Klinsmann – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Thu, 09 Jul 2015 07:15:29 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Ballverliebt Classics: Der Wende-Weltmeister https://ballverliebt.eu/2015/07/08/ballverliebt-classics-der-wende-weltmeister/ https://ballverliebt.eu/2015/07/08/ballverliebt-classics-der-wende-weltmeister/#comments Wed, 08 Jul 2015 14:42:29 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11256 Ballverliebt Classics: Der Wende-Weltmeister weiterlesen ]]> Der Weltmeister-Titel von 1954 war der Triumph des sich im Aufbau befindlichen Nachkriegs-Deutschland. Jener von 1974 war der der Bonner Republik, der von 2014 war der Sieg des modernen, multikulturellen Deuschlands. Und der von 1990 war der WM-Titel der Wende. Die Siegsnacht von Rom jährt sich nun zum 25. Mal. Hier nachgezeichnet: Der Turnierverlauf aus Sicht des DFB-Teams.

In den vier Jahren vor dem Turnier in Italien hat sich das deutsche Team extrem entwickelt. War man 1986 noch mit drögem Panzerfußball und einigem Glück ins WM-Finale vorgestoßen (wo man 2:3 gegen Argentinien verlor), wurde im Mittelfeld nun deutlich mehr die spielerische Note betont. Oft wurde ohne einen dezidierten Kämpfer im Zentrum gespielt, dafür mit drei Kreativkräften. Lothar Matthäus (29) von Inter Mailand war dabei gesetzt, dazu kamen zwei aus dem Trio Uwe Bein (29, Frankfurt), Thomas Häßler (24, Köln) und Pierre Littbarski (30, Köln).

Gruppenphase

Deutschland - Jugoslawien 4:1 (2:0)
Deutschland – Jugoslawien 4:1 (2:0)

Matthäus war ein Spieler mit großer Vertikalität. Er konnte sowohl direkt hinter den Spitzen als klassischer Zehner agieren, sehr gerne ließ er sich aber auch hinter seine beiden Adjutanden zurückfallen und lenkte sein Team von hinten heraus. Das machte ihn für die Gegner in einer Zeit strikter Manndeckung sehr schwierig zu verteidigen.

Der Kontrahent im ersten Gruppenspiel war das jugoslawische Team, das als gefährlicher Geheimtipp ins Turnier gegangen war. Trainer Ivica Osim eliminierte nach den politisch aufgeheizten Prügeleien zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad einen Monat vor Turnierstart Dinamo-Star Zvonimir Boban, der dabei mittendrin war. Der Bosnier Osim ließ vier Bosnier, drei Serben, zwei Kroaten, einen Slowenen und einen Montenegriner spielen – die vor allem gegen die Urgewalt von Lothar Matthäus chancenlos waren. Der Kapitän erzielte zwei Tore, war ein permanenter Gefahrenherd und stiftete permanente Unordnung.

Deutschland ging hochverdient mit einer 2:0-Führung in die Pause, der Anschlusstreffer von Libero Jozic störte sie kaum. Als Keeper Ivkovic – bis zwei Jahren davor beim FC Tirol – eine Brehme-Flanke ausließ und Völler zum 4:1 abstaubte, war die Sache erledigt. Beckenbauer konnte in der Folge auch Littbarski und den jüngen Möller einige Minuten geben, man war direkt voll im Turnier drin und war voller Selbstvertrauen.

Deutschland - VAE 5:1 (2:0)
Deutschland – VAE 5:1 (2:0)

Nächster Gegner war der größte Außenseiter des Turniers, das Team von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dieses bunkerte sich mit vier Manndeckern und einem Libero, dazu zwei Kettenhunden im Mittelfeld, hinten ein.

Natürlich lief das Spiel wie auf einer schiefen Ebene auf das Tor von Muhsin Musabah zu. Dass Deutschland zur Pause nur 2:0 führte – Völler und Klinsmann hatten getroffen – schmeichelte den Emiraten ziemlich, ebenso wie der Anschlusstreffer 20 Sekunden nach Beginn der zweiten Halbzeit. Libero Klaus Augenthaler hatte eine Flanke falsch berechnet, in seinem Rücken sagte Khalid Ismail „Danke“.

Wiederum aber weckte das Tor das DFB-Team nur auf – zumal Beckenbauer für die zweite Hälfte einen der zwei Manndecker rausnahm und mit Littbarski einen zusätzlichen Kreativen für das Mittelfeld brachte. Eine Minute nach dem Anschlusstreffer stellte Matthäus den Zwei-Tore-Vorsprung wieder her, nach einer Stunde markierte Bein das 4:1 und eine Viertelstunde vor Schluss Rudi Völler den 5:1-Endstand. Mit zwei Siegen und 9:2 Toren war der Gruppensieg noch nicht rechnerisch, aber de facto fixiert. Das hieß auch, dass man für zwei K.o.-Spiele in Mailand bleiben konnte.

Deutschland - Kolumbien 1:1 (0:0)
Deutschland – Kolumbien 1:1 (0:0)

So konnte man auch das letzte Gruppenspiel gegen Kolumbien etwas lockerer angehen lassen. Generell ließ Beckenbauer seinen Spielen die ganz lange Leine. Ganz im Gegensatz zum repressiven Muff in Malente, wo Beckenbauer 1974 den Lagerkoller am eigenen Leib erfahren hatte, gewährte er als Teamchef seinen Mannen im Castello di Casiglio in der Nähe des Comosees viele Freiheiten.

Und gegen Kolumbien gewährte er Andi Brehme eine Pause. Die Südamerikaner aber hielten nichts davon, Ruhe zu geben: Für sie ging es noch um den zweiten Gruppenplatz. Die Cafeteros, damals ein mit Rauschgift-Millionen hochgepimptes Team, um den schillernden Spielmacher Carlos Valderrama kontrollierten mit schnellem Kurzpassspiel Ball und Gegner. Nur Bodo Illgner war es zu verdanken, dass Kolumbien nicht nach einer Stunde 2:0 führte, sondern es entgegen des Spielverlaufs noch immer 0:0 stand. In Minute 89 gelang dem eingewechselten Littbarski dann sogar per Weitschuss das 1:0. Immerhin kam Kolumbien dank des Ausgleichs in der Nachspielzeit durch Fredy Rincón noch zum verdienten 1:1.

K.o.-Phase

Zweifelhafter Lohn für den Gruppensieg war ein Achtelfinal-Duell gegen den erbittertsten Gegner dieser Zeit, das Team aus den Niederlanden. Zwei Jahre zuvor hatte Oranje im EM-Halfinale den EM-Gastgeber Deutschland eliminiert, in der WM-Quali für das Turnier in Italien hatte es ein 1:1 (in Rotterdam) und ein 0:0 (in München) gegeben. In der Vorrunde aber hatte es das niederländische Team nur zu drei Remis gegen Ägypten, Irland und England gebracht und rutschte nur als einer der besseren Gruppendritten in die K.o.-Phase. Einer der Hauptgründe war die schlechte Form von Marco van Basten, die ihn schon weite Teile des Frühjahrs verfolgt hatte.

Deutschland - Holland 2:1 (0:0)
Deutschland – Holland 2:1 (0:0)

Gegen den Lieblingsfeind aber war Holland wieder voll da. Der starke Start ins Spiel war auch möglich, weil Beckenbauer zwar einen dritten Manndecker eingezogen hat, aber damit das defensive Mittelfeld vollends unbesetzt blieb.

Die Vertikalläufe von Aron Winter aus dem Zentrum heraus verliefen weitgehend ungehindert und der 23-Jährige von Ajax Amsterdam hätte schon in den ersten zehn Minuten auf 2:0 stellen können, wenn nicht müssen. Zudem stifteten die permanenden Positionswechsel von Gullit und Witschge bei den deutschen Manndeckern Berthold und Buchwald – die ihre Seiten jeweils beibehielten – Verwirrung.

Nach rund 20 Minuten aber torpedierte Frank Rijkaard die holländische Dominanz, indem er Rudi Völler wiederholt in die Lockenpracht spuckte. Rijkaard sah dafür ebenso Rot wie Völler, der sich beim argentinischen Referee Loustau darüber beschwert hatte. Ohne Rijkaard musste Jan Wouters aus dem Zentrum zurück in die Abwehr, dafür rückte Winter nach hinten, um die Balance zu wahren. Vorbei war’s mit Winters Läufen in den freien Raum und damit auch mit der holländischen Dominanz.

Klinsmann, der nach Völlers Ausschluss wie aufgedreht lief, scorte kurz nach Beginn der zweiten Hälfte das 1:0, Brehme legte zehn Minuten vor Schluss das 2:0 nach – die Entscheidung in einer enorm hitzigen Partie. Das Elfmeter-Tor von Ronald Koeman in Minute 89 kam zu spät, Deutschland siegte 2:1.

Deutschland - Tschechoslowakei 1:0 (1:0)
Deutschland – Tschechoslowakei 1:0 (1:0)

Vor dem Viertelfinale gegen das Team der Tschechoslowakei – die CSFR hatte im Achtelfinale Überraschungsteam Costa Rica locker 4:1 besiegt – gewährte Beckenbauer dem Kader zwei Tage komplett frei. Der souveräne Turnierverlauf aber ließ die Leichtigkeit in Leichtsinn überschlagen. Deutschland dominierte den Nachbarn zu Beginn klar, kam nach einem von Matthäus verwandelten Elfmeter (Straka hatte Klinsmann gefoult) nach einer knappen halben Stunde zum 1:0.

In der Folge aber stellte man das Spiel ein. Es folgten billige Ballverluste, das tschechoslowakische Team kam auf, auch nach dem Ausschluss für den unbeherrschten Lubomir Moravcik nach 70 Minuten durch den österreichischen Referee Helmut Kohl. Nach dem 1:0-Sieg wollten die deutschen Spieler in der Kabine feiern, aber Beckenbauer bekam einen legendären Wutausbruch. Er trat auf Eisboxen ein, fuchtelte wie wild: „So ein schlechtes Spiel hab‘ ich ja überhaupt noch nie gesehen! So werden wir im Halbfinale aus dem Stadion geschossen“, soll der Teamchef gebrüllt haben. Vor allem Uwe Bein dürfte sich den Zorn des Kaisers zugezogen haben. Der als schlampiges Genie bekannte Frankfurter spielte fortan keine WM-Minute mehr.

Für das Halbfinale musste man erstmals raus aus Mailand, es wartete England – ausgerechnet in Turin. Fünf Jahre nach dem Heysel-Desaster sorgte eine Heerschaar von 8.000 Sicherheitskräfte dafür, dass Juventus-Fans von den englischen Anhängern abgeschirmt wurden – was nicht ganz gelang, es gab einige Ausschreitungen und auch Festnahmen. Auf dem Feld passten sich die Three Lions in dem Turnier den anderen Trend an: Libero und zwei Manndecker waren nun auch bei Teamchef Bobby Robson gefragt.

Deutschland - England 1:1 n.V. (1:1, 0:0), 4:3 i.E.
Deutschland – England 1:1 n.V. (1:1, 0:0), 4:3 i.E.

Auch, wenn beim 2:1 nach Verlängerung im Viertelfinale gegen Kamerun viel Glück dabei dabei: Diese Maßnahme verlieh England eine große Stabilität. Im Mittelfeld gab es mit Chris Waddle und dem bei diesem Turnier groß aufspielenden Paul Gascoigne zwei kreative Spieler hinter dem Sturmduo mit Lineker und (dem sich gerne etwas zurückfallen lassenden) Beardsley. Zudem konnten die Außenverteidiger guten Gewissens aufrücken.

Deutschland geriet gegen die selbstbewussten Engländer dann auch schnell unter Druck. Über Platt und Waddle lief der Ball gut, Kohler hatte mit Lineker alle Hände voll zu tun. Zudem spielte Deutschland ab der 30. Minute auch einige Zeit mit zehn Mann, weil Völler behandelt wurde. Im Laufduell bekam er einen Tritt von seinem Bewacher Des Walker ab, nach langer Behandlung gab Völler aber doch w.o., und Kalle Riedle kam ins Spiel.

Nach dem Seitenwechsel spielte Häßler deutlich höher, so drückte man das englische Mittelfeld etwas nach hinten und auch Lothar Matthäus – vor der Pause zur Wirkungslosigkeit verurteilt – kam besser ins Spiel. Nach einer Stunde wurde der neue Schwung mit dem 1:0 belohnt: Brehmes abgefälschter Schuss schlug hinter dem 40-jährigen englischen Keeper Peter Shilton ein.

Robson switchte danach doch wieder auf ein 4-4-2, Trevor Steven kam für Libero Terry Butcher (der diese Rolle vor allem in der Spieleröffnung schon arg hölzern spielte). Als es schon nach einem knappen deutschen Sieg aussah, traf nach 80 Minuten aber Gary Lineker doch noch zum 1:1 – Jürgen Kohlers verunglückter Rettungsversuch landete beim ehemaligen Barcelona-Stürmer, der musste nur noch einschießen. England nahm wieder Dampf raus, war mit der Verlängerung erst einmal zufrieden.

Dort aber übernahm Deutschland wieder die Kontrolle, dazu holte sich Paul Gascoigne eine gelbe Karte ab – im Finale wäre er damit gesperrt gewesen. Wie ein Schlag wirkte sich das auf das ganze Team aus, so schien es. Im Elferschießen scheiterte erst Stuart Pearce, dann Chris Waddle. Alle Deutschen trafen, somit war der Platz im Finale gebucht.

Das Finale

Im Turnierverlauf lief sich alles auf ein Endspiel zwischen Deutschland und Italien hinaus – die beiden souveränsten und auch unterhaltsamsten Teams des Turniers. Aber der Titelverteidiger hatte etwas dagegen, obwohl Argentinien zwischen dem Titel 1986 und Turnierstart 1990 insgesamt 26 von 32 absolvierten Spielen nicht gewann und im Eröffnungsspiel dem Kamerun unterlag. In der Folge schmuggelte man sich als Gruppendritter ins Achtelfinale, mit einem glücklichen 1:0 über Brasilien ins Viertelfinale und per Elfmeterschießen gegen Jugoslawien und Italien ins Finale.

Deutschland - Argentinien 1:0 (0:0)
Deutschland – Argentinien 1:0 (0:0)

All das mit einem zynischen, beinahe ekelhaften Anti-Fußball. Vor Libero Juan Simon standen vier eisenharte Verteidiger, davor drei dezidiert defensive Mittelfeld-Leute. Vor Spielmacher Maradona spielte nur eine Spitze – Claudio Caniggia, der im Finale aber ebenso gesperrt war wie Abfangjäger Ricardo Giusti, Rechtsverteidiger Julio Olarticoechea und Sechser Sergio Batista.

Ohne so viele Spieler verlegte sich Argentinien im Finale umso mehr auf Verteidigen, Treten, Kämpfen, Schimpfen und Theatralik. Selbst die italienischen Zuseher in Rom standen wie ein Mann hinter Deutschland, Maradona etwa wurde bei jedem Ballkontakt gnadenlos niedergepfiffen. Zudem wich ihm Guido Buchwald nicht von der Seite – der große Star der Mannschaft war überhaupt kein Faktor. Nicht selten stand Gustavo Dezotti von Serie-A-Absteiger Cremonese, der Caniggia vertrat, als einziger Argentinier in der gegnerischen Hälfte.

Dieser Spielweise fiel schon nach einer Stunde der für Ruggeri eingewechselte Pedro Monzón per Gelb-Rot zum Opfer, dazu hätte es nach einem Foul am nach vorne stürmenden Libero Augenthaler in Minute 61 einen Elfmeter für Deutschland geben müssen, die Pfeife des mexikanischen Referees Edgaro Codesal Mendez blieb aber stumm.

Anders in der 83. Minute, als Sensini in einem Laufduell Völler einen leichten Rempler gab. Codesal zögerte keinen Moment und zeigte sofort auf den Punkt. Lothar Matthäus, der etatmäßige Elferschütze, wollte nicht antreten – er fühlte sich nicht sicher genug. Dafür schnappte sich Andi Brehme – Klubkollege von Matthäus und Klinsmann bei Inter Mailand – den Ball. Keeper Sergio Goycoechea erahnte zwar die richtige Ecke, aber Brehme knallte die Kugel unhaltbar zwischen den aus Sicht des Schützen linken Pfosten und den heranfliegenden Keeper – das hochverdiente 1:0.

Direkt danach griff der entnervte Dezotti von hinten um Kohlers Hals herum an dessen Kragen und riss den deutschen Verteidiger nieder – auch hier zögerte Cosedal nicht und warf den zweiten Argentinier aus dem Spiel. Troglio und Dezotti, beide um einen Kopf größer als der Referee, brüllten auf den graumelierten Mexikaner ein, ehe Maradona alle anderen wegdrängte. Nur nicht noch einen dritten Spieler verlieren, schien der Kapitän zu denken.

So oder so: Einige Minuten später war das Spiel vorbei und Deutschland Weltmeister. Noch ein paar Minuten später empfing Matthäus den WM-Pokal aus den Händen von Italiens Staatspräsident Francesco Cossiga.

Und noch ein paar Minuten danach wanderte Franz Beckenbauer einsam durch den Mittelkreis des Olympiastadions von Rom.

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„Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, gehen Sie nach München. Wenn Sie flotten Fußball sehen wollen, kommen Sie zu uns!“

– Ralf Rangnick, 3. Dezember 2008

Es war eines der am meisten gehypten Bundesliga-Spitzenspiele überhaupt. In einer Zeit, bevor Dortmund zum großen Dauerrivalen von Bayern München wurde und sich Bremen als solcher langsam, aber sicher verabschiedete, schickte sich ein Klub an, dem Platzhirschen Paroli zu bieten. Ein Aufsteiger – die TSG 1899 Hoffenheim.

Diese spielte eine überragende Hinrunde und kam am 16. Spieltag als Tabellenführer mit drei Punkten Vorsprung auf die Bayern in die Allianz Arena. Der Höhenflug war kein Zufall, sondern die Folge davon, dass Trainer Ralf Rangnick alles tat, um dem Spiel seiner Mannschaft den solchen zu nehmen. Er gewann letztendlich nichts, war damit aber der endgültige Wegbereiter für den deutschen Schritt in die Fußball-Moderne.

Bayern München - 1899 Hoffenheim 2:1 (0:0)
Bayern München – 1899 Hoffenheim 2:1 (0:0)

„Ich glaube, im Fußball ist […] noch zu viel Zufall, auch bei mit war das so bis vor zwei Jahren. Seitdem habe ich von meinem Expertenteam viel gelernt.“ Das sagte Ralf Rangnick im November 2008 im „kicker“. Er holte sich mit Bernhard Peters einen Hockey-Trainer als Direktor für Sport- und Jugendförderung. Er war derjenige, der Rangnick vom bedingungslosen Vertikalspiel überzeugte. Die Verbindung des als „Fußball-Professors“ bekannten Rangnick und des fußballexternen Peters führte zum Herbst von Hoffenheim.

Die Ausgangslage

Rangnick war im Winter 2005/06 bei Schalke von Manager Assauer abgesägt worden und übernahm ein halbes Jahr später Hoffenheim. Der Klub aus dem Örtchen zwischen Mannheim und Karlsruhe war ein etablierter Drittligist, hatte seine sechste Saison in dieser Spielklasse vor sich. Und einen Geldgeber mit großen Ambitionen – SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp. Hoffenheim stieg 2007 in die zweite Liga auf, startete dort aber nur mäßig und überwinterte als Achter nach 5 Siegen, 7 Remis und 5 Niederlagen mit acht Punkten Rückstand auf den Aufstiegsplatz.

In der Rückrunde setzte das Team das Rangnick’sche Konzept aber beinahe perfekt um, war mit 38 Punkten (12 Siege, 2 Remis, 3 Niederlagen bei 36:13 Toren) die mit Abstand beste Rückrunden-Mannschaft. Am letzten Spieltag überfuhr man Fürth mit 5:0 und hielt so Mainz (in der letzten Saison unter Jürgen Klopp) und Freiburg auf Distanz, begleitete Luhukays Gladbach und Christoph Daums 1. FC Köln in die Bundesliga.

Der Kader

Hoffenheim ging mit einer unfassbar jungen Mannschaft in die Bundesliga. Das Durchschnitts-Alter der Stamm-Elf betrug 22,2 Jahre, der älteste Spieler war Linksverteidiger Andreas Ibertsberger mit gerade einmal 25 Jahren. Grund dafür war die unübliche Herangehensweise – Rangnick brauchte für seine Vorstellungen Kicker, die absolut offen waren und noch nicht im Trott des „Normalen“ verfangen waren. Nicht unähnlich etwa einem Arsène Wenger, der einst über den damals 23-jährigen Christoph Leitgeb sagte: „Ein talentierter Junge, aber schon viel zu alt für einen Wechsel ins Ausland. Er ist nicht mehr formbar!“ Einen ähnlichen Weg verfolgt Rangnick ja nun auch bei Red Bull. Mit seinem damaligen Co-Trainer Peter Zeidler als Coach beim FC Liefering

Der Kader von Hoffenheim bestand grob gesagt aus zwei Gruppen. Zum einen jene mit jungen, von Rangnick handverlesenen Gescheiterten bei anderen Klubs. Jaissle, Beck und Weis standen bei Stuttgart schon früh am Abstellgleis, Innenverteidiger Marvin Compper hatte bei Gladbach keine Zukunft, Stürmer Vedad Ibisevic saß in Aachen auf der Bank, Linksfuß Salihovic in der zweiten Mannschaft von Hertha BSC fest.

Dazu kamen vier extrem talentierte und blutjunge Legionäre: Demba Ba kam um drei Millionen vom belgischen Mittelständler Mouscron, Chinedu Obasi um fünf Millionen von Lyn Oslo aus Norwegen, Luiz Gustavo wurde von den Corinthians aus São Paulo ausgeliehen (und später um eine Million verpflichtet) – und, der Königstransfer, Carlos Eduardo. Der Brasilianer kam 20-jährig um sieben Millionen von Grêmio Porto Alegre.

Das Konzept gegen den Ball

„Beim Spiel gegen den Ball galt in Deutschland […] der klassische Abzählreim: Der Spieler gegen den und der gegen den“, sagte Rangnick, der von einem Aha-Erlebnis bei einem Testspiel gegen Lobanovskis Dynamo Kiew erzählte: „Egal, wo der Ball war, immer waren drei Gegenspieler zur Stelle!“ Die klassischen Elemente von Zonen-Orientierung und Pressing, die Rangnick seiner Rasselbande in Hoffenheim auch beibrachte.

Hoffenheims Sturmreihe (blau) als Riegel und als lenkendes Element
Hoffenheims Sturmreihe (blau) als Riegel und als lenkendes Element

Dabei hatten auch die drei Stürmer – Vedad Ibisevic zentral, Demba Ba und Chinedu Obasi als ständig rochierende Außenspieler – klare Anweisungen im Spiel gegen den Ball. Das war damals in Deutschland im Grunde bei keinem anderen Team ein Thema. Die Hoffenheim-Stürmer hatten zwei Aufgaben gegen die Spieleröffnung des anderen Teams: Abriegeln und lenken.

Die vorherrschenden Systeme in Deutschland zu dieser Zeit waren das flache 4-4-2 bzw. die Version mit Raute, quasi ein 4-3-1-2. War der Ball bei den gegnerischen Innenverteidigern, rückten Ba, Ibisevic und Obasi eng zusammen und kappten so die Möglichkeit, zu den zwei bzw. drei zentralen Mittelfelspielern zu passen. Die Gegner hatten zwei Möglichkeiten: Entweder langer Hafer, oder der kurze Ball auf den Außenverteidiger.

Sobald der AV den Ball hat, doppeln ihn Hoffenheims Außenstürmer und ein Achter, nehmen ihm Zeit und Anspielstationen
Sobald der AV den Ball hat, wird er gedoppelt und den Anspielstationen beraubt

Sobald der Ball beim Außenverteidiger war, stürzten Hoffenheims Außenstürmer (Ba oder Obasi) und der entsprechende Achter (in der Regel Salihovic bzw. Carlos Eduardo) wie die Bösen auf diesen Spieler hin und nahmen ihm so die Zeit für eine Weiterverarbeitung – und gleichzeitig auch die Anspielstation. Der Weg zum eigenen Sechser war durch das eng zulaufende Hoffenheim-Duo sehr riskant, der Mitspieler auf der Mittelfeld-Flanke durch den in diesen Situationen in der Regel hinten bleibenden Hoffenheim-AV (Beck rechts, Ibertsberger links) abgedeckt.

Der Gegner war in der Falle.

Heute ist das Lenken des gegnerischen Spielaufbaus gängige Praxis und absolut nicht Ungewöhnliches, damals in der taktisch auch international weit von der internationalen Spitze entfernten deutschen Bundesliga aber sehr wohl.

Und wenn der Ball doch mal im defensiven Mittelfeld ankam? Auf dafür hatte Rangnick vorgesorgt. Dort war es die Aufgabe eines Achters und eines Spielelers aus dem Dreier-Sturm, den zentralen Mittelfeldmann mit dem Ball ebenso zu doppeln. In der Tat hatte Rangnick dem Spiel gegen den Ball schon mal ziemlich den Zufall genommen. Das kannte die Konkurrenz nicht, und sie konnte auch nicht damit umgehen.

Das Konzept mit Ball

Die Trainingsfelder in Hoffenheim wurden zuweilen extrem schmal. Fünfzehn Meter, um genau zu sein, aber 90 Meter lang. „Das sieht komisch aus“, gestand Rangnick zwar, aber es erfüllte den Zweck. In diesen Schläuchen nämlich wurde das fast schon bedingungslose Vertikalspiel gedrillt. „Da drin wird mit drei Kontakten gespielt, in der verschärften Version mit zwei Kontakten. Nur flach, und bei Rückpässen nur ein Kontakt. Alles andere wird abgepfiffen“, erklärte der Trainer.

Zweck des ganzen war das Üben des Verhaltens nach Ballgewinn. Dann ging nämlich die Post ab. Rangnick war mit Hoffenheim der erste Trainer, der bewusst, aggressiv und zielgerichtet von den drei Sekunden Unordnung sprach, die man beim Gegner nach dessen Ballverlust ausnützen müsse. Quer- oder gar Rückpässe gab es in diesen Umschaltphasen nicht, nur nach vorne.

Hoffenheim - Hamburg 3:0 (3:0)
Hoffenheim – Hamburg 3:0 (3:0)

Vor allem zu Saisonbeginn lief man mit diesem Konzept in offene Messer (wie beim 2:5 in Leverkusen) oder bekam die Rechnung für eine um 20 Meter an den Mittelkreis zurückverlegte Pressinglinie präsentiert (wie beim 4:5 in Bremen), aber meistens waren die Gegner mit dem Lenk- und Pressingspiel und dem extrem vertikalen Umschalten von Hoffenheim komplett überfordert.

Besonders anschaulich wurde dies am 9. Spieltag gegen den HSV, das wie alle Heimspiele im Herbst im Mannheimer Carl-Benz-Stadion stattfand (die Rhein-Neckar-Arena war noch nicht fertig). Es war dies das Spiel des Ersten Hamburg gegen den Zweiten Hoffenheim. Nach zwölf Minuten führte die TSG 2:0 (eins nach Eckball, eines nachdem Obasi an der Mittellinie Jarolim den Ball abgenommen hatte und schnell umgeschaltet wurde), nach einer halben Stunde 3:0. Sinnbildlich: An der Mittellinie war Petric in einem Zweikampf zu Fall gekommen und hatte dabei den Ball mit der Hand gespielt, Referee Stark pfiff Freistoß für Hoffenheim – und als sich der HSV noch beschwerte, lief vier Sekunden nach dem Freistoß-Pfiff Obasi bereits alleine auf das Hamburger Tor zu und verwertete problemlos.

Der HSV war dermaßen überfordert, dass Coach Martin Jol nur fassungs- und ratlos den Kopf schütteln konnte. Man kam als Tabellenführer zu Hoffenheim und wurde dort verprügelt wie ein Bezirksligist. Als Hoffenheim am 16. Spieltag zu den Bayern fuhr, standen elf Siege, ein Remis und zwei Niederlagen zu Buche. In 15 Partien hatte man 40 Tore erzielt.

Die Bayern

Der amtierende Meister aus München installierte nach dem Abschied des ebenso erfolgreichen wie auch konservativen Ottmar Hitzfeld im Sommer 2008 dessen genaues Gegenteil: Jürgen Klinsmann. Er stellte Buddha-Figuren am Trainingsgelände auf, kam mit vielen ungewöhnlichen Ideen und wollte den Klub schon ein wenig auf links drehen. Er wollte „jeden Spieler besser machen“, wollte aber wohl ein wenig zu viel in zu wenig Zeit und hatte auch personelle Problemchen.

Zum einen, dass Torhüter Oliver Kahn aufgehört hatte. In dessen letzter Saison kassierte er nur 21 Gegentore, neuer Bundesliga-Allzeit-Rekord. Michael Rensing war seit Jahren Kahns Kronprinz, aber die Rolle als Nummer eins war ihm dann deutlich zu groß. Vor allem bei hohen Bällen segelte Rensing regelmäßig vorbei, was die Bayern bei Flanken und Standards ungewöhnlich anfällig machte.

Bayern München - Werder Bremen 2:5 (0:2)
Bayern – Bremen 2:5 (0:2)

Außerdem fehlte Franck Ribery durch eine Verletzung, die er sich bei der EM zugezogen hatte, bis Ende September. Weil es sonst keinen Spieler für die linke Seite gab, stellte er das System auf 3-5-2 um und ließ Philipp Lahm die Außenbahn alleine beackern. Die Dreierkette kassierte ein Tor von Hertha BSC, und je keines beim späteren Absteiger Köln und in der Champions League gegen ein unsagbar schwaches Team von Steaua Bukarest – ehe das Spiel gegen Werder Bremen kam.

Werder deckte die Probleme in der Raumaufteilung schonungslos auf und führte zur Pause schon 2:0, ehe Klinsmann umstellte. Hinten spielte dann eine Viererkette, davor drei zentrale Mittelfeld-Leute, einer rechts und gar keiner mehr links. Die Folge: Noch drei Gegentore bis zur 67. Minute. Und das, obwohl Bremen personell so dünn besetzt war, dass Strafraum-Riegel Sebastian Prödl den Rechtsverteidiger geben musste – und das gar nicht mal so gut machte.

Als Ribery zurückkam, stabilisierte sich das Bayern-Spiel in den Wochen nach dem 2:5-Desaster gegen Bremen und dem folgenden 0:1 in Hannover, aber inhaltlich waren die Bayern kein Enigma. Van Bommel gab in einem 4-4-2 (das danach beständig gespielt wurde) die Schaltzentrale im Zentrum, es wurde mal geschaut, was rechts geht (über Schweinsteiger oder Altintop mit Lell oder Oddo), es wurde mal geschaut, was links geht (über Lahm und Ribery), mit Zé Roberto als kurzer Anspielstation. Vorne war Luca Toni der Fokuspunkt für lange Bälle, er und Klose sorgten mit ihrer individuellen Klasse für Tore.

„Revolutionär“ ist anders, Klinsmann hatte auch keinen Löw mehr zur Seite, aber bis zum Hoffenheim-Spiel wurden 22 von 24 möglichen Punkten geholt und die Champions-League-Gruppenphase gegen Lyon, die Fiorentina und eben Steaua Bukarest überstanden.

Das Gipfeltreffen

„Wir fahren nicht nach München, um uns nur die Bayern-Trikots abzuholen. Wir wollen ihren Skalp“, hatte Rangnick im Vorfeld der Partie gesagt. Schon Wochen vorher begann der mediale Aufbau für das zu erwartende Spitzenduell der beiden dominierenden Klubs in diesem Herbst 2008, Rangnicks beinahe legendäre PK zwei Tage vor dem Spiel – aus dem auch das Zitat vom Anfang dieses Artikels stammt – taten ihr übriges. „Die Bayern-Fans sind bisher nicht damit aufgefallen, ihr Team bedinungslos zu unterstützen, die wollen unterhalten werden“, hatte Rangnick da auch gesagt. Wie auch: „Vielleicht spielen wir in München sogar mit vier Stürmern. Oder wir fangen mit 12 oder gar 13 Leuten an und hoffen, dass es keiner merkt!“

Ein Aufsteiger, der vor dem Gang in die Allianz Arena die Abteilung Attacke fährt – das war neu. Das Stadion war mit 69.000 Zusehern natürlich voll, die Bayern hätten das dreifache an Tickets verkaufen können. Die, die da waren, sahen ein aufregenden und ungemein temporeiches Spiel.

Erste Halbzeit

Bayern München - 1899 Hoffenheim 2:1 (0:0)
Bayern – Hoffenheim 2:1 (0:0)

Hoffenheim hatte ganz offensichtlich Ribery als Haupt-Gefahrenherd ausgemacht, denn Rangnick änderte die Taktik auf dessen Seite ein wenig: Nicht der Außenverteidiger – in diesem Falle Lahm – wurde von Ba und Weis gedoppelt, sondern Ribery von Beck und Weis, sobald der Franzose den Ball hatte. So versuchte man, ihn aus dem Spiel zu isolieren. Das gelang Beck und Weis über weite Strecken auch ganz gut: Ribery war viel unterwegs und hatte auch oft den Ball, konnte aber wenig echte Wirkung entfalten.

Die Gäste hatten Mühe, ihren Dreier-Riegel zwischen den Münchner Reihen aufzuziehen, so gelang das Lenken des gegnerischen Spielaufbaus nicht wie gewohnt. Dafür wurde Van Bommel umso härter an die Kandarre genommen: Dass der Holländer zuweilien zu gewissen Lässikgeiten neigt und nicht der Schnellste ist, war kein Geheimnis, und so wurde Van Bommel immer wieder schon während seiner Ballannahme angegangen. Dreimal alleine in der ersten Halbzeit luchsten ihm im toten Winkel heranbrausende Hoffenheimer den Ball ab. Erwartbare Folge: Schnelles Umschalten.

Das große Glück der Bayern war, dass Lúcio ein grandioses Spiel zeigte. Der Brasilianer antizipierte hervorragend und rückte zeitgerecht aus der Viererkette heraus, um die heranstürmenden Gegner zu stellen oder Passwege geschickt zuzustellen.

Nach vorne brachten die Münchner sehr wenig zu Stande. Ribery wurde gedoppelt, Schweinsteiger versteckte sich nach Kräften, Van Bommel bekam wenig Zeit und die Flanken von Massimo Oddo waren schlecht. Schon von vornherein verlegten sich die Bayern, um dem Pressing und dem Doppeln zu entgehen, auf lange Bälle auf Luca Toni. Dieser war bei Matthias Jaissle allerdings in guten Händen. In den ersten 45 Minuten hatten die Bayern nur eine einzige ernsthafte Torchance.

Hoffenheim hat Bayern am Nasenring

Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit ging Hoffenheim, natürlich als Folge eines schnellen Vertikal-Spielzuges, nach einem Doppelpass von Ibisevic mit Weis mit 1:0 in Führung – das bereits 18. Saisontor von Ibisevic am 16. Spieltag. Die Gäste merkten, dass die Bayern wankten und versuchten nachzusetzen: Die Abwehr schob bis in die gegnerische Hälfte hinein, die Pressingwege wurden somit kürzer und damit auch die Phasen bayerischen Ballbesitzes.

Der kecke Aufsteiger hatte die Bayern am Nasenring, weitere Chancen folgten – nach einer Stunde führte Hoffenheim in der Torschuss-Statistik mit 13:4. Die Führung war hochverdient und die Bayern ratlos. Ehe in Minute 60 etwas passierte, mit dem das Gäste-Mittelfeld – im speziellen Tobias Weis – nicht rechnete: Philipp Lahm setzte zu Solo an und zog dabei nach innen. Dort war viel Platz, Weis erkannte die Situation zu spät, löste sich nicht rechtzeitig von Ribery um Lahm zu stellen. Jaissler versuchte zu retten, was zu retten war, aber Lahm zog ab, der Ball wurde von Compper abgefälscht,und landete zum 1:1 im Netz.

Luft aus

Auch in der Folge war Lahm immer mehr die bestimmende Figur auf dem Platz, weil er immer mehr realisierte, welche Freiräume sich im boten. Umso mehr, als den Hoffenheimern nach dem 1:1 zunehmend die Luft ausging. Die intensive Spielweise forderte ihren Tribut und die zweite Luft der Bayern ebenso. Die Abwehr-Kette stand nun sehr tief und die Außenverteidiger rückten kaum noch auf, andererseits franzten die Laufwege der drei Stürmer immer mehr aus.

Van Bommel und Zé Roberto kontrollierten damit trotz numerischer Unterlegenheit im Zentrum das Mittelfeld und sie konnten vor allem Luca Toni immer mehr in Szene setzen. „Jaissle war bei Toni“ sollte aber ein immer wiederkehrender Satz von Sky-Kommentator Marcel Reif werden.

Als Rangnick in Minute 74 den angeschlagenen Obasi runternahm und Salihovic brachte – dieser war etwas überraschend nicht in der Start-Elf gestanden, weil Rangnick auf den defensiv stärkeren Weis gegen Ribery setzte – rückte Carlos Eduardo in die Sturm-Reihe auf. Statt aber den Freistoß-Experten Salihovic selbst ins Spiel einbinden zu können, häuften sich selbige für die Bayern. Ohne nennenswertes Ergebnis aber. So plätscherte das Spiel, gezeichnet von immer mehr schwindenden Kräften, einem 1:1 entgegen.

Ehe Ibertsberger in der Nachspielzeit ein Lapsus unterlief. Rensing hatte in der 92. Minute den Ball nach vorne geschlagen und Zé Roberto die Kugel in den Lauf von Klose verlängert. Ibertsberger will dem einschussbereiten Klose den Ball wegspitzeln, legt ihn dabei aber genau Toni vor – der drückt ab, das 2:1. Die Matchuhr zeigte 90′ +1:23.

Kreuzband und Erfolgsserie riss

Hoffenheim hatte das Spitzenspiel mit 1:2 verloren, die Bayern zogen an Punkten gleich. Eine Woche später sicherte sich der Aufsteiger dennoch den Herbstmeistertitel. Am 14. Jänner aber musste man einen schweren Schlag hinnehmen: Vedad Ibisevic zog sich in einem Testspiel einen Kreuzbandriss zu, fiel für die restliche Saison aus.

Man holte Boubacar Sanogo aus Bremen als Ersatz, aber in der kurzen Zeit fand er nie ins System. Dazu kam etwas Unruhe in den Kader, weil im Winter auch Torhüter Timo Hildebrand verpflichtet wurde, obwohl Daniel Haas eine an sich recht ansprechende Herbstsaison gespielt hatte – in der er Aufstiegs-Goalie Ramazan Özcan verdrängte. Die Egos wuchsen, die Qualität des Zusammenspiels sank. Nicht alle aus der blutjungen Rasselbande schafften es, sich den Erfolg aus dem Herbst nicht zu Kopf steigen zu lassen.

Das erste Rückrundenspiel am 31. Jänner gegen Cottbus wurde 2:0 gewonnen, aber der Spielfluss, die Leichtigkeit und auch die Selbstverständlichkeit aus dem Herbst waren verfolgen. Auch der Umzug ins nun vollendete eigene Stadion bewirkte keinen Schub. Im Gegenteil: Im kompletten Februar, dem kompletten März und dem kompletten April wurde nicht ein einziges Spiel gewonnen. Sieben Remis, fünf Niederlagen, Letzter in der Rückrundentabelle zu diesem Zeitpunkt.

Die Saison endete zwar dank 10 Punkten aus den letzten vier Spielen mit einem Aufwärtstrend, aber dennoch wurde man der erste Herbstmeister der Bundesliga-Geschichte, der am Ende nicht einmal einen Europacup-Platz belegte. Meister wurden die Bayern allerdings auch nicht: Wolfsburg schoss sich mit Dzeko, Grafite und Misimovic zum Titel und Klinsmann wurde noch vor Saisonende entlassen.

Durchhaus

Nie wieder konnte Hoffenheim an die Erfolge des ersten halben Bundesliga-Jahres der Klubgeschichte anschließen. Statt das von A bis Z durchgeplante Konzept weiter zu verfolgen, regierten bald Chaos und Planlosigkeit, ständig wechselnde Trainer und Funktionäre und dadurch ein sinnlos aufgeblähter und maßlos überteuerter Kader.

Genau zwei Jahr nach dem Herbstmeister-Titel sah Rangnick die Felle davonschwimmen – und auch seine vereinsinterne Macht. Die heile Welt bekam schon im Sommer 2010 Risse, als Manager Jan Schindelmeiser die Brocken hinwarf – er und Rangnick waren nicht die besten Freunde. Im Winter 2010/11 wurde dann Sechser Luiz Gustavo gegen Rangnicks Willen zu den Bayern verkauft. Reibereien auch mit Hopp kamen an die Öffentlichkeit, Rangnick trat in der Winterpause zurück und sein Assistent Marco Pezzaiuoli brachte eine mäßige Saison auf einem eher anonymen Mittelfeld-Platz zu Ende – trotz eines interessanten Konzepts.

Auf Pezzaiuoli folgte Holger Stanislawski, ein halbes Jahr später Markus Babbel. Elf Monate später wurde Babbel auf einem Abstiegsplatz liegend entlassen, sein Nachfolger Marco Kurz legte in der Folge einen beträchtlichen Abstand zwischen Hoffenheim und dem Relegationsplatz – allerdings von der falschen Seite. Auch auf dem Manager-Posten wurde Hoffenheim zum Durchhaus: Nach Schindelmeister-Nachfolger Tanner übernahm Trainer Babbel in Personal-Union, ehe Andreas Müller kam und dann auch dieser wieder entlassen wurde.

Erst, als Markus Gisdol im April 2013 das Traineramt übernahm und via Relegation die Klasse hielt und Alexander Rosen als leitender Funktionär im Tagesgeschäft eingesetzt wurde, kehrte wieder Ruhe ein.

Erbe

Hoffenheim ist mittlerweile so ein wenig die graue Maus der Liga und längst nicht mehr der Aufreger, der man im Herbst 2008 vor allem durch die Abhängigkeit von Dietmar Hopp war. Der Durchmarsch unter Rangnick von der dritten Liga zum Bundesliga-Herbstmeister legte aber die endgültige Rutsche für das, was in der Folgezeit eher patschert als „Konzepttrainer“ bezeichnet wurde.

Trainer, die keine großen Spieler waren, aber sich umso mehr mit alternativen Trainingsinhalten und zielgerichteter Lenkung des Spiels beschäftigten, kamen immer mehr in Mode. Jürgen Klopp hatte sich schon einen Namen gemacht, aber etwa ein Thomas Tuchel, Markus Weinzierl, Christian Streich, ein Roger Schmidt oder eben Markus Gisdol profitierten fraglos.

Nur Hoffenheim selbst profitierte irgendwie nicht so recht. Bis heute konnte sich der Klub noch nie für den Europacup qualifizieren.

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Die Großen stagnieren, der Kleine überraschte – dank taktischem Geschick https://ballverliebt.eu/2014/07/06/die-grossen-stagieren-der-kleine-ueberraschte-dank-taktischem-geschick/ https://ballverliebt.eu/2014/07/06/die-grossen-stagieren-der-kleine-ueberraschte-dank-taktischem-geschick/#comments Sat, 05 Jul 2014 22:51:17 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10372 Die Großen stagnieren, der Kleine überraschte – dank taktischem Geschick weiterlesen ]]> Vier Teilnehmer, davon drei im Achtelfinale und einer im Viertelfinale – so gut haben die CONCACAF-Teilnehmer bei einer WM noch nie abgeschnitten. Vor allem aber, dass es nicht einer der beiden „Großen“ Mexiko und USA war, der in die Runde der letzten 8 eingezogen ist, sondern das kleine Costa Rica (von der Einwohnerzahl der zweitkleinste Teilnehmer), ist schlichtweg eine Sensation. Die Tatsache aber, dass dieser Erfolg keinesfalls zufällig zustande kam, sondern durchaus verdient war, zeigt: Die Spitze in Nord- und Mittelamerika wird breiter. Was aber nicht heißt, dass auch die Dichte steigt.

Costa Rica: Das Optimum aus den Ressourcen gemacht

Dass die Ticos den leichten Weg ins Viertelfinale nahmen, kann man ja nicht behaupten. In der Vorrunde wurde Italien besiegt, wurde Uruguay besiegt, wurde auch gegen England nicht verloren. Am Meisten musste man im Achtelfinale gegen Griechenland zittern, als man über eine Dreiviertelstunde in Unterzahl agieren musste.

Costa Rica
Costa Rica: Geschickte und kurze Pressing-Wege im Zentrum und eine kaum durchdringbare Abwehr

Spektakulär und aufregend war das bei den Ticos natürlich nicht, aber es funktionierte. Gegen den Ball agierte man in einem 5-4-1, im Ballbesitz wurde schnell ein 3-4-3 daraus, weil die Flügel-Verteidiger aufrückten. Der Clou war die Spielweise im Mittelfeld: Weil mit den vier auf einer Linie agierenden Leuten plus potenziell aufrückenden Außenverteidigern konnte man mit kurzen Pressing-Wegen den ballführenden Gegner zuzweit oder gar zudritt angehen.

War der Ball gewonnen, war der Weg nach vorne nicht besonders kompliziert: Vornehmlich über die Außen wurden Ruiz und Bolaños bedient, vorne bearbeitete Campbell die Kanäle und die Räume zwischen den Reihen, die sich bei offensiv agierenden Gegnern boten.

Damit nützte Teamchef Jorge Luis Pinto den Umstand gut aus, dass gegen seine Mannschaft fast alle Kontrahenten das Spiel selbst in die Hand nahmen, vor allem beim Auftaktspiel gegen Uruguay (das Costa Rica ja 3:1 gewann) war man erbarmungslos darin, einen nicht auf dieses Problemfeld reagierenden Gegner zu bestrafen.

In der Defensive machten die Ticos vor allem das Zentrum zu, mit einer Dreierkette (die sich auf die Abseitsfalle versteht) und mit zwei Sechsern als Absicherung davor. Hier war es vor allem das Team aus Italien, das dagegen überhaupt kein Mittel fand. Hinzu kommt, dass man mit Keylor Navas über einen ausgesprochen guten Torhüter verfügt.

Bei Costa Rica passte alles zusammen: Die wohl beste Spielergeneration in der Geschichte des Landes, ein Team im richtigen Alter, in dem die Mischung aus Routine und jugendlichem Übermut stimmt; ein Trainer, das das zu nützen versteht und auch ein wenig Spielglück, wie im Achtelfinale gegen Griechenland und auch im Viertelfinale gegen die Holländer, die ja auf dem Weg ins Elfmeterschießen zweimal das Torgestänge getroffen haben.

In der Concacaf-Gruppe wird Costa Rica auf absehbare Zeit die Nummer drei bleiben (wie man das in den letzten zehn, zwanzig Jahren zumeist ja auch war). Für einen langfristigen Angriff auf Mexiko und die USA fehlen aber wohl die personellen Ressourcen.

USA: Gutes Abschneiden dank viel Willen

Dass dies die beste Generation der US-Fußball-Geschichte ist, könnte man nicht behaupten. Sicher, deutlich besser als die College-Greenhorns 1990 oder das üble Kick-&-Rush-Team, das mit mächtig Dusel die Vorrunde bei der Heim-WM 1994 überstanden hat. Der Glanz, den im Idealfall ein Landon Donovan verbreiten konnte, fehlte dieser überwiegend bieder besetzten Mannschaft. Was sie aber auf ihrer Seite hatte: Den absoluten Willen.

USA
USA: Unbändiger Kampfgeist und ein gutes Kollektiv, aber inhaltlich nicht so berauschend

Jürgen Klinsmann hat es verstanden, aus einem durchschnittlichen Kader eine absolute Einheit zu machen – ähnlich wie 2006 auf höherem Niveau bei Deutschland. Man klammerte sich mit allem, was man hatte, am frühen Vorsprung gegen Ghana fest und ließ sich auch vom späten Ausgleich nicht schocken. Man biss sich als an sich klar unterlegene Mannschaft gegen Portugal so sehr in das Spiel fest, dass man es beinahe gewonnen hätte. Und hätte Chris Wondolowski seinen Mörder-Sitzer beim Stand von 0:0 gegen Belgien verwertet, man wäre sogar im Viertelfinale gewesen.

Und das, obwohl man von Goalie Tim Howard und (mit Abstichen) Clint Dempsey niemanden hat, der – wie es so schön heißt – ein Spiel alleine entscheiden könnte. Sechser Kyle Beckerman, der mit der filzigen Hippe-Matte, hat eine hervorragende Spielübersicht, aber selbst in der MLS geht’s ihm oft mal zu schnell. Jones ist ein verbissener Kämpfer, aber kein Spielgestalter. Bradley ist ein guter Spieleröffner, aber kein Spielmacher.

Und doch hat das Team als Kollektiv überzeugt, sodass es erstmals zum zweiten Mal in Folge gelang, die Vorrunde zu überstehen – und das in einer von der Grund-Qualität echt guten Gruppe, in der man am Papier selbst die deutlich schwächste Mannschaft war. Wie Tony Kornheiser von ESPN richtig sagte: „Team USA is now a Mid-Major“.

Aber obwohl am Ende das gleiche Ergebnis zu Buche steht wie vor vier Jahren – das Achtelfinal-Aus nach Verlängerung – fällt es schwer, bei den USA eine längerfristige, inhaltliche Weiterentwicklung zu erkennen. Davor hat sich Klinsmann bei Deutschland ja gedrückt. Und daran, wie es ihm mit dem US-Team gelingt, wird er sich messen lassen müssen.

Mexiko: Besser als zu befürchten war

Was war das für ein Chaos, in der Qualifikation. Als die Mexikaner phasenweise mehr gefeuerte Teamchefs auf dem Konto hatte als Tore. Erst einiges an US-Schützenhilfe und der eilig einberufene Trainer von Club América, Miguel Herrera – der im Play-Off gegen Neuseeland praktisch seine Klubmannschaft antreten ließ – brachten El Tri wieder in ruhigeres Fahrwasser.

Mexiko
Mexiko: Schnelles Umschalten nach Ballgewinn im Mittelfeld mit zwei Stürmern davor – und hinten mit Dreierkette und starkem Torhüter absichern.

Der eine oder andere Europa-Legionär war nun doch wieder im Kader, und das neue Konzept griff schnell. Statt in einem 4-4-1-1 wie unter Juan Manuel de la Torre (dem letzten mexikanischen Teamchef, der länger im Amt war als ein, zwei Spiele), gibt es bei Herrera zwei Stürmer, zwei potentielle Spielmacher und zwei Flügelspieler, die wegen der Dreierkette hinten hoch aufrücken können. Und wenn alles nichts mehr half – oder wie Brasilien ein richtig starker Gegner da war – rettete hinten Guillermo Ochoa, einer der absoluten Top-Goalies bei dieser Weltmeisterschaft.

Herrera hat in den paar Monaten, in denen er Teamchef war, nicht aus dem Nichts eine Top-Mannschaft geformt, sondern im Endeffekt nur aus einem plötzlichen Loch dorthin zurück gebracht, wo Mexiko seit Jahrzehnten ist. Ein echter Schritt nach vorne ist diese Mannschaft aber nicht. Herrera, so sehr er sich als Rumpelstielzchen benahm und so sehr er wie ein windiger Gebrauchtwagen-Händler aussieht, ist ein Pragmatiker.

Die Dreierkette  hinten ist notwendig, weil gerade Rafa Márquez, aber auch Francísco Rodríguez nicht mehr die schnellsten sind. Andererseits eignete sich die enge Staffelung im Fünfer-Mittelfeld hervorragend, um Gegner an der Gestaltung zu hindern, mit dem schnellen Umschalten und zwei Sturmspitzen vorne vor allem gegen Kroatien ein gutes Mittel.

Herrera machte nichts dramatisch neues, aber er fand für das Potenzial seiner Spieler die optimale Formation und die optimale Herangehensweise. So fehlten nur wenige Minuten zu einem Viertelfinale in einem Turnier, vor dem man mit dem Vorrunden-Aus gerechnet hatte. Aber auch für Herrera gilt wie für Klinsmann: Die WM hat er gerettet, aber jetzt ist der nächste Schritt gefragt. Wie seit zwanzig Jahren, bei Mexiko.

Honduras: Nicht so schlecht wie es aussieht

Anders als Mexiko qualifizierte sich Honduras direkt für die WM – was aber natürlich nichts daran ändert, dass man mit einigem Abstand die schwächste CONCACAF-Mannschaft bei dieser Endrunde war. So schlecht wie es aussieht – mit drei Niederlagen im Gepäck – stellten sich die Honudraner aber auch wieder nicht an.

Honduras
Honduras

Natürlich: Besonders spannend ist die Spielanlage, die Luis Fernando Suárez seinem Team verpasst hat, nicht. Ein flaches 4-4-2 ohne Spielmacher, mit einem Schrank (Costly) und einem etwas geschmeidigeren (Bengston) Stürmer vorne, mit Flanken von außen und noch mehr aus dem Halbfeld, mit gutem Verschieben in Richtung Ballnähe. Aber ohne wirkliche Phantasie im Aufbau, ohne trickreiche Spielzüge und ohne echten Glanz zu verbreiten.

Und natürlich: Mit großem körperlichen Einsatz. Die allzu robuste Gangart bescherte schon in der ersten Halbzeit des ersten Spiels einen berechtigten Platzverweis. Dazu fehlte die individuelle Klasse, um ein etwas besser besetztes, aber nicht viel intelligenter spielendes Team aus Ecuador einen Punkt abzutrotzen und gegen die Schweizer und die Franzosen sowieso – wiewohl auch das 0:3 gegen die Eidgenossen schlimmer aussieht als es war.

Mit der Mischung aus US-Legionären, Spielern aus britischen Mittelklasse-Teams und Leuten aus der heimischen Liga ist die zweite Qualifikation in Folge schon ein enormer Erfolg.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Juli 2015, vermutlich in den USA

Was nicht heißt, dass eine dritte Teilnahme in Folge eine Überraschung wäre. Weil bis auf Panama in der Concacaf-Zone niemand wirklich nachrückt. Costa Rica ist inhaltlich derzeit sicherlich die beste Truppe des Kontinental-Verbandes, Mexiko hält mit individueller Klasse dagegen und die USA mit purem Willen. Hinter diesen vier, fünf Teams reißt es aber völlig ab. Kanada etwa lief in der Qualifikation in Honduras in eine 1:8-Niederlage.

Das heißt: An der generellen Großwetterlage in Nord- und Mittelamerika wird sich nichts ändern, aber dass es Costa Rica ins Viertelfinale geschafft hat und Mexiko und die USA nicht, wird bei den Großmächten sicher nicht gerne gesehen, zumal der Abstand zwischen diesen beiden und der Weltspitze seit längerem stagniert. Das nicht nicht so schlecht, aber es wird auch nicht wirklich besser.

Und: Dauerzustand ist Costa Rica im Viertelfinale ja sicher auch nicht.

(phe)

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1:2-Blamage in Jamaika deckt Schwächen von Klinsmanns US-Team auf https://ballverliebt.eu/2012/09/08/12-blamage-in-jamaika-deckt-schwachen-von-klinsmanns-us-team-auf/ https://ballverliebt.eu/2012/09/08/12-blamage-in-jamaika-deckt-schwachen-von-klinsmanns-us-team-auf/#comments Sat, 08 Sep 2012 02:37:51 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7793 1:2-Blamage in Jamaika deckt Schwächen von Klinsmanns US-Team auf weiterlesen ]]> Schnell laufen können sie, die Jamaikaner – zumindest auf der Tartanbahn, das ist nicht erst sein Olympia in London bekannt. Ihre Fußball spielenden Landsmänner können zwar weder ein international konkurrenzfähiges Tempo gehen, noch zeigen sie sonst etwas besonders Aufregendes. Es reichte aber dennoch, um eine erschreckend biedere US-Mannschaft in der WM-Quali mit 2:1 zu besiegen. Kein Ruhmesblatt für Jürgen Klinsmann.

Jamaika – USA 2:1 (1:1)

Es waren 36 Sekunden gespielt, als Clint Dempsey den Ball zum 1:0 für die Amerikaner ins Tor von Jamaika drosch. Ein perfekter Beginn in diesem WM-Quali-Spiel für das Team von Jürgen Klinsmann (und Assistent Andi Herzog). Die eine Mannschaft betreuen, die sich zuletzt zwar feine Testspiel-Ergebnisse gegen gute Gegner holen konnte. Aber sich gegen „kleine“ Teams schwer tut, wie schon beim mühsamen und alles andere als überzeugenden 3:1-Heimsieg gegen Antigua im Juni.

Der Grund dafür: Das US-Team von Klinsmann präsentiert sich als Arbeitertruppe. Im Mittelfeld ist robuste Körperlichkeit gefragt. Es gibt keinen Sechser von internationaler Klasse, der als Taktgeber fungieren könnte. Es fehlt an Außenverteidigern, die offensiv stark genug sind, um im Vorwärtsgang zu überzeugen. Kurz: Team USA anno 2012 ist eine äußerst wenig Glanz verbreitende Arbeiter-Mannschaft.

Das übliche Rauten-Problem

Klinsmann lässt sein Team in einem 4-4-2 mit Mittelfeld-Raute spielen. Vor der Abwehr steht Rasta-Mann Kyle Beckerman als Sechser, flankiert von Jermaine Jones und Maurice Edu. Wie üblich bei Teams mit Raute – einen in der MLS durchaus weiter verbreiteten System – hat man damit den Mittelkreis unter Kontroller, neigt aber dazu, Räume auf den Flanken herzugeben.

Vor allem, wenn die Außenverteidiger – diesmal Michael Parkhurst vom dänischen Meister Nordsjælland und Fabian Johnson von 1899 Hoffenheim – einen eher zurückhaltenden Part spielen. Das erlaubte es den Jamaikanern, auf den Flanken 2-gegen-1-Situationen herzustellen; vor allem in Person von RV Lovel Palmer. Die Flanken, die von den recht eindimensionalen Jamaikanern Richtung Strafraum segelten, hatten aber eine beängstigende Streuung und verursachten keinerlei Gefahr.

Unsicherheit und wenig Phantasie im US-Mittelfeld

Kyle Beckerman (der bei Salt Lake spielt) ist ein Spieler mit einem hervorragenden Auge und einem zumeist sehr sicheren Passspiel. Was Beckerman allerdings völlig fehlt, ist Tempo – vor allem, wenn ein schneller Antritt gefragt ist, hat der kleine Mann mit der großen Frisur erhebliche Probleme. Das wurde nicht nur beim Foul, das den Freistoß zum 1:1-Ausgleich zur Folge hatte, deutlich. Wann immer es die Jamaikaner schafften, mit Tempo durch die Mitte zu kommen, kam Beckerman ins Schwitzen.

Das zwang wiederum Edu und (vor allem) den Schalker Jermaine Jones, noch zentraler zu spielen und auszuhelfen. Das alles wirkte sich natürlich wiederum auf die immer mehr unterbesetzten Flügel aus, wodurch die Jamaikaner vor allem nach dem Ausgleich deutlich besser ins Spiel kamen.

Jones und Edu versuchten im Ballbesitz, sich schnell nach vorne zu orientieren und Zehner Dempsey zu unterstützen. Darauf stellte sich der Gegner aber gut ein, machte durch geschicktes Einrücken der Außenverteidiger (die ja kaum was zu befürchten hatten) die Räume gut eng. Die recht phantasielosen Amerikaner fanden dagegen kein Mittel.

Jamaika mit dem 2:1 – die Entscheidung

Die Jamaikaner erkannten, dass es den Amerikanern extrem schwer fiel, das Spiel selbst zu gestalten. So wurde der Gastgeber nach Seitenwechsel noch mutiger, setzte das US-Mittelfeld weiter unter Druck und nützte den Raum auf den Flügeln weiter aus. Auch die Flanken wurden nun etwas besser und nach einer Stunde war es wieder Beckerman, der eine schlechte Figur abgab: Weil er unverständlicherweise von seinem Gegenspieler abließ, musste Jones eingreifen und foulen. Auch diesen Freistoß hämmerte Jamaika ins Tor – das 2:1.

Nun reagierte Klinsmann und erlöste den überforderten Beckerman, brachte mit Williams (von Hoffenheim) einen neuen Sechser. Das grundsätzliche Problem – null Kreativität und die Unfähigkeit, Dempsey und die Stürmer einzubinden – konnte aber auch er nicht lösen. Eine Viertelstunde vor Schluss kamen dann mit Shea (statt Edu) für den linken Flügel und dem Rapidler Boys (statt Altidore) neue Kräfte.

Jamaika ließ nun ein wenig von den US-Boys ab, stellte sich etwas tiefer auf uns sah sich an, was der Favorit denn so im Spielaufbau unter Druck des Spielstands anzubieten hatten. Und das war weiterhin sehr wenig: Viele Pässe vor allem im Mittelfeld landeten zum Teil meilenweit von einem Mitspieler entfernt; lange Bälle auf die Stürmer konnten diese nicht halten und Dempsey, dem es sichtlich an der Spielpraxis fehlt, fand überhaupt nicht statt.

So hatte Jamaika kaum Mühe, das 2:1 über die Zeit zu spielen.

Fazit: US-Team unfähig zur Spielgestaltung – selbst gegen Fußballzwerge

Die Amerikaner müssen nun zwar keine übertriebene Angst haben, die Finalrunde in der Concacaf-Zone zu verpassen – vor Guatemala und Antigua zu bleiben, werden sie ja doch wohl schaffen. Aber die eklatanten Schwächen in der eigenen Spielgestaltung und die völlige Abwesenheit jeder Phantasie im Aufbau eigener Spielzüge dürfen ein Jahr nach seinem Amtsantritt schon etwas Besorgnis erregen.

Das muss bei einer WM-Endrunde nicht mal ein grundsätzliches Problem sein – dort sind die US-Boys eher Außenseiter, können sich gegen starke Gegner darauf verlegen, organisiert zu stehen. Außerdem wird der in diesem Spiel mit einer Oberschenkel-Verletzung ausfallende Landon Donovan viele Schwächen im Team zudecken können. Aber eine echte Weiterentwicklung gegenüber der WM in Südafrika oder dem über weite Strecken uninspirierten Auftritt beim Gold-Cup vor Klinsmanns Amtsantritt ist nicht zu erkennen.

Über Jamaika lässt sich sagen, dass die auf der ganzen Welt verteilte Mannschaft (4x MLS, 2x zweite englische Liga, je 1x Premier League, Norwegen, Schweden, Türkei und – kein Scherz – Vietnam) trotz des Sieges gegen die Amerikaner natürlich keine Welt-Eroberer sind. Mit dem Kreieren eigener Chancen waren auch sie zumeist überfordert, das Tempo war mäßig und die meisten Flanken unbrauchbar. Aber sie sind hinten organisiert gestanden, haben im richtigen Moment die Initiative an sich gerissen und den offensichtlichen Schwachpunkt Beckerman angebohrt und zwei Freistöße versenkt.

Das wird für die Finalrunde ziemlich sicher reichen. Für eine Teilnahme bei der WM in Brasilien aber ziemlich sicher nicht.

(phe)

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Warum Klinsmann bei den Bayern scheitern wird https://ballverliebt.eu/2008/09/24/warum-klinsmann-bei-den-bayern-scheitern-wird/ https://ballverliebt.eu/2008/09/24/warum-klinsmann-bei-den-bayern-scheitern-wird/#comments Wed, 24 Sep 2008 15:48:16 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=969 Warum Klinsmann bei den Bayern scheitern wird weiterlesen ]]> „Ich möchte jeden einzelnen Spieler individuell besser machen“

Mit diesem Credo ging Jürgen Klinsmann in seinen ersten echte Trainer-Job. Schließlich hat der Posten des Teamchefs einer Nationalmannschaft, vor allem in der Art und Weise, wie Klinsmann ihn verstand, nichts mit der eigentlichen Tätigkeit einers Trainers zu tun. Klinsmann ist ein herausragender Motivator, das hat er bei der Weltmeisterschaft 2006 auf eindrucksvolle Art und Weise unter Beweis gestellt – und dank Sönke Wortmanns „Sommermärchen“ durften wir allen daran teilhaben. Das bisschen Trainerjob – also die geistige und strategische Ausrichtung einer Mannschaft – erledigte schon bei der Weltmeisterschaft Joachim Löw. Ein Trainer, der schon alle Höhen und Tiefen des Trainerdaseins erlebt hat, dem es aber an Ausstrahlung und Charisma fehlt. Was man auch seit dem Abgang von Klinsmann von der Nationalmannschaft sieht: Das Team spielt zwar immer noch modernen Systemfußball, aber der Schwung, die der Wahl-Amerikaner Klinsmann den Spielern von Kopf bis Scheitel einimpfte, fehlt seither. Löw hat kein „magisches Dreieck“ mehr, wie in Stuttgart, und auch keine bemitleidenswert schwache Konkurrenz, wie bei seinem Titelgewinn in Innsbruck. Was er aber (im Gegensatz zu seinem völlig verunglückten Abenteuer beim KSC) hat, ist eine weitgehend homogene Mannschaft, deren Hauptaufgabe es in den nächsten zwei Jahren sein wird, zu begreifen, dass die nachdrängende Generation nicht zwangsläufig schlechter sein muss, als die etablierten, aber alternden Figuren. Sprich: Rolfes ist eine spielintelligentere Version von Frings, Marin die wildere Version eines jetzt schon alterschwach scheinenden Schweinsteiger. Sie muss aber gleichzeitig befreifen, dass es an der Zeit wäre, eine Führungsfigur hervor zu bringen, die auf Sicht den trotzdem immer noch unverzichtbaren Ballack entlasten kann.

Vor der Verantwortung, diese mittel- und langfristige Arbeit in Angriff zu nehmen, hat sich Klinsmann gedrückt.

Nach anderthalb Jahren Bedenkzeit und in die letzten Ausläufer der Begeisterungswelle, die ihm von Deutschland aus entgegengeschwappt war, drohte der Medienmensch Klinsmann aus den Schlagzeilen zu verschwinden. Kein Wunder, andere Ex-Teamchefs halten sich als TV-Experten (wie Vogts), als Lichtgestalten im eigenen Land (wie Beckenbauer) oder als Funktion bei einem Verein (wie Völler) im Gespräch. Aber Kalifornien ist nicht Deutschland, und so kam dem Strahlemann das Angebot der Bayern gerade zum richtigen Zeitpunkt. Was schickt sich besser für den WM-Helden, als beim größten, reichtsten und erfolgversprechendsten Verein anzuheuern, den es in seiner deutschen Heimat gibt? Nicht zuletzt machte er das gleiche schon vor mittlerweile 13 Jahren, als er noch als Spieler zu den Bayern ging, um noch ein paar Titel abzusahnen. Mit zwiespältigem Erfolg: Er wurde zwar UEFA-Cup-Sieger (sogar als Torschützenkönig) und Meister, in Erinnerung bleibt aber eher seine Dauerfehde mit Lothar Matthäus und sein Tritt in die Tonne, als ihn Giovanni Trapattoni für den damals wie heute namenlosen Karsten Lakies aus dem Spiel nahm.

Auch die Bayern haben durchaus Eigeninteresse an Klinsmann.

Die letzten 15 Jahre des stetigen sportlichen Hochs waren geprägt von Gentlemen auf der Trainerbank. Gesetzten Männern wie dem Mathematiker Ottmar Hitzfeld, dem Signore Giovanni Trapattoni oder dem ruhigen Tausendsassa Felix Magath. Das letzte echte Experiment auf der Trainerposition der Bayern, dem Hansdampf und Malocherkind Otto Rehhagal, ging fürchterlich daneben. Nicht sportlich – Rehhagel wurde wenige Tage vor den erreichten UEFA-Cup-Finalspielen entlassen, war in den Liga nur den bärenstarken Dortmundern unterlegen – aber der Egozentriker und Selbstdarsteller Rehhagel, der es über ein Jahrzehnt lang in Bremen gewohnt war, den König zu spielen, zu dem alle „Ja“ und „Amen“ sagen, kam im medial gefürchteten München nicht zurecht. Nach seinen Gentlemen-Nachfolgern wollen die Bayern Anno 2008 neben de spektakulären Toni (der die 30 aber auch schon überschritten hat) und Ribéry auch auf der Seitenlinie jugendlichen Esprit versprühen. Sie haben aus dem Abenteuer Rehhagel aber immerhin so viel gelernt, dass sie keinen Trainer holten, der nicht als langjähriger Antagonist, oder zumindest als Gegenentwurf zu den Bayern „vorbelastet“ war. Ein Klopp oder ein Schaaf waren aus diesem simplen Grund wohl nie ernsthaftes Thema.

„Ich möchte jeden einzelnen Spieler individuell besser machen“

Wenn man sich vor Augen führt, dass alle vernünftig denkenden Fußballfans Europas sich Uli Hoeneß‘ Meinung anschlossen (wiewohl viele das nie zugeben würden), als dieser im Zuge der Transfers von Beckham, Zidane, Van Nistelrooy und Ronaldo zu Real Madrid von einem „Wanderzirkus“ sprach, dessen einziger Seinszweck nicht mehr das sinnvolle Aufstellen einer Fußballmannschaft ist, sondern das Verkaufen möglichst vieler Fanartikel, ist es umso erstaunlicher, dass sich die Führung der Bayern angesichts dieser Aussage von Klinsmann auf dieses Experiment mit ungewissem Ausgang einließen. Schließlich stellt es den diametralen Gegensatz zu dem dar, was die führenden Trainerköpfe in Europa in den vergangenen Jahren eingesehen haben – von Ferguson (der das immer schon wusste), über Mourinho bis hin zu Bernd Schuster: Das individuelle Können der Spieler ist eine fundamentale Grundvoraussetzung, mit dessen Pflege in den engen Spiel und Trainingsplänen des 21. Jahrhunderts einfach keine Zeit mehr vergeudet werden darf. Individuelle Klasse ist zwar mitunter spielentscheidend und in vielen Fällen schön anzuschauen, aber gut Kicken können viele. Worauf es heuzutage ankommt, und die EM hat das überdeutlich gezeigt, ist die Spielintelligenz der einzelnen Spieler. Es ist einfach nicht genug, einfach „nur“ Fußball spielen und mit dem Ball gut umgehen zu können. Es unterschiedet die guten von den sehr guten Mannschaften, auf sich ändernde Spielsituationen blitzschnell reagieren zu können. Und es unterscheidet gute von sehr guten Spielern, eigenes Interesse hintanzustellen und sich voll und ganz in den Dienst der Mannschaft zu stellen – selbst auf Kosten der eigenen Popularität.

Bestes Beispiel dafür ist Marcos Senna.

Viele Medien und die überwiegende Mehrheit der Fans schwärmte nach der Europameisterschaft von Fernando Torres, von Xavi, von Ramos und Casillas. Sie alle waren Bausteine des spanischen Erfolgs. Erfolg, der ohne einen eiskalten Torjäger, ein intelligentes Aufbauspiel, einen defensiv wie offensiv gleichermaßen starken Außenverteidiger und einen sicheren Torhüter einfach nicht möglich ist. Aber ohne Marcos Senna, der der Prototyp des modernen „Sechsers“ ist, wäre all das wertlos gewesen. Senna hielt nämlich nicht nur als Drecksarbeiter im defensiven Mittelfeld Iniesta und Fabregas den Rücken frei, sondern war darüber hinaus auch Abfangjäger bei Angriffen des Gegners und im nächsten Augenblick schon die zentrale Ausgangsposition für den nächsten Angriff. Die Emotion, von denen frühere Erfolgsmannschaften lebten (wie die Brasilianer zum Beispiel, oder lange auch die afrikanischen Teams) lebten, haben auf dem Fußballplatz auf internationalem Niveau schlicht und einfach keinen Platz mehr. Der Fußball des 21. Jahrhunderts basiert auf hoher Spielintelligenz aller Beteiligten, enorme taktische Flexibilität und der möglichst chirurgisch genauen Ausführung desselben. Mit einem solchen modernen Systemfußball hat man heutzutage Erfolg. Das sieht mal schöner aus (wie bei Spanien 2008), mal weniger schön (Italien 2006), aber so ist es nun mal. Und weil auch die deutsche Mannschaft bei der Heim-WM mehr über Emotion als über Klasse kam, stand am Ende eben nicht der Titel. Denn von der Verve, die die Deutschen an den Tag legten, ließen sich noch die mental oft etwas instabilen Argentinier (siehe Riquelme) verarschen, die eiskalten Italiener aber eben nicht mehr.

„Ich möchte jeden einzelnen Spieler individuell besser machen“

Der kurzfristige Erfolg der Weltmeisterschaft 2006 überdeckte die klare Sicht darauf, warum der Fußball der deutschen Nationalmannschaft danach immer langweiliger und das Turnier in Österreich und der Schweiz, zu dem man ja als Favorit angereist war, nicht gewonnen wurde – ja, warum eigentlich schon im Viertelfinale Schluss hätte sein müssen, hätte man Portugal nicht am falschen Fuß erwischt. Das Duo Klinsmann und Löw war eine perfekte Symbiose: Was dem einen an Charisma fehlte, fehlte dem anderen an Spielintelligenz. Zu zweit waren sie jedoch perfekt: Löw stellte die Mannschaft für das Gehirn ein, Klinsmann für das Herz. Was jedoch nichts daran ändert, dass Klinsmann kein Trainer ist. Er ist ein Motivator, ein Heißmacher, der es versteht, eine Mannschaft auf den Punkt hin so einzustellen, dass der schnelle Erfolg gegeben ist. Nachhaltig ist das aber nicht. Klinsmann braucht einen Mann neben sich, der den modernen Fußball versteht und ihn vermitteln kann. Er selbst hat noch nie zeigen müssen, dass er Krisensituationen innerhalb einer Gruppe überstehen muss, mit der er permanent arbeitet. Natürlich, er hatte auch als Teamchef herbe Pleiten hinzunehmen, wie das 1:5 in Rumänien oder das 1:4 in Italien. Aber nach diesen Spielen sah sich die Mannschaft wochenlang nicht, die Spieler konnten sich in den Vereinen wieder Selbstvertrauen holen.

Klinsmann erkaufte sich Zeit in der Vorbereitung.

Dass der einzige Grund für das Aufstellen der Buddha-Figuren war es, die Medien und die Fans zu beschäftigen, damit diese sich mit diesem in Wahrheit völlig belanglosen Nebenschauplatz beschäftigen konnten, während Klinsmann selbst daran ging, der Mannschaft seine Philosophie ungestört näher zu bringen. Klinsmann weiß, dass die Mehrheit der Fans im Grunde keine Ahnung vom Fußball haben und den Köder der Buddha-Figuren widerstandslos schlucken werden, und der wahren Arbeit einer Vorbereitung (noch dazu einer schwierigen, da einige Spieler nach der EM konditionell anders aufzubauen waren als die anderen) mit Desinteresse gegenüberstehen. Bevor also die Medien tatsächlich über das Sportliche berichteten, wären Diskussionen, die jetzt breitgetreten werden, der Mannschaft schon in der Vorbereitung störend vor die Nase gehalten worden. Wie die Feststellung, dass Lukas Podolski sich (mangels Intellekt?) seit Jahren nicht in das Spiel der Bayern einfügen will, sondern erwartet, dass sich selbiges um ihn herum gestaltet. Weshalb er sich (was ihm garantier nicht helfen wird) über die Medien beschwert, und die Debatte wieder in eine andere Richtung als die Eigentliche zielt. Nun ist nämlich in der öffentlichen Darstellung nicht Podolski der Schuldige, weil er auf dem Spielfeld in seiner genzenlosen Selbstüberschätzung nur dann bereit ist, daran auch tatsächlich teilzunehmen, wenn der der Star auf dem Spielfeld ist, sondern Klinsmann – weil der den Nationalhelden Podolski deshalb völlig zu recht nicht einsetzt.

Das beschädigt Klinsmann öffentlich.

Weil er in diesem Fall zwar richtig handelt, ihm das aber in der öffentlichen Darstellung rein gar nichts hilft, geht Klinsmann zwangsläufig als Verlierer aus dem Ring. Wenn dann noch solche Desaster-Spiele wie das 2:5 gegen Bremen hinzukommen, in denen sich vor allem die vorsintflutliche Dreierkette anstellt wie Schuljungen, und die Mannschaft keinen geeigneten Plan B haben, sich am eigenen Schopf aus dem Dreck zu ziehen, sind solche Spiele die logische Folge. Weil man sich nach dem erzitterten 1:0 in Bukarest in die eigene Tasche log, als man sich am richtigen Weg wähnte. Dass man sich die Zitterei in Rumänien erspart hätte, wenn man erst nach einem zweiten Tor das Fußballspielen einstellt, fiel unter den Tisch. Ein Borowski und ein Oddo (die einzigen, die sich gegen Bremen nicht von der kollektiven Unsicherheit anstecken ließen) wohl auf Sicht die bessere Lösung als der unkontrollierbare Van Bommel und der unterbelichtete Lell, sollte Klinsmann gegen Bremen gesehen haben können. Wenn er aber – womit zu rechnen ist – dennoch weiterhin an Van Bommel und Lell festhält, wird ihm das in der Mannschaft mit wachsender Unzufriedenheit und Autoritätsverlust gedankt werden. Ein Verein ist eben keine Nationalmannschaft, in der man sich Reservisten mit Einsätzen in Freundschaftsspielen bei der Stange hält.

Diese Kombination aus medialem Gegenwind und interner Unruhe ist für einen Trainer tödlich – daran scheiterte Magath.

Haben sich die Medien einmal auf Klinsmann eingeschossen, wird es für ihn eng. Denn die Mannschaft spielt hier nicht bei einem einmaligen Erlebnis wie einer Weltmeisterschaft im eigenen Land, sondern um eine profane Meisterschaft. Nach dem Motto: Wenn wir dieses Jahr nicht Meister werden, dann haben wir nächstes Jahr die nächste Chance. Und wenn das mit einem anderen Trainer angegangen wird – auch recht. Reservisten würde das nicht einmal belasten, bei neuen Chefs auf der Bank steigen die eigenen Chancen auf Einsätze. Und wenn alle Stricke reißen, dann wechselt man eben den Verein – eine Option, die die 23 Spieler vor der Heim-WM nicht hatten. Da gab es nur ein hier und jetzt, mit dieser Mannschaft, und es gab keine Ausflüchte. Es ist wesentlich leichter, Spieler in einer solchen Situation zu motivieren, als im ständig wiederkehrenden Liga-Alltag. Darum verpuffte diese Motivation im Spiel gegen Bremen auch wirkungslos – es ist nur ein Spiel von 33, es ist absolut kein Drama, ein Spiel auch mal hoch zu verlieren. Man wird eine eine Woche als Depp des Tages durchs Dorf getrieben, und dann hat sich die Geschichte wieder erledigt. Wenn der Cup einmal nicht gewonnen wird – egal, nächstes Jahr gibt’s ja auch einen. Und weil Klinsmann ein Motivator ist, aber kein Mann für nachhaltig spielintelligente Aufbauarbeit, wird er sich nicht dauerhaft bei den Bayern als langfristiger Erfolgsgarant etablieren können.

Und es muss nicht einmal eine eventuelle sportliche Talfahrt sein, die zu einem Ende der Zusammenarbeit führt.

Frag nach bei Otto Rehhagel und Felix Magath.

(phe)

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