Portland – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 07 Dec 2015 19:10:50 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 20 Jahre alt und immer erwachsener: Das ist die Major League Soccer https://ballverliebt.eu/2015/12/07/mls-major-league-soccer-portrait-portland-galaxy-beckham/ https://ballverliebt.eu/2015/12/07/mls-major-league-soccer-portrait-portland-galaxy-beckham/#comments Mon, 07 Dec 2015 18:24:26 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11899 Wenn es eine Lehre aus der gerade abgelaufenen Saison der Major League Soccer gibt, der zwanzigsten, dann diese: Das mit den großen (ausrangierten) Spielern aus Europa ist gut für die Aufmerksamkeit, aber kontraproduktiv auf dem Feld. Nach dem Ende der 20. Saison der MLS: Die Ami-Liga, ihre Eigenheiten und ihr steter Weg zu mehr Aufmerksamkeit, einmal genau erklärt.

Vom Boden hochgeholt

Vor 15 Jahren war die MLS quasi vor dem Zusperren: Niemand wollte die Spiele sehen, niemand wollte sie im TV übertragen, niemand wollte wirklich investieren. Obskure Spezialregeln (Elfmeterschießen bzw. Shoot-Out wie im Eishockey und später gar Verlängerungen nach Unentschieden) und kaum erkennbare Fußball-Markierungen auf Football-Feldern trugen nicht gerade zur Attraktivierung bei. Der Versuch, mit zwei Teams im kubanisch geprägten (und damit bei einer nicht vom Fußball, sondern vom Baseball dominierten Einwanderer-Bevölkerung) Florida Fuß zu fassen, ging kräftig daneben – das Aus von Miami Fusion und Tampa Bay Mutiny 2001 war ein schwerer Image-Schlag.

Das Engagement des 40-jährigen Lothar Matthäus brachte Aufmerksamkeit („I hope we have a little bit lucky“), aber der neue Liga-Boss Don Garber wusste: Nur mit vernünftiger Infrastruktur und Nachhaltigkeit es möglich, die Liga zu retten und langfristig zu positionieren. Als Matthäus kam, spielten neun der damals zwölf Teams in viel zu großen NFL-Stadien, nur Columbus hatte eine eigene Fußball-spezifische Arena. Miami und San José spielten zumindest in mittelgroßen Stadien, die nicht heillos überdimensioniert waren.

Salary Cap und „Designated Players“

Nun, in der 20. Saison, verfügten 14 der 20 Klubs über ein eigene Stadion zwischen 20.000 und 25.000 Plätzen. Seattle und Orlando füllen ihre Riesen-Arenen angemessen, auch NYCFC hat im Yankee-Stadion eine annähernd volle Auslastung – nur die Spieler von New England sehen bei ihren Heimspielen noch dramatisch viele leere Plätze im Stadion der Patriots.

Dazu kommt das System mit Salary Cap und „Designated Players“ (DP): Durch die Begrenzung der Kaderkosten verdient ein durchschnittlicher MLS-Spieler rund 100.000 Euro im Jahr (zum Vergleich: Zlatko Junuzovic verdient in Bremen etwa das 25-fache davon). Jeder Klub darf bis zu drei Spieler (eben die DP) nennen, die nicht unter die Gehalts-Deckelung fallen, dafür zahlen sie „Luxury Tax“ (sprich: für den Rest des Teams wandert die Obergrenze runter).

So werden die Personalkosten verhältnismäßig gering gehalten – und zwar nachhaltig und für alle. Außerdem wurde 2006 Trikotwerbung erlaubt: Bis dahin war das etwas in den USA verpöntes und in der Tat von den Ligen verbotenes, mittlerweile ist es in der MLS völlig normal. 19 der 20 Teams in dieser Saison verfügten über ein Logo auf der Brust, von Airlines (Alaska Air bei Portland, Etihad bei NYCFC) über Banken (BoM bei Toronto), Versicherungen (sehr viele), Lebensmittel (Bimbo bei Philadelphia, Herbalife bei Galaxy, Red Bull bei NYRB) bis hin zu XBOX (Seattle).

Finale 2011: LA Galaxy - Houston 1:0 (0:0)
Finale 2011: LA Galaxy – Houston 1:0 (0:0)

Die DP-Regel wurde ein Jahr später eingeführt, als David Beckham 2007 kam. Seither haben sich zwei Philosophien entwickelt: Die einen Teams (LA Galaxy vor allem, früher auch NYRB, nun diverse Neuankömmlinge um Aufmerksamheit in ihrer Stadt zu generieren) buttern in große Namen und nehmen ein großes Ungleichgewicht innerhalb des Kaders in Kauf. Über die letzten Jahre haben sie es aber nur in Los Angeles zum Funktionieren gebracht – die Titel von 2011, 2012 und 2014 sprechen dafür.

Andere Klubs versuchen, so viel Qualität wie möglich aus den Salary-Cap-Spielern zu holen und ergänzen sie mit gezielten DPs vornehmlich aus dem lateinamerikanischen Raum. Dallas und Portland sind die offensichtlichen Beispiele, Vancouver und Salt Lake machen es genauso. Zuletzt setzte sich auf dem Feld immer öfter die zweite Variante durch.

Alt-Stars bringen einen nicht weiter

Frank Lampard, Andrea Pirlo und David Villa bei Liga-Rookie New York City FC: Krachend daran gescheitert, auch nur in die Play-Offs zu kommen. Orlando City mit Kaká: Näher dran, aber auch deutlich unter Erwartung. Montréal Impact mit Drogba und die LA Galaxy mit Gerrard und Keane: Früh in der K.o.-Runde hängen geblieben.

Der einzige Europa-Import, der tatsächlich einen dramatischen sportlichen Mehrwert für sein Team brachte, war Sebastian Giovinco. Vor ihm mäanderte Toronto jahrelang ziellos von einer Trainerentlassung zum nächsten, von einem Philosophie-Wechsel zum anderen, nur der Platz am Tabellenende blieb immer gleich. Mit dem Italiener, Torschützen- und Scorerkönig der Liga, erreichte Toronto erstmals im neunten Versuch die Play-Offs.

Keine großen Namen, aber großer Teamgeist

Finale 2012: LA Galaxy - Houston 3:1 (0:1)
Finale 2012: LA Galaxy – Houston 3:1 (0:1)

Den Gegenentwurf lieferten die sportlich bestimmenden Teams der Saison. Die New York Red Bulls schafften den Übergang: Als Cahill, Jununho und Henry da waren, hatten sie alle ihre persönliche Putzfrau auf dem Feld (Dax McCarty und Roy Miller) und ein unausgegorenes Teamgefüge. Nun, ohne die beiden, ist NYRB eine homogene Mannschaft und das beste Team des Grunddurchgangs.

Auch Dallas (punktbestes Team im Westen) und die Finalisten aus Portland und Columbus punkteten über eine flache Hierarchie. Die bekanntesten Namen sind Ghanas Teamspieler Harrison Afful (Columbus) oder Neo-Teamspieler Darlington Nagbe (Portland) – die kennt in Europa praktisch niemand.

Ausgeglichenheit und Timing

Der Salary Cap und die Struktur der Liga (die den Teameigentümern quasi „gehört“) sorgen für eine große Ausgeglichenheit. Das heißt: Während man in Europa mit zwei Punkten pro Spiel zu den Top-Teams gehört (und, etwa in Spanien oder Deutschland, 2,4 für einen Titel nötig sind) und mit einem pro Match um den Abstieg spielt, ist in der MLS alles enger.

Finale 2013: Kansas City - Salt Lake 1:1 nV (1:1, 0:0), 7:6 i.E.
Finale 2013: Kansas City – Salt Lake 1:1 nV (1:1, 0:0), 7:6 i.E.

Selbst die besten Teams schaffen es nie über die 2-Punkte-pro-Spiel-Marke (zuletzt schaffte das vor zehn Jahren ein Team), und die 1-Punkte-pro-Spiel-Marke wird selbst von den schlechtesten Teilnehmern nicht dramatisch unterschritten.

Durch den Meisterschafts-Modus ergibt sich auch die Notwendigkeit, auf das richtige Timing für die Top-Form zu achten. 12 der 20 Teams erreichen die Play-Offs – es ist also absolut ausreichend, nach zwei Saisondritteln einigermaßen im Feld mitzuschwimmen. Eine gute Bilanz im Grunddurchgang ist nett, nennenswerte Vorteile (außer das Ersparen eines Play-Off-Spiels und dem Heimrecht in einem etwaigen Finale) ergeben sich daraus aber nicht.

Genau so haben es Columbus und Portland gemacht: Bis in den September rein nicht abreißen lassen, dann aufdrehen und in den Play-Offs voll da sein. Sie eliminierten in ihren Conference Finale jeweils die Grunddurchgangs-Top-Teams (NYRB bzw. Dallas) einigermaßen souverän.

Unvorhersehbar

Die Teambesitzer arbeiten gut zusammen, weil sie wissen, dass die nur gemeinsam die Liga im beinharten Umfeld von Football, Basketball und Baseball etablieren können. So gelang es auch nur zwei Teams (Hauptstadt-Klub DC United in den Anfangsjahren und Glitzer-Klub LA Galaxy in der Beckham/Donovan-Ära), eine über Jahre hinweg dominante Stellung einzunehmen.

2014 12 07 Galaxy-New England 2-1 nV
Finale 2014: LA Galaxy – New England 2:1 n.V. (1:1, 0:0)

Immer wieder wird zwar Kontinuität belohnt (wie beim Titel von Kansas City 2013 oder dem von Portland heuer), aber das Gros der Teams ist vor jeder Saison praktisch unmöglich einzuschätzen. San Jose etwa war 2012 bester Grunddurchgangs-Klub – weder davor noch danach reichte es überhaupt für die Play-Offs. Oder Portland: Semifinalist 2012 und Meister 2015, dazwischen nicht mal in der K.o.-Runde vertreten.

Was die Schere zusätzlich nicht auseinander gehen lässt, ist das Fehlen eines relevanten internationalen Bewerbes. Im Gegensatz zu Europa, wo sich die Elite in der Champions League immer noch weiter bereichert und damit vom Rest entfernt, ist die CONCACAF-Champions-League finanziell eher ein Verlustgeschäft und hat in der Wahrnehmung kaum den Stellenwert einer Europa League. Die Klubs der mexikanischen Liga machen den Titel dort meist unter sich aus, hin und wieder stößt ein MLS-Klub ins Finale vor (wie Montréal 2015 oder Salt Lake 2011), der Rest spielt keine Rolle.

Spezialisierung der Märkte

Jede große Liga in den USA drängt auf die großen Märkte – New York, Los Angeles, Chicago. Die MLS aber hat erkannt, dass man vor allem in die Nischen drängen muss. Wie nach Columbus (wo es nur ein NHL-Team gibt, und das ist chronisch erfolglos), nach Salt Lake City (ein seit Jahren kaum relevantes NBA-Team als einzige Konkurrenz) oder eben nach Portland – eine Soccer City seit den 1970er Jahren, als die alten Timbers die NASL aufmischten.

Andererseits hat man nach dem Fusion/Mutiny-Desaster anderthalb Jahrzehnte lang einen große Bogen um die Südstaaten gemacht. Erst jetzt, mit einer konsolidierten Liga und eine soliden Struktur, wagt man sich wieder zurück ins Republikaner-Kernland, wo alles nicht-amerikanische misstrauisch beäugt wird. Wenn auch vorsichtig – derzeit gibt es mit Orlando nur ein einziges Team zwischen Houston und Washington. Atlanta und Miami werden bald dazukommen. Aber New Orleans, Tennessee, Carolina, Mississippi und Alabama werden auch in Zukunft fußballfreie Zone bleiben.

Natürlich: Die Liga-Oberen würden es schon gerne sehen, wenn es mal ein Finale zwischen den LA Galaxy mit Beckham und Donovan gegen die NY Red Bulls mit Thierry Henry gegeben hätte. Oder wenn Chicago Fire endlich mal das Abonnement auf die letzten zwei Tabellen-Plätze abgeben würde. Und wenn es die zweite Los-Angeles-Franchise, die 2018 in die Liga einsteigt, besser läuft als die an der kompletten Ignoranz der mexikanischen Fans krepierten Chivas (die sich Ende 2014 auflösten).

Aber wenn ein solides Gründungsmitglied und ein Outback-Klub mit fanatischem Anhang im Finale stehen – so wie 2015 Columbus und Portland – then so be it.

Die MLS-Klubs setzen auch gezielt auf Social Media. Die LA Galaxy haben 1,6 Millionen Facebook-Fans (das sind doppelt so viele wie etwa der HSV hat). Die Zielgruppe ist jung, diese Generation gilt es dort abzuholen, wo sie ist.

Sicherheit vor Abstieg

Ein Spezifikum der MLS ist das Fehlen eines sportlichen Abstiegs. Die Diskussion, ob man einen solchen nicht Einführen sollte, poppt in regelmäßigen Abständen auf, aber das Fehlen eines solchen entspricht erstens den amerikanischen Gepflogenheiten und hat zweitens der Liga gute Dienste erwiesen. Zwar bleibt Ahnungslosigkeit auf dem Sportdirektor-Posten ungesühnt, aber es gibt auch die Möglichkeit, langfristig zu entwickeln.

Außerdem muss sich die Liga nicht mit Klubs herumschlagen, die womöglich den langen finanziellen Atem gar nicht mitbringen oder zumindest einen Plan für eine vernünftige Infrastruktur. David Beckhams Klub in Miami, der auf Einstieg drängt, musste erst eine fixfertige Finanzierung und einen genauen Plan für ein eigenes Stadion vorlegen, ehe man überhaupt daran dachte, ein Aufnahmedatum in Aussicht zu stellen.

Dabei gibt es sehr wohl eine 2. Liga – die „neue“ NASL, in der heuer die NY Cosmos mit Raúl Meister wurde – aber diese dient eher als Aufwärmbecken für Klubs, die sich um eine Aufnahme bewerben (wie Minnesota United). Und viele Teams aus der Liga wollen auch gar nicht in die MLS aufsteigen, weil sie wissen, dass sie von ihrer Struktur und ihren Möglichkeiten dort keine Chance hätten.

Klinsmann hat es trotzdem schwer

Finale 2015: Portland - Columbus 2:1 (2:1)
Finale 2015: Portland – Columbus 2:1 (2:1)

20 Klubs derzeit, bis zu 28 in den kommenden zehn Jahren – aber ein unerschöpflicher Talente-Pool für US-Teamchef Jürgen Klinsmann ist die MLS dennoch nicht. Bei Meister Portland spielten gegen Columbus drei Amerikaner (Nagbe, Borchers und Villafana), beim Gegner vier (Clark, Parkhurst, Trapp und Finlay). Trapp (22) und Nagbe (25) debütierten kürzlich im Nationalteam, die anderen sind für Klinsmann jetzt schon zu alt.

Die wirklich guten Jungen gehen schon früh nach Europa, in der MLS verbleibt der Rest – oder die Etablierten, die als Designated Player in die Liga zurückgeholt werden (so wie Clint Dempsey bei Seattle, Michael Bradley bei Toronto oder Jermaine Jones bei New England). Noch düsterer sieht die Sache für Klinsmanns Amtskollegen Benito Floro und das kanadische Team aus: Sogar die drei kanadischen Teams aus Montréal, Toronto und Vancouver verzichten praktisch komplett auf Spieler aus Kanada.

Interesse steigt

Dank der passenden Stadien, einer für US-Verhältnisse lebendigen Stimmung in den Arenen, angepassten Spielplänen (nähergelegene Gegner kommen öfter als solche vom anderen Ende des Landes) und sicher auch dem einen oder anderen großen Namen steigt der Zuschauerschnitt stetig an – trotz recht gesalzener Tricketpreise (an die zwischen 40 und 50 Dollar für ein Spiel muss man schon rechnen).

Vor allem die Zuschauer-Kaiser aus Seattle (45.000) und Orlando (33.000) trieben den Schnitt erstmals über die 20.000er-Marke und damit in unmittelbare Nähe der Serie A und der französischen Ligue 1. Vor allem das junge Publikum spricht durchaus auf Fußball an, zuletzt überholte Fußball als Lieblings-Sport von Teenagern sogar das ur-amerikanische Baseball.

Hier eine extrem lesenswerte Story über diese Entwicklung. Tatsache ist aber auch: Die Premier League hat in den USA deutlich höhere Einschalt-Quoten als die MLS.

Geographie ein Faktor

Und wie ist nun das sportliche Niveau einzuschätzen? Die am weitesten verbreitete Ansicht ist, dass sich die MLS vom generellen Niveau her etwa auf dem Level der besseren Klubs aus Englands 2. Liga bewegt. Dafür gibt es andere Faktoren, die Neuankömmlingen aus Europa das Leben in der nordamerikanischen Liga schwer macht.

Bedingt durch die Größe des Landes steigt die Reisezeit gegenüber den geographisch kleineren Ligen in Europa dramatisch an. Dazu kommt, dass manche Teams auch im Oktober und November noch bei angenehmen Temperaturen spielen (wie Los Angeles, Houston oder Dallas), während andere da schon mit dem Schnee kämpfen (wie Toronto, New England oder Chicago). Zudem spielen einige auf Meereshöhe, während etwa Colorado oder Salt Lake auf zum Teil deutlich über 1.000 Meter spielen.

Obendrein ist Kunstrasen in der MLS etwas völlig normales. Auch das ist für viele Auswärtige erstmal ziemlich ungewohnt.

borchers cup

Nun, nach 20 Jahren, hat sich die Major League Soccer etabliert und hat auch ihren Platz sowohl in der USA als auch in der internationalen Wahrnehmung gefunden: Als bunter Mix aus großen Namen am Ende ihrer Laufbahn, aus lateinamerikanischen Kickern, die den Sprung in die großen europäischen Ligen nicht geschafft haben, und aus Local Heroes wie einst Landon Donovan oder nun Nat Borchers mit seinem auffälligen Rauschebart.

Großmannssucht hat man den Klubbesitzern ebenso ausgetrieben wie allzu großen Kleinmut. Man weiß in der MLS, was man ist. Man weiß aber auch, was man nicht ist.

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Den Mutigen gehört die Welt – den Einfallslosen nur Prügel. Drei Beispiele. https://ballverliebt.eu/2013/03/04/den-mutigen-gehort-die-welt-den-einfallslosen-nur-prugel-drei-beispiele/ https://ballverliebt.eu/2013/03/04/den-mutigen-gehort-die-welt-den-einfallslosen-nur-prugel-drei-beispiele/#comments Mon, 04 Mar 2013 14:35:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8418 Den Mutigen gehört die Welt – den Einfallslosen nur Prügel. Drei Beispiele. weiterlesen ]]> Wer sich etwas überlegt, kann verlieren – wer sich nichts überlegt, hat schon verloren. Dieses Motto ist in der österreichischen Bundesliga beim einen oder anderen schon angekommen, bei vielen aber immer noch nicht – zuletzt kündigte etwa Rapid-Trainer Peter Schöttel sinngemäß an, wieder jenen anspruchslosen Riegel-Fußball spielen zu wollen, der die Saison 2011/12 schon zur unerträglichsten aller Zeiten gemacht hat. Dabei möchte man den Verantwortlichen zurufen: Den Mutigen gehört die Welt. Man braucht nicht einmal Jahre, um das umzusetzen. Nur den Mut, es anzugehen. Und wer keinen Mut hat, verliert. Wie diese drei Beispiele aus der MLS zeigen.

Mutig durchziehen und belohnt werden: Portland Timbers

Portland Timbers - New York Red Bulls 3:3 (1:3)
Portland Timbers – New York Red Bulls 3:3 (1:3)

Den Mut zeigten, selbst aktiv zu sein. Zu pressen. Die Außenverteidiger bedingungslos nach vorne zu beordern. Und einen Mittelstürmer haben, der extrem viel arbeitet. Kurz: Eine Philosophie der Eigeninitiative etablieren. Geht nicht von heute auf morgen? Geht doch von heute auf morgen. Zumindest von der Idee, die man der Mannschaft einimpfen kann. Und auch auf Details achtet – wie etwa, dafür das Spielfeld knapp vier Meter breiter zu machen.

Genau diesen Weg gehen in der MLS die Portland Timbers. Gerade mal vier Stammspieler aus der letzten Saison waren in der ersten Start-Elf nach dem kompletten Re-Boot übrig: Nach zwei enttäuschenden Jahren, in denen der schottische Trainer John Spencer ebenso schottischen 4-4-2-Hau-Ruck-Fußball spielen ließ und mangels Erfolg und Weiterentwicklung letztlich entlassen wurde, wagen die Portland Timbers in ihrer dritten MLS-Saison einen totalen Neustart. Neo-Coach Caleb Porter soll der Architekt der modernen Offensiv-Philosophie sein.

Jeder weiß genau, was wann zu tun ist…

In seinem 4-2-3-1 sind praktisch alle Positionen nach einer eigenen Job Description haargenau besetzt. Die Außenverteidiger Harrington und Miller stehen sehr hoch und beackern die Seitenlinien quasi im Alleingang, während die Mittelfeld-Außen Alhassan und Nagbe dadurch einrücken können. Sechser Will Johnson ist ein Wadlbeißer, ein Terrier, der für die Ballgewinne zuständig ist (und dafür, den gegnerischen Zehner – diesmal Tim Cahill – zu nerven). Diego Chará, der Achter, kann dem Spiel einen Takt geben, vor allem aber auch selbst durch gute vertikale Laufwege Löcher reißen. Der etwas starksig wirkende Zehner Diego Valeri kann mit seiner Technik die Bereitschaft zeigen, auch mit wenig Platz den Ball zu fordern. Und Solospitze Ryan Johnson ist extrem aktiv und steht nicht nur wie sein Vorgänger Kris Boyd im Strafraum und wartet auf Flanken.

Das ist natürlich alles nicht Revolutionäres und nichts, was man nicht bei anderen Mannschaften auf dem Globus nicht auch sieht, keineswegs. Es ist aber erstaunlich, wenn man das Team mit der letzten Saison vergleicht, in der das genaue Gegenteil zu sehen war: Vorsichtige und bei Flanken unbeholfene Außenverteidiger. Keine Ideen und keine Kompaktheit im Zentrum. Kaum Bewegung vorne. Und vor allem: Extrem viele personelle Rochaden. Da spielte Nagbe mal vorne, mal hängend, mal auf dem Flügel. Da spielte Jewsbury, eigentlich Sechser, mal einen verkappten Spielmacher, dann wieder als Rechtsverteidiger. Da war kurzzeitig sogar Andi Dober als Neuzugang im Gespräch.

…zumindest nach vorne

Üblicherweise heißt es, man müsse zuerst sicher stehen, ehe man sich um die Offensive kümmert. Porter macht es genau anders herum: Während das Offensiv-Spiel schon im ersten Versuch richtig gut klappte, wird hinten noch heftig geschnitzt. Das sind zum Teil richtig derbe individuelle Schnitzer (wie Silvestre beim 0:1 und beim 1:2, bzw. Jean-Baptiste beim 1:3), aber auch die Abstimmung zwischen Mittelfeld und Abwehr stimmt noch nicht so ganz. Zuweilen wurden die Räume etwas gar groß, rückten die Innenverteidiger bzw. die defensiven Mittelfeldspieler nicht so nach Außen, dass es im Rücken der Außenverteidiger eine Absicherung gäbe (siehe das 1:2).

Das heißt: Die Timbers versprechen ein Team zu werden, das in den 34 Regular-Season-Spielen an die 70 Tore schießen wird, aber wohl auch ebenso viele kassiert. Caleb Porter kann sich diesen Ansatz allerdings auch aufgrund des Liga-Modus erlauben: Es gibt aus der derzeit 19 Teams umfassenden MLS keinen Abstieg. Gut für Portland, denn letztes Jahr war man die drittschlechteste Mannschaft – und gar nur eine einzige schoss noch weniger Tore.

Courage haben heißt auch: Mut zur Umstellung

Gegen die New York Red Bulls hatte Portland die erste Hälfte schon ganz gut im Griff, kassierte aber eben drei billige bis peinliche Gegentore. Die New Yorker agierten ebenso aus einem 4-2-3-1, in dem Thierry Henry von der linken Seite kam und recht hoch stand, der Argentinier Fabián Espindola mit seinen schnellen Antritten als Solo-Spitze für Unruhe sorgte, Tim Cahill als Zehner eher blass blieb und der alternde Freistoß-Künstler Juninho bis eben auf Freistöße kaum am Spiel teilnahm. Der Kompromiss, denn NYRB-Coach Petke dafür eingehen musste, war Dax McCarty – dieser gab Juninhos persönliches Hausmädchen, grätschte alles an, was sich ihm in den Weg stellte, ist aber nicht für eigene Impulse zuständig. So verdichtete sich der Mittelkreis in der Anfangsphase ganz extrem.

Zwar hatte Portland dort durch das Übergewicht an zum Spielen willigen Akteuren Vorteile, kam aber kaum wirklich durch. Das – und der Spielstand von 1:3 – zwang Porter dazu, in der Halbzeit Modifizierungen vorzunehmen. Valeri rückte weiter auf, agierte als hängende Spitze. Nagbe positionierte sich weiter Außen als davor und rückte erst relativ hoch ein; Alhassan dafür positionierte sich auf der anderen Seite noch weiter nach innen, überließ Ryan Miller endgültig die Außenbahn und gab neben Chará einen zweiten Gestalter aus der Spielfeld-Mitte. Dadurch hatten die Timbers nun auf den Flanken die Kontrolle, im Zentrum ebenso, und drückten den Gegner massiv hinten rein.

Bei den Red Bulls ging es recht schnell nur noch darum, den Sieg irgendwie zu retten. Petke stellte auf ein 4-4-1-1 um (mit Henry vorne, Cahill dahinter, dazu zwei eng stehende Viererketten), es half aber nichts. Portland kam zum hochverdienten 3:3 und hatte sogar noch Chancen, das Spiel zu gewinnen.

Highlight-Video

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Den Mut beim ersten Rückschlag verlieren: Philadelphia Union

Philadelphia Union - Sporting Kansas City 1:3 (1:1)
Philadelphia Union – Sporting Kansas City 1:3 (1:1)

Wie es gehen könnte, wenn einen nicht der Mut verließe, zeigte an diesem Auftakt-Spieltag das Team aus Philadelphia. Das war letztes Jahr kaum besser als die Timbers, und auch Union-Coach Hackworth (der zum Interims- zum Vollzeit-Chef befördert wurde) überlegte sich etwas.

Gegen Kansas City, Halbfinalist der letzten beiden Jahre, gab’s ein ziemlich schiefes 4-4-1-1. Linksverteidiger Gaddis blieb hinten und Gabriel Farfan im linken Mittelfeld stand ebenso sehr tief, um Graham Zusi – einen der Shooting Stars der letzten Jahre – im Griff zu behalten. Dafür übernahm Brian Carroll die Agenden als zentraler Gestalter und auch als linker Flügel. Keon Daniel, hängende Spitze mit auffälligen Dreadlocks, verschob viel vertikal und Sébastien le Toux lauerte auf schnelle Antritte.

Zudem presste dieses Trio, zum Teil gemeinsam mit dem kraftvollen Sechser Michael Lahoud, gegen das kompakte Dreier-Mittelfeld des Gegners. Mit Erfolg: Le Toux besorgte das frühe 1:0 und hätte kurz darauf das 2:0 nachlegen müssen, schob aber den Ball am leeren Tor vorbei. Der Außenseiter hatte alles im Griff, bis man hinten einmal kräftig schlief und kurz vor der Pause wie aus heiterem Himmel das 1:1 kassierte.

Damit war’s um den ganzen schönen, mutigen und proaktiven Plan bei Philadelphia geschehen. Nach dem Seitenwechsel agierte man wie das Kaninchen vor der Schlange. Man presste nicht mehr, ließ dem Gegner Zeit für den Spielaufbau und es half auch nicht, dass Zusi nun wesentlich zentraler agierte als in der ersten Hälfte und keiner seiner beiden Bewacher darauf reagierte. Kansas City kam letztlich zu einem völlig problemlosen 3:1-Sieg. Aus Sicht des Verlierers absolut vermeidbar, wenn man weiter so mutig wie bis zum Ausgleich agiert hätte.

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Gegen ein planloses Team keinerlei Mut haben: Chicago Fire

Los Angeles Galaxy - Chicago Fire 4:0 (1:0)
Los Angeles Galaxy – Chicago Fire 4:0 (1:0)

Wenn es einen idealen Zeitpunkt gibt, gegen den MLS-Meister von 2011 und 2012 zu spielen, dann jetzt. Die Los Angeles Galaxy haben gegenüber dem letzten Jahr (als man nach einer mäßigen Regular Season in den Play-Offs auftrumpfte) neben David Beckham auch Landon Donovan (der wegen seines Burn-Outs eine Auszeit nimmt) und Chippen Wilhelmsson (gut, der ist kein großer Verlust) verloren.

Trainer Bruce Arena aber blieb auch ohne die Schlüsselspieler Beckham und Donovan seinem flachen und eher statischen 4-4-2 treu. Mit den beiden konnte er das machen, weil Beckham aus dem Zentrum heraus eine traumhafte Präzision hatte und Donovan mit seinem Spielverständnis viele, richtige Laufwege nahm. Ohne die beiden allerdings passt das alles nicht so recht zusammen.

Aus dem Zentrum kommen keinerlei Impulse, aus der personellen Not heraus muss Innenverteidiger De la Garza als Rechtsverteiger ran, dafür RV Franklin im Mittelfeld. Mike Magee,ein verlässlicher aber nicht besonders torgefährlicher linker Flügelspieler, muss in den Sturm neben Robbie Keane. Die Außenbahnen waren bemüht, aber harmlos und an Spielaufbau gab’s sonst nur lange Bälle in die vage Richtung von Magee und Keane. Kurz: Die pure Einfallslosigkeit.

Alleine: Chicago – letztes Jahr sogar mit mehr Regular-Season-Punkten als die Galaxy – machte es noch schlechter. Das Team von Arne Friedrich, der wegen einer Verletzung nicht mitwirken konnte, hatte überhaupt keinen Plan, wie man das mehr als stotternde Team aus L.A. aushebeln könnte. Larentowicz und Lindpere im Mittelfeld-Zentrum versteckten sich nach Kräften, von den Außenverteidiger kam sehr wenig, von Duka und Nyarko noch weniger. Die einzigen, die echten Einsatz zeigten, war Chris Rolfe und Maicon Santos, die beiden Offensiven im 4-4-1-1. Das Problem dabei: Rolfe beging technische Fehler am laufenden Band, ihm flipperten die Bälle oft meterweit weg. Und Maicon Santos fehlte es einfach an der Unterstützung.

So gingen die Galaxy mit einer 1:0-Führung in die Halbzeit, nachdem drei Verteidiger Filigrantechnik-Wunderwuzzi Robbie Keane nur andächtig beobachteten, eine zweimal abgefälschte Flanke bei Magee landete und dessen nochmal abgefälschter Seitfallzieher im Tor. Mehr Fähigkeit zur eigenen Gestaltung zeigten die Gäste dann auch nach dem Seitenwechsel nicht: Haarsträubende Fehlpässe im Aufbauspiel, zu viele Räume zwischen den Reihen und in den Schnittstellen (wie beim 0:2), viel zu nachlässigen Verteidigen mit komplett körperlosem Spiel (wie beim 0:3). So konnte sogar Magee drei Tore machen und Keane per Fallrückzieher für den 4:0-Endstand sorgen.

Oder anders gesagt: So bekommt man sogar von einem Team, das so tut als wären Beckham und Donovan noch da und bei dem damit nicht so arg viel passt, die Bude angefüllt.

Highlight-Video

(phe)

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