt-herausforderinnen-noch-mal-ab-aber-abstand-wird-kleiner/#respond Sat, 10 Mar 2012 00:45:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6824 Abo-Champ wehrt Herausforderinnen noch mal ab – aber Abstand wird kleiner weiterlesen ]]> Seit 2003 holten die Frauen von Neulengbach jedes Jahr das Double – doch die Zeit der absoluten Konkurrenzlosigkeit neigt sich dem Ende zu. Mit Spratzern, dem Nachbarn aus St. Pölten, gibt es endlich wieder ein Team, das dem Klassenprimus Nahe kommt. In der Liga überwinterten die Teams punktgleich, aber im direkten Duell im Cup-Viertelfinale behielt der Favorit die Oberhand. Auffällig beim (viel zu hohen) 4:1-Erfolg: Libero und Manndeckung, zwei Wing-Backs, unterbesetzte Zentralen und ein Team, das Fehler eiskalt nützt.

SV Neulengbach – ASV Spratzern 4:1

National haben in dieser Saison weder der Abo-Meister noch der neue Herausforderer ein Spiel verloren – das direkte Duell endete 0:0, alle anderen Spiele wurden jeweils gewonnen. So durfte man dieses Duell im Viertelfinale des ÖFB-Cups, mit dem die Frühjahrs-Saison startet, durchaus als Standortbestimmung sehen, wie nahe Spratzern wirklich schon dran ist. Zumal mit Teamspielerin Nadine Prohaska im Winter ein Kracher für das Mittelfeld von Bayern München verpflichtet werden konnte.

Libero und Manndeckung

Der Respekt vor Spratzern muss bei Neulengbach enorm gewesen sein. Schließlich wurden die drei größten Offensiv-Waffen, also das Sturm-Duo Walzl/Legenstein, sowie Linksaußen Makas knallhart in Manndeckung genommen. Bell kümmerte sich um Makas auf dem Flügel, Biróová um die nicht nur wegen ihrer Dreadlocks auffälligen Walzl und Celouch spielte den Kettenhund für Tanja Legenstein. Monica verblieb als Libero, sie lenkte die Abwehr und half aus, wo es nötig war.

So war das, was nominell ein 4-4-2 war, ein ziemlich schräges Gebilde, in dem sich die Abwehr zuweilen auf den Füßen stand, Mona Kohn die komplette linke Seite beackern musste (dazu später mehr) und in dem es auch ein nicht optimal besetztes Mittelfeld-Zentrum gab. Weil der brasilianische Winter-Neuzugang Darlene in die Mannschaft kam, musste für Maria Gstöttner, die bisher neben Nina Burger gestürmt hatte, ein neuer Platz gefunden werden. Der im zentralen Mittelfeld wurde es in diesem Spiel, der Weisheit letzter Schluss ist das aber nicht.

Mittelding aus 4-4-2 und 3-4-3

Inhaltlich war es also der Favorit, der auf den Herausforderer reagierte. Auch bei Spratzern hing die Formation ziemlich schräg auf dem Platz, hier griff aber viel eher ein Mannschaftsteil in den anderen. Die linke Seite, besetzt durch Nina Klima (auch zu ihr etwas später mehr) und Nationalteam-Joker Lisa Makas, stand wesentlich höher als die Kolleginnen auf der anderen Flanke. Dort spielte RV Jasmin Fischelmaier sehr defensiv und Kapitänin Zubkova kam eher von tieferen Positionen.

So präsentierten sich die Gäste gegen den Ball in einem 4-4-2, das bei Ballbesitz aber sehr flott zu einem 3-4-3 wurde. Zudem hatte man im Zentrum (das allerdings bei beiden Teams eher unterrepräsentiert wirkte) durch die Übersicht und das Auge von Nadine Prohaska, die wie schon zuletzt beim ÖFB-Team-Test in Spanien auf der Sechs spielte, leichte Vorteile. Spratzern war die klar spielbestimmende Mannschaft, Neulengbach kam nur aus Standards (wie einem Celouch-Freistoß an die Latte, 17.) oder individuellen Fehlern von Spratzern zu Chancen.

Von den Umständen zu Wing-Backs gemacht

Die generell hohe Positionierung auf ihrer Seite (Klima) bzw. die durch ihre Manndecker-Aufgabe sehr zentrale Rolle von Celouch (Kohn) hatte zur Folge, dass es auf bei beiden Teams einen linken Wing-Back gab, die ihre jeweiligen durchaus heiklen Aufgaben beide recht ordentlich lösten.

Das Aufrücken von Klima erlaubte es auf Seiten von Spratzern Linksaußen Makas, sich zumeist auf einer Höhe mit dem Sturmduo Walzl/Legenstein zu bewegen. Das hatte zur Folge, dass Makas‘ Gegenspielerin Romina Bell extrem viel defensiv gebunden war und Giovana, Neulengbachs Waffe auf der linken Außenbahn, offensiv auf sich alleine gestellt war. Was wegen der fehlenden Rückwärtsbewegung von Makas kein Problem hätte sein sollen – aber Klima zeigte gutes Positionsspiel (indem sie Giovana nicht zu tief empfing, sich aber auch nicht billig von ihr hinterlaufen ließ) und ein ebenso gutes Zweikampfverhalten. Giovana hatte gegen die 22-Jährige recht wenig zu melden.

Nicht weniger beeindruckend war aber auch die Vorstellung der erst 16-jährigen Mona Kohn bei Neulengbach. Im Gegensatz zu ihrem Pendant beim Gegner hatte die U17-Teamkapitänin nämlich nicht nur zumeist keine Absicherung hinter sich (weil Celouch fast nur im Zentrum war), sondern auch keine Offensivkraft vor sich. Dafür gleich zwei Gegenspielerinnen – zumindest nominell, Fischelmaier machte da ja wie erwähnt nicht so arg viel. Dennoch schaffte es Kohn, dass Zubková, obwohl Spratzern das Mis-Match auf diesem Flügel natürlich erkannte und das anzubohren versuchte, nicht viel zuzulassen.

Aber Spratzern bekam keinen Zugriff auf den Strafraum: Zubková kam zu selten gegen Kohn durch, und die konsequente Manndeckung gegen die anderen drei Offensiv-Kräfte von Spratzern plus Monica als umsichtiger Libero erfüllten ihren Zweck vollauf.

Durch Goalie-Fehler wendet sich das Blatt

In der ersten Hälfte war Spratzern damit das aktivere Team, wenn auch die großen Chancen fehlten. Man hielt ohne viele Schreckmomente (wie erwähnt, Neulengbach hatte nur zwei Torchancen, keine davon selbst herausgespielt) das 0:0. Bis zur 38. Minute: Da stellte sich Spratzern-Goalie Bianca Reischer bei einer 25-m-Bogenlampe von Natascha Celouch reichlich ungeschickt an, der Ball hüpfte hinter ihr ins Tor. Die Pausenführung für Neulengbach, aus heiterem Himmel, aus dem Nichts.

Nach der Pause (die wegen eines Flutlicht-Defekts um zehn Minuten verlängert werden musste) zeigte sich aber immer mehr das Manko von Spratzern: Gegen die recht kompromisslose Defensive von Neulengbach (sieben Gegentore im Herbst) fehlte ein Plan B. Der Favorit hatte es hervorragend geschafft, die gefährlichen Gegenspielerinnen aus der Partie zu nehmen und im defensiven Mittelfeld machte Kathrin Entner extrem viele Meter und verhinderte, dass Prohaska und Petrušová für Gefahr sorgen konnten.

Und als nach einer Stunde die aufgerückte Manndeckerin Biróová nach einem Eckball von links am zweiten Pfosten alleine gelassen wurde und sie per Kopfball auf 2:0 stellen konnte, war das Spiel entschieden.

Neulengbach presst Schwachstelle gnadenlos an

Was man den Herausforderinnen auch anmerkte. Coach Brigitte Entacher versuchte zwar, mit Julia Tabotta (die Makas positionsgetreu ersetzte) neue Impulse zu bringen, aber die Luft war entwichen. Vor allem aber hatte Neulengbach die große Schwachstelle im Defensiv-Verbund von Spratzern entdeckt: Die Ballsicherheit von Innenverteidigerin Monika Matysová. Der Wohlfühl-Faktor der routinierten Slowakin am Ball war äußerst klein. Schon ohne Druck waren viele ihrer Pässe (fast immer zu Fischelmaier) unpräzise, wenn eine Gegenspielerin druckvoll auf sie zulief, potenzierte sich das natürlich.

Was sich in gesteigerter Unsicherheit in der Abwehr der Gäste niederschlug. So durfte Mona Kohn ihre starke Leistung in der 75. Minute mit dem 3:0 krönen, nachdem sie von niemanden angegangen wurde, und in der 86. Minute erhöhte Darlene gar zum schon lächerlich hohen 4:0. Vier Tore, so viel hatte Spratzern im gesamten Herbst kassiert.

Schlussphase

Dabei war Darlene war zuvor ziemlich unsichtbar: Während Nina Burger sich nicht zu schade war, auch viel nach hinten zu arbeiten, stand die Brasilianerin oft nur vorne und wartete auf Zuspiele. Das wird gegen die deutlich schwächere Liga-Konkurrenz sicher zu eine Vielzahl an Toren führen, hier hatte es aber eher den Effekt, dass das Spiel an ihr vorbei lief.

Spratzern stellte zehn Minuten vor Schluss noch einmal um – Prohaska ging nun nach vorne, dafür wurde mit Wronski (Mittelfeld-Zentrale) für Legenstein eine Stürmerin geopfert. Das führte dazu, dass sich Monica und Biróová nun die Bewachung von Walzl teilten, Prohaska weitgehend unbewacht blieb – und vor allem dazu, dass Natascha Celouch ohne eine wirkliche Gegenspielerin etwas sinnlos zwischen Abwehr, Mittelfeld und linker Außenbahn hing.

Die ob der klaren (aber um mindestens zwei Tore zu hohen) Führung etwas schleißig gewordene Defensive bei Neulengbach ermöglichte Kathrin Walzl nach einem schönen Alleingang noch das Anschlusstor. Mehr als Ergebnis-Kosmetik war es aber nicht mehr.

Fazit: Der Abstand wird kleiner, aber er ist noch da

Im Endeffekt ist der Sieg natürlich verdient, aber er fiel fraglos deutlich zu hoch aus. Spratzern war in der ersten Hälfte eigentlich die bessere Mannschaft und war bis zum zweiten Gegentor nach einer Stunde zumindest ebenbürtig. Der Schluss, den man aus diesem Spiel ziehen kann: Neulengbach ist immer noch die Nummer eins in Österreich und hat den Angriff des Emporkömmlings zumindest im ÖFB-Cup (der dem Abo-Doublesieger somit kaum noch zu nehmen ist) noch einmal abgewehrt.

Auch zum Titel sollte es in dieser Saison reichen – es sei denn, Spratzern lässt sich für das direkte Liga-Duell am 28. April in Neulengbach etwas einfallen, wie man eine Ebenbürtigkeit am Feld vorne in Tore ummünzt. Ein 0:0 wird nämlich ob der klar schlechteren Tordifferenz nicht reichen, zumal Spratzern auch im Herbst immer näher an Punktverlusten dran war als Neulengbach.

Aber für das erfolgsverwöhnte Team aus dem Wienerwald wird das Leben nicht einfacher. Was der Liga an sich aber nur gut tun kann.

(phe)

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Austria Wien: Ein würdiges Fußballfest zum 100er https://ballverliebt.eu/2011/06/18/austria-wien-ein-wurdiges-fusballfest-zum-100er/ https://ballverliebt.eu/2011/06/18/austria-wien-ein-wurdiges-fusballfest-zum-100er/#comments Fri, 17 Jun 2011 22:46:24 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5003 Austria Wien: Ein würdiges Fußballfest zum 100er weiterlesen ]]> Die Wiener Austria lud Freitagabend zum 100-Jahre-Jubiläumsspiel. Statt einem Großklub gastierte die Luis-Figo-Foundation, die ehemalige Weltstars wie Cafu, Hagi oder Ronaldo mit nach Wien brachte. Auch Luis Figo selbst streifte sich gleich mehrmals das weiße Dress des Auswärtsteams über.  Die Besucher in der Generali-Arena sahen ein unterhaltsames Spiel, das vom Heimteam durchaus Ernst genommen worden war und in dem auch die violetten Legenden mit ganzem Einsatz zu Werke gingen. Ein Spielbericht.

Figos Truppe startet mit Elan
Die Weltauswahl begann motiviert und vermochte die Veilchen – bei denen unter anderem die Neuzugänge Rogulj, Patrick Grünwald und Alexander Grünwald starteten – in den ersten Minuten in die Defensive zu drängen. Mit einem abgefälschten Flachschuss eröffnete denn auch Dejan Stankovic den Torreigen in Minute 7. Entgegen des Spielverlaufs stellte die Austria jedoch umgehend auf 1:1 (Margreitter nach Ecke per Kopf, 9′).

Die Allstars-Defensive patzt
Danach herrschte 20 Minuten Torflaute, das Spiel ebbte ein wenig ab. Die Weltauswahl von Luis Figo verlegte sich darauf, hinten dicht und vielzählig zu stehen, und der Austria damit das Leben schwer zu machen. Im Gegenzug blieben die Gäste nach vorne aber harmlos. Nach dem Tausch von fünf Spielern bei der Figo-Elf (28′) wandelte sich das Spiel drastisch zu Gunsten der Austria. Kurz nach einem Freistoß von van Hooijdonk, der die Allstars beinahe wieder in Führung brachte und aus 30 Metern die Stange traf, schloss Nasser Barazite die Gegenoffensive dank eines Defensivpatzers zum 2:1 ab (33′). Zwei Chancen später profitierte Tomas Jun von einem Blackout des portugiesischen Goalies Vitor Baia (3:1 per Kopf, 39′). Insbesondere über Liendl drückten die Veilchen auf das 4:1, das aber vor der Pause nicht fallen sollte. Der eingewechselte Ronaldo lieferte dem Publikum ein paar technische Gustostückerl, ehe er nach dem Halbzeitpfiff abreiste.

Tadic und „Roligol“ legen nach
Mit einem etwas glücklichen Tor eröffnete die Austria die zweite Spielhälfte: Eine scharfe Flanke von Dario Tadic wurde für Baia unhaltbar ins kurze Eck abgefälscht (48′). Die in der Pause komplett erneuerte Gastgeber-Truppe setzte ihren wesentlich älteren Gegnern infolge via Pressing und aggressive (doch stets fairem)  Zweikampfspiel im Mittelfeld schwer zu. Dies gipfelte im vorentscheidenden 5:1 von Roland Linz, der nach schönem Lupfer von Tadic den Ball an Baia vorbeispitzeln konnte (56′).

Der „Traumsturm“ startet gut
Nun begannen die Allstars (mittlerweile wieder mit frischen Kräften und Taffarel im Tor) sich aufzubäumen: Elber und Hagi (nach Ecke) stellten Veilchen-Keeper Heinz Lindner auf die Probe. Der bewährte sich. Trotzdem setzte die Austria ihre schnelle Torfolge fort. Nach einem flotten Doppelpass enteilte Junuzovic seinem Bewacher um einen halben Meter und brachte den Ball flach am starken Taffarel vorbei (6:1, 61′). In der selben Minute kam mit Toni Polster die erste Austria-Legende für Tadic aufs Feld. Für Roland Linz ging damit sein Wunsch in Erfüllung, einmal mit der Austro-Legende im Offensivduett spielen zu dürfen.

Das generationenübergreifende Stürmerpaar harmonierte schnell. Der Oldie servierte seinem jungen Kollegen mehrmals Bälle in den Strafraum, Linz vermochte daraus aber keinen Torerfolg zu machen. Während der einstige Veteran aus der deutschen Bundesliga immer mehr aufdrehte, wurde Linz im weiteren Verlauf etwas blasser.

Allstars beweisen Moral

Obwohl uneinholbar im Rückstand, war der Willen der Figo-Mannschaft nicht gebrochen. In großzügiger Manier entschied Busacca nach einem Duell zwischen Pauleta und Lindner auf Elfmeter zu Gunsten der Gäste und des Publikums. Figo vollstreckte routiniert (6:2, 66′).

Polster ließ nur einige Sekunden später seine Ambitionen auf einen Torerfolg aufblitzen und setzte den Ball aus 20 Metern an die Latte. Trotz des Intermezzos legte Figo nach raffiniertem Zusammenspiel mit Pauleta nach und vollendete sein Doppelpack (69′). Die Austria reagierte mit der von den Fans längst geforderten Einwechslung von „Schneckerl“ Prohaska.

Das Spiel bog nun in eine Schlußphase, für die das Wort „Fußballfest“ durchaus angemessen war. Reihenweise Großchancen auf beiden Seiten, inklusive Stangen- und Lattenschüsse, ließen das fröhliche Publikum in der Generali-Arena fast außer Atem kommen. Besonders bemüht zeigten sich bei den Legenden Toni Polster und Herbert Prohaska. Letzterer fühlte sich in seiner Rolle als Ballverteiler im Standfußball-Modus sichtlich wohl. Von Champions-League-mäßiger Hochwertigkeit war das Geschehen am Rasen freilich nicht, ob des hochmotivierten Auftritts der etwas später eingetauschten Legenden Ogris und Sara aber definitiv von großem Unterhaltungswert.

Toni darf es polstern lassen
Irgendwann nach dem Verstreichen der 90. Minute einigten die Gastgeber sich mit Schiri Busacca anscheinend, dieses Spiel erst bei einem Torerfolg von Toni Polster zu beenden. Bevor ihm das gelang, verkürzte Dimas aber nach Ecke noch zum 6:4 (93′). Als die Figo-Auswahl schon sichtlich mit Notstrom lief, gelang dem ergrauten Wiener Lockenkopf sein ersehntes Tor. Baumgartlinger vollzog ein kleines Dribbling gen linke Strafraumseite und legte mit einem Ferserl ab. Polster nahm Maß und versenkte das Leder mit einem Flachschuss im rechten Eck (96′). Busacca beendete die fröhliche Partie.

Gelungenes Fußballfest
Ein Freundschaftsspiel-Spektakel fand so sein würdiges Ende, dass danach noch in einer kleinen Siegerehrung entsprechend zelebriert wurde. Spiel und Jubiläumsfeier brachten insgesamt eine sechsstellige Summe ein, die die Austria und die Luis Figo-Foundation karitativen Projekten spenden werden. Nach den unschönen Bildern des Rapid-Platzsturms hat man hier gesehen, dass es in Österreich auch anders gehen kann und muss – auch wenn es hier nicht um Punkte, sondern „nur“ um den guten Zweck und Unterhaltung ging.

Ich für meinen Teil wünsche mir derartige, positive Stimmung in jedem Bewerbsspiel in Österreich. Egal wieviel Erzrivalentum in einer Begegnung steckt. Ich bin erst zufrieden, wenn sich die Fans in diesem Land wieder über die Zuneigung zum eigenen Verein und nicht den Hass auf einen anderen definieren und der Bessere gewinnen darf, ohne sich vor dem Publikum fürchten zu müssen. (gp)

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Ballverliebt Classics: Drama in vier Akten https://ballverliebt.eu/2010/10/05/ballverliebt-classics-drama-in-vier-akten/ https://ballverliebt.eu/2010/10/05/ballverliebt-classics-drama-in-vier-akten/#comments Tue, 05 Oct 2010 19:50:55 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2773 Ballverliebt Classics: Drama in vier Akten weiterlesen ]]> Es war der Höhepunkt einer Spielergeneration – das 1:0 gegen Schweden im September 1997. Andi Herzogs Traumtor eine Viertelstunde vor Schluss sicherte de facto das WM-Ticket für Frankreich. In einem extrem spannenden Spiel – in dem es nicht nur ein goldenes Tor gab, sondern auch drei Ausschlüsse!

Zur Ausgangslage: Es war dies für beide Teams das drittletzte Qualifikationsspiel zur WM 1998, gespielt im Happel-Stadion am Samstag, dem 6. September 1997. Die Situation in der Gruppe hing voll und ganz von diesem Spiel ab: Bei einem Sieg von Österreich hätte das ÖFB-Team so gut wie sicher das WM-Ticket gelöst, bei einem schwedischen Sieg gilt selbiges für den WM-Dritten von drei Jahre zuvor – beiden Teams standen in den letzten zwei Spielen Pflichtsiege gegen die Gruppen-Nachzügler bevor. Bei einem Remis wären die Schotten, an diesem Tag spielfrei, am Kommandostand der Gruppe geblieben.

Der legendäre Krimi gegen Schweden hatte (bis auf wirklich attraktiven Fußball) alles zu bieten, was ein solches Spiel ausmachen kann: Hohe Spannung, heikle Szenen, drei Ausschlüsse (von einem hervorragenden spanischen Referee, der nicht einen einzigen Fehler machte), ein Traumtor und ein volles Haus. Ein Drama – in vier Akten.

1. Akt: Beide Teams nach vorne extrem rechtslastig

Österreich - Schweden 1:0 (bis Min. 41)
Österreich – Schweden 1:0 (bis Min. 41)

Teamchef Herbert Prohaska war gezwungen, sein Stamm-Mittelfeld umzubauen: Statt Andi Heraf (Achillessehne) musste Roman Mählich ran, statt Didi Kühbauer (Schlüsselbeinbruch im Training) Heimo Pfeifenberger und statt Arnold Wetl (keine Spielpraxis beim FC Porto) wurde Gilbert Prilasnig in seinem zweiten Länderspiel auf die linke Seite beordert. Und Letzterer war der große Schwachpunkt im ÖFB-Team, was die Schweden natürlich schnell ausmachten und ihre Angriffe konsequent über seine Seite aufzogen. Roland Nilsson und Niclas Alexandersson narrten den nervösen Prilasnig, zudem orientierte sich Spielgestalter Zetterberg ins rechte Halbfeld und unterstützte die beiden. So war Toni Pfeffer immer wieder gezwungen, Kennet Andersson alleine zu lassen und auszuhelfen. Logisch somit, dass die einzigen zwei echten Torchancen der Schweden von einem schlimmen Stellungsfehler von Prilasnig (Andersson in der 18. Minute) und einer Überzahlsituation gegen den kampfstarken, aber unbeweglichen Pfeffer (Zetterberg, 25.) zu Stande kamen. Kein Wunder auch, dass sich Toni Pfeffer, der bis dahin eine sehr ordentliche und umsichtige Leistung gezeigt hatte, in der 31. Minute nach einem taktischen Foul an Zetterberg die gelbe Karte abholte.

Ursprünglich wäre Heimo Pfeifenberger als Kettenhund für Zetterberg vorgesehen gewesen, in den ersten zehn Minuten war es auch so – aber weil Zetterberg von der Zentrale immer wieder ins rechte Halbfeld zog, übernahm Roman Mählich (in seinem erst zweiten Länderspiel von Anfang an) diese Aufgabe. Pfeifenberger orientierte sich nun vermehrt ins eigene rechte Halbfeld, um den Platz auszunützen, den Zetterberg dort ließ – und um den schwedischen LM Håkan Mild zu binden. Somit fand der pfeilschnelle Harald Cerny, vor allem von Pfeifenberger geschickt,  immer wieder extrem viel Platz vor, um seine Flankenläufe zu zeigen – der langsame Pontus Kåmark war mit dem Sechzger-Legionär heillos überfordert. Alleine, seine Flanken landeten eher bei Björklund und Patrik Andersson, als bei Vastic und Polster. Es gab zwar immer wieder Eckbälle – sieben in der ersten Hälfte – in der Mitte räumte die robuste schwedische Verteidigung diese aber problemlos auf.

Von den beiden österreichischen Spitzen war wenig überraschend Ivica Vastic derjenige mit dem größeren Laufpensum, immer wieder ließ er sich weit ins Mittelfeld fallen, um sich dort Bälle zu holen. Er tat dies als Reaktion darauf, dass Andi Herzog konsequent (mindestens) gedoppelt wurde, mitunter pressten gar drei Schweden gegen den österreichischen Spielmacher (Alexandersson, Thern und Nilsson), der somit nur bei Eckbällen und Freistößen sinnvoll zum Ball kam.

Die Schweden traten in genau jenem 4-1-3-2 auf, das für sie typisch war, auch Svenssons Nachfolger Lars Lagerbäck rückte von dieser Formation nicht ab. Das Tor hütete Routinier Thomas Ravelli in seinem 140. Länderspiel, davor stand eine klassische Viererkette, aus der vor allem Roland Nilsson auf der rechten Seite der zentrale Spieleröffner war: Immer wieder trug er den Ball bis zur Mittellinie, um ihn dort weiterzugeben – entweder an Alexandersson an der Linie, zu Spielgestalter Zetterberg, oder – sollten beide nicht gefahrlos anzuspielen sein – zu Sechser Jonas Thern. Auffällig war, dass LM Håkan Mild überhaupt keine Bindung zu Spiel fand, von Pfeifenberger immer wieder beschäftigt wurde, Cerny nie in den Griff bekam und Dahlin nie einsetzen konnte. In seinem Frust ging er schon nach einer halben Stunde immer wieder ins Zentrum oder gar auf die rechte Seite, versuchte Fouls zu schinden, und keppelte mit dem Schiedsrichter.

Der in der 41. Minute Toni Pfeffer berechtigterweise mit dessen zweiter gelber Karte vom Platz schickte – der Manndecker von der Austria musste die Zeche dafür zahlen, dass Peter Schöttel bei einem mäßigen Abschlag von Konsel geschlafen hatte und Dahlin in Richtung Tor zog. Da Feiersinger zwei Meter dahinter gestanden wäre, war das Foulspiel aber nicht notwenig. Somit ging’s für Österreich mit nur noch zehn Mann weiter.

2. Akt: Schweden zieht kaum spielerischen Nutzen

Österreich - Schweden 1:0 ... Min. 41 bis 69
Österreich – Schweden 1:0 … Min. 41 bis 69

Dass die Schweden nun in Überzahl waren, merkte man aber kaum. Pfeifenberger ging nun zurück und übernahm die Position von Pfeffer, Vastic ging nun endgültig ins Mittelfeld und agierte im rechten Halbfeld, wo zuvor Pfeifenberger spielte. Prilasnig zog sich etwas weiter zurück, um den Bremen-Legionär in der Defensive zu helfen, und auch Harald Cerny begann nach Seitenwechsel zunächst deutlich zurückgezogener.

Die Schweden versuchten nun, höher zu stehen und früher zu pressen, weil aber die Österreicher – die schon zuvor Überzahl im Mittelfeld hatten – durch ihre Umstellungen nicht mehr Raum ließen als vor dem Pfeffer-Ausschluss, änderte sich am Spiel sehr wenig. Roman Mählich machte gegen Zetterberg eine herausragende Partie und nahm dem Gegner somit den wichtigsten Spieler in der Offensive. Wolfgang Feiersinger erhöhte nun sein ohnehin schon ordentliches Laufpensum noch weiter, und war nun noch mehr die zentrale Figur in der österreichischen Spieleröffnung.

Zwar hatten Schweden kurz nach Wiederbeginn zwei gute Tormöglichkeiten, diese entstanden jedoch durch anfängliche Abstimmungs-Probleme in der neu formierten Abwehr und wurden zudem kläglich vergeben. Sobald sich das ÖFB-Team aber wirklich an die neuen Gegebenheiten gewöhnt hatte, wurde wieder einen Gang nach vorne geschalten – vor allem bei Harald Cerny. Er wurde auf seiner rechten Seite nun immer mehr zum Alleinunterhalter, dem von Mild weiterhin nie Einhalt geboten werden konnte. Weswegen der Schwede auch nach etwa einer Stunde vom jungen Jesper Blomqvist ersetzt wurde. Womit das Offensivspiel von Cerny im Grunde auch beendet war, denn Blomqvist schaltete den Flügelflitzer komplett aus.

Sobald sich Pfeifenberger mit den Gegebenheiten seiner neuen Rolle im Spiel angefreundet hatte, wirkte nur noch Ivica Vastic im Mittelfeld etwas deplaziert und, weil ihm das ganze Spiel über schon sehr wenig gelungen war, zunehmend frustriert. Daher war der Arbeitstag von Vastic in der 66. Minute auch beendet. Der für ihn gekommene Peter Stöger fügte sich mit einem gefährlichen Weitschuss in die Partie ein und sorgte drei Minuten nach seiner Einwechslung indirekt für die nächste Zäsur im Spiel: Nach einem Pass von Herzog riss Roland Nilsson eben jenen Stöger nieder. Zwar liefen sowohl Patrick Andersson als auch Björklund in kürzester Distanz mit, dennoch sah Nilsson vom spanischen Referee López Nieto die rote Karte – hart, aber vertretbar. Somit ging’s mit zehn gegen zehn weiter.

3. Akt: Österreich wieder obenauf

Österreich - Schweden 1:0 ... Min. 69 bis 81
Österreich – Schweden 1:0 … Min. 69 bis 81

Mit dem Ausschluss von Nilsson verloren die Schweden nicht nur einen ihrer wichtigsten Spieler im Aufbau, sondern waren somit auch gezwungen, hinten auf eine Dreierkette umzustellen. Da die beiden Flügel immer noch sehr hoch standen – Blomqvist, um Cerny die Gefährlichkeit zu nehmen und Alexandersson, um weiterhin für Druck nach vorne zu sorgen – pressten auch die drei verbliebenen Abwehrspieler weiter nach vorne. Wodurch sich einige Räume ergaben.

Mählich spielte nun den Vorstopper vor Feiersinger, Stöger war der letzte verbliebene Mann im zentralen Mittelfeld. Er brachte zwar keine wirklich starken Aktionen auf den Rasen, durch seine bloße Anwesenheit beschäftigte er aber Zetterberg, da Thern sich vermehrt um den nun als hängende Spitze agierenden Herzog kümmern musste. Somit war die schwedische Offensive ziemlich auf Alexandersson zusammengeschrumpft, allenfalls Blomqvist konnte noch vereinzelte Aktionen zeigen.

Und dass Zetterberg kein geborener Defensivspieler ist, zeigte er in der 76. Minute, als er einen gerade gewonnen Ball gegen Stöger direkt wieder verlor und der Ball zu Polster sprang, der ihn wiederum an Herzog weitergab. Der österreichische Zehner zog von der Mittellinie unbehelligt bis kurz vor die Strafraumgrenze und zog dort ab. Das wohl bekannteste Tor seiner Karriere, an Ravelli vorbei ins lange Eck – das 1:0 für Österreich! Und man muss es so deutlich sagen: Es war die einzige wirklich gute Aktion eines nicht ganz fitten Herzog, der ansonsten ein äußerst dezentes Spiel abgeliefert hatte.

Das hätte für die Schweden das sichere Aus in der WM-Qualifikation bedeutet, darum versuchten sie nun wieder, mehr nach vorne zu tun. Was ihnen aber kaum gelang, so schwer wog der Ausfall den zuvor sehr starken Roland Nilsson. Bis Michael Konsel den Gegner wieder ins Spiel brachte: Er legte den alleine auf ihn zu stürmenden Kennet Andersson zwanzig Metern vor seinem Tor – logischerweise die berechtigte rote Karte. Die dritte in diesem Spiel.

4. Akt: Über die Zeit zittern

Österreich-Schweden 1:0 ... ab Min. 83
Österreich-Schweden 1:0 … ab Min. 83

Kurz nach seinem Führungstor musste Andi Herzog das Feld räumen, um Franz Wohlfahrt ins Spiel bringen zu können. Der Stuttgart-Goalie entschärfte mit seiner ersten Aktion gleich den fälligen Freistoß, und wirklich beschäftigt wurde er in den letzten Minuten nicht mehr. Die Schweden packten nun die Brechstange aus und machten hinten komplett auf, was Roman Mählich – der das wohl beste Spiel seiner Karriere ablieferte – beinahe in der 86. Minute zur Entscheidung genützt hätte, aber sein Schuss traf nur die Stange.

Aber ohne Nilsson im Spielaufbau; mit Zetterberg, dem Mählich das Spiel zur Hölle machte, ohne Blomqvist, dem Cerny kaum Flanken erlaubte, und mit den müden Dahlin und Andersson vorne schaffte es Schweden nicht mehr, einen Lucky Punch zu setzen. Das Spiel war gelaufen, und somit auch die Chance für die Nordländer, sich für Frankreich zu qualifizieren.

Nachwirkungen

Und es war auch das Ende von Tommy Svensson als schwedischer Teamchef – einer erfolgreichen Ära, in die die Semifinals bei der Heim-EM 1992 und der Weltmeisterschaft 1994 in den USA fielen. Zwar gewannen sie noch erwartungsgemäß ihre letzten beiden Heimspiele gegen Lettland und Estland, am Ende reichte es aber nur zum dritten Gruppenplatz – hinter Österreich, gegen die Schweden somit beide Spiele verloren hatte; und den Schotten, die als bester Gruppenzweiter ohne Play-Off zur WM durften.

Für Österreich bedeutete dieser Sieg den Höhepunkt einer Ära – es war der vorentscheidende Schritt zur WM in Frankreich, die vier Tage späte mit dem Sieg in Weißrussland endgültig erreicht wurde, um mit dem abschließenden 4:0 gegen die Weißrussen gab’s sogar den Gruppensieg. Die Mannschaft hatte in den Jahren 96/97 ihren Zenit erreicht, mit einem Durchschnittalter von 29,1 Jahren musste aber klar sein: Es war das letzte Ausrufezeichen dieser Generation.

Bei der WM in Frankreich gab’s zwei 1:1 gegen Kamerun und Chile, sowie ein 1:2 gegen Italien und mit dem dritten Gruppenplatz das Aus vor dem Achtelfinale. Und anderthalb Jahre später sollte jener Kegelabend in Valencia folgen, welcher der letzten erfolgreichen Spielergeneration, die Österreich hatte, ein jähes Ende setzen sollte – sieben der Akteure vom 1:0 über Schweden am 6. September 1997 sollten in Valencia dabei sein.

Hintergrund…

Das Personal bei Österreich: Michael Konsel (35, Roma); Wolfgang Feiersinger (32, Dortmund); Toni Pfeffer (32, Austria), Peter Schöttel (30, Rapid); Harald Cerny (23, München ’60), Heimo Pfeifenberger (30, Bremen), Roman Mählich (25, Sturm), Andi Herzog (28, Bremen), Gilbert Prilasnig (24, Sturm); Ivica Vastic (27, Sturm), Toni Polster (33, Köln). Peter Stöger (31, Rapid), Franz Wohlfahrt (33, Stuttgart). Teamchef: Herbert Prohaska (42, seit drei Jahren).

Das Personal bei Schweden: Thomas Ravelli (38, IFK Göteborg); Roland Nilsson (34, Coventry), Patrik Andersson (27, M’gladbach), Joachim Björklund (26, Glasgow Rangers), Pontus Kåmark (28, Leicester); Jonas Thern (30, Glasgow Rangers); Niclas Alexandersson (25, Sheffield Weds), Pär Zetterberg (26, Anderlecht), Håkan Mild (26, Real Sociedad); Kennet Andersson (29, Bologna), Martin Dahlin (29, Blackburn). Jesper Blomqvist (23, Parma). Teamchef: Tommy Svensson (53, seit sieben Jahren).

(phe)

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