Mané – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 25 Mar 2014 11:07:37 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Salzburg legt die Saat: Mit Pressing-Fußball endlich in Europa angekommen https://ballverliebt.eu/2014/03/24/salzburg-legt-die-saat-mit-pressing-fussball-endlich-in-europa-angekommen/ https://ballverliebt.eu/2014/03/24/salzburg-legt-die-saat-mit-pressing-fussball-endlich-in-europa-angekommen/#comments Mon, 24 Mar 2014 22:15:24 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10002 Salzburg legt die Saat: Mit Pressing-Fußball endlich in Europa angekommen weiterlesen ]]> Es begann mit einer erstaunlich guten Leistung gegen Fenerbahçe, es endete mit einem Selbstfaller gegen Basel – dazwischen sorgte Salzburg in der ersten „echten“ Europacup-Saison unter Roger Schmidt mit hochattraktivem Tempo-Fußball und extrem aggressivem Pressing für eine der besseren Europacup-Saisonen, die je ein österreichisches Team absolviert hat. Ballverliebt blickt noch einmal auf die insgesamt 14 Spiele der Bullen auf internationalem Parkett zurück.

Fenerbahçe

1:1 (0:0) gegen Fenerbahçe
1:1 (0:0) gegen Fenerbahçe

Schon Fenerbahçe bekam in der ersten Quali-Runde zur Champions League zu spüren, was für ein unguter Gegner Salzburg sein kann. Die Türken bekamen keine Zeit am Ball, kamen so nicht wirklich zu Geltung und lief der Musik eher hinterher. Eine System-Umstellung in der zweiten Hälfte – auf 4-2-3-1 – und eine aktivere Spielweise ließ Fener besser ins Spiel kommen, doch Alan markierte halb durch die zweite Hälfte das 1:0. Bei dem es auch geblieben wäre, hätte nicht Ulmer in der Nachspielzeit den Ball im Strafraum an die Hand bekommen und Fenerbahçe den fälligen Elfmeter zum 1:1 verwandelt.

1:3 (1:3) bei Fenerbahçe
1:3 (1:3) bei Fenerbahçe

Im Rückspiel startete Salzburg wie aus der Pistole geschossen, ging durch Soriano schon nach vier Minuten in Führung, kassierte in der Folge aber zwei billige Tore als Resultat von etwas naivem Abwehrverhalten – vor allem Ramalho, der bis kurz davor noch Regionalliga für Liefering gespielt hatte, wirkte zuweilen etwas überfordert. In rasendem Tempo aber sollte der zu diesem Zeitpunkt 21-Jährige in den folgenden Wochen und Monaten zum unumstrittenen Stammspieler und Leistungsträger werden.

Dennoch blieben die Bullen spielbestimmend, wiewohl schon zu merken war, dass Fenerbahçe – drei Monate davor noch im Europa-League-Halbfinale – immer noch zulegen könnte, wenn es nötig gewesen wäre. Nach einer halben Stunde fiel das 3:1, und obwohl Salzburg genug Chancen gehabt hätte, den Rückstand aufzuholen, klappte es nicht mehr. Ein Gefühl, das man später in der Saison noch einmal haben sollte.

Žalgiris

5:0 (3:0) gegen Žalgiris
5:0 (3:0) gegen Žalgiris

Wegen des drohenden Ausschlusses von Fenerbahçe in Folge des Manipulations-Skandals spielte Salzburg schon nur unter Protest, doch während etwa Metalist Kharkiv wegen ähnlichen Vergehens sehr rasch aus der CL-Quali genommen worden war, zog sich die Sache bei Fener hin. Salzburg wurde im Play-Off zur Europa-League-Gruppenphase indes gegen Žalgiris Vilnius gelost.

Die Litauer erlebten dann, was auch in der österreichischen Bundesliga noch viele erleben sollten: Einen Abschuss erster Güte. Schon im mit 8.000 Zusehern sehr überschaubar besetzten Hinspiel (nachdem jenes gegen Fener ausverkauft gewesen war) machten sich die Bullen einen Spaß, Soriano traf dreimal, auch Mané durfte mal und sogar Innenverteidiger Hinteregger trug sich in die Schützenliste ein.

2:0 bei Žalgiris
2:0 bei Žalgiris

Auffällig ist im Rückblick, dass die Position von Kampl in dieser Saisonphase noch nicht fixiert war, sondern er entweder zentral oder auf dem Flügel agierte – je nachdem, wer neben ihm, Mané und Ilsanker der vierte Mittelfeld-Mann war. Leitgeb spielte in den Überlegungen von Roger Schmidt zu diesem Zeitpunkt keine echte Rolle, nachdem er nur geblieben war, weil sich kein anderer Klub für ihn interessiert hatte.

Mal spielte Meilinger, zurück von seiner Leihe in Ried, auf dem Flügel, mal Hierländer zentral vor bzw. neben Ilsanker und wenn Berisha in der Mitte spielte, hatte das System fast schon etwas 4-2-3-1-haftes. Nach dem etwas gelangweilten 2:0-Sieg im Rückspiel in Vilnius bekam Salzburg die Gruppe mit Elfborg, Esbjerg und Standard Lüttich – ein Aufstieg in die K.o.-Phase wurde sofort als absolute Pflicht gesehen. Wie sich zeigen sollte, zu Recht.

Elfsborg daheim, Esbjerg auswärts

4:0 (2:0) gegen Elfsborg
4:0 (2:0) gegen Elfsborg

Dass Fenerbahçe nach den Duellen mit Arsenal doch noch aus dem Bewerb genommen wurde, sorgte für einiges Murren – realistisch betrachtet hätte es aber vermutlich keinen Unterschied gemacht, da die Türken gegen die Gunners chancenlos waren und es Salzburg vermutlich kaum besser ergangen wäre.

So also ging es in eine in der Tat mäßig attraktive Gruppe, die mit einem besseren Trainingsspielchen begann. Der zu diesem Zeitpunkt schon so gut wie entthronte Meister der ohnehin schwachen schwedischen Liga, IF Elfsborg, stellte sich von Beginn an mit einem 4-5-1 ganz tief hinten rein und betete, dass das Ausmaß der sportlichen Katastrophe sich in Grenzen halten möge. Nach diversen verdaddelten Chancen sorgte Alan nach etwas über einer halben Stunde für die Führung, Soriano doppelte noch vor der Pause per Elfmeter nach. Zwei weitere Treffer des Spaniers sorgten für einen auch in der Höhe verdienten 4:0-Erfolg für Salzburg.

Und dafür, dass Elfsborg-Coach Lennartsson von einer Spieler-Revolte aus dem Amt gejagt wurde, die Kicker selbst waren mit der ultra-destruktiven Spielweise nämlich überhaupt nicht einverstanden.

2:1 (2:0) in Esbjerg
2:1 (2:0) in Esbjerg

Im Spiel beim dänischen Cupsieger Esbjerg fehlte Ilsanker, daher rückte Ramalho ins Mittelfeld und Rodnei bekam wieder seine Chance – der aus Kaiserslautern geholte Brasilianer kam aber nie über die Rolle des wackeligen Ersatz-Mannes hinaus. Zu wenig solide waren seine Leistungen.

In Esbjerg wurde bei Salzburg erstmals jener Eindruck deutlich, den man im ganzen Europacup-Herbst haben sollte: Diese fast schon aufreizende Langeweile und die totale Selbstverständlichkeit, mit der die Bullen durch diese Gruppe marschierten. Je ein Alan-Tor am Anfang und am Ende der ersten Hälfte sorgten für eine lockere 2:0-Führung. Mit dieser im Rücken schläferte sich Salzburg danach aber beinahe selbst ein, rutschte vom Verwalten-Modus immer mehr in den Zitter-Modus und gab nach dem Gegentor in der 89. Minute beinahe sogar noch den Sieg aus der Hand.

Standard Lüttich

2:1 (0:0) gegen Standard Lüttich
2:1 (0:0) gegen Standard Lüttich

Mit was für Eiern diese Truppe ausgestattet ist, zeigte sich erstmals so wirklich im Heimspiel gegen Standard Lüttich. Die Belgier kamen in einem fast schon schmerzhaft eindimensionalen 4-4-2 daher, in dem sie es aber gut verstanden, die Räume extrem eng zu machen. Daran änderte auch der Ausschluss von Stürmer Carcela nichts.

Bemerkenswert war aber, wie nach der (an Dämlichkeit kaum zu überbietenden) gelb-roten Karte für Mané gespielt wurde. Da war nämlich nix mit einen Stürmer opfern und Balance auf die dezimierte Seite bringen, nein, da beackerte Linksverteidiger Ulmer die komplette Außenbahn einfach ganz alleine weiter. Und er machte das mit einer Wucht und einem Furor, dass den Belgiern ganz anders wurde, dass Soriano nach der Pause das 1:0 erzielte, und dass sich Kanu zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ. Mit neun Feldspielern gegen acht ließen die Bullen nichts mehr anbrennen; Ramalho erzielte in der Schlussphase das 2:0 und das Elfmeter-Tor von Mujangi-Bia (nach einem Foul von Hinteregger) war nur noch Kosmetik.

3:1 (2:0) bei Standard Lüttich
3:1 (2:0) bei Standard Lüttich

Christoph Leitgeb hatte sich zwischenzeitlich beim ÖFB-Team Selbstvertrauen geholt und sicherte sich nun auch bei Salzburg jenen Platz im Mittelfeld, den Schmidt bis dahin immer eher vakant gelassen hatte. Im strömenden Regen von Lüttich hatte Salzburg deutlich besseren Zugriff auf das Spiel wie noch beim eher zähen Heimsieg, schon nach wenigen Sekunden hätte Kampl die Führung erzielen müssen. Kurz vor der Halbzeit sorgte ein Doppelschlag durch Svento und Kampl dann doch für die verdiente 2:0-Führung – Lüttich konnte nicht mit dem hohen, aggressiven Pressing der Bullen umgehen und kam kaum selbst zur Entfaltung.

Und dann wurde auch noch das zarte Pflänzchen Hoffnung, das nach dem Anschlusstreffer zum 1:2 nach knapp einer Stunde aufkam, auf das spektakulärste zertreten: Alans unglaublicher Fallrückzieher zum 3:1 legte die Partie auf Eis und bescherte Salzburg schon nach dem drittletzten Spiel fix das Ticket für die K.0.-Runde.

Elfsborg auswärts und Esbjerg daheim

1:0 (1:0) bei Elfsborg
1:0 (1:0) bei Elfsborg

Womit noch zwei weitgehend sinnfreie Spiele blieben, in denen es „nur noch“ um die endgültige Fixierung des Gruppensieges ging. Daher ließ Roger Schmidt in Borås auch einige Stammkräfte außen vor: Soriano, Kampl waren ohnhin angeschlagen, Ramalho und Leitgeb spielten auch nicht, Alan nur zehn Minuten, dafür kam Florian Klein in den Genuss, mal als defensiver Mittelfeld-Mann zu agieren.

Das Tor von Marco Meilinger kurz vor der Halbzeit fixierte den 1:0-Sieg in einem Spiel, an das man sich dann auch nicht weiter erinnern muss. Für die Schweden war die Saison längst gelaufen, die Kulisse von 3.000 Zusehern im November-kalten Westschweden war auch nicht gerade prickelnd. Klar: Auch diese B-Elf konnte das Salzburg-typische Pressing gut ausführen und kam gegen die erneut überforderten Schweden zu einer Fülle an Chancen, aber Berisha und Nielsen sind nun mal nicht Alan und Soriano.

3:0 (1:0) gegen Esbjerg
3:0 (1:0) gegen Esbjerg

Für das letzte Gruppenspiel nahm Gegner Esbjerg, obwohl es ja immer noch (zumindest theoretisch) um den Gruppensieg ging, auch das komplette Reserve-Team nach Salzburg mit, um dort die Weihnachtsfeier abzuhalten. Anders gesagt: So richtig ernst nahmen auch die Dänen das spiel nicht mehr, entsprechend kampffrei überließen sie es den Bullen dann auch.

Alan holzte zwar zweimal aus zwei Metern über das jeweils leere Tor, aber nicht mal das konnte einen lockeren 3:0-Sieg der Bullen verhindern – Mané traf doppelt, dazu netzte auch Kampl. Damit war das Kunststück aus dem Herbst 2009, als Salzburg schon einmal alle sechs Europa-League-Gruppenspiele gewann, wiederholt. Der erste Klub, dem dies ein zweites Mal gelang.

Ajax

Der holländische Renommier-Klub kam als einer der Gruppendritten aus der Champions League in die erste K.o.-Runde der Europa League; zwei Tage vor Salzburgs 1:0 in Borås bezwang Ajax immerhin den FC Barcelona. Allgemeiner Tenor in Österreich war aber dennoch: Da ist ein Weiterkommen absolut möglich wenn nicht gar wahrscheinlich. Realistisch betrachtet, war das wohl eine überzogene Erwartungshaltung.

3:0 (3:0) bei Ajax
3:0 (3:0) bei Ajax

Es hat aber niemand auch nur im Ansatz für realistisch gehalten, wie die Realität dann tatsächlich aussah. Denn am Tag, an dem Österreichs Nordische Kombinierer bei Olympia Team-Bronze holten, überfuhren die Bullen Ajax mit einer Wildheit, einer Überlegenheit, einer alles niederwalzenden Selbstverständlichkeit, die bei den Spielern von Ajax nur hilfloses Schulterzucken und Blicke zu Tage förderte, in denen sich die Frage manifestierte, was denn das für ein Frachtzug war, der da gerade Kleinholz aus ihnen gemacht hat.

Wohl hatte sich Ajax nicht vorstellen können, dass sich Salzburg, diese in der Liga unterforderte Mannschaft, die eine unsagbar leichte Gruppe überstanden hatte, auch gegen sie, das große Ajax, das hohe Offensiv-Pressing zeigen trauen würde. Das Gegenteil war der Fall, die Salzburger wetzten mit einem fast schon nie gesehenen Furor auf den jeweils ballführenden Holländer, sodass deren Akteure nach fünf Minuten höchst verwirrt waren, nach zehn Minuten hilflos, nach einer Viertelstunde im Rückstand, nach einer halben Stunde der Widerstand gebrochen war und Ajax nach Sorianos Tor von der Mittellinie zum 3:0 nach erst 35 Minuten vom dritten Blattschuss getroffen endgültig leblos im Straßengraben lag.

3:1 (0:0) gegen Ajax
3:1 (0:0) gegen Ajax

Salzburg konnte sich sogar leisten, bereits in der zweiten Halbzeit des Hinspiels auf Halbgas umzuschalten und verschonte Ajax so vor einer durchaus möglichen noch schlimmeren Peinlichkeit. Das wirklich erstaunliche aber: Selbst nach der Lehrstunde im Hinspiel hielt es Ajax-Coach Frank de Boer nicht für nötig, seine Taktik für das Rückspiel wirklich zu überdenken.

Denn auch im ausverkauften Klessheimer Stadion fühlte sich kein Ajax-Mittelfeld-Akteur bemüßigt, den in der Spieleröffnung unter Dauerdruck stehenden Verteidigern zu helfen, wurde wieder im Zentrum erstaunlich durchschaubar agiert, hingen die Stürmer wieder in der Luft.

Und wenn der Gegner schon nicht mal versucht, was dagegen zu halten, dann kann mit ihm auch ruhig nochmal eine mitgeben. Salzburg stellte in der zweiten Halbzeit innerhalb von 20 Minuten erneut auf 3:0, das Gegentor in der Schlussphase machte keinen Unterschied mehr. Ajax wurde mit einem Gesamtscore von 1:6 aus dem Bewerb geprügelt und musste froh sein, dass Salzburg damit sogar noch Gnade walten hatte lassen.

Basel

Aus der Euphorie wurde bei einigen Beobachtern durch die Gala-Auftritte gegen Ajax zusehens Übermut. Klar: Die Salzburger erinnerten in all ihrer Intensität, ihrer Go-for-it-Mentalität, ihrem ultra-heftigen Pressing und ihrem Aus-dem-Nichts-Kommen frappant an jene megageile Truppe von Athletic Bilbao, die vor zwei Jahren bis ins Finale marodierte und auf dem Weg dorthin auch Manchester United der Lächerlichkeit preisgab, wie Salzburg Ajax der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.

0:0 in Basel
0:0 in Basel

Der Schweizer Serien-Meister aus Basel stellte sich aber nicht so naiv an wie Ajax. Man versuchte nicht, aus einem (falschen) Gefühl der Überlegenheit heraus, Salzburg das eigene Spiel aufzudrücken. Stattdessen entschied sich Murat Yakin dafür, sein Team voll und ganz auf den Gegner aus Salzburg einzustellen. Was hieß: Statt dem gewohnten 4-1-4-1, das Basel in der Regel spielt, gab’s eine Dreier-Abwehrkette gegen das Salzburg-Sturmduo mit Soriano und Winter-Neuzugang Zulj (er den gesperrten Alan ersetzte), hatte dank der Dauer-Besetzung beider Flügel durch die Degen-Zwillinge aber auch gegen Kampl und Mané immer Überzahl.

Die Folge: Salzburg kontrollierte das Spiel, konnte dadurch aber nicht das gewohnte Pressing- und Umschaltspiel aufziehen. Nicht, dass es nicht dennoch einige großartige Torchancen gegeben hätte, aber in der Not rettete für Basel der künftige Gladbach-Torhüter Yann Sommer oder die fehlende Genauigkeit der Bullen im Torabschluss. So stand am Ende ein 0:0, mit dem aber auch keines der beiden Teams so richtig unzufrieden sein wollte.

1:2 (1:0) gegen Basel
1:2 (1:0) gegen Basel

Für das Rückspiel behielt Yakin seine Dreierkette bei, stellte aber mit dem nun wieder fitten Marco Streller einen zweiten echten Stürmer auf das Feld. Was aber auch nichts geholfen hätte, wenn Salzburg etwas weniger schludrig mit den zahlreichen Top-Torchancen in der ersten Hälfte umgegangen wäre. Wobei den Bullen sicher auch half, dass Basel-Abwehrchef Suchý nach einem ganz besonders dämlichen und überdies ziemlich rüden Foul an der Mittellinie schon nach acht Minuten vom Platz flog.

Zwar konnte sich Basel in einer durch wildgewordene Idioten im Basler Fan-Block verursachten Spielunterbrechung nach einer halben Stunde etwas sammeln, aber die 1:0-Pausenführung durch Soriano war hoch-hochverdient. Kurz nach Wiederanpfiff schoss Soriano aus zwei Metern daneben – zwei Minuten später glich Basel nach einem Eckball aus. Und nach zehn weiteren Zeigerumdrehungen verflog sich Keeper Gulácsi nach einer weiteren Ecke, Sauro verwertete zum 2:1. Nachdem überdies Referee Gräfe Basel-Verteidiger Ajeti nach einem Kopfstoß fälschlicherweise nur Gelb gezeigt hatte.

So brilliant Salzburg gegen Ajax spielte, so sehr man das Duell mit Basel da schon längst hätte für sich entschieden haben müssen, so sehr scheiterten die Bullen nun an der Blockade im Kopf. Mané und Kampl brachten keinen Pass mehr an den Mann und verloren Bälle am laufenden Band, es gab kaum noch echte Torchancen, und die Einwechslungen der international nicht gerade erfahrenen Robert Zulj, Marco Meilinger und Valon Berisha konnte das Ruder auch nicht mehr herumreißen. Dass hinten drei von vier Mann aus der Stamm-Viererkette fehlten (Schwegler und Ulmer verletzt, Hinteregger gesperrt), half zwar nicht, war aber auch nicht entscheidend.

Jenes Team, das bis dahin 93 Tore in 27 Liga-Spielen erzielt hatte, war letztlich an der mangelnden Chancen-Verwertung gescheitert. Ein Treppenwitz, eigentlich. Die Reise war zu Ende – drei Tage, ehe man sich am neuntletzten Spieltag zum frühesten österreichischen Meister aller Zeiten gekürt hatte. Mitte März, bei nasskaltem Schmuddelwetter und Temperaturen, die von „zweistellig“ weit entfernt waren.

Fazit: In der Europas gehobener Mittelklasse angekommen

Der Hauptunterschied zur ersten, wirklich starken Europacup-Saison der Red-Bull-Ära: Waren im Herbst 2009 unter Huub Stevens die sechs Siege gegen Lazio, Villarreal und Levski Sofia auf der Basis von kompakter Defensive (mit einem reinen Abräumer wie Schiemer auf der Sechs), dem individuellen Genius von Somen Tchoyi und der Torgefahr von Marc Janko zu verdanken, konnte man nun mit sehr viel Eigeninitiative und einem hochattraktiven Wir-sind-die-Chefs-am-Platz-Fußball in Sphären vorstoßen, die man davor nur von weitem sah.

Im neunten Jahr unter der Patronanz von Red Bull ist nun endlich zum ersten Mal eine stringente Philosophie zu erkennen, wie man über einen längeren Zeitraum hinweg das eigene Spiel gestalten will. Mit einem Unterbau in Form des FC Liefering, der (obwohl mit einem 4-3-3) die selbe grundsätzliche Spielanlage zeigt. Mit Spielern, die erst in Salzburg zu Stars wurden – Kampl kam aus Aalen in der 2. deutschen Liga, Mané aus Metz in der 2. französischen Liga, Soriano von Barcelona II aus der 2. spanischen Division, Ilsanker einst aus Mattersburg und Ramalho aus dem eigenen Ableger in Brasilien, Hinteregger als 14-Jähriger aus Kärnten.

Holte man in der Vergangenheit fertige Spieler, die sich in Salzburg einen gut bezahlten Vorruhestand gönnten und in der Regel schlechter wurden, gelang es nun erstmals, praktisch einen gesamten Kader über den Zeitraum von anderthalb Jahren um so viel besser zu machen, dass er von einem Aus gegen Düdelingen dazu überging, Ajax zu demütigen. Und das mit so ziemlich dem modernsten Fußball, den man derzeit europaweit so sieht.

Salzburg ist damit noch kein Spitzenklub von europäischem Format. Hat aber gezeigt, dass man durchaus das Potenzial hat, in einer Champions-League-Gruppenphase eine Rolle zu spielen, wie es etwa der FC Basel seit Jahren konstant schafft: Immer zumindest locker Dritter, wenn’s gut läuft auch mal eine Runde weiter. Einerseits ist der limitierende Faktor dabei natürlich die Frage, inwieweit es gelingt, Leistungsträger wie Soriano, Alan, Kampl und Mané zu halten.

Andererseits ist es mit dieser seit der Ankunft des Duos Roger Schmidt/Ralf Rangnick etablierten klaren Philosophie deutlich leichter, passende Puzzleteile zu finden, die einzelne, wegbrechende Stücke ersetzen können. Die Saat für eine vernünftige mittelfristige Zukunft ist gelegt.

Das ist ja schon mal was.

(phe)

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Eingespieltheit zahlt sich aus: Fast gelingt Salzburg Sieg gegen Fenerbahçe https://ballverliebt.eu/2013/08/02/eingespieltheit-zahlt-sich-aus-fast-gelingt-salzburg-sieg-gegen-fenerbahce/ https://ballverliebt.eu/2013/08/02/eingespieltheit-zahlt-sich-aus-fast-gelingt-salzburg-sieg-gegen-fenerbahce/#comments Thu, 01 Aug 2013 22:16:41 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9290 Eingespieltheit zahlt sich aus: Fast gelingt Salzburg Sieg gegen Fenerbahçe weiterlesen ]]> Tempo, Flügelspiel, anständige Defensive, ordentliches Zweikampfverhalten, Schwächen beim Gegner erkennen und auch zu nützen versuchen: All jene Attribute, die Salzburg vor einem Jahr bei der Blamage gegen Dudelange gefehlt haben, waren nun gegen Fenerbahçe da. Die Folge: Eine richtig feine Leistung gegen ein an sich nicht so schlechtes Team, das aber auch nicht seinen besten Tag erwischt hat. Auf jeden Fall aber zeigt es deutlich Wirkung, dass im Bullenstall mal ausnahmsweise nicht im Sommer alles anders wurde.

Red Bull Salzburg - Fenerbahçe SK 1:1 (0:0)
Red Bull Salzburg – Fenerbahçe SK 1:1 (0:0)

Es hat eine dreiviertel Saison gedauert. Aber mit jenem 4-1-3-2, das er im Laufe des Frühjahrs bei Salzburg einführt, um Soriano UND Alan in die Mannschaft zu bringen, hat Trainer Roger Schmidt sein System gefunden. Und weil im Sommer, völlig Salzburg-untypisch, ausnahmsweise mal nicht alles über den Haufen geworfen wurde, kann er mit einer eingespielten Mannschaft in die Champions-League-Quali gehen.

Klare Struktur bei Salzburg

Was man auch sah. Vor allem im Vergleich zu Fenerbahçe lief das Werk schon ziemlich rund. Anders als bei den Türken: Der neue Trainer Ersun Yanal (der Aykut Kocaman ablöste) stellte von 4-2-3-1 mit einer klassischen Zehn zumindest für dieses Spiel auf ein 4-3-3 um, in dem Emre als höhere der beiden Achter immer wieder nach vorne ging, aber dabei keine Wirkung offenbarte.

Bei Salzburg kam es vor allem auf zwei Sachen an: Zum einen, den ballführenden Gegenspieler die Zeit zum geordneten Abspiel zu nehmen, und zum zweiten, nach Ballgewinn im Vorwärtsgang das ballentfernte Halbfeld zu suchen. Heißt: Im Spiel in Richtung gegnerisches Tor wurden die Seiten gewechselt. Meistens wurde der Ball auf der rechten Salzburger Angriffsseite erobert (im Rücken von oder direkt von Emre), über Ilsanker und den sehr aktiven Kampl wurde dann zumeist Mané in den freien Raum zwischen Meireles, Topuz von Yobo geschickt.

Mehr Druck von Mané

Mané entwickelte mehr vertikalen Drang als Marco Meilinger auf der anderen Seite, was sicher auch an den Gegenspielern lag. Hatte Meilinger mit Dirk Kuyt einen auch defensiv sehr fleißigen Gegenspieler, der nach vorne durchaus für Wirbel sorgen konnte, bearbeitete Mané die ganz deutlich schwächere Fenerbahçe-Seite. Rechtsaußen Alper Potuk war ein Totalausfall, zudem war er für RV Mehmet Topuz (der oft weit aufrückte, um zumindest ein wenig für Belebung zu sorgen) keinerlei Hilfe. Und selbst wenn Topuz den Zweikampf mit Mané suchte, scheiterte er zumeist.

Durch das gute Engmachen von Raum und Zeit für den Fenerbahçe-Ballführenden hatte Salzburg das Spiel in der ersten Phase der ersten Hälfte sehr gut im Griff und sorgte dann, als die Gäste sich im Mittelfeld ein wenig befreien konnte, zumindest dafür, dass der eigene Strafraum nicht in ernsthafte Gefahr kam.

Gute, aber späte Wechsel von Yanal

Yanal wechselte zweimal aus. Zweimal richtig – aber im Grunde auch zweimal zu spät. Anstatt ihn schon in der Halbzeit auszuwechseln, ließ er Alper Potuk eine Stunde lang auf dem Feld, ehe er für die gleiche Position den nach vorne deutlich gefährlicheren Moussa Sow zu bringen. Dieser vernachlässigte zwar wie Potuk das Defensiv-Spiel, forderte aber Ulmer mehr in der Defensive.

Mit der offensichtlicheren Umstellung wartete Yanal sogar bis nach dem 0:1 (das, entgegen der sonstigen Angriffswege, durch das Zentrum entstanden war): Den komplett überflüssigen Emre nämlich vom Feld zu nehmen und mit Cristian Baroni einen echten Zehner zu installieren. Damit wurde aus dem System wieder das aus der letzten Saison gewohnte 4-2-3-1 mit dem gewohnten zentralen Dreigestirn (Topal auf der Sechs, Meireles auf der Acht, Baroni auf der Zehn).

Fenerbahçe macht Druck

Damit fühlte sich Fenerbahçe merklich wohler. Baroni brachte sofort Schwung bei den Gästen. Er ging auch mal in ein 1-gegen-1, versuchte sich an Dribblings, holte Standards heraus und damit entstanden auch Chancen – wie jener Schuss, den Bullen-Keeper Gulacsi gerade noch an die Latte lenken konnte. Außerdem hatte nun Ilsanker tatsächlich einen echten Gegenspieler und so war Kampl gezwungen, mehr nach hinten zu tun.

Nicht, dass Fenerbahçe mit Mann und Maus auf den Ausgleich gedrängt hätte. Salzburg kam immer noch vor allem über die Flügel zu einigen guten Entlastungsangriffen und blickte einem knappen, aber sicher nicht unverdienten 1:0-Sieg entgegen. Ehe Ulmer tief in der Nachspielzeit einen Sow-Flanke an die Hand bekam und Referee Duarte Gomes – der zumindest einmal, womöglich zweimal zu Unrecht nicht auf Elfer für Salzburg entschieden hatte – zögerte nicht, den (korrekten) Elfmeter zu geben. Baroni verwandelte – 1:1.

Fazit: Ordentliche Leistung der Bullen

Es war nicht der Gala-Auftritt, zu dem das Spiel hochstilisiert werden könnte. Aber es war eine sehr ordentliche Leistung von Salzburg, die sich durchaus den 1:0-Sieg verdient gehabt hätte. Man nahm dem Gegner, der im Mittelfeld eine ungewohnte Raumaufteilung spielte, geschickt die Zeit und damit die Möglichkeit, sich selbst zu finden. Man zeigte sich sehr aktiv in der Laufarbeit, achtete darauf, dass immer jemand anspielbar ist und bohrte die Schwächen von Fenerbahçe durchaus an.

Im Grunde also all das, was vor einem Jahr gegen Dudelange nicht passiert ist.

Die Chancen auf ein Weiterkommen in die Playoff-Runde sind immer noch gegeben, wenn man im Rückspiel eine ähnlich couragierte Leistung zeigt und sich nicht von den bekannt heißblütigen Fener-Fans aus der Ruhe bringen lässt. Der Europa-League-Semifinalist kocht auch nur mit Wasser und ist absolut nicht unschlagbar – zumindest das hat Salzburg gesehen.

(phe)

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Ballverliebt Classics: Das goldene Eigentor https://ballverliebt.eu/2010/11/12/ballverliebt-classics-das-goldene-eigentor/ https://ballverliebt.eu/2010/11/12/ballverliebt-classics-das-goldene-eigentor/#comments Fri, 12 Nov 2010 00:30:43 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=3106 Ballverliebt Classics: Das goldene Eigentor weiterlesen ]]> Es war eines der unglaublichsten Finalspiele der Europapokal-Geschichte. Auf der einen Seite der englische Renommier-Klub Liverpool, der Favorit. Auf der anderen Seite der spanische Emporkömmling Alavés, der krasse Außenseiter. Das Finale von Dortmund war aber auch ein Paradebeispiel dafür, wie Trainer mit guten Wechseln ein Spiel lenken können

16 Jahre war es her, als Liverpool das letzte Mal in einem europäischen Finale gestanden war. Doch die Saison 2000/01 sollte das große Comeback der Reds werden: Neben den Siegen in Ligacup und FA-Cup waren im Uefa-Cup Vereine wie AS Roma, der FC Porto und der FC Barcelona keine Stolpersteine. Und eigentlich sollte das auch der No-Name-Verein CD Alavés nicht werden. Das Los meinte es mit den Basken gut auf dem Weg ins Finale – nach dem überraschenden Erfolg gegen Inter Mailand im Achtelfinale mussten „nur noch“ Rayo Vallecano und Kaiserslautern aus dem Weg geräumt werden. Im Finale im Dortmunder Westfalenstadion, gespielt am Mittwoch, dem 16. Mai 2001, räumte Alavés kaum jemand eine Chance ein. Aber weit gefehlt!

Liverpool - Alaves 5:4 n.V. ... (Startformationen)

Liverpool-Manager Gerard Houllier schickte sein Team in einem klassischen 4-4-2 auf’s Feld, wobei die beiden Stürmer Owen und Heskey viel rochierten; und die zentralen Mittelfeldspieler sich weniger auf linkes/rechtes Halbfeld aufteilten, sondern mehr auf offensivere (McAllister) und defensivere Ausrichtung (Hamann). Die beiden Außenverteidiger Babbel (rechts) und Carragher (links) hielten sich im Vorwärtsdrang eher zurück.

Bei Alavés-Coach José Manuel Esnal, genannt „Mané“, sah das schon wesentlich eigentümlicher aus. Der Außenseiter aus dem Baskenland lief in einem 3-3-3-1 auf, wie es später in Österreich Paul Gludovatz bei Ried zur Verwendung brachte. Die drei Innenverteidiger (Eggen, Karmona und Téllez) kümmerten sich um die beiden Liverpool-Stürmer, im Ballbesitz orientierte sich Eggen auch nach vorne. Dafür agierte Desio als Quaterback zentral, sowie Cosmin Contra (rechts) und Delfí Geli (links) als Außenverteidiger offensiver Spielart. Als Einfädler in der Offensive war Jordi Cruyff eingeteilt, mit Astudillo und Tomic auf den Flügeln. Und vorne war Javi Moreno die Solospitze.

Das Ziel von Mané damals war natürlich dasselbe wie jenes von Gludovatz später: Hinten sicher stehen, gegen den Ball eine Fünferkette plus Abfangjäger davor; im Ballbesitz dafür mit der Option auf schnelles Konterspiel, oder auch auf Überzahl im Mittelfeld (sechs gegen vier) und Spielkontrolle. Das Pech von Alavés in diesem Spiel: Schon in der 3. Minute kam Liverpool durch einen Babbel-Kopfball nach einem Freistoß von der Seitenlinie zum 1:0.

Was sie Basken aber recht gut wegstecken konnten. Das Bestreben von Alavés, im Mittelfeld die Kontrolle über das Spiel zu übernehmen, war ungebrochen; jedoch gelang es kaum, sich durch die Mittelfeldreihe von Liverpool durchzuspielen. Somit war Alavés gezwungen, den Ball in der mittleren Reihe hin- und herzuschieben und auf lange Bälle Richtung Javi Moreno zu setzen. Nur selten gelang es, sich über die Seiten durchzuspielen. So war die einzige echte Torchance der in Boca-Juniors-Trikots auftretenden Spanier ein Freistoß. Ehe sich die Dreierkette in der Abwehr von Owen herauslocken ließ und Gerrard den Steilpass in seinen Lauf zum 2:0 für Liverpool versenkte.

Der zweite Gegentreffer zeigte nun Wirkung. Das Spiel der Spanier brach komplett zusammen, Liverpool spielte sich nun in der Zentrale ein deutliches Übergewicht heraus, und profitierte auch von haarsträubenden Fehlpässen. Das 3:0 schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, sodass Mané schon in der 23. Minute umstellte – es kam der Stürmer Iván Alonso statt Innenverteidiger Dan Eggen.

High risk, high reward

Liverpool - Alaves 5:4 n.V. ... (ab Min. 23)

Das bedeutete nichts weniger als eine völlige Umstellung des Systems bei gleichzeitig größtmöglichem Risiko. Denn was man wohl offiziell als Vierer-Abwehrkette bezeichnen muss, bestand in Wahrheit nur noch aus Téllez und Karmona, die hinten blieben. Contra und Geli orientierten sich weiter nach vorne als vorher schon, Astudillo wechselte auf die rechte Seite, Cruyff rückte eine Position nach links und Desio blieb die letzte Absicherung vor den Innenverteidigern. Alavés drückte nun Liverpool brutal zurück, presste auf den Ballführenden und kam dank eines Kopfball-Tores des neuen Stürmers Iván Alonso praktisch sofort zum 1:2-Anschlusstreffer.

Liverpool war von der plötzlichen Überlegenheit, dem Tempo und dem Vorwärtsdrang von Alavés sichtlich überrascht und es gelang zunächst nicht, angemessen darauf zu reagieren. Alavés stand extrem hoch, baute einen Offensiv-Wall von fünf bis sechs erbarmungslos nach vorne pressenden Mittelfeldspielern auf, die zwei Strafraumstürmer als Anspielstation hatten. Die Spieler von Liverpool hatten nicht die geringste Ahnung, wie sie reagierten sollten.

So ließ Murphy Contra immer wieder flanken, Babbel kam immer wieder zur Hilfe in die Mitte, was wiederum seine Abwehrseite aufriss – Geli war’s nur Recht. Hinzu kam, dass Astudillo nun Carragher beschäftigte. Alleine Westerveld verhinderte das für seine nun auf das Heftigste schwimmende Abwehr, dass Alavés eine der nun zahlreichen Chancen zum Ausgleich nützen konnte. Mehr als blinde Befreiungsschläge brachten die durch das massive Pressing beinahe panischen Liverpooler kaum noch zu Stande.

Doch anstatt zum Ausgleich zu kommen, wurde das extrem hoch stehende Alavés in der 40. Minute vom einzigen sinnvollen Pass von Liverpool in dieser Phase überrumpelt, Owen lief auf Goalie Herrera zu – und dieser wusste sich nicht anders zu helfen, als Owen an der Strafraumgrenze zu foulen. Der argentinische Torhüter der Basken hatte Glück, dass es „nur“ Elfmeter gab, und der französische Schiedsrichter Gilles Veissiére nicht auch noch Rot zeigte. Team-Opa Gary McAllister jedenfalls schoss den fälligen Elfmeter zum 3:1 ins rechte, untere Eck. Das Risiko eines dritten Gegentores hatte Mané in Kauf genommen. Liverpool hat es erzielt und ging daher mit einer etwas schmeichelhaften Zwei-Tore-Führung in die Halbzeitpause.

Alavés nicht geschockt

Nach dem Seitenwechsel zeigten sich die Spanier aber nicht eingeschüchtert, sondern machten mit Volldampf genau dort weiter, wo sie vor der Halbzeit aufgehört hatten. Statt Astudillo, der in der ersten Hälfte schon die gelbe Karte gesehen hatte, spielte nun neu der Brasilianer Magno auf der rechten Offensivposition, aber die Spielanlage veränderte sich nicht: Hoch stehen, in der Zentrale Liverpool nicht zur Entfaltung kommen lassen, über die Außen Druck machen, und per Abseitsfalle die lauernden Heskey und Owen aus dem Spiel nehmen.

Und wie beim ersten Tor von Alavés war es auch in der 48. Minute wieder der an diesem Tag überragende Cosmin Contra, der vor das Tor flanken konnte (nachdem er diesmal Carragher ausgetanzt hatte), wo Javi Moreno per Kopf zur Stelle war – der Anschlusstreffer zum 2:3 war gefallen. Weil bei Liverpool die Zuteilung nicht passte, Gerrard im Luftkampf mit dem bulligen Strafraumstürmer Moreno – in dieser Saison Torschützenkönig der Primera Division – logischerweise chancenlos war.

Genau eine Minute und 54 Sekunden später verursachte der sehr nervös agierende Stéphane Henchoz dann mit einem Foul an Iván Alonso nahe der Strafraumgrenze einen Freistoß, und Javi Moreno versenkte diesen unter derMauer hindurch zum 3:3-Ausgleich – ein verdienter Zwischenstand, denn seit der Umstellung in der 23. Minute spielte praktisch nur noch der Außenseiter.

Liverpool löst sich aus der Umklammerung

Houllier hatte die Zeichen der Zeit erkannt: Er musste die Offensive stärken, das Team höher stehen, Alavés früher unter Druck setzen. Darum kam kurz nach dem Ausgleich Vladimír Šmicer für den speziellen Schwachpunkt im Abwehrverbund der Reds, Stéphane Henchoz. Babbel rückte dafür nach innen, Gerrard zurück auf die Rechtsverteidigier-Position und Šmicer davor ins rechte Mittelfeld. Die Marschrichtung war klar: Gerrard sollte für mehr Druck sorgen als Babbel zuvor, Šmicer den fleißigen Delfí Geli hinten binden, und dem Gegner so eine große Stärke genommen werden. Das funktionierte sofort recht gut, auch weil Alavés nach erfolreicher Aufholjagd ein paar Minuten durchatmete. Kurz darauf wurde auch Robbie Fowler für den nicht mehr ganz rund laufenden Emile Heskey eingewechselt.

Liverpool - Alaves 5:4 n.V. ... (ab Min. 65)

Die weit reichenderen Umstellung nahm allerdings Mané vor. Er nahm den zwar torgefährlichen, aber in der Arbeit nach hinten nicht allzu eifrigen Javi Moreno sehr zu dessen Unmut (und jenem der Alavés-Fans im Stadion) vom Platz und brachte mit Pablo einen frischen Mann für die Mittelfeld-Zentrale. Dafür ging Magno nun in die Spitze, und das System war nun ein recht eindeutiges 4-1-3-2. Die Absicht dahinter war klar: Geli war mit Šmicer und auch Gerrard plötzlich viel in der Defensive gebunden, konnte so das Mittelfeld nicht mehr wie zuvor praktiziert unterstützen. Dafür wechselte nun der nicht allzu auffällige Jordi Cruyff auf die linke Mittelfeldseite, um die defensiven Schwächen von Gerrard auszunützen. Pablo ging in die Zentrale, aus der Cruyff somit engültig gewichen war; und die laufstarken Stürmer Iván Alonso und Magno sollten nicht nicht allzu beweglichen Babbel und Hyypiä beschäftigen.

Was nicht gelang. Hatte Mané halb durch die erste Hälfte mit personellen Umstellungen das Spiel zu seinen Gusten gedreht, hatte Houllier halb durch die zweite das richtige Gespür. Cruyff konnte nicht nur gegen Gerrard offensiv nichts bringen, nein, Gerrard überlief Cruyff immer wieder – weswegen alsbald Pablo auf die Flanke ging und Cruyff wieder in die Zentrale. Die linke Angriffsseite von Alavés war somit tot, womit nur noch die rechte blieb. Contra war weiterhin fleißig auf dem Weg nach vorne. Er und Tomić waren nun die einzigen, die beiden Spaniern etwas nach vorne unternahmen. Und weil richtige Umstellungen von Trainern in diesem Spiel belohnt wurden, konnte Fowler in der 73. Minute nach einem Steilpass von McAllister auf 4:3 für Liverpool stellen. Wiederum verdient, weil die Reds in dieser Phase das klar bessere Team stellten.

Dieses Tor zeigte wiederum die größte Schwäche von Alavés in der Defensive auf: Wie schon beim zweiten und beim dritten Gegentor war es wieder ein simpler Steilpass ins Zentrum. Die beiden verbliebenen Innenverteidiger Karmona und Téllez orientierten sich zum wiederholten Male beide auf den Ballführenden, ohne dass einer den Rückraum abdeckte. Und Geli kam zu spät nach innen, um das Unheil noch zu verhindern.

Alavés geschlagen? Nur vermeintlich!

Die Spanier wirkten nach dem sehr aufwendigen und laufintensiven Spiel, das sie zwischen der 23. und der 51. Minute aufgezogen hatten, körperlich angeschlagen; und nach dem neuerlichen Rückstand auch psychisch. Das Tempo schwand, die Passgenauigkeit war nicht mehr vorhanden, Abstimmungsprobleme im Stellungsspiel häuften sich. Liverpool hatte das Spiel vermeintlich für sich entschieden. In der 79. Minute kam zudem der trickreiche Patrik Berger für Michael Owen (der viel gelaufen war und das zweite Tor vorbereitet hatte), um gewonne Bälle auch länger halten zu können und so weiterhin an der Uhr zu drehen. Denn auch Houllier wusste: Alavés konnte nicht mehr wechseln, das zunehmend kraftlose Personal der Spanier musste so durchspielen. Berger ging statt Šmicer auf die rechte Seite, der Tscheche dafür in die Spitze.

Bei Alavés ging nun Cruyff statt Magno in die Spitze, und die Spanier versuchten, alles nach vorne zu werfen. Das war, wie das in solchen Fällen meistens ist, nicht besonders koordiniert und baute zumeist auf dem Prinzip Zufall auf – Alavés brauchte einen Lucky Punch. Liverpool spielte nun mit deutlich größerer Genauigkeit, mit mehr Ruhe und recht kontrolliert die Zeit herunter. Doch als die Fans schon „You’ll Never Walk Alone“ gesungen hatten, versenkte Jordi Cruyff in der 89. Minute einen Eckball am schlecht herauslaufenden Sander Westerveld vorbei ins Tor, nachdem er das Kopfballduell gegen Gerrard gewonnen hatte – jenem Gerrard, der schon beim zweiten Alavés-Tor in der Luft unterlegen war. So also 4:4, ab in die Verlängerung.

Aller schlechten Dinge sind drei

Liverpool - Alaves 5:4 n.V. ... (Start der Verlängerung)

In der Verlängerung galt die Golden-Goal-Regel, das erste Tor entschied also. Oftmals regierte in diesen Verlängerungen die Vorsicht, weswegen diese Regel auch bald wieder abgeschafft wurde. In diesem Spiel aber, nach acht Toren in der regulären Spielzeit, wussten auch beide Teams: Vorsicht alleine bringt einen nirgendwo hin, weil beide hinten nicht sicher genug gespielt hatten, um sich darauf eine halbe Stunde verlassen zu können.

Vor allem Alavés nahm nun mit dem Rückenwind des Momentums zunächst das Heft des Handelns in die Hand. Mané ließ sein Team nun in einem 4-2-3-1 (das in Spanien zu dieser Zeit schon Usus war; Deportivo la Courña wurde 2000 so Meister) spielen: Pablo unterstützte Desio im defensiven Mittelfeld, um nach hinten eine zusätzliche Absicherung darzustellen; Tomić kam mit Contra über die rechte Seite, Magno mit Geli über die linke. Cruyff war nun überall zu finden, Iván Alonso war die Solospitze.

Dennoch verlief die Verlängerung, mit dem Damoklesschwert „Golden Goal“ in den Hinterköpfen aller, deutlich verhaltener als die 90 Minuten davor. Es versuchten zwar beide Mannschaften schon, vor des Gegners Tor zu kommen – Liverpool nach anfänglichen Schwierigkeiten mit etwas mehr Nachdruck – aber Alavés konnte das Spiel halbwegs kontrollieren. Bis die Basken in der 99. Minuten begannen, sich selbst zu schwächen. Der erste Akt war der Ausschluss von Magno: Der zur Halbzeit eingewechselte Brasilianer hatte noch in der regulären Spielzeit wegen einer plumpen Schwalbe die gelbe Karte gesehen, und die brutale Attacke auf Markus Babbel wäre alleine schon rotwürdig gewesen.

Pablo rückte nun auf die linke Mittelfeldseite, um das dort entstandene Loch zu schließen, sodass Desio wieder alleine im defensiven Mittelfeld zurück blieb. Liverpool nützte den entstandenen Platz, vor allem Patrik Berger zeigte sich jetzt mit erhöhter Taktzahl. Hamann und McAllister versuchten nun ebenso, weiter nach vorne zu schieben; Desio hatte nun die Mammut-Aufgabe, sich um beide zu kümmern. Weswegen Pablo schnell wieder in die Zentrale ging und Iván Alonso auf die linke Seite wechselte. Alavés spielte nun ohne Sturmspitze, hing nach dem Ausschluss mächtig in den Seilen, wollte sich nur noch ins Elfmeterschießen retten. Liverpool diktierte das Spiel in Überzahl ziemlich nach belieben, blieb aber in der tapfer verteidigenden Abwehr der Basken hängen.

Doch der stetige Druck und die schwindenden Kräfte zermürbten Alavés, in der 116. Minute wusste sich der gelbvorbelastete Kapitän Antonio Karmona gegen Šmicer nur mit einem Foul an der Strafraumgrenze zu helfen – womit auch er vom Platz musste. Alavés hatte danach aber gar nicht mehr die Gelegenheit, sich mit neun Spielern weiter dagegen zu stemmen. Denn der fällige Freistoß von Gary McAllister wurde vom 5:4 für Liverpool ins Tor abgelenkt. Per Kopf. Von Delfí Geli.

Es war ein goldenes Eigentor.

Die Nachwirkungen

Die Torlawine von Dortmund war fraglos eines der packendsen und aufregendsten Europapokal-Endspiele überhaupt, gespielt von zwei Vereinen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Für Liverpool war dies das erste internationale Finale nach 16 Jahren – seit dem Meistercup-Endspiel im Heysel-Stadion, welches so tragisch endete. Und es markierte für die Reds den Beginn einer Ära. Vier Jahre nach dem Sieg im Uefa-Cup war der Triumph im Champions-League-Finale gegen Milan (das eine ähnlich denkwürdigs Spiel war) unter Houlliers Nachfolger Rafa Benítez der Höhepunkt, 2007 erreichte Liverpool erneut das Endspiel der Champions League. Und zwei der in Dortmund mitspielenden Reds waren immer dabei: Der damals noch sehr junge Steven Gerrard und Jamie Carragher.

Ganz anders ging jedoch die Geschichte von CD Alavés weiter. Waren die Basken erst drei Jahre vor dem Erreichen dieses Endspiels erstmals seit den Fünfzigerjahren in die Primera División aufgestiegen, stand für den Provinzklub aus der Stadt Vitória zwei Jahre nach dem Finale der Abstieg in die Zweitklassigkeit. Für ein Jahr konnte man 05/06 noch zurückkehren, aber heute ist Alavés sogar bis in die totale Bedeutungslosigkeit der 3. Liga abgestürzt.

Das Personal

Liverpool: Sander Westerveld (26, Ned); Markus Babbel (28, Ger), Stéphane Henchoz (26, Sui), Sami Hyypiä (27, Fin), Jamie Carragher (23, Eng); Steven Gerrard (20, Eng), Gary McAllister (36, Sco), Dietmar Hamann (27, Ger), Danny Murphy (24, Eng); Emile Heskey (23, Eng), Michael Owen (22, Eng). Vladimír Šmicer (27, Cze), Robbie Fowler (26, Eng), Patrik Berger (27, Cze). Trainer Gérard Houllier (53, seit drei Jahren).

Alavés: Martín Herrera (30, Arg); Dan Eggen (30, Nor), Antonio Karmona (32, Esp), Óscar Téllez (26, Esp); Cosmin Contra (25, Rom), Hermes Desio (30, Arg), Delfí Geli (32, Esp), Ivan Tomić (25, Jug), Jordi Cruyff (27, Ned), Martín Astudillo (23, Arg); Javi Moreno (26, Esp). Iván Alonso (21, Uru), Magno (27, Bra), Pablo Gómez (30, Esp). Trainer José Manuel „Mané“ Esnal (51, seit vier Jahren).

(phe)

Aus der Reihe „Ballverliebt Classics“:
06.09.1997 – Österreich – Schweden 1:0 („Drama in vier Akten“)

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