Maradona – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Thu, 26 Nov 2020 20:10:46 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 In memoriam Diego Maradona: Die Karriere des Goldjungen https://ballverliebt.eu/2020/11/26/in-memoriam-diego-maradona-die-karriere-des-goldjungen/ https://ballverliebt.eu/2020/11/26/in-memoriam-diego-maradona-die-karriere-des-goldjungen/#respond Thu, 26 Nov 2020 15:30:12 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17262 In memoriam Diego Maradona: Die Karriere des Goldjungen weiterlesen ]]> Er wurde nur 60 Jahre alt, aber er hat gelebt für 100 Jahre – mindestens. Diego Maradona prägte den Weltfußball in den 1980ern wie kein anderer, sein technisches und spielerisches Genie sind ebenso unvergessen wie seine Allüren, seine Exzesse und seine Skandale. Der kaum mehr als 1,60m kleine Linksfuß verzauberte die Welt und vor allem in seiner Heimat Argentinien und in Neapel, wo er die beste Zeit seiner Karriere verbrachte, wird er wie ein Gott verehrt.

In memoriam: Dies war die Karriere des Pibe del Oro, des Goldjungen.

Die frühen Jahre

Diego Armando Maradona Franco wurde am 30. Oktober 1960 in Lanús, einem Stadtteil von Buenos Aires, geboren. Argentinien war nach dem Militärputsch gegen Juan Peron fünf Jahre zuvor und dem fragilen Ende der Junta 1958 ein Land auf der politischen und sozialen Suche nach sich selbst, der Versuch einer Demokratie unter dem linksgerichteten Artur Frondizi mündete in eine Militärdiktatur, ehe Peron zurückkam und Argentinien in eine Art Erbmonarchie umwandelte – die wiederum von General Videla weggeputscht wurde.

Die Begeisterung für den Fußball aber war eine Konstante im zweitgrößten Land Südamerikas – ähnlich wie in der Politik wechselten sich die Philosophien permanent ab. In den 1960er-Jahren war als Reaktion auf die Blamage mit der Schönspielerei bei der WM 1958 die Härte Trumpf, in den 1970ern löste César Luis Menottis technisches Tempo-Spiel („linker Fußball“, wie es genannt wurde) den Schlägertruppen-Kick á la Osvaldo Zubeldía ab.

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In dieser Zeit wurde Diego, ältestes von acht Kindern von Eltern, die aus der Provinz in die Hauptstadt gezogen waren, als Achtjähriger von Argentinos Juniors entdeckt. Er durchlief die Junioren-Teams des Klubs, dessen Stadion seit 16 Jahren Maradonas Namen trägt, und debütierte im Herbst 1976 in der Kampfmannschaft. Das Team stieg in den kommenden vier Jahren von einer der schwächsten Mannschaften der Liga zu einem Klub aus der erweiterten Spitze auf. Im Februar 1981 kam der Wechsel zu Maradonas Herzensklub, den Boca Juniors, zu Stande.

Maradonas erster Superclásico – 3:0 gegen River Plate

Sechs Wochen nach seinem ersten Einsatz für Boca kam es zu Maradonas erstem Superclásico – mit fünf amtierenden Weltmeistern auf dem Platz. Schon nach zwei Minuten bugsierte Maradona eine Flanke mit der Hand ins Tor, genauso wie er es fünf Jahre Später gegen England machen sollte, und kassierte dafür Gelb. Maradona, gerade 20 Jahre alt, zeigte sich trickreich und mit Tatendrang: Nach dem 1:0 durch Brindisi ließ er sich auch davon nicht stoppen, dass er von hinten niedergegrätscht wurde, stand auf, lief weiter, wurde geblockt, und Brindisi staubte zum 2:0 ab. Wenig später vollendete er einen Konter über Carlos Cordoba, in dem er noch im Fünferraum Tarantini und Fillol aussteigen ließ.

Boca gewann den Grunddurchgang der Saison 1981, schied im Playoff aber schon im Viertelfinale gegen Veléz Sarsfield aus. River wurde Meister.

Die erste WM: Der Druck ist zu hoch

Nur drei Monate nach seinem Liga-Debüt trug Maradona im Frühjahr 1977 erstmals das Trikot der argentinischen Nationalmannschaft. Teamchef Menotti traute dem jungen Burschen die mentale Belastung einer WM im eigenen Land aber noch nicht zu und berief Maradona nicht für die Heim-WM 1978 – die Argentinien gewann. Ein schwerer Schlag für das junge Jahrhundert-Talent, das Argentinien ein Jahr später in Japan zum U-20-Weltmeister-Titel führte.

Bei der WM 1982 stand Maradona, 22 Jahre alt, längst im Zentrum des argentinischen Teams, das in ansonsten annähernd unverändertem Personal die Titelverteidigung anging. Das Turnier in Spanien begann für Argentinien allerdings mit einem 0:1 gegen Vize-Europameister Belgien.

WM 1982: Auftakt-Niederlage gegen Belgien

„Da die argentinische Mannschaft sehr stark auf Maradona zugeschnitten ist, ist Menottis Truppe urplötzlich eine unberechenbare, wankelmütige Diva geworden“, konstatierte der Kicker nach dem Spiel. Star-Allüren waren ihm damals schon nicht fremd: Zu Maradonas Entourage gehörten neben seinem Manager noch zehn Familienangehörige, vier persönliche Freunde sowie sein persönlicher Pressesprecher.

„Nach der Niederlage kullerten Tränen über das braungebrannte Gesicht des Superstars, der völlig demoralisiert in einer Ecke saß und mit niemandem sprechen wollte“, so der Kicker nach dem Spiel gegen Belgien: „Der Stern am argentinischen Fußball-Himmel funkte bisher nur wenig Licht. Wieder einmal zeigte sich, dass er der großen Nervenbelastung nicht standhalten kann.“

Und weiter: „Torwart Fillol, ein ausgekochter und besonnener Profi, glaubt, dass Diego Maradona sich nur dann als Weltstar etablieren kann, wenn er auch Niederlagen und psychische Tiefschläge wegstecken kann.“ Worte mit Weitsicht. Bei der WM in Spanien konnte er das nicht: Argentinien rettete sich in die Zwischenrunde, verlor dort die erste Partie gegen Italien und war in der zweiten gegen Brasilien – die gewonnen werden musste – nach 85 Minuten mit 0:3 im Rückstand.

Maradona verlor die Nerven, trat Batista voll gegen das Knie und wurde ausgeschlossen.

Licht und Schatten beim FC Barcelona

Nach der WM 1982 blieb Maradona quasi gleich in Spanien, er wechselte von Boca zum FC Barcelona. In seiner ersten Saison beim Klub wurde Barcelona mit einem Final-Erfolg über Real Madrid Cupsieger, zudem wurde er nach einem seiner klassischen Tore zwischen Genie und Chuzpe im Liga-Match im Bernabeu von den Real-Fans mit Applaus bedacht. Sein Clash of Characters mit dem (allerdings recht schnell gefeuerten) Trainer Udo Lattek gehört koch heute zur Vereinsfolkore.

Dennoch: So richtig glücklich wurde Maradona in Barcelona nicht, auch nicht, nachdem 1983 Menotti dort sein Trainer wurde. In der Saison 1982/83 musste Maradona drei Monate wegen einer Hepatitis-Erkrankung aussetzen und als er sieben Spiele vor Saisonschluss zurückkehrte, war der Titelzug abgefahren. Am Beginn der neuen Saison wurde er im Spitzenspiel gegen den Meister aus Bilbao von Athletic-Verteidiger Goikoetxea brutal niedergestreckt, wieder musste Maradona monatelang zuschauen – sogar ein verletzungsbedingtes Karriereende stand im Raum.

Die Meisterschaft konnte man schon im Frühjahr mehr oder weniger abhaken, ehe man mit einer Siegesserie am Saisonende immerhin noch auf einen Punkt an Meister Athletic Bilbao herankam. Im Cupfinale kam es zum erneuten Aufeinandertreffen mit der robusten Kämpfer-Truppe von Trainer Javier Clemente – jener Mann, der später als spanischer Teamchef nichts mit Guiardiola anfangen konnte, weil der Pässe spielt und keine Zweikämpfe führt.

Cup-Finale 1984: Massenschlägerei gegen Athletic

Es war ein giftiges Spiel voller Feindseligkeiten, die Basken provizierten Maradona, wo sie nur konnten, vor allem nach der frühen Führung. Er wurde beinahe im Minutentakt umgetreten, oft durch fiese Fouls von hinten, mit gestrecktem Fuß – alles, um seinen Rhythmus zu brechen und sein Gemüt zu erhitzen. Athletic brachte die knappe Führung über die Zeit und holte das Double, aber nach dem Schlusspfiff des extra theatralischen Referees Ángel Franco brach der aufgestaute Frust heraus.

Die Massenschlägerei unter den Augen von König Juan Carlos, der die Siegerehrung vornehmen sollte, war der unrühmliche Höhepunkt von Maradonas letztem Spiel für den FC Barcelona werden. Dem Klub war sein exaltiertes Verhalten auf und neben dem Platz schon länger ein Dorn im Auge, Maradona vermisste die Rückendeckung von Seiten des Vereins. Letztlich waren beide Seiten froh, dass Napoli den immer noch erst 23-Jährigen in die Serie A holte.

Der Durchbruch: Die WM 1986

Etwa zeitgleich zu Maradonas Wechsel an den Vesuv entschied sich Argentiniens neuer Teamchef Carlos Bilardo zu einer extremen Maßnahme: Nach einer besonders ernüchternden Tour durch Europa opferte Bilardo einen Stürmer zugunsten eines dritten Innenverteidigers und zog die Flügelspieler weit zurück. Dieser ultra-defensive Zugang mit fünf Verteidigern hinter drei zentralen Mittelfeldspielern lockte die Gegner heraus und so bekam der Zehner – nominell als zweite Spitze aufgestellt, aber tatsächlich mit vielen Freiheiten ausgestattet – Räume.

Ein Fest für Maradona.

Bis zur WM-Endrunde in Mexiko 1986 hatte Maradona das Image als unglaublich talentierter, aber nervenschwacher Heißsporn, den seine Nerven im entscheidenden Moment im Stich lassen. Ein guter Spieler, zweifellos, aber nicht in der Lage, ein Team zu schultern, wenn es sich auf ihn verlässt. In Mexiko aber widerlegte Maradona alle Kritiker.

WM-Viertelfinale 1986: Solo-Tor und Hand Gottes

Ohne größere Probleme kam Argentinien durch die Vorrunde, mit Siegen gegen Südkorea und Bulgarien sowie einem 1:1 gegen Italien, wobei Maradona den Ausgleich erzielte. Nachdem man das Achtelfinale gegen die Brutalo-Fraktion aus Uruguay heil überstanden hatte, ging es ins Viertelfinale gegen England. Und ab da drehte Maradona erst so richtig auf.

Seine beiden Tore in dem nach dem Falklandkrieg auch emotional aufgeheizten Spiel in der Mittagshitze des Azteken-Stadions gehören zu den berühmtesten der Fußball-Geschichte. Nach torloser erster Halbzeit wollte Maradona in der 51. Minute, in den Strafraum ziehend, zum Doppelpass mit Valdano ansetzen. Hodge funkte dazwischen, hob den Ball aber genau in Maradonas Laufweg zurück vor das Tor. Dieser ging ebenso wie Englands Torhüter Peter Shilton hoch zum Ball, dieser wurde leicht abgelenkt und landete schließlich zum 1:0 im Tor. Kopfball, dachte Referee Bennasser aus Tunesien. Den Protesten der Engländer zum Trotz hatte auch Linienrichter Bogdan Dotshev aus Bulgarien nichts gegen den Treffer einzuwenden.

Dabei war es die Hand. Nach dem Spiel sagte Maradona augenzwinkernd, es war wohl eine Mischung aus dem Kopf Maradonas und der Hand Gottes gewesen. Die Phrase, die Diego immer begleiten würde, war geboren. Vier Minuten später setzte er im Mittelfeld zu einem Solo an, nahm es mit jedem auf, der sich ihm in den Weg stellte und schloss auch noch selbst zum 2:0 ab. Das „Tor des Jahrhunderts“ – the most famous and the most infamous goal, innerhalb weniger Augenblicke.

Auch im Halbfinale gegen Belgien erzielte Maradona beide Tore, eine späte Revanche für die Niederlage im Auftaktspiel von 1982. Im Endspiel gegen die Bundesrepublik Deutschland führte Argentinien schon 2:0, ehe die Deutschen aus zwei Eckbällen zum 2:2 ausglichen. Maradona aber, der von Matthäus gekonnt bewacht worden war, packte kurz vor Schluss einen weiteren Geniestreich aus. Seine Vorlage verwertete Burruchaga zum 3:2-Siegtreffer.

Argentinien war Weltmeister, und sie hatten es – überspitzt formuliert – nur einem Mann zu verdanken. El Pibe de Oro, der Goldjunge, war mit 25 Jahren am Gipfel angekommen.

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Lebende Legende in Neapel

Als er 1984 von Barcelona zu Napoli ging, war der Klub zweimal nur knapp dem Abstieg entgangen. Die Verpflichtung Maradonas war ein Risiko für den Verein, aber es zahlte sich aus. In seiner ersten Saison am Vesuv erzielte Maradona in der berüchtigt defensivstarken Serie A 14 Tore an den 30 Spieltagen und Napoli landete im sicheren Mittelfeld, 1986 schaute bereits der dritte Platz heraus. Wie einst bei Argentinos Juniors.

Die Fans aus Neapel lagen Maradona von der ersten Sekunde an zu Füßen. Über 70.000 Menschen kamen zu seiner Vorstellung im San Paolo, und der in Barcelona Verstoßene fühlte sich von Beginn an wohl. Hier, im heißblütigen und gleichzeitig dankbaren Neapel, war er der Liebling der Massen, er genoss die Freiheiten auf dem Platz und die Mentalität der Menschen.

Von der WM als Weltstar nach Neapel zurück gekehrt, war alles so wie es sein musste. Das Team war von Trainer Ottavio Bianchi in seiner zweiten Saison perfekt eingestellt, und gegen den Trickser in der Form seines Lebens waren selbst die hartgesottenen Verteidiger der Serie A machtlos. Von den ersten 22 Spielen der 30 Matches umfassenden Saison verlor Napoli nur ein einziges.

Der Heimsieg über Juventus – de facto das Meisterstück

Nach dem 2:1-Sieg über Juventus (trainiert von Ex-Napoli-Coach Rino Marchesi) am 24. Spieltag führte man die Tabelle mit fünf Punkten, also mit der Zwei-Punkte-Regel mit zwei Siegen und einem Remis Vorsprung, an. Der Erfolg über die Alte Dame war gefühlt die Meisterschafts-Entscheidung. Es war der erste Titel überhaupt für einen Klub südlich von Rom – für den Mezzogiorno, immer schon eine vernachlässigte und arme Gegend, bedeutete der erste Scudetto für Napoli alles. Eine Woche lang wurde Titel-Karneval gefeiert. Und danach wurde dank des Finalsieges über Atalanta im Cup sogar das Double fixiert.

Das frühe Aus im Meistercup in der 1. Runde gegen Real Madrid in der Saison 1987/88 war zu verschmerzen, dass die Titelverteidigung nach sieben Monaten an der Tabellenspitze mit einer 2:3-Heimniederlage am drittletzten Spieltag gegen Milan verspielt wurde, tat aber doch weh. Ein Jahr nach dem umjubelten Titel trug sich Maradona sogar mit Abwanderungsgedanken, zumal das 2:3 gegen Sacchis Milan wegen einer Muskelzerrung im linken Bein sein letzter Saisoneinsatz war. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

UEFA-Cup-Sieg mit Klasse und Glück

Maradona blieb und Napoli wirbelte im Herbst 1988 durch die Serie A. Ein 8:2 gegen Pescara, ein 5:3-Sieg auswärts bei Juventus Turin, ein 4:1-Heimerfolg gegen Milan. Napoli spielte wieder eine starke Saison, holte wie im Vorjahr 1,4 Punkte pro Spiel, aber gegen die Siegmaschine von Inter (26 Siege in den 34 Spielen) war man machtlos – es wurde wieder Platz zwei.

Dafür klappte es 1988/89 im UEFA-Cup nach Wunsch. Aus dem Training heraus mühte man sich vor dem späten Ligastart im Oktober über PAOK Thessaloniki drüber, es folgten Siege gegen Lok Leipzig und Girondins Bordeaux. Nach dem Winter verlor Napoli das Viertelfinal-Hinspiel bei Juventus jedoch mit 0:2, das 3:0 nach Verlängerung im undurchsichtigen Nebelsud des Rückspiels war dann aber die Initialzündung. Im Halbfinale war Bayern München kein Gegner – die Leichtigkeit wurde perfekt symbolisiert von Maradonas Aufwärm-Übungen zu Opus‘ „Live is Life“ im Münchner Olympiastadion.

Im Finale wartete der VfB Stuttgart, bei dem Stürmerstar Jürgen Klinsmann vor dessen Wechsel zu Meister Inter im Hinspiel gelbgesperrt. Dennoch waren die Schwaben im San Paolo keineswegs eingeschüchtert. Nach einer Viertelstunde griff Napoli-Goalie Giuliani bei einem Weitschuss von Gaudino noch dazu daneben, Stuttgart führte 1:0 und hatte das so wichtige Auswärtstor.

Napoli drehte das UEFA-Cup-Finalhinspiel gegen Stuttgart

Maradona hatte einen schweren Stand gegen Jürgen Hartmann, mit der Führung im Rücken verlegte sich Stuttgart zudem darauf, Napoli nicht in den Strafraum kommen zu lassen. Nach einer Stunde wirkten die Italiener schon recht ratlos, ehe sie von einer wilden Fehlentscheidung des griechischen Referees Gerassimos Germanakos profitierten. De Napoli hob einen Ball in den Strafraum in eine Spielertraube, Stürmer Carnevale kam mit der Hand an die Kugel, die zu Maradona weitersprang. Der Argentinier stoppte sich den Ball ebenfalls mit der Hand, zog ab, und aus kaum einem Meter Entfernung bekam Günther Schäfer den Schuss an den angelegten Arm – und da zeigte Germanakos auf den Elfmeter-Punkt.

Maradona verwandelte zum 1:1 und die Stuttgarter waren so aufgebracht, dass sie ihre Linie ein wenig verloren, Napoli bekam die zweite Luft und kurz vor Schluss gelangte ein langer Ball von der Mittellinie zu Maradona, der legte zu Careca quer. Das 2:1, der Siegtreffer.

Zwei Wochen später beim Rückspiel in Stuttgart besorgte Alemão nach 20 Minuten die Führung für Napoli. Klinsmann glich zwar postwendend aus, aber den Deutschen fehlte nach vorne der klare Plan und hinten der gelbgesperrte Buchwald. So kamen die Italiener durch einen Energieanfall von Ciro Ferrara, Doppelpass mit Careca inklusive, noch vor der Pause zum 2:1 und Careca besorgte nach einer Stunde das 3:1. Damit war Napoli 5:2 im Gesamtscore voran – Stuttgart drückte nach dem Anschlusstreffer zwar noch nach Kräften, aber mehr als das 3:3 von Olaf Schmäler in der Nachspielzeit schaute nicht mehr heraus.

Ein halbes Jahr später wurde Napoli im Achtelfinale des UEFA-Cups daheim von Werder Bremen zum 1:3 ausgekontert, einmal griff Giuliani daneben, zweimal waren die Bremer Angreifer um Wynton Rufer zu flink. Zwei Wochen später wurde man in Bremen sogar mit 1:5 abmontiert. Maradona war mittlerweile fast zu sehr der Alleinunterhalter in der Offensive geworden: Hatten 1987/88 Carnevale und Careca noch 32 Tore beigesteuert, waren es in der folgenden Saison nur noch 21 und Maradona, schon zwei Jahre zuvor Torschützenkönig, riss Napoli heraus.

In den ersten 16 Liga-Spielen der Saison 1989/90 blieb Napoli ungeschlagen und im Dezember betrug der Vorsprung auf den Zweiten Sampdoria schon vier Punkte, wirklich überzeugen konnte man aber nur in den Top-Spielen (3:0 gegen Milan, 2:0 gegen Inter) – die Regel waren mühsame 1:0-Siege sowie diverse Unentschieden gegen Nachzügler wie Cesena oder Cremonese. Im Nachhinein betrachtet zeigte sich im Herbst 1989 erstmals, dass das Team als Ganzes seinen Zenit wohl schon überschritten hatte. Erfolgstrainer Ottavio Bianchi war nach dem UEFA-Cup-Sieg zur Roma weitergezogen, Alberto Bigon war von Cesena als Nachfolger verpflichtet worden.

Mit Fortdauer der Saison wurden zwar die Pflichtsiege eingefahren, dafür letzte es deutliche Niederlagen gegen Lazio (0:3), Milan (0:3) und Inter (1:3), womit man die Tabellenführung gegen Arrigo Sacchis großes Milan verspielte. Nach einem 1:2 gegen Sampdoria schien fünf Spiele vor Schluss alles vorbei und der dritte Vizemeister-Titel in Folge bahnte sich an. Doch im Endspurt patzte auch Milan, ließ einen Punkt in Bologna liegen und verlor in Verona – Napoli gewann die letzten fünf Partien allesamt und war Meister.

1987 Meister, 1988 Zweiter, 1989 Zweiter, 1990 Meister – dazu Cupsieger 1987, UEFA-Cup-Sieger 1989, Torschützenkönig 1988 – in seinen vier Jahren als Weltmeister war Maradona zweifellos der König der Fußballwelt.

Diego allein gegen Italien

Das argentinische Nationalteam hingegen lieferte nach dem Titelgewinn vier eher peinliche Jahre ab. Bei der Copa América 1987, im eigenen Land ausgetragen, hievte Maradona seine Mannschaft noch ins Halbfinale. Zwei Jahre später, bei der Copa América 1989, erzielte Argentinien nur zwei Tore in sieben Spielen.

Die WM in Italien begann, wie man es nach dem Verlauf der vorangegangenen Jahr fast befürchten musste: Mit einer 0:1-Blamage gegen Kamerun. Nach dem 2:0 über die Sowjetunion und einem müden 1:1 gegen Rumänien humpelte Argentinien als Gruppendritter ins Achtelfinale. In der Heimat bot sich Carlos Bilardos Intimfeind Menotti bereits als dessen Nachfolger an, Maradona wirkte nach der anstrengenden Saison, auf der so viel Verantwortung auf seinen Schultern gelastet hatte, ausgelaugt.

Und dann wartete im Achtelfinale auch noch Brasilien. Der große Gegner aus Südamerika dominierte das Match, lief sich aber in der argentinischen Abwehr fest – bis zehn Minuten vor Schluss Maradona zu einem Solo ansetzte, vier brasilianische Abwehrspieler auf sich zog und den Ball zum völlig freistehenden Claudio Caniggia durchstecken konnte. Das 1:0, das goldene Tor, der Sieg.

Wie schon 1986 stellte Bilardo sein Team vornehmlich auf das Zerstören ein, während Maradona für die Glanzpunkte sorgen sollte. Der Unterschied zu 1986: Der zynische Anti-Fußball wurde auf seine nervtötende Spitze getrieben – Treten und Meckern, Theatralik und Schauspielkunst, sogar vor gesundheitsgefährdendem Schummeln schreckte man nicht zurück. Das ging so weit, dass man dem Brasilianer Branco eine Wasserflasche reichte, die mit Tranquilizern versetzt war. „Da war ein bisschen gesegnetes Wasser drin“, grinste Maradona schon während des Turniers. Jahre später räumte sogar Bilardo ein, dass die Geschichte mit dem gepanschten Drink nicht erfunden war.

Im Viertelfinale hielt man Ivica Osims Jugoslawen über 120 Minuten bei einem 0:0 und gewann danach im Elfmeterschießen, Maradona selbst vergab zwar, aber Jugoslawien brachte nur zwei der fünf Versuche im Tor unter. Im Halbfinale ging es gegen Italien. Den Gastgeber, der bis dahin ein starkes Turnier gespielt hatte. Das Spiel fand in Neapel statt. Ausgerechnet.

Heimspiel in Neapel: WM-Halbfinale 1990 gegen Italien

„Der Rest Italiens schaut auf euch herunter“, ließ Maradona im Vorfeld in einem Appell an die Neapolitaner verlauten. Er jedoch, Maradona, ist derjenige, der ihnen mit den sportlichen Erfolgen Selbstvertrauen gegeben hat, eine Form von Stolz, die man südlich von Rom gegenüber dem reichen Norden nie mit so viel Recht vertreten konnte. Er, Madarona, ist das eigentliche Kinder der Stadt, er repräsentiert die napolitanische Art und Weise zu Leben. Also sollten die Fans ihre nationalen Gefühle hinanstellen und im Halbfinale stattdessen für Argentinien singen. „Es ärgert mich, dass die Neapolitaner 364 im Jahr nicht als Italiener gelten“, sagte Diego, und wenn, dann als Abschaum des ganzen Landes, „und jetzt sollen sie Italien unterstützen?“

„Diego nei cuori – Italia nei cori“, verlautete ein gut sichtbares Spruchband im San Paolo („Diego in den Herzen, Italien in den Gesängen“), aber Maradonas Worte waren nicht wirkungslos geblieben. Die Italiener waren ernsthaft besorgt, dass sich das WM-Halbfinale auf eigenem Boden wie eines der gefürchteten Auswärtsspiele in der Serie in Neapel anfühlen wurde. Das tat es zwar nicht, aber ganz so feurig wie in den vergangenen Spielen in Rom war der Support für die Squadra Azzurra auch nicht. Die argentinische Hymne wurde nicht mit Pfiffen, sondern mit Applaus begleitet.

Toto Schillaci brachte Italien in einem intensiven Spiel nach einer Viertelstunde in Führung und Italien, auch nach fünfeinhalb Spielen ohne Gegentor im Turnier, schien auf dem Weg ins Finale – ehe Keeper Walter Zenga nach einer Stunde zu ungestüm aus dem Tor heraus kam und Caniggia zum 1:1 traf. Dabei blieb es nach 90 und 120 Minuten, wobei Ricardo Giunti in der Verlängerung die rote Karte sah. Wieder ging es ins Elfmeterschießen. Als Maradona antrat und auch traf, wurde er von den Fans bejubelt. Eine Minute später scheiterte Aldo Serena. Argentinien war im Finale.

Ohne Giusti sowie die gelbgesperrten Caniggia, Batista und Olarticoechea, ohne große Kraftreserven nach zweimal 120 Minuten und zunehmend auch ohne Nerven verlor man das Finale gegen Deutschland. Die Zuseher in Rom hatten Maradonas Aussagen vor dem Halbfinale nicht vergessen, standen wie ein Mann hinter dem DFB-Team, Maradona wurde bei jedem Ballkontakt gnadenlos niedergepfiffen und von Buchwald konsequent aus dem Spiel genommen. Argentinien beendet das Match nach zwei Ausschlüssen mit acht Feldspielern – und als Paria in den Augen vor allem der italienischen Medien und Tifosi.

Aus dem Paradies vertrieben

Das WM-Halbfinale gegen Italien, obwohl siegreich bestritten, wurde zum Wendepunkt in Maradonas Karriere. Die Medien hielten Maradonas Drogen-Exzesse nun nicht mehr unter Verschluss – Diego war zwar schon im Grunde seit Beginn seiner Zeit in Neapel drogenabhängig und unterhielt auch freundschaftliche Bande zur allgegenwärtigen neapolitanischen Unterwelt, in Zeiten des Erfolges wurde dies aber für die Öffentlichkeit unter den Teppich gekehrt. Das war vorbei.

Hinzu kam, dass sein Körper – Maradona wurde im folgenden Herbst 30 Jahre alt – immer öfter zu Zwicken begann. Sein Rücken verhinderte ein Mitwirken gegen Cagliari (1:2), sein Knöchel einen Einsatz gegen Genoa (1:1). Vor dem Match gegen Bari (0:0) nahm sich ein matter Maradona selbst aus dem Kader, um zwei Tage nach dem Spiel unangemeldet und völlig aufgedreht zum Training zurückzukommen. Napoli gewann ohne Maradona kein einziges Spiel, aber mit ihm sah es auch nur durchschnittlich aus – vier Siege, drei Niederlagen. Im Meistercup schied man im Achtelfinale im Elfmeterschießen gegen Spartak Moskau aus. Ohne Maradona, der geschwänzt hat. Napoli stellte ob dieser Arbeitsverweigerung die Gehaltszahlungen ein.

Gerüchte über finanzielle Troubles machten in Folge der Trennung von seinem Manager Guillermo Coppola die Runde. Im Dezember klagte Napoli bei Maradona auf Rückzahlung von Gehaltsvorschüssen und die Kündigung von Werbeverträgen über eine in Liechtenstein ansässige Briefkastenfirma. Zeitgleich bestätigte ein Vaterschaftstest, dass er vier Jahre zuvor ein Dienstmädchen geschwängert hatte. Es wurde spekuliert, dass er nach dem Weihnachtsurlaub gar nicht nach Neapel zurückkehren würde, letztlich blieb Maradona über die Feiertage aber sogar in Italien. Im Laufe des Winters kam ein Prozess um Drogenhandel dazu.

Sein Tor bei der 1:4-Niederlage gegen Meister Sampdoria am 24. März – sein erst sechstes in der laufenden Saison – war das letzte im Trikot von Napoli. Wenige Tage später lieferte ein Doping-Test einen positiven Befund auf Kokain. Frau Claudia und die Kinder Dalma (3) und Giannina (zehn Monate, die spätere Ehefrau von Sergio Agüero) verließen Italien sofort, 24 Stunden später füchtete auch Diego in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Argentinien.

Zur Urteilsverkündung am 6. April 1991 war er also gar nicht mehr in Italien. Er fasste eine 15-monatige Sperre für jegliche bewerbsmäßige fußballerische Tätigkeit aus – bis zum Ende der Saison 1991/92. Der Kicker fasste zusammen: „Was haben sie ihm nicht schon alles vergeben, diesem immer etwas zu dicken und immer etwas zu faulen sportlichen Genie, das nur in Neapel denkbar war. Nirgendwo auf der Welt ist ein Sportler leidenschaftlicher geliebt worden als dieser Mann in dieser Stadt. Nirgendwo sonst wurden die Launen eines Spielers so geduldig toleriert. Und nirgendwo sonst konnte einer so tief fallen wie Maradona in Neapel. Er wurde langsam aber zielsicher zur Parodie eines Profis.“

Die Transfer-Posse des Jahres

Als im Sommer 1992 die Sperre ablief, hatte Maradona immer noch einen gültigen Napoli-Vertrag für ein weiteres Jahr. Klub-Präsident Ferlaino pochte auf Einhaltung und konnte sich die Boshaftigkeit nicht verkneifen, Maradona nochmal eine 200.000-Dollar-Strafe aufzubrummen, weil er ja nicht zum Trainingsauftakt in Neapel erschienen ist. Maradona betrachtete das Gezerre um ihn daheim in Buenos Aires – auf polizeilich überwachtem Entzug und vorläufig ohne Ausreiseerlaubnis.

Ferlaino wusste, dass Maradona schon alleine wegen der Prozesse nicht nach Italien zurückkehren wollte, er wollte aber auch nicht vor den Fans als derjenige dastehen, der Maradona gehen ließ. Ferlaino pokerte, dass er nur mit südamerikanischen Klubs verhandeln wolle, die sich Maradona aber nicht leisten konnten. Er verlangte Maradonas Rückkehr, im Gegenzug forderte Maradona ein Jahressalär von fünf Millionen Dollar – damals eine unerhörte Summe.

Nach viel hin und her – die Posse dominierte die Schlagzeilen im Sommer 1992 – stellte Maradona Mitte August klar: Entweder, Ferlaino lässt mich zu Sevilla und Trainer Carlos Bilardo gehen, oder ich höre auf.

Bilardo schlug in Andalusen derweil in die selbe Kerbe („Entweder Maradona kommt, oder ich trete zurück!“), auch Boca Juniors und Palmeiras aus São Paulo gaben Bewerbungen um Maradona ab. Nach zwei Monaten Zank stellte sich die FIFA zwischen die Fronten und stellte ein Ultimatum, Napoli erlaubte nun zumindest Verhandlungen. Am 13. September landete Maradona in Erwartung einer baldingen Einigung in Sevilla, am 22. September war alles in trockenen Tüchern.

Pointe bei Maradonas Transfer zu Sevilla: Der Großteil der 3,5 Millionen Dollar Ablöse bezahlte Milan-Präsident Silvio Berlusconi – unter der Bedingung, dass seine TV-Kanäle die vielen geplanten Show-Spiele übertragen darf.

Das andalusische Missverständnis

Manolo Jimenez lieferte pflichtschuldig die Kapitänsbinde bei Maradona ab und Bilardo stellte das Team schon darauf ein: Ab sofort werden ihr in der Öffentlichkeit Statisten neben Diego sein. Aber verlasst euch auf sein Können, dann wird sich das auszahlen. Und in den ersten Monaten tat es das tatsächlich: Maradona war zwar nicht gerade top-fit und nach eineinhalb Jahren Sperre sichtlich ohne Matchpraxis, aber seine brillianten Momente sorgten für einen guten Herbst.

Sein erstes Spiel war am 4. Oktober in Bilbao, gegen jenen Klub, gegen den acht Jahre zuvor seine erste spanische Karriere in einer Massenschlägerei endete. Sevilla etablierte sich zwischen den Plätzen fünf und sieben, was angesichts des Kaders und der schwachen Vorsaison recht gut war. Der Höhepunkt von Maradonas Herbst in Sevilla sollte das Match gegen Real Madrid kurz vor Weihnachten werden. Er trickste wie zu Glanzzeiten und führte Sevilla zu einem hochverdienten 2:0-Erfolg.

Glanzleistung beim 2:0-Erfolg über Real Madrid

Die Flitterwochen-Phase dauerte aber nur ein paar Monate. Der Klub behandelte Maradona nicht wie einen Gott, sondern wie einen 32-Jährigen nach einer Drogensperre. Diego sah das nicht ein, sein Privatleben war von Professionalität weit entfernt, er hielt sich nicht an Absprachen mit dem Klub was außertourliche Aktivitäten wie eine Reihe von Exhibition-Länderspielen anging. Als er auch noch Trainer Bilardo gegen sich aufbrachte, war klar, dass es keine zweite Saison mit Maradona in Sevilla geben würde.

Abschied mit einem Knall

Maradona ging heim nach Argentinien und schloss sich 1993 Newell’s Old Boys an, kam dort aber nur sporadisch zum Einsatz und überwarf sich innerhalb kurzer Zeit mit dem Trainer. Schon im Winter 1993/94 wurde der Vertrag wieder aufgelöst. „Diego ist nicht in der Lage, mit Anstand und Würde in einer ihm gemäßen Art zu spielen“, hieß es von Vereinsseite dazu. Reporter, die vor Maradonas Haus auf eine Stellungnahme des Stars wartete, wurden von diesem mit einem Luftgewehr beschossen.

Coco Basile, Argentiniens Teamchef zu dieser Zeit, berief Maradona wie den ebenfalls nach einjähriger Drogensperre wieder spielberechtigten Caniggia dennoch für die WM in den USA. Die Qualifikation war mit viel Mühe und diversen Peinlichkeiten überstanden worden und mit dem Duo hoffte Basile darauf, die Vergangenheit wieder aufwärmen zu können. Überall sonst wurde die Einberufung Maradonas eher mit Belustigung zu Kenntnis genommen. Madarona als spielendes Maskottchen, quasi: Es könne sein, dass Maradona tatsächlich seine einstige Klasse aufblitzen lässt, prophezeite der Kicker: „Es kann aber auch sein, dass er vorzeitig nach Hause fährt, weil ihm das Frühstücks-Ei zu hart ist.“

Maradonas letztes Länderspiel: Sieg gegen Nigeria

Letztlich wurde es irgendwie beides. Maradona tauchte mit einem ungewohnten Kurzhaarschnitt auf und wirkte tatsächlich relativ fit, es war auch großer Einsatzwille zu erkennen. Er spielte als Zehner hinter Batistuta, mit zwei offensiven Flügelstürmern – beim 4:0 zum Auftakt gegen Griechenland war sein Aktionsradius zwar gering, seine Aktionen selbst aber ließen erahnen, was er drauf haben könnte. Auch im zweiten Spiel gegen Nigeria kam eine sehenswerte Vorstellung heraus, bei der Maradona beide Tore zum 2:1-Sieg vorbereitete.

Die nach dem Spiel abgegebene Doping-Probe enthielt jedoch Spuren von Ephedrin. Maradona wurde sofort von der WM ausgeschlossen und blickte seiner nächsten 15-monatigen Sperre entgegen. Auch an seinen Teamkollegen ging das Geschehen nicht spurlos vorbei. Es folgten ein 0:2 gegen Bulgarien im dritten Gruppenspiel und das Aus durch ein 2:3 gegen Rumänien im Achtelfinale.

Fade-Out und Trainer-Maskottchen

Nach Ablauf der Sperre dockte Maradona im Herbst 1995, mittlerweile fast 35-jährig, bei Boca Juniors an. In der Frühjahrs-Meisterschaft 1996 spielte Boca unter Trainer Bilardo lange vorne mit, aber gegen Ende der Saison ging die Puste aus. Maradona, mit schon etwas mehr als einem deutlichen Bauchansatz, pausierte bis Sommer 1997, kam danach zurück, lieferte aber prompt den nächsten positiven Drogen-Test ab. Es winkte eine dritte Sperre, aber bevor das Urteil gefällt wurde, verkündete Maradona exakt an seinem 37. Geburtstag das Karriereende.

Sein letztes Match als Profifußballer war ein Superclásico. Boca gewann 2:1.

Madaronas letztes Spiel – ausgerechnet ein Superclásico

Noch bis 2001 gab es alle möglichen Abschiedsspiele und Maradona blieb als omnipräsente Stimme zu alles und jedem stets präsent. 2008 wurde er dann sogar höchst selbst Teamchef von Argentinien, die WM 2010 endete aber auch wegen seiner vorsintflutlichen Arbeit mit einem deftigen 0:4 gegen Deutschland im Viertelfinale. Vier Jahre später bei der WM in Brasilien sah die ganze Welt zu, wie er auf der Tribüne jubelte, litt und eben einfach er war.

In der Folge nahm Maradona alle möglichen Trainerjobs an, er wirkte aber oft eher als ein Marketing-Gag und ein Maskottchen, weniger wie ein ernsthafter Trainer. Dynamo Brest in Weißrussland ernannte ihn prompt zum Ehrenpräsidenten, beim mexikanischen Zweitligisten Dorado hielt es ihn sogar fast ein ganzes Jahr, zuletzt fungierte er als Trainer bei Gimnasia y Esgrima de la Plata in der argentinischen Primera Division – und hätte der Verband nicht entschieden, den Abstieg wegen der Pandemie auszusetzen, wäre er in die 2. Liga abgestiegen.

Am 30. Oktober 2020 wurde Maradona 60 Jahre alt, drei Tage später wurde er mit einem Blutgerinnsel im Gehirn ins Krankenhaus eingeliefert. Zehn Tage danach durfte er das Krankenhaus verlassen, zwei Wochen später erlitt Maradona eine Herzattacke.

Diese überlebte er nicht.

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Platz 10 | Champions League-Quali | Salzburg – Hapoel Tel Aviv 2:3

Salzburg - Hapoel Tel Aviv 2:3

„Zusätzlich zur taktischen Schwäche fiel eine unglaubliche Schwerfälligkeit bei den Salzburger auf. Abseits des Balles wurde herumgetrabt. Weder gab es hartes Pressing, noch eine schnelle Rückwärtsbewegung des Mittelfeld.“ – Konnte nach dem 0:1 auf den Färöern noch argumentiert werden, es wäre bei den Bullen da ja um nichts mehr gegangen, war spätestens nach diesem 2:3 im Hinspiel der letzten CL-Qualirunde gegen Hapoel Tel-Aviv klar: International hatte Salzburg in diesem Herbst nicht viel zu bestellen. Denn wer nicht rennt, krieg eine auf den Deckel.

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Platz 9 | U21-EM-Qualifikation | Österreich – Weißrussland 3:3

Österreich - Weißrussland 3:3

„Nach dem Tor zum 2:3 wussten alle im Stadion: Oje, jetzt wird’s noch einmal eng! Denn dass der Schalter nun nicht mehr umgelegt werden konnte, war schon vorher ersichtlich.“ – Das wohl am besten besetzte U21-Team der ÖFB-Geschichte hatte in Pasching gegen die starken Weißrussen alles im Griff und führte komfortabel mit 3:1, doch nach eher verwirrenden Wechseln von Teamchef Andi Herzog wurde die Partie noch hergegeben und es schaute nur ein Remis heraus. Im kommenden Sommer sind die Weißrussen bei der EM dabei. Österreich nicht. Aber nicht nur das vercoachte 3:3 war ärgerlich.

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Platz 8 | Weltmeisterschaft | Frankreich – Mexiko 0:2

Frankreich - Mexiko 0:2

„Denn die französische Mannschaft implodierte nach der Pause regelrecht. Keinerlei Laufbereitschaft war mehr erkennbar, kein Einsatz für den Mitspieler, kein Aufbäumen, nichts. Aguirre hingegen hatte ein in sich funktionierendes Team geformt.“ – Frankreich bei der WM, das war allerbeste Unterhaltung. Zumindest abseits des Platzes. Denn sportlich war das Team von Raymond Domenech ein einziges Desaster, was sich vor allem beim 0:2 gegen die starken Mexikaner zeigte. Die spielten mit der Équipe Tricolore nämlich Hollywood.

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Platz 7 | Champions League | Tottenham – Inter Mailand 3:1

Tottenham - Inter 3:1

„Schon nach einer halben Stunde zeigte sich bei Inter Ratlosigkeit. Nur einmal musste sich Modric 25 Meter vor dem Tor gegen Eto’o mit einem Foul helfen, ansonsten reichte reichte das Spiel der Schwarzblauen nicht einmal bei Kontern bis in den Strafraum.“ – Ohne Frage, Tottenham ist eine der Mannschaften des Herbstes 2010. Nicht nur die gute Verpflichtung von Rafael van der Vaart, sondern vor allem der Durchbruch von Flügelflitzer Gareth Bale ist dafür verantwortlich. Der Waliser trieb gegen Inter mit Maicon einen der besten Rechtsverteidiger der Welt an den Rande des Wahnsinns. Die Spurs waren das Team mit dem Weltklasse-Momentum.

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Platz 6 | Weltmeisterschaft | Deutschland – Arentinien 4:0

Deutschland - Argentinien 4:0

„Die Argentinier waren sichtlich beeindruckt von der Power der Deutschen. Es entstand ein riesenhaftes Loch im Mittelfeld, das die Deutschen konsequent ausnützten. Symbolhaft war, wie Burdisso minutenlang seinen Kollegen deutete, sie sollen soch ein wenig weiter zurück kommen, um einen Spielaufbau zu ermöglichen.“ – Für Diego Maradona war es wohl die schlimmste Niederlage seines Fußballerlebens: Argentinien hatte im WM-Viertelfinale gegen die in diesem Spiel überragenden Deutschen nie auch nur den Funken einer Chance. Das blutjunge deutsche Team hingegen deutete an, wozu es fähig sein kann. By deconstructing Diego.

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Platz 5 | Weltmeisterschaft | Deutschland – Uruguay 3:2

Deutschland - Uruguay 3:2

„Beide Teams suchten nun die Entscheidung möglichst schon in der regulären Spielzeit, hatten aber keine panische Angst vor einer Niederlage – so wogte das Spiel hin und her, mit mehr Ballbesitz für Deutschland und mehr Geradlinigkeit auf Seiten der Südamerikaner.“ – Und nochmal die Deutschen. Aber vor allem: Uruguay! Die Südamerikaner waren die Überraschung bei der WM, das Team des zum besten WM-Spieler gewählten Diego Forlán belegte letztlich den vierten Rang. Nach einem flammenden Plädoyer für die Beibehaltung des kleinen Finales. Denn es war eine sensationelle Partie, geführt mit offenem Visier.

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Platz 4 | EM-Qualifikation | Belgien – Österreich 4:4

Belgien - Österreich 4:4

„Kavlak war laufstark, trickreich, mit dem Blick für den Mitspieler. Er riss das Spiel an sich, war in dieser Phase der klar beste Mann am Platz. Umso unverständlicher, dass er nach 56 Minuten den Platz für Jimmy Hoffer verlassen musste – die reinste Selbstkastration.“ – Wer hätte das gedacht? Das ÖFB-Team kann mit den Secondos in der Offensive tatsächlich einen gepflegten Fußball spielen, wie das beim hochdramatischen 4:4 in Brüssel deutlich wurde. Wenn man sie denn lässt. Denn der Teamchef hatte im einzigen signifikanten Länderspiel des Jahres etwas gegen den Sieg. Denn dann kamen die Wechsel.

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Platz 3 | Deutsche Bundesliga | Mainz – Dortmund 0:2

Mainz - Dortmund 0:2

„Bei Dortmund beteiligten sich wirklich alle Spiele am ganzen Platz am Pressing. So war es in der 26. Minute Außenverteidiger Schmelzer, der durch seine aggressive Bewegung Richtung Bungert dessen Fehlpass provozierte, der zum nicht unverdienten 1:0 durch Mario Götze geführt hat.“ – Die beiden Mannschaften, die den Herbst in der deutschen Bundesliga bestimmt haben, im direkte Duell. Es war ein Festival des konsequenten Pressing, das für beide Teams richtungsweisend war. Denn für Mainz war nach diesem Spiel der Höhenflug beendet, der BVB zog weiter voll durch. Die Mainzer fanden in Dortmund ihren Meister.

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Platz 2 | Weltmeisterschaft | Chile – Spanien 1:2

Chile - Spanien 1:2

„Die Chilenen waren die erste Mannschaft seit Ewigkeiten, welche die Spanier nicht nur mit spielerischen Mitteln kontrolliert, ja beinahe knebelt – und nicht mit extrem disziplinierter Defensive entnervt.“ – Das beste Team der Endrunde in Südafrika gegen das aufregendste, und noch dazu ging es für beide noch um das Weiterkommen: Bei all den spannenden Partien in der K.o.-Phase ging dieses extrem gute und hochinteressante Match in der Erinnerung etwas unter. Letztlich setzten sich die Spanier durch, weil sie kaltschnäuziger waren, dank des Ergebnisses im Parallelspiel kamen beide weiter. Nach einem echten Kracher.

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Platz 1 | Primera Division | Barcelona – Real Madrid 5:0

Barcelona - Real Madrid 5:0

„Barcelona sammelte zwei Drittel Ballbesitz. Was auch deshalb möglich war, weil Real körperlich überhaupt nicht dagegen hielt! In den ersten 30 Minuten gab es ein einziges (!) Foul. Das mit dem Räume eng machen klappte also nicht, physisch hielt Real nicht dagegen, und so verdiente sich Barcelona das 2:0 vollauf. Real war schlicht nicht anwesend.“ – Das wohl meistgehypte Spiel des Herbstes, es war eine einzigartige Machtdemonstration des FC Barcelona. Zu keinem Zeitpunkt hatte das Starensemble aus Madrid auch nur die geringste Chance, es gab schließlich die ärgste Vernichtung seit Generationen. Und für José Mourinho seine schlimmste Demütigung.

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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2010 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2011 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!

(phe/tsc/gpi)

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AF 3 & 4 | Die Schiris helfen, aber die Besseren dennoch verdient durch https://ballverliebt.eu/2010/06/28/af-3-4-die-schiris-helfen-aber-die-besseren-dennoch-verdient-durch/ https://ballverliebt.eu/2010/06/28/af-3-4-die-schiris-helfen-aber-die-besseren-dennoch-verdient-durch/#comments Mon, 28 Jun 2010 13:35:26 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2386 AF 3 & 4 | Die Schiris helfen, aber die Besseren dennoch verdient durch weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Achtelfinals 3 und 4 | Der Tag der Legendenbildung – zwei schlimme Schnitzer von Linienrichtern bestimmen die Schlagzeilen. Die Engländer waren aber um so vieles schlechter als Deutschland, dass es keine Entschuldung sein darf. Die Mexikaner dürften schon eher jammern – tun dies aber genauso wenig.

Deutschland – England 4:1 (2:1)

Deutschland - England 4:1

Von dem Moment, als dieses Spiel feststand, war der Eindruck klar: Bei den jungen Wilden aus Deutschland war es ein „Yeah, die Engländer, denen zeigen wir, was wir können!“ Bei den bislang eher mäßig überzeugenden Engländern schien die Stimmung mehr in ein „Oh shit, die Deutschen…“ zu gehen. Und ganz genau so verlief das Spiel dann auch – von der ersten Minute an. Die deutsche Mannschaft hatte deutiche spielerische Vorteile vor allem im Mittelfeld, waren gedankenschneller und hatten mehr Zug zum Tor – während des gesamten Spiels, sogar während der besten Phase der Engländer, zu Beginn der zweiten Hälfte.

Die Engländer dagegen: Schleppend, Spielaufbau praktisch immer hintenrum, tonnenweise Alibipässe – zwei von drei Abspielen gingen vom gegnerischen Tor weg – und vor allem: Viel zu weit von den Gegenspielern weg. Schnelle Spieler wie Müller oder Podolski entwischten den englischen Außen Ashley Cole und Glen Johnsen nicht nut einmal, Upson und Terry in der Zentrale waren vom Tempo her oft gnadenlos überfordert und ihr Stellungsspiel war zuweilen noch schlechter. Zudem, und das ist das eigentlich Traurige bei diesen erfahrenen Innenverteidigern: Der junge deutsche Torwart Neuer zeigte deutlich mehr Übersicht und Genauigkeit in der Spieleröffnung als Terry und Upson zusammen. Nicht nur beim 1:0, bei dem Terry völlig verkehrt stand und Upson schlicht zu langsam war, sondern in vielen weiteren Situationen. Der erste Pass von Neuer kam praktisch immer sinnstiftend an.

Die Engländer hatten keinerlei Kontrolle im Mittelfeld, vor allem der flinke Özil konnte machen, was er wollte. Durch diese Schwäche des englischen DM kam die Hintermannschaft oft in Verlegenheit, das 2:0 der deutschen war die logische Konsequenz. Und hätte das Team von Jogi Löw dann nicht einen Gang zurückgeschalten, weil sie das Spiel eigentlich viel zu einfach kontrollierten, es hätte bis zur Pause sicherlich noch ein-, zweimal eingeschlagen. Stattdessen verkürzte Upson nach einer Standardsituation, welche die deutsche Hintermannschaft verschlafen hatte, auf 1:2 (was schon entgegen des Spielverlaufs war), eine Minute später sprang Lampards Schuss von der Latte hinter die Linie, und von dort wieder heraus. Es war natürlich ein klares Tor, welches der englischen Mannschaft vorenthalten wurde, aber verdient wäre es nicht gewesen.

Mit dem Schwung der guten Schlussphase der ersten Hälfte wollten die Engländer in der zweiten dann Verpasstes nachholem, alleine die Mittel waren untauglich. Einmal mehr schoben sie sich auf Höhe der Mittellinie den Ball hin un her, bis einer den langen Ball nach vorne versuchte. Mondbälle und oft ungenaue 30m-Pässe waren alles, was den Engländern einfiel – und natürlich hatte die deutsche Defensive, allen voran Arne Friedrich, wenig Mühe, das zu verteidigen. Im Gegenteil: Selbst in dieser Phase verbrachten die Deutschen einige Zeit in des Gegners Hälfte und waren dabei sogar torgefährlicher. Lampards Latten-Freistoß aus über 30 Metern Entfernung war die einzige wirklich gefährliche Aktion der Engländer, die während des 1:2 (37.) und dem Kontertor zum 1:3 (67.) KEINEN EINZIGEN Torschuss von innerhalb des Strafraums abgaben. Das ist mal eine „Druckphase“.

Die Konter der Deutschen zum 3:1 und zum 4:1 brachten natürlich die Entscheidung, zumal Capello mit seinen Wechseln (v.a. dem des Bullen Heskey für den mobileren Defoe) das Spiel seiner Mannschaft noch weiter herunter gebremst hatte. Dass es mit Gerrard der mit Abstand bemühteste englische Spieler war, der zehn Minuten vor Schluss dann doch noch eine gute Möglichkeit zum zweiten Treffer hatte, ist kein Zufall.

Fazit: Die falsche Linienrichter-Entscheidung zum vermeintlichen 2:2 hat den Engländern natürlich nicht geholfen und war sicherlich Mitschuld an der deutlichen Niederlage. Hauptschuld aber fraglos nicht – denn kein einziger Engländer auf dem Platz war besser als sein deutschen Pendant. Upson/Terry eine Zumutung, Lampard unsichtbar, Barry unbrauchbar im Spielaufbau, Rooney völlig aus dem Spiel (und außer Form – den hat zweifellos Ferguson verheizt), Milner harmlos, Gerrard zu wenig kreativ, und Capello hat mit seinen sinnlosen Wechseln dem englischen Spiel den Rest gegeben. Es kann keine zwei Meinungen geben, dass der Erfolg der Deutschen absolut in Ordnung geht – es sei denn, die englische Brille klebt einem vor den Augen fest.

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Argentinien – Mexiko 3:1 (2:0)

Argentinien - Mexiko 3:1

Laufstark, gutes Stellungsspiel, schnelle Konter – so hielten die Mexikaner eine halbe Stunde lang die Argentinier wunderbar in Schach, und hätten in der einen oder anderen Szene sogar in Führung gehen können – ja, müssen. Aguirre stellte sein mexikanisches Team um, spielte mit einem 4-4-2: Linksaußen Giovani rückte ins Mittelfeld zurück, auch natürlich um Angel di María gut Einhalt zu gebieten. Vorne musste Blanco natürlich dem flinken Hernández weichen, dazu durfte sich Adolfo Bautista versuchen – wenn auch nur bis zur Halbzeit. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr zog die Tri der Mannschaft aus Argentinien den Zahn. Immer mehr wich das Tempo aus den Versuchen der Arentinier.

Die Albiceleste war in eimem 4-1-3-2 angetreten, im Gegensatz zum letzten Gruppenspiel gegen die Griechen wieder mit der stärksten Formation. Lediglich Rechtsverteidiger Nicolás Otamendi blieb in der Mannschaft. Wieder versuchten es die Argentinier aber zu viel über die Mitte, zu viel nur über Messi; die Außen Maxi Rodríguez und Di María hatten wenig Einfluss auf das Offensivspiel. Wenn es vor das Tor ging, waren es zumeist Steilpässe auf Higuaín, vor allem Osorio war einmal mehr der Schwachpunkt in der Defensive.

Just allerdings, als die Argetninier vollends einzuschlafen drohten, gingen sie in Führung: Steilpass nach vorne, Messi scheitert im ersten Versuch noch am herausstürmenden mexikanischen Torhüter Pérez, den Abpraller passte Messi zu Tévez nach vorne – und weil dieser meterweit im Abseits stand, hatte er natürlich keinerlei Mühe, zum 1:0 zu verwandeln. Ja, die Mexikaner hätten auch das Schüsschen von Messi womöglich auch so nicht mehr von der Linie gekratzt bekommen und es könnte so oder so das 0:1 gewesen sein, aber eine Fehlentscheidung war es natürlich zweifellos. Verständlicherweise waren die Mexikaner ob dieser Situation nun völlig von der Rolle – vor allem Kapitän Rafa Márquez, der immer mehr einen Zehner gegeben hatte und sich nun mit Frustfouls Luft verschaffte.

Und noch viel mehr Ricardo Osorio, der im ganzen Turnier schon das Sorgenkind war. Seinen Blackout, den viel zu kurzen Querpass des Stuttgarter Tribünen-Stammgastes dankend aufnahm und zum 2:0 traf. Mit dem Doppelschlag im Rücken allerdings ließen es die Argentinier sofort wieder deutlich ruhiger angehen, sodass der Anschlusstreffer sogar noch vor der Halbzeit nicht außer Reichweite war. Die Mexikaner reagierten nun, indem Giovani wieder in den Angriff rückte, und die Mannschaft so zum 4-3-3 zurück kehrte.

Dem trug Aguirre nach der Pause Rechnung, indem er für den schwachen Bautista nun Barrera als Linksaußen brachte. Aber weil sich Osorio immer noch nicht gebessert hatte und er sich im Zweikampf mit Tévez recht einfältig anstellte, hatte dieser wieder mächtig Platz und zog aus 20 Metern ab – das 3:0, die endgültige Entscheidung. Was man den Mexikanern aber zu Gute halten muss: Sie suchten auch danach nochden Weg nach vorne, vor allem über die linke Seite. Carlos Salcído, zweifellos der beste Linksverteidiger des Turniers bis hierhin, ist beim PSV Eindhoven offenbar nicht zufrieden, denn er war nun der Boss im Spiel und bot sich so für ganz große Klubs an. Der verdiente Lohn: Der Anschlusstreffer zum 1:3 durch Javier Hernández

Womit der Schwung bei den Mexikanern aber seltsamerweise komplett futsch war. Auch, weil die argentinische Umstellung auf 4-4-1-1 (Verón war für Tévez gekommen) und die damit verbundene Stärkung des Mittelfeldes zu greifen begann. Sehr viel mehr als Standards und Weitschüsse brachten die Mexikaner, deren rechte Seite mit Giovani nach der Pause völlig aus dem Spiel war. Die Argentinier spielten nun, erstmals in diesem Turnier, wirklich auf Halten und es gelang am Ende dann doch ohne allzu grobe Probleme.

Fazit: Die Mexikaner hielten Argentinien eine halbe Stunde gut in Schach, verpassten es aber, in Führung zu gehen. Nach dem unglücklichen Rückstand brachen sie komplett zusammen, um sich in der zweiten Hälfte wieder zu fangen. Weil sie aber nicht mehr zu ihrem spielstarken Offensivspiel kamen, sondern mehr mit Verzweiflung, kommen die Argentinier trotz der Hilfe von Signore Ayroldi an der Seitenlinie nicht zu Unrecht weiter – weil sie sich über 90 Minuten als die reifere und letztlich willigere Mannschaft präsentiert hat. Ein Lob indes noch an die Mexikaner: Carlos Salcído sprach nach dem Spiel davon, dass „es zwar unglücklich gelaufen ist, aber ein Gegentor schon mal fallen können muss“ – ohne, dass man einbricht.

(phe)

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Day 12 / B – Angst vorm Gewinnen https://ballverliebt.eu/2010/06/23/day-12-b-angst-vorm-gewinnen/ https://ballverliebt.eu/2010/06/23/day-12-b-angst-vorm-gewinnen/#comments Wed, 23 Jun 2010 00:57:43 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2323 Day 12 / B – Angst vorm Gewinnen weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Tag 12 – Gruppe B | „Ich hab Angst“ – und zwar vorm Gewinnen. Das war den drei Beteiligten im Kampf um Platz zwei deutlich anzumerken: Die Griechen, die ein 0:2 verwalteten. Die Nigerianer, die beste Chancen vergaben. Und die Koreaner, die sich letztlich ins Achtelfinale zitterten.

Argentinien – Griechenland 2:0 (0:0)

Argentinien - Griechenland 2:0

Für die de facto schon als Gruppensiege feststehenden Argentinier war es ein Testspiel – Maradona konnte einige Reservisten einsetzen. Etwa Bolatti (statt Mascherano), Clemete Rodríguez (links hinten statt Heinze), Otamendi (rechts hinten statt des gesperrten Jonás Gutiérrez), dazu Kun Agüero und Diego Milito statt Higuaín und Tévez; auch Di María bekam eine Pause. Argentinien spielte in einem 4-3-3, mit Bolatti im Zentrum, Messi kam eher von der rechten Flanke. „Eher“ deswegen, weil die Gauchos die Flanken eigentlich behandelt haben wie eine verbotene Zone – alles, alles, wirklich alles drängte sich gegen die vielbeinige griechische Defensive in die Mitte. Die Hellenen hatten so nicht die geringste Mühe, das zu verteidigen.

Rehhagel schickte seine Mannschaft, wie schon zu Beginn gegen Nigeria, mit einem 3-4-2-1 auf das Feld – diesmal mit Samaras als Ein-Mann-Team jenseits der Mittellinie; Karagounis und Katsouranis nominell dahinter, Vyntra rechts und Torosidis links; dazu Papastathopoulos und Tziolis im Zentrum gemeinsam gegen Messi. Der argentinische Zehner bekam ordentlich auf die Socken, um ihn nur ja nicht ins Spiel kommen zu lassen. Ansonsten schafften es die Griechen, dass sich die Argetinier auf den Füßen standen – Verón und Bolatti, Agüero und Milito. Das Resultat: Ballbesitz ohne Ende (und IV Burdisso musste die komplette erste Hälfte in keinen einzigen Zweikampf), aber erschreckend wenig Produktives. Sehr viel dämlicher kann man gegen eine Dreierkette eigentlich nicht spielen.

In der argentinischen Kabine muss dann jemand ein Machtwort gesprochen haben, denn das Spiel der Gauchos wurde nach dem Seitenwechsel deutlich breiter. Clemente Rodríguez und sogar dem gelernte Innenverteidiger Nicolás Otamendi gelang es nun, die Präsenz auf den Flanken zu erhöhen – alleine, das Tempo fehlte. So rückten Torosidis und Vyntra schnell zurück. Messi ließ sich nun oft sogar hinter Verón zurückfallen, holte sich die Bälle von hinten, aber es fehlte ihm im Mittelfeld an tauglichen Partnern zum Doppelpass. Dass es einen Eckball brauchte, um die Griechen zu bestrafen, überrascht ob des mangelnden Tempos und der spielerischen Armut, welche die Albicelete erstaunlicherweise offenbarten, nicht.

Gut, für die Argentinier ging es um nichts mehr, insofern können sie diese uninspirierte Leistung wegstecken. Dass allerdings die Grichen, obwohl sie ob des Zwischenstandes in der Parallelpartie zum Siegen verdammt waren, vom Defensivkonzept zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise abrückten, ist eigentilch ein Skandal und einer WM nicht würdig. Samaras war von der ersten bis zur letzten Sekunde in der gegnerischen Hälfte komplett auf sich alleine gestellt, der junge Ninis war kaum mehr als moralische Unterstützung – weil die beiden anderen Neuen, Patsatzoglou und Spiropoulos, immer noch die Defensive verstärken sollten. Das ist umso trauriger, weil die Griechen ja gegen Nigeria gezeigt haben, was für einen wunderbaren Offensivfußball sie zeigen können, wenn sie denn nur wollten.

Fazit: Die Argentinier spielten es in der ersten Hälfte zu viel über die Mitte, in der zweiten immer noch mit zu wenig Tempo. Von den neuen konnte sich nur Clemente Rodríguez aufdrängen. Dass die Griechen selbst dann noch auf Halten spielten, als sie schon dringend gewinnen mussten, ist extrem enttäuschend und so geht die Niederlage und das Turnier-Aus absolut in Ordnung.

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Nigeria – Südkorea 2:2 (1:1)

Nigeria - Südkorea 2:2

Die Koreaner (bei denen Cha wieder für Oh als RV zurückkam) hätten auf Halten spielen können, ihnen hätte eine Punkteteilung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Weiterkommen gereicht – alleine, zwei schlimme individuelle Schnitzer ließen dieses Vorhaben schnell scheitern. Lee Young-Pyo (der im erstern Spiel schon Schwächen offenbarte, die von den Argentiniern erstaunlicherweise ungenützt blieben) ließ eine Flanke von Odiah zu, die nie hätte kommen dürfen, und Cha verlor in der Mitte den Zweikampf gegen Uche, den er nie hätte verlieren dürfen, kläglich. Und schon stand’s 1:0 für Nigeria.

Die Afrikaner waren an vier Positionen verändert (der gelernte IV Afolabi links hinten für Taiwo, Ayila für Haruna im DM, Obasi zurück für den gesperrten Kaita im RM, und der alte Kanu statt Odemwingie vorne), blieb aber bei seinem 4-4-1-1. Die Führung gab den Nigerianern sichtlich Aufwind, und die Koreaner schafften es nicht, aus dem Spiel heraus die gut stehenden Gegner auszuspielen. Etuhu und Ayila machten die Mitte gut (und robust) zu und Park Ji-Sung wurde auf links so gut in Schach gehalten, dass er immer wieder in die Mitte oder gar nach rechts auswich. Zudem traute sich Lee Young-Pyo nach seinem Fehler einige Zeit nicht mehr nach vorne, weil er nicht von Odiah und Obasi weiterhin überlaufen werden wollte. Auch RV Cha nagte an seinem Fehler und brauchte einige Zeit, sich freizuschwimmen. So drängte das Spiel der Koreaner immer mehr in die Mitte, wo nicht viel Platz war. Viel zu selten versuchten sie es gegen die eher unbeweglichen Yobo und vor allem Shittu in der IV mit Tempo. Chancen gab’s nur aus Standards, da wurden jedoch erstaunliche Schwächen bei den Nigerianern sichtbar. Die schließlich auch zum 1:1 führten.

Bei Nigeria ging viel über die schnellen Außen Obasi und Uche, sie verzettelten sich nur, wenn es über die Mitte mit Bremsklotz Kanu ging. Er verschleppte das dringend notwendige Tempo immer wieder, sodass Aiyegbeni vorne nicht viele Bälle sah, die er von Kanu in sinnvollem Zustand aufbereitet bekam. Kein Wunder also, dass Kanu nach einer Stunde mit Martins einer zweiten echten Sturmspitze weichen musste – was natürlich auch daran lag, dass Südkorea mittlerweile durch eine weitere Standardsituation mit 2:1 in Führung gegangen war.

Koreas Teamchef Huh nahm daraufhin mit Yeom seinen zentralen Offensivspieler hinaus und brachte dafür den Sechser Kim Nam-Il – absichern war angesagt. Durch die Ausgangspotition (Korea reicht ein Remis, Nigeria muss gewinnen) waren es nun natürlich die Afrikaner, die sich daran machten, das Spiel nach vorne zu tragen. Durchaus mit einigem Erfolg, denn die Außenverteidiger Lee und vor allem Cha machten einen sichtlich schwachen Eindruck. Vor dem Tausenprozenter etwa, den Aiyegbeni zwei Minuten vor seinem Elfmetertor zum 2:2 aus einem Meter am Tor vorbeischob, schlief Cha zum wiederholten Male. Erstaunlicherweise war es neben Cha und Lee Young-Pyo noch ein dritter absoluter Routinier, der das völlig sinnlose Elferfoul beging: Wie die beiden Außen war auch Kim Nam-Il schon vor acht Jahren dabei, als es ins Semfinale ging.

Doch auch auf der anderen Seite schwamm die Defensive fleißig. In der Halbzeit war Afolabi für Yobo ins Zentrum gerückt, dafür der eingewechselte Echéjilé nach rechts gegangen – und bis auf den recht sicheren Neuen hatte da hinten keiner echtes WM-Format. Den Koreanern fehlte es allerdings an der Klasse, diese großen Schwächen auszunützen. Genau diese fehlte aber auch den Nigerianern, die in einer nicht besonders hochklassigen, aber dramatischen und spannenden Schlussphase diverse Chancen zum Sieg, und damit zum Achtelfinaleinzug, liegen ließen.

Fazit: Die Koreaner nützten erneut zwei Standards für die Tore, hatten aber extremes Glück, dass die Nigerianer vor dem Tor einfach viel zu viele Torchancen leichtfertig verballerten. Nigeria hätte dank der mit Abstand besten Turnierleistung den Sieg gegen zu harmlose Koreaner verdient gehabt, diesen allerdings selbst verspielt.

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Das war die Gruppe B: Favorit Argentinien war mit der schwachen Konkurrenz doch ein wenig unterfordert – zwei gute (aber nicht überragende) und eine mäßige Leistung reichten zu drei ungefährdeten Siegen. Und das, obwohl Messi zwar bemüht war, ihm aber noch nichts wirklich außergewöhnliches gelungen ist. Was diese Argentinier leisten können, wenn sie gegen eine Weltklassemannschaft spielt, lässt sich absolut noch nicht abschätzen, aber der taktisch schwache bis dämliche Auftritt gegen die Griechen könnte ein Indikator dafür sein, dass noch nicht alles Gold ist, was glänzt.

Die Konkurrenz lieferte sich ein Scheckenrennen um den zweiten Gruppenplatz. Am Ende schaffte es, wie von vielen erwartet worden war, die Mannschaft aus Südkorea – allerdings weniger wegen der eigenen Stärke, sondern eher, weil die anderen beiden noch blinder waren. Man darf nicht vergessen, wie die Tore fielen: Drei Freistöße, zwei derbe Abwehrfehler der Gegner. Aus dem Spiel heraus? Naja. Im Achtelfinale gegen Uruguay ist das Team so der krasse Außenseiter. Das Pech von Nigeria war es, zum einen gegen die Griechen einen saublöden Ausschluss hinnehmen zu müssen und dann zum anderen gegen die Koreaner die besten Chancen zu vernebeln. Lars Lagerbäck verpasste dem Team die Struktur, die beim Afrikacup gefehlt hatte, das Aus hat man sich aber dennoch selbst zuzuschreiben. Unnötig war es in jedem Fall.

Unnötig war mit absoluter Sicherheit auch der Auftritt von Griechenland. Zwar zeigten die Hellenen gegen Nigeria, dass sie schönen Offensivfußball zeigen könnten, aber die Spiele gegen Südkorea und Argentinien waren gerpägt von übervollen Hosen und einer Feigheit, die jeder Beschreibung spottet. Nicht einmal, als das Team gegen echt nicht besonders motivierte Gauchos unbedingt gewinnen musste, wurde am Defensivkonzept gerüttelt. Ein Glück, dass diese Maßnahmen nicht auch noch belohnt wurden – zumindest versuchen hätte man es können.

(phe)

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Day 7 – Hollywood https://ballverliebt.eu/2010/06/18/day-7-hollywood/ https://ballverliebt.eu/2010/06/18/day-7-hollywood/#respond Fri, 18 Jun 2010 00:40:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2264 Day 7 – Hollywood weiterlesen ]]> Südafrika 2010 – Tag 7 | Argentinien dreht Südkorea einmal auf links. Die Mexikaner führen die Franzosen vor, indem sie ihnen zeigen, wie variables Offensivspiel geht. Und, eigentlich unglaublich: Griechenland spielt mit zehn Nigerianern Hollywood und erdrückt diese in offensivem Dauerdruck!

Argentinien – Südkorea 4:1 (2:1)

Argentinien - Südkorea 4:1

Maradona veränderte sein Team gegenüber dem 1:0 über Nigeria nur geringfügig – Maxi Rodríguez kam für den angeschlagenen Verón in die Mannschaft. Nicht verändert hat sich aber die windschiefe Formation: Jonás Gutiérrez war wieder der Alleinunterhalter auf der rechten Seite, was ihm diesmal aber wesentlich weniger gelang als gegen Nigeria – weil er auch sehr wenig Unterstützung hatte, denn Tévez spielte diesmal vermehrt über die linke Seite.

So war das argentinische Spiel ganz extrem linkslastig: Mit einem deutlich verbesserten Di María, der ja nun mit Tévez einen Mitspieler auf seiner Seite vor sich hatte, dazu Messi noch einen zweiten Aufbauspieler, der viel über diese Seite kam, plus Higuaín, der als Sturmspitze im Zentrum wartete. Auf der anderen Seite aber: Nichts. Nur Jonás Gutiérrez, der ein armer Hund war; zwar oft den Ball hatte, aber wenig damit anfangen konnte. Kein Wunder also, dass kein einziges der vier Tore mit seiner Seiter auch nur das geringste zu tun hatte.

Umso erstaunlicher aber, dass es die Südkoreaner diesmal nie vermochten, dieses Manko auch nur im Ansatz auszunützen. Zumal Park Ji-Sung diesmal nicht direkt in der Mittelfeld-Zentrale spielte, sondern in einem 4-4-1-1 vorgerrückt hinter Park Chu-Yong aufgestellt war. Was negative Folgen hatte: Messi konnte sich problemlos bis auf die Sechserposition zurückfallen lassen, sich dort die Bälle holen, und mit schnellen Solo-Läufen oder via Doppelpass mit Mascherano und/oder Maxi Rodríguez den flinken Weg nach vorne suchen konnte. Die koranische Defensivabteiltung stand diesen Aktionen oft eher hilflos gegenüber. Dass Demichelis mit seinem peinlichen Leichtsinnsfehler das Gegentor verschuldete, sorgte dafür, dass die Argentinier in der zweiten Hälfte noch wach bleiben musste. Was der verletzungsbedingte Ausfall von Samuel bedeuten könnte, wurde nicht klar, zu harmlos waren die Koreaner.

Zudem nützten die robuten Argentinier ihre physische Überlegenheit bei Standardsituationen und profitierten auch von Unzulänglichkeiten der Südkoreaner im Stellungsspiel. Das Eigentor zum 0:1 mag noch Pech gewesen sein, das Abwehrverhalten beim 0:2 war aber schon sehr mangelhaft. Enttäuschend war die Leistung der Koreaner als Ganzes, auch nachdem Teamchef Huh in der Pause den jungen Ki rausnahm und dafür den routinierteren Kim Nam-Il brachte. Damit brachte er zwar etwas Beruhigung ins defensive Mittelfeld, beraubte sich aber der Optionen nach vorne, weil der 33-Jährige im Spielaufbau nicht den Schwung des 21-jährigen Ki mitbringt.

Eine Viertelstunde vor Schluss reagierte die argentinische Bank auf die zunehmende Wirkungslosigkeit von Tévez auf der linken Seite und brachte Kun Agüero – eine Maßnahme, die sich sofort bezahlt machte. Agüero unterstützte Messi in der Zentrale und zog die beiden Bilderbuch-Konter mit seinem jungen Kollegen gemeinsam auf und ermöglichte Hugaín seinen Hattrick – worauf sich dieser zehn Minuten vor dem Schluss seinen Abgangsapplaus abholen durfte.

Fazit: Die Argentinier gewinnen vierdient, weil sie die Schwächen der Koreaner ausnützten und offensiv einfach deutlich mehr Power hatten, zwei Standards und zwei wunderschöne Konter abschlossen. Interessant wird, wie das Spiel ohne den gelbgesperrten Jonás Gutiérrez aussehen wird – der mutmaßliche Back-up Otamendi kann das in dieser Form nicht spielen. Die Koreaner brauchen nun ein Erfolgserlebnis gegen Nigeria, das sollte aber trotz der hohen Niederlage möglich sein – vor allem nachdem die Nigerianer gegen die Griechen genau gar nichts zeigen konnten.

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Griechenland – Nigeria 2:1 (1:1)

Griechenland - Nigeria 2:1

Wer hätte das gedacht? Maurermeister Otto Rehhagel entdeckt auf seine alten Tage sogar noch den Offensiv-Fußball! Auch, wenn’s einen Anlass wie den saublöden Ausschluss des Nigerianers Sani Kaita brauchte. Denn Rehhagel ließ mit einem immer noch eher vorsichtigen 3-5-2 beginnen, mit drei echten Innenverteidigern (Kyrgiakos, Papadopoulos und Papastathopoulos), dazu gelernte Außenverteitiger im Mittelfeld (Vyntra rechts und Torosidis links), einem klassischen Sechser (Tziolis), zwei potentiellen Spielgestaltern im Halbfeld (Karagounis und Katsouranis), einem offensiven Freigeist (Salpingidis) und einer statischen Sturmspitze (Gekas). Das Mittelfeld versuchte, den Nigerianern mittels Pressing die Zeit für den Spielaufbau zu nehmen, was ganz gut gelang. Selbst wurden die Griechen aber auch nicht torgefährlich.

Die Nigerianer wurden von Lars Lagerbäck diesmal mit einem 4-4-1-1 auf den Platz geschickt, vorne mit Centerstürmer Aiyegbeni und mit Odemwingie als hängende Spitze; Kalu Uche rutsche im linken Mittelfeld für Obasi in die Mannschaft. Schon früh auffällig: Die Außenverteidiger Taiwo und Odiah rückten extrem weit in die Zentrale, wodurch sie den Griechen außen viel Platz gaben, den diese aber nicht nützen konnten. Da weder die Nigerianer ein Mittel gegen das griechische Pressing fanden, noch die Griechen gegen die bullige Abwehr, die in der Zentrale Gekas zu viert zustellte, verlief das Spiel eine halbe Stunde lang ziemlich dröge, von Nigerias Freistoß-Zufallstor zum 1:0 aus heiterem Himmel (wieder war es Vyntra, der mit einem individuellen Fehler diesen verursachte – er verschuldete schon gegen Südkorea ein Gegentor) einmal abgesehen. Als aber in der 33. Minute mit Sani Kaita der rechte Mittelfeld-Mann der Nigerianer zu Recht ausgeschlossen wurde, setzte Rehhagel alles auf eine Karte.

Er brachte sofort mit Samaras einen schnellen, kopfballstarken Stürmer für Papastathopoulos aus der Dreier-Abwehrkette und stellte nominell auf ein 4-3-3 um, dass sich in der Praxis aber eher als 2-5-3 darstellte. Heißt: Nur noch zwei Verteidiger hinten, das Fünfer-Mittelfeld wie gehabt, und vorne Samaras als ständiger Unruheherd zu Salpingidis und Gekas dazu. Zudem blühte der zuvor unsichtbar Katsouranis auf, Karagounis fing das Spiel nun auch tatsächlich zu lenken an. Die Folge: Die nigerianische Defensive, welche die Flanken immer noch bereitwillig herschenkte, sah mit sich einem Dauerdruck wütend anrennender Griechen konfrontiert, den man in dieser Form noch nie gesehen hat. Dass die Hellenen noch vor der Pause den Ausgleich erzwingen konnten, war wichtig und da schon überfällig.

Lagerbäck reagierte in der Pause und brachte für Odemwinige nun Obasi, der das durch den Ausschluss entstandene Loch rechts stopfen und Konter einleiten sollte. Das funktionierte einmal ganz gut, nur scheiterte er am starken griechischen Schlussmann Tzorvas. Auf der anderen Seite war es der überragende Torhüter Enyeama, der mit sehenswerten Paraden das 1:1 für die nun im Grunde hoffnungslos unterlegenen Afrikaner rettete. Dass ein klarer Fehler von ihm – er ließ einen Schuss prallen, Torosidis staubte ab – zum 1:2 führte, ist bitter für ihn, aber ohne seine Glanzleistungen zuvor wäre dieses hochverdiente Tor schon viel früher gefallen.

Fazit: Unglaublich, aber wahr – Die Griechen überzeugten mit druckvollem Power-Offensivfußball gegen, zugegeben, numerisch unterlegene Nigerianer. Das Pech der Griechen: Nun wartet Argentinien. Die Nigerianer fanden schon mit elf Spielern offensiv nicht statt und hatten über das Spiel gesehen nicht den Funken einer Chance. Ohne klare Leistungssteigerung werden die Super Eagles auch gegen Südkorea keine haben.

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Frankreich – Mexiko 0:2 (0:0)

Frankreich - Mexiko 0:2

Die Zeit war für Frankreichs Teamchef Domenech nach dem enttäuschenden 0:0 gegen Uruguay gekommen, etwas umzustellen. Und er tat es: Der enttäuschende Gourcuff raus, Ribéry nominell von links in die Mitte, dafür Malouda neu ins Team nach links. So sah es auf dem Papier aus, aber die vier offensiven Kräfte der Franzosen – eben Malouda und Ribéry, dazu Govou rechts und Anelka in der Spitze – rochierten sehr viel. Vor allem Ribéry tauchte eigentlich überall auf, aber auch Anelka ging mitunter auf links, dafür Govou in die Mitte und Malouda blieb etwas zurück. Das sah alles ganz gefällig (wenn auch mitunter etwa unkoordiniert) aus, brachte aber nicht den gewünschten Effekt – sprich, echte Torgefahr.

Diese entwickelten schon viel eher die Mexikaner, obwohl diese ihre Grundausrichtung eher in Abwarten und Gegner kommen lassen bestand. Zu Beginn des Spiels klappte das noch nicht, weil alle Konterbemühungen über den von den Franzosen zugestellten Mittelkreis gingen – also, entweder von außen in die Zentrale, oder gleich von dort ausgehend. Das besserte sich aber mit Fortdauer der ersten Hälfte, als vor allem Salcído auf links immer öfter unter konsequenter Umgehung der Zentrale den Weg nach vorne suchte (weil er ob des praktisch inexistenten Govou auch jede Menge Zeit dazu hatte), dort unterstützt von den wieselflinken Vela und Giovani.

Dass Aguirre aus seiner mexikanischen Mannschaft im Gegensatz zu Domenech aus der seinen eine in sich funktionierende Mannschaft geformt hat, zeigte sich spätestens nach einer halben Stunde, als der starke Vela mit einer Hamstring-Verletzung ausgetauscht werden musste. Pablo Barrera nahm seinen Platz im Team ohne Reibungsverluste ein; Giovani übernahm halt vorne etwas mehr Verantwortung. So war der 21-Jährige zunächste der klare Boss im mexikanischen Angriff, denn Guille Franco war hauptsächlich mit Wortgefechten mit dem Schiedsrichter zu Gange. Dass Aguierre ihn nicht zur Halbzeit in der Kabine ließ, ist schon ein wenig verwunderlich.

Dafür nahm Domenech den lauffreudigen, aber unglücklichen Anelka raus und brachte für ihn Gignac – und schwächte so seine Mannschaft vorentscheidend. Denn Gignac stand nur vorne drin und wartete auf Anspeiele (und versiebte die wenigen, die kamen, kläglich). Ribéry ging nun auf links, war dort bei Osorio aber gut aufgehoben, Malouda ging in die Mitte und zeigte, dass er sich dort nicht wohl fühlt. Der wie im ersten Spiel unterirdische Govou durfte noch bis zur 69. Minute weitertraben, ehe er ausgewechselt wurde – aber nicht für den gedemütigten Henry, sondern für Valbuena. Der genauso wirkunggslos blieb wie Govou.

Denn die französische Mannschaft implodierte nach der Pause regelrecht. Keinerlei Laufbereitschaft war mehr erkennbar, kein Einsatz für den Mitspieler, kein Aufbäumen, nichts. Aguirre erkannte das natürlich und brachte für den defensiven Juárez Stürmer-Jungstar Hernández, weil er sah, dass ein Sieg gegen eine solche französische Mannschaft absolute Pflicht war. Diese Maßnahme fruchtete: Hernández erzielte prompt das 1:0, nachdem die Franzosen vergeblich auf Abseits gespielt hatten. Im Grunde war das Spiel entschieden, da konnte es sich Aguirre sogar leisten, die Immobilie Blanco zu bringen. Er wuchtete seinen massigen Körper noch eine halbe Stunde durch die Gegend und verwertete den Elfmeter zum 2:0, als die Entscheidung im Grunde längst gefallen war.

Denn die Mexikaner spielten nun vollends Hollywood mit Frankreich – hinten sicherten nur noch Osorio, Moreno und Rodríguez ab, sie standen dabei extrem hoch und hatten gegen die einfallslosen und statischen Franzosen keine Mühe. Davor teilten sich Torrado und Márquez die Spieleröffnung, Salcído rückte von links hinten endgültig ins linke offensive Mittelfeld, rechts übernahm diese Rolle Barrera, der junge Hernández spielte zentral, Giovani überall und Blanco war vorne die Spitze. Und aus dieser Grundformation rochierten die Mexikaner, dass es nur so eine Freude war und sich die Franzosen hinten und vorne nicht mehr auskannten. Das Elferfoul der heillos überforderten Abwehr vor dem 2:0 war die logische Folge.

Fazit: Die Franzosen fingen engagiert an, aber spätestens die Leistung in der zweiten Hälfte ist selbst mit „Bankrotterklärung“ fast noch zu wohlwollend beschrieben. Die Mexikaner erkannten dies und verarschten das französische Team gegen Ende regelrecht. So sind sie ein Kandidat für das Viertelfinale – mindestens.

(phe)

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