dänemark – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 12 Jul 2021 15:38:50 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Die Top-8 der EM: Echte Top-Teams und einige Glücksritter https://ballverliebt.eu/2021/07/12/die-top-8-der-em-echte-top-teams-und-einige-gluecksritter/ https://ballverliebt.eu/2021/07/12/die-top-8-der-em-echte-top-teams-und-einige-gluecksritter/#comments Mon, 12 Jul 2021 15:38:02 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17680 Die Top-8 der EM: Echte Top-Teams und einige Glücksritter weiterlesen ]]> Europameister Italien, Finalist England, Halbfinalist Spanien: Auch wenn sich viele prominente Namen schon im Achtelfinale aus dieser EM verabschiedet haben, hatte die Finalphase immer noch einiges an Prominenz zu bieten. Die meisten Teams, die im Viertelfinale vertreten waren, haben sich den Platz unter den Top-8 der EM redlich verdient. Es waren aber auch Glücksritter dabei, die es bei einem Turnier mit 16 Teams wohl eher nicht so weit geschafft hätten.

Hier der dritte und letzte Teil unserer Team-Analysen der nun zu Ende gegangenen EM: Jene acht Teams, die im Viertelfinale, Semifinale und Finale dabei waren.

Italien: Stabil, balanciert, clever

Da schau her: Italien kann auch feinen, attraktiven Vorwärts-Fußball spielen. Die Truppe ohne echte Superstars begeisterte in der Vorrunde, in der sie – zugegeben ohne allzu große Gegenwehr – dreimal locker gewann. In der K.o.-Runde zeigte Italien, dass man auch harzige Spiele (wie gegen Österreich im Achtelfinale) gewinnen, solche gegen wirklich starke Teams drüberverteidigen (wie gegen Belgien im Viertelfinale) und solche gegen dominante Teams ohne großen Schaden aussitzen kann (wie gegen Spanien im Halbfinale).

Das prominenteste Feature war die asymmetrische Angriffsformation, in der links der Außenverteidiger Leonardo Spinazzola – bis zu seiner Verletzung gegen Belgien – hoch aufrückte, um Insigne nach innen dribbeln zu lassen, während rechts der Achter Nicolò Barella erst Berardi, dann Chiesa ähnlich unterstützte. Dafür sorgten Jorginho und Verratti aus dem Sechserraum für die Gestaltung und der defensivere Rechtsverteidiger Di Lorenzo gemainsam mit den Juve-Zwillingen für die stabile Abwehr.

Italien zeigte sich als gut balanciertes Team mit einer Handvoll Alternativen im Kader – Locatelli vertrat Verratti in der Vorrunde stark, Emerson war als Spinazzola-Ersatz sehr ordentlich, Belotti und Bernardeschi sorgten im Angriff für Entlastung der Starter. Mancini musste allerdings auch nie wirklich tief in seinen Kader greifen.

Ob das jetzt wirklich der strukturelle Neustart ist, der nach der verpassten WM-Teilnahme von 2018 nötig war, oder doch „nur“ wieder ein gutes Abschneiden aufgrund von sehr gutem Coaching, wie 2012 mit Prandelli und 2016 mit Conte, bleibt aber trotz des EM-Titels noch abzuwarten. Gerade die Innenverteidigung wird spannend – denn hinter Bonucci und Chiellini ist aktuell nur Inters Alessandro Bastoni als gutklassiger Nachrücker in Sicht.

England: Viel Talent, tendenziell zu zögerlich

45 Minuten lang hatte England die Dänen im Halbfinale hergespielt. Als das Tor in der 104. Minute endlich fiel, stellte Southgate auf ein 5-4-1 um und erweckte den Halbfinal-Gegner wieder zum Leben. Im Endspiel gelang schon in der 2. Minute das Führungstor, aber danach kam nicht mehr allzu viel – und bis zur 120. Minute gab es nur einen einzigen offensiven Wechsel.

Das junge englische Team, das ein Produkt von 10 Jahren gezielter Aufbauarbeit (Stichwort „England DNA“) ist, langweilte sich kraftsparend durch die Vorrunde, trieb im Achtelfinale die deutschen Geister der Vergangenheit aus und überfuhr ein defensiv heillos überfordertes Team der Ukraine im Viertelfinale mühelos. Aber Southgate scheute in Halbfinale und vor allem im Finale, nach einem sich erarbeiteten Vorteil weiter die Daumenschrauben anzuziehen. Die Defensive war mega-stabil (kein einziges Gegentor aus dem Spiel in sieben Partien), das Mittelfeld mit Rice und Phillips defensive herausragend, aber die Verbindung ins Angriffsdrittel war ausbaufähig. Es war am Ende etwas zu viel Kontrolle und etwas zu wenig Kaltblütigkeit.

England hatte den ersten großen Titel seit 1966 mit sechs Heimspielen, einer unproblematischen Gruppe und den jeweils leichteren Gegnern in Viertel- und Halbfinale auf dem Tablett, ließ die Möglichkeit aber aus den Händen flutschen. Dieses englische Team kann über Jahre hinweg eine starke Rolle bei WM- und EM-Turnieren einnehmen. Aber ob die Chance noch einmal so groß wird wie 2021?

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Spanien: Neue Spieler, alter Stil

Es ist ein neues Spanien, aber mit altbekannten Tugenden. Es war das Team mit dem meisten Ballbesitz der EM (67,2 Prozent) und der höchste Passgenauigkeit (89,6 Prozent), übte damit Dominanz über die Spiele aus – wobei sich zumindest fünf der sechs Gegner auch bewusst defensiv eingestellt hatten. Es gab unzählige Halbchancen, von denen in den ersten zwei Spielen nur eine genützt wurde. Es gab auch zahlreiche Top-Chancen – in den kommenden zwei Matches erzielte Spanien ZEHN Tore.

Aber am Ende, als es darauf an kam, fehlten einfach wieder die Tore. Es war wieder der ewige spanische Grat zwischen einem Stürmer, der sich aufreibt, aber im Strafraum präsent ist (Morata) und einer falschen Neun, die für mehr Dominanz in Mittelfeld und Zehnerraum sorgt, dafür ist im Strafraum zu wenig los. Das geht sich mit einer starken Abwehr aus – wie 2010 und 2012, als man in zusammen 13 Spielen nur drei Tore kassierte, davon kein einziges in einem K.o.-Spiel.

Diesmal war das Mittelfeld mit dem unfassbaren Pedri extrem stark, die Angriffsreihe zumindest in Ordnung, aber die Abwehr der Schwachpunkt. Weder die Paarung Laporte/Pau Torres noch die Paarung Laporte/Eric Garcia überzeugte vollends und Unai Simón war ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Fünf Gegentore in drei K.o.-Spielen, das geht sich einfach irgendwann nicht mehr aus.

Dennoch: Die stark verjüngte Truppe hat Zukunft. Mit Pedri (der für seine 18 Jahre eine nicht zu glaubende Reife und Übersicht bewies) als legitinem Xavi-Nachfogler, mit den jungen Flügelspielern Ferrán Torres und Dani Olmo, mit dem immer noch erst 24-jährigen Rodri als demjenigen, der Busquets auf der Sechs ablösen wird und, durchaus bemerkenswert, keinem einzigen Kaderspieler von Real Madrid. Luis Enrique ist vor der EM alles andere als unumstritten gewesen. Im Ganzen hat er und sein Team aber für überwiegend zufriedene Gemüter im eigenen Land gesorgt.

Dänemark: Kein normales Turnier

Mit normalen Maßstäben ist die Performance des dänischen Teams bei diesem Turnier nicht zu beurteilen. Der Herzstillstand von Christian Eriksen nach 44 Minuten des ersten Spiels hat alles verändert: Von der mentalen Einstellung des Teams über die Wahrnehmung von Außen bis hin zum System und auch ein wenig des Spielstils.

Ohne Eriksen fehlte Hjulmand der Zehner, um den herum das 4-2-3-1 aufgebaut war. Also installierte er ein 3-4-3 ohne Zehner, dafür mit einer offensiveren Doppelbesetzung der Außenbahnen – vor allem das Duo mit dem großartigen Joakim Mæhle und dem jungen Mikkel Damsgaard auf der linken Seite sorgte für ordentlich Wirbel. Da Damsgaard erst für Eriksen ins Team gerutscht war, hätte es dieses Wirbelwind-Duo sonst gar nicht gegeben.

Ein weiterer Aspekt der dänischen Flexibilität war das situative Aufrücken von Andreas Christensen in den Sechserraum – vor allem gegen Russland beim 4:1-Sieg im emotionalen dritten Gruppenspiel im gefühlt randvollen Parken – um im Mittelfeld-Zentrum schon für mehr Stabilität zu sorgen. Das Aufrücken eines Innenverteidigers wurde somit zum defensiven Move.

Der körperliche Stress, den vor allem die drei Spiele gegen Russland (daheim), Wales (in Amsterdam) und Tschechien (in Baku) verursacht haben sorgte in Kombination mit dem nicht besonders tiefen Kader dafür, dass die emotionale Welle, auf der Dänemark ins Halbfinale geritten ist, dort an einer englischen Mauer gebrochen wurde. Ja, den entscheidenden Elfmeter hätte es eher nicht geben sollen. Aber das Team war einfach leer.

Dennoch: Diese EM war für Dänemark mit der dritten EM-Halbfinal-Teilnahme nicht nur ein sportlicher Team-Erfolg – und für den überragenden Kasper Schmeichel auch ein persönlicher – sondern sie hat auch den Weg in eine wahrscheinliche Zukunft ohne Eriksen vorgezeigt. Und, dass es Danish Dynamite nach der quälend lähmenden Spielweise unter Hjulmands Vorgänger Åge Hareide doch noch gibt.

Belgien: Letzte Chance… vorbei?

Durch die Vorrunde war Belgien im Cruise-Modus gegangen, mit kurzen Tempo-Verschärfungen. Eden Hazard und Kevin de Bruyne, angeschlagen ins Turnier gegangen, wurden geschont. Die betagten Herren in der Abwehr rotierten raus und wieder rein. Das Achtelfinale gegen Portugal wurde zu einer Demonstration in der richtigen Balance aus Vorsicht und und Gegner locken, einem Katz-und-Maus-Spiel mit den ähnlich veranlagten Portugiesen, das ein Glücksschuss entschied.

Belgien schien sich immer irgendwie für die spätere Turnierphase schonen zu wollen, ja nicht zu früh zu viele Körner verpulvern, die man später brauchen könnte. Zu diesem „später“ ist es aber nicht mehr gekommen. Weil man im Viertelfinale im wahrscheinlich hochklassigsten Spiel dieses Turnieres den Italienern zweimal einen halben Meter zu viel Platz ließ, aus wenig zwei Tore kassierte, und man das gegen Italien nun mal nicht wieder gut machen kann.

Natürlich werden Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku, die beide ein recht vernünftiges Turnier gespielt haben, zumindest noch einen EM-Zyklus zur Weltspitze gehören; wird Youri Tielemans ein großartiger Sechser bleiben und Jérémy Doku ein großartiger Außenstürmer werden. Und doch fühlt es sich so an, als wäre dies die letzte Chance für Belgien gewesen. Die Abwehr ist zu alt und zunehmend zu langsam, das hat das Italien-Spiel gezeigt. Kein Innenverteidiger im Kader war jünger als 25 Jahre, zehn Spieler gehören schon zur Ü-30-Fraktion.

Das auf Augenhöhe geführte, aber durch einen Eckball 0:1 verlorene WM-Halbfinale gegen Frankreich 2018 – ein Wendepunkt wie das gegen Maradona verlorene WM-Halbfinale von 1986?

Schweiz: Gläsernen Plafond durchbrochen

Die Vorrunden-Spiele der Schweiz ließen einen Exploit wie jenen im Achtelfinale gegen Frankreich nicht gerade erahnen. Tempolos beim 1:1 gegen Wales, heillos überfordert beim 0:3 gegen Italien und, ja, klar besser beim 3:1 über die Türkei, aber die Türken waren bei dieser EM auch wirklich unterirdisch schlecht.

Teamchef Petkovic baute nach den ersten beiden Spielen seine linke Seite etwas um – Rodriguez einen Schritt nach hinten, dafür der gerade gegen die Türkei überragende Zuber rein und Innenverteidiger Schär raus – und das sorgte für spürbare Belebung. Ebenso viel wird es aber wohl die psychologische Gemengelage gewesen sein, welche den Schweizern das erstmalige Durchbrechen des gläsernen Achtelfinal-Plafonds ermöglicht hat. Man ging die Franzosen von Beginn an aktiv an und erkannte die französische Arroganz, als der Weltmeister das Match vermeintlich doch gewonnen hatte.

Man sah Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri an, dass sie das Gefühl hatten, allen etwas beweisen zu müssen. Für Seferovic galt ähnliches. Sie trugen die Nati gemeinsam mit dem gewohnt starken Torhüter Yann Sommer, sie führten das Comeback gegen Frankreich an und auch ohne den im Viertelfinale gelbgesperrten Xhaka setzten sie dem Gegner 120 Minuten lang zu, weil dieser es wiederum mit verringertem Tempo versucht hatte, einen Führung gegen die Schweizer über die Zeit zu bringen.

Ein wenig erinnerten die K.o.-Partien der Schweizer an jene der ÖFB-Frauen bei der EM 2017: Im ersten Spiel einen auf dem Papier deutlich besseren Kontrahenten ins Elferschießen hinein nerven und ihn dort mit breiter Brust bezwingen, aber in der nächsten Runde – trotz bester Absichten – mit der noch historischeren Chance vor Augen nicht mehr die 100 Prozent im Kopf zusammen zu bekommen. Gegen Frankreich haben alle fünf Schweizer getroffen. Gegen Spanien haben drei von vier vergeben.

Was machen die Schweizer nun mit diesem Turnier? Der als etwas unbeweglich gescholtene Vladimir Petkovic geht auf jeden Fall gestärkt aus der EM hervor. Die Teilnahme an der WM in Katar wird dennoch ein Kraftakt. Man ist in der Quali-Gruppe mit Italien gelandet – und wird vermutlich durch die Playoff-Lotterie müssen.

Tschechien: Solide wie immer

Gehört Tschechien zu den besten acht Teams Europas? Nein, ganz sicher nicht. Aber man machte das Maximum aus den Möglichkeiten. Bezwang ein im Spiel klar besseres, aber auch sehr harmloses schottisches Team. Kam gegen ein undynamisches und suchendes Kroatien zu einem 1:1, was schon für das Achtelfinale reichte. Neutralisierte dort Holland geschickt und schlug zu, als sich Oranje dezimierte.

Patrik Schick machte die Tore, fünf an der Zahl, niemand traf bei dieser EM öfter. Souček war ein umsichtiger und fleißiger Motor im Mittelfeldzentrum, man merkt ihm die Erfahrung aus der Premier League an. Slavia Prag war in den letzten drei Jahren zweimal im Europa-League-Viertelfinale, hat dabei etwa Sevilla und Leicester besiegt, holte in der Champions League Auswärtspunkte bei Inter und in Barcelona. An Qualität fehlt es nicht.

Die Tschechen verstanden es gut, den Gegnern – vor allem Kroatien in der ersten Hälfte, Holland im Achtelfinale und Dänemark im Viertelfinale in der zweiten Hälfte – die Zeit zum Spielaufbau zu nehmen. Die Anlaufstrukturen waren gut, Tschechien ein unangenehmer und vor allem einigermaßen furchtloser Gegner. Die eigene Kreation lief vor allem über Außenverteidiger Coufal, Souček und lange Bälle, aber in erster Linie war das Spiel darauf angelegt, den Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen.

Immerhin: Das war deutlich weniger plump als der ultra-defensive Zugang, der 2016 zum EM-Desaster geführt hat. Und es war auch erfolgreicher. Gute Mittelklasse kann man den Tschechen nun guten Gewissens zuschreiben. Vom Unterhaltungswert war es eher nur so mittel, aber was die Tschechen gemacht haben, hat durchaus funktioniert.

Ukraine: Mehr als zugestanden

Was ist jetzt die wahre Ukraine? Jene, die sich gegen Holland und Schweden ins Spiel zurück gekämpft hat? Oder jene, die sich Österreich und England ohne spürbare Gegenwehr opferte und dabei erstaunliche defensive Unzulänglichkeiten offenbarte?

Dass die erste Wahl auf der Sechs (Taras Stepanenko) verletzungsbedingt nur sporadisch zur Verfügung stand, merkte man vor allem, wenn er nicht dabei war (also gegen Österreich und England). Dass Shevchenko die erste Wahl auf der linken Außenbahn (Viktor Tsygankov) verletzungsbedingt nur sporadisch und dessen Back-up (Marlos) aus dem gleichen Grund de facto gar nicht zur Verfügung stand, merkte man vor allem, weil die linke Seite immer die Problemzone war. Malinovski, eigentlich ein Achter, war dort so schwach, dass der Teamchef ihn in der K.o.-Phase strich und lieber auf ein 5-3-2 umstellte.

Das hat im Achtelfinale gegen Schweden funktioniert, weil er Alexander Zinchenko als linken Wing-Back postierte und dieser dort Raum vorfand, den er bespielen konnte. Das ging im Viertelfinale gegen England gar nicht, weil Zinchenko als Achter von Rice und Phillips aufgeschluckt wurde. Hinzu kam, dass Jarmolenko als einzige wirkliche Alternative im Vorwärtsspiel gewohnt unkonstant war und gegen starke Gegenspieler wie Alaba oder Maguire kein Land sah.

Die Ukraine hat zumindest eine Runde mehr erreicht, als dem jungen und nicht gänzlich talentfreien, aber doch überwiegend biederem Team mit zwei bis drei Spielern von internationalem Potenzial zustehen würde. Denn die Limits nicht nur in der Offensive, sondern vor allem in der Abwehr wurden beim 0:4 gegen England im Viertelfinale nur allzu offensichtlich.

Kurzer Ausblick

Die zweite EM-Endrunde mit 24 Teams war wesentlich unterhaltsamer und kurzweiliger als die ausgesprochen zähe Erstauflage von 2016. Die kommende Europameisterschaft steigt in drei Jahren in Deutschland, die zehn Spielorte sind Berlin, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart.

Schon zuvor ist natürlich die WM in eineinhalb Jahren in Katar auf dem Spielplan, zu der die Qualifikation ja bereits im Gange ist und für die sich 13 europäische Teams qualifizieren werden – die offensichtlichen Kandidaten auf die zehn Direkt-Tickets sind Italien, England, Spanien, Dänemark, Belgien, Frankreich, Portugal, Deutschland, Kroatien und Holland. Die zehn Gruppenzweiten und die zwei besten nicht anderweitig qualifizierten Nations-League-Gruppensieger spielen im März 2022 um die verbleibenden drei Plätze. Das wird ein Gemetzel.

Link Tipps:
Analyse der Vorrunden-Verlierer (FIN, HUN, MKD, POL, RUS, SCO, SVK, TUR)
Analyse der Achtelfinalisten (AUT, CRO, FRA, GER, NED, POR, SWE, WAL)

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EURO 2020-Halbfinale: England gegen Dänemark https://ballverliebt.eu/2021/07/05/euro-2020-halbfinale-england-gegen-daenemark/ https://ballverliebt.eu/2021/07/05/euro-2020-halbfinale-england-gegen-daenemark/#respond Mon, 05 Jul 2021 18:34:40 +0000 Das zweite Halbfinale der EURO 2020 steht am Mittwoch an. In Wembley treffen England und Dänemark aufeinander.

Tom nimmt sich in Abwesenheit von Philipp spontan ein paar Minuten, um darüber zu sprechen, was er von den beiden Mannschaften hält und wie er die Chancen für den Finaleinzug verteilt.

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Zu wenig Ideen bei 1:3 gegen clevere Dänen https://ballverliebt.eu/2019/06/20/zu-wenig-ideen-bei-13-gegen-clevere-daenen/ https://ballverliebt.eu/2019/06/20/zu-wenig-ideen-bei-13-gegen-clevere-daenen/#respond Thu, 20 Jun 2019 18:33:02 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=16256 Zu wenig Ideen bei 1:3 gegen clevere Dänen weiterlesen ]]> Die Chance auf das EM-Halbfinale und damit auf Olympia sind für Österreichs U-21-Team nach dem 1:3 gegen Dänemark im zweiten Gruppenspiel dramatisch geschrumpft. Die Dänen agierten geschickt gegen den Ball, explosiv im offensiven Umschalten und profitierten auch davon, dass Österreich beim Stand von 1:1 einen Elfmeter verschoss.

Österreich – Dänemark 1:3 (0:1)

Die Teams

Werner Gregoritsch nahm gegenüber dem 2:0-Sieg über Serbien zwei personelle Änderungen vor: Für den verletzten Wolf rückte Kvasina in die Mannschaft, der ganz vorne postiert war; dafür ging Honsak auf den linken Flügel. Und in der Abwehrkette spielte Friedl statt Ullman auf der linken Seite.

Bei Dänemark stellte Trainer Niels Frederiksen gegenüber dem 1:3 gegen Deutschland auf vier Positionen um. Im Sturmzentrum spielte Wind statt Ingvartsen, dazu kamen Sörensen und Maehle (statt Koefod und Pedersen) in der Abwehr zum Zug sowie Stage statt Jensen im Mittelfeld-Zentrum.

Dänemark spielte mit zwei Legionären aus England (Billig und Iversen), einem von Ajax (Nissen-Kristensen), zwei aus Deutschland (Dortmunds Bruun-Larsen und Sörensen von Regensburg), einem aus Belgien (Maehle) und einem aus Italien (Rasmussen).

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Was auffiel

Dänemarks Formation. Niels Frederiksen stellte sein Team in einem ungewöhnlichen System auf – einem 5-2-3. Der Clou war dabei die Arbeit von Sechser Billing und Achter Stage in Verbindung mit den Wings-Backs bzw. den situativ zurück rückenden Außenstürmern. Sie stellten gegen den ÖFB-Aufbau ein 5-3-2 her und verhinderten, dass Österreich in den Raum zwischen den Linien kam. Dies machte den von Haus aus eher auf Reaktion eingestellten Österreichern das Leben zusätzlich schwer.

Gegen den dänischen Aufbau. Dänemark war aber nicht nur in der Defensive Punktsieger, sondern auch im Aufbau. Sie wollten sich gar nicht lange im Mittelfeld aufhalten, brachten den Ball stattdessen oft von der Dreierkette hinten über die Halbfelder zum Außenstürmer, der sich wiederum etwas zurückfallen ließ, um die Pässe kurz zu halten. Hier stellte Dänemark wiederum schnell Überzahl in Ballnähe her und mit schnellen, kurzen Pässen wurden Räume aufgemacht – auch, weil die Wing-Backs weit aufrückten und ein 3-2-5 herstellten. Zudem wurde nach Ballgewinnen blitzschnell umgeschaltet. Das 1:0 nach einer halben Stunde durch Linksverteidiger Maehle war verdient.

Pressing hüben und drüben. Wenn den Dänen im Angriffsdrittel ein Ballverlust unterlief, wurde sofort ein Gegenpressing aufgezogen. So verhinderte Dänemark ein schnelles österreichisches Umschalten – mit dem Serbien große Probleme hatte. Auf der anderen Seite lief Österreich die dänische Eröffnung ebenso an, hier zeigten sich die Skandinavier aber mit großer Ruhe  und sehr resistent.

Umstellungen und Spielverlauf

Quasi mit Beginn der zweiten Halbzeit glich Österreich durch einen Lienhart-Kopfball nach einer Ecke aus. Xaver Schlager rückte nach dem Seitenwechsel deutlich weiter nach hinten ins Mittelfeld – so wurde aus dem 4-4-1-1 ein 4-1-4-1. Mit dem kompakteren Mittelfeld sollte wohl der dänische Druck besser absorbiert und leichte Überzahl im Halbfeld und auf den Außenbahnen hergestellt werden und effektiver auf den dänischen Aufbau gepresst werden.

Dänemark kontrollierte weiterhin den Ball, zwingende Chancen konnte sich die Dänen aber kaum herausspielen. Nur einmal wurde es sehr eng für ein hoch aufgerücktes Österreich, als Bruun-Larsen alleine auf Schlager zu lief und traf – aber der dänische Stürmer war knapp im Abseits. Fast im direkten Gegenzug wurde Horvath von Nelsson im Strafraum gelegt, aber der für Ljubic eingewechselte Baumgartner vergab den Elfmeter.

Nach dem 2:1 für Dänemark (77., die Dänen waren auf der rechten Angrifsseite hinter die ÖFB-Abwehrkette gekommen, Maehle verwertete die Flanke) zogen sich die Skandiavier zurück. Der für die linke Angriffsseite gekommene Andreas Olsen ging gegen den Ball ganz weit zurück, formte somit eine Sechser-Abwehr.

Dem ÖFB-Team gelang es nicht mehr, eine ernsthafte Torchance zu erspielen. Dafür machte Dänemark mit dem 3:1 in der 93. Minute endgültig den Deckel drauf und wahrt somit die Chance auf Halbfinale und Olympia.

Fazit: Es fehlten die Mittel im Aufbau

Gegenüber den individuell gut besetzten, aber taktisch eher einfältigen Serben waren die Dänen um eine Klasse stärker. Sie neutralisierten den österreichischen Aufbau sehr gut, kamen defensiv aus dem Spiel heraus so gut wie nie in Verlegenheit und behielten auch nach dem völlig aus dem Nichts erzielten Ausgleich die Ruhe. Auch wenn Österreich einen Elfmeter vergeben hat, war es doch ein absolut korrekter Sieg von Dänemark.

Dem ÖFB-Team fehlte es an der Idee, gegen die geschickte dänische Mannschaft in gute Abschlusspositionen zu kommen. Weil die Kanäle zu waren, konnte Horvath sein Tempo nie ausspielen, Schlagers Pressing verpuffte an den stets ruhigen Abwehrspielern, Kvasina sah kaum Bälle – und es fehlte die Kreativität im Zentrum.

Die reaktive Grundidee von Gregoritsch‘ Strategie hat gegen Serbien perfekt gepasst, die Dänen konnten diese aber gut für sich nützen. Im letzten Gruppenspiel gegen Deutschland (im Parallelspiel überlegener 6:1-Sieger gegen Serbien) wird es nun auf jeden Fall einen Sieg brauchen – ein 3:0 oder höher muss es sein – damit es noch für dass Halbfinale reicht.

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Forum zu Dänemark – Österreich 2:0 https://ballverliebt.eu/2018/10/17/forum-zu-daenemark-oesterreich-02/ https://ballverliebt.eu/2018/10/17/forum-zu-daenemark-oesterreich-02/#respond Wed, 17 Oct 2018 07:37:37 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15326 Forum zu Dänemark – Österreich 2:0 weiterlesen ]]> Zum Testspiel von Österreich in Dänemark gibt es von unserer Seite leider keine Berichterstattung. Berufliche und private Verpflichtungen haben uns nicht die Zeit gelassen, uns darum gebührlich zu kümmern. (Unterstützt uns bitte, wenn ihr helfen wollt, dass wir uns in Zukunft mehr Zeit nehmen können.)

Dänemark – Österreich 2:0 (1:0)

Auf eine frühere Anregung von unserem User martidas eröffnen wir hier aber gern ein Forum für euch, in dem ihr euch über das Spiel unterhalten könnt. (Nebenbei könnt ihr ja den jüngsten Premier League-Podcast hören.)

Ums für die Zukunft festzuhalten: Österreich spielte bei der (wie wir hören) verdienten 0:2-Niederlage nach dem 4-4-2 gegen Nordirland diesmal im 3-5-2 – zudem personell in einer Variante, die wir wohl so schnell nicht wieder sehen werden.

Strebinger – Hinteregger, Prödl, Dragovic – Ulmer, Schlager, Schöpf, Lazaro – Schaub, Burgstaller, Sabitzer

Hatte das Spiel für euch trotzdem Aussagekraft?

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UEFA-Ranking: Das Rennen um den Champions-League-Gruppenplatz 2018/19 https://ballverliebt.eu/2018/08/17/uefa-ranking-das-rennen-um-den-champions-league-gruppenplatz-2018-19/ https://ballverliebt.eu/2018/08/17/uefa-ranking-das-rennen-um-den-champions-league-gruppenplatz-2018-19/#comments Thu, 16 Aug 2018 22:13:14 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15132 UEFA-Ranking: Das Rennen um den Champions-League-Gruppenplatz 2018/19 weiterlesen ]]> Österreich hat sich in der vergangenen Saison einen sehr wahrscheinlichen Fixplatz in der Gruppenphase der UEFA-Champions-League für den Meister der laufenden Saison erspielt. Die heurigen Leistungen sollen diesen Platz für das nächste Jahr absichern. Auch wenn es angesichts der Leistungen von Sturm und der Admira eher fraglich ist, was Österreich eigentlich mit einem zweiten Quali-Starter in der Champions League und einem fünften Team in Europa wirklich anfangen soll, hoffen viele Fans natürlich, dass sich das ausgeht. Und so steht es derzeit im Rennen um Platz 11.

Wie auch in den letzten Jahren wird für Österreich viel von der Leistung von Salzburg abhängen. Die Bullen könnten sich aber heuer erstmals für die Champions League qualifizieren (dort wären sie in der Gruppenphase immerhin ein Topf 3 Team), was zwar vier Bonuspunkte für die erfolgreiche Quali bringen würde (also 0,8 für Österreich) aber das weitere Punktesammeln natürlich wegen deutlich schwierigerer Gegner ebenso schwieriger machen würde, als in der Europa League zu spielen (dort wären sie ein Topf 1-Team). Als Topf-3-CL-Team wäre es aber auch noch möglich, als Gruppendritter im Frühjahr in die Europa League zu wechseln, aber da muss die Auslosung mitspielen. Für Rapid gilt: Wenn man Steaua aus dem Bewerb werfen kann, könnte man die EL-Gruppenphase womöglich als Topf 2-Team bestreiten (dazu muss eine Handvoll Teams ausscheiden, die höher gesetzt sind – eines davon wäre aber Steaua).

Das Potential für noch einige Punkte ist also da. Nach vorne braucht man sich jedoch keine Illusionen zu machen. Zu gut abgesichert ist Platz 10 für die Türkei derzeit. Es geht rein um die Verteidigung des elften Platzes (der nach dem aktuellen Regelwerk immer dann einen CL-Fixplatz bedeutet, wenn sich der Champions-League-Sieger über seine eigene Meisterschaft qualifiziert – was meistens der Fall ist).

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Die Konkurrenz

Die größte Bedrohung von hinten für das Sichern von Platz 11 wird diesmal von Dänemark ausgehen. Die Dänen haben noch drei Teams am Start und müssen ihre Punkte durch weniger Starter teilen (jeder Punkt von Österreich wird durch fünf Starter dividiert, jeder dänische durch vier – ein österreichischer Sieg ist also zum Beispiel 0,2 Punkte wert, ein dänischer 0,25.) Bisher hatte man eine gute Saison und Kopenhagen und Midtjylland haben das Potential, in der Europa League weiter zu punkten. Bröndby wäre dort eher kein Top-Team, aber auch Kleinvieh gut.

Der alte Throninhaber waren bekanntlich die Niederlande. Für die werden die Chancen auf eine Aufholjagd davon abhängen, ob sich Ajax (gegen Kiew) für die Champions League qualifiziert. Die hätten dort ebenso wie PSV (Quali gegen BATE Borissow) sicher Schwierigkeiten, viele Punkte zu sammeln. Alle Europa League Starter sonst sind bereits rausgeflogen.

Griechenland hat bereits größeren Rückstand. PAOK (Quali gegen Benfica) und AEK (Quali gegen Vidi) sind in der Champions League Außenseiter, wären bei einem Ausscheiden dort in der EL aber wie Olympiakos größere Fische. Mehr als Punkte Rückstand sind für eine Fünf-Starter-Nationaber viel Holz.

Kroatien hat zwar nur vier Starter, kann Österreich aber normalerweise nicht gefährlich werden. 2,5 Punkte holt Zagreb nie und nimmer alleine auf. Noch einen Tick mehr muss Tschechien aufholen, das zwar noch vier von fünf Startern dabei hat, der große Run von Pilsen in der CL (die Fix-Teilnahme ist in den Punkten bereits beinhaltet) oder herausragende Saisonen von Olmütz, Jablonetz und Slavia Prag in der EL sind aber auch kaum zu erwarten

Auch für die Schweiz wird das schwer, aber da Basel in der Europa League ein gewichtiges Team wäre, auch die Young Boys (CL-Quali gegen Zagreb) dort ihre Chancen hätten, falls sie an der CL-Quali scheitern und sogar der FC Zürich dort als Topf 3 Team punkte schaffen kann, ist eine Aufholjagd nicht ganz auszuschließen.

Prognose

Die Chancen, den elften Platz zu wahren, sind gar nicht schlecht. Sowohl Salzburg als auch Rapid haben Chancen, noch einige Punkte zu sammeln. Vermutlich müsste Rapid es aber in die Gruppenphase der Europa League schaffen, damit die Verfolger auch tatsächlich auf Distanz gehalten werden können. Wenn es Salzburg wieder allein richten muss, wäre wohl eine (weitere) Wundersaison der Bullen vonnöten.

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Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/ https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/#comments Thu, 12 Jul 2018 09:26:48 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15018 Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz weiterlesen ]]> Ein unermüdlicher Gastgeber. Drei skandinavische Teams, die das zufrieden sein dürfen. Und drei Teams, sie sich mehr erhofft haben. Europas „zweite Reihe“ bei dieser WM – also Russland, Schweden, Dänemark, Island, die Schweiz, Serbien und Polen – hat dazu beigetragen, dass es die die UEFA-Teams eine so starke Bilanz vorzuweisen hat.

1,97 Punkte pro Spiel haben die 14 europäischen Teams in der Gruppenphase (also in jenem Abschniss in dem noch alle Teilnehmer im Turnier sind) erreicht. In den letzten 36 Jahren war er nur einmal noch mehr (2006). Das ist nur möglich, wenn auch die vermeintlich Kleinen relativ tief in den Punktetopf greifen.

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LINK-TIPP: Europas zweite Reihe bei der WM 2014

Russland: Limitiert, unermüdlich, diszipliniert

Was macht man, wenn man nicht kicken kann? Man lässt es bleiben. So könnte man die Herangehensweise des Gastgebers beschreiben. Spielerisch waren die russischen Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 (jeweils raus in der Vorrunde) am Ärmlichkeit kaum zu überbieten gewesen. Also verzichtete man unter dem ehemaligen Tirol-Coach Stanislav Tcherchessov einfach daruf, die Kugel zu haben.

Mit 39 Prozent Ballbesitz hatte man den drittniedrigsten Wert aller Teilnehmer. Und: Man lief. Ohne Unterlass. Die fünf Spieler, die nach dem Viertelfinale die meisten Kilometer an dieser WM abgespult haben, waren allesamt Russen. Einer davon, Abwehr-Chef Ignashevitch, ist 38 Jahre alt. Anders als die Kroaten – die ebenfalls 510 Minuten, also fünf Spiele mit zwei Verlängerungen absolviert hatten – zeigte sich bei den Russen allerding keine Anzeichen von Ermüdung. Angesichts der unrühmlichen Rolle, die Russland in Sachen Doping spielt, ist all dies zumindest erwähnenswert. Zumal Tcherchessov verschmitzt grinste, als er in Interviews vom „guten Programm in der Vorbereitung“ sprach.

In jedem Fall aber schaffte es Tcherchessov, eine ausgesprochen disziplinierte Truppe auf den WM-Rasen zu stellen. Schwächen in Eröffnung (Kutepov überließ den ersten Pass fast immer Ignashevitch, der seinerseits keine Koryphäe ist) wurden mit den starken Außenspielern Fernandes (rechts) und Tcherishev (links) kompensiert. Der noch relativ junge Roman Sobnin zeigte starke Übersicht, Torhüter Akinfejev machte fast keine Fehler.

Und vor allem: Die Chancenverwertung war absolute Weltklasse. In Vorrunde erspielte sich Russland in drei Matches einen mäßigen Expected-Goals-Wert von 2,9 Toren (Platz 24 von 32, laut 11tegen11), traf aber achtmal ins Schwarze. Es wurden vor allem beim 5:0 gegen Saudi Arabien und beim 3:1 gegen Ägypten zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen getroffen. Ein wenig Abschlussglück war auch dabei.

Systematsich blieb Tchertchessov dem 4-4-1-1 mit Ausnahme des Achtelfinales gegen Spanien (5-4-1) durchwegs treu, unabhängig vom Personal. Angesichts der mangelnden Qualität hat Russland ein sehr vorzeigbares Turnier absolviert.

Schweden: Altbacken zum Favoritenschreck

Heimsieg in der Qualifikation gegen Frankreich. Holland eliminiert, Italien eliminiert, gegenüber Deutschland die WM-Gruppenphase überstanden. Die Schweiz niedergerungen. Und erst im Viertelfinale an England gescheitert. Mit Spielern von deutschen Absteigern, englischen Zweitligisten, russischen Mittelständlern und der Scheich-Liga aus den Emiraten.

Dieses Team muss doch etwas ganz besonders machen. Oder? Nein. Schweden ist weiterhin das Vorzeige-Team, was biederen, aber gut aufeinander abgestimmten 4-4-2-Fußball angeht. Einziger Unterschied zu den letzten Turnieren: Zlatan ist nicht mehr da.

Norrköpings Meistertrainer Janne Andersson hat vor zwei Jahren das Teamchef-Amt übernommen, mit dem Auftrag, die Trekronor-Mannschaft in eine Zukunft ohne Ibrahimovic zu führen. Das hat er gemacht, und auf dem Weg auch noch einige U-21-Europameister von 2015 eingebaut – wie Lindelöf und Augustinsson, die Stamm sind. Wie Hiljemark und Thelin, die zu Joker-Einsätzen kamen. Wie Helander, der zumindest im Kader war.

Das schwedische Spiel ist sehr reaktiv und darauf ausgelegt, nicht in Rückstand zu geraten. Gegen Südkorea wurde den Schweden der Ball aufgedrängt, es brauchte einen Elfmeter zum 1:0-Sieg. Gegen Deutschland unterlag man erst tief in der Nachspielzeit. Mexiko riss man hingegen bei Kontern in Stücke und gewann 3:0. Gegen die Schweiz hatte man wieder weit unter 40 Prozent Ballbesitz, nützte aber eine von zwei Torchancen zum 1:0-Sieg.

Als man gegen England allerdings doch nach einer halben Stunde in Rückstand geriet, gingen schnell die Ideen aus. Mehr als zwei, drei mittelprächtige Torgelegenheiten gingen sich nicht mehr aus. So ist das Viertelfinale definitiv das Optimum, was aus dem Kader herauszuholen war. Vermutlich sogar mehr.

Dänemark: Glanzlos ins Achtelfinale

Danish Dynamite? Nein. Vom explosiven und temporeichen Spielstil der 1980er und 90er ist nichts mehr übrig. Selbst die pragmatischeren Nuller-Jahre unter Morten Olsen waren wesentlich einprägsamer als jenes Spiel, das Dänemark nun immerhin ins WM-Achtelfinale gebracht hat.

Dabei hatte Åge Hareide zu Beginn seiner Amtszeit vor zwei Jahren einige spannende und teilweise spektakuläre Experimente abgeliefert, gerne auch mit dem potenziell genialen, aber oft nicht verlässlichen Højbjerg. Nur: Die Resultate passten nicht. Also wurde auf Sicherheit gespielt, back to basics, und das WM-Ticket wurde auf diese Weise noch gesichert. Mit einer sichere. Defensive und Tempo auf den Außenbahnen (Poulsen von Leipzig, Sisto von Celta Vigo, Braithwaite von Bordeaux). Und mit Christian Eriksen, der für die individuellen Momente sorgen soll. Viel mehr hatte Dänemark bei der WM nicht zu bieten.

Im Turnierverlauf ging mit Andreas Christensen auch noch ein Innenverteidiger auf die Sechs (für den verletzten Kvist). Die Dänen spielten sich in allen ihren vier Spielen praktisch keine nennenswerten Torchancen heraus, ließen aber auch nicht viel zu. So besiegte man Peru mit 1:0 und holte gegen Australien den nötigen Punkt. Im Achtelfinale gelang es durch Mannorientierungen sehr gut, Modrić und Rakitić zu neutralisieren. Den Kroaten war man dann erst im Elfmeterschießen unterlegen.

Es ist das beste WM-Abschneiden seit 2002, als es ebenfalls ins Achtelfinale gegangen ist. Dem ließ man damals zwei Jahre später ein EM-Viertelfinale folgen. Das wäre diesmal aus heutiger Sicht eher eine Überraschung. Dänemark ist eine solide Truppe, die kaum Fehler macht. Die individuelle Qualität in der Breite war früher aber deutlich höher.

Schweiz: Am gläsernen Plafond

Warum geht es im entscheidenden Moment immer schief? Wo sind die vermeintlichen Führungsspieler? Halten wir Beobachter die Nati und sie sich auch selbst für besser, als sie ist? Die Schweizer Medienlandschaft ging nach dem Achtelfinal-Aus gegen Schweden sehr hart mit ihrem Team ins Gericht.

Das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei der WM 2018, der EM 2016 und der WM 2014 hat die Schweiz stets die Vorrunde überstanden, war bei sieben der letzten acht Großturniere qualifiziert. Aber das Achtelfinale scheint eine gläserne Decke zu sein, welche nicht durchbrochen werden kann. Auch diesmal präsentierten sich die Eidgenossen als renitenter Gegner für die Großen (wie beim 1:1 gegen Brasilien) und als kampfstark in offenen Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe (wie beim 2:1 gegen Serbien).

Gegen Costa Rica (2:2) und im Achtelfinale gegen Schweden (0:1) zeigte sich aber auch, dass gegen defensiv eingestellte Kontrahenten ein wenig das Tempo und die Kreativität fehlt. In diesen beiden Partien hatten die Schweizer jeweils über 60 Prozent Ballbesitz. Aber vor allem gegen Schweden keine einzige gute Torchance. Damit ist dieses Schweizer Team – in dem auch die Mischung zwischen Routine und Jugend stimmt – gehobener Durchschnitt, der eigentlich nie patzt, aber die Erwartungen auch nie übertrifft.

Serbien: Überwiegend sich selbst geschlagen

Der Schweizer Gruppengegner Serbien ist dafür vor allem an sich selbst gescheitert. An einem völlig unnötigen Trainerwechsel, einem peinlichen Hickhack zwischen Verband und sportlicher Leitung. Den eigenen Nerven. Und, ja, ein wenig auch an Referee Felix Brych.

Die taktisch punktgenau eingestellte und fast immer sehr gut funktionierende Truppe, die Ex-Teamchef Slavoljub Muslin in der Qualifikation auf die Beine gestellt hat, wich unter seinem (bestenfalls) unerfahrenen Nachfolger Mladen Krstajić einem ziemlich gewöhnlichen, teilweise uninspirierten Spiel. Jetzt ist zwar Sergej Milinković-Savić drin (auf den Muslin zum Ärger des Verbands konsequent verzichtet hatte), aber es ist im Gegenzug alles weg, was Serbien zuvor stark gemacht hatte.

Dabei zeigten die ersten 20 Minuten gegen die Schweiz, dass viel mehr in diesem serbischen Team steckte, als es in der überwiegenden Mehrheit der anderen 250 Vorrunden-Minuten zeigte. Aber selbst in diesem Match wurde man viel zu früh viel zu passiv, überließ den Schweizern die Initiative, ohne selbst defensiv sicher genug zu stehen. Der verweigerte Elfmeter beim Stand von 1:1 war sicher ein schwerer Schlag, alleinschuldig an der Niederlage und dem damit verbundenen frühen (De-Facto)-Ausscheiden ist er aber nicht.

Zu wenig Substanz war beim 1:0-Sieg über Costa Rica, durch einen Freistoß gesichert, zu sehen. Gegen Brasilien gab es starke zehn Minuten in der zweiten Hälfte, aber viele Spieler schienen sich schon von Vornherein mit der Aussichtslosigkeit des Unterfangens abgefunden zu haben.

Serbien ist vor drei Jahren U-20-Weltmeister geworden, hatte immer talentierte Spieler. Milinković-Savić wird weiter reifen, Milenković und Veljković können ein sehr gutes Vertedigier-Duo werden. Mitrović ist kein Edel-Kicker, aber als kopfballstarke Kampfsau recht brauchbar. Fünf Weltmeister – neben Milinković-Savić (Lazio) auch Gaćinović (Frankfurt) und Veljković (Bremen) sowie Živković (Benfica) und Torhüter Rajković (Maccabi Tel-Aviv) – sind in ihren Klubs Stammkräfte und werden das Nationalteam noch ein Jahrzehnt tragen können.

Island: Die eigenen Mittel ausgeschöpft

Die Nordmänner von der Atlantik-Insel zeigten auch bei ihrem zweiten Turnier auf Erwachsenen-Level (2011 war der Kern dieses Teams ja bei der U-21-EM und hat in der Qualifikation die Deutschen eliminiert) ihr typisches Spiel. Wenig Ballbesitz (nur der Iran hatte weniger), viel Kampfkraft. Keine technischen Schmankerl, dafür jede Menge Disziplin.

Auf diese Weise hielt man Argentinien im ersten Spiel bei einem 1:1. Damit war der Ausflug nach Russland schon ein großer Erfolg. Gegen die spielerisch ähnlich limitierte Truppe aus Nigeria ließ man sich nach einer torlosen ersten Hälfte ein wenig locken und lief in zwei Konter. Gegen die kroatische B-Formation hielt man stark dagegen und war auf dem Weg zu einem weiteren Punkt, der Island erst durch das 1:2 in der Nachspielzeit entrissen wurde.

Wieder sorgte Island für große Begeisterung bei den Landsleuten – 10 Prozent der Insel-Bevölkerung war in Russland dabei, der Rest saß daheim zu 99,6 Prozent vor den TV-Schirmen. Wieder wurde Island, der einwohnerschwächste WM-Teilnehmer aller Zeiten, zum Darling der neutralen Fans. Und wieder, wie schon bei der EM, ließ Island die Zungen der Puristen nicht direkt höher schlagen. Fußballerisch ist Island weiterhin öde und nichts für Feinschmecker.

Andererseits: Island hat etwa so viele Einwohner wie Graz. Dass sich dieses Team nun für die WM 2018 und die EM 2016 qualifiziert hat, dazu für die WM 2014 erst im Playoff gescheitert ist, ist aller Ehren wert. Wie lange der Run anhält, ist aber die Frage: Fast alle maßgeblichen Spieler stehen altersbedingt vor dem internationalen Karriere-Ende. Da wird sich zeigen, was die vor dem Crash der Staatsfinanzen aufgebaute Hallen-Infrastruktur kann.

Polen: Zu viel hängt an Lewandowski

So schön hatten sich die Polen das geplant: Keine Testspiele absolvieren, dadurch im FIFA-Ranking klettern, aus dem ersten Topf in eine machbare WM-Gruppe gelost werden und dann in Russland lässig weit kommen.

Bis auf den letzten Punkt hat das wunderbar funktioniert. Aber der etwas langweilige Zweck-Fußball, den die Polen schon beim Lauf ins EM-Viertelfinale vor zwei Jahren gezeigt hatte, wurde diesmal von den Gegnern durchschaut. Nachdem der Senegal vor allem wegen höherer geistiger Beweglichkeit gegen die Polen gewonnen hatte, warf Teamchef Nawałka im zweiten Spiel alles über den Haufen.

Das 3-4-3 funktionierte vorne wie hinten nicht. Wie gegen den Senegal war das alleine auf Robert Lewandowski ausgerichtete Offensiv-Spiel viel zu leicht zu unterbinden. Nun aber – und das noch dazu gegen ein besseres Team als es jenes aus dem Senegal war – brach auch die Defensiv-Ordnung auseinander. Kolumbien konnte gar nicht fassen, wie viel Raum die Polen anboten. Nach dem 0:3 war für Polen alles vorbei. Wie schon 2002 und 2006, bei den letzten Teilnahmen, nach dem zweiten Spiel. Der abschließende Sieg gegen die auf Resultat pokernden Japaner war nur noch Kosmetik.

Taktgeber Grzegorz Krychowiak wirkte nach einer Saison, in der sein Passspiel bei West Bromwich verkümmerte, als ob er alles verlernt hatte. An Piotr Zieliński, der bei Napoli Teil einer offensivstarken Kurzpass-Maschine ist, liefen die Spiele vorbei. Und hinten fehlte der angeschlagene Kamil Glik (der erst wirklich spielen konnte, als alles zu spät war) deutlich.

Nun endet die Ära Nawałka. Trotz des frühen WM-Aus war es die erfolgreichste Zeit seit den 1970er- und frühen 80er-Jahren (Olympia-Gold und -Silber, zweimal WM-Dritter). Sich für aufeinanderfolgende EM- und WM-Turniere zu qualifizieren, war Polen davor erst ein einziges Mal gelungen. Nawałkas Nachfolger Jerzy Brzęczek (ja, der frühere FC-Tirol-Spieler) wird Lösungen für die Abhängigkeit von Robert Lewandowski finden müssen.

So geht es weiter

Im Herbst beginnt die Nations League. Die Schweiz, Polen und Island sind in der A-Gruppe und könnten diese damit theoretisch sogar gewinnen. Eher aber wird es für diese Teams darum gehen, sich ein Sicherheitsnetzt für die EM-Qualifikation aufzubauen. Wird diese in der eigentlichen Qualifikation (von März bis November 2019) verpasst, gibt es für vier Teams pro Leistungsstufe die Chance auf jeweils ein weiteres Ticket.

In der A-Gruppe sind eben die Schweiz, Polen und Island. In der B-Gruppe kommen neben den WM-Teilnehmern Russland, Schweden und Dänemark beispielsweise auch Österreich, Tschechien und die Türkei zum Einsatz. Serbien schließlich ist in der C-Gruppe eingeteilt, ebenso wie Ungarn, Griechenland, Schottland und Rumänien.

Das klingt auf dem Papier alles furchtbar kompliziert, dürfte in der Praxis aber realtiv leicht zu durchschauen sein. Und eines ist in jedem Fall klar: Für jeden der sieben „kleineren“ europäischen WM-Teilnehmer wäre es eine Enttäuschung, die 2020 in ganz Europa ausgetragene EM zu verpassen.

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ÖFB-Frauen bestätigen EM-Form bei Test gegen Holland https://ballverliebt.eu/2017/10/20/oesterreich-holland-test-frauen-nebel/ https://ballverliebt.eu/2017/10/20/oesterreich-holland-test-frauen-nebel/#comments Fri, 20 Oct 2017 08:56:22 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=14244 ÖFB-Frauen bestätigen EM-Form bei Test gegen Holland weiterlesen ]]> Österreichs Fußball-Frauen zeigen im Testspiel gegen Europameister Holland eine stabile Defensivleistung, dazu gab es insgesamt drei Stangen- bzw. Lattenschüsse. Der „Nebel-Test“ von St. Pölten, welcher nach zwei Gegentoren aus Standards mit einer 0:2-Niederlage endete, bestätigte die bei der EM gezeigte, grundsätzliche Stärke des Teams.

Rein von der Systemgestaltung spielte Österreich wie bei der EM: Ein 4-1-4-1 im Ballbesitz und ein 5-4-1 mit Puntigam in der Abwehr, wenn der Europameister aus den Niederlanden den Ball hatte – und zuweilen, das war neu, auch eine Sechserkette hinten. „Um die Flügelspielerinnen besser kontrollieren zu können“, wie ÖFB-Teamchef Thalhammer erklärte. Diese Variante kam situativ vor allem in der Anfangsphase des Spiels zum Einsatz.

In Grundzügen war es jene Spielweise, die auch schon im EM-Viertelfinale Spanien nicht knacken konnte. Im Hinblick auf das WM-Quali-Spiel gegen Spanien in Palma de Mallorca in einem Monat war es also eine Schärfung der Stärken.

Der Nebel beeinträchtigte vor allem die Beobachtung des Spiels, aber auch auf dem Feld war er durchaus ein Thema, wie Jackie Groenen nach dem Match bestätigte: „Wenn der Ball normal im Spiel war, ging’s, aber wenn die hohen Bälle kamen, war das diffus blendende Flutlicht schon ein Problem, weil man den Ball nicht auf sich zukommen sah!“

Ich habe ehrlich versucht, Taktik-Bilder zu machen. Aber bei dem Nebel… sinnlos.

Da das Spiel grundsätzlich der gewohnten Grund-Strategie folgte, hier einige Detail-Betrachtungen.

Gegner auf Vertikalspiel limitiert

Der Europameister verzichtete auf Flügelrakete Van de Sanden (verletzt, statt ihr spielte Beerensteyn) und zunächst auch auf Sturmspitze Miedema (angeschlagen). Jill Rood spielte als nominelle Center-Stürmerin in einem 4-3-3, aber tatsächlich rückte die gelernte Mittelfelspielerin in ihr gewohntes Umfeld zurück, agierte als Falsche Neun.

Vermutlich erhoffte sich Bondscoach Sarina Wiegman dadurch einen numerischen Vorteil im Raum zwischen Fünfer-Abwehr und Vierer-Mittelfeld bei Österreich, aber der Effekt verpuffte – Österreich kontrollierte den Zwischenlinienraum wieder sehr gut und limitierte Holland (ähnlich wie Spanien im EM-Viertelfinale) auf Querpässe zwischen Mittelinie und österrechischen Sechserraum.

Räume für Ballführende gut eng gemacht

Früher oder später war Holland gezwungen, mal einen Risikoball zu spielen. Dieser Pass kam auch immer wieder an, aber Österreich schaffte es durch schnelles Doppeln sehr gut, den Raum für die Ballführende eng zu machen, sie in einen Zweikampf zu verwickeln und den Schwung aus dem gegnerischen Angriff zu nehmen. Sehr selten gelang es Holland, sich in den Strafraum der Österreicherinnen zu spielen. Es gab längere Ballbesitzphasen, aber wenige Lösungen. Fast folgerichtig fielen beide Tore zum 2:0-Sieg der Europameisterinnen aus Standards (erst Freistoß, dann Ecke).

Holland wirkte auch deswegen so statisch, weil mit der bulligen Beerensteyn statt der Sprinterin Van de Sanden auf dem rechten Flügel ein wichtiges Element im Spiel der Oranje Leeuwinnen fehlte. Van de Sanden kann mir ihrem Tempo seht gut Abwehrreihen auseinander ziehen und Unordnung in den Gegner bringen. Ohne Van de Sanden gelang es Holland nie, Tempo ins Spiel zu bringen.

Ganz anders war es noch bei Österreichs Test in Holland im Juni: Da waren den ÖFB-Frauen die holländischen Tempo-Gegenstöße nur so um die Ohren geflogen, wenn sie gefühlt auch nur zwei Meter aufgerückt waren.

Hohes Aufrücken in Ballbesitzphasen

Wenn Österreich den Ball erkämpft hatte, ging es im Umschalten sehr schnell in die vertikale Richtung. Dabei fehlte zwar oft die Präzision und es war auch oft ein wenig Kopf-durch-die-Wand, dennoch gelang es immer, sich halbwegs im Angriffsdrittel festzusetzen.

Wenn die ÖFB-Frauen in Ballbesitz waren und sie den Ball in der gegnerischen Hälfte fixiert waren, trauten sie sich, hoch aufzurücken – und zwar mit der Abwehr-Kette an die Mittellinie. Das mahnte Carina Wenninger auf dem Feld auch selbst ein. „Dennoch: Es geht gegen Holland immer auch um die Konterverhinderung“ meinte Dominik Thalhammer nach dem Spiel.

Schiechtl gegen Martens

Die lange, wegen ihrer Größe etwas starksig wirkende Katharina Schiechtl gegen die kommende Weltfußballerin, die trickreiche und flinke Lieke Martens – ein übles Mis-Match? Auf den ersten Blick schon – aber dennoch kam Martens nicht annähernd so zur Entfaltung, wie es aufgrund ihrer Klasse zu befürchten gewesen wäre. Dabei hätte Holland ihre Ideen angesichts des eigenen, relativ statischen Spiels gut brauchen können.

Schiechtl aber ließ Martens selten zur Geltung kommen. Einmal tanzte sich die Barcelona-Spielerin die halbe Abwehr aus – es war ihre einzige wirkliche Torchance. Da und dort packte sie ihre Tricks aus, aber zumeist stand ihr Schiechtl auf den Zehen und ließ Martens nicht gewähren.

Fazit: Bestätigung des EM-Niveaus

Verglichen mit dem Lehrgeld-Test im Juni war es deutlich besser – auch, weil man das Spiel anders anlegte. „Damals wollten Österreich uns niederpressen und wir haben sie zweimal schnell ausgekontert“, erinnerte sich Bondscoach Sarina Wiegman, „daraus haben sie viel gelernt – das hat man auch bei der EM gesehen. Diese Aggressivität im Mittelfeld und ihre sichere Abwehr haben es uns heute extrem schwer gemacht.“

Für die ÖFB-Frauen war es das erste Spiel seit der EM gegen einen wirklich starken Gegner – das lockere 4:0 in Serbien fällt eher in die Kategorie „Pflichtaufgabe“. Dieser Test bestätigte aus österreichischer Sicht, dass man gegen starke Teams wenig zulassen kann. An der Präzision im Umschaltspiel fehlte es aber, wie auch schon im EM-Viertelfinale gegen Spanien und dem EM-Halbfinale gegen Dänemark.

Insgesamt war es trotz der Niederlage ein feiner Test gegen die derzeit vermutlich stärkste Mannschaft Europas (wiewohl diese nicht in kompletter Bestebesetzung angetreten ist), der gezeigt hat, dass die Leistungen bei der EM kein Zufall waren.

Seitenblick Dänemark

Das Team aus Dänemark, welches bei der EM im Halbfinale Österreich im Elferschießen besiegte und im Finale dann Holland unterlag, ist hingegen nicht aus sportlichen Gründen im Gespräch. Die Spielerinnen streiken, um zu erreichen, dass sie für sich und die U-21-Burschen ein professionelleres Umfeld erhalten (also ein Staff wie bei den Herren) und für die Zeit ihres Dienstes beim Nationalteam vom Verband versichert werden (was in Österreich der Fall ist). Derzeit fungiert die DBU juristisch als Reiseveranstalter – womit er naturgemäß im Fall der Fälle Kosten spart.

Das erste Quali-Spiel im September (in Ungarn) wurde im letzten Moment gerettet, weil man sich auf nach dem Spiel vertagen konnte. Nun, vor den Spielen in Schweden und Kroatien, spielte die DBU wieder auf Zeit. Hintergrund: Bei den letzten Verhandlungen mit den Herren gab der Verband nach einer Streikdrohung des Teams klein bei und fühlte sich danach über den Tisch gezogen. Nächstes Jahr stehen wieder Verhandlungen mit den Herren an – da will der dänische Verband keinen Präzedenzfall schaffen. Lieber versenkt man also die Frauen, die amtierender Vize-Europameister sind, als dass man den Herren nächstes Jahr wieder etwas mehr zahlen muss.

Das Spiel in Schweden wurde abgesagt (und wird vermutlich mit 3:0 für Schweden gewertet) – womit der Gruppensieg praktisch definitiv kein Thema mehr ist. Platzt auch das Spiel in Kroatien (am Dienstag), kann sich Dänemark auch das Playoff der vier besten Gruppenzweiten aufmalen. Es besteht sogar die Gefahr, dass Dänemark ausgeschlossen wird.

UPDATE: Man hat sich nun doch wieder auf einen temporären Deal geeinigt, der zumindest das Spiel in Kroatien sichert. Ausgestanden ist die Thematik damit aber sicher noch nicht.

Seitenblick England

Auch in England sind es spannende Zeiten. Mark Sampson, der die Lionesses als Teamchef in die Halbfinals von WM 2015 und EM 2017 geführt hat, hatte dunkelhäutige Spielerinnen mit rassistischen Sprüchen beleidigt – die langjährige Nationalspielerin Eni Aluko hatte die Sache intern angesprochen, woraufhin sie sofort suspendiert wurde. Es gab zwei Untersuchungen, die aber nur den Zweck hatten, Sampson reinzuwaschen: Mit den betroffenen Spielerinnen wurde nicht einmal gesprochen.

Als nun öffentlich wurde, dass sich Sampson bei seinem früheren Verein schon ungebührlich auch gegenüber Minderjährigen verhalten haben soll (was laut Insidern ein offenes Geheimnis in der Szene war), war Sampson aber nicht mehr zu halten und wurde wenige Tage nach dem 6:0 über Russland zum Start in die WM-Qualifikation entlassen. U-19-Teamchefin Mo Marley übernahm das Team vorerst interimistisch.

Eine dritte, unabhängige Untersuchung hat nun auch die Rassismus-Vorwürfe gegenüber Sampson bestättigt. Nun steht die Verbands-Spitze um den FA-Vorsitzenden Greg Clake unter Beschuss. Als Clarke vor zwei Jahren via E-Mail von den Vorwürfen der Spielerin erfahren hat, bestand seine Antwort auf die Spielervereinigung nur aus zwei Sätzen, deren Inhalt sinngemäß war: „Und warum genau sollte mich das interessieren?“

Clarke und FA-Geschäftsführer Martin Glenn mussten sogar vor dem Parlamentarischen Kommitee aussagen. Sie dürfen ihre Jobs behalten, aber die von Guardian aufgedeckte und auch von der BBC breit gespielte Affäre hat ihre Positionen sicher nicht gestärkt.

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EM-Reise der ÖFB-Frauen endet in der Schlacht von Breda https://ballverliebt.eu/2017/08/04/oesterreich-frauen-daenemark-halbfinale-em/ https://ballverliebt.eu/2017/08/04/oesterreich-frauen-daenemark-halbfinale-em/#comments Thu, 03 Aug 2017 22:48:27 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=13903 EM-Reise der ÖFB-Frauen endet in der Schlacht von Breda weiterlesen ]]> Die großartige EM-Reise der ÖFB-Frauen ist zu Ende: In einem physisch recht harten und taktisch zuweilen recht wilden Semifinale gegen Dänemark fallen 120 Minuten lang keine Tore, ehe Österreich im Elfmeterschießen unterliegt. Geprägt wurde die Partie aus österreichischer Sicht durch die Mischung aus unbedingtem Willen und sich leerenden Kraftreserven.

Dänemark – Österreich 0:0 n.V.

Vor exakt vier Wochen hatte Österreich das dänische Team im letzten EM-Test regelrecht vorgeführt. Dass man jenes Spiel aber in keinster Weise als Referenz für das Halbfinale des EM-Turniers heranziehen kann, wurde schnell klar.

ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer vertraute wieder dem 5-4-1 / 4-4-2 – Hybridsystem, allerdings wegen des Kreuzbandrisses von Lisa Makas mit verändertem Personal und leicht adaptierten Rollenverteilungen. Statt Makas rückte Nici Billa ins linke Mittelfeld, dafür übernahm Sarah Zadrazil die zentral-offensive Rolle von Billa. Kirchberger war wieder retour in der Innenverteidigung, Schnaderbeck rückte auf die Sechs.

Schnelles Aufrücken bei Ballgewinn

Auffällig war, dass seitens der ÖFB-Frauen von Beginn an ins 5-4-1 geswitcht wurde, sobald Dänemark in die Aufbau-Formation kam. Andererseits wurde die defensive Struktur aber schnell aufgelöst, sobald Österreich den Ball in der gegnerischen Hälfte hatte. In diesen Situationen wurde konsequent aufgerückt – so sehr, dass selbst Carina Wenninger in der Nähe des dänischen Strafraums auftauchte, um zu pressen.

In einer dieser Situationen prallte der Ball aus kurzer Distanz auf die über Kopfhöhe gestreckten Arme von Maja Kildemoes, aber Sarah Puntigam zielte beim fälligen Elfmeter zu hoch.

Wie schon gegen Spanien wurde bei Österreich vorwiegend mit langen Bällen aufgebaut (ein Stilmittel, das schon im Dänemark-Test vermehrt eingesetzt wurde). Vorteil ist, dass man damit nicht anfällig dafür, im Mittelfeld in der Vorwärtsbewegung den Ball zu verlieren (wie das etwas beim Test in Holland sehr oft und mit schwerwiegenden Folgen passiert war). Andererseits war es von Burger, Feiersinger und Zadrazil schon sehr viel verlangt, vorne Bälle zu behaupten.

Dänemark viel vertikaler als Spanien

Dänemark spielte wieder mit dem asymetrischen 3-4-1-2, in dem der rechte Wing-Back (Theresa Nielsen) im Zweifel zurück rückte und Sanne Troelsgaard rechts ausfüllte, während der linke Wing-Back (Katrine Veje) auch gegen den Ball eher im Mittelfeld blieb. Pernille Harder spielte als etwas zurückgezogene Spitze zumeist hinter Nadim und Troelsgaard, genoss aber viele Freiheiten in jede Richtung.

Die dänische Reaktion auf die extrem statische und damit sehr harmlose Spielweise von Spanien gegen Österreichs 5-4-1 war, dass man nicht so horizontal spielte wie Spanien im Viertelfinale, sondern deutlich schneller den Vertikalball suchte, oder von den Außenpositionen in bzw. vor den Strafraum in den Zwischenlinienraum flankte – oder mit Dribblings versuchte, Österreicherinnen in 1-gegen-1-Situationen zu verwickeln und so durchzukommen.

Eine Schlacht mit vielen Opfern

Die Folge waren vor allem mehr und schnellere dänische Ballverluste, die wiederum von Österreich dazu genützt wurden, selbst wieder den Ball schnell nach vorne zu bringen, nachzurücken und Dänemark so zum vorübergehenden Rückzug zu zwingen. So entstand ein Spiel, das wenig wirkliche Struktur entwickeln konnte und oft eher wild wirkte.

Außerdem begünstigte dieses gehetzte Spiel Zweikämpfe von hoher Intensität. Das bekam etwa Nici Billa zu spüren, die noch vor der Pause mit einem Knochenmarksödem an der Fußwurzel ausgewechselt werden musste. So wie auch Line Jensen, deren Bänder im Knie bei einem unglücklichen Duell mit Nadine Prohaska Schaden genommen haben, auch sie musste raus. Sarah Puntigam wurde von einer Gegenspielern im Gesicht getroffen, was zu Zahnschmerzen führte – und Manu Zinsberger bekam einen Schlag auf’s Jochbein.

Zu umständlich und zu ungenau

Wenn Österreich vorne in Strafraumnähe kam, wurde augenscheinlich versucht, sich in möglichst gute Schusspositionen zu bringen. Dabei wurden aber sehr oft die mittelguten Shot Locations nicht genommen – das sah sehr umständlich aus und ermöglichte es der dänischen Abwehr, letztlich die Szenen zu klären, bevor ein österreichischer Abschluss kam.

Laura Feiersinger kann symbolhaft für die Vorstellung ihres Teams gelten: Vollster Einsatz, gerannt und gekämpft und sich bis zur letzten Erschöpfung in das Spiel festgebissen, aber im entscheidenden Moment zu ungenau und nicht mit der geistigen Frische gesegnet, mit der Österreich durch das bisherige Turnier gesegelt ist. Dass sich der Kraft-Tank der ÖFB-Frauen nach vier intensiven Spielen leerte, merkte man mit Fortdauer des Spiels immer deutlicher.

Dänemark adaptiert System und Besetzung

2. Halbzeit

In der zweiten Hälfte adaptierte Dänemarks Trainer Nils Nielsen seine Formation ein wenig, diese ging – obwohl im Ballbesitz weiterhin eine Dreierkette hinten verteidigte – nun deutlicher in Richtung 4-2-3-1. Mit Frederikke Thøgersen kam eine dribbelstarke als neue Gegenspielerin für Aschauer, die eher kraftvolle Troelsgaard ging ins Mittelfeld-Zentrum – die schwer gelb-rot-gefährdete Maja Kildemoes hatte weichen müssen.

Mit dieser Umstellung konnte Nielsen für sein Team ein zuvor tendenziell ausgeglichenes Match immer mehr zu Gunsten seines Teams drehen. Troelsgaard schaffte es zunehmend besser, die Kreise der nach innen ziehenden Prohaska und der nach vorne pressenden Zadrazil einzuengen – umso mehr war Österreich offensiv auf den langen Ball in Richtung Feiersinger oder Burger limitiert. Und Aschauer war weiterhin viel defensiv gebunden und konnte selten gefahrlos nach vorne mitgehen.

Kaum noch Kraft

Österreich wollte zwar immer noch bei möglichst jedem Ballgewinn nach vorne aufrücken, aber es gelang immer seltener, sich vorne festzusetzen. Auf der anderen Seite häuften sich nun dafür die Chancen für Dänemark: Einmal rettete Zinsberger aus kürzester Distanz gegen Simone Boye, einmal entschärfte sie einen scharfen Schuss von Pernille Harder, dann war sie gegen Katrine Veje da. Auch bei den vielen Halbchancen der Däninnen war die Bayern-Legionärin sicher zur Stelle.

Als nach 90 torlosen Minuten die Verlängerung folgte, waren die leeren Akkus bei Österreich – wo nun Viktoria Pinther den Platz von Sarah Puntigam eingenommen hatte – immer deutlicher zu erkennen. Dänemark war in dieser halben Stunde die strukturiertere Mannschaft. Das Turnier zum einen, vor allem aber sicherlich auch das extrem physisch intensiv geführte Halbfinale sorgten dafür, dass sich Österreich nur noch ins Elfmeterschießen schleppen konnte.

Dort hielt Manuela Zinsberger zwar wieder einen Schuss, aber weder Feiersinger, noch Pinther oder Aschauer konnte ihre Versuche verwerten. Dänemark steht damit im Endspiel.

Fazit: Dänemark routinierter und mit mehr Reserven

Dass Sarah Zadrazil einmal recht früh im Spiel vorne draufpresste und nach danach verwundert die Arme gehoben hat, weil niemand mitgemacht hatte, zeigt, wie extrem diszipliniert die ÖFB-Frauen über das ganze Turnier gespielt haben – weil diese kleine und im Grunde bedeutungslose taktische Unsauberkeit so unüblich war, dass sie auffiel.

So weit es die Kräfte zuließen, war Österreich auch in diesem Halbfinale gegen Dänemark wieder taktisch diszipliniert und trat als absolute Einheit auf; aber wie schon gegen Spanien war die Präzision im Angriffsdrittel zu gering und damit die Torchancen kaum vorhanden. Andererseits schaffte man es aber – auch dank der einmal mehr sehr starken Manuela Zinsberger im Tor – wieder ohne Gegentor zu bleiben.

Österreich hat in 510 Turnierminuten nur ein einziges Gegentor kassiert – das ist die beste Quote von allen 16 Teilnehmern (auch Finalist Holland hat nur einen Gegentreffer geschluckt, aber 60 Minuten weniger gespielt). Wohlgemerkt aber ist Österreich vor dem Turnier im FIFA-Ranking nur die Nr. 14 unter den 16 Teilnehmern gewesen.

In diesem Halbfinale, dessen Erreichen alleine schon eine der größten Sensationen in der Geschichte des Frauenfußballs darstellt, war Dänemark die etwas bessere, etwas routiniertere Mannschaft. Und auch jene, die noch mehr Kraftreserven übrig hatte.

Holland – England 3:0

Holland – England 3:0 (1:0)

Der Gegner im Finale – und zweifellos der Favorit im Endspiel – ist Gastgeber Holland. Wie Dänemark stehen die niederländischen Frauen ebenso zum ersten Mal überhaupt in einem großen Finale. Und zwar hochverdient: Gegen das bislang recht souveräne Team aus England war man in allen Belangen besser. Nach 22 Minuten sorgte Miedema per Kopf für die Führung, damit hatte Holland den Gegner, wo Holland den Gegner haben wollte.

Das englische Spiel ist davon abhängig, nicht in Rückstand zu geraten. Da nämlich treten die Schwächen in der eigenen Spielgestaltung zu Tage, vor allem gegen ein Team von hoher Qualität. Dass Holland speziell im Mittelfeld das beste Team dieser EM ist, zeigten Danielle van de Donk und vor allem die einmal mehr überragende Jackie Groenen in der Folge. Man ließ England nie wirklich gefährlich werden, hielt die Lionesses immer auf Distanz – und als Van de Donk nach einer Stunde einen völlig verunglückten Rückas von Fara Williams zum 2:0 verwertete, war das die Entscheidung. Das 3:0 in der Nachspielzeit (Millie Bright fälschte nach einem Konter ins eigene Tor ab) war nur noch Draufgabe.

Vor allem die relative Leichtigkeit, mit der Holland dieses (auf dem Papier) vorweggenommene Finale für sich entschied, war extrem beeindruckend. Oranje ist bisher sicherlich jenes Team, das am stabilsten gespielt hat und die wenigsten Schwächen offenbarte. In einem Finale, mit dem vor dieser EM wirklich niemand gerechnet hat, ist Dänemark der klare Außenseiter.

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ÖFB-Frauen demontieren Dänemark im letzten EM-Test https://ballverliebt.eu/2017/07/06/oesterreich-frauen-daenemark-em-test/ https://ballverliebt.eu/2017/07/06/oesterreich-frauen-daenemark-em-test/#comments Thu, 06 Jul 2017 21:31:56 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=13586 ÖFB-Frauen demontieren Dänemark im letzten EM-Test weiterlesen ]]> Mit einer Galavorstellung im letzten Test vor ihrer EM-Premiere holten sich die ÖFB-Frauen noch einmal so richtig Selbstvertrauen: Der amtierende Europameisterschaft-Halbfinalist Dänemark war absolut chancenlos, der 4:2-Sieg Österreich sieht noch deutlich knapper aus, als er war.

Österreich – Dänemark 4:2 (1:1)

Nach diversen Tests mit einer defensiven Spielanlage (bzw. einem Spiel, wo ihnen der Spielverlauf diesen aufgezwungen hat) agierten die ÖFB-Frauen in diesem letzten Probegalopp vor der ersten EM-Teilnahme wieder mal im Vollpressing-Modus. Dänemark war sichtlich überrascht und hatte nichts, aber auch überhaupt nichts entgegen zu setzen.

Die volle Pressing-Maschine

Natürlich kam Österreich diesmal der Spielverlauf (1:0 nach nur 34 Sekunden) zu Pass, aber auch danach ließ man Dänemark keine Luft zum Atmen. Jeder Versuch, hinten raus zu spielen, wurde von Österreicherinnen verhindert, die pressten wie wild.

Besonders gut machten es die ÖFB-Frauen, im den Rücken von Däninnen zu pressen, die den Ball mit dem Gesicht zum eigenen Tor annehmen wollen. Christiansen und Jensen sahen den Ballverlust oft nicht einmal kommen. Und war der Ball gewonnen, ging es sofort in die seitlichen Schnittstellen der dänischen Dreierkette – und eben nicht blind auf das Tor zu.

Die Folge waren eine ganze Fülle an besten Chancen, die Österreich allerdings allesamt liegen ließ. Dies ist – trotz des überzeugenden Sieges – wohl der größte Kritikpunkt.

Nur kurze Ruhephase

Nach dem Gegentor zum 1:1, das nach 22 Minuten eher aus heiterem Himmel gefallen war, wurde kurzzeitig umgestellt: Sarah Puntigam ging zurück zwischen LV Aschauer und IV Wenninger, wodurch sich ein 5-4-1 ergab. In dieser Phase zog sich Österreich ein wenig zurück und ließ Dänemark kommen, aber nicht sinnvoll in den Strafraum eindringen.

Es war dies aber im Grunde die einzige Phase im Spiel, in der Österreich das dänische Team ein wenig in Ruhe ließ. Auch in den letzten Minuten vor dem Seitenwechsel schaltete Österreich wieder einen Gang nach oben. Und: Weiterhin gelang es Österreich exzellent, das Prunkstück des dänischen Teams komplett aus dem Spiel zu nehmen: Pernille Harder vom deutschen Double-Sieger Wolfsburg und Nadia Nadim von US-Topklub Portland Thorns waren überhaupt nicht im Spiel. Das umsichtige Stellungsspiel und das gute Antizipieren der dänischen Angriffswege funktionierte annähernd perfekt.

Viele dänische Ballverluste provoziert

In den 20 Minuten nach der Pause ging Österreich wiederum Vollgaspressing, Dänemark drosch nur noch blind die Bälle hinten raus, dafür bearbeitete Österreich weiterhin die Schnittstellen der Dreierkette, dass diese auch komplett durch den Wind war. Und in dieser Phase ging es dann auch schnell: Billa erzielte das 2:1, Zadrazil das 3:1 und eine Co-Produktion von Zadradzils Ferse und Nadims verunglücktem Rettungsversuch besorgte das 4:1.

Österreich provozierte weiterhin viele Ballverluste, schaltete schnell um, war gedankenschneller und hörte auch nach Foulspielen nicht auf, sondern stand sofort wieder da, ehe eine Dänin auch nur in der Nähe des Balls war. Daran änderten auch die Umstellungen bei Dänemark nichts – die als Supertalent gehandelte Maja Kildemoes fügte sich im Mittelfeld-Zentrum nahtlos in die gehetzte Grundstimmung im dänischen Team ein.

Als in der letzten halben Stunde mit Stina Larsen eine zusätzliche Stürmerin kam, konnte Dänemark ein bisschen für Entlastung sorgen, aber weiterhin blieb Österreich das gefährlichere Team. Dass Dänemark am Ende noch noch ein zweites Tor erzielte, war nur noch Resultatskosmetik.

Fazit: Reife Leistung. Sehr reife Leistung

Das eigentlich Wahnsinnige an diesem 4:2-Sieg ist, dass es genauso gut 7:2 oder 8:2 hätte ausgehen können, so viele gute Chancen hatte Österreich – alleine dreimal holzten die ÖFB-Frauen ans Aluminium. Dänemarks Torfrau Stine Petersen war ein ständiger Unsicherheitsfaktor und konnte überhaupt keine Ruhe vermitteln.

Österreich hingegen spielte, als hätte es den Einbruch in der zweiten Hälfte in England und den Horrorstart in Holland nie gegeben. Es war ein absolutes Statement in Richtung der Gruppengegner Schweiz und Island. Es war absolut reif, fast durchgehend hoch konzentriert, extrem diszipliniert, aggressiv in der genau richtigen Dosierung – und man hat Dänemark nie das Gefühl gegeben, dass sie irgendwie noch zurück in dieses Spiel hätten kommen können.

Es ist ein Spiel, das für die EM übermütig machen könnte – wenn man aber die Mentalität im Team kennt und die Art und Weise, wie auch das Trainerteam mit der Mannschaft umgeht, weiß man: Diese Gefahr besteht nicht. Die EM aber kann auf jeden Fall kommen.

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Ballverliebt Classics: Senegal 2002 – in memoriam Bruno Metsu https://ballverliebt.eu/2013/10/24/ballverliebt-classics-senegal-2002-in-memoriam-bruno-metsu/ https://ballverliebt.eu/2013/10/24/ballverliebt-classics-senegal-2002-in-memoriam-bruno-metsu/#comments Thu, 24 Oct 2013 14:21:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9686 Ballverliebt Classics: Senegal 2002 – in memoriam Bruno Metsu weiterlesen ]]> metsuBruno Metsu ist tot, der Franzose erlag 59-jährig einem Krebsleiden. Der Name des Trainers, dessen Markenzeichen seine wallende Haarmähne war, wird immer untrennbar mit einer der größten Leistungen verbunden bleiben, die je ein Underdog bei einem großen Turnier geschafft hat: Dem Viertelfinal-Einzug mit dem vor und auch nach seiner Ära international irrelevanten Team aus dem Senegal bei der WM-Endrunde 2002.

Zwei Jahre zuvor hatte der damals 46-Jährige, nach einigen Stationen in Frankreichs zweiter Liga, das Team übernommen. Nach einem achtbaren Afrikacup-Viertelfinale startete man noch unter Vorgänger Peter Schnittger nur mit zwei Remis in eine schwere WM-Quali-Gruppe mit Marokko, Ägypten und Algerien. Dann kam Metsu und der Aufstieg bekann.

Vor dem letzten Quali-Spieltag lag der Senegal in der Fünfergruppe auf Rang drei, aber nur der Sieger löste das WM-Ticket. Vorne lag Marokko mit 15 Zählern, war aber in der letzten Runde spielfrei. Mit je 12 Punkten folgten Ägypten und Senegal, beide aber mit einer besseren Tordifferenz als Marokko. Die Ausgangslage für Senegal war klar: Man musste drei Tore höher gewinnen als zeitgleich Ägypten bei deren Erzfeind Algerien.

Senegal gab in Namibia also Vollgas, führte zur Halbzeit schon 3:0, während es im Parallelspiel 0:0 stand. Das hätte gereicht. Nach einer Stunde ging Ägypten 1:0 in Führung – Senegal brauchte wieder ein Tor. Es gab zwei, stand zehn Minuten vor dem Ende 5:0, womit Ägypten wieder eines brauchte. Doch Algerien glich sogar aus. Dabei blieb es: Senegal sprang auf Gruppenplatz eins und war bei der WM in Südkorea und Japan dabei.

Und bekam neben Dänemark und Uruguay auch Frankreich zugelost. Sogar im Eröffnungsspiel.

Frankreich nimmt Senegal nicht ernst…

Frankreich war der amtierende Welt- und Europameister, hatte in seinem Kader die aktuellen Torschützenkönige aus der Premier League (Henry), der Serie A (Trezeguet) und der Ligue I (Cissé). Senegal gab im Eröffnungsspiel in Seoul niemand eine Chance, dam Team wurde im Vorfeld als „Frankreich B“ belächelt. Weil bis auf Leboeuf keiner aus der französischen Start-Elf in der Ligue I spielte, beim Senegal aber mit Ausnahme des zweiten und des dritten Torhüters der komplette Kader in Frankreich engagiert war. Nicht mal, dass Zinedine Zidane mit einem Muskelfaserriss fehlte, wurde als wirkliches Problem empfunden.

Senegal - Frankreich 1:0 (1:0)
Senegal – Frankreich 1:0 (1:0)

Und dann kam Senegal. Mit einer Spielanlage, die den Franzosen überhaupt nicht schmeckte: In einem 4-3-3 mit weit zurück gezogenen Außenstürmern und einer Mittelfeld-Zentrale, die ein Pressing aufzog, dass es eine Freude war. Vor allem was die körperliche Robustheit angeht, hatten Sechser Aliou Cissé und die beiden Achter Salif Diao und vor allem Papa Bouba Diop klare Vorteile gegenüber dem eher schmalen Djorkaeff und dem eleganten, aber langsamen Emmanuel Petit.

Statt Zidane spielte Djorkaeff – 34, mit seiner besten Zeit hinter sich und bei Bolton unter Vertrag – einen seltsamen Hybrid aus halbrechter Achter, aus Zehner und aus Linksaußen. Durch seine ständigen Positionswechsel entging er zwar der direkten Bewachung von Aliou Cissé, er überließ aber Petit und Vieira alleine die Arbeit gegen das extrem giftige senegalesische Mittelfeld-Trio.

Das Fehlen eines Verbindungsspielers zwischen Defensive und Offensive und die Tatsache, dass Petit und vor allem Vieira viel in Zweikämpfe verwickelt wurden, limitierte Frankreich zu langen Bällen von Petit auf die Flügelspieler Wiltord und Henry, die der starke Daf und der herausragende Coly aber in guten Händen waren.

…und wird bestraft

Die vielen Ballverluste in der Vorwärtsbewegung gegen das pressende Zentrum Senegals und die Tatsache, dass Sturmspitze Diouf links auftauchte, rechts auftauchte, ständig an der Abseitslinie lauerte (und auch 12-mal in selbigem stand) – all das beunruhigte Frankreich nicht. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass Desailly als Libero oft ins Mittelfeld aufrückte und den hüftsteifen Leboeuf alleine gegen den quirligen Diouf spielen ließ. Trezeguets Lattenschuss nach 22 Minuten schien dem Titelverteidiger zu versichern: Wir haben unsere Chancen, das wird schon.

Ehe nach einer halben Stunde Djorkaeff im Aufbau ein kurzes Anspiel von Vieira viel zu lässig annehmen wollte, von Salif Diao den Ball abgeluchst bekam, und Frankreich einmal mehr in der Vorwärtsbewegung erwischt war. Über den pfeilschnellen Diouf, der auf der linken Seite durchging, kam Senegal nach vorne, vor seiner Flanke ließ er noch Leboeuf wie einen Schlusjungen aussehen. Die Flanke selbst wurde erst von Desailly abgefälscht, Petit wollte klären und schoss dabei Barthez an, der Ball hüpfte Bouba Diop vor die Füße – und im Fallen stocherte er die Kugel über die Linie.

Zittern erst am Ende

Linksverteidiger Lizarazu schaltete sich viel in die Offensive ein, brachte aber wenig Konkretes zu Stande. Wiltord rieb sich gegen Daf völlig auf. Und Djorkaeff war eine Vorgabe, weshalb er nach einer Stunde Christophe Dugarry wich. Damit stellte Frankreichs Teamchef Lemerre auf ein schiefes 4-2-2-2 um, wie es ganz ähnlich auch sein Nachfolger Santini bei der EM zwei Jahre später spielen sollte: Mit Lizarazu hoch und Henry als Mittelding aus Linksaußen und Mittelstürmer, dazwischen mit Dugarry auf der linken Halbposition.

Mit schwindenden Kräften versuchten die Senegalese viel schneller und weniger durchdacht, Diouf zu schicken. Obwohl es noch für einen Alu-Treffer reichte, wurde es in der letzten halben Stunde ein Zittern für den Außenseiter, auch weil wenig später auch Henry am Pfosten scheiterte. Lemerre brachte Djibril Cissé für den abgemeldeten Wiltord, ließ den extravaganten, bulligen Mittelstürmer aber wie Wiltord als Rechtsaußen spielen – wo er sich sichtlich nicht wohl fühlte.

Erst fehlte Frankreich das Bewusstsein, dass diese senegalesische Mannschaft wirklich ein Problem sein könnte, dann konnte man den Schalter nicht so recht umlegen, und wenn es doch gelang, in Abschlussposition zu kommen, scheiterte man entweder am Torgestänge oder am hervorragenden Torhüter Tony Sylva – dem dritten Keeper des AS Monaco. Nach 93 Minuten und sechs Sekunden pfiff Referee Ali Bujsaim ab, Senegal hatte den haushohen Favoriten zu Fall gebracht.

Am Feld ordneten sich auch schwierige Charaktere unter

Im Vorfeld der zweiten Partie gegen Dänemark bekam Senegals Kapitän Aliou Cissé Probleme mit der Achillessehne (womit Metsu sein Sechser nicht zur Verfügung stand) und Khalilou Fadiga Probleme mit dem Gesetz. Der Mann vom AJ Auxerre ließ es sich nämlich nicht nehmen, bei einem Juwelier eine Halskette um 280 Euro mitzunehmen, ohne aber dafür zu bezahlen. Wegen des geringen Beutewerts und dank gutem Willen des Juweliers blieb Fadiga ohne Strafe.

Generell galt Metsu als ein Trainer, der es hervorragend verstand, auf die völlig unterschiedlichen Typen in seiner Mannschaft sehr individuell einzugehen. Schwierige Persönilchkeiten wie der auch im Privatleben eher exaltierte Diouf ließ er an der langen Leine, während gesetteltere Typen wie etwa Rechtsverteidiger Ferdinand Coly auch von innerhalb des Kaders dafür sorgten, dass alle an einem Strang zogen. So scherte auf dem Feld keiner aus, und das Kollektiv war besser als die Einzelteile.

Dänen frustrieren Senegal

Die Spielweise der Senegalesen war den Dänen, die in ihrem ersten Spiel Uruguay 2:1 besiegt hatten, natürlich nicht verborgen geblieben. Dänemark war, schon damals unter Morten Olsen, schon ein taktisch sehr progressives Team mit einem modernen 4-2-3-1, einem bulligen Abräumer vor der Abwehr (Tøfting), einem Spieleröffner als Achter (Gravesen) und mit robustem Forchecking im Mittelfeld. In letzterem also den Senegalesen sehr ähnlich.

Senegal - Dänemark 1:1 (0:1)
Senegal – Dänemark 1:1 (0:1)

Was in der brütenden Nachmittagshitze von Daegu dem Nervenkostüm der Beteiligten nicht gut tat. Die Dänen gingen ihrerseits im Mittelfeld sehr aggressiv auf ihre Gegenspieler, bei Senegal fehlte im Zentrum aber ganz deutlich die Ruhe, die Cissé-Ersatz Pape Sarr nicht ausstrahlen konnte. Zudem stand die Abwehrkette von Dänemark deutlich tiefer als jene von Frankreich. Das hatte mehrere für Senegal negative Folgen.

Zum einen nämlich konnte man das Pressing- und Umschaltspiel, das gegen Frankreich so gut funktioniert hatte, nicht ausspielen; und zum anderen fehlte Diouf der Platz im Rücken der Abwehr, in den er steil gehen konnte. So bewegte er sich zwar auch diesmal viel im Abseits, strahlte aber keine Gefahr aus.

Das Pärchen aber, das sich am heißesten liebte, waren Khalilou Fadiga und Thomas Helveg. Schon nach zehn Minuten hätte Fadiga schon nach einem Ellbogenschlag Rot sehen müssen, der ansonsten gute Referee Batres aus Guatemala übersah die Szene aber, gab sogar Foul gegen Helveg. Von da an war der kaum mehr zu bändigen.

Zu sagen, das Spiel wäre flapsig formuliert eine 90-minütige Massenschlägerei gewesen, wäre dann doch zu hart, aber auf dem Feld herrscht sehr wohl eine sehr vergiftete Atmosphäre. Und wie sehr Senegal von der extrem körperpetoten Gangart der Dänen beeindruckt waren, zeigte sich auch an dem völlig patscherten Rempler von Diao an Tomasson, der den fälligen Elfer nach einer Viertelstunde zum 1:0 für Dänemark verwertete.

Metsu stellt um, personell und inhaltlich

Den als Sechser gegen das dänische Körperspiel und den starken Tomasson überforderten Sarr nahm Metsu für die zweite Halbzeit ebenso vom Feld wie Rechtsaußen Moussa N’Diaye. Er brachte aber nicht nur mit Henri Camara und Souleymane Camara zwei Offensivkräfte, sonder stellte auch sein System auf ein 4-2-1-3 um. Diao und Bouba Diop spielten nun eine Doppel-Sechs gegen Tomasson, Fadiga war der Freigeist vor den beiden; während Henri (rechts) und Souleymane (links) nun Diouf flankierten.

Dazu presste Senegal die Gegenspieler nun nicht erst in der eigenen Hälfte an, sondern schon deutlich weiter vorne. Olsen reagierte auf das sich verändernde Spiel und brachte für statt Gravesen nun mit Christian Poulsen einen frischen Gegenspieler für den nun zentral agierenden Fadiga; davor hatte schon der von Coly komplett abmontierte und entsprechend frustrierte Grønkjær für Jørgensen Platz gemacht.

Die Dänen zeigten sich beeindruckt und nach einem Weltklasse-Konter zum 1:1 sogar schwer getroffen. Henri Camara hatte am eigenen Strafraum den Ball von Jørgensen erobert, 13 Sekunden und vier Stationen später schlug es am anderen Ende des Feldes ein. Salif Diao, dessen Wechsel vom damaligen französischen Erstligisten CS Sedan zu Liverpool bereits feststand, schloss den Konter mit einem Außenristschuss ab.

Auch in der Folge war Senegal klar am Drücker. Fadiga hätte gleich das zweite Tor nachlegen können (58.), Souleymane Camara vergab etwa eine Riesenchance (69.), Diatta kam danach bei einer Ecke frei zum Kopfball (72.). Die drückende Überlegenheit der Senegalesen gegen ein in sich zusammen klappendes dänisches Team endete erst mit Diaos Attentat auf Henriksens Schienbein, für das der Torschütze zu Recht die rote Karte sah. Metsu nahm Souleymane Camara wieder aus dem Spiel, brachte mit Habib Beye einen Defensiven, und ließ in einem 4-4-1 das Unentschieden über die Zeit verwalten.

Keine Missionars-Arbeit

Dass in Afrika andere Gepflogenheiten herrschen, als in Frankreichs zweiter Liga, wurde Metsu nach seinem Engagement schnell klar. Er versuchte aber nicht, dem mitunter etwas eigenwilligen Umfeld europäische Humorlosigkeit überzustülpen, Metsu begriff, dass das kontraproduktiv gewesen wäre. Die fünf Voodoo-Priester, die der Fußballverband beschäftigte, ließ er gewähren. Was ihm wohl auch deshalb nicht so schwer fiel, weil er sich im Senegal sehr wohl fühlte. Er lernte eine Senegalesin kennen und lieben, heiratete sie, und konvertierte nach der WM ihr zuliebe sogar zum Islam.

Seine totale Identifikation mit dem Land und mit der Mannschaft, verbunden mit der Erkenntnis, dass die Mannschaft unter ihm einem dramatischen Schritt nach vorne gemacht hat, verliehen Metsu in seinem Team eine Autorität, die nicht auf Angst fußte, sondern auf Kollegialität. „Man kann mit Bruno über alles reden, sogar über Sex“, grinste Elhadji Diouf während der WM.

Uruguay bereitet Probleme…

Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Uruguay war klar, dass ein Remis auf jeden Fall für das Achtelfinale reicht. Doch die Urus, die ihrerseits einen Sieg benötigten, bereiteten schon aufgrund ihrer Formation einige Probleme. Das 3-4-3 von Victor Pua war ob der Dreierkette hinten deutlich weniger anfällig für Dioufs Tänze an der Abseitslinie, weil statt zwei hier natürlich drei Spieler da waren, die den flinken Stürmer stellen konnten. Zudem wurde durch die Wing-Backs der Urus im Notfall hinten eine Fünferkette gegen Außenstürmer aufgefädelt – was aber selten der Fall war.

Senegal - Uruguay 3:3 (3:0)
Senegal – Uruguay 3:3 (3:0)

Die Senegalesen konnten ihr auf Ballgewinn im Zentrum ausgelegtes Spiel nicht aufziehen, weil Uruguay den Ball ganz einfach nicht ins Zentrum kommen ließ. Zwar hatten García und Romero in der Theorie eine 2-gegen-3-Unterzahl im Zentrum, aber weil das Spiel der Urus ohnehin darauf ausgelegt war, mit langen Bällen die trickreichen Außenstürmer Recoba und Silva ins Spiel zu bringen, bekam Senegal im Zentrum keinen Zugriff. Und was noch dazu kam: Uruguay war ein sehr körperbetont spielendes Team voller harter Arbeiter, in der es mit Álvaro Recoba von Inter Mailand, dem damals bestbezahlten Spieler der Welt, nur einen echten Künstler.

…trotz 0:3-Rückstands

Dennoch lag Senegal zur Halbzeit 3:0 voran – ein Hohn eigentlich, wenn man sich den Spielverlauf betrachtet. Das 1:0 resultierte aus einem geschenkten Elfer, den Diouf mit einer klaren Schwalbe herausgeholt hatte; es folgten zwei sinnvoll aufgezogene Konter, die beide von Bouba Diop zu Toren abgeschlossen worden – einer davon noch dazu aus Abseits-Position.

Pua ging nach dem Seitenwechsel natürlich volles Risiko. Morales ersetzte als Sturmspitze den glücklosen Abréu, dazu kam Diego Forlán für Sechser Romero. Forlán spielte als rechter Wing-Bank, der vom nach innen gerückten späteren Schalke-Legionär Varela abgedeckt wurde. Kaum eine halbe Minute nach Wiederanpfiff stocherte Morales den Ball zum 1:3 über die Linie, und Forlán besorgte in der Folge mit einem Tausendguldenschuss das 2:3.

Metsu nahm den schwer gelb-rot-gefährdeten Coly (der schon in der 1. Minute Gelb sah, Daf keine 120 Sekunden später) für vom Feld, um ihn vor dem schwer überforderten holländischen Referee Jan Wegereef zu schützen, dazu kam Amdy Faye als defensivere Alternative für N’Dour (der für den gesperrten Diao in die Start-Elf gerückt war) und Moussa N’Diaye, der seinen Startplatz an Henri Camara verloren hatte, für eben diesen. Und obwohl Uruguay drückte, sah es so aus, als sollte Senegal das 3:2 über die Zeit zittern.

Am Ende war’s auch Glück

Bis der für Coly gekommene Beye in der 87. Minute im Strafraum den Ball erreichen wollte, und Morales zu Boden sackte – ohne aber auch nur annähernd von Beye getackelt zu werden. Wegereef war einmal mehr auf eine Schwalbe hereingefallen, Recoba verwandelte sicher und die Urus hatten zwei Minuten später sogar noch die Riesen-Chance auf den Sieg. Rodríguez kam aus 20 Metern zum Schuss, Diatta klärte für den schon geschlagenen Sylva per Kopf. Der steil nach oben prallende Ball fiel genau zu Uru-Stürmer Morales, der einen Meter vor dem leeren Tor zum Kopfball kam – und rechts am Gehäuse vorbei zielte…

Senegal hatte das 3:3 und damit den Achtelfinal-Einzug gerettet, das aber wegen des holländischen Kartenspielers auch teuer bezahlt. Khalilou Fadiga würde das anstehende Spiel gegen Schweden gesperrt verpassen. Was allerdings mit Tunesien, Kamerun, Nigeria und Südafrika auch die anderen vier afrikanischen Teams zutraf, ebenso wie für die von Senegal im Eröffnungsspiel besiegten Franzosen und mit Argentinien auch er zweite Top-Favorit. Schon im Achtelfinale waren nur noch Außenseiter übrig, ein Feld, in das Senegal so gesehen gut passte.

„Le sorcier blanc“

Senegal, so sagte Mestu später einmal, habe ihm die Lust am Fußball wiedergegeben. Er selbst sah sich weniger als Taktikfuchs, sondern eher als eine Art „Chef de Mission“, einen, der es versteht, eine Gruppe als Mannschaft zum Funktionieren zu bringen. Weshalb er auch den Spitznamen des „Weißen Zauberers“, der ihm verpasst wurde, nie mochte. Wenn man nicht an seine Spieler glaube und seine Spieler vor allem auch gern habe, so sein Credo, kann man auch keine guten Resultate mit ihnen einfahren.

So wusste er etwa vor dem Eröffnungsspiel um alle die Stärken, die Frankreich zu dieser Zeit hatte. Er entschied sich aber dafür, seiner Mannschaft im Vorfeld ein Video zu zeigen, wo man die Schwächen der einzelnen Spieler beim Welt- und Europameister erkennen konnte. Um nicht in Ehrfurcht zu erstarren, sondern im Gegenteil den Glauben zu vermitteln, dass tatsächlich etwas möglich ist.

Experiment im Achtelfinale: Diouf am Flügel

Daran glaubte man natürlich auch im Achtelfinale, obwohl man gegen Schweden wiederum leichter Außenseiter war. Henke Larsson und Co. hatten die im Vorfeld als „Todesgruppe“ bezeichnete Staffel mit Argentinien, England und Nigeria sogar gewonnen und sie gingen auch gegen den Senegal nach elf Minuten durch einem Larsson-Kopfball nach einer Ecke in Führung. Der Senegal war nun das erste Mal wirklich gezwungen, das Spiel selbst zu machen, und das machten sie gar nicht schlecht.

Senegal - Schweden 2:1 n.V. (1:1, 1:1)
Senegal – Schweden 2:1 n.V. (1:1, 1:1)

Statt des nach seinem Brutalo-Foul gegen Dänemark immer noch gesperrten Salif Diao kam diesmal Amdy Faye ins halblinke Mittelfeld, die entscheidendere Änderung betraf aber Elhadji Diouf. Weil Linksaußen Fadiga fehlte, stellte Metsu seinen schnellen und trickreichen Mittelstürmer an die linke Außenbahn, dafür kam Pape Thiaw zu seinem allerersten Turnier-Einsatz, der 21-Jährige spielte im Sturmzentrum.

Einerseits zog sich Schweden nach dem Tor natürlich zurück, andererseits aber schnürte der Senegal die Skandinavier vor allem durch starkes Flügelspiel auch ziemlich hinten hinein. Auf der rechten Seite war es der einmal mehr bärenstarke Ferdinand Coly, der gemeinsam mit dem recht früh nach innen rückenden un zuweilen als zweite Sturmspitze spielenden Henri Camara für die Breite sorgte, auf der anderen Diouf.

Ihn auf den Flügel zu stellen, erwies sich als Goldgriff von Metsu. Diouf war sehr aktiv, immer anspielbar, verwickelte Mellberg und Jakobsson konsequent in 1-gegen-1-Duelle und wurde defensiv von Daf und Faye adäquat abgesichert. Als Camara nach 37 Minuten den hochverdienten Ausgleich erzielte, war das der neunte Torschuss vom Senegal. Schweden hatte bis dorthin genau einen – und das was das frühe Tor.

Gebremster Schwung

In der zweiten Hälfte stellte Metsu Diouf dann doch wieder ins Zentrum, Thiaw agierte dafür nun rechts und Camara wechselte auf die linke Seite. Er wollte wohl etwas mehr auch das dicht gestaffelte schwedische Zentrum anbohren, um für die Flügelspieler noch mehr Räume zu schaffen. Eine Maßnahme, die aber nicht ganz aufging – denn immer mehr präsentierte sich der Senegal in der zweiten Hälfte als One-Man-Team, in dem praktisch jede gefährliche Aktion nach vorne nur über Diouf ging.

Umso mehr, nachdem sich Innenverteidiger Malick Diop am Sprunggelenk verletzte, nach 66 Minuten raus musste. Weil Metsu keine gleichwertigen Innenverteidiger mehr auf der Bank hatte, musste Habib Beye kommen, dieser ist aber ein reiner Rechtsverteidiger. Somit übernahm Coly den rechten Innenverteidiger-Posten. Was defensiv keinen merkbaren Bruch verursachte, offensiv aber sehr wohl, denn obwohl Coly aus der Innenverteidiger-Position heraus weiterhin seine offensiven Pflichten als RV nachzugehen versuchte, fehlte nun natürlich der Punch aus der Tiefe.

Das Trainer-Duo der Schweden, Tommy Söderberg und Lars Lagerbäck, brachten in dieser Phase mit Andreas Andersson (für die rechte Seite) und dem 20-jährigen Stürmer-Talent Zlatan Ibrahimovic (für die Spitze neben Larsson) zwei neue Offensiv-Kräfte und vor allem Ibrahimovic sorgte zuweilen für mehr als nur Entlastung. Dennoch: Mit einem 1:1 ging’s in die Verlängerung.

Vollgas in der Verlängerung

Anstatt, wie bei Spielen mit Golden-Goal-Regel so oft der Fall, aber nun mehr Vorsicht an den Tag zu legen, gingen beide Teams voll auf den Sieg los. So traf für Schweden gleich mal Anders Svensson, nachdem er Diatta sehenswert aussteigen hat lassen, den Pfosten; im Gegenzug zielte Diouf nur knapp rechts am Tor vorbei. Das Offensiv-Trio des Senegal rochierte nun ziemlich wild: Diouf wich nun wieder viel auf die linke Seite aus; Camara agierte mal links, mal rechts; und Thiaw sorgte für Überzahl-Situationen in Ballnähe.

Und Thiaw war es letztlich auch, der das senegalisische Siegtor vorbereitete: Mit einem schnellen Horizontal-Lauf fünf Meter vor dem Strafraum zog er drei Schweden auf sich, legte mit der Ferse für den vertikal in den entstehenden Raum stoßenden Henri Camara ab. Dieser ging noch an Mjällby vorbei und zog ab: Das Tor, das 2:1, der Einzug ins Viertelfinale. Als erst zweites afrikanisches Team nach dem Kamerun zwölf Jahre zuvor.

Seltsames Turnier

„Der ganze afrikanische Kontinent drückt jetzt uns die Daumen“, hatte Metsu nach der Vorrunde, die seine Mannschaft ja als einzige des Kontinents überstanden hatte, selbstbewusst gesagt. Und in diesem Turnier war in der Tat auch für durchschnittliche Teams sehr viel möglich. Was mehrere Gründe hatte. Zum einen natürlich die übervolle Saison in Europa – zu dieser Zeit bestand die Champions League aus zwei Gruppenphasen, ehe die K.o.-Runde folgte. Dann natürlich die Hitze und gemeinsam mit der Hitze und vor allem der Luftfeuchtigkeit gerade bei den Spielen in Südkorea.

Und auch die im Vergleich zu Turnieren davor und danach zwei Wochen kürzere Vorbereitungszeit (das Turnier startete schon am 31. Mai) trug dazu bei, dass Top-Teams strauchelten und Außenseiter, ohne groß über ihre Verhältnisse zu spielen, weit kommen konnten. Frankreich, Argentinien und Portugal blieben schon in der Vorrunde auf der Strecke. England musste schon in der Gruppenphase an die Grenzen gehen und war im Viertelfinale gegen Brasilien dann schlicht und einfach körperlich leer. Spanien konnte den Schalter nach einer leichter Vorrunde, in der man unterfordert war, nicht auf mehr Ernsthaftigkeit umlegen und scheiterte gegen Südkorea auch am Referee.

Italien quälte sich schon in der Vorrunde und blieb dann im Achtelfinale ebenso an Südkorea hängen – wobei die Entscheidungen von Schiedsrichter Byron Moreno gar nicht sooo falsch waren, wie sie in Erinnerung blieben. Andererseits aber schaffte es ein wirklich nicht besonders gutes US-Team ins Viertelfinale, kam ein wirklich nicht besonders gutes deutsches Team nur dank der überragenden Kahn und Ballack ins Finale. Dazu trumpfte Brasilien, in den vier Jahren davor die reinste Chaos-Truppe, angeführt von Ronaldo, Ronaldinho und Rivaldo auf.

Ungewöhnlich uninspriert gegen tolle Türken

Und die Türkei kam zur ihrer Sternstunde. In einer Gruppe mit Costa Rica und den heillos überforderten Chinesen belegte man hinter Brasilien Platz zwei, unbekümmert eliminierten die Türken dann im Achtelfinale des Co-Gastgeber aus Japan, der von seltsamen Umstellungen des eigenwilligen Teamchefs Philippe Troussier verunsichert und von der Chance, daheim ins Viertelfinale zu kommen, mental überwältigt war. Man darf aber nicht den Fehler machen, zu glauben, die Türken wären nur durch glückliche Umstände so weit gekommen. Nein, Teamchef Senol Günes hatte einerseits einen sehr guten Kader zur Verfügung, verpasste diesem ein hochinteressantes taktisches Konzept, mit dem man eine der aufregendsten Teams einer sonst nicht so aufregenden WM wurde. Dazu stieg das Selbstvertrauen der Mannschaft von Spiel zu Spiel.

Anders als beim Senegal, wo eher die Selbstverliebtheit gestiegen war. Metsu machte diese Beobachtungen im Vorfeld des Viertelfinales, und er artikulierte dieses Gefühl später dann auch. Die Spieler hätten begonnen, den entstehenden Hype um sie selbst zu glauben. Die lockere Stimmung breitete sich auch auf das Spielfeld aus, dort, wo bei allem Laissez-faire noch immer große Disziplin geherrscht hatte. Was sich dann auch im Spiel gegen die Türken zeigen sollte. Vor allem Khalilou Fadiga, der nach seiner Gelbsperre wieder spielberechtigt war, tauchte völlig ab. Aber auch das zentrale Mittelfeld, das sich bis dahin als stark im Ballgewinn und schnellen Umschalten präsentiert hatte, agierte nicht nur ungewöhnlich zahm, sondern vor allem ausgesprochen zögerlich und vorsichtig.

Senegal - Türkei 0:1 n.V.
Senegal – Türkei 0:1 n.V.

Ferdinand Coly, der so brilliante Rechtsverteidiger, wirkte müde und von zahlreichen Wehwehchen geplagt, konnte den an sich gigantischen Platz vor ihm nicht nützen. So hingen Henri Camara und Elhadji Diouf, die sich wirklich bemühten, ziemlich in der Luft. Anders die türkischen Offensiv-Kräfte. Beim Team von Senol Günes gab es vor der Viererkette einen Sechser, Tugay half dort gegen Diouf und bediente die Achter. Das war halblinks Emre, der eher die Pässe schlug als selbst nach vorne zu gehen, und rechts Ümit Davala, der Achter, offensiver Außenverteidiger und Rechtsaußen in Personalunion war. Dazu gab es mit Bastürk und dem Glatzkopf Hasan Sas, der ein unglaubliches Turnier zeigte, zwei Spielmacher mit allen erdenklichen Freiheiten. Und vorne mit Hakan Sükür eine Strafraum-Kobra, die das Spiel schon früh entscheiden hätte können, wenn er nicht so eine unglaubliche Un-Form gehabt hätte und größte Chancen versemmelt hätte.

Keine Wechsel von Metsu

Die einzige echte Chance für den Senegal hatte Henri Camara kurz vor der Halbzeit, aber ein Tor für die Türken schien an diesem Abend in Osaka immer näher zu sein als eines für die Afrikaner. Umso mehr, als Günes halb durch die zweite Halbzeit den indisponierten Sükür vom Platz nahm und Joker İlhan Mansız brachte. Der in Schwaben geborene und aufgewachsene Stürmer, der sich später auch als Mode-Designer und Eiskunstläufer (!) versuchen sollte, prüfte gleich nach seiner Einwechslung Tony Sylva, konnte ihn weder da noch in der folge überwinden, womit es mit einem 0:0 nach 90 Minuten in die Verlängerung ging.

Metsu war während des ganzen Turniers tendenziell eher sparsam mit seinen Wechseln umgegangen. Gegen Frankreich gab es keinen einzigen, gegen Schweden einen und auch gegen Uruguay wechselte er nur verletztungsbedingt, bzw. um Coly vorm Ausschluss zu bewahren. Nur gegen Dänemark drehte er das komplette Team während des Spiels um. Dennoch ist es erstaunlich, dass er gerade im Viertelfinale, als zumindest fünf Spieler deutlich unter Form agierten, alle elf Akteure aus der Startformation durchspielen ließ, keinerlei Impulse setzte, keine neuen und vor allem frischen Kräfte brachte. Auch in der Verlängerung nicht. In der nach drei Minuten Ümit Davala einen seiner vielen Sprints auf der rechten Seite anzog und seine Flanke den vor dem Tor postierten İlhan fand. Für den fühlten sich weder Malick Diop noch Lamine Diatta verantwortlich, sodass der Türke unbedrängt zu einem sehenswerten Volley-Drehschuss ansetzen konnte, gegen den Sylva machtlos war. Die Türkei war damit im Halbfinale, die Reise des Senegal bei dieser WM-Endrunde war vorbei.

One Hit Wonder

Der Niederlage zum Trotz: Der Senegal hatte ein großartiges Turnier gespielt und die Trauer über den verpassten Halbfinal-Einzug wich schnell dem Stolz über das Erreichte. Als erst zweites afrikanisches Team war man ins WM-Viertelfinale vorgestoßen, was für die bis dahin international völlig unbekannten Spieler das Tor zur großen Fußball-Welt öffente und auch die Möglichkeit brachte, den in Südkorea und Japan erzielten Erfolg zu versilbern. Doch wer glaubte, das senegalesische Team würde sich als neue Nummer eins Afrikas etablieren können, sah sich schnell eines Besseren belehrt. 2004 und 2006 ging es noch ins Viertel- bzw. Halbfinale des Afrikacups, bei dem man seither nie mehr auch nur die Vorrunde überstanden hat. Weder bei der WM in Deutschland noch bei der in Südafrika war der Senegal dabei. Metsu hat das womöglich geahnt, legte nach der WM sein Amt zurück.

Wie durchschnittlich der Kader eigentlich besetzt war, wird deutlich, wenn man sich den weiteren Karriere-Verlauf der Spieler ansieht. Diouf fiel bei Liverpool komplett durch, war bei Bolton noch ganz okay, findet aber seither nirgendwo mehr wirklichen Anschluss. Diatta versuchte sich ohne Glück bei Lyon, Diao setzte sich bei Liverpool nicht durch, Fadiga weder bei Inter noch bei Bolton. Respektable Premier-League-Karrieren können Bouba Diop (Fulham und Portsmouth), Cissé (Birmingham und Portsmouth) und Camara (Wigan) vorweisen; Tony Sylva wurde vom dritten Monaco-Torhüter zum Lille-Stammgoalie. Wirkliche Welt-Stars wurden sie aber allesamt nicht.

Metsu, der in seinen 20 Monaten im Senegal zum Islam konvertiert war, ging in den arabischen Raum, wo er große Erfolge feierte. Champions-League-Sieger mit dem FC Al-Ain, dazu drei nationale Meistertitel in Katar und den Emiraten. Außerdem erreichte er 2011 als Teamchef von Gastgeber Katar das Viertelfinale im Asien-Cup, wo man knapp am späteren Sieger Japan scheiterte. Trotzdem: Für alle Beteiligten bleibt als größte Leistung ihrer Karriere das WM-Viertelfinale mit dem Senegal hängen. Obwohl – oder gerade weil – es ein klassisches One-Hit-Wonder war.

Metsu war 2004 im Gespräch als französischer Teamchef, nach der verkorksten EM in Portugal bekam aber Raymond Domenech den Vorzug. Vor anderhalb Jahren, nach einem peinlichen Vorrunden-Aus beim Afrika-Cup, war er in der engeren Auswahl für eine Rückkehr als Nationaltrainer des Senegal. Daraus wurde auch nichts. Wenig später wurde bei Metsu Darmkrebs diagnostiziert.

Diesen Kampf gewann er nicht.

(phe)

Foto: www.dohastadiumplusqatar.com via fr.wikipedia.org

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