Es ist so eine Sache mit der flachen Viererkette im Mittelfeld, mit zwei Spielern, die in der Zentrale recht tief stehen. Es macht einen ausrechenbar, weil man auf die Außenbahnen angewiesen ist. Wenn aber zwei Teams gegeneinander spielen, die beide mit so einer Mittelfeld-Kette agieren, besteht die große Gefahr, dass die Partie vor allem eines wird: Langweilig. Nun, der Unterhaltungswert und die Dramatik beim Aufeinandertreffen von Schweden und England war durchaus gegeben. Es war ein spannendes Spiel. Aber es war weit davon entfernt, auch ein gutes Spiel zu sein.
Die Leuchttürme
Dazu spielten beide Teams zu ähnlich und zu sehr auf die gleichen Bereiche auf dem Feld vertrauend. Im 4-4-1-1 von beiden Teams gab es im Vorwärtsgang vor allem zwei Aspekte: Die Flügel und die Leuchttürme im Angriff. Wie Letztere ihre Rolle interpretierten, war der größte Unterschied bei den sonst sehr ähnlich unspektakulären Teams.
Roy Hodgson brachte bei den Engländern Andy Carroll für den Angriff zu Danny Welbeck, dafür rückte Ashley Young auf die linke Seite und The Ox auf die Bank. Keine Frage, Hodgson wollte gegen die robuste und körperlich starke schwedische Innenverteidigung einen ebenso körperlich beeindruckenden Stürmer aufbieten. In der Praxis war Carroll der Anspielpunkt, den die Engländer mit ihren langen Bällen nach vorne suchte. Carrolls Aufgabe war es, diese Anspiele zu kontrollieren, den Ball zu behaupten und so die schnellen Spielern um ihn herum – also in erster Linie Welbeck und Young – in die Aktion einzubinden.
Zlatan Ibrahimovic hingegen war zwar grundsätzlich auch hinter der Spitze aufgeboten, war aber extrem aktiv. Er wich viel auf die Flügel aus, ließ sich zurückfallen und verstand sich viel mehr als Gestalter. Oft war Ibra so weit hinten, dass er beide englische Viererketten zwischen sich und dem Tor hatte. Der Milan-Stürmer ist aber vieles – Vollstrecker, Austeiler, Weg-frei-Blocker – aber Spielmacher ist er keiner, vor allem nicht, wenn er eine extrem verdichtete Abwehr vor sich hat.
Der Kampf um die Flügel
Letztlich verteidigten beide Abwehrreihen die Mischung aus körperlicher Erscheinung und flinkem Sturmpartner beim jeweiligen Gegner ganz gut, wodurch die Flügel umso mehr in Erscheinung traten. Hier hatten die Engländer Vorteile. Nicht nur, was die individuelle Qualität der Spieler angeht, sondern auch in der Art und Weise, wie sie diese nützten. Vor allem die linke englische Seite mit den beiden Ashleys Cole und Young war recht fleißig und drückte Granqvist brutal nach hinten. Das war auch möglich, weil der schwedische RM Seb Larsson nach innen rückte.
Genauso im Übrigen wie dessen Widerpart auf der linken Seite, Rasmus Elm. Der Grundgedanke dahinter war wohl, dass man die Schnittstellen zwischen zentralem Mittelfeld der Engländer und den Außenspielern nützen wollte, aber weil Gerrard und Parker mit großer defensiver Übersicht agierte, passierte da sehr wenig.
Das konnten sie auch deshalb tun, weil sie schnell bemerkten: Von ihren direkten Gegenspielern, Svensson und Källström, war überhaupt nichts zu befürchten. Was seltsam war – denn beide können eigentlich recht gut das Spiel eröffnen, Ibrahimovic versuchte sich auch immer, frei zu laufen und anspielbar zu sein, aber sinnvolle Vorwärtspässe kamen aus derm schwedischen Zentrum überhaupt nicht.
Tore aus Fehlern und Einzel-Aktionen, nicht aus stratigischen Überlegungen
S0 war ein strategisches Patt gegeben, das eigentlich einem logischen 0:0 entgegen lief. Dass es dennoch Tore gab, lag an individuellen Abwehrfehlern (wie beim 1:0 für England, als sich weder Mellberg noch Granqvist für Carroll verantwortlich fühlten), schlechtem Verteidigen von Standards (wie beim 1:1 und dem 2:1 für Schweden, als jeweils Mellberg der entscheidende Mann war), einem krachenden Weitschuss (das 2:2 des kurz zuvor für den eher blassen Milner eingewechselten Walcott) und einer individuellen Meisterleistung von Welbeck zum 3:2-Siegtor.
Letztendlich kann man nur das Tor zum 3:2 mit einer echten strategischen Überlegung begründen, und sei es auch nur die, mit Walcott viel frischen Wind auf die rechte englische Abwehrseite zu bringen und so Martin Olsson in Verlegenheit zu bringen. Ein Zuspiel von Walcott bereitete letztlich das sensationelle Siegtor von Welbeck vor.
Fazit: Englischer Sieg nicht unverdient
Das Tempo war überschaubar, die Kreativität weitgehend nicht vorhanden. Es war, vom inhaltlichen betrachtet, ein recht enttäuschendes Spiel, das mit den Engländern aber dennoch einen verdienten Sieger gefunden hat. Sie zeigten auf den Flügeln die höhere individuelle Klasse und hatten so etwas mehr vom Spiel, und es machten einen recht ordentlichen Job, wenn es darum ging, Ibrahimovic aus dem Spiel zu nehmen.
Den Schweden wurde letztlich ihre Eindimensionalität und ihre Abhängigkeit von Ibrahimovic zum Verhängnis. Von ihm abgesehen fehlt es an der Klasse, an den Ideen und auch an der Qualität, sich gegen einen auch nicht gerade überragenden, aber individuell besser besetzten Gegner durchzusetzen. Weshalb sie auch verdient nach der Vorrunde die Koffer packen müssen.
Gegen England schaffte es Frankreich nicht, einen tief und kompakt stehenden Gegner zu knacken. Zu phantasie- und drucklos war der eigenen Auftritt. So änderte Laurent Blanc nicht nur seine Aufstellung für das Spiel gegen Gastgeber Ukraine, sondern auch das System: Hier war das Team in einem klaren 4-2-3-1 aufgestellt. Cabaye agierte neben Diarra als Achter, Nasri als zentraler Offensiv-Mann, und Jérémy Ménez kam für die rechte Seite in die Partie. Die erstmal nur vier Minuten dauerte – nach einer einstündigen Unterbrechung wegen den heftigen Unwetters ging es dann aber doch weiter.
Seltsame Abwehrkette
Das System der Ukrainer hing dabei ein wenig gar schief auf dem Platz. Während auf der rechten Seite Gusev, wie gewohnt, den Vorwärtsgang drin hatte, blieb Linksverteidiger Jevgeni Selin komplett hinten, rückte weit ein – vor allem, wenn Gusev aufgrückt war. So ergab sich zuweilen eine Dreier-Abwehr.
Auffällig war dabei, dass der Abstand zwischen Gusev und seinem Nebenmann in der Innenverteidigung, Taras Michalik, oftmals extrem groß war und nicht nur Ribéry, sondern auch Nasri das bemerkten und diese offene Schnittstelle auszunützen versuchten. Allerdings zunächst ohne Erfolg.
Ukrainischer Aufbau
Die Abwehrreihe der Gastgeber schob im Ballbesitz sehr weit nach vorne und stellte so sehr geringe Abstände her. Zudem ließ sich Voronin geschickt ins Mittelfeld fallen, was den Franzosen den Aufbau zusätzlich erschwerte, während er selbst gut anspielbar war.
Dazu versuchte die Ukraine, vor allem über die Seite mit dem zum Rechtsverteidiger umfunktionierten Gusev und Jarmolenko nach vorne zu kommen. Zudem ließ sich Voronin geschickt ins Mittelfeld zurück fallen, um sich dort als Anspielstation anzubieten, wären Andriy Shevchenko vorne verblieb und sich zwischen den französischen Reihen bewegte.
Entscheidender Mann in der Spieleröffnung war wenig überraschend Tymoschuk, der wieder als tiefster Spieler im Mittelfeld agierte. Der Plan war ganz offensichtlich, ihn als Ballverteiler zu nützen, der entweder Nasarenko kurz, Voronin steil odder Jarmolenko auf dem Flügel schickte. Sein Problem dabei war allerdings das des ganzen ukrainischen Teams.
Französisches Pressing
Das Pressing der Franzosen nämlich. Nasri und oft auch Cabaye setzten Tymoschuk unter Druck, Clichy und Ribéry machten das selbe auf ihrer Außenbahn, Debuchy und Ménez auf der ihren. Zudem lief Benzema geschickt, oft auch mit der Unterstützung von Nasri, die ukrainischen Innenverteidiger an. So unterband Frankreich nicht nur das Spiel des Gegners – das sich nach vorne somit immer mehr auf lange Bälle beschränkte – sondern verunsicherte ihn dabei auch noch.
Vor der Pause hatte das noch keinen zählbaren Erfolg, danach aber schon. Die deutlich verunsichert wirkenden Ukrainer schafften es auch mit Devic statt des diesmal nicht so starken Voronin nicht, die Hoheit über das Mittelfeld zu bekommen – im Gegenteil. Weil sich Devic höher orientierte als Voronin vor ihm, musste sich der französische Sechser Diarra weniger um ihn kümmern und hatte nun mehr Zeit und Ruhe am Ball. Und dann nützten die Franzosen doch noch zwei sehr stark herausgespielte Chancen zu einem Doppelschlag.
Zeit für Wechsel
Oleg Blochin brachte in der Folge mit Milevski einen weiteren Stürmer statt Nasarenko. Das war zwar nominell ein offensiver Wechsel, wirkte letztlich aber logischerweise eher kontraproduktiv – denn nun war zwischen dem tief stehenden Tymoschuk und den nun drei Stürmern endgültig kein Mitspieler mehr, dafür jede Menge Franzosen. Devic orientierte sich in der Folge etwas tiefer, um zumindest einen Verbindungsspieler zu haben. Shevchenko hingegen zog es vermehrt auf die rechte Seite von Gusev und Jarmolenko
Die französischen Mittelfeld-Außen waren zwar nicht gerade die allerfleißigsten, was die Rückwärtsbewegung angeht, aber die Ukrainer schafften es dennoch nicht, die Franzosen in Bedrängnis zu bringen. Was auch daran lag, dass es nun keinen Ukrainer mehr gab, der die französische Zentrale kontrolliert unter Druck setzen konnte. Dennoch entschied sich Blanc dafür, nicht Cabaye den nun mehr vorhandenen Platz auszunützen, sondern ließ statt ihm in der Schlussphase M’Vila neben Diarra die Anspielwege für die drei Ukrainer in der Spitze zuzustellen.
Fazit: Hochverdienter Sieg für Frankreich
Die Franzosen zeigten sich gegenüber der mauen Leistung gegen England klar verbessert. Das hohe Pressing setzte den Ukrainern ziemlich zu, viel mehr als Konter brachten sie offensiv nicht zu Stande. Frankreich zeigte die nötige Geduld und nützte den vermehrten Platz im Mittelfeld nach der Pause gut aus, ehe man routiniert den Vorsprung über die Zeit verwaltete. Davon zu schreiben, Frankreich hätte „trocken an der Uhr gedreht“, verbieten die Umstände.
Die Ukrainer hingegen müssen nach dieser Niederlage ihr letztes Gruppenspiel gegen England unbedingt gewinnen, alles andere ist für das Viertelfinale zu wenig. Der Plan, dem Gegner durch eine hohe Linie den Platz zu nehmen, funktionierte defensiv war recht ordentlich, aber im Spielaufbau waren doch erhebliche Mängel auszumachen. Dazu wurde der Halbzeit-Wechsel von Devic statt Voronin zum Bumerang, weil die Franzosen damit doch mehr Platz in der Zentrale hatten.
Womit sich Frankreich nun doch als recht eindeutig stärkstes Team der Gruppe etabliert hat.
(phe)
]]>Wer Roy Hodgson auf die Bank setzt, der weiß, was er bekommt: Gute Organisation in einem 4-4-2, grundsätzlich eher defensive Ausrichtung. Eng zusammen stehenden Viererketten, die gut verschieben. Den Versuch, nach Ballgewinn schnell umzuschalten und mit Einbeziehung der beiden Stürmer mit wenigen Pässen nach vorne zu kommen. Was man bei Roy Hodgson nicht bekommt: Aufregenden Fußball, überraschende taktische Experimente und Pressing. Und, oh Wunder, genau so agierten die Three Lions in ihrem ersten Turnier-Spiel gegen Frankreich.
Hodgson stellte Jungstar Alex Oxlade-Chamberlain auf die linke Seite. Das muss man durchaus als kleines Risiko betrachten, da es dem 18-Jährigen natürlich an der internationalen Routine fehlt und er mit dem bekannt offensiven Außenverteidiger Mathieu Debuchy einen nicht ungefährlichen Gegenspieler hatte. Allerdings hatte er das Glück, dass die Franzosen ihr System so interpretierten, dass Ox gemeinsam mit Ashley Cole praktisch nur Debuchy gegen sich hatten.
Wenig Tempo, noch weniger Ideen
Und zwar deshalb, weil Samir Nasri – nomineller Linkaußen im 4-3-3 von Laurent Blanc, schon grundsätzlich recht zentral agierte und sich mehr als Zehner präsentierte. Weil aber zwischen den Reihen der Engländer eben recht wenig Platz war, gab es auch kaum Möglichkeiten für Nasri, dort zur Entfaltung zu kommen.
So sammelten die Franzosen zwar Ballbesitz, aber gegen den kompakten Acht-Mann-Block der Engländer fehlten die Ideen und das Tempo. Malouda machte auf der linken Halbposition einen etwas verlorenen Eindruck; sein Gegenstück auf der rechten Seite, Yohan Cabaye, versuchte es zwar immer wieder selbst, aber auch er bekam keinen Zugriff auf den Strafraum. So entwickelte sich schon früh ein ziemlich zähes Spiel.
England ging nach einer Standard-Situation in Führung – wie auch sonst – und kassierte wenig später aus einem Weitschuss – wie auch sonst – den Ausgleich. Sonst waren Torszenen selten, vor allem aus dem laufenden Spiel heraus, und die Begegnung plätscherte vor sich hin. Eine blutleere Vorstellung von beiden Teams.
Todlangweilig
Das ist bei den Engländern noch eher nachvollziehber. Dem Team fehlen viele Leistungsträger, die Erwartungshaltung ist praktisch nicht vorhanden, und Roy Hodgson hat nach der eher chaotischen Suche nach einem Nachfolger für Fabio Capello vor dieser Begegnung erst zwei Spiele mit der Mannschaft hinter sich gebracht. Die Herangehensweise an die Partie gegen Frankreich war recht eindeutig: Nehmen wir einen Punkt mit, passt das.
Aber die Franzosen? Debuchy schaffte es nie, den unerfahrenen Oxlade unter Druck zu setzen, weil er dabei auch keine Unterstützung erhielt – Nasri und Cabaye zog es immer nur ins Zentrum mitten rein ins Gewühl. Im kompakten und auf Fehlervermeidung ausgerichteten Spiel der Engländer war das der wohl offensichtlichste mögliche Schwachpunkt, aber hier geschah gar nichts. Auch nicht, nachdem er mit Milner in der zweiten Hälfte Platz getauscht hatte: Evra ließ Ox ziemlich in Ruhe.
So stand ein Unentschieden, das beiden weder hilft noch, zumindest akut, schadet. Auch weil danach die beiden anderen Teams ebenfalls keinen allzu starken Eindruck machten:
Die Ukraine tut sich schwer, das Spiel selbst zu gestalten – das wurde auch bei der 2:3-Niederlage in Österreich im Vorfeld der EM deutlich. Gegen die recht passiv agierenden Schweden war das allerdings, wie kaum anders zu erwarten war, dennoch notwendig, auch weil man gegen die eher bieder daherkommenden Skandinavier auch den 70.000 Zuschauern gegenüber nicht auf Abwarten und Reagieren plädieren konnte.
Auch bei der Startaufstellung ging Teamchef Oleg Blochin durchaus ein Risiko: Andriy Shevchenko war praktisch das komplette Frühjahr verletzt ausgefallen, machte auch in den Aufbauspielen keinen guten Eindruck, aber Sheva ist nun mal ein Denkmal – auch wenn es für den Spielaufbau womöglich sinnvoller gewesen wäre, die jüngeren Devic und Milevskyi zu bringen, ließ Blochin die gemeinsam knapp 250 Jahre alten Shevchenko und Voronin starten.
Die Sache mit Toivonen
Erik Hamrén, der schwedische Teamchef, wusste: Die größte Waffe in der ukrainischen Spielgestaltung ist Oleg Gusev – der gelernte Flügelstürmer, der als Rechtsverteidiger spielt. Sein Tempo und sein Zusammenspiel mit Andriy Jarmolenko vor ihm wollte Hamrén neutralisieren, indem er Gusev einen gelernten Stürmer entgegen stellte: Ola Toivonen.
Der Kapitän vom PSV Eindhoven wird üblicherweise als vorderste oder hängende Spitze eingesetzt, aber nicht auf dem Flügel als de facto vorderster Defensiv-Mann, und das merkte man. Von seiner Aufgabe, Druck auf Gusev auszuüben, war rein gar nichts zu sehen – im Gegenteil, Gusev ließ Toivonen stehen, machte nach vorne was er wollte. Die Folge: Schwedens Linksverteidiger Martin Olsson wurde in 2-gegen-1-Situationen verwickelt.
Risiko wird gescheut
Das Glück der Schweden war dabei, dass es den Ukrainern an der letzten Konsequenz, am Zug zum Tor und an der Bereitschaft zu Risiko-Pässen fehlte. Im Zweifel wurde das Tempo aus dem Angriff genommen, zurück gespielt, auf Ballbesitz geachtet, und dass man nur ja nicht in Konter rennt. Die besten Aktionen hatten die Gastgeber, wenn es gelang, durch die Mitte einen der alten Männer im Angriff einzusetzen. Denn ja, Voronin und Shevchenko sind längst nicht mehr die schnellsten, aber durch ihre enorme Routine haben sie einen hervorragenden Blick für Laufwege und wissen, wie man sich zwischen den Reihen postiert.
Eigene Angriffe gab es beiden Schweden kaum. Ibrahimovic spielte im 4-4-1-1 hängend hinter dem viel arbeitenden, aber wenig Gefahr ausstrahlenden Rosenberg und er war ganz deutlich die primär gesuchte Anspielstation. Das wussten halt auch die Ukrainer und machten ihm das Leben schwer: Tymoschuk zeigte gutes Stellungsspiel, Katcheridi und Michalik als robuste Zweikämpfer.
Aus 0:1 mach 2:1
Die Gedankenschnellsten sind die beiden aber nicht, wie beim 1:0 für die Schweden deutlich wurde: Källström spielte einen Wechselpass schnell zurück in die Mitte, Ibra stand richtig und netzte ein. Wie wichtig dem seit seinem verunglückten Abenteuer bei Chelsea oft recht lethargischen Shevchenko dieses Spiel war, wurde aber in der Folge deutlich. Er suchte vor allem nach dem Rückstand jede Chance, dem Ball entgegen zu gehen und sein Team zurück zu bringen. Was gelang: Erst setzte er sich exzellent gegen Mellberg durch und traf zum 1:1, dann ging er einer Ecke stark entgegen und lenkte den Ball zum 2:1 ab.
Erst jetzt reagierte Hamrén auf die immer eklatanter werdende Unterlegenheit auf den Flügeln und besetzte beide neu. Statt dem defensiv wirkungslosen und offensiv unsichtbaren Toivonen und dem generell schwachen Seb Larsson stellte er nun Chippen Wilhelmsson (links) und Rasmus Elm (rechts) auf die Außenbahnen – zumindest nominell – und brachte Anders Svensson für die Zentrale.
Weiter ab nach vorne
Die beiden neuen Mittelfeld-Außen rückten ein, ermöglichten so den aufrückenden Außenverteidigern, sich nach vorne einzuschalten. Aber das Spiel der Schweden blieb ungenau und ohne einen Plan, der vom Schema „Ball zu Ibra“ merklich abwich. Dennoch wurde es noch eine relativ wilde Schlussphase.
Und zwar, weil die Ukrainer, vermutlich in einer Mischung aus „Yay, wir haben das Spiel gedreht“ und der Begeisterung im vollen Kiewer Stadion, fleißig weiter angriffen. Die Abwehrreihe rückte sehr weit auf, die Mannschaft warf sich nach vorne, und vergaß dabei, dass sie das eigentlich gar nicht so gut kann – und dass das brandgefährlich ist, sollte der Gegner die Qualität haben, das zu nützen.
Die Schweden hatten diese nicht.
Fazit: Ausgeglichen schwache Gruppe
Nach den Eindrücken des damit zu Ende gegangenen ersten Durchgangs ist die Erkenntnis, dass diese Gruppe D die schwächste des Turniers ist. Und zwar ohne wirklichen Ausreißer nach oben oder nach unten, sondern recht ausgeglichen schwach.
Die Engländer zeigten sich komplett phantasielos, die Franzosen ohne einen Plan und irgendwie kopflos, die Schweden begaben sich bereitwillig in volle Abhängigkeit von Ibrahimovic und die Ukrainer kämpften gut, aber höhere Qualität war da auch nicht dahinter.
Das muss nicht heißen, dass die beiden Viertelfinalisten aus dieser Gruppe unbedingt in der Runde der letzten Acht rausfliegen müssen – vor allem die Engländer könnten Spanien mit ihrer Taktik ziemlich auf die Nerven gehen – aber dass der Europameister aus diesem Quartett kommt, ist nach den Eindrücken dieses Spieltags nur schwer vorstellbar.
(phe)
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Ein Freistoß-Tor von Junuzovic und zwei Prachtschüsse von Marko Arnautovic – es waren die Tore des Duos von Werder Bremen, das im Heimspiel gegen die Ukraine in Innsbruck für den 3:2-Sieg gegen den EM-Co-Gastgeber sorgten. Auch, wenn die Ukrainer durch zwei Gusev-Tore (ein Abstauber nach abgefälschtem Freistoß und ein Weitschuss) zweimal ausgleichen konnten, war der zweite Sieg im dritten Einsatz von Teamchef Marcel Koller nicht unverdient. Auch, weil man die Handschrift des Schweizers immer besser erkennen kann.
Defensives Pressing
Man sah, dass im Laufe der Trainingswoche das Augenmerk in erster Linie am Defensiv-Verhalten gelegen hat. Durchaus mit Erfolg, denn hier war ein klarer Plan zu erkennen, der auch recht konsequent durchgezogen wurde. Wie international längst üblich, schob Zehner Junuzovic, wenn die Ukrainer hinten den Ball hatten, nach vorne auf annähernd eine Höhe mit Janko, um von hinten heraus die Spieleröffnung zu verhindern. Vor allem Dortmund hat das zuletzt zur Perfektion getrieben.
Wesentlich interessanter war aber das Pressing-Verhalten in der eigenen Hälfte. Die Österreicher ließen die Ukrainer unbehelligt, wenn sie sich auf Höher der Mittellinie daran machten, eine Anspielstation zu suchen. Diese wurde aber, sobald der Ball in der Nähe war, konsequent angepresst, oftmals mit zwei Mann, sodass dem Ukrainer kaum Zeit blieb, den Ball sinnvoll anzunehmen – von einer durchdachten Weiterverarbeitung oder gar einem Pass nach vorne ganz zu schweigen. Das machte das ÖFB-Team hervorragend und die Ukrainer wurden, bis auf zwei Szenen, in der ersten Hälfte nicht gefährlich.
Die Innenverteidigung mit Scharner
Es war gut zu erkennen, dass die österreichische Viererketten sofort nach vorne schob, wenn das eigene Team vorne Ballbesitz hatte. Das hatte zwei Effekte: Zum einen wurde so quasi die Fallhöhe verringert, sollte es einen Rückpass geben müssen; zum anderen vermied man so, dass sich die Ukrainer zwischen den Linien breit machen konnten. Das allerdings schafften Devic und Jarmolenko ganz gut, wenn die Gelben in Ballbesitz waren und die österreichische Kette nach hinten sackte.
Der Versuch, Paul Scharner in die Innenverteidigung zu stellen, war sinnvoll. Schließlich kommt es immer mehr in Mode, defensive Mittelfeld-Spieler in der zentralen Abwehr aufzustellen, um schon von hinten heraus mit guten Pässen das Spiel zu eröffnen. Pep Guardiola machte das etwa mit Busquets und Masch, Marcelo Bielsa mit Javi Martinez. Erstaunlicherweise aber kamen vor allem von Scharner relativ wenige Pässe nach vorne, sondern hauptsächlich Richtung Suttner. In der unmittelbaren Defensiv-Arbeit kann man Scharner nicht viel vorwerfen, aber in der Spieleröffnung durfte man sich schon etwas mehr erwarten.
Die Außenverteidiger
Sowohl Markus Suttner als auch Florian Klein haben klar gezeigt, warum sie auf den AV-Positionen nicht erste wahl sind. Vor allem beim Bald-Salzburger Klein wurde der Unterschied zu Garics durch die frühe Auswechslung sehr deutlich. Als Garics in der ersten Aktion nach seiner Einwechslung in einem Höllentempo hinter Arnautovic die Linie entlang nach vorne spurtete, merkte man erst, wie sehr genau das bei Klein gefehlt hatte. Garics ließ defensiv gegen Konoplyanka wenig zu und sorgte mit seinem Offensiv-Drang auch für gute Unterstützung für Arnautovic bzw. Ivanschitz.
Vor allem in der generell stärkeren zweiten Halbzeit war das Spiel von Österreich zunehmend rechtslastig. Auch, weil Suttner zwar brav agierte, aber an einem Christian Fuchs nicht vorbeikommt. In der Rückwärtsbewegung hatte er trotz recht konservativem Stellungsspiel gegen den mit Tempo auf ihn zu oder nach innen laufenden Jarmolenko immer wieder leichte Probleme; nach vorne kam praktisch gar nichts. Das erledigte auf der linken Seite ein anderer.
Das zentrale Mittelfeld
David Alaba nämlich. Der Shooting Star von Bayern München, eigentlich als Achter aufgestellt, hatte einen recht deutlichen Linksdrall und preschte oftmals so die linke Seite nach vorne, wie man das von seinen starken Auftritten als Linksverteidiger der Bayern macht. Das erlaubte es Ivanschitz bzw. Arnautovic, nach innen zu ziehen. Der 19-Jährige war, wie man es von ihm kennt wenn er im Mittelfeld postiert wird, im Grunde überall zu finden, schaltete sich nach vorne ein, presste und war so ein wenig der Mann für alle Fälle.
Julian Baumgartlinger neben ihm war viel defensiver eingestellt. Im Erkämpfen des Balles und in Sachen Pressing auf den ukrainischen Pass-Empfänger machte er eine ganz ordentliche Figur, aber überhastete und ungenaue Abspiele in der Vorwärtsbewegung, die immer wieder billige Ballverluste zur Folge hatten, machten ihm und dem ganzen Abwehrverbund das Leben schwer. Das zweite Gegentor wurde genau so eingeleitet.
Marko Arnautovic
Anders als in den ersten beiden Spielen unter Marcel Koller, dem 1:2 in Lemberg und dem 3:1 über Finnland, spielte Marko Arnautovic diesmal nicht als versetzter Zehner zentral hinter bzw. neben Janko, sondern auf den Flügeln. Zu Spielbeginn war er rechts postiert, nach einer halben Stunde wechselte er die Seite, nach einer Stunde kam er wieder zurück auf die rechte Außenbahn. Entgegen anders lautender Meinungen (ORF und so) war das Bremer Enfant Terrible aber keineswegs unsichtbar, sondern verrichtete viel Arbeit. Auch in der Defensive, wo er Konoplyanka den einen oder anderen Ball von den Füßen grätschte und sich gut am Pressing gegen den ukrainischen Pass-Empfänger beteiligte.
Wenn man von Arnautovic nur Tempo-Dribblings und technische Gustostückerl erwartet, ist man natürlich enttäuscht, wenn man solche Einlagen nicht so oft sieht (und die sieht man mit Recht nicht so oft, denn einige überflüssige Ballverluste fabrizierte er durch seinen Übermut sehr wohl). Dennoch, und das monierte Koller auch nach dem Spiel, muss Arnautovic öfter auch mal geradlinig in den Strafraum kommen. Da ist er brandgefährlich, wie auch seine beiden Tore zeigten.
Das Problem: Janko ins Spiel bekommen
Unter Didi Constantini klappte es praktisch nie, und auch bei Marcel Koller funktioniert es noch nicht nach Wunsch – das Einsetzen von Marc Janko. Der Porto-Legionär erfüllte seine Aufgaben im Anpressen der ukrainischen Innenverteidiger gegen den Ball ganz ordentlich, fand aber im eigentlichen Offensiv-Spiel, wie auch der für ihn nach einer Stunde eingewechselte Patrick Bürger, nicht statt. Das mag zum Teil an der eher auf Reaktion ausgelegten Spielanlage liegen.
Aber sicher auch an den Spielertypen, die Ivanschitz und Arnautovic nun mal sind: Der eine hat es bei Mainz hauptsächlich mit schnellen, wendigen Stürmern zu tun, die er schicken soll. Der andere ist halt eher einer, der seine Stärken mit dem Ball am Fuß hat. Nur: Das kann kein Problem sein – wenn denn die Außenverteidiger ihren Job erledigen würden. Das Spiel breit zu machen, die gegnerische Viererkette auseinander ziehen, von der Grundlinie flanken. Das passierte bei Klein gar nicht, bei Suttner ebenso, und ein Garics alleine ohne Gegenstück auf der anderen Seite richtet auch nicht viel aus.
Der Gegner: EM-Reife sieht anders aus
Natürlich: Es war für die Ukrainer nur ein Testspiel. Allerdings war die Vorstellung des Co-Gastgebers zehn Tage vor seinem ersten EM-Spiel weit davon entfernt, um den Eindruck von EM-Reife zu erwecken. Anatoli Tymoschuk etwa wirkte im defensiven Mittelfeld geistig oft völlig abwesend, schlecht im Zweikampf, ungenau im Spielaufbau. Funktionierender Rückhalt und notwendiger Taktgeber für seine Mannschaft ist er in dieser Form keinesfalls.
Wie generell das Tempo bei den Ukrainern völlig fehlte. Voronin bewegte sich in der ersten Hälfte ähnlich schlecht wie Shevchenko und Milevskyi nach dem Seitenwechsel, weswegen sie alle um nichts weniger wirkungslos waren wie Janko bei Österreich. Nie schafften es die Ukrainer, ihre Stürmer einzusetzen, aus dem Spiel heraus gab es nicht mal eine handvoll Torchancen. Impulse von Außen, wie den kompakt stehenden Österreichern beizukommen ist, kamen auch keine: Blochin wechselte nur innerhalb seines 4-1-3-2.
Es wurde ganz deutlich, dass sich die Ukrainer ebenso mit dem Reagieren deutlich leichter tun als mit dem Agieren – wie schon im November, als sie EM-Mitfavorit Deutschland beim 3:3 am Rande der Niederlage hatten und wenige Tage später eben gegen Österreich nur mit Glück ein 2:1 einfahren konnten und dabei nicht mal ansatzweise überzeugen konnten.
Das muss bei der EM gegen Frankreich und womöglich auch gegen England kein so großes Problem sein, weil man in diesen Spielen ohnehin das Spiel kaum selbst gestalten wird müssen. Im ersten Spiel gegen die Schweden allerdings könnte das zu einem Geduldspiel werden. Vielleicht nicht gar so übervorsichtig wie vor vier Jahren bei Schwedens Spiel gegen Griechenland – aber die Ukraine wird mit einem Erfolg starten müssen, um nicht gegen England und Frankreich unter Siegzwang zu stehen.
Mit einer Leistung wie in Innsbruck wird das aber kaum gelingen.
Fazit: Defensive gut, Offensive ausbaufähig, Chancenverwertung stark
Gut an der Vorstellung der Österreicher war das stringente Defensiv-Konzept, das durchgezogen wurde und an sich funktioniert hat. Gut war auch, dass man in der zweiten Halbzeit nicht mehr so viele Bälle durch überhastete Aktionen allzu leicht wieder verloren und im Ansatz gute Aktionen somit länger am Leben erhalten konnte – wodurch man die Partie deutlich in den Griff bekam. Und ebenfalls sehr zufriedenstellend muss man die Chancenverwertung nennen: Geradezu un-österreichisch wurden die wenigen echten Torgelegenheiten auch wirklich genützt, was letztlich den erfreulichen Sieg brachte.
Nicht so gut ist weiterhin das Spiel der Außenverteidiger, wenn nicht die jeweilige Einserlösung auf dem Feld ist. Klein ist in keinster Weise ein adäquater Ersatz für Garics auf der rechten Seite (und der bei seiner Hochzeit weilende Schiemer erst recht nicht). Ebenso wie Suttner auf der linken Seite zwar sicherlich einer der besten und konstantesten Linksverteidiger der österreichischen Liga ist, aber auch im zweiten Länderspiel nicht annähernd den Schwung und den Mut zur Offensive mitbringt wie Christian Fuchs. Und natürlich wäre es von Vorteil, einen Weg zu finden, wie man auch Marc Janko ins Spiel einbinden kann.
Dennoch: Im dritten Spiel unter Marcel Koller wurde wieder ein schöner Schritt nach vorne gemacht. Inhaltlich ist das natürlich alles nichts übertrieben Weltbewegendes, aber die Richtung zu einem Fußball, wie er den aktuellen internationalen Anforderungen entspricht, ist deutlich erkennbar. Das war ja davor nicht immer so.
(phe)
]]>Neunmal Deutschland. Einmal Holland. Und nur noch ein einziger Österreicher, der auch in Österreich spielt: Dummerweise war ausgerechnet Fränky Schiemer, wenn auch auf einer Position, die er eigentlich nicht kann, der mit sehr viel Abstand schlechteste Mann am Platz, verschuldete beide Gegentore zumindest mit und offenbarte so, dass auch unter Marcel Koller die Position des Rechtsverteidigers wohl die größte Baustelle bleibt.
Im ersten Spiel unter dem Schweizer war Österreich bemüht, das Heft in die Hand zu nehmen, hatte deutlich mehr Ballbesitz und setzte die Ukraine zum Teil recht früh unter Druck. Zwei Gegentore (eines halb durch die erste Hälfte, das andere in der Nachspielzeit) bescherten dem nicht wirklich beeindruckenden EM-Co-Gastgeber einen etwas schmeichelhaften 2:1-Erfolg, der aber eher zweitrangig ist. Viel wichtiger als das Resultat, zumal in einem Testspiel, sind die Erkenntnisse, die man nach einer Woche gemeinsamen Trainings unter Koller ziehen kann.
Umschalten nach Ballgewinn
Hier machten die Österreicher die beste Figur. Vor allem in der Anfangsphase, als die Ukrainer gerne mit einigen Leuten aufgerückt waren, ging das Umschalten sehr schnell und in deutlich geplanten Wegen: Schneller Pass auf einen sich etwas zurückfallen lassenden Spieler aus der Offensivreihe (zumeist Ivanschitz bzw. Arnautovic), der legt kurz für einen aus der hinteren Reihe ab (zumeist Alaba bzw. Fuchs), und starten steil nach vorne. Von hinten kommt dann entweder der Pass in den Lauf (Alaba) oder ein Dribbling (Fuchs).
Nach dem 0:1 klappte das nicht mehr wie davor. Das lag zu einem großen Teil natürlich daran, dass die Ukrainer sich zurückzogen, nicht mehr mit so vielen Spielern herausrückten und mit zwei Viererketten die Räume, durch die das ÖFB-Team zuvor hatte stoßen können, zumachten.
Spieleröffnung mit Zeit
Was deutlich wurde: Auch, wenn die Österreicher durchaus versuchten, das Spiel selbst zu gestalten – was gegen die sich etwas einigelnden Ukrainer auch gelang – bleibt eine Erkenntnis dieses Spiels, dass sich das ÖFB-Team mit der Reaktion immer noch deutlich leichter tut als mit der Aktion. Sprich: Umschalten und kontern geht besser als selbst das Geschehen nach vorne gestalten. Das ist nicht verwunderlich und auch ganz logisch, schließlich fehlte der Mannschaft in den letzten Jahren eine durchgängige Philosophie des eigenen Gestaltens, wurde selbst ein biederes Team wie Litauen stark geredet und es vermieden, selbst das Heft in die Hand zu nehmen.
Wie holprig das alles noch ist, wurde vor allem nach dem 0:1 deutlich. Nicht nur, dass Almers Abschläge eine Streuung wie eine Schrotflinte hatten und im Aufbau unbrauchbar waren. Nein, die Viererkette stand danach viel tiefer als zuvor (als sie sich im Ballbesitz knapp hinter der Mittellinie positionierte), sodass die schnellen Pässe auf Arnautovic und Ivanschitz nicht mehr möglich waren. Es war immer wieder zu sehen, dass Alaba und Baumgartlinger diese Pässe antizipierten und lossprinteten, aber der entsprechende erwartete Ball nach vorne nicht gespielt wurde. Immer mehr wurde daher auf lange Bälle zurückgegriffen – oder, was mehr Erfolg versprach, die linke Seite ins Spiel gebracht.
Die linke Seite
Es war schon beim Ivanschitz-Comeback in Aserbaidschan zu erkennen, wie gut er und sein ehemaliger Mainzer Teamkollege Christian Fuchs harmonieren. Diese beiden waren auch in diesem Spiel klar die besten Österreicher. Fuchs orientierte sich, wie das auch so sein muss, extrem weit nach vorne, legte dabei zumeist auf Ivanschitz ab und hinterlief ihn. So hatte Ivanschitz die Wahl, entweder in die Mitte zu spielen, selbst zu gehen oder wiederum Fuchs steil anzuspielen.
Der ukrainische Rechtsvertediger Fedetski hatte damit Probleme und Jarmolenko war viel in der Defensive gebunden. Die Ukrainer schafften es auch nicht, anders als die Gegner in den letzten Spielen, im Rücken von Fuchs den Platz zu nützen und dort eigene Angriffe aufzuziehen. Zum einen, weil Aliev immer recht zentral blieb und zum anderen, weil Pogatetz hier gut abdeckte. Es ist beinahe logisch, dass der zwischenzeitliche Ausgleich zum 1:1 über diese Flanke vorbereitet wurde: Fuchs eroberte den Ball, ging nach vorne und seine präzise Flanke fand den passenden Abnehmer.
Die Abwehrkette
Der Plan in der Anfangsphase war ganz deutlich, dass die beiden Innenverteidiger Prödl und Pogatetz sehr weit Richtung Außen verschoben und Baumgartlinger davor zentral absicherte, damit die Außenverteidiger schon im Aufbau nach vorne gehen konnten und dort anspielbar waren. Aber je länger das Spiel lief, umso mehr wurde klar, dass nur Fuchs sich dabei wirklich wohl fühlte, Schiemer aber überhaupt nicht.
Somit verlegte sich der einzige Spieler in der Partie, der es noch nicht aus der österreichischen Liga heraus geschafft hat, sehr auf die Defensive, sodass aus der Abwehr des ÖFB-Teams oftmals eine etwas windschiefe Dreierkette wurde: Fuchs preschte, wann immer es ging, nach vorne, Schiemer aber blieb hinten und sicherte ab. Mit doppelt negativem Effekt: Einerseits zog er gegen den flinken Konoplianka immer wieder den Kürzeren und war bei beiden Gegentoren recht ursächlich beteiligt, andererseits tötete er damit seine Seite offensiv komplett ab.
Die rechte Seite
Denn ohne den wirklich absolut inferioren Schiemer, der nicht die geringste Hilfe war, musste Harnik alles auf eigene Faust machen. Das Unbehagen war dem Stuttgart-Legionär deutlich anzumerken: Er sah, dass Schiemer defensiv gravierende Probleme hatte und zuweilen haarsträubende Fehl- und Risikorückpässe spielte, war sich aber seiner Verantwortung auch im Spiel nach vorne bewusst.
Die generelle Linkslastigkeit des Spiels – Fuchs/Ivanschitz, dazu die zumeist über die halblinke Seite aufziehenden Alaba und Arnautovic – nahm Harnik zusätzlich aus dem Spiel. Er versuchte es, indem er nach innen zog und sich zumindest in der Zentrale anbot, aber auch das half nichts. Die rechte Seite blieb einsames und unbespieltes Gelände, auch nachdem Harnik nach einer Stunde Veli Kavlak hatte weichen müssen.
Baumgartlinger und Alaba
Das Duo im defensiven Mittelfeld harmoniert an sich recht gut und die Frage, wo da ein Paul Scharner reinpasst, stellt sich durchaus – auch, wenn David Alaba vor allem in der zweiten Hälfte deutlich abbaute, sich nur noch auf Sicherheitsbälle verlegte und eine Leistung zeigte, die wohl irgendwo zwischen „brav“ und „dezent“ liegt. Zu Beginn der Partie war Alaba ein deutlicher Aktivposten, stets bemüht immer anspielbar zu sein. Ein Achter mit deutlichem Zug nach vorne, gut eingebunden ins schnelle Spiel nach vorne, eben vor allem nach schnellem Umschalten. Zumindest bis zur Pause.
Julian Baumgartlinger spielte seinen Part als Sechser vor der Viererkette sehr ordentlich. Er eroberte viele Bälle und versuchte sie wie in besten Tagen, diese mit möglichst wenig Risiko möglichst gewinnbringend weiter zu leiten. Man merkt ihm die Spielpraxis, die er in den letzten Wochen in Mainz immer mehr bekommt, durchaus an. Je länger das Spiel dauerte, umso mehr wurde Baumgartlinger der dominante Teil dieses Duos. Eine Leistung, auf die man aufbauen kann.
Arnautovic
Beim Bremer ist es so eine Sache: Entweder er geigt richtig auf, reißt das Spiel an sich und damit die ganze Mannschaft mit, oder es gelingt ihm wenig bis gar nichts. In Lemberg klappte bei ihm leider kaum etwas. Ihm versprangen einige Bälle (was sicher auch, aber nicht nur mit dem Baustellenrasen zusammen hängt), er konnte Zuspiele nicht verarbeiten und brachte kaum einen Pass wirklich an.
Seine Rolle war im System recht klar definiert: Gegen den Ball sollte er vorne praktisch auf einer Höhe mit Janko stehen und die gegnerische Spieleröffnung stören – hier wurde aus der österreichischen Formation ein 4-4-2 – bei eigenen Angriffen aber ließ sich Arnautovic eher etwas fallen, agierte von hinten heraus, um mit Steilpässen die im Vorfeld von Marcel Koller geforderten Bälle aus der Tiefe zu spielen. Das Highlight in seinem Spiel war sicher das Tor, das – sagen wir mal so – jeweils zu einem Drittel Janko (der den Ball vors Tor brachte), Kutcher (der wohl als letzter dran war) und Arnautovic (der den Einsatz des ukrainischen Innenverteidigers provozierte) gehört.
Das war gut
Das Bemühen war klar ersichtlich, dass auch gegen einen vom Potenzial her sich in etwa auf Augenhöhe befindenden Gegner das Spiel selbst gemacht werden sollte. Das war ja unter Constantini, wie erwähnt, nicht mal daheim gegen klar schwächere Kontrahenten immer so. Gerade in der Anfangsphase wurde der Gegner schon sehr hoch angepresst, was es den Ukrainern unmöglich machte, selbst das Geschehen konstant und zielführend in die österreichische Hälfte zu verlagern. Selbst in der Phase nach dem 0:1, als beim ÖFB-Team nach vorne kaum mehr etwas ging, wurde so zumindest ein nachhaltiges Aufkommen der Ukrainer verhindert.
Dazu war natürlich einmal mehr die linke Seite das Prunkstück der Mannschaft. Fuchs zeigte vor allem im direkten Vergleich mit Schiemer, wie wichtig ein funktionierender offensiver Außenverteidiger ist, wenn man die Initiative übernehmen will. Der Schalker war ständig im Vorwärtsgang und dank Pogatetz brannte in seinem Rücken relativ wenig an.
Das war nicht gut
Anders als beim eh schon übervorsichtigen Schiemer, der sich mit dieser Leistung recht nachhaltig für weitere Einsätze als Rechtsverteidiger disqualifiziert hat. Ein Glück, dass Gyuri Garics nach fast einem Jahr endlich wieder spielen kann – sollte er in Bologna über den Winter Spielpraxis sammeln können, führt an dem von Constantini auf so schäbige Weise verstoßenen Italien-Legionär kein Weg vorbei.
So bemüht das ÖFB-Team war, das eigene Spiel dem Gegner aufzuzwingen, so wenig zwingend war das in diesem Spiel letztlich. Aber, wie erwähnt, das braucht Zeit und einige Spiele, die mit diesem Ansatz, positiven Fußball selbst spielen zu wollen, durchgezogen werden. Nur so kann sich die Mannschaft so weit finden, dass Automatismen entstehen und das alles konkreter und mit mehr Torgefahr aufziehen zu können.
Ausblick
Zweifellos, die Spieler dazu sind absolut vorhanden. Fuchs und Ivanschitz links sowieso, Baumgartlinger und Alaba sind beides spielintelligente Jungs mit dem Blick nach vorne gerichtet, Janko arbeitet vorne viel – jetzt braucht es nur noch ein Gegenstück zu Fuchs auf der rechten Seite.
Gegen Finnland – ein Team, das nicht annähernd die Qualität der Ukrainer hat – darf man beim nächsten Test im Februar schon erwarten, dass der grundsätzliche Ansatz der gleiche sein wird. Positiven Fußball, den will Marcel Koller sehen.
Und wir auch.
(phe)
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