Kanada – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 23 Aug 2021 10:27:50 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Olympia in Japan: Wildes Turnier als große Zäsur https://ballverliebt.eu/2021/08/23/olympia-in-japan-wildes-turnier-als-grosse-zaesur/ https://ballverliebt.eu/2021/08/23/olympia-in-japan-wildes-turnier-als-grosse-zaesur/#comments Mon, 23 Aug 2021 10:27:48 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17772 Olympia in Japan: Wildes Turnier als große Zäsur weiterlesen ]]> Was für ein chaotisch-schönes Turnier – und so viele Aspekte und Storylines, die sich daraus ergeben. Nicht die WM vor zwei Jahren wird die große Generationen-Zäsur sein, auch nicht die Corona-Pandemie, die im Frauenfußball für noch viel größere Löcher gesorgt hat als bei den Männern. Sondern es ist dieses Olympia-Turnier in Japan.

Hier ist so viel Entwicklung hineinkulminiert, so viele unerwartete Twists haben sich ergeben und so viele Keimzellen für Neues sind entstanden. Vom überraschenden Gold-Gewinner Kanada bis zum erfrischenden Debütanten Sambia, von der Schwedischen Renaissance über die bröckelnde USA-Dominanz bis zum chinesischen Team, von dem nur Ruinen übrig sind.

Amerikanischer Umbruch – aber mit wem?

Eine taktische Maßnahme, die gut gemeint ist, geht nach hinten los und der Gegner bohrt die Schwächen an, nützt sie aus und gewinnt 3:0. An sich ist so etwas nicht ungewöhnlich und kann schon mal passieren. Wenn es aber dem Frauen-Team der USA passiert, das die letzten zehn Jahre beinahe nach Belieben dominiert hat, bekommt ein Match wie das allererste des haushohen Favoriten bei diesem Turnier eine geradezu seismische Dimension.

Die übelste Zurichtung des USWNT seit dem 0:4 im WM-Halbfinale von 2007 gegen Brasilien hat den Ton für das ganze restliche Turnier gesetzt, das Teamchef Vlatko Andonovski, Nachfolger von Doppel-Weltmeisterin Jill Ellis, mit massiv ramponiertem Standing hinterlässt. Was war passiert? Aus dem üblichen 4-3-3 ließ er einen der Achter auf die Zehnerposition nach vorne schieben.

Erstes Gruppenspiel: Schweden besiegt die USA 3:0 (1:0)

Dadurch wurden die Flügelstürmerinnen aber weiter nach außen gedrängt, was das üblicherweise sehr gute Zusammenspiel der Front-Three massiv behinderte. So konnte das US-Team kaum Bälle im Angriffsdrittel festmachen, gleichzeitig hetzte Schweden die per Notlösung zur Außenverteidigerin umgeschulte Stürmerin Crystal Dunn von einer defensiven Verlegenheit in die nächste.

Nach dem Katastrophen-Start schleppte man sich ins Halbfinale gegen Kanada, wo man es mit viel Kopf durch die Wand und ohne viel Zusammenspiel versuchte und ein drittes Mal im fünften Spiel ohne eigenen Treffer blieb. Gegen Australien im Bronze-Spiel rettete man ein 4:3. Und jetzt?

Morgan oder Lloyd? Rapinoe oder Heath? Press oder Williams? Vorne tauschte Andonovski wild durch. So entstand kein Rhythmus

Bei einem erfolgreichen Olympia-Turnier wäre es völlig selbstverständlich gewesen, dass dieses Team in dieser Besetzung auch die WM noch macht. Das olympische Fiasko aber – und das war dieses Turnier für die USA ohne Frage – stellt dieses Vorhaben in Frage. Einerseits.

Denn andererseits hat die einzige junge Spielerin, die in Japan wirklich Einsatzzeit bekommen hat – Verteidigerin Tierna Davidson – im Halbfinale den entscheidenden Elfmeter verschuldet und im Bronze-Spiel mit einem haarsträubenden Querpass vor dem eigenen Strafraum den zwischenzeitlichen Ausgleich ermöglicht. Catarina Macario, das von WoSo-Krösus Lyon aufgeschnappte Nachwuchs-Juwel, bekam ein paar Minuten gegen Neuseeland. Und die drittjüngste Spielerin im Kader war schon Rose Lavelle mit ihren 26 Jahren.

Das Jahr 2020 hat die NWSL coronabedingt de facto komplett verloren, damit auch junge Spielerinnen die (theoretische) Chance auf Einsatzzeit. Es kommt aber auch kaum was nach. Vom 21-köpfigen Kader, der 2018 bei der U-20-WM war und in der Vorrunde gescheitert ist, sind aktuell nur vier überhaupt Stammkräfte in der amerikanischen Liga (Smith, Hiatt, Fox und Sanchez). Mehr als steckengebliebene Talente (Pugh) und Mitläuferinnen bei Liga-Klubs ist in den Jahren davor auch nicht gewesen. Mit Carli Lloyd ist der erste Stein schon aus der Mauer gefallen. Die Heldin des WM-Triumphs von 2015, gerade 39 Jahre alt geworden, hat ihr Karriereende nach der laufenden Saison angekündigt.

Die Generation um Rapinoe, Morgan, Sauerbrunn und Co. wird die WM 2023 wohl noch machen. Aber es fühlt sich nach diesem Turnier eher nach Mangel an Alternativen an, weniger nach der historischen Chance, dass die Truppe in dieser Besetzung den historischen WM-Threepeat quasi im Vorbeigehen mitnimmt – fast genau zehn Jahre nach der Geburtsstunde dieser Generation mit „THAT Goal“ in Dresden.

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Kanada: Wie einst Portugal

2016 in Rio war Kanada das beste Team des Turniers, brachte die PS aber im Halbfinale gegen Deutschland nicht auf den Boden und musste sich mit Bronze begnügen. Der Titelgewinn nun fühlt sich ein wenig an wie jener von Portugals Herren bei der EM 2016: Eher so ein wenig für das Lebenswerk, begünstigt von äußeren Umständen, mit nicht gerade attraktivem Defensiv-Fußball und mit dem ersten großen Titel für den großen, alternden Star (damals Ronaldo, jetzt Sinclair).

Erster großer Titel: Kanada

Dabei kann das Team von Neo-Teamchefin Bev Priestman, die jünger ist als ihr Superstar Sinclair, kräftig danke sagen. Danke, dass Japan es verbockt hat und man so Gruppenzweiter wurde. Dass man damit im Viertelfinale nicht auf Schweden traf, sondern ein brasilianisches Team, dem genauso nichts einfiel wie Kanada selbst. Dass man im Halbfinale die USA traf, die das schlechteste Turnier seit sicher über einem Jahrzehnt gespielt hat. Dass Schweden im Finale zwar überlegen war, aber man eben – wie schon beim 0:0 gegen Brasilien und dem 1:0 über die USA – standhielt und im Shoot-Out die etwas weniger schlechten Elfmeter fabrizierte.

Eine Feel-Good-Story oder der Beginn einer großen Zeit für Vanessa Gilles, Jessie Fleming, Janine Beckie und Co.? Mal sehen.

Schweden: Ja, aber doch… leider nein

Ja, Schweden. „Die Farbe der Medaille mag sich gegenüber 2016 nicht verändert haben“, meinte Englands Frauenfußball-Lexikon Sophie Lawson nach dem Turnier, „aber diese beiden Teams sind Welten voneinander entfernt!“ Schweden, Finalist von Rio 2016, ist als Mitfavorit ins Turnier gegangen und setzte mit dem zuvor erwähnten 3:0 über die USA sofort ein Zeichen. Es folgte ein 4:2 über Australien, ein 2:0 der B-Elf gegen Neuseeland. Im Viertelfinale kickte man Japan aus dem Turnier. Als einziges Top-Team hatte Schweden aber sowas von abgeliefert.

Hauchdünn am verdienten Titel vorbei geschrammt

Aber was passierte dann? Es schien, als hätte man – wie Kanada 2016 – im Halbfinale plötzlich realisiert, dass man ja wirklich das beste Team war und das Gold vermeintlich zum Abholen bereit lag. Sowohl im Halbfinale gegen Australien (1:0) als auch im Finale gegen Kanada (1:1) war Schweden das bessere Team, aber die Souveränität war weg, der Schwung, die Überzeugung in sich selbst. Vielleicht auch die Puste? Alle drei Tage ein Spiel, und es ist keine junge Truppe mehr.

Das finale Elfmeterschießen war ein Clusterfuck, Caroline Seger verballerte den vermeintlich siegbringenden Schuss, gerade Seger, die große Alte Dame. Aber niemand hat gut geschossen.

Und doch, dem verpassten Titel zum Trotz, darf Schweden das olympische Turnier als Erfolg betrachten, weil man – anders als in Rio – nicht im ultra-defensiven Survival-Modus mit nur einem Sieg nach 90 Minuten zu Silber geschlichen war. Pia Sundhage hatte das Team bis 2015 kaputt gemacht und bis 2017 jegliches Leben aus der Truppe heraus gesaugt. Peter Gerhardsson hat aus dem Scherbenhaufen eine Mannschaft gemacht – nicht ohne Umwege, aber doch – die legitim als Top-3 in der Welt zu betrachten ist.

Holland: Vorne irre, aber ohne Sechser ist es schwer

Ob das auch Europameister und WM-Finalist Holland ist, kann man nicht eindeutig behaupten. Denn das Abschiedsturnier von Sarina Wiegman stand ganz im Zeichen des verletzungsbedingten Fehlens von Sechser Sherida Spitse.

So mussten die Niederlande ohne eine echte defensive Mittelfeldspielerin ran. Roord und Groenen sind spielgestaltende Achter, aber keine Balleroberer und das merkte man. Zehn Tore gegen Sambia, drei gegen Brasilien, nochmal acht gegen China. Nach vorne: Ein Hammer. Die Wahrheit ist aber auch, dass schon die drei Gegentore beim 10:3 gegen Sambia die Alarmglocken schrillen lassen mussten.

Ohne echten Sechser gab es 10 Gegentore in 4 Spielen

Eben drei Gegentore gegen Sambia und Brasilien, nochmal zwei gegen China: Ohne Deckung aus dem Mittelfeld stand die Abwehr eher hilflos da. Aniek Nouwen (die zu Chelsea geht) ist großartig in der Eröffnung, aber wenn da schnelle Gegenspielerinnen mit Tempo durch den freien Raum gelaufen kommen, waren sie und Stefanie van der Gragt machtlos.

So wurde die WM-Final-Revanche gegen die USA im Viertelfinale eben nicht eine glanzvolle Revanche und das aufgelegt beste Spiel des Turniers, sondern ein nervöses Fehlpass-Festival zweier Teams, die wussten, dass ihnen ein wichtiger Teil ihres Spiels fehlte – hier der Fels auf der Sechs, an der alles abprallt, dort das Selbstverständnis im Angriff, das durch allzu viel Rotation und eine ungewohnte Formation zerschossen wurde. Lieke Martens hatte zehn Minuten vor Schluss den Sieg am Fuß, sie verschoss aber einen Strafstoß. Es blieb beim 2:2, die USA gewann das Elfmeterschießen.

So wurde Sarina Wiegmans letztes Hurra als Bondscoach weder ein Erfolg noch ein Fehlschlag, sondern ein unbefriedigendes Was-wäre-wenn-Turnier, 23 Toren in vier Spielen zum Trotz. Mark Parsons, übernehmen Sie – und ja, die Aussicht auf den Erfolgstrainer der Portland Thorns in Europa ist überaus attraktiv. Es spricht auch für die Zugkraft des Angebotes, denn das Traineramt im Frauenfußball-Mekka Portland kann durchaus als das so ziemlich attraktivste der Welt angesehen werden.

Japan: Unter dem Druck erstarrt

Asako Takakura ist in den letzten fünf Jahren full-circle gegangen: 2016 hat sie Weltmeister-Trainer Norio Sasaki ersetzt, nachdem Olympia in Rio mit einer überalterten Truppe kläglich verpasst wurde. Ihre Aufgabe: Für Olympia in Tokio ein neues, junges, schlagkräftige Team aufbauen und dort möglichst Gold holen. Bei der WM 2019 sah das schon gut aus und man scheiterte als besseres Team mit viel Pech im Achtelfinale. Und nun? Ein Murksturnier und das Ende mit Ansage im Viertelfinale.

Der Verband hat es noch nicht offiziell bestätigt, aber die japanischen Spatzen pfeifen Takakuras Rauswurf von den Dächern. Futoshi Ikeda, ihr Nachfolger als U-20-Trainer, wird demnach auch ihr Nachfolger als Teamchef der Nadeshiko.

Was war passiert? Das 1:1 im Auftaktspiel gegen Kanada war eigentlich recht passabel. Man geriet früh in Rückstand, kann passieren, man war letztlich nur einen in der Schlussphase vergebenen Elfmeter vom Sieg entfernt. Der eigentliche Knackpunkt war das zweite Spiel gegen das Team GB. Takakura räumte völlig um: Hasegawa statt links plötzlich vorne, Einser-Stürmerin und England-Legionärin Iwabuchi nicht mal eingewechselt, dafür Sechser Hina Sugita auf der linken Außenbahn – mutmaßlich als Bremse für Englands Offensiv-Außenverteidigerin Lucy Bronze.

Das Spiel plätscherte vor sich hin und Japan war offenkundig zufrieden damit, die Britinnen zu kontrollieren, was an sich gut klappte. Bis man in der 74. Minute ein halbes Eigentor produzierte und 0:1 verlor. Damit brauchte es gegen Chile mutmaßlich einen Sieg, und es folgte eine unsagbar schlechte Vorstellung, unzusammenhängender Murks. Hasegawa war nun rechts, es spielte die dritte Linksverteidigerin im dritten Spiel, Stabilisator Nakajima blieb draußen, es ist einfach alles in sich zusammen gebrochen. Sicher ist Chile ein unguter Gegner, aber die hatten kaum Mühe, das 0:0 zu halten.

Man quälte sich zu einem späten 1:0-Sieg, aber im Viertelfinale stand Schweden da. Es gab auch tatsächlich eine vorzeigbare Leistung, sicher die beste im Turnier, aber als Japan beim Stand von 1:2 einen sehr soften Hand-Elfmeter hinnehmen und das 1:3 schlucken musste, war es vorbei.

Die Nadeshiko verfügen über sehr viel Talent und sind an guten Tagen so gut wie unschlagbar. Was Takakura aber nicht geschafft hat war, solche guten Tage regelmäßig produzieren zu lassen. Grandiose Vorstellungen wechselten sich mit kompletten Desaster-Tagen ab. Nach dem unglücklichen Punktverlust gegen Kanada drückte Takakura den Panik-Button und verunsicherte ihr Team zusätzlich. Das olympische Heim-Turnier war ein kompletter Fehlschlag.

Australien: Plötzlich gut dabei

Der Co-Gastgeber des nächsten Welt-Turnieres, der WM 2023, machte es genau anders als Japan: Vor Olympia musste man Schlimmes befürchten, aber Australien wurde mit jedem Spiel besser, gefestigter, mutiger, man stieß erstmals überhaupt in ein großes Halbfinale vor und verpasste Bronze nach einem wilden 3:4 im kleinen Finale gegen die USA nur knapp.

Australien ist immer besser geworden

Der Wechsel zum 3-4-3 vor einigen Monaten hat die davor besorgniserregend offene Defensive massiv stabilisiert, aber nach vorne ist nicht viel gegangen. Nun, mit einigen Spielen in kurzer Zeit, hat sich auch das gebessert. Es half, dass man mit dem 2:1-Sieg über Neuseeland schon nach dem ersten Match das Minimalziel Viertelfinale de facto gebucht hat. Man gab Schweden beim 2:4 einige Hausaufgaben und erreichte gegen das (zugegeben gerade in diesem Spiel sehr ambitionslose) US-Team problemlos ein 0:0. Das Viertelfinale gegen GB war aber wohl die eigentliche Geburtsstunde von Gustavsson-Australien.

Man ging zunächst in Führung, ehe England+ zwei Schnitzer nützte und 2:1 in Front ging – dann aber zu früh abstellte. Australien roch den Braten, ging aufs Ganze, glich noch aus und gewann nach Verlängerung. Und schwupps, plötzlich stand man im Halbfinale, wo man wiederum Schweden vieles abverlangte. Am Ende reichte es zwar nicht für eine Medaille, aber die Matildas gehören zu den klaren Gewinnern von Tokio.

Team GB: Muster ohne Wert

Ein britisches Team, das an sich das bessere in dem Match ist, zurecht führt, aber zu früh abschaltet und dafür bestraft wird. Klingt vertraut? Wie es Englands Herren im EM-Finale gemacht haben, hat es auch England+ beim olympischen Frauen-Turnier gemacht. Nur halt schon im Viertelfinale. Keine Medaille also.

England plus zwei Schottinnen (Little und Weir) und einer Waliserin (Ingle), die zweimal auf der Sechs startete.

Aus englischer Sicher war dieses Turnier immer ein Extra ohne Aussagekraft. Die drei Fremd-Spielerinnen, vor allem Little und Weir, werteten das Zentrum massiv auf, aber sie stehen als Schottinnen dem englischen Team danach nicht mehr zur Verfügung. Hege Riise war immer eine Interims-Lösung, zwischen dem zunehmend überforderten Phil Neville (als er zu Spezi Beckham nach Miami ging, lachten sie sich bei der FA einen Holzfuß, ihn so billig los zu sein) und Sarina Wiegman, die erst nach Tokio übernimmt.

Riise vertraute einem starken Block von Vizemeister Man City, war logisch ist, weil hier 80 Prozent der Einsatzzeit auf Engländerinnen fällt (verglichen mit 28% bei Meister Chelsea und 26% beim Dritten Arsenal); auch Caroline Weir spielt bei City. Team GB kam zu einem Arbeitssieg gegen Chile, bekam von Japan in einer 0:0-Partie den Sieg geschenkt und im letzten Gruppenspiel gegen Kanada durch ein spätes Eigentor das 1:1.

Auch gegen Australien war England+ nicht aufregend, aber grundsolide, ohne große Schnitzer, durchaus eingespielt und auf dem Weg zum Sieg. Bis man eben zu früh abdrehte und in der Verlängerung ein abgefälschtes Zufalls-Tor kassierte. Shit happens. Was bleibt? Nicht viel.

China: Blamage mit Anlauf

„Nicht viel“ ist es auch, was von den Steel Roses bleibt. „Eine Viertelfinal-Niederlage gegen die USA wäre zu verkraften. Ein Vorrunden-Aus, weil man es gegen Sambia verdaddelt hat, wäre hingegen ausgesprochen peinlich“, hieß es in unserer Turnier-Vorschau. Und China, äääh…. hat genau das geschafft. Unglaublich aber wahr: China, das stolze China, landete in seiner Gruppe sogar HINTER Sambia. Gerade mal so gegen den Debütanten nicht verloren, beim 4:4. Davor ein 0:5 gegen Brasilien. Und dann ein 2:8 gegen Holland. Acht!

Das völlig umformierte und vor allem defensiv komplett überforderte Team aus China

Olympia war für China eine Blamage mit Ansage, wiewohl das Ausmaß der sportlichen Katastrophe dann doch etwas gar extrem daher kam. Der Kader wurde für das Turnier auf den Kopf gestellt, viele neue Spielerinnen ohne internationale Erfahrung wurden nominiert und auch eingesetzt. Es gab gerade in der Offensive phasenweise gute Strecken – wie in der ersten Hälfte gegen Sambia – aber die Defensiv-Strukturen waren nicht vorhanden und vor allem gegen hohes Tempo war China heillos überfordert.

Den Sinn dahinter, neue Kräfte für ein Welt-Turnier zu nominieren, die noch nie in Nationalteam waren, wenn coronabedingt ohnehin niemand mehr als zehn Spiele in den letzten anderthalb Jahren in den Beinen hat, ist hinterfragenswert. Ebenso, ob es überhaupt die Entscheidung von Teamchef Jia Xiuquan war, zumal es heißt, er wäre kaum mehr als ein „ausführender Trainer“ ohne echte Entscheidungsgewalt. So oder so lässt einen China etwas ratlos zurück.

Brasilien: Old Girls On The Block

Wenn Pia Sundhage wirklich einen Generationswechsel bei Brasilien moderieren soll – und bei ihren bisherigen Stationen hat die Star-Trainerin diesen stets konsequent verweigert – wird er wohl bestenfalls „Step by Step“ geschehen, nicht „Tonight“. Beim olympischen Turnier war von großen Änderungen gegenüber ihrem mittlerweile verstorbenen Vorgänger Vadão nicht viel zu sehen.

Es waren die selben Namen wie immer – Himmel, sogar Formiga war mit ihren 43 Jahren immer noch dabei. Es war auch dieselbe Spielweise wie immer: Stabil im Zentrum, nach vorne auf den Außenbahnen. Immer ein wenig uninspiriert, immer getragen von individueller Qualität (vor allem von Marta, Debinha und Tamires). Immer noch ohne den echten Punch, wenn der Gegner defensiv etwas drauf hat. Das Viertelfinale gegen Kanada waren 120 nur sehr schwer ertragbare Minuten.

Das Durchschnittalter betrug 31,8 Jahre, selbst die gefühlt relativ neuen Kräfte wie Debinha und Beatriz gehen schon auf die 30 zu. Die Jungen, die beim SheBelieves-Cup im Februar mal große internationale Luft schnuppern haben dürfen, bekamen entweder Mini-Einsätze (Giovana, Julia Bianchi) oder waren gar nicht erst im Tokio-Kader dabei (Ivana Fuso, Tainara). Wo sonst, wenn nicht jetzt in Japan hätte Sundhage etwas mehr einbinden können? Angesichts des Chaos bei China war ein Vorrunden-Aus ohnehin praktisch ausgeschlossen.

Für Brasilien war es im doppelten Sinn ein verlorenes Turnier. Weder spielte man seriös um eine Medaille mit, noch trieb man die dringend nötige Verjüngung voran.

Neuseeland: Anwesend.

Neben Australien ist auch Neuseeland Ausrichter der WM in zwei Jahren und für die Ferns waren die drei Spiele in Japan ihre überhaupt ersten seit dem Corona-Ausbruch vor eineinhalb Jahren. Wie gewohnt saß man die drei Partien mehr oder weniger ab, man ließ das Spiel der überlegenen Gegner über sich ergehen (1:2 gegen Australien, 1:6 gegen die USA, 0:2 gegen Schwedens B-Elf), ohne an die eigenen Chancen zu glauben.

Erst 5-4-1, dann 4-4-2, aber stets nur auf Schadensbegrenzung aus

Mehr war angesichts der nicht vorhandenen Möglichkeiten einer Vorbereitung nicht zu erwarten, aber in den nächsten zwei Jahren wird man kräftig Gas geben müssen. Sobald der Nachfolger für Tom Sermanni in Amt und Würden ist, gibt es noch 12 Länderspiel-Fenster bis zur Endrunde. Es gilt weiterhin, dass Neuseeland eine vernünftige erste Elf stellen kann, es aber kaum Alternativen gibt. Es wird Testgegner auf Augenhöhe brauchen – also nicht die USA oder Australien, aber auch nicht Fidschi und die Salomonen, wie üblicherweise in der Qualifikation – und eine aktivere Spielidee, die man dann auch durchzieht. Nicht wie Sermanni, der bei der WM 2019 Angst vor der eigenen Courage bekommen hat.

Und: Lockerere Reisebestimmungen könnten helfen, schließlich sind von den Spielerinnen Nr. 15 aufwärts praktisch alle in Australien und Neuseeland aktiv. Beide Länder schotten sich bekanntermaßen komplett von der Corona-Außenwelt ab.

Chile: Wieder ein guter Eindruck

Auch alle drei Spielen verloren, aber einen deutlich gefestigteren Eindruck als Neuseeland hat Chile hinterlassen. Gut organisiert, für jeden Gegner eine eigene Idee – gegen Japan ging man es in einem 5-2-1-2 an, mit dem die Nadeshiko überhaupt nicht zurecht kam – und mittlerweile auch mit einer gewissen Routine auf der Weltbühne.

Chile: Unangenehm für jeden Gegner

Und natürlich verfügt Chile auch über eine Top-Torhüterin in Person von Christiane Endler. Trainer José Letelier hat weiterhin einen patente Truppe beinander, die das Maximum aus den Möglichkeiten herausholt. Der langsam etwas alternde Kader, seit dem überraschenden zweiten Platz bei der Südamerika-Meisterschaft 2018 praktisch unverändert, hat das WM-Turnier in zwei Jahren noch drin. Aber mittelfristig wird es davon abhängen, was nachkommt – sonst bleibt es eine gute Generation und Chile verschwindet wieder von der Bildfläche.

Sambia: Hinten naiv, vorne aufregend

Einen ausgesprochen erfrischenden Auftritt hat der afrikanische Vertreter aus Sambia hingelegt. Als bestenfalls fünft- oder sechstbestes Team vom Kontinent eher durch Zufall für Olympia qualifiziert, spielte man flockig-frech nach vorne. Alleine in den ersten beiden Spielen gegen Europameister Holland und das chinesische Team erzielten die flinken Stürmerinnen aus Sambia sieben (!) Tore und beinahe hätten sie gegen China sogar gewonnen.

Sambia: Flink und gefährlich vorne, ziemlich naiv hinten

Die andere Seite der Medaille war, dass man bei allem Drang nach vorne hinten oft haarsträubend offen war. Zehn Gegentore gegen Holland, nochmal vier gegen China (und alleine in der ersten Hälfte hätten es da schon fünf oder sechs sein müssen) – ja, der Grat zwischen mutig und naiv ist ein schmaler. Aber wenn schon sonst nichts, hat man sich und den Frauenfußball in der Heimat mal auf die Landkarte gebracht.

Wie es jetzt weitergeht

Corona als Ganzes und auch die damit einhergehende Olympia-Verschiebung um ein Jahr hat den ganzen Kalender ein wenig durcheinander gewirbelt.

In Europa steht im Sommer 2022 die ebenso um ein Jahr verschobene EM an. Österreich ist mit dabei und im dritten Topf, die Auslosung für die Endrunde in England erfolgt Ende Oktober. Schon davor startet im September die reguläre Qualifikation für die WM 2023 in Australien und Neuseeland. Europa hat elf Fixplätze und einen im interkontinentalen Playoff, Österreich ist in der Gruppe u.a. mit den EM-Teilnehmern England und Nordirland.

In der Nord- und Mittelamerika-Zone wurden WM-Quali für 2023 und Olymia-Quali für Paris 2024 zusammengelegt, statt in zwei separaten Turnieren ausgespielt zu werden. Wie es die Concacaf-Chefitäten geschafft haben, diese Streichung eines ganzen Turniers mit einer Steigerung an Spielen zu verkaufen, ist ein mathematischer Extrem-Stunt, auf den jeder Finanzminister dieser Welt stolz wäre.

In Asien geht es im September mit der Quali für den Asien-Cup in Indien im Jänner 2022 los, der wieder als WM-Quali (Australien plus fünf Fix-Tickets) dient. Running Gag: Nordkorea wäre nach der Doping-Sperre für 2015 und der Strafversetzung in den letzten Lostopf für 2019 nun wieder gesetzt gewesen, hat die Teilnahme aber auch schon wieder zurückgezogen.

In Afrika geht es nächstes Jahr in Marokko um die kontinentale Meisterschaft und um vier direkte WM-Tickets; das Feld wurde von acht auf zwölf Teams aufgestockt. Südamerika spielt kommendes Jahr ebenfalls kontinental-Meisterschaft/WM-Quali, wo weiß man noch nicht, aber es geht um drei Fix-Tickets. Und das mit Ozeanien wird im Sommer 2022 nur funktionieren, wenn sich an der Corona-Lage etwas ändert. Es geht um einen Platz im interkontinentalen Playoff, Neuseeland ist als WM-Gastgeber ja ohne Qualifikation mit dabei.

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Die CONCACAF-Teams bei der WM 2018: Alles wie immer, nur ohne die Amis https://ballverliebt.eu/2018/07/05/concacaf-wm-2018-mexiko-costa-rica-panama-usa/ https://ballverliebt.eu/2018/07/05/concacaf-wm-2018-mexiko-costa-rica-panama-usa/#comments Thu, 05 Jul 2018 20:46:10 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=14982 Die CONCACAF-Teams bei der WM 2018: Alles wie immer, nur ohne die Amis weiterlesen ]]> Mexiko brachte mal wieder ein wunderbares Team, das einmal mehr im Achtelfinale scheiterte. Costa Rica agierte wie vor vier Jahren, nur älter und weniger konkret. Und Panama war froh, überhaupt dabei zu sein. Alles also wie gewohnt, nur eben ohne die Amerikaner: Das wäre, kurz gefasst, die WM 2018 aus Sicht der Nord- und Mittelamerikaner.

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LINK-TIPP: Die CONCACAF-Teams bei der WM 2014

Mexiko: Es war mehr möglich

Mit viel Kritik im Gepäck war Juan Carlos Osorio zur WM gefahren. Zu riskant das Spiel, zu wild sein Benehmen an der Seitenlinie, und, das größte Sakrileg von allen: Er ist kein Mexikaner, sonder Kolumbianer.

Dann führt sein Team eine Halbzeit lang Deutschland vor. Bohrte gnadenlos die Schwächen an, benützte Zehner Vela als Manndecker für Kroos. Gewann mit 1:0, legte den Grundstein für einen Gruppensieg – und Osorio war neben Jungstar Lozano, der das Tor erzielt hatte, der Held. Auch im zweiten Spiel gegen Südkorea lief es gut: Mexiko war dominant, würgte auch zwei Tore rein, gewann wieder. Endlich mal, mit der Aussicht auf die Schweiz im Achtelfinale, sollte doch mal diese vermaledeite erste K.o.-Runde überstanden werden.

Und dann das. Im dritten Spiel gegen Schweden war Mexiko zwar wieder dominant, fand aber keinen Zugriff auf den Strafraum. Der Gegner machte es clever, kontere Mexiko gnadenlos aus, die Mexikaner fielen in sich zusammen. Nach dem 0:3-Desaster war man zwar als Gruppenzweiter im Achtelfinale, aber dort wartete nicht die Schweiz, sondern Brasilien. Die Seleção war zu abgebrüht, zu clever, zu gut. Mexiko verlor 0:2, war wieder im Achtelfinale ausgeschieden. Wie seit 1994 immer, nun zum siebenten Mal.

Und fast jedesmal ist das Fazit das selbe gewesen: Gute Anlagen, schön anzusehendes Spiel, ordentliche individuelle Qualität. Aber wenn es ins K.o.-Spiel geht, sind die anderen halt doch besser, glücklicher, was auch immer. Gut möglich, dass man die Schweiz besiegt hätte, sicher leichter als Brasilien. Aber: Mexiko hat es sich selbst verbockt, mit dem Kollaps gegen Schweden.

Costa Rica: Keine spielerische Substanz

Solange man kontern kann, ist alles gut. Bei der WM vor vier Jahren funktionierte die Spielidee von Costa Rica hervorragend: Uruguay ausgekontert (3:1), Italien entnervt (1:0), in Unterzahl gegen Griechenland ins Elferschießen gerettet und dann auch noch die Holländer 120 Minuten zu null gehalten.

Vier Jahre nach dem Viertelfinale war das Spielprinzip grundsätlich das selbe. Nur: Schon im ersten Spiel wurde offensichtlich, dass die Ticos seither nur älter wurde, aber nicht besser. Einmal im Rückstand, war im Spiel gegen Serbien genau überhaupt keine spielerische Substanz da. Das Spiel ging verloren. Gegen Brasilien blieb man länger ohne Gegentor, bis in die Nachspielzeit, verlor dann aber erneut. Damit war das Turnier schon vorbei.

Dass es Costa Rica grundsätzlich sehr wohl drauf gehabt hätte, zumindest um einen Achtelfinalplatz zu kämpfen, zeigte das letzte Spiel gegen die Schweiz. Hier wurde von Beginn an Druck gemacht, indem die Räume gezielt gesucht und auch mit Tempo angespielt wurden. Man verdiente sich das 2:2, aber mehr als Kosmetik war das auch nicht.

Der auslaufende Vertrag von Trainer Óscar Ramírez – als Spieler war er einer der Helden, die beim WM-Debut 1990 die Schweden eliminierten und ins Achtelfinale einzogen – wird nun nicht verlängert, eine erhebliche Anzahl von Spielern hat altersbedingt ebenso keine große Perspektive mehr.

Panama: Gekämpft, aber nicht WM-reif

Kein Team bei der WM hat mehr Gegentore kassiert. Das ist kein Zufall, es hat auch kein Team bei der WM einen höheren xG-Wert bei Gegentoren angehäuft. So tapfer sich die Panamaer auch gewehrt haben: Sie waren das schlechteste Team dieses Turniers, es hilft alles nichts.

Gegen die schaumgebremsten Belgier haben sie noch eine Halbzeit lang ihren Kasten sauber halten können. Sobald Belgien aber mal in Führung gelegen ist, wurde deutlich, dass das Tempo einer Spitzenmannschaft deutlich zu hoch für Panama war. Die Abwehr-Arbeit in der ersten Hälfte gegen England hatte dann zuweilen schon Slapstick-Format. Mit einem 0:5 ging es in die Kabinen – vom legendären Brasilien-Halbfinale 2014 abgesehen, ist dies zuletzt 1974 passiert.

Immerhin fährt Panama mit zwei eigenen Toren nach Hause, im letzten Spiel gegen Tunesien lag man sogar eine Zeit lang in Führung. Mit gezielte Arbeit in den letzten zehn Jahren hat es sich Panama durchaus verdient, auch mal eine WM zu spielen. Und womöglich den Grundstein dafür gelegt, dass sich die nächsten Generationen für die 48-Team-Turnier regelmäßiger qualifizieren können.

Wer hat gefehlt?

Neben den im Playoff an Australien gescheiterten Honduranern (2010 und 2014 jeweils dabei) ist natürlich das Team aus den Vereinigten Staaten der große Abwesende gewesen. Nach dem Schock der verpassten Qualifikation blieb im US-Verband auch kein Stein auf dem anderen.

Rein von der sportlichen Bilanz verpasste die USA das Turnier, weil es in der Finalphase keinen einzigen Auswärtssieg gegeben hat und man das letzte Spiel in Trinidad verlor – schon ein Punkt hätte gereicht. Teamchef Bruce Arena war natürlich nicht zu halten, sogar der langjährige Verbands-Präsident Sunil Gulati wurde von den Schockwellen der Nicht-Qualifikation aus dem Amt gespült. Bis runter zu den finanziellen Eigenleistungen, die Eltern von Fußball-Knirpsen zu berappen haben („Pay to Play“), wurde alles hinterfragt.

Dass der Soccer vermehrt zum Betätigungsfeld von Kinds aus der oberen Mittelschicht würde, und die Hispanics und die Afro-Amerikaner dabei auf der Strecke bleiben, wurde bemängelt. Dass den Jungen der Biss fehle, sich außerhalb der geschützten Werkstätte MLS zu beweisen, ebenso. In der ungewohnten Situation, erstmals seit 32 Jahren kein eigenes Team bei der WM zu haben, wurde sogar mit erstaunlicher Hysterie diskutiert, ob es denn okay, wäre beim Turnier für Mexiko die Daumen zu drücken.

Im Kader des letzten Spiels gegen Trinidad waren unglaubliche 13 Spieler (!) bereits jenseits ihres 30. Geburtstages – keiner von ihnen ist seither einberufen worden. Howard, Dempsey, Bradley, Cameron, Altidore: Für sie alle ist die Teamkarriere wohl vorbei. Trainer ist nun Dave Sarachan, wenn auch offiziell immer noch nur interimistisch. Es sind jetzt mal ein paar Jahre Zeit, ein neues Team um Christian Pulisic (Dortmund) aufzubauen.

Für Honduras war es nach zwei erreichten Turnieren (mit sechs Niederlagen in sechs Spielen und 2:14 Toren) eh knapp, dass es sich auch ein drittes Mal ausgeht. Jamaika war bei den letzten zwei Gold-Cups nach Siegen über die USA (2015) bzw. Mexiko (2017) sogar jeweils im Finale. Das waren aber eher Ausrutscher nach oben. In der WM-Quali war schon in der Zwischenrunde Schluss. Die meisten seiner Spieler sind entweder daheim oder in den US-Minor-Leagues unterwegs. Bei der einzigen WM-Teilnahme 1998 waren sieben Engländer mit jamaikanischen Wurzeln im Kader – aktuell ist es seit Jahren kein einziger mehr.

Spannend könnte das Projekt in Kanada werden. Dort hat man den höchste erfolgreichen Trainer des Frauen-Nationalteams, John Herdman, mit viel Geld das Männer-Team schmackhaft gemacht. Langfristiges Ziel ist natürlich die WM 2026, bei der man Co-Gastgeber sein wird.

Wie geht es weiter?

Im Sommer 2019 findet der nächste „Gold Cup“ statt, wie die kontinentale Meisterschaft der CONCACAF-Zone heißt. Wie immer wird dieser in den USA ausgetragen. Die letzten neun Auflagen sahen nur Mexiko (4x) und die USA (5x) als Sieger. Angesichts der aktuellen Formkurve werden die Mexikaner als Favorit in das Turnier gehen.

Wie in Europa wird darüber hinaus auch in Nord- und Mittelamerika eine „Nations League“ installiert, nach dem selben grundsätzlichen Muster. Im Herbst 2018 wird eine eher wilde Quali-Runde zur Klassen-Einteilung gespielt, die auch als Ausscheidung für die zehn offenen Gold-Cup-Plätze dienen wird. Nach dem Gold-Cup wird es im Herbst 2019 mit dieser neuen CONCACAF Nations League losgehen.

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Die Erkenntnisse der Frauen-WM 2015 https://ballverliebt.eu/2015/07/07/die-erkenntnisse-der-frauen-wm-2015/ https://ballverliebt.eu/2015/07/07/die-erkenntnisse-der-frauen-wm-2015/#comments Tue, 07 Jul 2015 18:32:35 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11224 Die Erkenntnisse der Frauen-WM 2015 weiterlesen ]]> Es war die goldene Idee von Jill Ellis und ihrem „Co“, Tony Gustavsson – auch wenn es für manche im ersten Moment wie Majestätsbeleidigung aussah. Ab dem Viertelfinale gab es für Weltrekord-Stürmerin Abby Wambach keinen Platz mehr in der Startformation des US-Teams. So kam Schwung ins Spiel, was mit dem WM-Titel belohnt wurde.

Nach dem souveränen 5:2-Finalsieg über Japan manifestiert sich darin die größte Erkenntnis der 7. Frauen-WM: Eine funktionierende Taktik, adaptierte Matchpläne und ein homogenes Teamgefüge sind nun auch bei den Frauen endgültig wichtiger als individuelle Klasse. Das zeigte neben den USA vor allem England. Es gibt aber noch einige andere Schlüsse, die sich ziehen lassen.

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Richtig: Reagieren, wenn es notwendig ist

Abby Wambach ist 35 Jahre alt. Die Schnellste war sie nie, dafür immer ein Brecher im gegnerischen Strafraum. Wambach ist, was im unschönen, alten Fußballdeutsch gerne auch „Sturmtank“ genannt wird: In der Box stehen und warten, dass die Flanken geflogen kommen. Nicht umsonst erzielte sie über ein Drittel ihrer fast 200 Länderspieltore mit dem Kopf.

Nach einer zähen Vorrunde und einem giftigen Spiel voller alter Ressentiments im Achtelfinale gegen Kolumbien war endlich auch Jill Ellis und Tony Gustavsson klar geworden, dass Wambach das Spiel verlangsamt und eindimensional macht – gegen die immer intelligenter spielende Konkurrenz sah das 4-4-2 mit der Immobilie Wambach vorne sehr altbacken aus, es fehlte die Verbindung zwischen Mittelfeld und Angriff. Also startete im Viertelfinale gegen China Amy Rodriguez statt ihr, im Halbfinale gegen Deutschland und im Finale gegen Japan dann – der Glücksgriff – Carli Lloyd.

USA - Japan 5:2 (4:1)
USA – Japan 5:2 (4:1)

So spielte neben bzw. hinter einer wendigen und mobilen Spitze (Alex Morgan) eine aktive Halbstürmerin, die als gelernter Sechser großes Spielverständnis hat, sich viel zurück fallen ließ. So war es möglich, im Zentrum effektiv zu pressen: Genau das hatte man mit dem Loch hinter Wambach vermieden, weil man sonst zu große Räume aufgemacht hätte. Damit schaltete man das deutsche Mittelfeld-Zentrum (mit Goeßling und Leupolz) aus und dominierte auch Japan – vor allem in der Anfangsphase, als dort noch Utsugi und Sakaguchi spielten. Als die Umstellung auf Sawa und Miyama kam, lag die USA schon 4:0 voran.

Mit der gesteigerten Präsenz in der Mitte zwang man die Gegner zu vermehrtem Aufbau über die Flügel. Dort aber hatten die USA ein deutliches Athletik- und Qualitätsplus, das sie auch auszuspielen vermochten.

Falsch: Nicht reagieren, wenn es notwendig wäre

Dass Silvia Neid nur eine Verwalterin von Talent, aber keine gerissene Verfasserin von Matchplänen ist, wurde schon vor zwei Jahren bei der EM bemängelt. Wie sehr sich die 51-Jährige aber auch diesmal als stockkonservativer Betonkopf benehmen würde, schockierte selbst die deutschen Beobachter. „Deutschland spielt seit zehn Jahren gleich“, wundert sich auch ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer. Ein 4-4-2 (das, warum auch immer, beim DFB konsequent als 4-2-3-1 verkauft wird), Athletik, hohes Pressing, Spiel über die Außen. Auch personell war Deutschland das berechenbarste und unflexibelste Top-Team des Turniers.

Deutschland - USA 0:2 (0:0)
Deutschland – USA 0:2 (0:0)

Selbst nach dem Viertelfinale gegen Frankreich wurde nichts in Frage gestellt, obwohl man 45 Minuten lang hergespielt wurde wie 13-jährige Schulmädchen und erst ins Spiel fand, als Frankreich Élodie Thomis auswechselte. Man glaubte, mit dem routinierten, aber langsamen IV-Duo Krahn/Bartusiak bestmöglich aufgestellt zu sein. Glaubte nicht, dass Gegner die eklatanten Schwächen von Célia Sasic bei der Ballanahme im Lauf nicht bemerkt hätten. Glaubte nicht, dass sich Lena Goeßling weiterhin verstecken würde, anstatt Verantwortung zu übernehmen.

Und vor allem glaubte man nicht, dass es nötig war, den Gegnern mal etwas zum Überlegen zu geben, weil man ja eh so einen guten Kader hatte, der es im Zweifel schon richten würde. Auch glaubte Neid, auf In-Game-Coaching verzichten zu können und reagierte auf die unerwartete Formation der USA genau überhaupt nicht.

Anders gesagt: Alle weiterentwickelnden Elemente, die Jogi Löw bei den Herren in den letzten fünf Jahren verfolgt hat, sind praktisch spurlos an Silvia Neid vorüber gegangen. Stillstand aus der Annahme heraus, dass man den anderen ohnehin überlegen wäre. Dass Neid nach dem Aus den Schwarzen Peter an die Liga weiterschob, ist eher ein Zeichen von schlechtem Stil und mangelnder Selbstkritik als ernstzunehmende Kritik.

Flexibilität ist gefragt – wie bei England

Wenn man nicht über Weltklasse-Spielermaterial verfügt, muss man halt umso mehr überlegen – gerne auch speziell auf den Gegner abgestimmt. Das haben viele Verantwortliche verstanden. So wie Martina Voss-Tecklenburg, die etwa in einem Spiel ihre Stürmerinnen Bachmann und Dickenmann auf die Flügel stellte und ihre Flügelspielerinnen (Humm und Crnogorcevic) dafür ganz nach vorne. Oder auch so wie Carl Enow, Teamchef von Kamerun. Dieser wies seine vier Offensivkräfte im 4-2-3-1 an, permanent zu rochieren. Das stiftete heftige Unruhe bei den Abwehrreihen von Ecuador und Schweiz und wurde mit dem überraschenden Gruppenplatz zwei belohnt.

Kanada - England 1:2 (1:2)
Kanada – England 1:2 (1:2)

Vor allem aber wie bei England. Mark Sampson, 32-jähriger Waliser, hat vor zwei Jahren einen wilden Haufen ohne jede Ordnung und ohne wirkliche Spielidee von Hope Powell übernommen und formte das flexibelste Team des Turniers. Auf jeden Gegner stellte er sein Team neu ein, bediente sich in den sieben Spielen aus einem Repertoire an sechs verschiedenen Systemen (im Achtelfinale gegen Norwegen sogar drei in einer Halbzeit) und machte es anderen Trainern damit sehr schwer, sich auf die Lionesses vorzubereiten.

Zum Start gab es mit einem 4-1-4-1 eine knappe Niederlage gegen Frankreich, dann Siege gegen Mexiko und Kolumbien mit einem 4-3-3 und einem 4-3-1-2. Im Achtelfinale startete man mit einem 4-4-1-1 gegen Norwegen, im Viertelfinale mit einem 4-2-3-1 gegen Kanada, ehe man Japan im Halbfinale mit einem 4-1-4-1 am Rande der Niederlage hatte. Im kleinen Finale schließlich schaltete man Deutschland mit einem 5-4-1 aus, indem man das DFB-Team zu Steilpässen auf Sasic zwang und man dieser den Platz zur Ballannahme nahm.

Sampson nützte die zwei Jahre mit einer leichten Quali-Gruppe, um sein individuell weiß Gott nicht überragendes Team möglichst auf alle Gegebenheiten vorzubereiten. Neid nützte die zwei Jahre mit einer leichten Quali-Gruppe, um mit der immer gleichen Taktik die unterlegene Konkurrenz möglichst zweistellig zu besiegen. Was wohl nachhaltiger ist?

Was nicht mehr geht: Ein Star, zehn Zuarbeiter

Brasilien ist das klassische Beispiel eines Teams, das im Grunde nur aus einer Spielerin besteht und deren Form bzw. deren Launen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Nun ist Marta zwar eine Spielerin, der man an einem guten Tag alles zutrauen kann. Die 29-Jährige ist aber auch eine launenhafte Diva, von der man nie so genau weiß, was für einen Tag man bekommt.

Brasilien - Australien 0:1 (0:0)
Brasilien – Australien 0:1 (0:0)

Bei dieser WM jedenfalls hat sich Marta in den Gruppenspielen gegen Südkorea (2:0) und Spanien (1:0) nach Kräften versteckt und wurde im dritten Spiel gegen Costa Rica (1:0) geschont. Als es im Achtelfinale gegen die aggressive australische Mannschaft darauf ankam, war sie aber wieder nur körperlich anwesend. Für ihr ansonsten sehr durchschnittlich besetztes Team mit wenig internationaler Erfahrung war das das Todesurteil.

Mit diesem Zugang ist Brasilien aber ohnehin eine aussterbende Spezies. Allenfalls Nigeria kann man von den Teilnehmern noch annähernd in diese Kategorie einordnen (mit den Stürmerinnen Oshoala und Oparanozie). Andere Vertreter dieser Kategorie haben sich erst gar nicht qualifiziert, so wie etwa Italien (mit Patrizia Panico), Äquatorialguinea (mit Genoveva Anonma) oder Südafrika (mit Portia Modise).

Auch die Psyche muss halten

Kanada ist ein grundsätzlich gut besetztes Team mit einem versierten Trainer. Aber die mentale Blockade, die hohen Erwartungen, die vollen Stadien: Sie schienen das kanadische Team zu lähmen.

Kanada - China 1:0 (0:0)
Kanada – China 1:0 (0:0)

An Kapitänin Christine Sinclair – erst ganz vorne aufgeboten, dann auf dem Flügel – liefen die Spiele vorbei. Sophie Schmidt, die für die Gestaltung nach vorne verantwortlich war, bekam die Spiele nicht aufgezogen. Die Innenverteidigung, vor allem Lauren Sesselmann, war so erschreckend unsicher, dass es verwunderlich ist, dass John Herdman sie nach einer Nachdenkpause dann in der K.o.-Phase doch wieder einsetzte. Fast folgerichtig, dass das erste Tor gegen England beim 1:2 im Viertelfinale aus einem schlimmen Patzer von Sesselmann resultierte.

Das Viertelfinal-Aus gegen England war folgerichtig, zumal von internen Reibereien die Rede war – Melissa Tancredi hatte sich nach dem Achtelfinale verplappert. Aber auch bei anderen an sich hoch gehandelten Teams scheiterten zu einem großen Teil an ihrer Psyche, wie etwa Schweden. So gab es im Vorfeld des Turniers eine kleine Spieler-Revolte, als sich der Kader für die Rückkehr zum gewohnten 4-4-2-System aussprach – Teamchefin Sundhage knickte ein. Die Folge waren Leistungen, so hölzern und unzusammenhängend, dass niemand Normalform erreichte und man nach drei Remis in der Vorrunde danach im Achtelfinale in ein 1:4-Debakel gegen Deutschland lief.

Frankreich - Deutschland 1:1 n.V. (1:1, 0:0), 4:5 i.E.
FRA – GER 1:1 n.V. (1:1, 0:0), 4:5 i.E.

Der größte Fall von Selbstfaller war aber einmal mehr Frankreich. Das Team des nächsten WM-Gastgebers 2019 war, da sind sich die Beobachter einig, das klar kompletteste und beste Team des Turniers gewesen und auch auf die 0:2-Pleite in der Vorrunde gegen Kolumbien schien den Fokus nur noch zu schärfen. Das zeigten das 5:0 gegen Mexiko und das 3:0 gegen Südkorea eindrucksvoll.

Auch im Viertelfinale gegen Deutschland war Frankreich das deutlich bessere Team, zumindest bis nach 75 Minuten die pfeilschnelle Flügelspielerin Thomis ausgewechselt wurde. Nach einer halben Stunde hätte es schon 3:0 stehen müssen, noch in der 119. Minute stand Thiney alleine vor dem Tor. So ging es aber wieder einmal viel zu früh raus, im Elfmeterschießen.

Die Beispiele von Kanada, Schweden und Frankreich zeigen eindrucksvoll, dass die grundsätzliche Fähigkeit nicht ausreicht. Eine stabile Psyche ist unerlässlich.

Routine ist wichtig

Die USA stellten die älteste Stammformation des Turniers (28,8 Jahre), Japan die drittälteste (27,8 Jahre). Auch das deutsche Team (27,3 Jahre) und das englische (27,6 Jahre) sind auf der erfahrenen Seite. Alle Halbfinalisten haben schon tonnenweise Turnier-Erfahrung in den Beinen und den Köpfen.

Andererseits konnte aber kein einziger der Debütanten wirklich überzeugen. Holland war bei den letzten zwei EM-Turnieren dabei, aber eine WM ist dann doch noch einmal was anderes. Man schleppte sich ins Achtelfinale, dort war man gegen Japan chancenlos. Oder die hoch gehandelten Schweizer, die in der Vorrunde gegen Kamerun verloren. Die Spanier, die sich im Infight mit ihrem sozial-unkompetenten Teamchef aufrieben.

Dazu die unglaublich naiven Vorstellungen von Côte d’Ivoire (0:10 gegen Deutschland) und Ecuador (1:10 gegen die Schweiz). Lediglich Thailand (nicht so schlimm wie befürchtet), die erstaunlich aufregende Mannschaft aus dem Kamerun (Sieg über die Schweiz, nur knappe Niederlage im Achtelfinale) und das grundsolide Team aus Costa Rica (wo vor allem die 28-jährige Teamchefin Amelia Valverde Spaß machte) blieben nicht unter den Erwartungen.

Die Besten

Hope Solo und Nadine Angerer waren die klar besten Torhüter im Turnier, die US-Innenverteidigung mit Julie Johnston und Becky Sauerbrunn ließ nur drei Gegentore zu – bei einem 3:1- und einem 5:2-Sieg. Tabea Kemme war die einzige Feldspielerin bei Deutschland, die wirklich überzeugen konnte (bis auf die 75 Minuten gegen Élodie Thomis im Viertelfinale), Ariyoshi bei Japan machte rechts einen defensiv soliden und offensiv gefährlichen Eindruck.

Die Engländerin Fara Williams war das Mittelfeld-Gehirn in jeder der sechs Formationen der Lionesses, Elise Kellond-Knight war Staubsauger, Spieleröffnerin und Pressing-Maschine in Personalunion bei Australien. Beide spielten ein beeindruckendes Turnier, ebenso wie Amandine Henry. Sie stahl ihrer eigentlich profilierteren Kollegin im französischen Zentrum, Cammy Abily, eindeutig die Show.

Das Ballverliebt-All-Star-Team
Das Ballverliebt-All-Star-Team

Frankreichs Sprintrakete Thomis war eine kaum zu stoppende Waffe – warum Philippe Bergeroo sie im Viertelfinale gegen Deutschland vorzeitig vom Platz nahm, ist eines der großen Mysterien des Turniers. Gaelle Enganamouit, die Kamerunerin mit der auffälligen blonden Mähne, konnte ebenfalls überzeugen. Ebenso wie natürlich Carli Lloyd, die im US-Team erst auf der Sechs gesetzt war und dann auf die Zehn aufrückte.

Nur vorne ist es so eine Sache. Célia Sasic wurde Schützenkönigin, aber drei ihrer sechs Tore gelangen gegen Côte d’Ivoire und zwei weitere per Elfmeter; in der entscheidenden Turnierphase war sie eine der schlechtesten Deutschen. Auch Anja Mittag war nicht da, als es darauf ankam. Selbiges gilt für Frankreichs Sturmduo mit Eugenie le Sommer und Marie-Laure Delie. Bei Japan war Joker Mana Iwabuchi wesentlich torgefährlicher als die Stammkräfte Yuki Ogimi und Shinobu Ohno.

Aber auch das ist eine Erkenntnis: Wenn es hart auf hart kommt (und halt nicht gegen Côte d’Ivoire, Mexiko oder Ecuador) hat der klassische Poacher ausgedient.

frauen finals

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Frauen-WM: Matte Europäer und Favoriten mit Fragezeichen https://ballverliebt.eu/2015/06/19/frauen-wm-matte-europaeer-und-favoriten-mit-fragezeichen/ https://ballverliebt.eu/2015/06/19/frauen-wm-matte-europaeer-und-favoriten-mit-fragezeichen/#comments Fri, 19 Jun 2015 10:12:37 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11168 Frauen-WM: Matte Europäer und Favoriten mit Fragezeichen weiterlesen ]]> 36 der 54 Spiele der Frauen-WM in Kanada sind absolviert – die K.o.-Phase startet am Samstag mit dem Achtelfinale. Zeit für eine erste Zwischenbilanz: Wer hat die Erwartungen erfüllt, wer übertroffen, wer hat enttäuscht? Ein kurzer Überblick über die Favoriten, über enttäuschende Europäer und zwei sehr ungleich starke Äste auf dem Weg ins Endspiel von Vancouver.

WWC

Die Favoriten: Vollends überzeugt…

…hat bisher genau: Keiner. Klar, die Bilanz von Deutschland mit 15:1 Toren in den drei Spielen liest sich grandios. Aber: Es gab nur einen ernsthaften Gegner, und gegen den nur eine gute Halbzeit. Beim 10:0 gegen die Elfenbeinküste war die größte Schwäche, so seltsam es klingt, wie in der starken ersten Hälfte beim 1:1 gegen Norwegen die Chancenverwertung. Titelverteidiger Japan langweilte sich zu drei mühsamen und knappen Siegen in einer nur mittelmäßig starken Gruppe und Frankreich lieferte mit dem 0:2 gegen Kolumbien die bisherige Peinlichkeit des Turniers ab. Immerhin: Im letzten Gruppenspiel gegen Mexiko gab’s die richtige Antwort, als es schon nach einer halben Stunde 4:0 stand.

Das Team aus den USA kommt genauso bieder daher wie man es befürchten musste, dazu übertreibt es Megan Rapinoe zuweilen mit Eigensinnigkeiten. Die Probleme, die man mit der aggressiven Spielanlage von Australien hatte, lassen nichts Gutes befürchten. Bei Brasilien versteckt sich Marta bisher nach Kräften, war zwei Spiele lang kein Faktor und wurde im dritten geschont. Die meisten Probleme hat aber Gastgeber Kanada: Die Innenverteidigung ist so unsicher, dass Lauren Sesselmann halb durchs zweite Spiel nach dem x-ten Fehler ausgewechselt wurde, Sophie Schmidt bekommt das Spiel nicht aufgezogen, an Christine Sinclair laufen die Partien bisher vorbei. In drei Spielen gab’s nur zwei Tore, davon eines per Elfmeter. Ganz klar: Mit dem Gestalten eines Spiels hat der Gastgeber große Probleme.

Unter den Erwartungen: Europas Rest

Beim ersten Turnier hakt es oft vor allem an der Organisation, heißt es. Bei Europas Debütanten ist das Problem aber eher auf dem Platz zu verorten. Vor allem Spanien enttäuschte: Es gelang nicht, die Offensive um Veró Boquete vernünftig in Szene zu setzen. Folge: Gegen Costa Rica und Südkorea gab es statt sechs Punkten nur einen und damit den letzten Platz in einer wirklich nicht sehr problematischen Gruppe. Die Schweiz hielt gegen Japan brav dagegen und gewann gegen Ecuador zweistellig, blamierte sich aber bei der Pleite gegen Kamerun. Die hochgewettete Offensive von Holland um Miedema und Melis fand überhaupt nicht statt. Immerhin: Diese beiden retteten sich als Dritte ins Achtelfinale.

Auch Schweden agiert weit hinter den Erwartungen: Stürmerstar Schelin in Un-Form, Strategin Seger zu ungenau, Angriffs-Adjutantin Asllani auch irgendwie indisponiert; Teamchefin Sundhage ging von der offensiven Grund-Anlage ab und stellte wieder ein flaches 4-4-2 auf. Wofür das Trekronor-Team steht, weiß man nicht so genau. Nur die Vertretungen aus Norwegen und England spielten bisher ganz gut im Rahmen der Möglichkeiten: Jeweils Zweiter hinter Turnier-Favoriten, jeweils keine Blöße gegen die „Kleinen“ gegeben.

Kampf ums Olympia-Ticket

Bei den europäischen Teams geht’s nun in der K.o.-Phase nicht nur um die WM, sondern auch um die drei Startplätze für das Olympia-Turnier in Brasilien 2016. Sieben UEFA-Teams sind noch im Rennen. Frankreich wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gegen Südkorea in die nächste Runde einziehen, Holland (gegen Japan) und die Schweiz (gegen Kanada) sind klare Außenseiter.

Was heißt: Im Duell zwischen Deutschland und Schweden, mit dem die Achtelfinals eröffnet werden, geht es womöglich schon so ziemlich um alles. Für Deutschland wäre nicht nur ein Achtelfinal-Aus eine Riesen-Blamage, sondern auch das erneute Verpassen des Olympia-Turniers, das im Frauenfußball ja einen ähnlichen Stellenwert wie eine WM hat. Schon in London 2012 war das DFB-Team ja nicht vertreten.

Ein Joker ist die Partie Norwegen-England. Grund: England nimmt nicht an Olympia teil. Gewinnt Norwegen (das Team ist Favorit), fällt der Joker weg. Gewinnt aber England, so wären nur zwei olympiateilnehmende UEFA-Teams verblieben (also Frankreich und der Sieger aus GER-SWE). In diesem Fall würde im Februar 2016 in einem Mini-Turnier mit den im WM-Achtelfinale eliminierten Teams den dritter Olympia-Platz vergeben werden.

Die Backmarkers

Thailand, der eigentlich prognostiziert schlechteste Teilnehmer, schlug sich erstaunlich gut: „Nur“ 0:4-Niederlagen gegen Deutschland und Norwegen und sogar ein 3:2-Erfolg gegen die Elfenbeinküste. Damit sieht die Bilanz des Debütanten dramatisch viel besser aus, als man befürchten musste.

Andere zeigten hingegen deutlich, dass man bei der Aufstockung die Plätze vielleicht doch anders verteilen hätte sollen. Die Naivität, mit der die Elfenbeinküste verteidigte, war erschütternd und passiert in Europa selbst Mittelklasse-U-19-Teams kaum. Auch der Auftritt von Ecuador – 0:6 gegen Kamerun und 1:10 gegen die Schweiz – ist bei einer WM eigentlich nicht zu rechtfertigen.

Dafür machte Costa Rica einen sehr geordneten und soliden Eindruck und zeigte auch Kampfgeist. Dazu war Amelia Valverde, 28-jährige Teamchefin mit großer Hornbrille und Hang zum Psycho-Gesichtsausdruck, eine der unterhaltsameren Erscheinungen auf dem Trainersektor. Der Sieg in der Quali gegen Mexiko war kein Zufall, die Ticas dürften den etablierten Quasi-Nachbarn tatsächlich überholt haben.

Die Route ins Finale

Keine Frage: So easy die Gruppe für Deutschland war, so mörderisch ist für den Europameister der Weg ins Finale. Im Achtelfinale schon gegen Schwedenein traditionsreiches Dauerduell. Dann im Viertelfinale das vorgezogene Endspiel gegen Frankreich. Und wird das überstanden, wartet im Halbfinale vermutlich das US-Team (das weder mit Kolumbien noch mit dem Sieger aus China-Kamerun wirkliche Probleme haben sollte, allen Schwächen zum Trotz).

Der andere Turnier-Ast kommt da entspannter daher. Kanada muss sich zwar deutlich steigern, wenn man nicht bald ein blaues Wunder in Form eines frühen Ausscheidens erleben will – aber es hätte schon deutlich schlimmer kommen können als ein Achtelfinal-Gegner Schweiz und der Sieger aus Norwegen – England im Viertelfinale. Sollte Japan gegen Holland ausscheiden, wäre das eine Sensation. Das wäre ein Aus von Brasilien gegen Australien nicht mehr: Die Matildas haben von dem hilflosen Auftritt im Testspiel in Österreich zuletzt gelernt und pressen im Mittelfeld nun selbst so drauf, wie sie vom ÖFB-Team angepresst wurden. So bereitete man den USA große Probleme, besiegte Nigeria souverän und blieb auch gegen Schweden ungeschlagen.

Und wer wird’s nun?

Der Antwort auf die Frage, wer nun der 7. Frauen-Weltmeister wird, ist man nach der Gruppenphase nicht wirklich näher gekommen. Zwar muss Deutschland als die stärkste Mannschaft gelten, das DFB-Team hat aber eben auch den brutalsten Weg ins Endspiel am 5. Juli in Vancouver vor sich.

Andererseits könnten bisher nicht so überzeugende Teams wie Kanada, Japan oder auch Brasilien ebenso weit kommen – oder es gibt gar Überraschungen durch Australien oder Norwegen.

Kurz gesagt: In der Titelfrage sind noch alle Fragen offen.

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Viele Kandidaten, aber keine klaren Favoriten bei der Frauen-WM https://ballverliebt.eu/2015/06/05/viele-kandidaten-aber-keine-klaren-favoriten-bei-der-frauen-wm/ https://ballverliebt.eu/2015/06/05/viele-kandidaten-aber-keine-klaren-favoriten-bei-der-frauen-wm/#comments Fri, 05 Jun 2015 04:07:50 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11130 Viele Kandidaten, aber keine klaren Favoriten bei der Frauen-WM weiterlesen ]]> Die zwei personell besten Teams sind eindimensional. Der Gastgeber hat einen großartigen Trainer. Der Titelverteidiger kommt mit einem praktisch unveränderten Kader. Und ein Kandidat hat zwar alle Ansätze, aber ein leichtes psychisches Problem. Bevor die siebente Frauen-WM startet, ist nur klar, dass in der Favoriten-Frage eigentlich nichts klar ist – und genau das macht die Endrunde in Kanada so interessant.

Hier unsere ausführliche Vorschau auf den Women’s World Cup: Wer kann was, und wer kann was nicht? Denn wer die Teams halbwegs einschätzen kann, wer die Narrative kennt, wer das Gesehene einordnen kann, der wird an dem Turnier auch deutlich mehr Freude haben.

Was es grundsätzlich zu beachten gilt

In erster Linie natürlich die Sache mit dem Kunstrasen. In allen sechs Stadien – Vancouver, Edmonton, Winnipeg, Ottawa, Montréal und Moncton – wird auf Plastikgrün gespielt. Darüber haben sich die Spielerinnen selbst im Vorfeld seit Jahren aufgeregt und auch mit Klage gedroht, davon aber vor einem halben Jahr plötzlich (warum auch immer) Abstand genommen haben. Jedenfalls ist die Unterlage ein klarer Vorteil für die USA und Kanada, die diese Unterlage aus der heimischen Profiliga gewohnt sind.

Dann wird das auf 24 Teams aufgestockte Teilnehmerfeld eine Rolle spielen. Und zwar daher, weil einige Mannchaften dabei sind, die bei einer WM von ihrer Qualität her einfach nicht zu suchen haben. So sind auch die Gruppen sehr unterschiedlich in ihrer Besetzung und es werden auch Teams ins Achtelfinale kommen, die dort nicht zwingend hingehören. Das heißt: Manche Halbfinalisten werden einen recht leichten Weg dorthin und noch viele Körner übrig haben, andere Titelkandidaten (etwa Deutschland oder Frankreich, wenn es nach Papierform geht) müssen schon im Viertelfinale gegeneinander antreten.

Kein so großes Thema sollten dafür die Distanzen zwischen den Spielorten sein. Es wurde darauf geachtet, dass die Teams vor allem in der Vorrunde so wenig wie möglich reisen müssen.

Kanada: Hochspannender Gastgeber, enge Gruppe

Der Gastgeber spielt in der Gruppe A und ist vom taktischen Standpunkt her wohl die interessanteste Mannschaft im ganzen Turnier. Der englische Teamchef John Herdman hat es seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren geschafft, dem Team eine enorme Variabilität zu vermitteln und mit den so erzielten Erfolgen auch das nötige Selbstvertrauen.

Extrem variables 4-3-3 bei Kanada
Extrem variables 4-3-3 bei Kanada

Kanada, Olympia-Brozemedaillist, spielt grundsätzlich aus einem 4-3-3 heraus, interpretiert dieses aber sehr variabel. Das kann die Offensiv-Reihe auf einer Höhe spielen, um die gegnerische Spieleröffnung zu kappen (wie im denkwürdigen Olympia-Halbfinale gegen die USA), da können die Außenstürmerinnen auch nach hinten und ganz nach außen rücken. Auch im Mittelfeld ist von einer Höhe bis völlig individueller Positionierung alles möglich. Dazu wird vor allem in der gegnerischen Hälfte oft sehr weit in Ballnähe verschoben, um Überzahl herzustellen.

Die Schlüsselspielerinnen sind die routinierte Christine Sinclair ganz vorne und Sechser Desirée Scott. Sie lenken ihre Mitspielerinnen und agieren als spielintelligenter, verlängerter Arm von Herdman auf dem Platz. Prognose: Bei Olympia, dem bisher einzigen Turnier unter Herdman, verhinderte nur die individuelle Klasse von US-Kapitän Rapinoe, dass Kanada ins Finale einzieht. Taktisch ist man vermutlich allen 23 Konkurrenten überlegen, es fehlt aber ein wenig an der individuellen Qualität. Das Halbfinale ist ein realistisches Ziel, mehr wird schwer.

Gegner im Eröffnungs-Spiel ist China. Nach dem Super-Gau der verpassten WM vor vier Jahren hat die aktuelle Mannschaft überhaupt nichts mehr mit der einstigen Weltklasse-Truppe zu tun. Mit Li Dongna ist nur noch eine einzige Spielerin dabei, die vor acht Jahren bei der Heim-WM schon im Kader war. Der Roster für diese WM hat ein Durchschnitts-Alter von nur 23,5 Jahren. Es ist eine technisch gut ausgebildete Equipe zu erwarten, der es aber massiv in der internationalen Erfahrung fehlt. Alles, was über das Achtelfinale hinaus geht, ist als großer Erfolg zu betrachten.

Aber auch ein Vorrunden-Aus ist nicht ausgeschlossen. Vor allem dank WM-Debütant Niederlande. Der größte Unterschied zum tor- und trostlosen Auftritt bei der EM vor zwei Jahren ist Vivianne Miedema. Die 18-jährige Stürmerin vom deutschen Meister Bayern München gilt als eines der größten Talente weltweit, in den 14 Quali-Spielen erzielte der „Terrible Teenager“ 20 Tore. Sie schlägt sich zwar noch mit einer Fußverletzung herum, sollte aber rechtzeitig fit werden.

Viertes Team der Gruppe A ist Neuseeland. Die „Football Ferns“ – das ehemalige Team von Kanadas Trainer Herdman – sind dank absoluter Null-Konkurrenz in Ozeanien bei allen großen Turnieren dabei, machen sie nie lächerlich, eine wirkliche Rolle spielten sie aber auch nie. Es wäre auch diesmal ein Erfolg, nicht dreimal zu verlieren.

Deutschlands ultra-leichte Gruppe

Deutschland wird wie immer im 4-4-1-1 daherkommen. Nur das Personal ist variabel.
Deutschland wird wie immer im 4-4-1-1 daherkommen. Nur das Personal ist variabel.

Das große Plus von Europameister Deutschland ist das unglaubliche Reservoir, aus dem Teamchefin Silvia Neid schöpfen kann. Das größte Minus ist womöglich die nach Olympia 2016 scheidende Trainerin selbst: Neid ist keine Innovatorin, adaptiert selten einen nicht funktionierenden Matchplan und ihr Team ist taktisch sehr ausrechenbar. Neid ist eine Verwalterin von Talent, mehr nicht.

Nur: Es ist extrem viel Talent, das Neid da verwaltet. Nur fünf Spielerinnen sind tatsächlich unrotierbar (Sasic, Marozsán, Goeßling, Krahn und Angerer). Um dieses Gerüst herum kann sie praktisch den kompletten Kader einsetzen, ohne dass es einen wirklich Qualitäts-Verlust gäbe. So kann Mittag als zweite Spitze ran (Marozsán ginge dann auf die Acht), Lotzen wie Leupolz rechts, Laudehr statt Popp auf links, Kemme statt Maier rechts hinten, Peter statt Bartusiak und statt Cramer, Behringer sowohl in der Zentrale als auch links außen. Dazu gibt es mit Bremer und Petermann zwei Riesen-Talente in der Offensive.

Moment: Eine Spielerin wäre dann doch noch unrotierbar. Nadine Keßler, immerhin Weltfußballerin des Jahres. Die Spielgestalterin ist einmal mehr von ihrem Knie außer Gefecht gesetzt worden. Das könnte wehtun. Ansonsten hat Neid das Team, das ihr fast ein Dutzend Verletzungen vor zwei Jahren für die EM diktiert haben, praktisch eins zu eins beibehalten – kein Zeichen fehlender Alternativen, sondern von Gemütlichkeit. Prognose: Rein von der Klasse her muss Deutschland Weltmeister werden. Aber im Viertelfinale wartet vermutlich Frankreich – da kann gut schon Schluss sein.  Auch überraschende taktische Maßnahmen von Gegnern können zum Stolperstein werden.

In der Gruppe jedenfalls wird Deutschland sicher nicht hängenbleiben. Einziger ernsthafter Gegner ist EM-Finalgegner Norwegen. Der Weltmeister von 1995 hatte aber schon 2013 einiges Glück, ins Endspiel zu kommen, und besser wurde man seither nicht. Vor allem die Altersstruktur darf durchaus sorgen machen: Das schon bei der EM leicht überalterte Team wurde praktisch nicht verjüngt, in der Stammformation gibt es wohl nur zwei Spielerinnen unter 25 Jahren. Dazu hat sich Caroline Hansen, große Offensiv-Hoffnung, im Vorfeld verlertzt und fällt aus. Auch ob Gry Tofte-Ims in die Fußstapfen von Ingvild Stensland – das Mittelfeld-Hirn hat aufgehört – treten kann, ist fraglich. Mehr als das Viertelfinale ist kaum vorstellbar.

Für die anderen beiden Mannschaften der Gruppe ist das Dabeisein schon ein Riesenerfolg. Das Team aus der Elfenbeinküste verdiente sich das WM-Ticket, weil man Afrikas Nummer zwei, Äquatorialguinea, eliminiert hat und darf – auch wenn es dem Potenzial der Truppe nicht entspricht – sogar auf das Achtelfinale hoffen, wenn man Thailand schlägt. Dieses Team hat beim besten Willen nichts bei einer WM verloren und muss froh sein, wenn man nach drei Spielen weniger als 20 Gegentore auf dem Konto hat. Eine zweistellige Niederlage gegen Deutschland muss man fast schon erwarten.

Japan, der alternde Titelverteidiger

Vor vier Jahren schwang sich Japan, als Halbfinal-Kandidat gestartet, zur vor allem mental stabilsten Mannschaft des Turniers auf und holte erstmals den WM-Titel. Ein Jahr später gab’s bei Olympia Silber, mit etwas Pech im Finale gegen die USA. Doch dann passierte etwas, was Japan aus dem Tritt brachte: Der Rücktritt von Spielmacherin Homare Sawa. Teamchef Norio Sasaki probierte es, Sawa durch Miyama zu ersetzen, durch Utsugi zu ersetzen. Aber es sah alles holprig und nach Stückwerk aus.

Japan: Das WM-Team von 2011, praktisch unverändert
Japan: Das WM-Team von 2011, praktisch unverändert

Nach anderthalb Jahren ohne Sawa war man bei den Nadeshiko so verzweifelt, dass man Sawa um ein Comeback anbettelte. Nun tritt man also mit der mittlerweile 36-Jährigen auf der Acht an. Mit der praktisch unveränderten Mannschaft vom WM-Turnier 2011. Mit dem Effekt, dass das Durchschnittsalter bei 29,1 Jahren liegt – das wäre bei den Herren schon viel, bei den Frauen ist das geradezu biblisch.

Das Problem, das dadurch entsteht: Die Spielanlage von Japan ist mit hohem Aufwand verbunden. Das auf das Erobern zweiter Bälle angelegte Verlagerungsspiel verlangt konsequentes Pressing, sonst entstehen Räume für die Gegner. Nun ist die Nadeshiko dafür bekannt, körperlich in einer Top-Verfassung zu sein. Aber das Alter kann auch Japan nicht ewig überlisten. Das Team ist eingespielt und verfügt über hohe individuelle Klasse, ist aber anderen Titelkandidaten körperlich unterlegen. Prognose: Das einzige, was sich gegenüber 2011 verändert hat, ist die Farbe der Rückennummern auf den Trikots – die sind jetzt rosa statt weiß. Und alle sind vier Jahre älter. Man darf Resultate bei Algarve-Cup nicht überbewerten, aber maue Auftritte 2014 und ein neunter Platz 2015 sind kein Zufall. Mehr als das Halbfinale ist im Normalfall bei dieser WM nicht möglich.

Stärkster Gruppengegner ist die designierte Überraschung des Turniers. Die Schweiz ist bei den Frauen, was Belgien derzeit bei den Männern ist: The Hipster’s Choice. Die Eidgenössinen sind zwar erstmals bei einem großen Turnier dabei. Aber zum einen radierte man mit 28 von 30 Punkten souverän durch eine schwere Qualigruppe (EM-Halbfinalist Dänemark und EM-Viertelfinalist Island), zum anderen hat Teamchefin Martina Voss einen wirklich starken Kader mit internationaler Erfahrung von Klub-Ebene zur Verfügunng. Das Viertelfinale ist absolut drin.

Die anderen beiden Teams in der Gruppe werden keine große Rolle spielen. Bei Kamerun spielen eine Handvoll Legionärinnen aus Russland, Schweden und französischen Mittelständlern und man darf sich Chancen auf den dritten Platz ausrechnen; bei Olympia 2012 sah man aber bei den drei deutlichen Gruppen-Niederlagen, wie viel auf Weltniveau noch fehlt. Dass sich Ecuador qualifiziert hat, ist eine größere Überraschung, hier gibt es überhaupt keine Erfahrungswerte auf gutem Niveau. Bemerkenswert ist, dass Teamchefin Vanessa Arauz erst 26 Jahre alt ist. Man wird viel Lehrgeld zahlen.

USA und die vermeintliche Todesgruppe

Dass in den Staaten, wie es lange war, der Frauenfußball einen höheren Stellenwert als jener der Männer hat, stimmt mittlerweile so nicht mehr ganz. Was aber nichts daran ändert, dass das US-Team gemeinsam mit jenem aus Deutschland das größte Reservoir an Talent hat. Eine weitere Parallele: Die Besetzung auf der Trainerbank kann da nicht ganz mithalten.

Pia Sundhage (von 2008 bis 2012 im Amt) verpasste dem athletisch vermutlich besten Team der Welt, aber taktisch einem der unterentwickeltsten, eine stringente, auf Pressing und gezieltem Flügelspiel basierende Strategie. Mit dieser gewann man 2x Olympia-Gold und kam ins WM-Finale. Zudem hielt Sundhage durch ihr sonniges Gemüt ein Team, das viele Egos und starke Persönlichkeiten umfasste, zusammen.

Die USA
Die USA: Athletisch und viel individuelle Klasse, aber langweilig und ausrechenbar

Letzteres gelang Nachfolger Tom Sermanni, einem bärbeißigen Schotten, überhaupt nicht, weswegen er nach nur einem Jahr im Amt entlassen wurde. Nun ist Jill Ellis am Kommandostand. So farblos und bieder, wie die 48-jährige Engländerin (die mit 18 in die USA ging) wirkt, wirkt auch das Spiel des US-Teams. Das Pressing ist weitgehend gewichen, nun stehen wieder die alten US-Tugenden im Mittelpunkt: Athletik, Tempo, individuelle Klasse.

Für den Spielwitz ist im Grunde einzig Kapitänin Megan Rapinoe (Betonung auf dem i, nicht auf dem a) zuständig. Der platinblonde Rechtsfuß auf der linken Seite ist Antreiber, Integrationsfigur, Li-La-Launebär und Gesicht der Mannschaft in Personalunion. Das Zentrum mit Carli Lloyd und Lauren Holiday (ehemals Cheney) ist nur zur Absicherung da; im Ballbesitz wird aus dem 4-4-2 flott ein 4-2-4. Ellis ließ die Besetzung beiden Ketten in der Vorbereitung seit Monaten unverändert, Altstar Abby Wambach dürfte vorne gesetzt sein – die einzige offene Stelle ist jene der wendigen, technisch starken Stürmerin neben Brecher-Typ Wambach. Das kann Sydney Leroux werden (die eigentlich Kanadierin ist), aber auch Alex Morgan sein. Prognose: Es gilt ähnliches wie für Deutschland – von der grundsätzlichen Klasse ist das US-Team ein absoluter Top-Favorit, aber das Team agiert extrem ausrechenbar. Das Semifinale ist das Minimalziel, aber intelligentere Teams mit halbwegs Klasse können zum Problem werden.

Das kann schon im zweiten Gruppenspiel Schweden sein. Das Tre-Kronor-Team, ausgerechnet betreut von Pia Sundhage, besiegte schon 2011 die USA in der Gruppe 2:1 und sorgte so dafür, dass die Amerikanerinnen deutlich schwerere K.o.-Spiele hatten. Allerdings herrscht Skepsis beim WM-Finalist von 2003: Hatte Sundhage vor einem halben Jahr noch betont, dass sie bei einem Viertelfinal-Aus enttäuscht den Stuhl räumen würde, ruderte sie zuletzt gar heftig zurück und meinte, dass schon das Viertelfinale ein schöner Erfolg wäre.

Tatsache ist: Sundhage sorgt seit der begeisternden Heim-EM vor zwei Jahren in ihrer Heimat vermehrt für Kopfschütteln, weniger für Jubelstürme. Ihre sture Nominierungs-Politik, an ihren persönlichen Lieblingen festzuhalten – die samt und sonders schon einige Jahre auf dem Buckel haben – und große Talente, die deutlich besser in Form sind, zu ignorieren, wird von kaum jemanden goutiert. Zudem hat sich das Team in den zwei Jahren seit der EM keinen Zentimeter weiterentwickelt – wie auch. Sich nur auf die individuelle Klasse von Schelin (31) und Asllani (25) vorne und Fischer (30) hinten zu verlassen, wird zu wenig sein. Zumal Joker Nummer eins, Therese Sjögran, bereits schlanke 38 Jahre alt ist.

Da auch die anderen beiden Gruppengegner gute Namen im Frauenfußball sind, wird die Gruppe D gemeinhin als „Todesgruppe“ bezeichnet. Aber ist sie das wirklich? Wer gesehen hat, wie unfassbar hilflos Australien im April beim Testspiel in Österreich agiert hat, dem fällt es schwer zu glauben, dass es ein drittes Mal in Folge ins Viertelfinale gehen kann. Nach dem Generationswechsel fehlt es vor allem dem jungen Mittelfeld an internationaler Klasse, der komplette Kader (bis auf Goalie Williams) spielt in der heimischen Liga – da wird es gegen die Routine und die individuelle Klasse von Schweden und USA wenig zu holen geben.

Bei Nigeria schafft man es dafür seit Jahren, sich selbst konsequent ins Bein zu schießen. Neben dem strikten Verbot für homosexuelle Spielerinnen (der den lukrativen Deal mit Adidas kostete) beraubt man sich auch durch blindwütiges Wir-sind-größer-als-alle-anderen-Denken einiger fähiger Akteure. So bestand man darauf, dass das in Schweden spielende Trio Ikidi, Michael und Chikwelu mitten während der Saison zur Olympia-Quali kommen, da sie sonst nicht für die WM nominiert würden. Das Trio lehnte ab (auch mit der Erfahrung schlechter Behandlung beim Team in der Vergangenheit), die Olympia-Quali-Spiele wurden ohnehin abgesagt – und keine der drei ist im Kader für die WM.

Potenzial ist zwar auch so mit dabei – Nigeria erreichte, angetrieben von der großartigen Asisat Oshoala, letztes Jahr das Finale der U-20-WM – aber die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die Spielerinnen beim Verband nicht wohl fühlen und bei WM-Endrunden regelmäßig ihr Potenzial nicht ausschöpfen können. Es deutet nichts darauf hin, dass das diesmal anders sein sollte.

Spanien gegen Marta +10

Brasilien bei den Frauen – das ist gefühlt Marta und zehn beliebige andere. Das wird von Jahr zu mehr mehr so, spätestens seit Ester, umsichtige Spieleröffnerin im zentralen defensiven Mittelfeld, aufgehört hat und seit Cristiane, trickreiche Flügelspielerin mit brutalem Zug zum Tor, ihren Stint bei europäischen und amerikanischen Topklubs beendet hat und in der brasilianischen Liga spielt – wie fast alle anderen im Kader.

Brasilien
So spielte Brasilien beim einzigen (!) WM-Test: Keine 3er-Kette hinten, Marta nicht solo vorne

Nun nimmt Brasilien den Frauen-Fußball und diese WM nicht so furchtbar ernst. Es gab nur ein einziges Testspiel seit dem Algarve-Cup im März, und das ging mit 0:4 in Deutschland mal so richtig daneben.

Teamchef Vadão eliminierte die bei Brasilien über Jahre institutionalisierte Dreier-Abwehr und das System mit Marta als völliger Freigeist im offensiven Zentrum mit zwei Flügelspielerinnen neben ihr. Bei besagtem 0:4 in Deutschland kam Brasilien in einem völlig gewöhnlichen 4-4-2 daher, mit zwei gelernten Stürmerinnen auf den Außenbahnen und mit Marta und Cristiane als Zweiersturm vorne. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass Vadão das System wieder umstellt.

Was sich aber sicher nicht ändern wird: Dass das Spiel der Mannschaft mit den (schwankenden) Launen von Marta steht und fällt. Ihr planetengroßes Ego überlagert alles andere, ihr Auftreten als unausstehliche Parade-Zicke macht es neutralen Beobachtern schwer, sie zu mögen – zumal ihr Verhalten gerne auf die Kollegen überschwappt. Zwei davon haben übrigens Österreich-Vergangenheit: Rosana spielte für Neulengbach, Darlene für Neulengbach und für St. Pölten. Prognose: Brasilien ist sicherlich der schwächste der Gruppenköpfe. Ein Aus im Achtelfinale wäre keine Überraschung, spätestens im Viertelfinale ist Endstation.

Eines der aufstrebenden Teams aus Europa ist Spanien. Die Truppe um Offensiv-Allrounderin Veró Boquete erreichte bei der EM vor zwei Jahren überraschend, aber verdient das Viertelfinale und setzte sich in der WM-Quali problemlos gegen Italien durch. Das Team spielt war fast geschlossen in der bestenfalls durchschnittlichen spanischen Liga, ist aber über Jahre eingespielt, im richtigen Alter und voller Selbstvertrauen. Die große Stärke ist die Offensiv-Power mit Boquete, Hermoso und Natalia Pablos, die größte Schwäche ist – untypisch spanisch – fehlende Kreativität im Mittelfeld. Hier regieren gerade gegen gute Gegner oft Alibipässe und Biederkeit.

Von den anderen beiden Mannschaften in dieser sicher eher schwächeren Gruppe darf man nicht zu viel erwarten. Für den Asiencup-Vierten Südkorea ist es die erste WM-Teilnahme seit 12 Jahren, gegen die guten Teams aus Asien ist hält man zwar halbwegs mit, aber mehr auch nicht. Während Costa Rica es beim Concacaf-Cup dank eines Sieges über Mexiko überraschend ins Finale geschafft hat und sich auch ohne die Aufstockung qualifiziert hätte. Mit Sechser Shirley Cruz-Traña von WCL-Finalist Paris St. Germain gibt es aber nur eine Spielerin von internationaler Klasse. Wunderdinge werden die Ticas wohl kaum vollbringen. Bemerkenswert: Wie ihre Kollegin aus Ecuador ist auch Trainerin Amelia Valverde (28) noch blutjung.

Geheimfavorit Frankreich

Ein perfekt eingespieltes, gut harmonierendes Team. Eine kaum zu überwindende Innenverteidigung mit 1.81-m-Riegel Wendie Renard, zwei wieselflinke Außenverteidigerinnen. Edeltechnikerin Nécib und Sprintrakete Thomis auf den Flanken, dazu mit Cammy Abily der wohl beste Achter weltweit. Und vorne Vollstrecker von internationaler Klasse und Mega-Talent Claire Lavogez (der letztes Jahr bei der U-20-WM dieses Schmuckstück hier gelang) als Joker.

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Frankreich: Weltklasse, wo man hinschaut. Nur die Psyche war oft ein großes Problem.

Und: Teamchef Philippe Bergeroo versucht nicht mehr, anders als Vorgänger Bini, allzu viele Kompromisse einzugehen, um jeden im Team zufrieden zu stellen. Was gegen Frankreich spricht? Eigentlich gar nichts – außer, dass man es trotz bester Voraussetzungennoch immer geschafft hat, zu scheitern. Oft auch spektakulär. Bei der EM 09 im Viertelfinale im Elferschießen raus, bei der WM 11 als besseres Team im Semifinale raus, dasselbe bei Olympia 12, und bei der EM 13 als Topfavorit schon im Viertelfinale an Dänemark gescheitert.

Am Können liegt es nicht, sondern rein an der Psyche, obwohl man über tonnenweise internationaler Erfahrung auf allerhöchstem Niveau verfügt. Teamchef Bergeroo hat seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren nur Nuancen verändert: Statt dem 4-2-3-1 unter Bini lässt er ein 4-4-2 spielen, er stellte Nécib auf die linke Seite (wo sie oft einrückt), während Thomis rechts mehr an der Linie bleibt. Und Bergeroo hat die Pressing-Linie ein wenig nach vorne gedrückt und das Gegenpressing verfeinert.

Die grundsätzliche Spielanlage blieb aber gleich: Frankreich will den Ball haben, will aktiv das Spiel gestalten, will dem Gegner sein Spiel aufzwingen. Dominanz durch Technik und Athletik ausüben. Einzige wirkliche Schwäche: Torhüterin Bouhaddi ist zwar gut beim Rauskommen und Weltklasse auf der Linie, hat aber panische Angst vor halbhohen Flanken vor den Fünfmeterraum. Gegner mit guten Scouts wissen das. Prognose: Wenn Frankreich die mentale Blockade in wichtigen Spielen abstellen kann, ist man ein ganz heißer Titelkandidat. Ein verzagtes Scheitern im Viertelfinale ist aber genauso möglich.

Die Konkurrenz in der Gruppe ist für Frankreich keine Konkurrenz. England startete nach einer haarsträubend schlechten EM völlig neu, der erst 32-jährige Waliser Mark Sampson soll mittelfristig die Früchte ernten, die mit der vor einigen Jahren ebenso neu gestarteten englischen Liga gesät wurden. Er setzt auf ein klares, britisches, etwas altbackenes 4-4-2, das sich gegen wirklich gute Kontrahenten aber erst bewähren muss: In der sicherlich leichtesten Quali-Gruppe waren die Three Lionesses maßlos unterfordert. Über den wirklichen Generationswechsel hat sich Sampson bisher aber nicht drübergetraut. Das Team in Kanada, für das das Viertelfinale ein schöner Erfolg wäre, ist ein Übergangsteam. Work in progress.

Die anderen beiden Gruppe-F-Teilnehmer zeigen, wie schwer es der Frauenfußball in Lateinamerika hat. Kolumbien ist immer noch ein Produkt von Ex-Teamchef Ricardo Rozo. Er zeigte in einem Land, das keine nationale Liga, sondern nur regionale Spielklassen hat, Sendungsbewusstsein und Eifer und etablierte das Team mühelos als Nummer zwei in Südamerika – wo bis auf Brasilien alle anderen Nationalteams alle drei Jahre mal bei der Copa America antreten, aber ansonsten schlichtweg nicht existieren. Bei Kolumbien wird der Unterschied zur restlichen Welt dann aber regelmäßig bei den Turnieren sichtbar.

Selbiges gilt für Mexiko. Dort wird sogar aktiv nach in den USA geborenen und aufgewachsenen Nachfahren mexikanischer Auswanderer gescoutet, die auf US-Univeristäten spielen, weil in Mexiko selbst die Strukturen einfach nicht da sind. Mit den lokalen Großmächten USA und Kanada kann Mexiko sowieso nicht mithalten, diesmal musste man sogar heftig zittern, um sich überhaupt zu qualifizieren. Eine Niederlage gegen Costa Rica brachte das Team schwer in die Bredouille. Immerhin: Im direkten Duell gleich zum Start kann Kolumbien oder Mexiko den jeweils ersten Sieg der WM-Geschichte einfahren.

Wer fehlt?

Kurz gesagt: Niemand von Belang. Einzig Nordkorea – an sich ein Team mit Achtelfinal-Potenzial, womöglich Viertelfinale – muss zuschauen, weil man sich bei der WM 2011 beim leistungssteigernden Rudelbumsen erwischen hat lassen (sprich: gleich fünf positive Dopingtests abgeliefert hat). Was auch ein wenig schade ist, weil wir so um die eine oder andere bizarre Meldung umfallen. Die fünf postiven Tests versuchte man vor vier Jahren etwa mit einem Blitzeinschlag im Training zu entschuldigen, der die entsprechenden Werte bei den armen Mädels spontan in die Höhe getrieben hat.

Sonst wurde vor allem außerhalb von Europa mit der Aufstockung von 16 auf 24 Teilnehmer darauf geachtet, dass alles dabei ist, was halbwegs gerade Pässe spielen kann (abgesehen vermutlich von Thailand, das sich quasi den für Nordkorea vorgesehenen Platz geholt hat). Dass Europa auf acht Plätze begrenzt wurde, hielt an sich fähige Teams wie Dänemark oder Italien draußen, einen bleibenden Eindruck hätten diese Mannschaften aber wohl ohnehin nicht hinterlassen.

Die WM im TV

Im Fernsehen zu sehen gibt es die WM im deutschen Fernsehen auf ARD und ZDF sowie auf Eurosport und Eurosport 2, auch das Schweizer Fernsehen berichtet umfassend. Übertragungen der Spiele zu finden, wird also sicher kein Problem sein – eher schon die Anstoßzeiten. Diese sind nämlich in erster Linie auf den nordamerikanischen Markt ausgelegt. Das heißt: Jede Menge Spiele sind mitten in der europäischen Nacht. Das Finale in Vancouver etwa um 1.00 Uhr von Sonntag auf Montag.

Mühsam.

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Ballverliebt Classics: Drei Wochen im Juli https://ballverliebt.eu/2011/07/27/ballverliebt-classics-drei-wochen-im-juli/ https://ballverliebt.eu/2011/07/27/ballverliebt-classics-drei-wochen-im-juli/#comments Wed, 27 Jul 2011 21:24:08 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5427 Ballverliebt Classics: Drei Wochen im Juli weiterlesen ]]> Es war der größte Erfolg einer österreichischen Auswahlmannschaft seit 1954 – der Semifinal-Einzug der U20 bei der Weltmeisterschaft 2007 in Kanada – der ein Jahr vor der Heim-EM die Hoffnung belebte. Und tatsächlich sind viele aus der damaligen Mannschaft aus der rot-weiß-roten Fußball-Landschaft nicht mehr wegzudenken.

Stammformation des ÖFB-Teams in Kanada 2007

Zur Einstimmung knallte die von Teamchef Paul Gludovatz und Co Gerhard Schweitzer trainierte Mannschaft ausgerechnet Ried in einem Testspiel mit 6:1 vom Platz. Nachdem der Semifinal-Einzug bei der U19-EM in Polen im Jahr davor die Teilnahme fixiert hatte, ging es ambitioniert, aber ohne übertriebene Erwartungshaltung nach Nordamerika. In einer Gruppe mit Geheimfavorit Chile, Gastgeber Kanada – und Afrikameister Congo.

Gemischte Gefühle nach dem Auftakt

Österreich - Kongo 1:1

Gegen die Afrikaner schickte Gludovatz gleich jene Formation aufs Feld von Edmonton, die auch den Grundstock des weiteren Turnierverlaufs bestreiten sollte. Ein 4-2-3-1 mit Kapitän Prödl und Madl hinten, Panny und Raswalder auf den Seiten, Stanislaw als Sechser, Kavlak als Achter, Junuzovic als Zehner, Harnik auf dem rechten und Hackmair auf dem linken Flügel – und einer Solospitze. Und Jimmy Hoffer setzte mit seinem Tor in der 7. Minute auch gleich den Ton für den weiteren Turnierverlauf

Vor allem der Schachzug, Veli Kavlak hinter Junuzovic aus der Tiefe kommen zu lassen, sollte sich im Turnierverlauf als Goldgriff erweisen. Delvin Ndinga, heute beim AJ Auxerre einer der teuersten Sechser der französischen Liga, war nicht der letzte, der mit den beiden Probleme bekam. Das ÖFB-Team schnürte den Gegner massiv in dessen Hälfte ein.

Dennoch war man im rot-weiß-roten Lager nach dem Auftakt enttäuscht: Ibara – der vor allem nach der Pause immer wieder gut den Platz hinter Harnik nützte – sorgte nach einer Stunde per Strafstoß für den Ausgleich zum 1:1, den körperliche Rückfall nach der Pause erklärte Gludovatz mit fehlenden Möglichkeiten in der Vorbereitung: „Man sieht, dass zwei Kurzlehrgänge da nicht reichen!“

Dennoch hätte es noch den Sieg geben müssen: Erst wurde ein Foul an Hoffer nicht mit dem fälligen Elfmeter geahndet, in der Nachspielzeit schafften es drei alleine auf das Tor zustürmende Österreicher nicht, den Ball im Kasten unterzubringen – zumindest nicht, ehe der Referee ein Foul am Torwart gegeben hatte.

Als Zweiter ins Achtelfinale

Weil der Gastgeber im Parallelspiel gegen Chile mit 0:3 chancenlos war, stand er im Spiel gegen Österreich schon mächtig unter Druck. Das ÖFB-Team seinerseits wusste aber: Mit einem Sieg sähe es für das Achtelfinale schon sehr gut aus. Paul Gludovatz stellte für dieses Spiel um: Er ließ – zum einzigen Mal im ganzen Turnier – vorne Hoffer und Okotie gemeinsam starten, dafür wurde im Mittelfeld Harnik geopfert, Kavlak auf die rechte Seite gestellt und mit Stanislaw gab’s nur einen Sechser.

Österreich - Kanada 1:0

Es wurde eine Hitzeschlacht, in der die Österreicher schnell das Kommando übernahmen, gegen den mit dem Rücken zur Wand stehenden Gastgeber gelang es aber zunächst nicht, diese Überlegenheit auch in Tore umzumünzen. Erst unmittelbar nach der Pause wurde Asmir Begovic – heute der National-Torwart von Bosnien – bezwungen: Ein Okotie-Kopfball nach einer Ecke sorgte für die verdiente Führung in der 48. Minute.

Was wichtig war, denn wie schon gegen den Kongo schwanden auch in diesem Spiel nach einer Stunde die Kräfte. Nachdem die Kanadier Lukse, der in der Torhüter-Rotation diesmal den Zuschlag bekommen hatte, aber nicht mehr überwinden konnten, war der Achtelfinaleinzug nach dem 1:0-Sieg so gut wie fixiert – nur noch eine Niederlage gegen Chile und eine Reihe von Sensationsergebnisn in den anderen Gruppen (wie ein Sieg von Jordanien gegen Spanien) hätten das verhindern können.

Österreich - Chile 0:0

Weil sich derlei Spekulationen schon am Tag nach dem Kanada-Spiel endgültig erledigt hatten, konnte man schon als fixer Achtelfinalist in das letzte Gruppenspiel gegen Chile (u.a. mit Mauricio Isla und Arturo Vidal) gehen – es ging „nur noch“ um den Sieg der Gruppe A.

Und entgegen den Befürchtungen, der Turnier-Mitfavorit – die U20 von Chile spielte schon einige Monate, bevor Marcelo Bielsa die A-Mannschaft übernahm uns sein 3-4-3 perfektionierte, ein ebensolches – würde Österreich überfahren, spielte das ÖFB-Team ordentlich mit und verdiente sich den Punkte, den es für das 0:0 gab, redlich. Vor allem Junuzovic und Harnik machten eine durchaus ansehnliche Partie – so ansehnlich, dass sich der sonst ja eher nüchterne Paul Gludovatz zu öffentlichen Lobeshymnen hinreißen ließ.

So beendete man die Gruppenphase ungeschlagen auf dem zweiten Platz hinter Chile – dass es nicht zum Sieg gereicht hat, muss nicht mal ein Nachteil gewesen sein. Denn so ersparte man sich im Achtelfinale jene Portugiesen (mit dem späteren WM-Star und Neo-Galaktischen Fabio Coentrão), die Chile mit 1:0 schlug.

Achtelfinale: Unnötigers Zittern gegen Gambia

Stattdessen ging es von Toronto, wo die Chile-Partie stattfand, wieder zurück nach Edmonton, gegen Gambia. Die Afrikaner hatten in der Gruppe eben Portugal hinter sich gelassen, mussten aber auf den gesperrten Kapitän, Innenverteidiger Ken Jammeh, verzichten.

Österreich - Gambia 2:1

Und zunächst sah es auch ganz danach aus, als sollte Österreich einen ungefährdenten Sieg einfahren können. Vor allem Harnik und Kavlak sorgten für mächtig Wirbel in der gambischen Defensive: Harnik war der auffälligste Mann den Spiels, nützte jede sich bietende Gelegenheit um nach vorne zu preschen und machte seinen Gegenspieler Pierre Gomez immer wieder lächerlich. Alleine die Torgefahr fehlte so ein wenig.

Veli Kavlak war auf seine Position vom Kongo-Spiel zurück – nämlich auf die Acht, halbrechts hinter Junuzovic. Mit seiner Präsenz aus der Tiefe kam Gambia überhaupt nicht zurecht und so sammelten sich fleißig gelbe Karten nach Fouls an Kavlak an; kurz vor der Pause sah Jaiteh seine zweite – und flog somit vom Platz. Die Überzahl, verbunden mit dem Kopfballtor von Prödl zum 1:0, ließ das Viertelfinale schon mit anderthalb Beinen erreicht erscheinen.

Alleine, das war es natürlich nicht. Gambia-Teamchef Paul Johnson zog Mendy zurück und ließ ihn als Libero spielen, dafür rückte Bojang bei Bedarf ins Mittelfeld auf, um das von Jaiteh gerissene Loch zu stopfen. Gambia gab im Grunde die Zentrale auf, konzentrierte sich auf die Flügel und darauf, vorne immer anspielbare Optionen zu haben – was Wirkung zeigte.

Der schwer gelb-rot-gefährdete Madl musste von Gludovatz per Auswechslung geschützt werden, der in der Luft liegende und hochverdiente Ausgleich fiel in der 69. Minute aber dennoch – nach einem eher peinlichen Rettungsversuch des zurückgeeilten Martin Harnik, der ausgerechnet seinem lange Zeit eher bemitleidenswerten Gegenspieler Pierre Gomez den Ball genau in die Füße spielte. Die Strafe von Gludovatz folgte prompt: Harnik wurde augenblicklich ausgewechselt.

Mit dem für den Beute-Österreicher gekommenen Hoffer gab es eine zweite Anspielstation vorne – vor allem aber wurde Bojang wieder hinten gebunden, womit jenes Loch im Mittelfeld, das zuvor völlig ungenützt blieb, endlich schlagend wurde. Nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung schoss Hoffer zum 2:1 ein. Was alle zu Jubelstürmen veranlasste, nur Paul Gludovatz nicht. „Oans miasst’s nu schiaßen, habt’s g’hört!?“, fuhr er die Spielertraube vor ihm an.

Mussten sie nicht mehr – das 2:1 hatte bis zum Schluss bestand.

Viertelfinale: Harnik zeigt bei US-Boys Wirkung – mit Verspätung

Österreich - USA 2:1 n.V.

Die Amerikaner hatten in der Gruppe Brasilien (mit Pato, Marcelo, Jô und Renato Augusto) geschlagen und im Achtelfinale Uruguay (mit Luis Suárez und Edinson Cavani) eliminiert, hatte zudem quasi Heimvorteil. Darum galt das US-Team im Viertelfinale als recht klarer Favorit und nach der Zitterpartie gegen Gambia wurde in der Heimat ein Weiterkommen gegen die Amerikaner auch nicht wirklich erwartet.

Gludovatz beließ Harnik, trotz seiner starken Partie gegen Gambia, nach seinem beinahe verhängnisvollen Fehler auf der Bank und ließ dafür Bernhard Morgenthaler auflaufen, Hackmair ging auf die rechte Harnik-Seite. Mit dem Effekt, dass diese komplett tot war, auch über Morgenthaler nichts ging und Junuzovic von Szetala und Michael Bradley neutralisierte wurde. Andererseits musste Kavlak wegen der Bedrohung, die von Freddy Adu ausging, relativ weit hinten stehen.

Die US-Boys überrannten Österreich aber vor allem über die Seiten, weil sie dort defensiv überhaupt nichts zu tun hatten und führten nach einem Tor von Jozy Altidore hochverdient mit 1:0, als Gludovatz in Minute 37 reagierte und Harnik doch brachte. Morgenthaler ging raus, Hackmair auf links und Harnik gab nun über rechts Gas. Mit Erfolg, die US-Abwehr fing beinahe augenblicklich zu wackeln an, sobald sie ein wenig gefordert war, und Chris Seitz im Tor hatte im Dauerregen arge Probleme, den Ball zu fangen. In der 39. Minute wurde ihn von Harnik nach einem Abpraller noch (sinngemäß) das halbe Gebiss aus dem Mund geschossen, zwei Minuten vor der Pause nützte Okotie einen weiteren Seitz-Patzer zum 1:1.

Nach der Pause hatte Österreich das Geschehen dann ziemlich sicher im Griff und man kam auch zu zwei Topchancen zum Führungstreffer, ansonsten hielt das US-Team in erster Linie mit Härte dagegen, was einige gelbe Karten zur Folge hatte – fünf Stück sammelten sie alleine in der zweiten Hälfte. Die Amerikaner retteten sich so in die Verlängerung, wo die vielen Verwarnungen in der 104. Minute den beinahe unvermeidlichen Effekt hatten, dass dann doch einer runter musste – Linksverteidiger Wallace hatte es erwischt, nach einem Foul an (natürlich) Harnik.

Kurz zuvor war wiederum Jimmy Hoffer gekommen, diesmal für Junuzovic, Kavlak verblieb als Kreativspieler im Zentrum. Und wieder stach der Joker Jimmy: Nachdem die US-Abwehr einen Freistoß nicht hatte klären können, drückte Hoffer den Ball über die Linie. Somit war das Team aus den Staaten eliminiert und Österreich unglaublicherweise unter den letzten Vier – nachdem vor dem Turnier das Achtelfinale als schöner Erfolg gesehen und selbst das Viertelfinale nur von kühnen Optimisten angedacht worden war.

Semifinale: Schnelles Ende gegen Tschechien

Im Halbfinale gegen die Tschechein allerdings war Paul Gludovatz zu groben Umbaumaßnahmen gezwungen, weil mit Madl und Stanislaw zwei absolute defensive Stützen gelbgesperrt waren – und dazu kam noch der Schock um Thomas Panny. Der Rechtsverteidiger von der Admira, der ein richtig starkes Turnier gespielt hatte, brach sich im Training das Wadenbein. Eine Verletzung, die seine viel versprechende Karriere letztlich beendet hat, denn Panny konnte nach der Heilung nie mehr im Profifußball Fuß fassen.

Tschechien - Österreich 2:0

Die Tschechen, die im Viertelfinale Spanien im Penalty-Shoot-Out eliminiert hatten, nützten die Schwächen der nicht eingespielten neu formierte österreichische Defensive sofort aus und lagen nach 15 Minuten durch Tore von Micola (Zaglmair hatte einen auf’s Tor gezirkelten Freistoß aus spitzem Winkel prallen lassen) und Fenin (nach Stanglpass von links) schon 2:0 in Führung. Was letztlich auch schon die Entscheidung war.

Vor allem bei Flankenbällen in den Strafraum brannte es ein ums andere Mal lichterloh. Nach dem 2:0 lösten die Tschechen dann den Würgegriff etwas und man ließ das ÖFB-Team ein wenig gewährlich, es entstand aber nie der Eindruck, Österreich hätte wirklich einen Chance. Die Tschechen dominierten weiterhin den Ballbesitz (bei ca. 60%) und verhinderten mit konsequentem Pressing im Mittelfeld, dass sich Österreich entfalten hätte können.

Für die zweite Hälfte beerbte Junuzovic dann Harnik, aber auch der gerade vom gecrashten GAK zu Austria Kärnten gewechselte Zehner konnte auf der rechten Seite postiert nicht für die entscheidenden Akzente sorgen. Im Gegenteil: Die Tschechen blieben konsequenter im Zweikampf, körperlich robuster und präsentierten sich als kompakteres Team. Die letzten 75 Minuten dieses Semifinals waren im Grunde genommen ein Non-Contest, das Juli-Märchen hatte ein Ende.

0:1 trotz starker Leistung zum Abschied

Chile - Österreich 1:0

Zum Abschluss des Turniers ging es drei Wochen nach dem noch nicht allzu viel beachteten Start gegen Kongo im Spiel um den dritten Platz ein zweites Mal in diesem Turnier gegen die Mannschaft aus Chile – und es war praktisch nur Torhüter Christopher Toselli, der einen klaren Sieg des ÖFB-Teams verhinderte.

Der Hintergrund war klar: Während Österreich deutlich mehr erreicht hatte als erwartet und im Halbfinale gegen Tschechien ohne Wenn und Aber chancenlos war, fühlten sich die Chilenen in ihrem Semifinal-Spiel gegen Argentinien vom deutschen Referee Stark betrogen. Dieser hatte sieben Chilenen verwarnt und zwei vom Platz gestellt und musste nach dem argentinischen 3:0-Sieg unter Polizeischutz das Spielfeld verlassen, danach gab es noch heftige Zusammenstöße zwischen chilenischen Spielern und der Polizei, die sogar in kurzfristigen Festnahmen einiger Spieler gemündet hatten.

Im kleinen Finale, dem Vorspiel zum großen Endspiel (das Argentinien mit Agüero, Banega und Romero, dazu saß Angel di María auf der Bank, gegen die Tschechen mit 2:1 gewann) hatte Österreich deutlich mehr Lust auf Fußball, letztlich blieb das Tor von Hans Martínez quasi mit dem Halbzeitpfiff aber das einzige des Spiels – obwohl das ÖFB-Team Chancen für drei Spiele vorfand. Nach dem 0:1 war Österreich Vierter, und das mit lediglich fünf Toren in sieben Spielen – allesamt von Okotie (2) und Hoffer (3) erzielt.

Nachwirkungen

Aus einer „Schön, dass die dabei sind“-Stimmung wurde innerhalb von drei Wochen einer der größten Hypes, die Fußball-Österreich seit dem unsäglichen Córdoba-Spiel gesehen hatte. Schlüsselspiel war dabei das Viertelfinale gegen die USA, das – anders als die anderen – mit einer moderaten Anstoßzeit (20.15 Uhr) an einem Samstag Abend mit einer Live-Übertragung im ORF absolute Traumquoten erziele und dieses Team mit einer großartigen vor allem kämpferischen Leistung erst so richtig in das öffentliche Bewusstsein schoss.

Waren in der Vorrunde Anstoßzeiten zu nachtschlafender Zeit (1.45 Uhr gegen Kongo und Kanada, 2.00 Uhr gegen Chile) und die Aussicht auf ein von Wolfgang Koczi kommentiertes Spiel auf TW1 noch eher abschreckend, küsste das U20-Team ab der zweiten Woche den ein Jahr vor der Heim-EM auf dahinsiechenden und auf dem stimmungsmäßigen Tiefpunkt angelangten österreichischen Fußball (die unglaublichen Entgleisungen der Rapid-Fans gegenüber Ivanschitz beim Länderspiel in Schottland waren gerade einen Monat her) so richtig wach.

Sowohl für die Spieler als auch für den Teamchef bedeutete der Halbfinal-Einzug bei der WM einen Karriere-Kickstart. Paul Gludovatz, zuvor als Junioren-Teamchef und Trainer-Ausbildner beim ÖFB in der Öffentlichkeit völlig unbekannt, war plötzlich ein Star. Exakt ein Jahr nach dem Turnier übernahm er mit Ried als 62-Jähriger erstmals einen Bundesliga-Klub und führte den Provinz-Klub mit seinem 3-3-3-1  in ungeahnte Höhen.

Auch die meisten Spieler der Stammformation schafften es – lediglich Siegi Rasswalder und die Torhüter fielen durch den Rost; Thomas Panny und Peter Hackmair wurden ihre Karrieren von Verletzungen verbaut. Alle anderen sind aber (zumindest) zu absoluten Stammkräften in der Bundesliga geworden. Auffällig aber auch, dass aus der zweiten Reihe die meisten keine große Karriere machten.

Dennoch: Im Nachhinein war das Turnier nicht nur für eine unglaubliche Quote von zehn Spielern (Suttner und Simkovic muss man noch dazurechnen) ein nachhaltiger Erfolg, sondern er rückte vor allem das Bewusstsein für die Wichtigkeit und auch die Erfolgschancen bei internationalen Jugend-Turnieren sehr viel weiter in das öffentliche Bewusstsein, als das vorher der Fall gewesen war. Lediglich für die damalige U19 kam der Erfolgslauf der 20er zu einem etwas doofen Zeitpunkt – so fiel die zeitgleiche Heim-EM von Baumgartlinger, Arnautovic, Beichler und Walch etwas unter den Tisch. Das Team schied übrigens in der Vorrunde aus.

Das Personal…

Tor: Bartolomej Kuru (20, Austria), Andreas Lukse (19, Rapid), Michael Zaglmair (19, LASK). Abwehr: Daniel Gramann (20, Hartberg), Michael Madl (19, Austria), Thomas Panny (20, Admira), Thomas Pirker (20, FC Kärnten), Sebastian Prödl (20, Sturm), Siegfried Rasswalder (20, Leoben), Markus Suttner (20, Austria). Mittelfeld: Ingo Enzenberger (19, Salzburg), Peter Hackmair (20, Ried), Thomas Hinum (19, Schwanenstadt), Zlatko Junuzovic (19, GAK), Veli Kavlak (18, Rapid), Bernhard Morgenthaler (20, Admira), Tomas Simkovic (20, Austria), Michael Stanislaw (20, Schwanenstadt). Angriff: Martin Harnik (20, Bremen), Erwin Hoffer (20, Rapid), Rubin Okotie (20, Austria). Teamchef: Paul Gludovatz (61). Co-Trainer: Gerhard Schweitzer (44). Torwart-Trainer: Manfred Kohlbacher (59).

(phe)

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