Milletich – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 03 May 2022 08:33:10 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Was Ralf Rangnick für den ÖFB und das Team bedeutet https://ballverliebt.eu/2022/05/02/was-ralf-rangnick-fuer-den-oefb-und-das-team-bedeutet/ https://ballverliebt.eu/2022/05/02/was-ralf-rangnick-fuer-den-oefb-und-das-team-bedeutet/#comments Mon, 02 May 2022 20:14:40 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=18072 Was Ralf Rangnick für den ÖFB und das Team bedeutet weiterlesen ]]> Vieles deutet darauf hin, dass Ralf Rangnick dem ÖFB eher zufällig in den Schoß gefallen ist. Dass es jenseits der Phantasie von Sportdirektor Peter Schöttel war, Rangnick auch nur zu fragen, hat er ja selbst zugegeben. Egal – jetzt ist der 63-jährige Deutsche da. Und was heißt das jetzt?

Ralf Rangnick (Foto: CC BY-SA 4.0/Steffen Prößdorf)

Glückliche Fügung für Milletich

Peter Stöger als Teamchef, Fränky Schiemer als sein Assistent – es wäre die bequeme Lösung gewesen. Bis sich Rangnick wohl fast mehr oder weniger selbst aufgedrängt hat. Für Gerhard Milletich eine glückliche Fügung: Der ÖFB-Präsident wirkte nach einem halben Jahr im Amt immer noch recht ziellos in seiner Führung und mehr damit beschäftigt, nicht zwischen die Stühle der internen Querelen im Präsidium zu geraten. Bislang mit nicht allzu herzeigbarem Erfolg.

Für ihn ist es ein äußerst vorzeigbares Ergebnis, dass die erste große Personalentscheidung seiner Amtszeit Ralf Rangnick heißt. Er kann auf die generell positiv überraschten und überwiegend wohlwollenden Reaktionen in der Öffentlichkeit verweisen. Seine Position ist mit dem Rangnick-Coup fraglos gestärkt worden – vorerst. So wie Schöttels Position erheblich geschwächt wurde, und das vermutlich dauerhaft.

Die Kritik kommt aus erwartbaren Ecken: Peter Pacult, der mit Rangnick nicht kompatibel war und 2012 von ihm als Leipzig-Trainer entlassen wurde. Es war eine der ersten Amtshandlungen Rangnicks als Red-Bull-Gesamtverantwortlicher. Peter Linden, der den Teamchef-Posten immer als Belohnung für inner-österreichisches Lebenswerk und Freundschaftsdienst angesehen hat, nicht als echten Job. Hans Krankl, für den ähnliches gilt, versehen mit pathetisch-triefendem Es-muss-ein-Österreicher-sein-Patriotismus.

Menschliche und fachliche Nähe

Ivica Osim, zwei Tage nach der Rangnick-Verkündung verstorben und 1999 nach dem Prohaska-Aus selbst großer Wunschkandidat des damaligen ÖFB-Präsidenten Beppo Mauhart, hat gegenüber Jonathan Wilson mal gesagt: „Man will als Trainer nicht unbedingt Krisen verursachen. Und doch braucht man Probleme, um Lösungen zu kreieren.“ Die bedingungslose Unterordnung und die Harmoniebedürftigkeit der japanischen Spieler waren es, wegen der Osim (anders als umgekehrt) nie so richtig warm wurde mit dem Fernen Osten.

Ein großes Harmoniebedürfnis wird Rangnick nicht nachgesagt, aber auch nicht die Gefahr einer völligen Implosion menschlichen Zusammenlebens. Dieses wurde in der Foda-Zeit aus zu vielen verschiedenen Ecken unabhängig voneinander kolportiert, um frei erfunden zu sein. Wie es um die Bedingungslosigkeit aussieht, von der er Unterordnung verlangt, wird man im für ihn neuen Nationalteam-Kontext abwarten müssen. Wenn er Input von den Spielern aber als fundiert und berechtigt ansieht, wird sich Rangnick aber wohl nicht völlig abschotten.

Rangnick braucht freie Hand

In Stuttgart ist Rangnick einst an den großen Egos in der Mannschaft gescheitert, Stichwort Balakov, der großen politischen Einfluss im Klub hatte. Rangnick wollte sich nicht verbiegen, das blieb so. Auf Schalke war er nicht bereit, von seiner professoralen Linie nach dem Gusto von Rudi Assauer, der sein Prolo-Image genüsslich kultivierte, abzuweichen. Lieber ging er, trotz sportlichen Erfolgs, und schaffte es dabei sogar, die Gunst der Fans auf seine Seite zu ziehen, gegen Assauer.

Den größten Erfolg hatte er immer, wenn er freie Hand hatte: Inhaltlich, von der Kadergestaltung, mit Rückendeckung der Vereinsführung. In Ulm, in Hannover, mit Hoffenheim, mit Red Bull. Rangnick beansprucht die klare Rolle als Führungsperson, auch und vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung, kompromisslos.

Machtstrukturen zu Rangnicks Vorteil

Beim ÖFB hat es Rangnick mit einer übereinstimmend als tendenziell schwierig beschriebenen Mannschaft zu tun. Die meisten Platzhirsche könnte er aber im Zweifel mit Hinweis auf deren fortgeschrittenes Alter eliminieren, ohne damit Aufstände zu provozieren. Er hat in Gerhard Milletich einen Präsidenten, der offen erwartet, dass es „unbequem wird“ und dass Rangnick natürlich auch über den Tellerrand des A-Nationalteams hinaus wirken wird.

Er hat in Peter Schöttel einen Sportdirektor neben sich, der bei der Bestellung Rangnicks offenkindig in keinster Weise die treibende Kraft war und ihn deutlich sichtbar auch eigentlich nicht so richtig haben will. Er konnte sich aber auch nicht gesichtswahrend der Rangnick-Verpflichtung widersetzen. Seine Autorität im A-Bereich ist öffentlichkeitswirksam kastriert und dass Milletich sich im Konfliktfall auf die Seite Rangnicks stellen würde und nicht auf jene von Schöttel, ist augenfällig.

Schluss mit dem Friendzone-Fußball

Franco Foda war, im übertragenen Sinne, der Jorah Mormont unter den Fußballtrainern: Er ließ Friendzone-Fußball spielen, eh lieb, aber halt allzu schüchtern-harmlos und mit null Penetration in den Strafraum. Ein passives Ballbesitz-Gespiele, mit dem man unterlegene Teams in Schach hält, aber mit dem man auch ohne Lösungen im Mittel- und vor allem im Angriffsdrittel die Zeit vergehen lässt und auf individuelle Geniestreiche hofft, wird es unter Rangnick nicht geben.

Sehr wohl aber die dazugehörigen Strukturen hinter der Pressingwelle, die unter Foda einer der ganz fundamentalen Schwachpunkte waren. Bei Manchester klappt das besorgniserregend schlecht, dort kann er aber auch nichts am Kader ändern, den er schon mehrfach als massiv sanierungsbedürftig bezeichnet hat.

Rangnick weiß nicht nur, dass es mehr Plan braucht als die langen Öffnungspässe von Martin Hinteregger und ihm ist auch zuzutrauen, diese Pläne zu vermitteln. Ja, Rangnick war immer beseelt vom radikalen Umschalt-Fußball und gerade in Spielen gegen starke Teams wird man das auch sehen. Aber es geht eben nicht nur gegen Frankreich und Dänemark, sondern in der EM-Qualifikation dann auch wieder gegen die Bulgariens und Litauens der Fußballwelt.

Ein anderes Gesicht

Foda und Rangnick ist gemein, dass sie Deutsche mit etwas spröder Ausstrahlung sind, Foda zuweilen mit einem etwas empfindlichen Tonfall, Rangnick neigt ein wenig zur Besserwisserei. Ansonsten verbindet die beiden praktisch nichts, am Allerwenigsten ihre Vorstellung vom Fußball und die Idee davon, mit welchem Personal das umzusetzen sei.

Die Tage von Marko Arnautovic im Team sind wohl noch nicht schlagartig vorbei, aber mehr als eine Joker-Rolle wird es für ihn eher nicht mehr geben. Torhüter Daniel Bachmann ist gut auf der Linie, wird mangels fußballerischer Fähigkeiten aber keine Chance unter Rangnick haben. Aleksandar Dragovic war in Leverkusen bei Roger Schmidt immer eher ein Wackelkandidat, der schnellste ist er auch nicht mehr – mit einer hohen Verteidigungslinie ist das schwer vereinbar. Alessandro Schöpf wird es schwer haben, für Trimmel ist die Team-Karriere wohl vorbei, für Julian Baumgartlinger wäre sie das so oder so. Mit Martin Hinteregger wird sich Rangnick nach der schroffen Absage des Verteidigers an Leipzig vor einigen Jahren wohl nochmal zusammen setzen müssen.

Andererseits kann man sicher sein, dass einige Spieler ins Blickfeld rücken werden, die unter Foda (wenn überhaupt) nur am Rande interessant waren. Junior Adamu natürlich, Hannes Wolf vermutlich auch, Yusuf Demir kommt einem da in den Sinn. Philipp Lienhart kennt ein Spiel mit hoher Intensität aus Freiburg und spielt eine starke, konstante Saison. Patrick Wimmer wird womöglich ein Kandidat, unter Umständen sogar Sascha Horvath, einer der wenigen Lichtblicke in einer fürchterlichen LASK-Saison. Patrick Pentz erscheint als Team-Torhüter beinahe logisch.

Ein Spiel neu denken

Österreichs Gegner, vor allem die auf Augenhöhe oder darunter, werden nicht schlagartig aufhören, dem ÖFB-Team den Ball zu überlassen. Das Aufbauspiel war unter Foda ein ständiger Quell von Ärgernis und Frustration, für die Fans sowieso, dem Vernehmen nach auch für die Spieler. Ein Drehen an der einen Stellschraube hier und der anderen Stellschraube da wird nicht reichen. Das Spiel wird völlig neu gedacht werden müssen als unter Foda.

Hat Österreich wirklich Flügelspieler von internationalem Format? Wenn nein, und die Antwort ist vermutlich „nein“: Wie schafft man sich Platz? Und wie nützt man diesen Platz, mit welchen Spielertypen, um in den Strafraum zu kommen? Wer kann die Intensität und das Tempo gehen, das Rangnick vorschwebt, und wie schafft es Rangnick, in begrenzter Zeit seine Ideen zu vermitteln?

Nicht mehr oder weniger Druck

Ist die Gefahr gegeben, dass es – wie am Ende der Koller/Ruttensteiner-Zeit – zu einem Backlash der reaktiven Kräfte im ÖFB kommt? Ja, natürlich. Milletich ist nicht plötzlich ein gemachter Mann im Präsidium, nur weil er jenen Mann als Teamchef gewinnen konnte, der den österreichischen Fußball im letzten Jahrzehnt geprägt hat wie niemand auch nur annähernd sonst.

So gesehen ist ein ÖFB-Teamchef Rangnick eigentlich ein völlig logischer Schritt. Hier kann er die Redbullisierung des österreichischen Fußballs letztgültig vollenden: Als Rangnick 2012 nach Österreich kam, war Pressing auch für den damaligen Rapid-Trainer Schöttel ein komplettes Fremdwort und Erfolg hatte mehr mit Zufall als mit Plan zu tun, von Hannes Kartnig über Frank Stronach bis hin zu den ersten sieben Mateschitz-Jahren. Lange sorgte Salzburg danach für zwei Drittel der internationalen Punkte, aber die Liga hat mitgezogen. In den letzten drei Jahren, trotz der Champions-League-Bonuspunkte für Salzburg, fiel dieser Wert auf 25 bis 35 Prozent. Vor allem dank des LASK, dessen Spielstil sich in dieser Zeit stark an jenen in Salzburg anlehnte. Österreich, 2011 in der Fünfjahreswertung auf Platz 19, ist nun in diesem Ranking Achter.

Rangnicks Ziel ist es nicht, mit Österreich zur EM zu fahren, das setzt er voraus und das muss auch so sein. Der ÖFB ist ein Vehikel, um sein Ego mit einer starken EM in seinem Heimatland Deutschland zu streicheln. Der Druck ist realpolitisch zunächst nicht größer oder kleiner als ihn Peter Stöger verspürt hätte: Der Abstieg aus der Nations-League-Gruppe mit Frankreich, Dänemark und Kroatien ist eingeplant, daraus macht der ÖFB gar keinen Hehl. Die Qualifikation für die EM 2024 ist das logische Ziel, das wäre für jeden anderen Teamchef auch so gewesen. Im Erfolgsfall wäre mit jedem anderen Teamchef auch die Vertragsverlängerung angestrebt worden, und bei einem Verpassen der EM wäre wohl jeder andere Teamchef mehr (Foda) oder weniger (Koller) elegant vom Hof gejagt worden.

ÖFB-interne Verwerfungen: Ein Sonderthema

Eine erfolgreiche Amtszeit unter Rangnick, in der auch das unter Foda konsequent leergespielte Happel-Stadion wieder besser gefüllt wird, muss zwangsläufig die Milletich-kritischen Mitglieder im ÖFB-Präsidium unter der Decke halten, zumindest solange der Deutsche mit guten Resultaten als Teamchef wirkt. Geht das Rangnick-Engagement daneben, wird die trotz des Deals mit Manchester United sicher nicht ganz billige Verpflichtung gegenüber einer nicht nur erheblich billigeren, sondern auch erheblich bequemeren Stöger-Verpflichtung zum Bumerang für Milletich. Ganz so wie die Koller-Verlängerung 2015, die aus Angst vor Abwerbeversuchen und im Lichte der glanzvollen EM-Qualifikation allzu teuer ausgefallen ist, für Ruttensteiner und mit ihm auch für Windtner zum Bumerang geworden ist.

Das ist alles nicht neu und die ÖFB-internen Verwerfungen könnten Bücher füllen. Ob beißend formuliert wie bei Gerald Gossmann, ausgewogen wie bei Georg Sander oder, zugegeben, mit zuweilen offener Geringschätzung wie bei uns, ist Geschmackssache. Das ÖFB-Präsidium wird von einigen Mitgliedern selbstherrlich als Jahrmarkt der Eitelkeiten betrieben, das ist bekannt, an diesem Grundprinzip wird auch Ralf Rangnick nichts ändern.

Sehr wohl aber kann es sein, dass er bei allzu bescheuerten Anwürfen – und wie gesagt, einige Präsidiumsmitglieder sind dazu vortrefflich in der Lage – von selbst aufsteht und geht, wie im Herbst 2005 bei Schalke. Und zwar nicht, ohne den betreffenden Herren nochmal schön auszurichten, das er sie für feste Trotteln hält.

Und dann zumindest damit die Mehrheit des Fan-Volks hinter sich weiß.

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Teamchef-Suche: Die Landespräsidenten am Wort https://ballverliebt.eu/2017/09/21/teamchef-suche-die-landespraesidenten-am-wort/ https://ballverliebt.eu/2017/09/21/teamchef-suche-die-landespraesidenten-am-wort/#comments Thu, 21 Sep 2017 11:40:14 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14157 Teamchef-Suche: Die Landespräsidenten am Wort weiterlesen ]]> 13 Männer sitzen in jenem ÖFB-Präsidium, das über den Nachfolger von ÖFB-Teamchef Marcel Koller entscheiden wird. Das sind ÖFB-Präsident Leo Windtner, drei Vertreter der Bundesliga – und die neun Präsidenten der Landesverbände. Seit der Sitzung am 15. September, wo das Ende der Ära Koller beschlossen und Sportdirektor Willi Ruttensteiner die Rute ins Fenster gestellt wurde, ist viel über diese neun Herren gesprochen worden.

Aber es ist sehr wenig mit ihnen gesprochen worden. Das ändern wir jetzt.

Die neun Landespräsidenten sind in alphabetischer Reihenfolge:

  • Wolfgang Bartosch, Steiermark, Direktor der steirischen Arbeiterkammer, seit 2011
  • Johann Gartner, Niederösterreich, Bürgermeister von Ziersdorf, 2002-2012 und seit 2016
  • Josef Geisler, Tirol, Richter am Innsbrucker Landesgericht, seit 2008
  • Gerhard Götschhofer, Oberösterreich, Rechtsanwalt aus Vorchdorf, seit 2013
  • Herbert Hübel, Salzburg, Rechtsanwalt aus Salzburg, seit 2001
  • Horst Lumper, Vorarlberg, Rechtsanwalt aus Bregenz, seit 2006
  • Gerhard Milletich, Burgenland, Verleger (Bohmann-Verlag) und Medien-Unternehmer (Schau-TV), seit 2012
  • Klaus Mitterdorfer, Kärnten, ehemaliger Trainer in der Kärntner Liga, Stellvertretender Kammeramts-Direktor der Kärntner Ärztekammer, seit 2016
  • Robert Sedlacek, Wien, ehemaliger Bundesliga-Referee, Vorsitzender der ÖFB-Schiedsrichterkommission, seit 2010

Wir haben alle neun Landespräsidenten kontaktiert und ihre Antworten zu einem großen Interview zusammengefasst. Darauf möchten wir explizit hinweisen: Es handelt sich um Einzelgespräche und keine Telefonkonferenz.

Drei Landespräsidenten kommen in dieser Interview-Melange nicht oder nur am Rande vor.  VFV-Präsident Lumper ist beruflich im Ausland unterwegs und war dementsprechend leider nicht zu erreichen. SFV-Präsident Hübel weilte beim UEFA-Kongress in Genf und war entsprechend kurz angebunden; große Lust, mit uns zu reden, hatte er aber offenkundig ohnehin nicht („Ich weiß schon, was Sie von mir hören wollen, aber seien Sie mir nicht böse, dass ich zu dem Thema nichts sagen möchte.“). Auch TFV-Präsident Geisler verwies darauf, dass es sich bei der Teamchef-Suche um Interna handle, die er nicht an die Öffentlichkeit tragen wolle.

Milletich: „Jetzt ist einmal Sportdirektor Ruttensteiner beauftragt, alles zu analysieren.“

Es heißt, bei der Präsidiumssitzung in Gmunden am 15. September wäre mehr über Sportdirektor Willi Ruttensteiner gesprochen worden als über Marcel Koller.

Johann Gartner (NÖ): Wir haben gefragt: Müssen wir nicht Trainer und Sportdirektor gemeinsam bedenken? Sonst wäre die Gefahr, dass eine Situation entsteht wie bei Rapid, wo der neue Sportdirektor einen Trainer geerbt hat, der seinen Plänen nicht entspricht.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Es ging eigentlich mehr um die Personalie Sportdirektor als um die Personalie Teamchef, das ist richtig. Ich persönlich bin für eine Weiterarbeit mit Willi Ruttensteiner, dazu bekenne ich mich. Ich bin der Überzeugung, dass er sehr gute Arbeit geleistet hat. Man darf auch nicht nur den Männer sehen: Es gab unter ihm einen massiven Aufschwung und tolle Erfolge auch im Junioren-Bereich und bei den Frauen.
Robert Sedlacek (Wien): Ein neuer Sportdirektor wird aktuell gar nicht gesucht. Der aktuelle hat nun einen Bericht über die vergangenen Jahre abzuliefern. Auf dieser Basis wird dann diskutiert, ob mit ihm verlängert wird oder nicht.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Wir haben über den ganzen Sportbereich diskutiert. Es ist vernünftig und richtig, dass man sich keine Grenzen im Denken setzt, wenn man auf dem Papier sportlichen Misserfolg hat. Und die Geschehnisse sind so, wie sie sind, weil man sportlich nicht zufrieden sein kann.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Es ist letztlich um eine Frage gegangen: Wie geht es weiter? Aber man darf es nicht nur an der negativen Phase der letzten 16 Monate festmachen, sondern alles zusammen betrachten. Man muss die ganzen sechs Jahre unter Koller sehen, die ganzen 16 Jahre mit Ruttensteiner. Man kann sich nicht nur im Erfolg sonnen und im Misserfolg alles auf den Sportdirektor abwälzen, man muss das Ganze betrachten. Und: Man muss es trennen können, ob einem jemand sympathisch ist und wie gut er seine Arbeit macht.
Gerhard Milletich (Burgenland): Jetzt ist einmal ist Sportdirektor Ruttensteiner beauftragt, alles zu analysieren – die Zeit nach der erfolgreichen EM-Qualifikation. Da passten die Resultate nicht.

(Noch?)-ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner. Foto: CC BY-SA 3.0/Steindy

Wie beurteilen Sie die Arbeit von Marcel Koller?

Gerhard Milletich (Burgenland): Er hat uns sehr weit gebracht und der ÖFB hat sehr stark von ihm profitiert. Aber die Ergebnisse des letzten Jahres waren um nichts besser als vor der Bestellung von Marcel Koller.
Robert Sedlacek (Wien): Koller hat die Anforderungen grundlegend erfüllt, aber zuletzt ist eben der Erfolg ausgeblieben. Daher ist es wohl legitim, dass nach sechs überwiegend erfolgreichen Jahren über eine Änderung diskutiert wird. Wir waren uns überwiegend einig, den Teamchef zu wechseln – zumal ja auch der Vertrag von Marcel Koller ausläuft.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Man kann viel über ihn diskutieren, aber insgesamt war es über die vielen Jahre seiner Amtszeit sehr gut unter ihm.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Ich persönlich wäre dafür gewesen, mit Koller weiter zu arbeiten. Die Mehrheit im Präsidium hatte eine andere Meinung.

Götschhofer: „Bisher wurde eher die Vergangenheit aufgearbeitet, als die Zukunft diskutiert.“

Wie ist nun der weitere Ablauf?

Robert Sedlacek (Wien): Die Art und Weise der Teamchefsuche ist geklärt. Es gibt ein Gremium – in diesem sind ÖFB-Präsident Windtner, die Geschäftsleitung des ÖFB, Vertreter der Bundesliga und der Sportdirektor – und sie wägen ab, wer dafür in Frage kommt, neuer Teamchef zu sein.
Gerhard Milletich (Burgenland): Das ist eine ganz klare Geschichte. Es muss eine Entscheidung fallen, wer Sportdirektor sein wird. Und dieser wird dann beauftragt, ein Anforderungsprofil für den Teamchef zu erstellen und zu suchen.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Der nächste Schritt ist jetzt einmal, dass ein Anforderungsprofil für den neuen Teamchef erstellt wird. Das wird sicher vom Sportdirektor in Zusammenarbeit mit dem ÖFB-Präsidenten und den Generalsekretären geschehen.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Bisher wurde eher die Vergangenheit aufgearbeitet als die Zukunft diskutiert. Ich gehe aber davon aus, dass die nächste Sitzung eher Anfang Oktober als Ende Oktober stattfinden wird.
Josef Geisler (Tirol): Ich weiß nicht, wann die nächste Sitzung stattfindet. Dazu müsste ich ja ein Hellseher sein.

Also: Erst wird der Sportchef geklärt, dann der Teamchef?

Herbert Hübel (Salzburg): Das würde ich nicht als falsch bezeichnen. Wir müssen das ja auch nicht überstürzen, es bricht ja nicht morgen der Krieg aus.
Gerhard Milletich (Burgenland): Wir haben jetzt den Vorteil, dass die ersten EM-Quali-Spiele noch weit weg sind. Wenn die Personalie Sportdirektor geklärt ist, muss dieser dann nach seinem Anforderungsprofil suchen: Wer ist am Markt? Wer ist finanzierbar? Wer ist geeignet? Und dann schlägt der Sportdirektor dem Präsidium einen Kandidaten vor.

Gartner: „Natürlich ist auch Bauchgefühl dabei.“

Dann übernimmt der Sportdirektor die suche nach dem Teamchef?

Herbert Hübel (Salzburg): Man wird den Sportdirektor bei der Suche sicher einbinden müssen. Ich bin nur ein kleines Rädchen innerhalb des Entscheidungsprozesses.

Und dieser Vorschlag wird dann im Präsidium diskutiert?

Wolfgang Bartosch (Steiermark): So ist es.
Robert Sedlacek (Wien):
So sollte es sein, ja. Es wird vermutlich um Gehälter gehen und wann der neue Teamchef beginnen kann. Und es ist auch noch nicht absehbar, ob es einen, zwei oder mehrere Kandidaten geben wird.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Es wird Vorschläge der Sportlichen Direktion  geben, und dann entscheide ich für mich: Überzeugt mich das oder überzeugt es mich nicht?
Johann Gartner (NÖ): Wir werden im Präsidium die Vorschläge nach verschiedenen Gesichtspunkten diskutieren. Natürlich ist auch Bauchgefühl dabei, man kann schließlich nicht alles in Zahlen messen. Primär ist aber wichtig, dass der Erfolg zurückkehrt.

Braucht es im Präsidium Einstimmigkeit, um einen Teamchef zu bestätigen?

Josef Geisler (Tirol): Nein, es reicht grundsätzlich die Mehrheit.

Bartosch: „Man sollte sich nicht durch die Vorgabe einer bestimmten Nationalität einengen.“

Es gab 2011 einen Anforderungskatalog bei der Teamchef-Suche – Deutschkenntnisse, Wohnsitz in Wien, Erfolge in der Vita, und so weiter. Glauben Sie, dass sich an diesen Anforderungen etwas ändern wird?

Klaus Mitterdorfer (Kärnten): An den Anforderungen wird sich nicht viel ändern. Es geht um Qualität und Leistbarkeit.
Johann Gartner (NÖ): Wir sind 2011 vor der Situation gestanden, dass Deutschkenntnisse wichtig waren, und dass es sich um eine starke Persönlichkeit handeln sollte. Da kann man ja nicht irgendeinen Trainer hinstellen, der braucht natürlich auch den Respekt der Spieler. Daran hat sich nichts geändert.
Robert Sedlacek (Wien): Es ist wichtig, dass Sportdirektor und Teamchef harmonieren. Also: Wenn Willi Ruttensteiner Sportdirektor bleibt, wird sich am Profil kaum etwas ändern. Ein neuer Sportdirektor könnte aber natürlich sehr wohl neue Vorstellungen haben.

Ist auch die Nationalität von Bedeutung – oder würden Ihnen Deutschkenntnisse reichen?

Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Natürlich wäre es positiv, wenn der neue Teamchef Deutsch spricht, aber es sollte doch vorrangig um die Qualität gehen.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Es reicht, wenn er Deutsch kann. Ich bin der Meinung, man sollte sich nicht durch die Vorgabe einer bestimmten Nationalität in der Suche einengen.
Johann Gartner (NÖ): Die Nationalität ist nicht wichtig, fließendes Deutsch schon.

Aber die Spieler sollten grundsätzlich schon alle Englisch können.

Johann Gartner (NÖ): Natürlich, gar keine Frage. Aber der Teamchef muss ja nicht nur mit den Spielern kommunizieren. Zu seinen Aufgaben gehört auch Öffentlichkeitsarbeit; Medien- und Sponsorentermine. Da stelle ich mir Kommunikation auf Englisch schon problematisch vor.

Sedlacek: „Es hat schon einen Grund, warum der Sportdirektor den Teamchef sucht.“

Was wäre Ihnen persönlich bei einem neuen Teamchef wichtig?

Gerhard Milletich (Burgenland): Es geht nicht darum, dass dieses Präsidiumsmitglied diesen Trainer und jenes Präsidiumsmitglied jenen Trainer will. Namen wurden in der Sitzung keine genannt.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Darüber mache ich mir keine Gedanken, da verlasse ich mich voll und ganz auf die sportliche Expertise des Sportdirektors. Sonst könnte ich ja gleich selber einen Vorschlag einbringen. Aber das maße ich mir nicht an.

Genau das wird Ihrem Kollegium aber zuweilen vorgeworfen.

Robert Sedlacek (Wien): Vielleicht gibt es den einen oder anderen. Aber wenn ich die letzte Teamchef-Suche betrachte, war es da rein die Entscheidung der sportlichen Leitung. Aber es hat schon seinen Grund, warum der Sportdirektor den Teamchef sucht: Weil er dann auch den meisten Kontakt mit ihm hat.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Es ist richtig, dass es da gewisse Strömungen gibt, wo ich den Eindruck habe, dass das womöglich schon so sein kann.
Gerhard Götschhofer (OÖ): Ich kann über meine Kollegen nicht urteilen, aber ich unterstelle niemandem Eigeninteressen. Ich habe keinen Favoriten und kein Interesse, einen Vorschlag zu machen.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Man muss natürlich Landesinteressen in dieser Causa unbedingt absolut hintanstellen. Es kann und darf einzig um die Interessen des gesamten österreichischen Fußballs gehen.

Das öffentliche Image der Landespräsidenten ist nicht gerade positiv. Worin sehen Sie das begründet?

Gerhard Milletich (Burgenland): Ich gehe davon aus, dass da viele unqualifizierte Aussagen von Journalisten dabei sind, die noch nie Verantwortung getragen haben.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Mit tut das negative Bild schon ein bisschen weh. Es wird immer von „Landesfürsten“ geredet, und was sie sich alles anmaßen würden. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir ein anderes Bild abgeben als derzeit.

Sie sprechen den Vorwurf des „Machtrausches“ an?

Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Genau. Davon müssen wir wegkommen, weil es auch ganz und gar nicht meine Philosophie ist. Es geht natürlich um den Spitzensport, aber wir haben in den Landesverbänden vor allem sehr viele Aufgaben im Breitensport-Segment.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): Das ist natürlich nicht angenehm. Ich persönlich fühle mich nicht als „Landesfürst“. Und auch nicht als Alpha-Tier, wie womöglich andere.
Robert Sedlacek (Wien): Unser Image ist in der Tat immer sehr durchwachsen. Ich kann nur für mich sagen, dass ich mich nicht als jemand fühle, der einen Teamchef oder einen Sportdirektor abmontieren oder behalten will.
Johann Gartner (NÖ): Der ÖFB ist ein Unternehmen mit einem Budget im mittleren zweistelligen Millionenbereich, und wir leben von der Nationalmannschaft. Wenn nur 13.000 Zuseher kommen, dann muss man sich etwas überlegen.

Mitterdorfer: „Nicht anmaßen, sich in sportliche Belange einzumischen“

Abgesehen davon, dass es formal in der Satzung so steht – warum stimmen die Landespräsidenten überhaupt über die Personalie Teamchef mit ab? Sollte das nicht rein Sache der Sportlichen Leitung sein?

Gerhard Götschhofer (OÖ): Die Teamchef-Sache ist eines der wichtigsten Themen, weil die Wirtschaftlichkeit des ÖFB vom Nationalteam abhängt, das ist ja kein Geheimnis. Und der Teamchef ist da entscheidend. Da sollten auch alle Mitglieder eine Stimme haben.
Robert Sedlacek (Wien): Im Gesamtpaket Teamchef/Sportdirektor geht es nicht nur um Personen, sondern auch um Kosten. Das betrifft ja auch andere Mannschaften. Und hier ist das Präsidium eben die Instanz, die „ja“ oder „nein“ sagen muss.
Johann Gartner (NÖ): An sich sind die Landesverbände und die Bundesliga auch Eigentümer des ÖFB. Und auch in der Wirtschaft ist es üblich, dass der Aufsichtsrat wichtige Entscheidungen bestätigen muss.
Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Die föderale Struktur mach schon Sinn. Wie auch, dass sich die Gesamtstruktur des österreichischen Fußballs über die maßgeblichen Entwicklungen Gedanken macht und Entscheidungen trifft. Dabei ist ist nur die Frage: Wie? Ganz wichtig ist, dass man sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert und sich nicht anmaßt, sich als Landespräsident in sportliche Belange einzumischen.

Also: Personalie bestätigen – ja; aber Personalie suchen – nein?

Gerhard Götschhofer (OÖ): Bei der Grundlagenfindung zur Teamchef-Entscheidung kann man nur darauf bauen, dass die Sportlichen Verantwortlichen einen guten Job machen.

Sollte es eine durchgängige Philosophie vom A-Nationalteam bis ganz nach unten und in den Jugendbereich geben, oder sollte jeder Trainer nach seinen Vorstellungen arbeiten dürfen?

Klaus Mitterdorfer (Kärnten): Ich glaube, es muss ein Mix sein. Eine Grundphilosophie ist sicher gut, aber ansonsten soll schon auch die Individualität der Teams und der Spieler eine Bedeutung haben.
Robert Sedlacek (Wien): Es wird ja grundsätzlich jetzt schon nach dem „Österreichischen Weg“ gearbeitet. Es mag schon sein, dass der eine oder andere Trainer womöglich abweicht. Aber ich denke schon, dass es eine durchgängige, einheitliche Spielphilosophie geben sollte.
Wolfgang Bartosch (Steiermark): In den Nationalteams innerhalb des ÖFB ist eine einheitliche Spielphilosophie auf jeden Fall sinnvoll. In der Jugendarbeit bei den Klubs bin ich da etwas anderer Meinung. Aber: Der Sportdirektor wird da sicher die bestmöglichen Vorgaben machen.

Wir danken für die Gespräche.

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