Frauen-WM – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Sun, 02 Jun 2019 16:03:53 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Liverpool gewinnt die CL, Österreich spielt in der EM-Quali https://ballverliebt.eu/2019/06/02/liverpool-gewinnt-in-der-cl-oesterreich-spielt-in-der-em-quali/ https://ballverliebt.eu/2019/06/02/liverpool-gewinnt-in-der-cl-oesterreich-spielt-in-der-em-quali/#respond Sun, 02 Jun 2019 17:00:52 +0000 Die Saison ist zu Ende, es lebe die Saison! Mit dem Finale der Champions League und Europa League, dem Finalturnier der Nations League, der Weltmeisterschaft der Frauen und dem großen Playoff um die Europa League in der österreichischen Bundesliga haben wir auch in dieser Podcast-Folge genug zu besprechen. Wir wünschen viel Spaß!

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Geschichte geschrieben. Und jetzt? https://ballverliebt.eu/2017/08/05/geschichte-geschrieben-und-jetzt-oesterreich-frauen/ https://ballverliebt.eu/2017/08/05/geschichte-geschrieben-und-jetzt-oesterreich-frauen/#comments Sat, 05 Aug 2017 12:16:12 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=13926 Geschichte geschrieben. Und jetzt? weiterlesen ]]> 1,3 Millionen TV-Zuseher im Halbfinale, davor 1,2 Millionen im Viertelfinale. Am Wiener Rathausplatz waren 12.000 Menschen beim Public Viewing, zwei Wochen lang lachten sie fast jeden Tag von den Titelseiten der großen Zeitungen des Landes. Der Hype um die erfolgreichen ÖFB-Frauen kannte in den letzten Tagen kaum eine Grenze.

Und jetzt?

AUSTRIA.. you are amazing! 🇦🇹 DANKE für den tollen Empfang!! ❤️

Ein Beitrag geteilt von Sarah Zadrazil (@sarah_zadrazil27) am

In sechs Wochen startet die WM-Qualifikation. Da spielen Schnaderbeck, Puntigam und Co. nicht mehr vor 11.000 im Stadion (wie beim Halbfinale) und einem Millionen-Publikum vor den TV-Geräten. Sondern vor kaum 200 Leuten in Krusevac im Süden Serbiens. Ob überhaupt eine Fernseh-Übertragung produziert wird, ist fraglich.

Im ganzen Herbst gibt es nur ein Heimspiel, im November gegen das weder sportlich besonders starke noch vom Namen besonders attraktive Team aus Israel.

Realistische Erwartungen bewahren (Fans)

Die immense Aufmerksamkeit, die große Begeisterung und die enormen Beliebtheitswerte, welche die ÖFB-Frauen bei dieser EM nicht nur in Österreich, sondern in der ganzen Frauenfußball-Welt genossen und erworben haben, sind unbezahlbar. Selbst Menschen, die mit dem Sport wegen der natürlich vorhandenen Unterschiede zum Männerfußball nicht viel anfangen können, zeigten sich beeindruckt vom unbändigen Kampfgeist und dem natürlich-fröhlichen und bodenständigen Auftreten des Teams.

Aber dem Halbfinal-Einzug bei der ersten EM-Teilnahme zum Trotz: Nein, Österreich ist von seiner Stärke her natürlich nicht das drittbeste Team Europas. In der Weltrangliste werden die ÖFB-Frauen von aktuell Platz 24 auf (plus/minus) Platz 20 klettern, innereuropäisch wird man von derzeit Rang 14 zumindest in Schlagdistanz zu den Top-10 kommen.

Es ist vermutlich vernünftig, sich beispielsweise an Dänemark zu orientieren. Das ist ein Team, das Österreich an einem guten Tag schlagen kann (siehe September 2012, siehe Juli 2017), das vernünftig gecoacht wird, das mit geringen Erwartungen in Turniere geht und jederzeit positiv überraschen kann (intern rechnete man in Dänemark nicht einmal damit, die Vorrunde zu überstehen – geschweige denn, ins Finale zu kommen). Es ist aber auch ein Team, dass allzuviele Ausfälle nicht zu kompensieren vermag.

Realistische Erwartungen bewahren (ÖFB)

Die ÖFB-Frauen haben jetzt sechs Spiele hintereinander gegen besser klassierte Teams (Test gegen Dänemark, EM gegen Schweiz, Frankreich, Island, Spanien und Dänemark) nicht verloren, bei der EM nur ein einziges Gegentor in 510 Minuten hinnehmen müssen. Und zwar mit einer exakt auf die eigene Mannschaft und auf den jeweiligen Gegner abgestimmte Spielweise.

Allerdings: Auch mit einem relativ kleinen Pool an Spielerinnen. 98,7 Prozent der Einsatzzeit bei der EM entfällt auf lediglich 13 Spielerinnen, nur drei weitere wurden zumindest einmal eingewechselt. Sprich: Die absolute Spitze ist noch recht dünn. Und auf Lisa Makas und Nici Billa wird man verletzungsbedingt jetzt mehr oder weniger lange verzichten müssen.

Das heißt: Österreich wird auch in Zukunft nicht alles und jeden mit schönem Spiel ausmanövrieren können, gegen jedes Team Dominanz ausüben und Dauergast in EM- und WM-Halbfinals sein. Es wäre töricht, das zu glauben und es wäre auch von Seiten des ÖFB fatal, das zu erwarten. Daran kann man nur Scheitern.

Andererseits gibt es natürlich Punkte, die man auch von anderen Ländern lernen kann. Dass man etwa die Mädchen schon mit 14 Jahren per Statut aus den Burschen-Teams herausnimmt, ist deutlich zu früh – das hat das Auftreten, das Abschneiden und auch die jüngste Entwicklung des holländischen Teams gezeigt. Dass es andererseits richtig ist, die Mädchen im Nationalen Zentrum dazu anzuhalten, so schnell wie möglich ins Ausland zu wechseln, ist in den allermeisten Fällen notwendig und richtig – auch, wenn darunter natürlich die Attraktivität der Liga leidet.

Was etwa macht Kathi Naschenweng noch in Österreich? Sie ist schon jetzt viel zu gut für diese Liga, kann hier nichts mehr lernen und sich nicht mehr weiterentwickeln.

Was wirklich entscheidend ist

Wenn man das Heimspiel gegen WM-Quali-Gruppenkopf Spanien gleich im September in einem vernünftigen Stadion hätte, würde man das schön voll bekommen. Hat man aber nicht. Ist halt so. Aber auch, ob zu dem Heimspiel gegen Israel im November jetzt 1.200 oder 2.500 Menschen kommen, ist letztlich zweitrangig. Natürlich wäre es schön, wenn man den Hype jetzt nützen könnte, um dauerhaft etwas mehr mediale Aufmerksamkeit für den Sport generieren zu können. Aber wirklich entscheidend ist etwas anderes.

„Wir haben nach wie vor Probleme in der Breite“, sagte Dominik Thalhammer schon im vergangenen Herbst: „Die Gesamtzahl der Mädchen, die Fußball spielen, stagniert. Vielleicht gibt die EM-Teilnahme einen Push!“ DARAUF kommt es an. Mädchen zu inspirieren, mit dem Fußballspielen zu beginnen, in einen Verein zu gehen. In Österreich sind derzeit etwa 20.000 fußballspielende Frauen und Mädchen registriert.

In Dänemark sind es mehr als dreimal so viele, obwohl Dänemark ein Drittel weniger Einwohner hat als Österreich.

Auf Klub-Ebene liegt vieles im Argen

Dafür braucht es aber auch Strukturen. Die West-Staffel der zweithöchsten Liga blutet zunehmend aus, weil sich vor allem die OÖ-Klubs mit einem Budget von kaum mehr als ein paar tausend Euro pro Saison die (je nach Besetzung) drei Wochenend-Trips nach Vorarlberg und Tirol ganz einfach nicht leisten können, während die Ländle-Klubs großzügig mit Kilometergeld gefördert werden.

Die 2. Liga Mitte/West ist in der demnächst startenden Saison auf sechs Klubs geschrumpft. Und da sind Absteiger Wacker Innsbruck (das vereinsintern kurz vorm Zusperren war) und das 1b-Team von Bundesligist Bergheim schon dabei. Alleine in den letzten fünf Jahren haben sich fünf OÖ-Klubs freiwillig aus dieser Liga zurückgezogen. Die 2. Liga Ost/Süd hat zwar immerhin zwölf Teilnehmer, fünf davon sind aber die Reserve-Teams von Bundesligisten.

Heimische Liga auf- statt abwerten

Dass die meisten Klubs der österreichischen Frauen-Bundesliga von der Hand in den Mund leben und ohne Einzelinitiativen schlicht nicht existieren würden, ist weder neu noch unbekannt. Da sie aber als Spielwiese für aktuell bis zu 32 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren fungiert, die im Nationalen Zentrum zur künftigen Elite des heimischen Frauenfußballs ausgebildet werden, ist aber das Niveau in der Breite zuletzt deutlich gestiegen.

Umso kontraproduktiver ist die in der neuen Saison geltende Regelung, dass Abstellungen zum U-17-Nationalteam nicht mehr zu Verschiebungen gleichzeitig angesetzter Ligaspiele sind – unglaublicherweise wurde das von den meisten Klubs abgenickt. Ein an Dämlichkeit kaum zu überbietender Irrsinn: Ein Klub wie Union Kleinmünchen muss antreten, obwohl vier Stammkräfte nicht da sind.

Sprich: Man hält die Klubs an, auf junge Spielerinnen zu setzen, ihnen Einsatzminuten zu geben und Verantwortung auf dem Feld zu übertragen. Und bestraft gleichzeitig Klubs, die das tatsächlich tun. Auch Neulengbach wird unter dieser Regel leiden, Altenmarkt und Sturm Graz werden zumindest vereinzelt auf junge Spielerinnen verzichten müssen.

Was bringt die mittelfristige Zukunft?

Bei der WM in Frankreich in zwei Jahren, da trumpft Österreich wieder auf und sorgt für das nächste Sommermärchen, oder? Immer langsam: Es wird schon ein immenser Kraftakt, sich überhaupt (erstmals!) für eine WM-Endrunde zu qualifizieren.  Dafür müsste man entweder Gruppensieger werden – vor dem Team aus Spanien, dem man im Viertelfinale ein 0:0 abgerungen hat. Oder man kommt unter die vier besten Gruppenzweiten und gewinnt danach noch zwei K.o.-Duelle – gegen Teams wie Norwegen, Island oder Dänemark.

Alles nicht unmöglich, klar. Aber auch wirklich, wirklich nicht leicht. Es sind neben Gastgeber Frankreich nur acht europäische Teams bei der WM startberechtigt. Das ist ein extrem enger Flaschenhals. Und hier kommt wieder Dänemark ins Spiel.

Harder und Co. waren 2013 im EM-Halbfinale und haben dieses erst im Elfmeterschießen verloren – ehe sie danach das WM-Ticket für 2015 deutlich verpasst haben. Keiner war ihnen böse, sogar der Trainer durfte weitermachen. Kontinuität, Ruhe, eine Export-Liga und eine klare Strategie wird belohnt. Und das hat ja auch das österreichische Team bei dieser EM gezeigt.

Wird alles so superduper-toll, wie es der Hype suggeriert? Nein, natürlich nicht. Wird alles auf einer realistischen Basis okay sein bzw. bleiben? Ja, das sollte klappen.

 

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Die Erkenntnisse der Frauen-WM 2015 https://ballverliebt.eu/2015/07/07/die-erkenntnisse-der-frauen-wm-2015/ https://ballverliebt.eu/2015/07/07/die-erkenntnisse-der-frauen-wm-2015/#comments Tue, 07 Jul 2015 18:32:35 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11224 Die Erkenntnisse der Frauen-WM 2015 weiterlesen ]]> Es war die goldene Idee von Jill Ellis und ihrem „Co“, Tony Gustavsson – auch wenn es für manche im ersten Moment wie Majestätsbeleidigung aussah. Ab dem Viertelfinale gab es für Weltrekord-Stürmerin Abby Wambach keinen Platz mehr in der Startformation des US-Teams. So kam Schwung ins Spiel, was mit dem WM-Titel belohnt wurde.

Nach dem souveränen 5:2-Finalsieg über Japan manifestiert sich darin die größte Erkenntnis der 7. Frauen-WM: Eine funktionierende Taktik, adaptierte Matchpläne und ein homogenes Teamgefüge sind nun auch bei den Frauen endgültig wichtiger als individuelle Klasse. Das zeigte neben den USA vor allem England. Es gibt aber noch einige andere Schlüsse, die sich ziehen lassen.

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Richtig: Reagieren, wenn es notwendig ist

Abby Wambach ist 35 Jahre alt. Die Schnellste war sie nie, dafür immer ein Brecher im gegnerischen Strafraum. Wambach ist, was im unschönen, alten Fußballdeutsch gerne auch „Sturmtank“ genannt wird: In der Box stehen und warten, dass die Flanken geflogen kommen. Nicht umsonst erzielte sie über ein Drittel ihrer fast 200 Länderspieltore mit dem Kopf.

Nach einer zähen Vorrunde und einem giftigen Spiel voller alter Ressentiments im Achtelfinale gegen Kolumbien war endlich auch Jill Ellis und Tony Gustavsson klar geworden, dass Wambach das Spiel verlangsamt und eindimensional macht – gegen die immer intelligenter spielende Konkurrenz sah das 4-4-2 mit der Immobilie Wambach vorne sehr altbacken aus, es fehlte die Verbindung zwischen Mittelfeld und Angriff. Also startete im Viertelfinale gegen China Amy Rodriguez statt ihr, im Halbfinale gegen Deutschland und im Finale gegen Japan dann – der Glücksgriff – Carli Lloyd.

USA - Japan 5:2 (4:1)
USA – Japan 5:2 (4:1)

So spielte neben bzw. hinter einer wendigen und mobilen Spitze (Alex Morgan) eine aktive Halbstürmerin, die als gelernter Sechser großes Spielverständnis hat, sich viel zurück fallen ließ. So war es möglich, im Zentrum effektiv zu pressen: Genau das hatte man mit dem Loch hinter Wambach vermieden, weil man sonst zu große Räume aufgemacht hätte. Damit schaltete man das deutsche Mittelfeld-Zentrum (mit Goeßling und Leupolz) aus und dominierte auch Japan – vor allem in der Anfangsphase, als dort noch Utsugi und Sakaguchi spielten. Als die Umstellung auf Sawa und Miyama kam, lag die USA schon 4:0 voran.

Mit der gesteigerten Präsenz in der Mitte zwang man die Gegner zu vermehrtem Aufbau über die Flügel. Dort aber hatten die USA ein deutliches Athletik- und Qualitätsplus, das sie auch auszuspielen vermochten.

Falsch: Nicht reagieren, wenn es notwendig wäre

Dass Silvia Neid nur eine Verwalterin von Talent, aber keine gerissene Verfasserin von Matchplänen ist, wurde schon vor zwei Jahren bei der EM bemängelt. Wie sehr sich die 51-Jährige aber auch diesmal als stockkonservativer Betonkopf benehmen würde, schockierte selbst die deutschen Beobachter. „Deutschland spielt seit zehn Jahren gleich“, wundert sich auch ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer. Ein 4-4-2 (das, warum auch immer, beim DFB konsequent als 4-2-3-1 verkauft wird), Athletik, hohes Pressing, Spiel über die Außen. Auch personell war Deutschland das berechenbarste und unflexibelste Top-Team des Turniers.

Deutschland - USA 0:2 (0:0)
Deutschland – USA 0:2 (0:0)

Selbst nach dem Viertelfinale gegen Frankreich wurde nichts in Frage gestellt, obwohl man 45 Minuten lang hergespielt wurde wie 13-jährige Schulmädchen und erst ins Spiel fand, als Frankreich Élodie Thomis auswechselte. Man glaubte, mit dem routinierten, aber langsamen IV-Duo Krahn/Bartusiak bestmöglich aufgestellt zu sein. Glaubte nicht, dass Gegner die eklatanten Schwächen von Célia Sasic bei der Ballanahme im Lauf nicht bemerkt hätten. Glaubte nicht, dass sich Lena Goeßling weiterhin verstecken würde, anstatt Verantwortung zu übernehmen.

Und vor allem glaubte man nicht, dass es nötig war, den Gegnern mal etwas zum Überlegen zu geben, weil man ja eh so einen guten Kader hatte, der es im Zweifel schon richten würde. Auch glaubte Neid, auf In-Game-Coaching verzichten zu können und reagierte auf die unerwartete Formation der USA genau überhaupt nicht.

Anders gesagt: Alle weiterentwickelnden Elemente, die Jogi Löw bei den Herren in den letzten fünf Jahren verfolgt hat, sind praktisch spurlos an Silvia Neid vorüber gegangen. Stillstand aus der Annahme heraus, dass man den anderen ohnehin überlegen wäre. Dass Neid nach dem Aus den Schwarzen Peter an die Liga weiterschob, ist eher ein Zeichen von schlechtem Stil und mangelnder Selbstkritik als ernstzunehmende Kritik.

Flexibilität ist gefragt – wie bei England

Wenn man nicht über Weltklasse-Spielermaterial verfügt, muss man halt umso mehr überlegen – gerne auch speziell auf den Gegner abgestimmt. Das haben viele Verantwortliche verstanden. So wie Martina Voss-Tecklenburg, die etwa in einem Spiel ihre Stürmerinnen Bachmann und Dickenmann auf die Flügel stellte und ihre Flügelspielerinnen (Humm und Crnogorcevic) dafür ganz nach vorne. Oder auch so wie Carl Enow, Teamchef von Kamerun. Dieser wies seine vier Offensivkräfte im 4-2-3-1 an, permanent zu rochieren. Das stiftete heftige Unruhe bei den Abwehrreihen von Ecuador und Schweiz und wurde mit dem überraschenden Gruppenplatz zwei belohnt.

Kanada - England 1:2 (1:2)
Kanada – England 1:2 (1:2)

Vor allem aber wie bei England. Mark Sampson, 32-jähriger Waliser, hat vor zwei Jahren einen wilden Haufen ohne jede Ordnung und ohne wirkliche Spielidee von Hope Powell übernommen und formte das flexibelste Team des Turniers. Auf jeden Gegner stellte er sein Team neu ein, bediente sich in den sieben Spielen aus einem Repertoire an sechs verschiedenen Systemen (im Achtelfinale gegen Norwegen sogar drei in einer Halbzeit) und machte es anderen Trainern damit sehr schwer, sich auf die Lionesses vorzubereiten.

Zum Start gab es mit einem 4-1-4-1 eine knappe Niederlage gegen Frankreich, dann Siege gegen Mexiko und Kolumbien mit einem 4-3-3 und einem 4-3-1-2. Im Achtelfinale startete man mit einem 4-4-1-1 gegen Norwegen, im Viertelfinale mit einem 4-2-3-1 gegen Kanada, ehe man Japan im Halbfinale mit einem 4-1-4-1 am Rande der Niederlage hatte. Im kleinen Finale schließlich schaltete man Deutschland mit einem 5-4-1 aus, indem man das DFB-Team zu Steilpässen auf Sasic zwang und man dieser den Platz zur Ballannahme nahm.

Sampson nützte die zwei Jahre mit einer leichten Quali-Gruppe, um sein individuell weiß Gott nicht überragendes Team möglichst auf alle Gegebenheiten vorzubereiten. Neid nützte die zwei Jahre mit einer leichten Quali-Gruppe, um mit der immer gleichen Taktik die unterlegene Konkurrenz möglichst zweistellig zu besiegen. Was wohl nachhaltiger ist?

Was nicht mehr geht: Ein Star, zehn Zuarbeiter

Brasilien ist das klassische Beispiel eines Teams, das im Grunde nur aus einer Spielerin besteht und deren Form bzw. deren Launen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Nun ist Marta zwar eine Spielerin, der man an einem guten Tag alles zutrauen kann. Die 29-Jährige ist aber auch eine launenhafte Diva, von der man nie so genau weiß, was für einen Tag man bekommt.

Brasilien - Australien 0:1 (0:0)
Brasilien – Australien 0:1 (0:0)

Bei dieser WM jedenfalls hat sich Marta in den Gruppenspielen gegen Südkorea (2:0) und Spanien (1:0) nach Kräften versteckt und wurde im dritten Spiel gegen Costa Rica (1:0) geschont. Als es im Achtelfinale gegen die aggressive australische Mannschaft darauf ankam, war sie aber wieder nur körperlich anwesend. Für ihr ansonsten sehr durchschnittlich besetztes Team mit wenig internationaler Erfahrung war das das Todesurteil.

Mit diesem Zugang ist Brasilien aber ohnehin eine aussterbende Spezies. Allenfalls Nigeria kann man von den Teilnehmern noch annähernd in diese Kategorie einordnen (mit den Stürmerinnen Oshoala und Oparanozie). Andere Vertreter dieser Kategorie haben sich erst gar nicht qualifiziert, so wie etwa Italien (mit Patrizia Panico), Äquatorialguinea (mit Genoveva Anonma) oder Südafrika (mit Portia Modise).

Auch die Psyche muss halten

Kanada ist ein grundsätzlich gut besetztes Team mit einem versierten Trainer. Aber die mentale Blockade, die hohen Erwartungen, die vollen Stadien: Sie schienen das kanadische Team zu lähmen.

Kanada - China 1:0 (0:0)
Kanada – China 1:0 (0:0)

An Kapitänin Christine Sinclair – erst ganz vorne aufgeboten, dann auf dem Flügel – liefen die Spiele vorbei. Sophie Schmidt, die für die Gestaltung nach vorne verantwortlich war, bekam die Spiele nicht aufgezogen. Die Innenverteidigung, vor allem Lauren Sesselmann, war so erschreckend unsicher, dass es verwunderlich ist, dass John Herdman sie nach einer Nachdenkpause dann in der K.o.-Phase doch wieder einsetzte. Fast folgerichtig, dass das erste Tor gegen England beim 1:2 im Viertelfinale aus einem schlimmen Patzer von Sesselmann resultierte.

Das Viertelfinal-Aus gegen England war folgerichtig, zumal von internen Reibereien die Rede war – Melissa Tancredi hatte sich nach dem Achtelfinale verplappert. Aber auch bei anderen an sich hoch gehandelten Teams scheiterten zu einem großen Teil an ihrer Psyche, wie etwa Schweden. So gab es im Vorfeld des Turniers eine kleine Spieler-Revolte, als sich der Kader für die Rückkehr zum gewohnten 4-4-2-System aussprach – Teamchefin Sundhage knickte ein. Die Folge waren Leistungen, so hölzern und unzusammenhängend, dass niemand Normalform erreichte und man nach drei Remis in der Vorrunde danach im Achtelfinale in ein 1:4-Debakel gegen Deutschland lief.

Frankreich - Deutschland 1:1 n.V. (1:1, 0:0), 4:5 i.E.
FRA – GER 1:1 n.V. (1:1, 0:0), 4:5 i.E.

Der größte Fall von Selbstfaller war aber einmal mehr Frankreich. Das Team des nächsten WM-Gastgebers 2019 war, da sind sich die Beobachter einig, das klar kompletteste und beste Team des Turniers gewesen und auch auf die 0:2-Pleite in der Vorrunde gegen Kolumbien schien den Fokus nur noch zu schärfen. Das zeigten das 5:0 gegen Mexiko und das 3:0 gegen Südkorea eindrucksvoll.

Auch im Viertelfinale gegen Deutschland war Frankreich das deutlich bessere Team, zumindest bis nach 75 Minuten die pfeilschnelle Flügelspielerin Thomis ausgewechselt wurde. Nach einer halben Stunde hätte es schon 3:0 stehen müssen, noch in der 119. Minute stand Thiney alleine vor dem Tor. So ging es aber wieder einmal viel zu früh raus, im Elfmeterschießen.

Die Beispiele von Kanada, Schweden und Frankreich zeigen eindrucksvoll, dass die grundsätzliche Fähigkeit nicht ausreicht. Eine stabile Psyche ist unerlässlich.

Routine ist wichtig

Die USA stellten die älteste Stammformation des Turniers (28,8 Jahre), Japan die drittälteste (27,8 Jahre). Auch das deutsche Team (27,3 Jahre) und das englische (27,6 Jahre) sind auf der erfahrenen Seite. Alle Halbfinalisten haben schon tonnenweise Turnier-Erfahrung in den Beinen und den Köpfen.

Andererseits konnte aber kein einziger der Debütanten wirklich überzeugen. Holland war bei den letzten zwei EM-Turnieren dabei, aber eine WM ist dann doch noch einmal was anderes. Man schleppte sich ins Achtelfinale, dort war man gegen Japan chancenlos. Oder die hoch gehandelten Schweizer, die in der Vorrunde gegen Kamerun verloren. Die Spanier, die sich im Infight mit ihrem sozial-unkompetenten Teamchef aufrieben.

Dazu die unglaublich naiven Vorstellungen von Côte d’Ivoire (0:10 gegen Deutschland) und Ecuador (1:10 gegen die Schweiz). Lediglich Thailand (nicht so schlimm wie befürchtet), die erstaunlich aufregende Mannschaft aus dem Kamerun (Sieg über die Schweiz, nur knappe Niederlage im Achtelfinale) und das grundsolide Team aus Costa Rica (wo vor allem die 28-jährige Teamchefin Amelia Valverde Spaß machte) blieben nicht unter den Erwartungen.

Die Besten

Hope Solo und Nadine Angerer waren die klar besten Torhüter im Turnier, die US-Innenverteidigung mit Julie Johnston und Becky Sauerbrunn ließ nur drei Gegentore zu – bei einem 3:1- und einem 5:2-Sieg. Tabea Kemme war die einzige Feldspielerin bei Deutschland, die wirklich überzeugen konnte (bis auf die 75 Minuten gegen Élodie Thomis im Viertelfinale), Ariyoshi bei Japan machte rechts einen defensiv soliden und offensiv gefährlichen Eindruck.

Die Engländerin Fara Williams war das Mittelfeld-Gehirn in jeder der sechs Formationen der Lionesses, Elise Kellond-Knight war Staubsauger, Spieleröffnerin und Pressing-Maschine in Personalunion bei Australien. Beide spielten ein beeindruckendes Turnier, ebenso wie Amandine Henry. Sie stahl ihrer eigentlich profilierteren Kollegin im französischen Zentrum, Cammy Abily, eindeutig die Show.

Das Ballverliebt-All-Star-Team
Das Ballverliebt-All-Star-Team

Frankreichs Sprintrakete Thomis war eine kaum zu stoppende Waffe – warum Philippe Bergeroo sie im Viertelfinale gegen Deutschland vorzeitig vom Platz nahm, ist eines der großen Mysterien des Turniers. Gaelle Enganamouit, die Kamerunerin mit der auffälligen blonden Mähne, konnte ebenfalls überzeugen. Ebenso wie natürlich Carli Lloyd, die im US-Team erst auf der Sechs gesetzt war und dann auf die Zehn aufrückte.

Nur vorne ist es so eine Sache. Célia Sasic wurde Schützenkönigin, aber drei ihrer sechs Tore gelangen gegen Côte d’Ivoire und zwei weitere per Elfmeter; in der entscheidenden Turnierphase war sie eine der schlechtesten Deutschen. Auch Anja Mittag war nicht da, als es darauf ankam. Selbiges gilt für Frankreichs Sturmduo mit Eugenie le Sommer und Marie-Laure Delie. Bei Japan war Joker Mana Iwabuchi wesentlich torgefährlicher als die Stammkräfte Yuki Ogimi und Shinobu Ohno.

Aber auch das ist eine Erkenntnis: Wenn es hart auf hart kommt (und halt nicht gegen Côte d’Ivoire, Mexiko oder Ecuador) hat der klassische Poacher ausgedient.

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Frauen-WM: Matte Europäer und Favoriten mit Fragezeichen https://ballverliebt.eu/2015/06/19/frauen-wm-matte-europaeer-und-favoriten-mit-fragezeichen/ https://ballverliebt.eu/2015/06/19/frauen-wm-matte-europaeer-und-favoriten-mit-fragezeichen/#comments Fri, 19 Jun 2015 10:12:37 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11168 Frauen-WM: Matte Europäer und Favoriten mit Fragezeichen weiterlesen ]]> 36 der 54 Spiele der Frauen-WM in Kanada sind absolviert – die K.o.-Phase startet am Samstag mit dem Achtelfinale. Zeit für eine erste Zwischenbilanz: Wer hat die Erwartungen erfüllt, wer übertroffen, wer hat enttäuscht? Ein kurzer Überblick über die Favoriten, über enttäuschende Europäer und zwei sehr ungleich starke Äste auf dem Weg ins Endspiel von Vancouver.

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Die Favoriten: Vollends überzeugt…

…hat bisher genau: Keiner. Klar, die Bilanz von Deutschland mit 15:1 Toren in den drei Spielen liest sich grandios. Aber: Es gab nur einen ernsthaften Gegner, und gegen den nur eine gute Halbzeit. Beim 10:0 gegen die Elfenbeinküste war die größte Schwäche, so seltsam es klingt, wie in der starken ersten Hälfte beim 1:1 gegen Norwegen die Chancenverwertung. Titelverteidiger Japan langweilte sich zu drei mühsamen und knappen Siegen in einer nur mittelmäßig starken Gruppe und Frankreich lieferte mit dem 0:2 gegen Kolumbien die bisherige Peinlichkeit des Turniers ab. Immerhin: Im letzten Gruppenspiel gegen Mexiko gab’s die richtige Antwort, als es schon nach einer halben Stunde 4:0 stand.

Das Team aus den USA kommt genauso bieder daher wie man es befürchten musste, dazu übertreibt es Megan Rapinoe zuweilen mit Eigensinnigkeiten. Die Probleme, die man mit der aggressiven Spielanlage von Australien hatte, lassen nichts Gutes befürchten. Bei Brasilien versteckt sich Marta bisher nach Kräften, war zwei Spiele lang kein Faktor und wurde im dritten geschont. Die meisten Probleme hat aber Gastgeber Kanada: Die Innenverteidigung ist so unsicher, dass Lauren Sesselmann halb durchs zweite Spiel nach dem x-ten Fehler ausgewechselt wurde, Sophie Schmidt bekommt das Spiel nicht aufgezogen, an Christine Sinclair laufen die Partien bisher vorbei. In drei Spielen gab’s nur zwei Tore, davon eines per Elfmeter. Ganz klar: Mit dem Gestalten eines Spiels hat der Gastgeber große Probleme.

Unter den Erwartungen: Europas Rest

Beim ersten Turnier hakt es oft vor allem an der Organisation, heißt es. Bei Europas Debütanten ist das Problem aber eher auf dem Platz zu verorten. Vor allem Spanien enttäuschte: Es gelang nicht, die Offensive um Veró Boquete vernünftig in Szene zu setzen. Folge: Gegen Costa Rica und Südkorea gab es statt sechs Punkten nur einen und damit den letzten Platz in einer wirklich nicht sehr problematischen Gruppe. Die Schweiz hielt gegen Japan brav dagegen und gewann gegen Ecuador zweistellig, blamierte sich aber bei der Pleite gegen Kamerun. Die hochgewettete Offensive von Holland um Miedema und Melis fand überhaupt nicht statt. Immerhin: Diese beiden retteten sich als Dritte ins Achtelfinale.

Auch Schweden agiert weit hinter den Erwartungen: Stürmerstar Schelin in Un-Form, Strategin Seger zu ungenau, Angriffs-Adjutantin Asllani auch irgendwie indisponiert; Teamchefin Sundhage ging von der offensiven Grund-Anlage ab und stellte wieder ein flaches 4-4-2 auf. Wofür das Trekronor-Team steht, weiß man nicht so genau. Nur die Vertretungen aus Norwegen und England spielten bisher ganz gut im Rahmen der Möglichkeiten: Jeweils Zweiter hinter Turnier-Favoriten, jeweils keine Blöße gegen die „Kleinen“ gegeben.

Kampf ums Olympia-Ticket

Bei den europäischen Teams geht’s nun in der K.o.-Phase nicht nur um die WM, sondern auch um die drei Startplätze für das Olympia-Turnier in Brasilien 2016. Sieben UEFA-Teams sind noch im Rennen. Frankreich wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gegen Südkorea in die nächste Runde einziehen, Holland (gegen Japan) und die Schweiz (gegen Kanada) sind klare Außenseiter.

Was heißt: Im Duell zwischen Deutschland und Schweden, mit dem die Achtelfinals eröffnet werden, geht es womöglich schon so ziemlich um alles. Für Deutschland wäre nicht nur ein Achtelfinal-Aus eine Riesen-Blamage, sondern auch das erneute Verpassen des Olympia-Turniers, das im Frauenfußball ja einen ähnlichen Stellenwert wie eine WM hat. Schon in London 2012 war das DFB-Team ja nicht vertreten.

Ein Joker ist die Partie Norwegen-England. Grund: England nimmt nicht an Olympia teil. Gewinnt Norwegen (das Team ist Favorit), fällt der Joker weg. Gewinnt aber England, so wären nur zwei olympiateilnehmende UEFA-Teams verblieben (also Frankreich und der Sieger aus GER-SWE). In diesem Fall würde im Februar 2016 in einem Mini-Turnier mit den im WM-Achtelfinale eliminierten Teams den dritter Olympia-Platz vergeben werden.

Die Backmarkers

Thailand, der eigentlich prognostiziert schlechteste Teilnehmer, schlug sich erstaunlich gut: „Nur“ 0:4-Niederlagen gegen Deutschland und Norwegen und sogar ein 3:2-Erfolg gegen die Elfenbeinküste. Damit sieht die Bilanz des Debütanten dramatisch viel besser aus, als man befürchten musste.

Andere zeigten hingegen deutlich, dass man bei der Aufstockung die Plätze vielleicht doch anders verteilen hätte sollen. Die Naivität, mit der die Elfenbeinküste verteidigte, war erschütternd und passiert in Europa selbst Mittelklasse-U-19-Teams kaum. Auch der Auftritt von Ecuador – 0:6 gegen Kamerun und 1:10 gegen die Schweiz – ist bei einer WM eigentlich nicht zu rechtfertigen.

Dafür machte Costa Rica einen sehr geordneten und soliden Eindruck und zeigte auch Kampfgeist. Dazu war Amelia Valverde, 28-jährige Teamchefin mit großer Hornbrille und Hang zum Psycho-Gesichtsausdruck, eine der unterhaltsameren Erscheinungen auf dem Trainersektor. Der Sieg in der Quali gegen Mexiko war kein Zufall, die Ticas dürften den etablierten Quasi-Nachbarn tatsächlich überholt haben.

Die Route ins Finale

Keine Frage: So easy die Gruppe für Deutschland war, so mörderisch ist für den Europameister der Weg ins Finale. Im Achtelfinale schon gegen Schwedenein traditionsreiches Dauerduell. Dann im Viertelfinale das vorgezogene Endspiel gegen Frankreich. Und wird das überstanden, wartet im Halbfinale vermutlich das US-Team (das weder mit Kolumbien noch mit dem Sieger aus China-Kamerun wirkliche Probleme haben sollte, allen Schwächen zum Trotz).

Der andere Turnier-Ast kommt da entspannter daher. Kanada muss sich zwar deutlich steigern, wenn man nicht bald ein blaues Wunder in Form eines frühen Ausscheidens erleben will – aber es hätte schon deutlich schlimmer kommen können als ein Achtelfinal-Gegner Schweiz und der Sieger aus Norwegen – England im Viertelfinale. Sollte Japan gegen Holland ausscheiden, wäre das eine Sensation. Das wäre ein Aus von Brasilien gegen Australien nicht mehr: Die Matildas haben von dem hilflosen Auftritt im Testspiel in Österreich zuletzt gelernt und pressen im Mittelfeld nun selbst so drauf, wie sie vom ÖFB-Team angepresst wurden. So bereitete man den USA große Probleme, besiegte Nigeria souverän und blieb auch gegen Schweden ungeschlagen.

Und wer wird’s nun?

Der Antwort auf die Frage, wer nun der 7. Frauen-Weltmeister wird, ist man nach der Gruppenphase nicht wirklich näher gekommen. Zwar muss Deutschland als die stärkste Mannschaft gelten, das DFB-Team hat aber eben auch den brutalsten Weg ins Endspiel am 5. Juli in Vancouver vor sich.

Andererseits könnten bisher nicht so überzeugende Teams wie Kanada, Japan oder auch Brasilien ebenso weit kommen – oder es gibt gar Überraschungen durch Australien oder Norwegen.

Kurz gesagt: In der Titelfrage sind noch alle Fragen offen.

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Viele Kandidaten, aber keine klaren Favoriten bei der Frauen-WM https://ballverliebt.eu/2015/06/05/viele-kandidaten-aber-keine-klaren-favoriten-bei-der-frauen-wm/ https://ballverliebt.eu/2015/06/05/viele-kandidaten-aber-keine-klaren-favoriten-bei-der-frauen-wm/#comments Fri, 05 Jun 2015 04:07:50 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11130 Viele Kandidaten, aber keine klaren Favoriten bei der Frauen-WM weiterlesen ]]> Die zwei personell besten Teams sind eindimensional. Der Gastgeber hat einen großartigen Trainer. Der Titelverteidiger kommt mit einem praktisch unveränderten Kader. Und ein Kandidat hat zwar alle Ansätze, aber ein leichtes psychisches Problem. Bevor die siebente Frauen-WM startet, ist nur klar, dass in der Favoriten-Frage eigentlich nichts klar ist – und genau das macht die Endrunde in Kanada so interessant.

Hier unsere ausführliche Vorschau auf den Women’s World Cup: Wer kann was, und wer kann was nicht? Denn wer die Teams halbwegs einschätzen kann, wer die Narrative kennt, wer das Gesehene einordnen kann, der wird an dem Turnier auch deutlich mehr Freude haben.

Was es grundsätzlich zu beachten gilt

In erster Linie natürlich die Sache mit dem Kunstrasen. In allen sechs Stadien – Vancouver, Edmonton, Winnipeg, Ottawa, Montréal und Moncton – wird auf Plastikgrün gespielt. Darüber haben sich die Spielerinnen selbst im Vorfeld seit Jahren aufgeregt und auch mit Klage gedroht, davon aber vor einem halben Jahr plötzlich (warum auch immer) Abstand genommen haben. Jedenfalls ist die Unterlage ein klarer Vorteil für die USA und Kanada, die diese Unterlage aus der heimischen Profiliga gewohnt sind.

Dann wird das auf 24 Teams aufgestockte Teilnehmerfeld eine Rolle spielen. Und zwar daher, weil einige Mannchaften dabei sind, die bei einer WM von ihrer Qualität her einfach nicht zu suchen haben. So sind auch die Gruppen sehr unterschiedlich in ihrer Besetzung und es werden auch Teams ins Achtelfinale kommen, die dort nicht zwingend hingehören. Das heißt: Manche Halbfinalisten werden einen recht leichten Weg dorthin und noch viele Körner übrig haben, andere Titelkandidaten (etwa Deutschland oder Frankreich, wenn es nach Papierform geht) müssen schon im Viertelfinale gegeneinander antreten.

Kein so großes Thema sollten dafür die Distanzen zwischen den Spielorten sein. Es wurde darauf geachtet, dass die Teams vor allem in der Vorrunde so wenig wie möglich reisen müssen.

Kanada: Hochspannender Gastgeber, enge Gruppe

Der Gastgeber spielt in der Gruppe A und ist vom taktischen Standpunkt her wohl die interessanteste Mannschaft im ganzen Turnier. Der englische Teamchef John Herdman hat es seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren geschafft, dem Team eine enorme Variabilität zu vermitteln und mit den so erzielten Erfolgen auch das nötige Selbstvertrauen.

Extrem variables 4-3-3 bei Kanada
Extrem variables 4-3-3 bei Kanada

Kanada, Olympia-Brozemedaillist, spielt grundsätzlich aus einem 4-3-3 heraus, interpretiert dieses aber sehr variabel. Das kann die Offensiv-Reihe auf einer Höhe spielen, um die gegnerische Spieleröffnung zu kappen (wie im denkwürdigen Olympia-Halbfinale gegen die USA), da können die Außenstürmerinnen auch nach hinten und ganz nach außen rücken. Auch im Mittelfeld ist von einer Höhe bis völlig individueller Positionierung alles möglich. Dazu wird vor allem in der gegnerischen Hälfte oft sehr weit in Ballnähe verschoben, um Überzahl herzustellen.

Die Schlüsselspielerinnen sind die routinierte Christine Sinclair ganz vorne und Sechser Desirée Scott. Sie lenken ihre Mitspielerinnen und agieren als spielintelligenter, verlängerter Arm von Herdman auf dem Platz. Prognose: Bei Olympia, dem bisher einzigen Turnier unter Herdman, verhinderte nur die individuelle Klasse von US-Kapitän Rapinoe, dass Kanada ins Finale einzieht. Taktisch ist man vermutlich allen 23 Konkurrenten überlegen, es fehlt aber ein wenig an der individuellen Qualität. Das Halbfinale ist ein realistisches Ziel, mehr wird schwer.

Gegner im Eröffnungs-Spiel ist China. Nach dem Super-Gau der verpassten WM vor vier Jahren hat die aktuelle Mannschaft überhaupt nichts mehr mit der einstigen Weltklasse-Truppe zu tun. Mit Li Dongna ist nur noch eine einzige Spielerin dabei, die vor acht Jahren bei der Heim-WM schon im Kader war. Der Roster für diese WM hat ein Durchschnitts-Alter von nur 23,5 Jahren. Es ist eine technisch gut ausgebildete Equipe zu erwarten, der es aber massiv in der internationalen Erfahrung fehlt. Alles, was über das Achtelfinale hinaus geht, ist als großer Erfolg zu betrachten.

Aber auch ein Vorrunden-Aus ist nicht ausgeschlossen. Vor allem dank WM-Debütant Niederlande. Der größte Unterschied zum tor- und trostlosen Auftritt bei der EM vor zwei Jahren ist Vivianne Miedema. Die 18-jährige Stürmerin vom deutschen Meister Bayern München gilt als eines der größten Talente weltweit, in den 14 Quali-Spielen erzielte der „Terrible Teenager“ 20 Tore. Sie schlägt sich zwar noch mit einer Fußverletzung herum, sollte aber rechtzeitig fit werden.

Viertes Team der Gruppe A ist Neuseeland. Die „Football Ferns“ – das ehemalige Team von Kanadas Trainer Herdman – sind dank absoluter Null-Konkurrenz in Ozeanien bei allen großen Turnieren dabei, machen sie nie lächerlich, eine wirkliche Rolle spielten sie aber auch nie. Es wäre auch diesmal ein Erfolg, nicht dreimal zu verlieren.

Deutschlands ultra-leichte Gruppe

Deutschland wird wie immer im 4-4-1-1 daherkommen. Nur das Personal ist variabel.
Deutschland wird wie immer im 4-4-1-1 daherkommen. Nur das Personal ist variabel.

Das große Plus von Europameister Deutschland ist das unglaubliche Reservoir, aus dem Teamchefin Silvia Neid schöpfen kann. Das größte Minus ist womöglich die nach Olympia 2016 scheidende Trainerin selbst: Neid ist keine Innovatorin, adaptiert selten einen nicht funktionierenden Matchplan und ihr Team ist taktisch sehr ausrechenbar. Neid ist eine Verwalterin von Talent, mehr nicht.

Nur: Es ist extrem viel Talent, das Neid da verwaltet. Nur fünf Spielerinnen sind tatsächlich unrotierbar (Sasic, Marozsán, Goeßling, Krahn und Angerer). Um dieses Gerüst herum kann sie praktisch den kompletten Kader einsetzen, ohne dass es einen wirklich Qualitäts-Verlust gäbe. So kann Mittag als zweite Spitze ran (Marozsán ginge dann auf die Acht), Lotzen wie Leupolz rechts, Laudehr statt Popp auf links, Kemme statt Maier rechts hinten, Peter statt Bartusiak und statt Cramer, Behringer sowohl in der Zentrale als auch links außen. Dazu gibt es mit Bremer und Petermann zwei Riesen-Talente in der Offensive.

Moment: Eine Spielerin wäre dann doch noch unrotierbar. Nadine Keßler, immerhin Weltfußballerin des Jahres. Die Spielgestalterin ist einmal mehr von ihrem Knie außer Gefecht gesetzt worden. Das könnte wehtun. Ansonsten hat Neid das Team, das ihr fast ein Dutzend Verletzungen vor zwei Jahren für die EM diktiert haben, praktisch eins zu eins beibehalten – kein Zeichen fehlender Alternativen, sondern von Gemütlichkeit. Prognose: Rein von der Klasse her muss Deutschland Weltmeister werden. Aber im Viertelfinale wartet vermutlich Frankreich – da kann gut schon Schluss sein.  Auch überraschende taktische Maßnahmen von Gegnern können zum Stolperstein werden.

In der Gruppe jedenfalls wird Deutschland sicher nicht hängenbleiben. Einziger ernsthafter Gegner ist EM-Finalgegner Norwegen. Der Weltmeister von 1995 hatte aber schon 2013 einiges Glück, ins Endspiel zu kommen, und besser wurde man seither nicht. Vor allem die Altersstruktur darf durchaus sorgen machen: Das schon bei der EM leicht überalterte Team wurde praktisch nicht verjüngt, in der Stammformation gibt es wohl nur zwei Spielerinnen unter 25 Jahren. Dazu hat sich Caroline Hansen, große Offensiv-Hoffnung, im Vorfeld verlertzt und fällt aus. Auch ob Gry Tofte-Ims in die Fußstapfen von Ingvild Stensland – das Mittelfeld-Hirn hat aufgehört – treten kann, ist fraglich. Mehr als das Viertelfinale ist kaum vorstellbar.

Für die anderen beiden Mannschaften der Gruppe ist das Dabeisein schon ein Riesenerfolg. Das Team aus der Elfenbeinküste verdiente sich das WM-Ticket, weil man Afrikas Nummer zwei, Äquatorialguinea, eliminiert hat und darf – auch wenn es dem Potenzial der Truppe nicht entspricht – sogar auf das Achtelfinale hoffen, wenn man Thailand schlägt. Dieses Team hat beim besten Willen nichts bei einer WM verloren und muss froh sein, wenn man nach drei Spielen weniger als 20 Gegentore auf dem Konto hat. Eine zweistellige Niederlage gegen Deutschland muss man fast schon erwarten.

Japan, der alternde Titelverteidiger

Vor vier Jahren schwang sich Japan, als Halbfinal-Kandidat gestartet, zur vor allem mental stabilsten Mannschaft des Turniers auf und holte erstmals den WM-Titel. Ein Jahr später gab’s bei Olympia Silber, mit etwas Pech im Finale gegen die USA. Doch dann passierte etwas, was Japan aus dem Tritt brachte: Der Rücktritt von Spielmacherin Homare Sawa. Teamchef Norio Sasaki probierte es, Sawa durch Miyama zu ersetzen, durch Utsugi zu ersetzen. Aber es sah alles holprig und nach Stückwerk aus.

Japan: Das WM-Team von 2011, praktisch unverändert
Japan: Das WM-Team von 2011, praktisch unverändert

Nach anderthalb Jahren ohne Sawa war man bei den Nadeshiko so verzweifelt, dass man Sawa um ein Comeback anbettelte. Nun tritt man also mit der mittlerweile 36-Jährigen auf der Acht an. Mit der praktisch unveränderten Mannschaft vom WM-Turnier 2011. Mit dem Effekt, dass das Durchschnittsalter bei 29,1 Jahren liegt – das wäre bei den Herren schon viel, bei den Frauen ist das geradezu biblisch.

Das Problem, das dadurch entsteht: Die Spielanlage von Japan ist mit hohem Aufwand verbunden. Das auf das Erobern zweiter Bälle angelegte Verlagerungsspiel verlangt konsequentes Pressing, sonst entstehen Räume für die Gegner. Nun ist die Nadeshiko dafür bekannt, körperlich in einer Top-Verfassung zu sein. Aber das Alter kann auch Japan nicht ewig überlisten. Das Team ist eingespielt und verfügt über hohe individuelle Klasse, ist aber anderen Titelkandidaten körperlich unterlegen. Prognose: Das einzige, was sich gegenüber 2011 verändert hat, ist die Farbe der Rückennummern auf den Trikots – die sind jetzt rosa statt weiß. Und alle sind vier Jahre älter. Man darf Resultate bei Algarve-Cup nicht überbewerten, aber maue Auftritte 2014 und ein neunter Platz 2015 sind kein Zufall. Mehr als das Halbfinale ist im Normalfall bei dieser WM nicht möglich.

Stärkster Gruppengegner ist die designierte Überraschung des Turniers. Die Schweiz ist bei den Frauen, was Belgien derzeit bei den Männern ist: The Hipster’s Choice. Die Eidgenössinen sind zwar erstmals bei einem großen Turnier dabei. Aber zum einen radierte man mit 28 von 30 Punkten souverän durch eine schwere Qualigruppe (EM-Halbfinalist Dänemark und EM-Viertelfinalist Island), zum anderen hat Teamchefin Martina Voss einen wirklich starken Kader mit internationaler Erfahrung von Klub-Ebene zur Verfügunng. Das Viertelfinale ist absolut drin.

Die anderen beiden Teams in der Gruppe werden keine große Rolle spielen. Bei Kamerun spielen eine Handvoll Legionärinnen aus Russland, Schweden und französischen Mittelständlern und man darf sich Chancen auf den dritten Platz ausrechnen; bei Olympia 2012 sah man aber bei den drei deutlichen Gruppen-Niederlagen, wie viel auf Weltniveau noch fehlt. Dass sich Ecuador qualifiziert hat, ist eine größere Überraschung, hier gibt es überhaupt keine Erfahrungswerte auf gutem Niveau. Bemerkenswert ist, dass Teamchefin Vanessa Arauz erst 26 Jahre alt ist. Man wird viel Lehrgeld zahlen.

USA und die vermeintliche Todesgruppe

Dass in den Staaten, wie es lange war, der Frauenfußball einen höheren Stellenwert als jener der Männer hat, stimmt mittlerweile so nicht mehr ganz. Was aber nichts daran ändert, dass das US-Team gemeinsam mit jenem aus Deutschland das größte Reservoir an Talent hat. Eine weitere Parallele: Die Besetzung auf der Trainerbank kann da nicht ganz mithalten.

Pia Sundhage (von 2008 bis 2012 im Amt) verpasste dem athletisch vermutlich besten Team der Welt, aber taktisch einem der unterentwickeltsten, eine stringente, auf Pressing und gezieltem Flügelspiel basierende Strategie. Mit dieser gewann man 2x Olympia-Gold und kam ins WM-Finale. Zudem hielt Sundhage durch ihr sonniges Gemüt ein Team, das viele Egos und starke Persönlichkeiten umfasste, zusammen.

Die USA
Die USA: Athletisch und viel individuelle Klasse, aber langweilig und ausrechenbar

Letzteres gelang Nachfolger Tom Sermanni, einem bärbeißigen Schotten, überhaupt nicht, weswegen er nach nur einem Jahr im Amt entlassen wurde. Nun ist Jill Ellis am Kommandostand. So farblos und bieder, wie die 48-jährige Engländerin (die mit 18 in die USA ging) wirkt, wirkt auch das Spiel des US-Teams. Das Pressing ist weitgehend gewichen, nun stehen wieder die alten US-Tugenden im Mittelpunkt: Athletik, Tempo, individuelle Klasse.

Für den Spielwitz ist im Grunde einzig Kapitänin Megan Rapinoe (Betonung auf dem i, nicht auf dem a) zuständig. Der platinblonde Rechtsfuß auf der linken Seite ist Antreiber, Integrationsfigur, Li-La-Launebär und Gesicht der Mannschaft in Personalunion. Das Zentrum mit Carli Lloyd und Lauren Holiday (ehemals Cheney) ist nur zur Absicherung da; im Ballbesitz wird aus dem 4-4-2 flott ein 4-2-4. Ellis ließ die Besetzung beiden Ketten in der Vorbereitung seit Monaten unverändert, Altstar Abby Wambach dürfte vorne gesetzt sein – die einzige offene Stelle ist jene der wendigen, technisch starken Stürmerin neben Brecher-Typ Wambach. Das kann Sydney Leroux werden (die eigentlich Kanadierin ist), aber auch Alex Morgan sein. Prognose: Es gilt ähnliches wie für Deutschland – von der grundsätzlichen Klasse ist das US-Team ein absoluter Top-Favorit, aber das Team agiert extrem ausrechenbar. Das Semifinale ist das Minimalziel, aber intelligentere Teams mit halbwegs Klasse können zum Problem werden.

Das kann schon im zweiten Gruppenspiel Schweden sein. Das Tre-Kronor-Team, ausgerechnet betreut von Pia Sundhage, besiegte schon 2011 die USA in der Gruppe 2:1 und sorgte so dafür, dass die Amerikanerinnen deutlich schwerere K.o.-Spiele hatten. Allerdings herrscht Skepsis beim WM-Finalist von 2003: Hatte Sundhage vor einem halben Jahr noch betont, dass sie bei einem Viertelfinal-Aus enttäuscht den Stuhl räumen würde, ruderte sie zuletzt gar heftig zurück und meinte, dass schon das Viertelfinale ein schöner Erfolg wäre.

Tatsache ist: Sundhage sorgt seit der begeisternden Heim-EM vor zwei Jahren in ihrer Heimat vermehrt für Kopfschütteln, weniger für Jubelstürme. Ihre sture Nominierungs-Politik, an ihren persönlichen Lieblingen festzuhalten – die samt und sonders schon einige Jahre auf dem Buckel haben – und große Talente, die deutlich besser in Form sind, zu ignorieren, wird von kaum jemanden goutiert. Zudem hat sich das Team in den zwei Jahren seit der EM keinen Zentimeter weiterentwickelt – wie auch. Sich nur auf die individuelle Klasse von Schelin (31) und Asllani (25) vorne und Fischer (30) hinten zu verlassen, wird zu wenig sein. Zumal Joker Nummer eins, Therese Sjögran, bereits schlanke 38 Jahre alt ist.

Da auch die anderen beiden Gruppengegner gute Namen im Frauenfußball sind, wird die Gruppe D gemeinhin als „Todesgruppe“ bezeichnet. Aber ist sie das wirklich? Wer gesehen hat, wie unfassbar hilflos Australien im April beim Testspiel in Österreich agiert hat, dem fällt es schwer zu glauben, dass es ein drittes Mal in Folge ins Viertelfinale gehen kann. Nach dem Generationswechsel fehlt es vor allem dem jungen Mittelfeld an internationaler Klasse, der komplette Kader (bis auf Goalie Williams) spielt in der heimischen Liga – da wird es gegen die Routine und die individuelle Klasse von Schweden und USA wenig zu holen geben.

Bei Nigeria schafft man es dafür seit Jahren, sich selbst konsequent ins Bein zu schießen. Neben dem strikten Verbot für homosexuelle Spielerinnen (der den lukrativen Deal mit Adidas kostete) beraubt man sich auch durch blindwütiges Wir-sind-größer-als-alle-anderen-Denken einiger fähiger Akteure. So bestand man darauf, dass das in Schweden spielende Trio Ikidi, Michael und Chikwelu mitten während der Saison zur Olympia-Quali kommen, da sie sonst nicht für die WM nominiert würden. Das Trio lehnte ab (auch mit der Erfahrung schlechter Behandlung beim Team in der Vergangenheit), die Olympia-Quali-Spiele wurden ohnehin abgesagt – und keine der drei ist im Kader für die WM.

Potenzial ist zwar auch so mit dabei – Nigeria erreichte, angetrieben von der großartigen Asisat Oshoala, letztes Jahr das Finale der U-20-WM – aber die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die Spielerinnen beim Verband nicht wohl fühlen und bei WM-Endrunden regelmäßig ihr Potenzial nicht ausschöpfen können. Es deutet nichts darauf hin, dass das diesmal anders sein sollte.

Spanien gegen Marta +10

Brasilien bei den Frauen – das ist gefühlt Marta und zehn beliebige andere. Das wird von Jahr zu mehr mehr so, spätestens seit Ester, umsichtige Spieleröffnerin im zentralen defensiven Mittelfeld, aufgehört hat und seit Cristiane, trickreiche Flügelspielerin mit brutalem Zug zum Tor, ihren Stint bei europäischen und amerikanischen Topklubs beendet hat und in der brasilianischen Liga spielt – wie fast alle anderen im Kader.

Brasilien
So spielte Brasilien beim einzigen (!) WM-Test: Keine 3er-Kette hinten, Marta nicht solo vorne

Nun nimmt Brasilien den Frauen-Fußball und diese WM nicht so furchtbar ernst. Es gab nur ein einziges Testspiel seit dem Algarve-Cup im März, und das ging mit 0:4 in Deutschland mal so richtig daneben.

Teamchef Vadão eliminierte die bei Brasilien über Jahre institutionalisierte Dreier-Abwehr und das System mit Marta als völliger Freigeist im offensiven Zentrum mit zwei Flügelspielerinnen neben ihr. Bei besagtem 0:4 in Deutschland kam Brasilien in einem völlig gewöhnlichen 4-4-2 daher, mit zwei gelernten Stürmerinnen auf den Außenbahnen und mit Marta und Cristiane als Zweiersturm vorne. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass Vadão das System wieder umstellt.

Was sich aber sicher nicht ändern wird: Dass das Spiel der Mannschaft mit den (schwankenden) Launen von Marta steht und fällt. Ihr planetengroßes Ego überlagert alles andere, ihr Auftreten als unausstehliche Parade-Zicke macht es neutralen Beobachtern schwer, sie zu mögen – zumal ihr Verhalten gerne auf die Kollegen überschwappt. Zwei davon haben übrigens Österreich-Vergangenheit: Rosana spielte für Neulengbach, Darlene für Neulengbach und für St. Pölten. Prognose: Brasilien ist sicherlich der schwächste der Gruppenköpfe. Ein Aus im Achtelfinale wäre keine Überraschung, spätestens im Viertelfinale ist Endstation.

Eines der aufstrebenden Teams aus Europa ist Spanien. Die Truppe um Offensiv-Allrounderin Veró Boquete erreichte bei der EM vor zwei Jahren überraschend, aber verdient das Viertelfinale und setzte sich in der WM-Quali problemlos gegen Italien durch. Das Team spielt war fast geschlossen in der bestenfalls durchschnittlichen spanischen Liga, ist aber über Jahre eingespielt, im richtigen Alter und voller Selbstvertrauen. Die große Stärke ist die Offensiv-Power mit Boquete, Hermoso und Natalia Pablos, die größte Schwäche ist – untypisch spanisch – fehlende Kreativität im Mittelfeld. Hier regieren gerade gegen gute Gegner oft Alibipässe und Biederkeit.

Von den anderen beiden Mannschaften in dieser sicher eher schwächeren Gruppe darf man nicht zu viel erwarten. Für den Asiencup-Vierten Südkorea ist es die erste WM-Teilnahme seit 12 Jahren, gegen die guten Teams aus Asien ist hält man zwar halbwegs mit, aber mehr auch nicht. Während Costa Rica es beim Concacaf-Cup dank eines Sieges über Mexiko überraschend ins Finale geschafft hat und sich auch ohne die Aufstockung qualifiziert hätte. Mit Sechser Shirley Cruz-Traña von WCL-Finalist Paris St. Germain gibt es aber nur eine Spielerin von internationaler Klasse. Wunderdinge werden die Ticas wohl kaum vollbringen. Bemerkenswert: Wie ihre Kollegin aus Ecuador ist auch Trainerin Amelia Valverde (28) noch blutjung.

Geheimfavorit Frankreich

Ein perfekt eingespieltes, gut harmonierendes Team. Eine kaum zu überwindende Innenverteidigung mit 1.81-m-Riegel Wendie Renard, zwei wieselflinke Außenverteidigerinnen. Edeltechnikerin Nécib und Sprintrakete Thomis auf den Flanken, dazu mit Cammy Abily der wohl beste Achter weltweit. Und vorne Vollstrecker von internationaler Klasse und Mega-Talent Claire Lavogez (der letztes Jahr bei der U-20-WM dieses Schmuckstück hier gelang) als Joker.

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Frankreich: Weltklasse, wo man hinschaut. Nur die Psyche war oft ein großes Problem.

Und: Teamchef Philippe Bergeroo versucht nicht mehr, anders als Vorgänger Bini, allzu viele Kompromisse einzugehen, um jeden im Team zufrieden zu stellen. Was gegen Frankreich spricht? Eigentlich gar nichts – außer, dass man es trotz bester Voraussetzungennoch immer geschafft hat, zu scheitern. Oft auch spektakulär. Bei der EM 09 im Viertelfinale im Elferschießen raus, bei der WM 11 als besseres Team im Semifinale raus, dasselbe bei Olympia 12, und bei der EM 13 als Topfavorit schon im Viertelfinale an Dänemark gescheitert.

Am Können liegt es nicht, sondern rein an der Psyche, obwohl man über tonnenweise internationaler Erfahrung auf allerhöchstem Niveau verfügt. Teamchef Bergeroo hat seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren nur Nuancen verändert: Statt dem 4-2-3-1 unter Bini lässt er ein 4-4-2 spielen, er stellte Nécib auf die linke Seite (wo sie oft einrückt), während Thomis rechts mehr an der Linie bleibt. Und Bergeroo hat die Pressing-Linie ein wenig nach vorne gedrückt und das Gegenpressing verfeinert.

Die grundsätzliche Spielanlage blieb aber gleich: Frankreich will den Ball haben, will aktiv das Spiel gestalten, will dem Gegner sein Spiel aufzwingen. Dominanz durch Technik und Athletik ausüben. Einzige wirkliche Schwäche: Torhüterin Bouhaddi ist zwar gut beim Rauskommen und Weltklasse auf der Linie, hat aber panische Angst vor halbhohen Flanken vor den Fünfmeterraum. Gegner mit guten Scouts wissen das. Prognose: Wenn Frankreich die mentale Blockade in wichtigen Spielen abstellen kann, ist man ein ganz heißer Titelkandidat. Ein verzagtes Scheitern im Viertelfinale ist aber genauso möglich.

Die Konkurrenz in der Gruppe ist für Frankreich keine Konkurrenz. England startete nach einer haarsträubend schlechten EM völlig neu, der erst 32-jährige Waliser Mark Sampson soll mittelfristig die Früchte ernten, die mit der vor einigen Jahren ebenso neu gestarteten englischen Liga gesät wurden. Er setzt auf ein klares, britisches, etwas altbackenes 4-4-2, das sich gegen wirklich gute Kontrahenten aber erst bewähren muss: In der sicherlich leichtesten Quali-Gruppe waren die Three Lionesses maßlos unterfordert. Über den wirklichen Generationswechsel hat sich Sampson bisher aber nicht drübergetraut. Das Team in Kanada, für das das Viertelfinale ein schöner Erfolg wäre, ist ein Übergangsteam. Work in progress.

Die anderen beiden Gruppe-F-Teilnehmer zeigen, wie schwer es der Frauenfußball in Lateinamerika hat. Kolumbien ist immer noch ein Produkt von Ex-Teamchef Ricardo Rozo. Er zeigte in einem Land, das keine nationale Liga, sondern nur regionale Spielklassen hat, Sendungsbewusstsein und Eifer und etablierte das Team mühelos als Nummer zwei in Südamerika – wo bis auf Brasilien alle anderen Nationalteams alle drei Jahre mal bei der Copa America antreten, aber ansonsten schlichtweg nicht existieren. Bei Kolumbien wird der Unterschied zur restlichen Welt dann aber regelmäßig bei den Turnieren sichtbar.

Selbiges gilt für Mexiko. Dort wird sogar aktiv nach in den USA geborenen und aufgewachsenen Nachfahren mexikanischer Auswanderer gescoutet, die auf US-Univeristäten spielen, weil in Mexiko selbst die Strukturen einfach nicht da sind. Mit den lokalen Großmächten USA und Kanada kann Mexiko sowieso nicht mithalten, diesmal musste man sogar heftig zittern, um sich überhaupt zu qualifizieren. Eine Niederlage gegen Costa Rica brachte das Team schwer in die Bredouille. Immerhin: Im direkten Duell gleich zum Start kann Kolumbien oder Mexiko den jeweils ersten Sieg der WM-Geschichte einfahren.

Wer fehlt?

Kurz gesagt: Niemand von Belang. Einzig Nordkorea – an sich ein Team mit Achtelfinal-Potenzial, womöglich Viertelfinale – muss zuschauen, weil man sich bei der WM 2011 beim leistungssteigernden Rudelbumsen erwischen hat lassen (sprich: gleich fünf positive Dopingtests abgeliefert hat). Was auch ein wenig schade ist, weil wir so um die eine oder andere bizarre Meldung umfallen. Die fünf postiven Tests versuchte man vor vier Jahren etwa mit einem Blitzeinschlag im Training zu entschuldigen, der die entsprechenden Werte bei den armen Mädels spontan in die Höhe getrieben hat.

Sonst wurde vor allem außerhalb von Europa mit der Aufstockung von 16 auf 24 Teilnehmer darauf geachtet, dass alles dabei ist, was halbwegs gerade Pässe spielen kann (abgesehen vermutlich von Thailand, das sich quasi den für Nordkorea vorgesehenen Platz geholt hat). Dass Europa auf acht Plätze begrenzt wurde, hielt an sich fähige Teams wie Dänemark oder Italien draußen, einen bleibenden Eindruck hätten diese Mannschaften aber wohl ohnehin nicht hinterlassen.

Die WM im TV

Im Fernsehen zu sehen gibt es die WM im deutschen Fernsehen auf ARD und ZDF sowie auf Eurosport und Eurosport 2, auch das Schweizer Fernsehen berichtet umfassend. Übertragungen der Spiele zu finden, wird also sicher kein Problem sein – eher schon die Anstoßzeiten. Diese sind nämlich in erster Linie auf den nordamerikanischen Markt ausgelegt. Das heißt: Jede Menge Spiele sind mitten in der europäischen Nacht. Das Finale in Vancouver etwa um 1.00 Uhr von Sonntag auf Montag.

Mühsam.

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WM-Geschichte für Einsteiger – Women’s World Cups https://ballverliebt.eu/2015/06/04/wm-geschichte-fuer-einsteiger-womens-world-cups/ https://ballverliebt.eu/2015/06/04/wm-geschichte-fuer-einsteiger-womens-world-cups/#comments Wed, 03 Jun 2015 22:43:55 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11040 WM-Geschichte für Einsteiger – Women’s World Cups weiterlesen ]]> Am 6. Juni startet die siebente WM-Endrunde im Frauenfußball. Erstmals findet das Turnier in Kanada statt und seit dem ersten Turnier im November 1991 in China hat sich viel getan. Hier, quasi für Frauenfußball-Einsteiger: Die Geschichte der Weltmeisterschaften in sechs Teilen.

1991: Deutungshoheit

In erster Linie ging es der FIFA natürlich um die Deutungshoheit. In Asien gab es schon seit 1975 kontinentale Meisterschaften, in Europa seit 1984. Dazu wurde ab 1984 jährlich ein Mini-WM-Turnier außerhalb der FIFA (das sogenannte „Mundialito“, immer in Italien) durchgeführt. Ehe den Hohen Herren die Sache also außer Kontrolle gerät, ließen sie 1988 einen Testballon in Form eines eigenen Einladungs-Weltturniers in China steigen. Die Erfahrungen dieses Turniers, das Norwegen im Finale 1:0 gegen Schweden gewann, überzeugten die FIFA.

Natürlich: Es gab nur eine handvoll Teams, die halbwegs kompetitiven Frauenfußball spielten, die FIFA traute sich auch noch nicht, das Wort „World Cup“ zu verwenden (es hieß offiziell „Women’s Championship) und das Interesse außerhalb des Veranstalterlandes China war gleich Null. Aber es war einmal ein Anfang.

Die Spiele, allesamt in der Region um Guangzhou in der Nähe von Hongkong ausgetragen, waren  gut besucht, auch weil China zu den großen Favoriten zählte. Umso größer war der Schock, als man im Viertelfinale Schweden nach dem frühen 0:1 durch Pia Sundhage zwar herspielte, aber immer wieder an Goalie Elisabeth Leidinge scheiterte. Drei Tage später im Semifinale ging Schweden 1:4 gegen Norwegen unter, die USA besiegte Deutschland locker mit 5:2.

Finale 1991: USA - Norwegen 2:1 (1:1)
USA – Norwegen 2:1 (1:1)

Taktisch bewegten sich die Teilnehmer ganz im Zeitgeist – Libero und Manndeckung war angesagt. So auch im Finale, in dem sich zwei ähnliche Systeme gegenüber standen: Je drei Stürmerinnen wurden von drei Manndeckerinnen bewacht, dazu ein Libero; in der Zentrale versuchten sich jeweils drei Spielerinnen daran, das Spiel an sich zu reißen und die Sturmreihen in Szene zu setzen.

Norwegen unter dem jungen Teamchef Even Pellerud (38) hatte dort die klarere Spielidee parat – Zaborowski als zurückgezogener Sechser und Plan A in der Spieleröffnung – aber die US-Girls ganz klare Vorteile in Sachen Physis. Nicht umsonst gelangen etwa beim 7:0 im Viertelfinale gegen Taiwan gleich sechs Tore aus Standardsituationen.

Und auch das erste im Finale, als Michelle Akers nach einer Viertelstunde ihrer Bewacherin Gro Espeseth entwischte und eine weite Freistoß-Flanke von halbrechts mühelos zum 1:0 verwerten konnte. Die USA kontrollierte das Mittelfeld und damit das Spiel, aber ein fürchterlicher Fehlgriff von US-Goalie Mary Harvey, die kolossal an einer Freistoß-Flanke vorbeisegelte, ermöglichte Linda Medalen nach einer halben Stunde den 1:1-Ausgleich.

Es blieb aber dabei, dass Norwegen keinen Zugriff auf das Zentrum bekam und es so immer mehr mit langen Bällen versuchte, die US-Verteidigung aber nichts zuließ. Auf der anderen Seite war das brandgefährliche Angriffstrio mit Linksaußen Carin Jennings, Rechtsaußen April Heinrichs und Mittelstürmerin Michelle Akers deutlich besser im Spiel. Dennoch brauchte es ein Missverständnis zwischen Espeseth und Libero Heidi Støre, um Akers zwei Minuten vor Schluss das verdiente und entscheidende 2:1 zu ermöglichen.

Die USA war also erster Weltmeister und der Nukleus des Teams sollte das folgende Jahrzehnt im Frauenfußball entscheidend prägen. Allen voran natürlich Mia Hamm (die damals als 19-Jährige tatsächlich als Rechtsverteidigerin spielte), aber auch die Mittelfeld-Achse mit Julie Foudy (20) und Kristine Lilly (20) sowie die Abwehr mit Joy Fawcett (23, damals noch Biefeld) und Carla Overbeck (23, damals noch Werden). Und natürlich Michelle Akers (25), die als Routinier noch lange an Bord blieb.

1995: Norwegen – Rest der Welt 23:1

Der größte Widersacher über die folgenden Jahre sollte Final-Gegner Norwegen bleiben. Auch hier blieb der Grundstock der Mannschaft zusammen, wurde 1993 Europameister und für die Weltmeisterschaft 1995 in Schweden sowohl individuell als auch inhaltlich aufgerüstet. Pellerud hatte erkannt, dass man vor allem im physischen Bereich weiter zulegen musste und entschied sich dafür, aktiv die aggressive Schiene zu fahren. Sprich: Wütendes Pressing von Beginn an, weit in der gegnerischen Hälfte.

Das überforderte die Gegner auf das Übelste. 8:0 zum Auftakt gegen Nigeria, dann ein noch harmloses 2:0 gegen England, ehe ein 7:0 gegen Kanada folgte. Im Viertelfinale hatte Norwegen bei 3:1 gegen Dänemark ebenso keine nennenswerten Probleme.

Der Rest des Teilnehmerfeldes stand vom Beginn an im Schatten von Norwegen und hatte auch deutlich mehr mit dem unbarmherzigen Terminplan zu kämpfen – das Turnier wurde mit Gruppenphase, Viertel- und Halbfinale und dem Endspiel in nur zwei Wochen durchgepeitscht. Die Favoriten waren grundsätzlich die gleichen wie vier Jahre zuvor: Neben den Finalisten also Deutschland und China, dazu Gastgeber Schweden. Wie 1991 nahmen auch an diesem Turnier zwölf Teams teil.

Schweden scheiterte im Viertelfinale an China (also genau umgekehrt wie vier Jahre davor), weil Annica Nessvold im Elferschießen – dem ersten bei einer Frauen-WM – die Nerven versagten. Im Halbfinale blieb China dann an Deutschland mit 0:1 hängen. Am selben Tag gelang Norwegen die Final-Revanche an den Amerikanerinnen. In der ersten Hälfte rannten sie die US-Girls nieder und gingen nach einem Eckball in Führung, in der zweiten Halbzeit trafen die USA zweimal die Latte, aber nicht mehr ins Tor.

Finale 1995: Norwegen-Deutschland 2:0 (2:0)
Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Neben der extrem aggressiven Spielweise hatte Norwegen 1995 noch eine weitere neue Waffe dazubekommen: Ann-Kristin Aarønes. Die 1.82m große Stürmerin war nicht nur ein Ziel bei Standards (wie im Semifinale gegen die USA), sondern als in den Strafraum ziehende Linksaußen auch kaum zu verteidigen. Norwegen ging als haushoher Favorit in das Finale gegen das deutsche Team.

Dieses hatte unter Teamchef Gero Bisanz nichts entgegen zu setzen. Das Spielsystem mit Libero und zwei Manndeckerinnen war gegen den agilen Dreier-Angriff von Norwegen heillos überfordert, das eigentlich kreative Zentrum mit Wiegmann, Voss und Neid bekam überhaupt keine Zeit am Ball und die Stürmerinnen hingen nicht nur in der Luft, sondern agierten so schlecht, dass Birgit Prinz noch vor der Halbzeit entnervt ausgewechselt wurde.

Als Norwegen nach 37 Minuten durch Hege Riise in Führung ging, war die einzige Überraschung, dass es so lange gedauert hatte. Zur Halbzeit stand es 9:0 an Ecken und 8:2 an Torschüssen für Norwegen, wobei zwei völlig harmlose 30-Meter-Schüsschen der Deutschen gezählt wurden – und Norge-Kapitänin Heidi Støre, auf der Sechs das eigentliche Hirn der Mannschaft, gesperrt fehlte. Mariann Pettersen legte noch vor dem Seitenwechsel das 2:0 nach, danach verlegte sich Norwegen im strömenden Regen von Stockholm auf das Verwalten.

1999: One Giant Party

Wie auch das Turnier 1991 flog aber auch die WM 1995 weitgehend unter dem öffentlichen Radar. Eine große Aufwertung erfuhr der Frauenfußball danach durch die Aufnahme ins Olympische Programm und die Tatsache, dass dabei (anders als bei den Männern) keine Altersbeschränkung galt, also alle Teams in Bestbesetzung teilnahmen.

Die USA gewann die olympische Premiere daheim in Atlanta und nützte den Schwung für die Weltmeisterschaft im eigenen Land 1999. Wenn die Amis etwas können, dann ist es, Sport zu vermarkten – und das taten sie. So zahlte sich das Risiko aus, in die gigantischen NFL-Stadien in New York, Boston, Washington, Chicago und San Francisco zu gehen und das Finale in der 100.000er-Schüssel der Rose Bowl in Los Angeles zu spielen. Der Zuschauerschnitt betrug fast 40.000 pro Spiel.

An der sportlichen Gemengelage hatte sich bis 1999 aber kaum etwas geändert: Wieder waren die üblichen Verdächtigen Norwegen, USA, Deutschland und China die klaren Favoriten. Die größten Chancen wurden neben dem Gastgeber dabei China eingeräumt, schließlich hatten die Olympia-Silbernen von Atlanta den neben Mia Hamm größten Superstar dieser Zeit in ihren Reihen: Sun Wen.

Die damals 26-Jährige war das unumstrittene Oberhaupt im technisch nahezu perfekt ausgebildeten, allerdings sonst recht namenlosen Kollektiv aus dem Reich der Mitte. China radierte lässig durch die Vorrunde und eliminierte im Viertelfinale Russland 2:0. Während auch die USA und Norwegen drei lockere Vorrunden-Siege einfuhren, tat sich Deutschland schwer: Nach Unentschieden gegen Italien und der großen Überraschung des Turniers, Brasilien mit der fast glatzköpfigen Torschützenkönigin Sisi, musste man als Gruppenzweiter schon im Viertelfinale gegen die USA ran.

Trotz zweifacher Führung unterlag Deutschland 2:3, und die Amerikanerinnen besiegten im Semfinale auch Brasilien – nachdem Seleção-Keeper Maravilha schon nach fünf Minuten recht grob daneben gegriffen hatte. Titelverteidiger Norwegen geriet im anderen Halbfinale gegen China rasch 0:2 in Rückstand und kam gegen die wieselflinken, technisch starken und überwiegend kleinen Chinesinnen überhaupt nicht in die Zweikämpfe und so auch nicht ins Spiel. Am Ende hieß es 5:0 für China, Sun Wen und Co. gingen daher als Favoriten in das Finale.

USA - China 0:0 n.V., 5:4 i.E.
USA – China 0:0 n.V., 5:4 i.E.

Dort heizte Jennifer Lopez den 90.000 Zusehern vor dem Finale mit einem Super-Bowl-artigen Konzert ein, aber das Spiel selbst war ähnlich unterkühlt und zäh wie jenes der Herren fünf Jahre zuvor an gleicher Stelle. Michelle Akers, gelernte Stürmerin und mittlerweile 33 Jahre alt, hatte den Job, die Zufuhr für Sun Wen zu stoppen, und das gelang ihr. Auf der anderen Seite kam das US-Sturmtrio gegen die vielbeinige chinesische Abwehr kaum zur Geltung. Ohne eine wirkliche Torchance für eines der beiden Teams ging es in die Verlängerung.

Die größte Chance auf das Golden Goal hatte in der 100. Minute Fan Yunjie nach einem Eckball, ihr wuchtiger Kopfball hat auch US-Keeper Briana Scurry schon geschlagen, aber Kristine Lilly klärte den Ball von der Linie. So musste erstmals in einem Finale das Elfmeterschießen entscheiden.

Die ersten beiden Schützinnen trafen jeweils, ehe Liu Ailing an Scurry scheiterte – wiewohl diese schon ein wenig gar weit vor ihrem Tor gestanden hatte. Alle fünf US-Amerikanerinnen im Elferschießen waren schon 1991 Weltmeister geworden, und als Brandi Chastain (1991 noch auf der Bank) den entscheidenden Elfer zum 5:4-Sieg verwandelte, riss sie sich ihr Trikot vom Körper und sank auf die Knie – eines der ikonischen Bilder des Frauenfußballs.

2003: Last Minute Stand-in

Vier Jahre später war alles für die große Revanche zwischen den USA und China angerichtet, mit umgekehrtem Heimrecht. Doch der WM in China kam etwas Unvorhergesehens in die Quere: Die SARS-Epidemie. Viereinhalb Monate vor der Endrunde entschied die FIFA, dass es ein zu großes Risiko wäre, in diesem Umfeld eine WM abzuhalten. Der US-Verband sprang mit offenen Armen ein – man hoffte, mit einer weiteren möglichst erfolgreichen Heim-WM auch die finanziell schwer schlingernde Frauen-Profiliga WUSA zu retten. Zumindest das gelang nicht.

Die WM selbst war ein ziemliches Stoppelwerk an Austragungsorten mit Stadien zum Teil mittlerer Größe, wie sie eben gerade verfügbar waren. Es gab vom Eröffnungsspiel bis zum Semifinale ausschließlich Double-Header, also zwei Spiele im selben Stadion direkt hintereinander. Alles kein Vergleich zur Gigantomanie-WM im selben Land vier Jahre davor, aber es ging.

Norwegens alte Generation war 2000 mit Olympia-Gold abgetreten, so reduzierte sich der Favoriten-Kreis auf USA, China und Deutschland. Die zweite Reihe aber rückte nun erstmals merklich auf: Brasilien mit der 17-jährigen Zauberin Marta, Schweden mit dem Atomsturm Hanna Ljungberg/Victoria Svensson und Strategin Malin Moström, Kanada mit der jungen Christine Sinclair (20).

So schaffte es Kanada, im Viertelfinale China mit 1:0 zu eliminieren. Und so schaffte es Schweden, im Viertelfinale jenes Team aus Brasilien 2:1 zu besiegen, das in der Vorrunde Norwegen hinter sich gelassen hatte. Womit sicher war, dass einer dieser beiden Außenseiter ins Finale einziehen würde. Es sollte Schweden werden, nach einem hart erkämpften 2:1 im Semifinale.

Wenige Stunden zuvor war das andere Halbfinale das vorweggenommene Endspiel, es trafen die USA und Deutschland aufeinander. In einem atemberaubenden Spiel ging es auf und ab, auch nachdem Garefrekes das DFB-Team nach einer Viertelstunde in Front geschossen hatte. Vielen gilt dieses intensive Spiel bis heute als das beste Frauenfußball-Spiel aller Zeiten, mit dem schlechteren Ende für den Titelverteidiger und Gastgeber. Deutschland erhöhte mit Toren in den Minuten 91 und 93 auf 3:0, ein Resultat, das in seiner Klarheit dem Spiel in keinster Weise entsprach.

Deutschland - Schweden 2:1 n.V. (1:1, 0:1)
Deutschland – Schweden 2:1 n.V. (1:1, 0:1)

Die Paarung Deutschland gegen Schweden hatte sich in den Jahren davor als echter Dauerbrenner erwiesen, immer mit dem besseren Ende für das deutsche Team: Im Finale der EM 1995, im Halbfinale der schwedischen Heim-EM 1997, im Finale der EM 2001: Immer war es knapp, immer siegte Deutschland.

Auch beim Final-Anpfiff um 10 Uhr vormittags Ortszeit im Home-Depot-Center von Los Angeles – dem Heimstadion der LA Galaxy mit einem Drittel des Fassungsvermögens des Finalstadions 1999 – war Deutschland Favorit, aber Schweden hatte die Enttäuschungen der Jahre davor nicht vergessen und gestaltete das Spiel offen. Kurz vor der Halbzeit gelang Hanna Ljungberg auch das 1:0.

Quasi mit Wiederanpfiff glich zwar Maren Meinert für Deutschland aus, aber entscheidende Vorteile konnte sich auch in der Folge keines der beiden Teams erarbeiten. So ging es in die Verlängerung, wo (wie schon 1999) die Golden-Goal-Regel galt. Nach siebeneinhalb Minuten kam dann Joker Nia Künzer mit dem Kopf an eine Freistoß-Flanke von Renate Lingor – das 2:1, die Entscheidung, der erste deutsche WM-Titel.

2007: Machtdemonstration

Mit ihrem Final-Einzug bei Olympia 2004 etablierte sich Brasilien um Schweden-Legionärin Marta zu einem der ganz heißen Kandidaten auf den Titel bei der WM 2007, die nun doch in China stattfand. Spätestens mit der 4:0-Demolierung von China im zweiten Gruppenspiel konnte sich die Seleção nicht mehr aus der Rolle herausreden, Herausforderer Nummer eins für das deutsche Team zu sein.

Dieses war nämlich auch nach dem Teamchef-Wechsel von Tina Theune-Meyer zu Silvia Neid der haushohe Turnierfavorit. Praktisch konkurrenzlos wurde Deutschland 2005 zum vierten Mal hintereinander Europameister, die bullige Stürmerin Birgit Prinz war in exzellenter Verfassung und die Abwehr mit Ariane Hingst, Annike Krahn und Keeper Nadine Angerer war nur zu überwinden, wenn (seltene) individuelle Fehler passierten, wie im Olympia-Halbfinale 2004 gegen die USA. Als im WM-Eröffnungsspiel dann gleich Argentinien mit 11:0 abgeschossen wurde (das einzige zweistellige Resultat in der WM-Historie), wussten alle, woran sie waren.

Bei dieser fünften WM war erstmals die Leistungsdichte so groß, dass potenzielle Finalkandidaten schon in der Vorrunde hängenblieben. Bis dahin war die Gruppenphase für die Chefs kaum mehr als eine Aufwärm-Übung. 2007 aber blieb Schweden gegenüber Nordkorea auf der Strecke und Kanada gegen Australien. Für China kam die verschobene Heim-WM indes tatsächlich vier Jahre zu spät: Nach dem Karriere-Ende von Sun Wen versuchte man, mit Schwedens Final-Teamchefin von 2003 Marika Domanksi-Lyfors die Zeit zurück zu drehen. Nach einem überlegen geführten, aber im Abschluss harmlosen Viertelfinale gegen Norwegen war aber Schluss. Das Ende einer Ära.

Deutschland hingegen bretterte konkurrenzlos durch eine WM, die man zu einer absoluten Machtdemonstration werden ließ. In Viertel- und Halbfinale wurden mit überlegener Qualität und vor allem überlegener Physis Nordkorea und Norwegen jeweils 3:0 besiegt. Ohne Gegentor in fünf Spielen ging’s ins Finale.

Dort wartete Brasilien. Durch das US-Team war die Seleção mit ihrem Tempo, ihrer Technik und ihrem aggressiven, hohen Pressing durchgekracht wie durch eine Mannschaft überforderter High-School-Mädchen, das 0:4 war die höchste Niederlage, die ein US-Team jemals kassiert hatte. Und das nach davor 51 ungeschlagenen Spielen in Serie.

Deutschland - Brasilien 2:0 (1:0)
Deutschland – Brasilien 2:0 (1:0)

Erstmals im Turnier stand Deutschland also einem Gegner auf Augenhöhe gegenüber, und Brasilien machte es dem Titelverteidiger in der Tat extrem schwer. Vor allem die Außenstürmerinnen bereiteten den Deutschen riesige Probleme, Cristiane zog schon in den Anfangsminuten zwei Freistöße an der Strafraumgrenze, eine gelbe Karte für Garefrekes und so großartige Torchancen. Zudem drängten die Brasilianerinnen die ballführende Außenspielerin der Deutschen permanent so nach außen, dass diese nicht selten die Kugel nur noch ins Seiten-Out dreschen konnten.

Deutschland reagierte mit vorsichtiger Passivität, ließ Brasilien über die Dreierkette und vor allem Strategin Ester, die sich die Bälle von ganz weit hinten holte, gewähren. Erst mit dem etwas glücklichen 1:0 durch Birgit Prinz nach der Halbzeitpause verschaffte sich das DFB-Team einen Vorteil. Weiterhin aber dominierte Brasilien, was in der Folge zu einem Elfmeter führte – Bresonik hatte die einmal mehr mit Tempo in den Strafraum ziehende Cristiane gelegt. Aber Marta, die im Halbfinale noch eines der großartigsten WM-Tore ever erzielt hatte, scheiterte an Angerer.

Die deutsche Torfrau musste wenig später bei einem Freistoß wieder ihr ganzes Können aufbieten, Brasilien drückte – aber Simone Laudehr machte per Kopf nach einem Eckball kurz vor Schluss alles klar. Das Finale hatte Deutschland recht glücklich gewonnen, aber über den Turnierverlauf gesehen war die Titelverteidigung eine Machtdemonstration.

2011: Sommermärchen nur für die Anderen

Zwei Jahre nach dem zweiten WM-Titel in Folge wurde Deutschland einmal mehr quasi im Vorbeigehen Europameister, dazu fand die WM-Endrunde 2011 im eigenen Land statt: Der dritte Triumph in Folge war fix eingeplant, befeuert von einer Werbekampagne, die den Druck auf das DFB-Team weiter erhöhte. „Dritte Plätze sind nur was für Männer“ hieß es da von offizieller Stelle in Anspielung an die Herren.

Im größten Hype um ein Frauen-Turnier seit 1999 wurden aber zwei Dinge außer Acht gelassen: Zum einen, dass das Team von der ungewohnten allumfassenden Medien-Präsenz wie erschlagen sein würde, und dass noch andere Teams mitspielten. So quälte man sich zu einem 2:1 gegen Kanada, würgte sich zu einem 1:0 gegen Nigeria und hatte viel Mühe beim 4:2 gegen Frankreich.

Die anderen hatten an der Sommermärchen-Stimmung deutlich mehr Spaß: Brasilien, die USA, Schweden – und Japan. Die „Nadeshiko“ waren bei Olympia 2010 im Halbfinale, wurden aber nicht als wirklicher Titelkandidat gesehen. Im Viertelfinale aber hielt da verunsicherte deutsche Team 108 Minuten bei 0:0 und siegte dann dank des Joker-Tores von Karina Maruyama tatsächlich 1:0. Deutschland war in Schockstarre und das Viertelfinale zwischen Brasilien und den USA plötzlich ein vorgezogenes Endspiel.

Dass es das wahre Spiel des Turniers wurde, lag aber nicht an der Qualität (es war ein sehr nervös geführtes Match), sondern an der Dramaturgie. Die USA gingen durch ein frühes Eigentor in Führung, wurden in der Folge aber vom Referee benachteiligt: Ein Ausschluss, der keiner war; ein gehaltener Brasilien-Elfer, der umstrittenerweise wiederholt und im zweiten Versuch verwandelt wurde – mit 1:1 ging es in die Verlängerung, wo wiederum Marta aus Abseitsposition das 2:1 für Brasilien erzielte.

In diesem Spiel offenbarte sich das ganze Drama von Marta: Sie ist die mit Abstand beste Fußballerin des Planeten, aber gleichzeitig ein so unausstehlicher Kotzbrocken, dass es einem wirklich schwer fällt, sie zu mögen. Sie und auch ihre Kolleginnen nützten gegen Ende jede Gelegenheit, möglichst peinlich Zeit zu schinden. Die gerechte Strafe: Flanke Rapinoe, Kopfball Wambach, das 2:2 in der 122. Minute. Die Zuschauer in Dresden jubelten, als wäre Deutschland gerade Weltmeister geworden, so sehr hatte es sich Brasilien mit allen verscherzt. Natürlich gewann die USA das Elfmeterschießen.

Japan - USA 2:2 n.V. (1:1, 0:0)
Japan – USA 2:2 n.V. (1:1, 0:0)

Nach einem souveränen japanischen 3:1 über Schweden und einem glücklichen 3:1 der USA gegen Frankreich in den Halbfinals ging Japan wegen der souveräneren Vorstellungen bis dorthin als Favorit ins Endspiel. Dort jedoch zeigte sich die USA als das überlegene Team. Man stellte die im Turnier überragende japanische Spielmacherin Homare Sawa gut zu, hatte klare Vorteile auf den Flügel und kontrollierte auch die zweiten Bälle. Diese hatten in Japans Spielanlage große Bedeutung: Man verlagerte das Spiel mit hohen Bällen und nahm in Kauf, dass der körperlich stärkeren und größeren Gegner diese annahmen. Dafür presste man mit zwei, oft drei Leuten auf den zweiten Ball. Einmal in der gegnerischen Hälfte, sollte es flinkes Kurzpass-Spiel richten.

Als die USA nach einer Stunde in Führung ging, war dies verdient. Die Schwedin Pia Sundhage hatte das körperlich extrem starken, aber taktisch eher tumben Team nach der Halbfinal-Blamage 2007 übernommen, inhaltliche Finesse verliehen und so 2008 zum bereits dritten Mal bei vier Versuchen Olympia-Gold geholt. In diesem WM-Finale sah alles so aus, als sollte man den 1:0-Vorsprung über die Zeit verwalten, ehe ein derber Abwehr-Schnitzer in Minute 85 den Ausgleich brachte. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Verlängerung: Führung für die USA, kurz vor Schluss Ausgleich aus eigentlich keiner Torchance für Japan.

Anders als im Viertelfinale gegen Brasilien versagten den USA im Elferschießen aber die Nerven: Boxx, Lloyd und Heath verschossen, Japan siegte. Vier Monate nach dem verheerenden Tsunami und Fukushima ein emotionaler Triumph, der in Japan mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.

Statistik

bilanzen

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Ballverliebt Classics: Old-School-Deutsche, im WM-Finale vom hochmodernen Norwegen zerlegt https://ballverliebt.eu/2013/07/26/ballverliebt-classics-old-school-deutsche-im-wm-finale-vom-hochmodernen-norwegen-zerlegt/ https://ballverliebt.eu/2013/07/26/ballverliebt-classics-old-school-deutsche-im-wm-finale-vom-hochmodernen-norwegen-zerlegt/#comments Fri, 26 Jul 2013 20:45:12 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9260 Ballverliebt Classics: Old-School-Deutsche, im WM-Finale vom hochmodernen Norwegen zerlegt weiterlesen ]]> Deutschland gegen Norwegen im Finale eines großen Frauen-Turniers in Schweden – das EM-Finale 2013 ist nicht das erste Mal, dass es diese Kombination gibt. Im Jahr 1995 fand die Weltmeisterschaft in Schweden statt, und auch damals trafen sich diese beiden Teams im Endspiel von Stockholm. Wenn auch mit anderen Vorzeichen: Norwegen war klarer Favorit und setzte sich auch problemlos mit 2:0 durch.

Weil man unter Trainer Even Pellerud dem deutschen Gegner mit brutalem Pressing und extrem schnellen Umschalten nach Ballgewinn innerhalb kürzester Zeit den Nerv gezogen hatte. Das ist sogar im Jahr 2013, achtzehn Jahre später, ein extrem moderner Zugang.

Norwegen - Deutschland 2:0 (2:0)
Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Dabei fehlte Norwegen mit Sechser Heidi Støre das eigentliche Hirn der Mannschaft, sie war im Semifinale gegen China ausgeschlossen worden. Statt ihre rückte Anne Nymark-Andersen in die Mannschaft. Ein Niveau-Verlust in Pelleruds 4-3-3 war nicht zu merken. Der damals 42-Jährige stellte hinten eine Viererkette auf’s Feld, in der die Außenverteidiger aber vornehmlich hinten blieben. Davor aber ging’s rund.

Mit dem zentralen Trio, bestehend aus eben Anne Nymark, dazu Tone Haugen halblinks und Hege Riise – der kongenialen Partnerin von Heidi Støre – rückte gegen den Ball eng zusammen und wurde dabei von den drei Stürmerinnen, die ebenso alle gegen den Ball arbeiten mussten, unterstützt. Dabei stürzten sich immer mindestens zwei, meistens aber sogar drei Norwegerinnen auf die ballführende Deutsche.

Die hatte dadruch oft nicht mal die Zeit, den Ball vernünftig anzunehmen, von einer sinnvollen Weiterverarbeitung ganz zu schweigen. So wurde ein Aufbau des DFB-Teams im Keim erstickt und es gab viele norwegische Ballgewinne in der deutschen Hälfte. Daraufhin wurde blitzschnell umgeschaltet. Die deutschen Manndecker Anouschka Bernhard und Birgitt Austermühl hatten keine echten Gegenspieler und hingen entweder in der Luft oder ließen sich von Aarønes und Pettersen außen aus der Position ziehen. Libero Ursula Lohn war heillos überfordert, schlug am laufenden Band an Bällen vorbei, war gedanklich zu langsam.

Als Riise das 1:0 für Norwegen erzielte, war die einzige Überraschung, dass es 37 Minuten gedauert hatte.

DFB-Team ohne den Funken einer Chance

Deutschland hatte Probleme von hinten bis vorne. Die Abwehr versank im Chaos, die Flügelspieler Pohlmann und Meinert rieben sich in der Defensive auf und konnten keine Impulse setzen, den Kreativspielerinnen Silvia Neid und Martina Voss fehlte die Zeit am Ball – und Birgit Prinz vorne war sogar noch die mit Abstand schlechteste Deutsche. Die damals gerade mal 17-jährige Stürmerin konnte nicht einen Ball halten, womit auch die Option „hoher Ball“ für Deutschland nicht in Frage kam.

Einzig der schlampigen Chancenverwertung von Norwegen hatte es das komplett chancenlose deutsche Team zu verdanken, dass es nicht schon viel früher deutlich im Rückstand lag. Am Ende der ersten Hälfte stand es 9:0 an Eckbällen für Norwegen, 8:2 an Torschüssen – eine ernsthafte deutsche Torchance war da aber nicht dabei. In der 37. Minute sorgte ein Riise-Weitschuss für die Führung, drei Minuten später erkämpfte sich Aarønes einen Pressball an der Strafraumgrenze, dieser kam zu Medalen. Deren Schuss konnte DFB-Goalie Goller nur zur Seite abklatschen, wo Pettersen völlig frei stand. Der Pausenstand von 2:0 für Norwegen schmeichelte Deutschland massiv.

Weniger Druck von Norwegen, aber kaum deutsche Gefahr

DFB-Teamchef Gero Bisanz nahm Prinz schon vor der Halbzeit raus und brachte statt ihr die routinierte Patricia Brocker. Sie ließ sich dann deutlich weiter ins Mittelfeld fallen, um dort das deutsche Spiel zu stärken. Und tatsächlich bekam Deutschland nach dem Seitenwechsel deutlich Ruhe ins Spiel. In der 49. Minute hatte Heidi Mohr die erste echte Mini-Chance für ihr Team, als ein Steilpass in den Rücken der Viererkette ankam.

Deutschland kam aber auch deshalb besser ins Spiel, weil Norwegen einen Gang zurückschaltete. Völlig logisch: Einerseits führte man 2:0, andererseits hatte das ohnehin laufintensive Spiel beim starken Regenfall und dem damit tiefen Boden noch mehr Substanz gekostet als sonst. Das Mittelfeld-Trio agierte nun deutlich tiefer. Bisanz brachte im Laufe der zweiten Hälfte noch die junge Wunderlich und die noch jüngere Smisek (positionsgetreu für die Flügelspieler Pohlmann und Meinert).

Aber echter, dauerhafter Druck konnte gegen die sicher stehenden Norwegerinnen nicht erzeugt werden. Erst ein Kopfball von Silvia Neid in der 76. Minute kam einem möglichen Torerfolg tatsächlich Nahe, ebenso wie Smisek in der 85. Minute. Aber ein wirklicher Impuls von draußen kam nicht – wenig überraschend, in einer Zeit, in der Deutschland generell von taktischen Finessen wenig gehalten wurde.

Norwegen brachte das 2:0 problemlos drüber, ohne noch viel zu tun. Auch bei Kontern rückten maximal drei Spielerinnen mit auf – Kontrolle war angesagt.

Geschichtliche Einordnung

Norwegen war damals – dem EM-Semifinal-Aus gegen Schweden vier Monate vorm WM-Endspiel zum trotz – die klare Nummer eins in Europa und auch weltweit in der absoluten Spitze. 1991, bei der ersten Frauen-WM, verlor man das Finale gegen die USA erst durch ein Gegentor zwei Minuten vor Schluss mit 1:2, war 1993 Europameister und wurde 1995 eben Weltmeister – mit 23:1 Toren in sechs Spielen, als mit massivem Abstand beste Mannschaft des Turniers.

Es war der absolute Höhepunkt der großen Generation um Heidi Støre und Hege Riise. Sechs Spielerinnen vom Finale 1991 (Støre, Riise, Espeseth, Haugen, Medalen und Svensson) waren auch in Stockholm dabei. Dazu hatte man mit Turnier-Schützenkönigin Ann-Kristin Aarønes, 1.82m groß und kopfballstark, als in den Strafraum ziehende Linksaußen eine kaum zu verteidigende Waffe dazubekommen, dazu mit Bente Nordby eine solide Torfrau. Die unveränderte Mannschaft holte ein Jahr später Olympia-Bronze in Atlanta.

Und auch die nächste Generation aus Norwegen holte mit Gold in Sydney noch einen großen Titel – das einzige Olympia-Turnier, das nicht die USA gewannen.

Bei Deutschland entwickelte sich eine Mannschaft, die in den kommenden fünfzehn Jahren zur dominanten Kraft der Frauenfußball-Welt wurde – mit der im Finale von Stockholm erst 17-jährigen Birgit Prinz als Gesicht der Mannschaft. Mit ihr begann der Aufstieg zur echten Macht, mit ihrem Karriere-Ende war auch der Nimbus der deutschen Unbesiegbarkeit verflogen. Aber zwei WM-Titel (2003 und 2007) und fünf EM-Titel (1995, 1997, 2001, 2005, 2009) sprechen eine deutliche Sprache.

Und ein sechster EM-Titel in Folge kommt dazu – wenn man die Revanche für damals, das EM-Finale 2013, gegen Norwegen gewinnt.

Das Personal

Norwegen: Bente Nordby (20) – Tina Svensson (28), Nina Nymark Andersen (22), Gro Espeseth (22), Merete Myklebust (22) – Hege Riise (25), Ana Nymark Andersen (22), Tone Haugen (31) – Marianne Pettersen (19), Linda Medalen (29), Ann-Kristin Aarønes (22). Teamchef Even Pellerud (42, seit sechs Jahren).

Deutschland: Manuela Goller (24) – Birgitt Austermühl (29), Ursula Lohn (28), Anouschka Bernhard (24) – Maren Meinert (22), Silvia Neid (31), Bettina Wiegmann (23), Martina Voss (27), Dagmar Pohlmann (23) – Birgit Prinz (17), Heidi Mohr (28). Eingewechselt: Particia Brocker (29), Pia Wunderlich (20), Sandra Smisek (17). Teamchef Gero Bisanz (59, seit 13 Jahren).

(phe)

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Wieder verloren! Seit 18 Jahren heißt Schwedens Albtraum „Tyskland“ https://ballverliebt.eu/2013/07/25/wieder-verloren-seit-18-jahren-heist-schwedens-albtraum-tyskland/ https://ballverliebt.eu/2013/07/25/wieder-verloren-seit-18-jahren-heist-schwedens-albtraum-tyskland/#comments Wed, 24 Jul 2013 23:10:47 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9207 Wieder verloren! Seit 18 Jahren heißt Schwedens Albtraum „Tyskland“ weiterlesen ]]> Schweden drückte.Warf alles nach vorne, traf einmal aus Abseitsstellung, einmal den Pfosten, mehr als einmal rettete Nadine Angerer in höchster Not. Nachdem man selbst den offensivsten Fußball des Turniers gezeigt hat und sich Deutschland ins Halbfinale gewurschtelt hatte, war am Ende doch alles wie immer: Es ist knapp, es ist eng, aber am Ende hat die DFB-Elf die Nase vorn. Diesmal, im Halbfinale der schwedischen Heim-EM, hieß es 0:1. So war es in den letzten 18 Jahren immer: Nie konnte Sverige in diesem Zeitraum ein wichtiges Spiel gegen Tyskland gewinnen…

EM-Semifinale 2013: Deutschland gewinnt 1:0
EM-Semifinale 2013: Deutschland gewinnt 1:0

„Ich bin stolz auf mein Team“, sagte Schwedens Teamchefin Pia Sundhage nach der bitteren Niederlage, „weil wir ein sehr gutes Spiel gezeigt haben. Alles versucht haben. Am Ende hatten wir da und dort ein wenig Pech, waren da und dort auch nicht gut genug.“ So oder so ähnlich lautete das Fazit aber fast immer, wenn Schwedens Frauen in den letzten 18 Jahren gegen Deutschland spielten: Am Ende gibt’s nur Lob (Neid: „Pia macht einen tollen Job, bei der WM in zwei Jahren wird die Mannschaft ein heißer Tipp sein!“), aber den Sieg nehmen dann doch die Deutschen mit.

Das begann schon, als die mittlerweile 52-Jährige Sundhage noch selbst auf dem Platz stand – im Finale der Europameisterschaft 1995. Als die Serie von fünf deutschen EM-Titeln in Folge begann. Und die Leidenszeit des Trekronor-Teams gegen die „großen und brutalen Deutschen“ (O-Ton Kosse Asllani).

Angstgegner seit fast zwei Jahrzehnten

EM-Finale 1995: Deutschland gewinnt 3:2
EM-Finale 1995: Deutschland gewinnt 3:2

Im Spiel um Platz drei bei der ersten Frauen-WM 1991 behielt Schweden noch mit einem klaren 4:0 die Oberhand. Aber vier Jahre später, als sich die beiden Teams das nächste Mal zu einem bedeutenden Spiel trafen, ging’s los – eben im Finale des EM-Turniers von 1995. Die Schwedinnen, die drei Monate später ihre Heim-WM vor der Türe hatten, mussten im Endspiel nach Kaiserslautern – und verloren. Der schnellen Führung durch Malin Andersson (3.) folgten drei deutsche Tore (durch Meinert, Prinz und Wiegmann). Der Anschlusstreffer von Anneli Andelén kurz vor dem Schlusspfiff war zu spät. Für Deutschland war es der erste von fünf EM-Titeln in Folge, für Schweden ein schlechtes Omen für die Heim-WM. Dort besiegte man zwar Deutschland in der Gruppenphase, scheiterte aber im Viertelfinale von Helsingborg an China – Annica Nessvold versagten im Elferschießen die Nerven, ihren ganz schwach ins linke Torwart-Eck geschossenen Versuch parierte Gao Hong problemlos. Deutschland kam ins Finale, verlor im strömenden Regen von Stockholm aber 0:2 gegen Norwegen.

Generationswechsel bei beiden Teams

Nach der WM 1995 und Olympia 1996 erfolgte bei beiden Teams ein Generationswechsel. Bei beiden Teams hörten langjährige Stützen auf (etwa Sundhage, Videkull und Leidinge bei Schweden; Neid, Mohr und Pohlmann bei Deutschland); beide Teams wechselten ihre Teamchefs – Tina Theune-Meyer statt Gero Bisanz, bzw. Marika Domanski-Lyfors statt Bengt Simonsson.

EM-Halbinale 1997 - 1:0 für Deutschland
EM-Halbinale 1997: Deutschland gewinnt 1:0

Die beiden Teams waren im kommenden Jahrzehnt die dominiernden in Europa, aber Deutschland war immer knapp voran. Wie bei der EM 1997, die in Schweden und Norwegen stattfand. Schweden war locker durch die Vorrunde marschiert, Deutschland hatte (wenn auch in einer schwereren Gruppe) mehr Mühe. Im Halbfinale empfing Schweden im ausverkauften Stadion von Karlstad das Team von Deutschland, dominierte es vor allem in der ersten Halbzeit nach Belieben – aber ein Tor von Bettina Wiegmann – ein unmögliches Ding aus noch unmöglicherem Winkel – in Minute 84 besiegelte das schwedische Aus. Drei Tage später besiegte die DFB-Elf im Finale Italien mit 2:0 und verteidigte so den EM-Titel.

Zwei Final-Schlappen mit Golden Goals

Nach einem 1:0 für Deutschland in einem Gruppenspiel von Olympia 2000 in Sydney kam es ein Jahr danach zum nächsten bedeutenden Spiel zwischen den ewigen Rivalen: Bei der EM 2001 in Deutschland.

EM-Finale 2001: Deutschland gewinnt 1:0 n.V.
EM-Finale 2001: Deutschland gewinnt 1:0 n.V.

Als Stürmerin Hanna Ljungberg, die im Semifinale von 1997 verletzt fehlte und noch heute Schwedens erfolgreichste Torschützin ist, und Malin Moström – die wohl beste Mittelfeld-Strategin, die das Trekronor-Team jemals hatte – die Bühne betraten, setzte sich Schweden sukzessive endgültig von Norwegen ab. Mit den beiden kam man nach einem 1:3 in der Gruppenphase gegen die Deutschen in Erfurt mit einem 1:0 über Dänemark im Semifinale ins Endspiel der EM 2001.

Wo man in Ulm dem DFB-Team Paroli bot, sich mit einem torlosen Remis nach 90 Minuten in die Verlängerung kämpfte – nur, um dort in Minute 98 das Golden Goal durch die nach einer Stunde für Sandra Smisek eingewechselte Claudia Müller zu schlucken. Deren Jubel mit ausgezogenen Trikot im Sport-BH wurde zu einem der bekanntesten Bilder im Frauen-Fußball, zwei Jahre nach Brandi Chastains noch bekannterem Freudenschrei nach dem gewonnen WM-Finale.

2003 trafen bei der WM in den Staaten die Turnier-Favoriten Deutschland und USA im Halbfinale aufeinander. Die DFB-Elf hatte in einem hochklassigen Spiel, das alle als das vorgezogenen Finale betrachteten, ganz knapp die Nase vorne, die beiden Tore in den Minuten 91 und 94 zum 3:0-Endstand verzerren die Optik. Schweden hingegen profitierte davon, dass Halbfinal-Gegner Kanada zuvor schon Mitfavorit China eliminiert hatte. Einmal den Überraschungs-Gegner mit einem schnell abgespielten Freistoß übertölpelt, dann stand die damals 20-jährige Jossan Öqvist am langen Pfosten frei: Schweden gewann 2:1, war im Finale.

WM-Finale 2003: Deutschland gewinnt 2:1 n.V.
WM-Finale 2003: Deutschland gewinnt 2:1 n.V.

Und ging im Endspiel von Los Angeles, das um 10.00 Uhr vormittags (!!!) Ortszeit angepfiffen wurde, kurz vor der Pause durch Hanna Ljungberg sogar in Führung, ehe Maren Meinert – die für die WM nach ihrem Team-Rücktritt reaktiviert worden war – gleich nach Wiederanpfiff den Ausgleich markierte. Mit dem 1:1 ging es in die Verlängerung, wo Stürmerin Victoria Svensson mit einem unnötigen Foul einen Freistoß für Deutschland hergab. Renate Lingor brachte diesen hoch in den Strafraum, Nia Künzer (kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit für Pia Wunderlich gekommen) bekam ihren Kopf dran – Tor.

Wieder ein Golden Goal, wieder in der 98. Minute, wie zwei Jahre zuvor im EM-Endspiel. Dennoch: Mit dem Erreichen des Finales 2003 schaffte das Team in Schweden den absoluten Durchbruch. 13.000 Fans feierten das Team im Kungsträdsgården von Stockholm wie Weltmeister, das Finale sahen 3,8 Millionen Schweden im Fernsehen – also fast die halbe Bevölkerung des Landes. Spielerinnen wie Hanna Ljungberg, Malin Moström, Victoria Svensson und Malin Andersson sind noch heute Stars in Schweden.

Auch bei Olympia 2004 ging’s schief…

Um Olympia-Bronze 2004: Deutschland siegt 1:0
Um Olympia-Bronze 2004: Deutschland siegt 1:0

Bei den olympischen Spielen in Athen scheiterte Schweden im Halbfinale mit 0:1 an Brasilien, mit Marta die neue Kraft im Frauen-Fußball; während ein Patzer von Torfrau Silke Rottenberg den Deutschen in der Verlängerung gegen die USA das Final-Ticket kostete. So trafen die ewigen Konkurrenten im Spiel um Bronze aufeinander.

Wo nur eine Mannschaft spielte, nämlich die in gelb. Alleine Torfrau Silke Rottenberg und ihren unglaublichen Reflexen war es zu verdanken, dass man nicht bis zur 25. Minute schon aussichtslos 1:3 in Rückstand lag, nachdem Renate Lingor das DFB-Team früh in Führung gebracht hatte. Deutschland zitterte das 1:0 über die Zeit und hatte Bronze gewonnen.

Bei der EM 2005 in England hießen die Favoriten logischerweise wieder Deutschland und Schweden, aber das Trekronor-Team verlor das Halbfinale gegen Norwegen hauchdünn mit 2:3 nach Verlängerung. Es folgte der Schnitt, nach dem (verletzungsbedingten) Karriere-Ende von Hanna Ljungberg und dem (freiwilligen) Karriere-Ende von Malin Moström neigte sich auch die große Zeit der ganzen Mannschaft dem Ende zu.

Thomas Dennerby übernahm von Marika Domanski-Lyfors, bei der WM 2007 in China ging es aber nach der Vorrunde in den Flieger nach Hause: In der „Todesgruppe“ mit den USA und Nordkorea reichte es nur für Rang drei, während Deutschland – mittlerweile war Silvia Neid von der Co-Trainerin zum Chef aufgestiegen – ohne im ganzen Turnier auch nur ein Gegentor zu kassieren souverän den WM-Titel verteidigte.

Olympia-Viertelfinale 2008: Deutschland, 2:0 n.V.
Olympia-Viertelfinale ’08: Deutschland, 2:0 n.V.

…und 2008 wieder

Mit neuen Kräften wie Lotta Schelin vorne und Caroline Seger im Mittelfeld-Zentrum kam es bei Olympia 2008 schon im Viertelfinale zum Duell der beiden Teams, die sich nun also längst nicht mehr auf Augenhöhe befanden. Dennoch: Wieder ging es nach 90 torlosen Minuten in die Verlängerung. Dort aber schlief Schweden erst bei einem Eckball zum 0:1, dann griff Torfrau Hedvig Lindahl daneben. Nach dem 0:2 war die Reise für Schweden beendet, Deutschland lief drei Tage später in eine 1:4-Ohrfeige von Brasilien und rettete danach noch Bronze.

Dass sich die Blau-Goldenen für Olympia 2012 qualifizierten, und nicht Schwarz-Rot-Gold, war gut für das Selbstverständnis und führte Schelin und Co. nach dem dritten Platz bei der WM ins Viertelfinale von London (wo gegen Frankreich Schluss war), war aber letztlich vor allem die Folge einer glücklichen Auslosung bei der WM und dem überraschend frühen deutschen Aus bei ihrem Heim-Turnier.

Kein Wunder, dass nach dem 1:0 von Göteborg nun Saskia Bartusiak, die überragende Deutsche auf dem Feld, sagte: „Ich kann mich schon reinfühlen, wie es denen jetzt gehen muss…“

(phe)

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Die ’11-Besten https://ballverliebt.eu/2011/12/29/die-11-besten/ https://ballverliebt.eu/2011/12/29/die-11-besten/#comments Wed, 28 Dec 2011 23:02:28 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6279 Die ’11-Besten weiterlesen ]]> Das Jahr 2011 verlässt uns, aber die Erinnerungen an viele tolle Spiele aus den vergangenen zwölf Monaten wird uns natürlich bleiben. Darum gibt’s wie schon letztes Jahr noch mal die besten, interessantesten, richtungsweisendsten Spiele. Die Reihenfolge dieser elf Spiele aus 2011 ist natürlich willkürlich und nicht allzu eng zu sehen!

Platz 11 | Premier League | Chelsea – Liverpool 0:1

Chelsea-Liverpool 0:1

„Das sieht nach einem durchaus tauglichen Konzept aus, was Kenny Dalglish da mit seiner Dreierkette gefunden hat. Und Chelsea? Da könnte das Luxusproblem “Torres und Drogba und Anelka” zu einem tatsächlichen werden. Die Variante mit Drogba und Torres vorne und Anelka als Zehner dahinter war ein totaler Flop.“ – Die einen waren mit King Kenny auf der Bank auf dem Weg nach oben, zum Teil mit unüblichen Aufstellungsvarianten. Die anderen begannen zu erkennen, dass es vielleicht doch keine so einfach war, Torres sinnvoll einzubauen. Er verlor hier sein erstes Spiel im Chelsea-Dress ausgerechnet gegen sein altes Team. Süße Rache, nennt man so etwas wohl.

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Platz 10 | Asien-Cup | Japan – Syrien 2:1

Japan - Syrien 2:1

„In der offensiven Dreierreihe wird rochiert, was das Zeug hält. Da taucht Matsui schon mal auf der ganz anderen Seite auf, Kagawa in der Mitte oder gar als Sturmspitze, Honda mal zurückhängend, mal auf die Seiten, dann wieder ganz vorne. Fàbregas, Nasri, Rosický und Konsorten lassen grüßen. Und vorne macht Ryoichi Maeda, was bei Arsenal einen Robin van Persie ausmacht. Vom Toreschießen mal abgesehen.“ – Was der Italiener Alberto Zaccheroni aus den Japanern gemacht hat, war atemberaubend. Ein Tempo, eine Ballsicherheit eine Dominanz: Man war beim ganzen Asien-Cup, nicht nur im Gruppenspiel gegen Syrien, die mit sehr viel Abstand beste Mannschaft. Und wenn man etwas konsequenter im Ausnützen der Torchancen gewesen wäre, hätte das Arsenal Asiens nicht so sehr um den Titel zittern müssen.

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Platz 9 | Europa League | ZSKA Moskau – FC Porto 0:1

ZSKA Moskau - FC Porto 0:1
„Zwei der interessantesten Trainer Europas: Wunderkind André Villas-Boas vom FC Porto und der etwas schrullige Leonid Slutski von ZSKA Moskau. So unterschiedlich die beiden Trainer der zwei womöglich aufregendsten Mannschaften sind, die sich unter den letzten 16 der diesjährigen Europa League befinden, so ähnlich ist das Leistungsvermögen.“ – Auf dem Weg zum Sieg in der Europa League mit Porto bekam es André Villas-Boas im Achtelfinale mit einem ähnlich tollen Team und einem ganz anderen Trainer-Typen zu tun. Die beiden Mannschaften neutralisierten sich. Und wer weiß, womöglich wäre der Portugiese heute nicht Chelsea-Coach, hätte nicht Fredy Guarín das 1:0-Goldtor erzielt. In einem Spiel, das gezeigt hat, wie ähnlich sich so verschiedene Typen doch sein können.
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Platz 8 | Frauen-WM | USA – Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.

USA - Brasilien 2:2 n.V., 5:3 i.E.
„Kurioserweiser übernahmen die US-Amerikanerinnnen sofort wieder das Kommando. Mit der ganzen Wut über den harten Strafstoß samt Ausschluss und der überaus kleinlichen Entscheidung, den Elfer wiederholen zu lassen, drückten sie das brasilianische Team nun vor allem über die Flanken nach hinten.“ – Es war beileibe nicht das beste Spiel der Frauen-WM in Deutschland, dieses Viertelfinale. Im Gegenteil: Zwei hypernervöse Teams überboten sich lange in Fehlpässen. Aber die ganze Dramatik, die der Partie durch eine schreckliche Schiedsrichter-Leistung und dem US-Ausgleich in der 122. Minute eigen war, ließ sie doch zum zentralen Spiel des Turniers werden. Ein Spiel, in dem krass benachteiligte US-Girls Brasilien bestraften.
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Platz 7 | Europa League | SV Ried – Brøndby IF 2:0

SV Ried - Brøndby IF 2:0
„Weswegen Brøndby umso mehr schauen musste, über die Flügel nach vorne zu kommen. Damit hatte Ried das Ziel im Grunde erreicht: Die Mitte zwar offenlassen, aber keine Kreativität zulassen, das Spiel des Gegners so auf die Flügel zu verlagern, und dort den numerischen Vorteil ausspielen.“ – Zwar waren die Rieder letztlich die einzige österreichische Mannschaft, die sich nicht für die EL-Gruppenphase qualifizieren konnte, aber dennoch sind die Innviertler der große Gewinner des Jahres 2011. Nicht nur wegen des Cup-Siegs, sondern auch deshalb, weil man dank einer konsequent verfolgten Vereinsphilosophie auch den Abgang der halben Mannschaft verkraften konnte und zum zweiten Mal hintereinander Herbstmeister wurde. Weil sich eben nicht nur Brøndby am Rieder System die Zähne ausbiss.
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Platz 6 | EM-Qualifikation | Frankreich – Bosnien 1:1

Frankreich - Bosnien 1:1
„Was alles in einem irren Tempo geschah, weil der Spielplan der Bosnier in einem Guss funktionierte: Pressing, Ball erobern, blitzschnell umschalten und die freien Räume ausnützen. Die Franzosen wussten in der ersten Viertelstunde überhaupt nicht, wie ihnen geschah.“ – Bosnien ist die wohl beste Nationalmanschaft Europas, die bei der EM nicht dabei sein wird. Denn bevor Dzeko und Co. im Playoff gegen Portugal die Nerven verließen, spielten sie Frankreich komplett her und nur zwei Faktoren rettete den Bleus das Remis und die direkte Qualifikation: Eine Umstellung von Blanc und ein starker Nasri.
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Platz 5 | Deutsche Bundesliga | Bayern München – Borussia Dortmund 1:3

Bayern München - Borussia Dortmund 1:3
„Dortmund verfügt über ein hervorragendes Flügelspiel und nahm Ribéry und Robben ziemlich aus dem Spiel. Die beiden sahen sich, wann immer sie am Ball waren, sofort mit mindestens zwei Gegenspielern konfrontiert; oftmals sogar mit noch mehr. Das, und das für die Borussia so typische aggressive Pressing führte dazu, dass die Bayern nicht zu einem geordneten Spielaufbau kamen.“ – Die Bayern-Kapitel „Van Gaal“ endete als großes Missverständnis. Wirre Aufstellungs-Varianten, die Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen und natürlich atmosphärische Störungen führten zum vorzeitigen Ende. Und natürlich die brutale Überlegenheit von Dortmund, die sich vor allem im direkten Duell zeigte. Jürgen Klopp manövrierte seinen Kontrahenten auf jeder Position aus und machte damit im Titelrennen den Deckel drauf.
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Platz 4 | EM-Qualifikation | Aserbaidschan – Österreich 1:4

Aserbaidschan - Österreich 1:4
„Willi Ruttensteiner hatte es angekündigt, und er machte es auch wahr: Der Interims-Teamchef wollte vom ÖFB-Team beim Spiel in Aserbaidschan frühes Pressing sehen, er wollte die Gastgeber unter Druck setzen, sie gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen. Und tatsächlich: Die Spielanlage der Österreicher war gegenüber den letzten Spielen kaum noch wiederzuerkennen.“ – Kaum war Constantini nicht mehr Teamchef, war sofort zu erkennen, was für ein Potential wirklich in der Mannschaft steckt. Ja, es war „nur“ Aserbaidschan, aber jeder Spieler machte den Eindruck, genau zu wissen, welche Aufgabe er genau hat. So machte vor allem die Art und Weise des Spiels beim 4:1 in Baku Freude.
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Platz 3 | La Liga, Copa del Rey, Champions League | Der Clásico-Vierteiler

1:1-Remis, 1:0 n.V. Real, 2:0 Barça, 1:1-Remis
„Real ging viel aggressiver zu Werke als beim 1:1 am Wochenende, störte deutlich früher, presste auf den Gegner und stand teilweise verteufelt hoch – die Mittelfeldreihe machte sich genau dort breit, wo Barcelona eigentlich das eigene Spiel aufziehen wollte. So kamen die Katalanen kaum wirklich dazu und Real war gut im Spiel.“ – Groß war die Vorfreude auf vier Clásicos in nur 17 Tagen, aber nachdem die letzte Schlacht geschlagen war, blieben im Rückspiegel vor allem Härteeinlagen in Erinnerung. Und nach den Titeln in Liga und Champions League ein Punktsieg für Barcelona. Nach den Spielen am 16. April (1:1 in Madrid in der Liga), am 20. April (1:0 n.V. für Real im Cupfinale), am 27. April (2:0 für Barça im CL-Semi-Hinspiel in Madrid) und am 3. Mai (1:1 in Barcelona im CL-Semi-Rückspiel).
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Platz 2 | Copa América | Uruguay – Chile 1:1

Uruguay - Chile 1:1
„Und in dieser Tonart ging es weiter: Chile spielte nun Rambazamba-Fußball wie in besten Bielsa-Tagen, zudem kam mit Paredes statt dem müder werdenden Suazo noch ein frischer Mann. Die Chilenen spielten sich in einen Rausch, in dem Uruguay unterzugehen drohte.“ – Die Copa América wurde zum Triumph für Uruguay, aber eine Mannschaft setzte der Celeste schon in der Gruppe ganz extrem zu: Chile! Jenes Team, dass unter Claudio Borghis Vorgänger Marcelo Bielsa bei der WM für tollen Offensivfußball stand, zeigte in diesem grandiosen Spiel ein Feuerwerk. Das mit Abstand beste Spiel einer eher enttäuschenden Copa. Weil Chile weiterhin ein Team zum Verlieben ist.
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Platz 1 | La Liga | FC Barcelona – Villarreal CF 5:0

FC Barcelona - Villarreal CF 5:0
„Weil es dank des Verzichts auf eine nominelle Abwehr mehr Ballverteiler gibt, weil die Breite dennoch gegeben ist, und weil Messi und Fàbregas jetzt schon zuweilen miteinander harmonieren, als spielten sie schon seit Jahren zusammen. Pep Guardiola ist gerade dabei, die Pyramide mit diesem 3-3-4-ähnlichen System wieder zurückzudrehen. Womit er potentiell ein neues Kapitel der Fußballgeschichte aufschlägt.“ – Im Grunde war es „nur“ ein Liga-Spiel. Aber was Barcelona hier spielte, war ein Blick in eine mögliche Zukunft. Ob es ein Modell für die ganze Fußball-Welt ist oder nur für eine Mannschaft von der Qualität Barças, ist eine andere Frage. Aber Villarreal war tatsächlich nicht die letzte Mannschaft, die dieser Formations-Variante rein gar nichts entgegensetzen konnte. Weil Barcelona damit noch stärker aussieht als vorher.

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Das Team von Ballverliebt bedankt sich für das Interesse im Jahr 2011 und wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Analysen auch im Jahr 2012 fleißig lest. Ein gutes neues Jahr euch allen!

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Nach zweifachem Comeback die Nerven behalten – Japan ist Weltmeister! https://ballverliebt.eu/2011/07/18/nach-zweifachem-comeback-die-nerven-behalten-japan-ist-weltmeister/ https://ballverliebt.eu/2011/07/18/nach-zweifachem-comeback-die-nerven-behalten-japan-ist-weltmeister/#comments Mon, 18 Jul 2011 00:32:19 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5343 Nach zweifachem Comeback die Nerven behalten – Japan ist Weltmeister! weiterlesen ]]> Eigentlich war ja das Team aus den Staaten das dominierende gewesen, in diesem WM-Finale. Aber die Frauen aus Japan zeigten großen Kampfgeist und retteten sich auch das Aussetzer in der US-Defensive ins Elfmeterschießen. Wo sich die Töchter Nippons zum verdienten Titel schossen.

Japan - USA 2:2 n.V., 3:1 i.E.
Japan – USA 2:2 n.V., 3:1 i.E.

Japan hatte Gastgeber und Topfavorit Deutschland geschlagen und im Semifinale dem Team aus Schweden eine wahre Lehrstunde erteilt. Das machte sie in den Augen vieler zum klaren Favoriten. Die US-Girls, obwohl mit einigem Glück ins Finale gekommen, sind aber das Team mit dem großen Namen, das noch nie gegen Japan verloren hat. Das machte sie bei vielen anderen zu klaren Favoriten. Torhüterin Hope Solo hatte aber schon im Vorfeld gewarnt: „Die Chance wird mit jedem Spiel größer, dass uns ein so gutes Team wie das aus Japan auch mal schlägt – und das macht mir ein wenig Angst…“

Ganz furchtlos begannen Amerikanerinnen aber gleich wie die Feuerwehr: Mit hoher Energie im Zenturm und schnellem Spiel über die Außen versuchten sie, die Japanerinnen schnell zu überraschen. Als sich der Staub des Anfangswirbels ein wenig gelegt hatte, wurde der Plan des US-Teams schnell sichtbar: Über die Außenpositionen wurde so viel Druck ausgeübt, dass die gegen Schweden noch überragenden Ohne (rechts), sowie Sameshima und Miyama kaum zur Geltung kamen.

Zudem wurde in der Mitte von Boxx und Lloyd so konsequent zugemacht, dass die japanische Spielgestalterin Homare Sawa kaum einen Ball sah, geschweige denn ihn sinnvoll in die Spitze weiterleiten hätte können. Die agile Rapinoe und die unangenehme O’Reilly pressten die japanischen Flügelspielerinnen so nach hinten, dass sich Chancen fast zwangsläufig ergaben. Und erreichte doch einmal ein japanischer Ball die gegnerische Hälfte, pressten die US-Girls schnell, sodass den Japanerinnen überhaupt keine Zeit blieb, ihn auch zu kontrollieren.

Schockphase überwunden

Die Japanerinnen waren rund 20, 25 Minuten wie in Schockstarre über die Bewegungsunfähigkeit, die ihnen das US-Team verpasste. Dann aber fing man sich wieder und attackierte selbst wieder früher, wodurch der Angriffsfluss der Amerikanerinnen schon merklich gebremst wurde – Wambach knallte zwar einen Ball an die Latte, aber die Dominanz war etwas verfolgen.

Weil auch das Mittelfeld mit Boxx und Lloyd damit etwas zurückweichen musste, hatte Sawa nun deutlich mehr Platz um und vor allem vor sich. Es gelang zwar immer noch nicht, Ando und vor allem die bis dahin weitgehend unsichtbare Kawasumi zu bedienen, aber immerhin brachte Nippon bis zur Halbzeit deutlich Ruhe ins Spiel. Die erste Phase des US-Angriffs war überstanden, aber letztlich musste Japan froh sein, mit einem 0:0 in die Kabinen zu kommen.

US-Spiel immer enger

Auch in die zweite Hälfte starteten die Amerikanerinnen mit deutlich mehr Verve und auch einer Riesenchance – aber angesichts der Tatsache, dass die Außen im Mittelfeld immer mehr Tendenz zum Zentrum zeigten, fehlte es alsbald so ein wenig an der Breite. Vor allem Megan Rapinoe überließ immer wieder die komplette Seite ihrer Außenverteidigern Amy LePeilbet. Die spielte zwar defensiv eine ordentliche Partie (was im Turnierverlauf ja nicht immer so war), konnte aber offensiv nicht für Akzente sorgen.

So bekam das US-Team immer weniger Zugriff auf den Strafraum und dem Team aus Japan fiel es immer leichter, das Spiel zumindest defensiv zu kontrollieren – mehr war aber nicht möglich. Nach etwas mehr als einer Stunde brachte Norio Sasaki zwei neue Kräfte: Karina Maruyama für die müdegelaufene Ohno im rechten Mittelfeld und Yuki Nagasato für die glücklose Ando vorne. Das Signal war klar: Selbst etwas mehr nach vorne machen.

Zweimal kurze Unordnung

Es war aber sicher nicht so gedacht, dass man bei eigenen Angriffen hinten alles offenlässt. Genau das ist kurz nach dem Doppelwechsel aber geschehen, und nachdem ein lange Befreiungsschlag von Rapinoe vorne die eingewechselte Alex Morgan fand, fackelte die 22-Jährige nicht lange und drückte zur längst hochverdienten 1:0-Führung für das US-Team ab.

Was den Amerikanerinnen natürlich in die Hände spielte, denn defensiv hatten sie gegen die weitgehend gestutzten Flügel des japanischen Teams kaum wirkliche Probleme und in der Mitte räumte Christi Rampone, wenn notwendig, ab. Auch das weiß man aus dem Turnierverlauf: Neben Rachel Buehler, zweifellos die mit Abstand größte Schwachstelle in der Mannschaft, ist das auch dringend nötig.

Und so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das US-Team das 1:0 ohne gröbere Mühe nach Hause verwaltet hätten, wie es sich in den zehn Minuten nach dem Tor andeutete. Doch dann schlug Rachel Buehler zu: Ihrem blinden Versuch eines Befreiungsschlages quer durch den Strafraum konnte Ali Krieger nicht mehr ausweichen, den Abpraller verwertete Miyama zum 1:1 – ein Ausgleich aus heiterem Himmel und das Ticket für die Verlängerung.

Stehend K.o.

Spätestens in den 30 Extra-Minuten wurde bei beiden Teams die rapide schwindenen Kräfte immer mehr ein Faktor. Durchdachte Angriffe wurden immer mehr zur Seltenheit, obwohl jede der Spielerinnen ganz deutlich versuchte, die Müdigkeit durch vermehrten Einsatz wettzumachen.

Dennoch ist es kaum verwunderlich, dass die Amerikanerinnen nach einem endlich wieder über die Seite vorgetragenen Angriff zum Erfolg kamen: Rapinoe blieb mit ihrer Flanke erst noch hängen, die viel auf die Seiten ausweichende Morgan kam dann durch und Wambach wuchtete einen weiteren ihrer kraftvollen Kopfbälle zum 2:1 ins Tor.

Die Reaktion darauf: Wambach, die sich zuvor schon immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen hatte lassen, ging nun endgültig dorthin um in der Zentrale eine Überzahl gegen Sakaguchi und vor allem Sawa zu erzielen. Wie groß die Auswirkungen waren, lässt sich angesichts der allgemeinen Zerfahrenheit des Spiels kaum sagen.

Comeback

Erstaunlich war, dass es Japan praktisch über die gesamte Spielzeit verabsäumte, die einmal mehr enorm unsichere Rachel Buehler anzugehen, erst in der unmittelbaren Schlussphase wurde sie vermehrt unter Druck gesetzt. Und so ist es beinahe logisch, dasssich  nach einem Eckball die kleine Sawa gegen Buehler holte und die leicht angeschlagene Hope Solo nicht mehr retten konnte.

Wieder rettete ein Ausgleichstreffer die Japanerinnen wenige Minuten vor Ablauf der Zeit – diesmal eben ins Elfmeterschießen. Da machte der Ausschluss für Innenverteidigerin Iwashimizu in der 120. Minute wegen einer Notbremse keinen Unterschied mehr, weil der fällige Freistoß nicht verwertet wurde.

Ebensowenig, wie es mit Shannon Boxx, Carli Lloyd und Tobin Heath die ersten drei US-Schützinnen im Shoot-Out nicht verwandelten. Womit Japan erstmals Weltmeister wird!

Fazit: Glücklicher Finalsieg, verdienter Titel

Nimmt man nur das Finale her, hätte eigentlich die USA den Titel holen müssen – über 120 Minuten betrachtet war das Team aus den Staaten das aktivere, bessere. Aber wenn man das ganze Turnier betrachtet, ist Japan zweifellos ein verdienter Weltmeister: Wer Deutschland und Schweden eliminiert, hat es sich verdient; zumal das US-Team gegen Brasilien und Frankreich das Glück schon ziemlich strapaziert hatte.

Es war kein glanzvolles Finale, aber ein hochdramatisches und spannendes. Japan tat sich extrem schwer, weil ihr Flügelspiel gegen die dort geschickt verteidigenden Amerikanerinnen kaum zur Geltung kam und Spielmacherin Sawa in der Spitze den Anspielstationen fehlten. So haben die US-Girls das Finale mit groben Schnitzern in der Abwehr – vor allem zum 1:1, aber auch beim 2:2 sah man nicht glücklich aus – eher selbst verloren.

Den Japanerinnen wird’s recht sein.

(phe)

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