DDR – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Wed, 12 Nov 2014 13:09:18 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Ballverliebt Classics – 25 Jahre DDR-Mauerfall: Die Wende, das Ende https://ballverliebt.eu/2014/11/12/die-wende-das-ende-ddr-mauerfall/ https://ballverliebt.eu/2014/11/12/die-wende-das-ende-ddr-mauerfall/#comments Wed, 12 Nov 2014 01:47:49 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10639 Ballverliebt Classics – 25 Jahre DDR-Mauerfall: Die Wende, das Ende weiterlesen ]]> Nach 78 Minuten wurde Matthias Sammer ausgewechselt. Enttäuscht vom aussichtslosen Spielstand von 0:3 ließ er sich auf einer Erste-Hilfe-Box nieder. Innerhalb von Sekunden saß ein Mann mit Fotographen-Leibchen neben ihm. „Sach ma, willste nich zu Bayer Leverkusen kommen?“ Es war kein Fotograph, sondern ein als solcher getarnter Scout des Bundesligisten, eingeschleust von Bayer-Manager Reiner Calmund. Alle anderen Beobachter der westdeutschen Vereine saßen derweil auf der Tribüne und waren damit schon im Hintertreffen.

Diese Szene, die Calmund und Sammer kürzlich in einer Sky-Doku bestätigten, zeigt nur, unter welch ungewöhnlichen Umständen das letzte Qualifikation-Spiel der DDR zur WM 1990 im Wiener Prater ablief, sechs Tage, nachdem die Mauer gefallen war. Das 0:3 sollte das letzte Pflichtspiel der Verbandsgeschichte werden. Es ist 25 Jahre her.

Österreich - DDR 3:0 (2:0)
Österreich – DDR 3:0 (2:0)

Dass die Auswahl der DDR eine echte Erfolgsgeschichte war, könnte man – dem Olympiasieg von 1976 zum Trotz – nicht behaupten. Außerhalb der SED-Diktatur war das Team eigentlich allen ziemlich egal und im Land des „real existierenden Sozialismus“ musste das Team schon alleine aus Propaganda-Zwecken so viel Staatsnähe wie möglich demonstrieren. Genau das ließ die Popularität aber sinken. Die DFV-Elf war für die eigenen Fans ein Symbol jenes Staates, der Menschen erschoss, die raus wollten.

Im Mai 1989, als sich die Bevölkerung immer mehr gegen Honecker und Co. aufzulehnen begann, blieben im Leipziger Zentralstadion drei Viertel der Zuschauerplätze beim 1:1 gegen Österreich leer. Und das hatte eben nicht vordergründig damit zu tun, dass die Mannen von Trainer Manfred Zapf fünf der letzten sechs Spiele nicht gewonnen hatte und damit die Chance auf eine WM-Teilnahme fast schon verspielt war.

Auferstanden aus Ruinen…

Schon zu ihren Klubs-Teams hatten die Ostdeutschen zuweilen ein eher ambivalentes Verhältnis, schließlich waren das zumeist keine Vereine im eigentlich Sinn, sondern Betriebssport-Gemeinschaften. Dynamo-Teams waren dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt, Lokomotive der Eisenbahn, Vorwärts dem Militär, usw. – und selbst die zehn „Fußballclub“ (darunter etwa RW Erfurt und der FC Magdeburg) unterstanden staatlicher Lenkung.

WM-Vorrunde 1974: BRD-DDR 0:1 (0:0)
WM-Vorrunde ’74: BRD-DDR 0:1

Wirklich schwer fiel es den Fans aber, Wärme zu ihrem Nationalteam aufzubauen. Einerseits freute man sich zwar, den westlichen Nachbarn im einzigen Aufeinandertreffen bei der WM 1974 mit 1:0 besiegt zu haben. Andererseits aber bildete sich schnell Neid gegenüber den Spielern, denen plötzlich Privilegien nachgesagt wurden, die dem Normalmenschen schon qua System nie zugänglich waren. Siegtorschütze Jürgen Sparwasser etwa sollte sich ob der vielen Anfeindungen bald wünschen, das Tor nie geschossen zu haben.

Aber in der Folge trieb eben auch der ausbleibende Erfolg die Fans nicht gerade in die Arme der Nationalmannschaft. WM- und EM-Endrunden wurden in schöner Regelmäßigkeit verpasst. Anders sah es auch im Herbst 1988 nicht aus, als es nach einem 2:0-Pflichheimsieg gegen Island eine 1:3-Schlappe in der Türkei gab und Teamchef Bernd Stange, ein strammer Sozialist und Stasi-Helfer, gehen musste. Statt ihm kam Manfred Zapf, ebenso strammer Sozialist, aber ein nicht annähernd so guter Trainer.

…und der Zukunft zugewandt…

DDR - Österreich 1:1 (0:1)
DDR – Österreich 1:1 (0:1)

Unter ihm gab’s ein 0:2 daheim gegen die Türken und ein 0:3 in Kiew gegen die UdSSR. Vor einem spärlichen und weitgehend apathischen Publikum in Leipzig geriet man dann auch gegen Österreich früh durch ein Polster-Tor in Rückstand und blieb trotz eines erschreckend blutleeren Auftritts nur deshalb am Leben, weil sich das ÖFB-Team früh auf Verwalten verlegte. Fünf Minuten vor Schluss besorgte ein Glücksschuss von Ulf Kirsten aus der Drehung nach einem Einwurf das 1:1.

Dennoch: Mit einer Bilanz von einem Sieg und einem Remis, dafür drei Niederlagen (darunter beide Spiele gegen Topf-5-Team Türkei) schien die WM-Qualifikation in weite Ferne gerückt. Zapf wurde entlassen und Eduard Geyer sollte retten, was zu retten war. Er hatte als Dresden-Coach gerade die Serie von zehn Titeln in Folge von Stasi-Boss Mielkes Lieblingsklub BFC Dynamo gebrochen und fügte sich mit einem 3:0 in Island ein, ehe gegen EM-Finalist Sowjetunion durch Tore von Andreas Thom (81.) und Matthias Sammer (83.) aus einem 0:1-Rückstand ein 2:1-Sieg wurde. Angesichts der 0:3-Ohrfeige, die sich Österreich in der Türkei abholte, hatte man vorm letzten Spiel in Wien plötzlich alles in eigener Hand.

Ehe der 9. November 1989 kam.

…lasst uns dir zum Guten dienen: Deutschland, einig Vaterland…

SED-Politbüro-Mitglied Günther Schabowski sollte an diesem Donnerstag Nachmittag – fünf Tage, nachdem über eine Million Menschen am Alexanderplatz gegen das Regime demonstriert hatte – der Presse verkünden: Man darf man ohne besonderen Anlass ausreisen. Und zwar ab dem nächsten Tag, dem 10. November. Diese letzte, nicht ganz unwichtige Passage, hatte Schabowski überlesen. So stotterte auf die Frage, ab wann denn der Passus in Kraft tritt etwas unbeholfen: „Das tritt… nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich!“

Prompt stürmten die Ostberliner die Mauer und überranten sie. Das Symbol der Teilung hatte seine Wirkung verloren.

Das DDR-Team befand sich zu diesem Zeitpunkt im Trainingslager vor dem Österreich-Match und allen war klar: Das kann für die eigene Karriere ebenso eine Wende sein. Genauso wie die Klubs in der Bundesliga sofort ihre Augen auf das Reservoir an DDR-Spielern warf. Vor allem Stratege Matthias Sammer (22) und Vollstrecker Ulf Kirsten (23) von Meister Dynamo Dresden und das Sturmduo von BFC Dynamo mit Andreas Thom (24) und Thomas Doll (23) standen auf den Wunschlisten ganz weit oben, auch dem 21-jährigen Mittelfeld-Motor Rico Steinmann aus Karl-Marx-Stadt (nach der Wende wieder Chemnitz) wurde Bundesliga-Potenzial beschieden.

Man bereitete sich auf das Match vor. „Aber wir hatten überhaupt keinen Fokus auf dieses Spiel“, gestand Sammer später.

gruppe 3

Der Gruppensieger und der Zweite qualifizierten sich für die WM in Italien, parallel zum Spiel Österreich-DDR empfing die Sowjetunion die Türkei. Bei einem Punktverlust der Türken war die Tür für die Konkurrenten weit offen. Weil sich aber auch die UdSSR-Kicker nicht sicher sein konnten, womöglich bei einem hohen Sieg der um Aufmerksamkeit im Westen suchenden DDR-Spieler gar noch auf Rang drei zu fallen, war auch bei Michailitschenko und Co. Vorsicht angesagt.

Bei Österreich fehlten vom Stammpersonal Kurt Russ – der rechte Flügelspieler war gesperrt – sowie Libero Heribert Weber und Spielmacher Andi Herzog. Die beiden waren gerade von einem Virus genesen, Teamchef Hickersberger traute ihnen nicht die vollen 90 Minuten zu. Vor allem, weil Österreich gewinnen MUSSTE und entsprechend Vollgas gefordert war. Herzog setzte sich ohne zu Murren auf die Bank, Weber mockte. Das letzte Riss im Tischtuch zwischen Hickersberger und seinem Kapitän. Weber fühlte sich schon länger respektlos behandelt, Hickersberger fand, dass sich Weber zu viel herausnahm.

…alte Not gilt es zu zwingen, und wir zwingen sie vereint…

Österreich - DDR 3:0 (2:0)
Österreich – DDR 3:0 (2:0)

In schnelle Not gerieten aber die Ostdeutschen in Wien. Nach einer halben Minute wurde Döschner zum ersten Rückpass zu Goalie Heyne gezwungen, nach einer Minute feuerte der zum Kapitän aufgerückte Zsak einen Weitschuss ab, und nach anderthalb Minuten versetzte Polster erstmals seinen Bewacher Lindner und schoss zum 1:0 ein.

Die fehlende Schärfe beim DDR-Team wurde schnell deutlich und noch verstärkt durch das extrem aggressive Auftreten des österreichischen Teams. Mit der unverhofften WM-Chance nach einer doch recht mäßigen Qualifikation vor Augen, war keine Spur mehr von der Lethargie vom 0:0 in Island zu sehen, von der Selbstzufriedenheit beim 1:1 in Leipzig, von der Verkrampftheit des mühsamen 2:1 über Island in Salzburg oder der kopflosen Aufgescheuchtheit vom 0:3 in Istanbul.

Weil Kirsten und Thom bei den Manndeckern Pfeffer und Pecl abgemeldet waren, war das kreative DDR-Duo Sammer/Steinmann gezwungen, die Bälle länger zu halten, um Optionen zu checken – dabei wurden sie von Zsak und Keglevits aber stets extrem schnell unter Druck gesetzt. Die deutschen Flügelspieler Kreer und Döschner kamen ebenso kaum zum Zug, vor allem der Admiraner Peter Artner degradierte den routinierten Döschner zum Statisten.

Nach den so provozierten Ballverlusten im Mittelfeld schaltete Österreich immer schnell um, suchte den bemühten Linzmaier oder vor allem den extrem schnellen Andi Ogris und natürlich Toni Polster. Der war in der WM-Quali zum Feinbild der Fans geworden, weil er zwar für Sevilla in der Primera Division Tore am Fließband erzielte, im Team aber oft einen lustlosen Eindruck machte. Der aber auch dadurch entstanden war, dass Österreich oft sehr vorsichtig und destruktiv auftrat, Stramraum-Stürmer Polster seine Stärken somit selten ausspielen konnte.

…denn es muss uns doch gelingen…

Die DDR konnte sich aus der Umklammerung kaum befreien, weil Österreich im Mittelfeld nach der Führung nichts an Konsequenz nachließ, anders als die defensive Ordnung bei den Deutschen. Das nützte nach 21 Minuten Christian Keglevits (der Offensiv-Allrounder wurde als Kampfschwein ins defensive Mittelfeld gestellt) durchbrach und einen Lufthauch von DDR-Libero Stahmann spürte. Keglevits ging zu Boden. Eine Schwalbe, aber der 40-jährige Pole Pjotr Werner, der das Spiel leitete, fiel darauf herein. Toni Polster verwandelte den Elfmeter sicher zum 2:0.

Die letzte Chance, ins Spiel zurückzukommen, bot sich den Gästen wenige Minuten später. Ernst Aigner, der auf der Libero-Position statt Heribert Weber spielte, legte an der Strafraumgrenze Andreas Thom, Referee Werner deutete erneut auf den Punkt und Rico Steinmann legte sich den Ball zurecht. Er lief an, zielte in die aus seiner Sicht linke Ecke.

Und Klaus Lindenberger klärte den Ball am Pfosten vorbei.

…dass die Sonne schön wie nie…

„Diese ganzen Ereignisse in unserem Land sind nicht spurlos an der Mannschaft vorbeigegangen. Es wurde viel diskutiert über Verträge, über Transfers, über eventuell Profifußball…“ DDR-Teamchef Geyer beklagte sich zwar auch über den geschenkten Elfmeter zum 0:2, aber er wusste auch, dass der Referee aus Polen nicht die Schuld daran trug, dass das Spiel schon in der ersten halben Stunde komplett den Bach runter gegangen war, während die Zukunft einiger seiner talentierteren Spieler in einem sehr hellen Licht sein sollte.

Für die meisten der Spieler, die an diesem 15. November 1989 in Wien das DDR-Trikot trugen, erfüllten sich diese Hoffnungen aber nicht. Das Team hatte ein Durchschnitts-Alter von 27,7 Jahren und von den Objekte der West-Begierde (Sammer, Kirsten, Thom, Doll und Steinmann) hatte noch keiner den 25. Geburtstag hinter sich. Die Routiniers, die fünf Ü-30-Kicker, blieben auf der Strecke.

Atze Döschner, der von Artner entnervt noch vor der Pause ausgewechselt wurde, spielte noch ein Jahr bei Fortuna Köln in der 2. Liga, ehe eine Knieverletzung seine Karriere 1991 beendete. Manndecker Lindner, den Polster wie einen Schulbuben aussehen ließ, spielte mit Leipzig noch ein Jahr Bundesliga, in der er (neben Libero Dieter Hecking) sportliche Prügel bezog. Keeper Heyne war noch drei Jahre die Nummer zwei in Mönchengladbach. Jörg Stübner brachte es auf fünf Bundesliga-Einsätze für Dresden. Libero Stahmann blieb Magdeburg treu und ging mit dem Klub in die Bedeutungslosigkeit des Amateur-Fußballs. Kapitän Kreer beendete seine Karriere nach einem Zweitliga-Jahr mit Leipzig.

Lediglich Manndecker Schößler (vier Jahre Stamm in Dresden) und Joker Uwe Weidemann (lange Jahre unverzichtbar beim MSV Duisburg) brachten es noch auf respektable Bundesliga-Karrieren.

…über Deutschland scheint…

Zweite Hälfte
Zweite Hälfte

Geyer brachte beim Spiel in Wien schon vor der Pause Thomas Doll statt Döschner, als die 51.000 Österreicher im Praterstadion die elf Spieler und die 4.000 mitgereisten Fans des DDR-Teams schon mit „Auf Wiedersehen“-Rufen bedachten.

Doll kam in der Folge über die rechte Angrifsseite (Kreer wechselte nach links), seine Wirkung blieb aber überschaubar. Was vor allem an der Hektik lag, mit der sein Team nach dem Seitenwechsel spielte. Viel zu überhastet gespielt versandeten die meisten Angriffe schon früh, während die Österreicher bemüht waren, das Tempo etwas herauszunehmen und vereinzelte Nadelstiche zu setzen. Wie in der 56. Minute, als Polster alleine auf Heyne zulief und dieser noch retten konnte.

Und wie fünf Minuten später, als Keglevits einen schnellen Konter in den Rücken des aufgerückten DDR-Mittelfelds anzog, Ogris vor Polster kreuzte und Keglevits den Ball zu Polster chipte. Dieser konnte die Kugel in aller Ruhe annehmen, narrte einmal mehr Lindner und sein platzierter Schuss landete zum 3:0 im Tor. Die endgültige Entscheidung in diesem Spiel, in dem zehn Minuten später Ronald Kreer nach einer Tätlichkeit an Ogris Rot sah. Die Verzweiflung und die Enttäuschung war ihm in den beinahe zwei Minuten, die er für seinen Abgang brauchte, anzusehen.

Die Augen der österreichischen Beobachter hatten sich da aber schon längst nach Simferopol gerichtet, wo sich die UdSSR gegen die Türkei schwer tat, Keeper Dassajev einmal sogar in höchster Not retten hatte müssen.

Beinahe süß, wie ORF-Kommentator Kuhn und der neben ihm auf der Tribüne sitzende Sigi Bergmann gut hörbar über das offene Mikro debattieren, ob es denn nun tatsächlich stimmte, dass die Sowjets das erlösende 1:0 schossen. Richtig putzig sogar, wie nach der Bestätigung Kuhn erklärt: „Regisseur Lucky Schmidleitner sagt, ich solle mich nicht so aufregen. Schließlich kann es ja immer noch sein, dass die Türkei das Spiel noch dreht!“

Sie drehten es nicht mehr, im Gegenteil. Die UdSSR gewann 2:0 und blieb Erster, Österreich siegte mit 3:0 und hüpfte von Platz vier auf Rang zwei und hatte sich für die WM-Endrunde qualifiziert.

…über Deutschland scheint!

Kaum eine Woche nach dem 0:3 in Wien hatte Leverkusen-Manager Calmund bereits Andreas Thom geködert, drei Wochen später war der erste reguläre Transfer nach der Wende von Ost nach West in Sack und Tüten. Bayer war sich wenig später auch mit Sammer und Kirsten einig, ehe die BRD-Regierung intervenierte und mahnte, es sollte nicht nur ein Klub, noch dazu unterstützt von einem Riesen-Werk wie Bayer, alle guten DDR-Kicker abgreifen. So kam im Sommer 1990 „nur“ Kirsten, Sammer ging zu Stuttgart.

Noch fünf weitere DDR-Spieler wechselten vor der Saison 90/91 in die Bundesliga (Rohde, Milde, Hain, Ernst und Binke), sieben in die 2. Liga. Für die Qualifikation zur EM 1992 wurden im Februar die BRD und die DDR in die selbe Gruppe gelost, obwohl die Wiedervereinigung Deutschlands längst nur noch eine Frage der Zeit war. Das erste geplante Quali-Spiel gegen Belgien fand noch als Freundschaftsspiel statt, die DDR siegte durch zwei Sammer-Tore mit 2:0.

Exakt drei Wochen später, am 3. Oktober 1990, hörte die DDR zu existieren auf. Die Wende in Deutschland war das Ende für die ungeliebte DFV-Auswahl. Am 19. Dezember 1990 debütierten Matthias Sammer und Andreas Thom für die gesamtdeutsche Nationalmannschaft. Beim 4:0 über die Schweiz erzielte Thom das 3:0.

Wenn wir brüderlich uns einen…

Die von Franz Beckenbauer nach dem WM-Titel 1990 angekündigte jahrzehntelange Unschlagbarkeit des geeinten Deutschland blieb zwar aus. Aber immerhin drei in der DDR geborene Spieler wurde 1996 Europameister (Sammer, Freund und René Schneider), sieben waren 2002 im Kader, der das WM-Finale erreichte (Ballack, Jeremies, Bernd Schneider, Jancker, Böhme, Linke und Rehmer). Von der guten und straff organisierten Jugendarbeit der DDR profitierte Deutschland.

DDR 2014Doch mit dem Niedergang der Ost-Klubs schwand auch die Zahl der guten Ost-Kicker. Mit Toni Kroos wurde nur ein einziger 2014er-Weltmeister im Gebiet der ehemaligen DDR geboren, und möchte man ein aktuelles Team von Spielern aus den neuen Bundesländern zusammen stellen, bekommt man mit den bei den 18 Bundesligisten unter Vertrag stehenden Akteuren nicht mal eines zusammen.

Dass kaum ein Klub aus der DDR den Umstieg in den Kapitalismus raus aus der geschützten Werkstätte des Systems geschafft hat, ohne zumindest einmal in einen Konkurs zu krachen, ist gut dokumentiert. Mit Union Berlin und Erzgebirge Aue (damals Wismut Aue) sind zwei Fahrstuhlklubs von damals aktuell in der 2. Liga, während sich die bestimmenden Klubs von einst – BFC Dynamo, Dresden, Magdeburg, Chemnitz, Jena, Cottbus am Ende auch der letzte Meister Rostock – auf die dritte und vierte Liga verteilen. Der aktuell und auf Sicht beste Klub am ehemaligen Staatsgebiet der DDR ist RB Leipzig.

Den gab’s zu DDR-Zeiten noch nicht.

…lasst das Licht des Friedens scheinen

Der Umsturz in der DDR war der plakativste, aber nicht der einzige im Jahr 1989 und zwei Jahre später schaffte sich dann auch die UdSSR ab. Vorbei waren damit die Zeiten, in denen WM- und EM-Qualis schön übersichtlich waren, man zum Teil mit hübschen, kleinen Vierergruppen sein Auslangen fand.

wm quali 1990

Denn mit der Wiedervereinigung fiel zwar ein Land weg, dafür zersplitterte die UdSSR und mittlerweile nehmen elf ehemalige Sowjet-Republiken an UEFA-Qualifikationen teil, aus der Tschechoslowakei wurden 1993 zwei Staaten und aus dem einen jugoslawischen Team sind bis heute sechs Nationalmannschaften geworden. Während die Gesamtzahl an europäischen Teilnehmern pro WM in etwa gleich geblieben ist.


ÖFB-Teamchef Hickersberger war im Triumph nüchtern, sagte, man habe die Qualifikation auch dem Glück zu verdanken, eine ausgeglichene (was er nicht sagte: ausgeglichen schwachen) Gruppe erwischt zu haben, in der sich die Teams fleißig gegenseitig die Punkte wegnahmen. „Wir hatten jetzt Erfolg, aber von echter Klasse sind wir noch weit entfernt“, gab Hickersberger zu Protokoll. Das junge Team – Durchschnittsalter nur 25,4 Jahre – schied in Italien nach 0:1-Niederlagen gegen Italien und die Tschechoslowakei sowie einem 2:1-Sieg über die USA als Gruppendritter nach der Vorrunde aus. Elf Monate nach dem Triumph über die DDR passierte Landskrona.

Und von den elf Versuchen seither, sich auf sportlichem Weg für WM- oder EM-Endrunden zu qualifizieren, scheiterten zehn.

Das Personal

Akteure von Österreich: Klaus Lindenberger (32 Jahre, FC Tirol, bis dahin 31 Länderspiele); Ernst Aigner (23, Austria, 2); Robert Pecl (24, Rapid, 13), Toni Pfeffer (24, Austria, 17); Peter Artner (24, Admira, 15), Christian Keglevits (28, Rapid, 10), Manfred Zsak (24, Austria, 24, Kapitän), Alfred Hörtnagl (24, FC Tirol, 5); Manfred Linzmaier (27, FC Tirol, 14); Andi Ogris (25, Austria, 22), Toni Polster (25, Sevilla, 31). Eingewechselt: Andi Herzog (21, Rapid, 12), Heimo Pfeifenberger (22, Rapid, 1). Teamchef: Josef Hickersberger (41, seit knapp zwei Jahren).

Akteure der DDR: Dirk Heyne (32 Jahre, FC Magdeburg, bis dahin 5 Länderspiele); Dirk Stahmann (31, FC Magdeburg, 44); Detlef Schößler (26, Dynamo Dredsen, 16), Matthias Lindner (33, Lok Leipzig, 20); Ronald Kreer (29, Lok Leipzig, 64, Kapitän), Jörg Stübner (33, Dynamo Dresden, 43), Matthias Sammer (22, Dynamo Dresden, 17), Rico Steinmann (21, FC Karl-Marx-Stadt, 17), Matthias Döschner (31, Dynamo Dresden, 39); Ulf Kirsten (23, Dynamo Dresden, 43), Andreas Thom (24, BFC Dynamo, 49). Eingewechselt: Thomas Doll (23, BFC Dynamo, 24), Uwe Weidemann (26, Rot-Weiß Erfurt, 9). Teamchef: Eduard Geyer (45, seit drei Monaten).

]]>
https://ballverliebt.eu/2014/11/12/die-wende-das-ende-ddr-mauerfall/feed/ 1
WM-Geschichte für Einsteiger (3) https://ballverliebt.eu/2014/06/10/wm-geschichte-fuer-einsteiger-3/ https://ballverliebt.eu/2014/06/10/wm-geschichte-fuer-einsteiger-3/#respond Tue, 10 Jun 2014 18:56:53 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10298 WM-Geschichte für Einsteiger (3) weiterlesen ]]> Brasilien hatte die Fußballwelt über ein Jahrzehnt dominiert, ehe sich Pelé nach dem Triumph 1970 aus der Nationalmannschaft zurückzog. Womit das Pendel im Weltfußball in Richtung jener athletischen, immer hart kämpfenden aber selten schön anzusehenden Mannschaft ausschlug, die die folgenden zwanzig Jahre die große Konstante sein sollte. In jener Zeit, in der Deutschland endgültig seinen Ruf als „Turniermannschaft“ festigte. Mit ihrer Angewohnheit, schlecht zu spielen und trotzdem weit zu kommen.

1974 – BRD Weltmeister, DDR sei Dank

Erst zwei Jahre waren vergangen, seit dem Terror-Anschlag auf die Olympischen Spiele in München. So gesehen war die erstmalige Teilnahme der Nachbarn aus dem Real Existierenden Sozialismus, der zwei Jahre davor Olympia-Bronze geholt hatte und zwei Jahre danach sogar Gold in die DDR heimbringen würde, angesichts der Spannungen zwischen Berlin und Bonn auch nicht ganz unheikel. Zumal die DDR nicht nur in der Vorrunde gegen die BRD gelost wurde, sondern das zweite Gruppenspiel gegen Chile ausgerechnet in West-Berlin austragen musste. Für die DDR-Führung, die West-Berlin nie anerkannte, ein politischer Affront – und dass die DDR-Auswahl gnadenlos niedergepfiffen wurde, obwohl sich in Chile gerade eine überaus brutale Militär-Diktator verdingte, machte die Sache nicht besser.

Das BRD-Team, das 1972 mit Netzer als Regisseur glanzvoll Europameister geworden ist, spielte beim 1:0 gegen Chile unterirdisch, und kaum besser beim 3:0 gegen Australien. Das Flügelspiel mit Flohe und Grabowski lahmte, der alte Overath (30), der statt des formschwachen Netzer spielte, fand nicht ins Turnier, Antreiber Hoeneß agierte mit angezogener Handbremse. So war es nicht ganz unlogisch, dass im Duell gegen die DDR in Hamburg – in dem es dank der geistlosen gegenseitigen Manndeckung praktisch auf dem ganzen Feld vor allem auf den Willen und die Galligkeit ankam – ein spätes Tor von Jürgen Sparwasser den 1:0-Sieg für die DDR brachte.

Was für die BRD nur gut war. Zum einen übernahm Kapitän Beckenbauer (28) in der Nacht danach bei einer heftigen Aussprache im Teamcamp in abgeschiedenen Nest Malente de facto das Kommando in der deutschen Delegation, ein reinigendes Gewitter war das. Und zum anderen kam die DDR als Gruppensieger in die Zwischenrunden-Staffel mit den grandios aufspielenden Holländern, Weltmeister Brasilien und den unguten Argentiniern. Die BRD hatte mit Jugoslawien, Schweden und Polen die deutlich leichteren Gegner erwischt.

Deutschland - Niederlande 2:1 (2:1)
Deutschland – Niederlande 2:1 (2:1)

Dennoch brauchte es auch Glück, um das Finale zu erreichen – hätte es im letzten Spiel gegen Polen nicht aus Kübeln gegossen und auf dem Swimming-Pool-ähnlichen Platz in Frankfurt nicht eine veritable Lotterie gegeben, die Polen hätten vermutlich gewonnen. So aber wurschtelten sich die Deutschen ins Finale, in dem Holland wartete.

Feyenoord und Ajax hatten zuvor viermal hintereinander den Meistercup nach Holland geholt und der junge Bondscoach Rinus Michels (42) brachte die Idee vom „Totaalvoetbal“ um Johan Cruyff auch in die Nationalmannschaft. Es funktionierte: Da jeder alles spielen konnte und es auch tat, waren die zu jener Teil starr in der Idee der Manndeckung agierenden Gegner heillos überfordert.

Im Finale ging Holland durch einen (korrekten) Elfer in der 2. Minute früh in Führung und hatte alles unter Kontrolle, bis Deutschland durch einen (zumindest harten) Elfer zum Ausgleich kam. Kurz vor der Pause legte Gerd Müller das 2:1 nach, ehe sich die Deutschen darauf verlegte, irgendwie das Resultat über die Zeit zu retten. Was dank eines herausragenden Sepp Maier im Tor auch gelang.

1978 – Unappetitlicher Weltmeister

Als die FIFA die folgende Endrunde zwölf Jahre im Voraus nach Argentinien vergab, herrschte dort noch keine brutale Militär-Diktatur. Als das Turnier 1978 kam allerdings sehr wohl. Eines der unappetitlichsten Regimes des 20. Jahrhunderts nützte die Endrunde natürlich schamlos zu Propaganda-Zwecken aus. Sätze wie jener des deutschen Kapitäns Berti Vogts, er habe keine politischen Gefangenen gesehen und darum könnte es ja nicht so schlimm sein, wirken angesichts der wohl ingesamt rund 30.000 beseitigten Regimegegnern wie blanker Hohn.

Um den inneren Widerspruch perfekt zu machen, wurde Argentinien bei der Heim-WM von einem offen linken, langhaarigen Philosophen trainiert. Kettenraucher César Luis Menotti (39), wegen seiner hageren Gestalt „El Flaco“ genannt, der Dürre, verköperte alles, was das Regime verachtete. In der Vorrunde quälte sich sein Team zu zwei knappen Siegen gegen Ungarn und Frankreich und verlor dann gegen Italien – die Druck des Gewinnen-Müssens belastete die Albecelete. Zum einen wegen des Fans, die wegen der eigenen Titellosigkeit gegenüber den drei Erfolgen der Brasilianer bereits einen Minderwertigkeitskomplex entwickelten. Und wegen des Regimes, für das nichts anderes als der Sieg zählte.

Aber auch andere Teams blieben hinter den Erwartungen. Schottland etwa, hoch gewettet, verlor gegen Peru und war schnell draußen. Auch die Spanier, die gerade von einer Militär-Diktatur befreit worden waren, blieben früh hängen. Weltmeister Deutschland gewann weder gegen Polen noch gegen Tunesien, kam aber noch weiter. Die Leistungen wurden nicht besser und die Mini-Chance auf das kleine Finale zerstoben mit einem 2:3 im letzten Zwischenrunden-Spiel gegen die positive Überraschung des Turniers – jene Österreicher, die erstmals nach zwanzig Jahren wieder bei einer WM waren.

In der anderen Gruppe brauchte der Gastgeber einen hohen Sieg gegen Peru, um noch das Finale gegen die weiterhin starken Holländer zu erreichen. Peru legte sich auf den Rücken und ließ sich 6:0 überrollen. Man kann es als erwiesen betrachten, dass Argentinien dem befreundeten Regime in Lima gigantische Lebensmittelmengen als Gegenleistung lieferte und unliebige Oppositionelle beseitigte.

Argentinien - Niederlande 3:1 n.V. (1:1, 1:0)
Argentinien – Niederlande 3:1 n.V. (1:1, 1:0)

Auch vorm Endspiel wurde mit allen Mitteln gearbeitet, um Argentinien einen Vorteil zu verschaffen: Für den holländischen Bus gab es bei der Anfahrt keine adäquate Eskorte, dann ließ die Albiceleste den Gegner minutenlang vorm Anpfiff alleine am Rasen warten, wo sie dem Furor der Menge ausgeliefert war und bewegte sich erst zum Anstoß, als die Handmanschette von René van de Kerkhof entfernt war – die war während des ganzen Turniers kein Problem gewesen.

Das Team um Libero Daniel Passarella (25), den zierlichen Giftzwerg Osvaldo Ardiles (26) und den kraftvollen Torschützenkönig Mario Kempes (24) hatte das Spiel unter Kontrolle, ging nach einer halben Stunde durch Kempes in Führung und hielt die von Ernst Happel betreuten Holländer lange gut in Schach. Bis Joker Dick Nanninga zehn Minuten vor Schluss das 1:1 besorgte und Rob Rensenbrink in der Nachspielzeit noch eine Riesenchance hatte, aber nur den Pfosten traf.

So ging’s in die Verlängerung, wo erst Mario Kempes das 2:1 besorgte und dann Rechtsaußen Daniel Bertoni mit dem 3:1 den Deckel draufmachte. Holland hatte zum zweiten Mal hintereinander ein WM-Finale verloren.

Das einzige WM-Finale nach 1938 und bis 2006 im Übrigen, in dem weder Brasilien noch Deutschland vertreten war.

1982 – Durchgebrunzt

Im Sommer 1982 wurde Spanien von einer fast noch nie gesehenen Hitzewelle überzogen – praktischerweise genau während der WM. Die dennoch einige Glanzlichter sah, vor allem von den Brasilianern. Die Seleção um Sócrates und Zico verzauberte die Welt mit wunderschönem Fußball. Dass sie das Turnier gewinnen würden, stand früh außer Frage, bis ein 2:3 in der Zwischenrunde gegen Italien doch alles zunichte machte.

Weil sich bei den tropischen Bedinungen diejenigen Teams am besten hielten, die möglichst langsam anfingen. So wie Italien – mit drei Remis in der Vorrunde in einer Gruppe mit Polen, Kamerun und Peru durchgebrunzt. Wie die Deutschen, sie sich nach einer erstaunlichen Auftaktpleite gegen Algerien mit einem Nichtangriffspakt gegen Österreich in die Zwischenrunde schummelten. Wie EM-Finalist Belgien, der El Salvador 1:0 bewzang – vier Tage, nachdem die Mittelamerikaner in ein 1:10 gegen Ungarn gelaufen waren.

Die Italiener, die von einem Wettskandal in der Serie A erschüttert nach Spanien fuhren, fanden immer besser zusammen und zwei Tore von Paolo Rossi, einem Hauptbeteiligten an dieser unschönen Sache, sicherten das 2:0 im Halbfinale gegen Polen. Während Europameister Deutschland gegen Frankreich alles in die Waagschale werfen musste. Vor lauter Einsatz rammte etwa Goalie Toni Schumacher Gegenspieler Battiston mehrere Zähne aus dem Gebiss. Nach einem 1:1 war Frankreich in der Verlängerung schon 3:1 voran, letztlich gewann aber Deutschland im Elferschießen.

Italien - Deutschland 3:1 (0:0)
Italien – Deutschland 3:1 (0:0)

Im Endspiel trafen sich dann eine wenig spektakuläre italienische und eine wenig spektakuläre deutsche Mannschaft in einem auch nicht besonders spektakulären Spiel. Erst nach einer Stunde brach Paolo Rossi die Gegenwehr, die körperlich erledigten Deutschen konnten nicht mehr kontern. Ehe Paul Breitner das Ehrentor erzielen konnte, hatten Marco Tardelli und der früh für den verletzten Graziani eingewechselte Alessandro Altobelli schon eine komfortable 3:0-Führung heraus geschossen.

Italien schloss mit dem dritten Titel, dem ersten nach 44 Jahren, mit Brasilien auf, war damit Rekord-Weltmeister – und wurde als solcher in der folgenden EM-Quali Gruppenvierter. Hinter Rumänien, Schweden und der Tschechoslowakei.

1986 – Die Hand Gottes

Deutschland quaifizierte sich zwar, krachte aber schon in der Vorrunde raus und schasste Bundestrainer Jupp Derwall. Für ihn kam der mittlerweile 39-jährige Franz Beckenbauer, ohne Trainerlizenz, aber mit großen Hoffnungen.

Mexiko durfte 16 Jahre nach dem ersten Mal schon wieder eine Endrunde ausrichten. Weil Kolumbien sich mit der Ausrichtung der WM finanziell zu überheben drohte, sprang Mexiko kurzfristig ein. Wieder waren es dabei die Höhenlage und die Hitze, die den Teams zu schaffen machte. Und wieder waren es die weniger glanzvoll agierenden Teams, die letztlich auftrumpften.

Allen voran waren es nämlich die Dänen, die im Vorfeld schon als heißer Titelkandidat gehandelt wurden und entsprechend spektakulär durch die Gruppenphase schnitten – etwa mit einem 6:1 gegen Uruguay und einem 2:0 gegen Deutschland, ehe man im Achtelfinale Spanien ins offene Messer lief. Auch Brasilien zeigte wieder Fußball für’s Auge, scheiterte aber im Viertelfinale an Frankreich.

Womit wieder die Stunde der Durchwurschtler schlug – die der Deutschen. Ziemlich harzige Vorrunde, ein Gequäle beim 1:0 gegen Marokko, ein Gewürge mit Sieg im Elferschießen gegen Mexiko, eine Zitterei bis zum Schlusspfiff im Halbfinale gegen Europameister Frankreich. Schlimm war das. Und schlimm war auch, wie Argentinien im Viertelfinale England bezwang – mit einem wunderschönen Solo von Maradona und einer nicht so schönen Handarbeit von Maradona. Der trotz eindeutiger Beweise darauf beharrte, es wäre die Hand Gottes gewesen, die den Treffer erzielt hätte. Ja, eh.

Argentinien - Deutschland 3:2 (1:0)
Argentinien – Deutschland 3:2 (1:0)

Das Argentinien von 1986 hatte rein gar nichts mehr mit dem von 1978 zu tun. Unter Carlos Bilardo wurde ein strenger Defensiv-Fußball gespielt, mit einem Libero, zwei Manndeckern, zwei Außendeckern und drei Abfangjägern.

Vor und nach dem 1:0 durch Libero José Luis Brown – Schumacher hatte eine hohe Flanke falsch eingeschätzt – blieb es auch im Endspiel eher mäßig unterhaltsam, was auch an der Anstoßzeit von 12.00 Uhr Mittags lag – es war einfach zu heiß für grandiosen Tempo-Fußball. Und als Jorge Valdano nach einer Stunde auf 2:0 stellte, glaubte niemand mehr daran, dass die biedere Arbeiter-Truppe aus Deutschland das noch aufholen könnte.

Vor allem, weil Argentinien nun die Schotten dicht machte. Dass man Deutschland nie abschreiben soll, auch wenn man noch so eine durchschnittliche Truppe am Start hat, zeigte sich aber auch in diesem Spiel: Zwei Ecken, zwei Tore – eins von Kapitän Karlheinz Rummenigge, eins vom eingewechselten Rudi Völler – sorgten in den Minuten 74 und 81 für den Ausgleich.

Entscheidend war aber letztlich dennoch das Genie von Diego Maradona – sein Zuckerpass in eine entblößte Abwehr auf Burruchaga brachte das 3:2 und den zweiten Titel für Argentinien.

1990 – Höhepunkt der Langeweile

Mit Holland wurde eine absolut offensiv orientierte Mannschaft Europameister, aber die generelle Tendenz im Weltfußball war klar defensiv. Die Spiele waren immer mehr geprägt von Sicherheitsdenken, und die Endrunde in Italien bildete den Höhepunkt davon. Alleine im Spiel gegen Deutschland fabrizierte etwa der Außenseiter aus der Vereinigten Arabischen Emiraten über 50 Rückpässe, die Muhsin Musabah allesamt sehr zeitintensiv mit der Hand aufnahm – das Resultat dieses generellen Trends zum Sicherheitsdenken kulminierte in einem Turnier voller quälend langweiliger Spiele, für die sich das Heimpublikum aus der Serie A begeistern konnte, der Rest der Welt aber nicht. Direkte Folge: Die Rückpassregel.

Was der Rest der Welt sah, war ein Titelverteidiger, der über weite Strecken agierte wie in der ganzen Zeit seiner Regentschaft: Eine seltsam leblose Truppe, die sich eine Ohrfeige nach der anderen abholte – zunächst auch, nachdem der zunehmend panische Verband im Vorfeld der WM Carlos Bilardo als Teamchef zurück holte. Im Eröffnungsspiel gab’s gleich mal ein 0:1 gegen Kamerun, der Weltmeister schummelte sich als Gruppendritter noch irgendwie ins Achtelfinale. Nach einer Vorrunde, in der nur ein einziges der 24 Teams mehr als sechs Tore zustande gebracht hatte. Und war die Vorrunde zumindest nur spielerisch nicht schön, wurde es im Achtelfinale richtig ekelhaft, als Frank Rijkaard zielsicher in die Lockenpracht von Rudi Völler spuckte.

Das einzige Team, das alle mit seiner positiven Herangehensweise auf seine Seite schlug, war Kamerun. Nach dem überraschenden Sieg im Eröffnungsspiel wurde das Team um Oldboy Roger Milla (38) Gruppensieger und eliminierte im Achtelfinale die hochgewetteten Kolumbianer um den wandelnden Wischmop Carlos Valderrama. So wurde Kamerun das erste afrikanische Team in einem WM-Viertelfinale, und hätte man nicht gegen ein (wie es dem Zeitgeist halt entsprach) sehr diszipliniertes, aber nicht gerade funkeldes Team aus England im Viertelfinale nicht äußerst unglücklich und unverdient nach Verlängerung verloren, man wäre sogar das erste und bis heute einzige afrikanische Team in einem Halbfinale gewesen.

Von allen guten Teams die stabilsten waren die Deutschen und die Italiener. Die Gastgeber kassierten auf ihrem Weg ins Halbfinale nicht ein einziges Gegentor und man hatte mit Toto Schillaci den überraschenden Torschützenkönig in seinen Reihen, aber gegen Argentinien war im Elfmeterschießen Schluss. Und auch das andere Halbfinale ging ins Shoot-Out, dieses entschied Deutschland gegen England für sich – so gab es eine exakte Neuauflage des Finales von 1986. Das einzige Mal, das es zweimal hintereinander die gleichen Länder ins Endspiel geschafft hatten.

Deutschland - Argentinien 1:0 (0:0)
Deutschland – Argentinien 1:0 (0:0)

Diesmal war aber alles umgekehrt. Deutschland war eine stabile, gutklassige Mannschaft, die den amtierenden Europameister besiegt hatte, die die starken Tschechoslowaken auch mit einer schlechten Leistung bezwangen. Argentinien hingegen mogelte sich so ins Finale, wie das vier Jahre davor die Deutschen getan hatten: Zitter-1:0 gegen Brasilien, Elferschießen gegen Jugolsawien, Elferschießen gegen Italien, in keinem Spiel die bessere Mannschaft. Ein zynisches Team, das noch mehr als das von 1986 von Maradona lebte. Von einer humorlosen Defensive. Und von einer Spielweise, die mit Fug und Recht als „schmutzig“ zu bezeichnen ist.

Das Endpsiel von Rom beendete Argentinien nach den Ausschlüssen von Dezotti und Troglio mit acht Feldspielern, dennoch brauchte es einen späten Elfmeter für den hochverdienten Sieg der Deutschen. Andi Brehme versenkte den Ball im rechten Torwart-Eck und Deutschland hatte nach zwei verlorenen Finals endlich den dritten Titel in der Tasche. Nachdem man vier der vergangenen fünf Endspiele erreicht hatte war man nun gemeinsam mit Brasilien und Italien Rekord-Weltmeister.

Und weil die gut ausgebildeten Spieler der ehemaligen DDR nach der Endrunde zum deutschen Team stießen, ließ sich der scheidende Teamchef Beckenbauer zu dem Sager hinreißen, dass Deutschland nun „auf Jahrzehnte hin unschlagbar sein“ werde. Der Kaiser irrte. Rom war nicht der Startpunkt einer deutschen Ära. Sondern ihr Ende. Die Globalisierung des Fußballs hielt Einzug, eine Entwicklung, die Deutschland komplett verschlief. Aber mehr dazu in Teil 4!

]]>
https://ballverliebt.eu/2014/06/10/wm-geschichte-fuer-einsteiger-3/feed/ 0