Bini – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 27 Sep 2013 10:03:20 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Die endgültige Abkehr von der Eigeninitiative: Umschaltspiel nun auch bei den Frauen „in“ https://ballverliebt.eu/2013/08/02/die-endgultige-abkehr-von-der-eigeninitiative-umschaltspiel-nun-auch-bei-den-frauen-in/ https://ballverliebt.eu/2013/08/02/die-endgultige-abkehr-von-der-eigeninitiative-umschaltspiel-nun-auch-bei-den-frauen-in/#comments Thu, 01 Aug 2013 23:48:31 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9272 Die endgültige Abkehr von der Eigeninitiative: Umschaltspiel nun auch bei den Frauen „in“ weiterlesen ]]>

Es sah so aus, als wäre Norwegen dazu bestimmt, Schwedens EM-Erfahrungen bei diesem Turnier innerhalb eines Matches im Schnelldurchgang zu absolvieren. Zwei schwache Elfmeter in einem Spiel, beide pariert? Japp. Ein Stellungsfehler zum 0:1 gegen Deutschland? Das vermeintliche 1:1 erzielen, das wegen Abseits nicht zählt? Oh ja. Gegen Deutschland verlieren? Auch.

– Simon Bank, Aftonbladet, 29. Juli 2013

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„Vor der Raserei der Nordfrauen bewahre uns, gnädiger Herrgott!“ – Cover des Sportteils von Aftonbladet nach dem Viertelfinale

Einerseits hat die EM-Endrunde 2013 die Hierarchien im Frauenfußball aufgeweicht. Spanien etwa, eigentlich ein irrelevantes Land, bestätigte den bei diversen Junioren-Turnieren gezeigten Aufwärtstrend, kam in Viertelfinale. Ebenso wie Island, ein Team, das zuvor bei einer EM noch nie einen Punkt holen konnte. England, Finalist von 2009, und Holland, Halbfinalteilnehmer vor vier Jahren, krachten dafür schmählich in der Vorrunde raus.

Andererseits aber hat das Turnier die Hierarchien aber auch bestätigt. Deutschland holte mal wieder den Titel – zum sechsten Mal in Serie, zum achten Mal insgesamt -, mit Schweden und Norwegen waren zwei ganz klassische Frauenfußball-Nationen im Halbfinale, Dänemark stellt auch schon immer gute Teams.

Dass eben mit Schweden, Norwgen und Dänemark drei skandinavische Mannschaften im Halbfinale standen, verleitete Aftonbladet, die größte Zeitung Schwedens, dazu, auf dem Cover der Sportbeilage den Spielerinnen Ada Hegerberg (Norwegen), Lotta Schelin (Schweden) und Pernille Harder (Dänemar) Wikingerhelme aufzusetzen und in Anlehnung an das mitteleuropäische Gebet aus dem Mittelalter zu titeln: „Vor der Raserei der Nordfrauen bewahre uns, gnädiger Herrgott!“

…und Gott schickte die Deutschen

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Am Ende war aber dann doch alles wie immer: Wie schon 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005 und 2009 stemmte auch 2013 eine deutsche Kapitänin nach dem Endspiel den gläsernen EM-Pokal in die Luft. Das DFB-Team war sicher nicht die aufregendste Mannschaft des Turniers, wahrscheinlich auch nicht die beste, offenbarte vor allem in der Vorrunde teils massive taktische Unzulänglichkeiten. Aber als es drauf ankam, war Deutschland jenes Team, das die wenigsten entscheidenden Fehler machte.

Deutschland 4-4-1-1. Schwung kam erst ins Spiel, als Simone Laudehr in die Mannschaft rutschte.
Deutschland 4-4-1-1. Schwung kam erst ins Spiel, als Simone Laudehr in die Mannschaft rutschte.

Natürlich war Nadine Angerer die beste Torfrau des Turniers – mit viel Abstand. Natürlich hielt Annike Krahn mit ihrer Übersicht den Laden hinten zusammen. Und natürlich spielte Saskia Bartusiak im Halbfinale gegen Schweden die beste Partie ihres Lebens.

Letztlich war es aber doch ein anderer personeller Glücksgriff von Silvia Neid, der ihr das Turnier rettete. Nämlich jener, nach einer ziemlich erbärmlichen Vorrunde Simone Laudehr auf den linken Flügel zu stellen. Nun spielte zwar immer noch Lotzen auf der falschen Position, konnte Celia Okoyino da Mbabi ihr Tempo immer noch nicht ausspielen, musste Dzsenifer Marozsan immer noch viel zu hoch spilene in einem 4-4-1-1, das eigentlich ein astreines 4-4-2 ist und von deutschen Medien nur noch aus Gewohnheit fälschlicherweise immer noch als 4-2-3-1 angegeben wird. Aber Laudehr brachte Antrieb und Energie in ein lethargisches und kopfloses Team.

Ein abgefälschter Weitschuss nach einer Ecke im Viertelfinale gegen Italien. Ein Kullertor im Halbfinale gegen Schweden. Ein Konter im Finale gegen Norwegen. 1:o, 1:0, 1:0 – weil hinten keine entscheidenden Fehler gemacht wurde (letztlich waren ja auch die beiden geschenkten Elfer im Finale keine), reichte es zum Titel und die ganze (berechtigte!) Kritik an Silvia Neid ist vergessen.

Teamchefin mit Zugriff auf Vereins-Aufstellungen

Es erinnerte bei Schweden viel an die Herren-WM in Deutschland 2006: Ein mühsamer Auftakt, der Startschuss zur Mega-Euphorie im zweiten Spiel, und dann das Aus im Halbfinale. Nachdem das Trekronor-Team in den Monaten davor komplett auf links gedreht worden war. om schematischen Fußball mit Konzentration auf gute Defensive und ein dichtes Zentrum unter dem farblosen und etwas spröden Thomas Dennerby auf ein Spiel mit viel Tempo, hoher Abwehrlinie, Pressing und Flügelspiel. So wie es dem Naturell der vor Lebensfreude sprühenden Hobby-Rockmusikerin Sundhage entspricht.

Schweden: 4-4-2, extrem viel Eigeninitiative, hohe Linie, Konzentration auf das Flügelspiel
Schweden: 4-4-2, extrem viel Eigeninitiative, hohe Abwehrlinie, Konzentration auf das Flügelspiel

Die in ihrem Land so viel Rückhalt hatte, dass sie sogar den Vereinen diktieren konnte, wo sie ihre Spielerinnen im Liga-Betrieb aufzustellen hatten, damit sie im Nationalteam ins System passen. Nilla Fischer etwa, ein klassischer Sechser, sollte unter Sundhage Innenverteidigung spielen – Linköping-Trainer Sjögren gehorchte und stellte die Bald-Wolfsburgerin brav ins Abwehrzentrum.

Die Defensive funktionierte letztlich besser als erwartet (vor allem nach den wackeligen Eindrücken vom Algarve Cup), und es vielen gegen die bei Flanken überforderte finnische Mannschaft (5:0) und die vor Ehrfurcht erstarrenden Isländerinnen (4:0) jede Menge Tore. Aber ohne Flaws war auch Schweden nicht. Die Außenverteidiger-Positionen waren schwach besetzt (Thunebro körperlich zu langsam, Samuelsson gedanklich), auf dem linken Flügel war Göransson zu eigensinnig und Jakobsson zu wenig robust. Und Goalie Kristin Hammarström ist zwar gut auf der Linie, aber wehe, sie muss den Ball mit dem Fuß annehmen.

Sundhage hat Schweden inhaltlich zweifellos deutlich nach vorne gebracht, aber in Richtung WM in zwei Jahren gilt es noch einige Fragezeichen zu beheben. Etwa, wie es gelingt, massierte und gutklassige Abwehrreihen zu knacken. Da muss noch viel mehr von Kosse Asllani kommen. Denn dass man Schelin stoppen kann, wenn man Steilpässe in ihren Lauf verhindern kann, haben nun doch schon einige Trainer verstanden.

Frankreich, das Spanien des Frauen-Fußballs

Nun ist es dem französischen Verband also doch zu bunt geworden. Unnötige Selbstfaller und mangelnde Konsequenz in wichtigen Spielen kosteten Frankreich in den letzten vier Jahren (arguably) einen EM-Titel, ein WM-Finale und ein EM-Finale. Nach dem Turnier wurde Teamchef Bruno Bini nun also entlassen – weniger wegen taktischer Fehler (wiewohl es auch da einige kleinere Fragezeichen gab), sondern wegen konstantem Under-Achievements.

Dabei ist Frankreich so ein wenig, was Spanien lange bei den Herren war bzw. in Teilen noch ist. Die klar beste Klub-Mannschaft der letzten Jahre (Lyon, in den letzten vier Saisonen immer im CL-Finale), auf dem Papier der wohl beste Kader, aber man schafft es immer irgendwie, dennoch zu scheitern. Auch, weil es keinen wirklichen Plan B gibt – wie bei Spanien. Weil Plan A oft genug funktioniert. Aber wehe, wenn nicht.

Frankreich: 4-2-3-1 mit Abily auf rechts und Nécib im Zentrum. Womöglich die falsche Besetzung.
Frankreich: 4-2-3-1 mit Abily auf rechts und Nécib im Zentrum. Womöglich die falsche Besetzung.

So etwas wie die Brechstange gibt es bei Frankreich nicht. Auch, weil eine fehlt, die im Zentrum mal Kopfbälle holen könnte – allenfalls Wendie Renard, die als möglicher Plan B aus der Innenverteidigung nach vorne gehen könnte (es aber nicht tut). Dazu eine Louisa Nécib, die zwar eine tolle Technikerin ist, es ihr aber an der taktischen Disziplin fehlt.

Bini fehlte es vermutlich ein wenig an der Konsequenz, um wirklich die beste Mannschaft im besten System aufzustellen. Er wollte die umsichtige Bussaglia, die lange verletzt war, unbedingt in der Mannschaft haben. Er wollte Sandrine Soubeyrand, die Grand Dame des Teams, umbedingt drin haben. Womit er für Cammy Abily, bärenstark als Achter, eine neue Position brauchte – und diese rechts im Mittelfeld fand. Und er wollte aber auch nicht auf die Technik von Nécib verzichten.

Gegen Russland experimentierte Bini mit einem 4-3-3 mit Abily auf der Acht und Nécib als Rechtsaußen. Wenn er auf Nécib, die ihre Seite oft verwaist ließ, verzichtet hätte, wäre das wohl eine gute Option gewesen. Letztlich ging Bini aber wohl zu viele Kompromisse ein und die extrem flexible Mannschaft auf Dänemark packte in eine ihrer vielen Schubladen und kramte die Variante „Mauern“ aus.

So war für die am Papier beste Mannschaft es Turniers schon im Viertelfinale Feierabend. Auch, weil Nécib, die schon während des Spiels einen Elfer nur mit Mühe reinzitterte, im Shoot-Out randurfte und (natürlich) scheiterte.

Norwegische Glücksritter

Frankreich und sicher auch Schweden waren deutlich bessere Mannschaften als Norwegen. Dass es letztere aber ins Finale geschafft haben war mehr glücklichen Umständen zu verdanken als eindenen Verdiensten. Der Sieg gegen die da noch völlig indisponierten Deutschen in der Gruppe brachte dort den ersten Platz, dann profitierte man davon, dass sich der auf dem Papier logische Halbfinal-Gegner Frankreich schon im Viertelfinale praktisch selbst eliminierte. Dann besiegte man dann in der Vorschlussrunde Dänemark im Elfmeterschießen – und im Finale eröffneten zwei lächerliche Strafstöße sogar die Chance zum Turniersieg.

Norwegen: 4-3-3, wenig Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld lassen, wenig zulassen.
Norwegen: 4-3-3, wenig Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld gewähren, wenig zulassen.

Dabei war das 1:0 im zweiten Gruppenspiel gegen Holland der erste Sieg überhaupt, seit Even Pellerud, Weltmeister-Trainer von 1995, im Winter wieder das Zepter übernommen hatte. Auf meine Frage, ob er nach dem 1:1 zum Start gegen Island den Finaleinzug für möglich hielt, antwortete Co-Trainer Roger Finjorg, der Derwisch in der Coaching-Zone, unumwunden: „Nein, hätte ich nicht!“

Norwegen steigerte sich von Spiel zu Spiel, ließ hinten bis ins Finale sehr wenig zu (ein Elfer gegen Island, ein bedeutungsloses Tor in der Nachspielzeit gegen Spanien als es schon 3:0 stand und eins nach einem Eckball gegen Dänemark). Die tragenden Säulen der Mannschaft sind aber praktisch alle jenseits der 30 – die junge und fraglos talentierte Sturmreihe mit Hegerberg, Hansen und Hegland zeigte relativ wenig.

Damit, dem Gegner wenig Platz zwischen den Reihen zu gewähren, mit guter Physis und großer Erfahrung die Defizite im Tempo auszugleichen, ist Norwegen in diesem Turnier gut gefahren. Nachhaltig ist das mit dieser alten Mannschaft aber nicht – ein Generationswechsel ist zweifellos vonnöten. Obwohl Finjord sagt: „Bis zur WM in zwei Jahren soll auch von den Alten keine aufhören!“

Extrem flexibles Dänemark

Schade ist es schon, dass Kenneth Heiner-Møller dem Fußball (zumindest vorerst) den Rücken kehrt. denn der Teamchef der dänischen Mannschaft war ohne jeden Zweifel mit Abstand der flexibelste und interessanteste des Turniers. Er brachte in jedem Spiel eine zum Teil völlig andere taktische Einstellung ins Spiel und richtete sein Defensiv-Konzept voll und ganz am Gegner aus. Etwa mit tief abkippender Sechs und extrem hohen Außenverteidigerinnen gegen die flügelstarken Schwedinnen. Oder die volle Offensive gegen Finnland. Oder die beim Algarve Cup getestete strikte Defensive gegen Frankreich.

Dänemark: Flexibel zwischen 4-2-3-1 und 4-4-2, polyvalente Spielerinnen - aber vorne zu harmlos.
Dänemark: Flexibel zwischen 4-2-3-1 und 4-4-2, polyvalente Spielerinnen – aber vorne zu harmlos.

Und gegen Norwegen im Halbfinale stellte er zuweilen auf ein 3-3-4 um, als es galt, den 0:1-Rückstand aufzuholen. Was bei all den Überlegungen aber auch unverkennbar war: Pernille Harder konnte als Torjägerin überhaupt nicht glänzen. Dänemark war zwar hochinteressant, mit unerwarteten Varianten im Aufbau (etwa, dass Harder auf die Zehn geht, die LM in die Spitze und die LV hoch nach vorne).

Aber in der letztlich Konsequenz schlicht und einfach zu harmlos war. Wenn man einen Knipser hätte, wären am Ende der Vorrunde sieben Punkte zu Buche gestanden und nicht zwei, man hätte sich die unselige Auslosung gegen Russland erspart, wer noch als Gruppendritter weiterkommt, und es hätte gegen Norwegen nicht eines Glückstores gebraucht, um das 1:1 zu schießen und in die Verlängerung zu kommen.

Dennoch: Dänemark hat – obwohl kein einziges Spiel in 90 Minuten gewonnen wurde – inhaltlich überzeugt und hat damit mehr erreicht, als man vor dem Turnier erwarten konnte.

Überraschungs-Viertelfinalisten

Das gilt auch für Spanien und für Island. Spanien glänzte vor allem mit guter Technik (was vor allem gegen England offensichtlich wurde), hat mit Vero Boquete eine exzellente Stürmerin zur Verfügung und dazu jede Menge Talent in der Mittelfeld-Offensive.

Spanien: 4-2-3-1, starke Offensiv-Abteilung, aber absolut null Impulse von hinten heraus.
Spanien: 4-2-3-1, starke Offensiv-Abteilung, aber absolut null Impulse von hinten heraus.

Wo Jenni Hermoso als flexibles Mittelding aus Zehner und hängender Spitze viel Raum abdeckte, wo US-Legionärin Adriana Martín gute Spiele zeigte. Und wo U-19-Vize-Europameisterin Alexia Putellas mit ihrer Energie im Laufe des Turniers den Stammplatz von der routinierteren Sonia Bermudez bekommen hat.

Aber so groß das Talent vorne ist, so viel Nachholbedarf gibt es von hinten heraus. Weil die beiden Sechser Meseguer und Nago, aber auch die zuweilen statt Letzterer spielende Vilanova, nur Quer- und Rückpässe kommen, aber keinerlei Impulse nach vorne kommen. Auch die Innenverteidigung traut sich nicht, den ersten Pass zu spielen. Vor allem Irene Paredes, die mit ihrem eher patscherten Eigentor zum 0:2 im Viertelfinale gegen Norwegen das Aus besiegelte, drosch die Bälle nur blind nach vorne.

Das Viertelfinale hat man sich aber dennoch verdient, weil man klar besser war als England und Russland – nachdem vor dem Turnier ein Vorrunden-Aus programmiert schien.

Island: 4-4-2, in dem Viðarsdóttir und Gunnarsdóttir ganz klar herausstechen.
Island: 4-4-2, in dem Viðarsdóttir und Gunnarsdóttir ganz klar herausstechen.

Das war es auch Island. Das Team von der 300.000-Einwohner-Insel im Nordatlantik war beim Erstauftritt vor vier Jahren mit drei Niederlagen nach Hause geschickt worden und trat nun den Beweis an, dass auch mit nur zwei wirklich guten Spielerinnen (Viðarsdóttir und Gunnarsdóttir), einer soliden Torfrau und gutem Teamgeist in einer sonst ziemlich durchschnittlich besetzten Truppe reichen können, um ins Viertelfinale zu kommen.

Man erkämpfte sich ein 1:1 gegen Norwegen, war beim 0:3 gegen Deutschland komplett harmlos und wusste vor dem Spiel gegen Holland: Ein Sieg, und das Viertelfinale ist erreicht. So lauerte Island auf holländische Ballverluste, schaltete blitzschnell um, kam über die Flügel nach vorne und hatte so Chancen, auch deutlich höher als 1:0 zu führen. Nach der Pause wurde verwaltet und gemauert, es klappte. Dass es dann im Viertelfinale ein 0:4 gegen Schweden gab – geschenkt.

Was Island zeigte, war weder aufregend noch ausgeklügelt, aber es hat funktioniert. Klar ist aber auch: Das ist das absolute Plafond für Island.

Cabrini findet deutliche Worte

Italien, 4-3-3: Es ist alles auf Panico zugeschnitten. Das macht das Team ausrechenbar.
Italien, 4-3-3: Es ist alles auf Panico zugeschnitten. Das macht das Team ausrechenbar.

Der Plafond ist das Viertelfinale im Moment auch für Italien und mit dem anstehenden Karriereende der mittlerweile 38-jährige Patrizia Panico werden bald andere Verantwortung übernehmen müssen. Denn das ganze Spiel ist auf jene Frau zugeschnitten, die 1997 mit dem letzten italienischen Frauen-Team von Relevanz im EM-Finale gestanden war – zu einer Zeit, als es noch reichte zwei gute Stürmerinnen zu haben (neben Panico damals Carolina Morace). Das wurde im Viertelfinale gegen ein verwundbares deutsches Team deutlich. Dazu waren die Adjutanten des Altstars aus dem Spiel – Gabbiadini durch gute Gegenspieler, Camporese durch Verletzung.

„Italien hat als klassisches Fußball-Land das Potenzial, auch bei den Frauen eine tragende Rolle zu spielen“, nahm Cabrini nach dem 0:1 im Viertelfinale den Verband in die Pflicht, „dafür muss der Frauen-Fußball aber bei unseren Entscheidungsträgern mehr Raum einnehmen. Sonst sitzen wir in vier Jahren wieder nach dem Viertelfinale hier und sagen: ‚Brav gespielt, aber halt verloren‘.“

Mit Neboli, De Criscio und Salvai gibt es gute, jüngere Abwehr-Leute, Alice Parisi ist ganz okay auf der Achter-Position. Aber die bringen Italien nicht in die Diskussion um Finalplätze. Vor allem aber braucht es Alternativen zu Panico ganz vorne. Die sind nämlich nicht in Sicht.

Der Total-Kollaps von England

Die BBC übertrug dieses Turnier flächendeckend. Umso bitterer, dass die englische Mannschaft – gemessen an ihren Erwartungen – die mit Abstand größte Enttäuschung bei diesem Turnier war. „Für die K.o.-Runde kommen nochmal mehr Leute von uns“, erklärte mir ein BBC-Moderator schon nach dem 2:3 zum Auftakt gegen Spanien nicht ohne einen gewissen Fatalismus, „es ist also wie immer: Wir rücken mit aller Macht an, wenn England draußen ist!“

England, 4-irgendwas-1: Im Zentrum herrschte das pure Chaos, nach vorne gab's keinen Plan, hinten war man fehleranfälig.
England, 4-irgendwas-1: Im Zentrum herrschte das pure Chaos, nach vorne gab’s überhaupt keinen Plan, hinten war man fehleranfälig.

Und man muss sagen: Die Three Lionesses haben alles dafür getan, um den Aufenthalt in Schweden so kurz wie möglich zu gestalten. Weil mein keine adäquate eigene Torfrau hat, wurde die US-Amerikanerin Bardsley eingebürgert – die schon gegen Spanien ein Gegentor verschuldete und ein zweites gleich höchst selbst fabrizierte.

Vor allem aber die Mittelfeld-Zentrale versank im Chaos. Asante, Williams und Jill Scott spielten einfach irgendwie, ohne offensichtlichen Plan. Jede durfte mal hinten, mal vorne, mal halblinks und mal halbrechts. Dabei schienen sie sich selbst aber mehr zu verwirren als die Gegner, weil sich permanent Räume öffenete. Und vorne war man ohne die (mal wieder) angeschlagene Kelly Smith ein Ausbund an Harmlosigkeit.

Von Spanien wurde mal vor allem was die individuelle Technik angeht lächerlich gemacht, gegen die eher biederen Russinnen musste ein abgefälschtes Dusel-Tor in der Nachspielzeit herhalten, um zumindest das 1:1 zu retten und gegen Frankreichs B-Garnitur war man sowieso chancenlos. Als auch nach Punkten schlechtestes Team des Turniers müsste eigentlich auch die langjährige Teamchefin Hope Powell ihre Position hinterfragen. Wenn es schon die FA nicht tut.

Vor allem aber wird es notwendig sein, sich zu professionalisieren – selbst bei den englischen Top-Klubs wird oft nur zwei-, dreimal pro Woche trainiert. So wird der Rückstand natürlich nicht kleiner.

Holland: 4-2-3-1, hinten ganz okay, aber vorne gab es keine Ideen und auch unverständliche Wechsel
Holland: 4-2-3-1, hinten ganz okay, aber vorne gab es keine Ideen und auch unverständliche Wechsel

Größer ist der Rückstand eindeutig für Holland geworden, seit Vera Pouw nicht mehr Teamchefin ist. Unter ihr war man vor vier Jahren noch ins Halbfinale gekommen und zwang dort England in die Verlängerung, nun gelang unter Roger Reijers in drei Spielen kein einziges Tor.

Weil man hinten zwar gut stand (nur zwei Gegentreffer), aber nach vorne erschreckend ideenlos war und auch, weil Reijners einige seltsame Wechsel vollführte – wie etwa, gegen Norwegen nach dem Rückstand Konterstürmerin Versteegt zu bringen statt Strafraum-Spielerin De Ridder. Auch seine Maßnahme, mit Spitse und Slegers zwei Sechser spielen zu lassen, aber auf einen Achter zu verzichten (obwohl mit Dekker ein guter da gewesen wäre), muss man nicht verstehen.

Die Vermutung liegt Nahe, dass das Potenzial von Oranje irgendwo zwischen Halbfinale (2009) und Totalversagen (2013) liegt. Wo genau, wird auch daran liegen, wie sich die gemeinsame Liga mit Belgien etabliert. Holländische Journalisten sind sich jedenfalls sicher: „Belgien profitiert davon sicher deutlich mehr als wir…“

Noch ein wenig Österreich-Bezug

Der letzte Pflichtspiel-Gegner der ÖFB-Frauen war letzten Herbst im Play-Off Russland. Damals war die Spielanlage der Russinnen reaktiv und auf Konter ausgelegt. Das war nun auch bei der EM so. Was zeigt: Ein System alleine sagt noch nichts. Man kann aus einem 4-3-3 reaktiv spielen (wie Russland letzten Herbst) und aus einem 4-4-1-1 (wie Russland bei der EM auftrat) genauso.

Russland, 4-4-1-1: Ein Team, das sich deutlich wohler fühlt, wenn es das Spiel nicht selbst machen muss.
Russland, 4-4-1-1: Ein Team, das sich deutlich wohler fühlt, wenn es das Spiel nicht selbst machen muss.

Mit dieser Spielanlage hätte man fast gegen England gewonnen, hätte man nicht in der Nachspielzeit noch ein unglückliches Tor geschluckt. Im letzten Gruppenspiel gegen Spanien war Russland dann aber gezwungen, selbst etwas für das Spiel zu tun (weil Spanien mit dem Stand von 1:1 zufrieden war und auch bei einer Niederlage im Viertelfinale gewesen wäre), und da merkte man sehr wohl die Limitierungen der Mannschaft.

Man versuchte es über die Flügel, aber da sind nun mal eher Konterspieler auf dem Feld. Die kleine Nelli Korovkina auf der Position der hängenden Spitze ist eine unangenehme Presserin, aber nicht torgefährlich. Alles in allem eine eher biedere Mannschaft, die dann auch noch das Pech hatte, dass sie gegen Spanien um einen klaren Elfmeter geprellt wurde und dann auch noch den Los-Entscheid um das Viertelfinale gegen Dänemark verlor.

Dennoch wurde man den Eindruck bei der EM nicht los, dass Russland gut genug und clever genug ist, in der Quali nichts anbrennen zu lassen und sich die Teilnahme an so einem Turnier durch diese Attribute zu sichern (wie gegen Österreich), aber für den nächsten Schritt – das tatsächliche Mitmischen – nicht die nötige Qualität da ist.

Finnland, 4-4-1-1: Das Zentrum ist phantasiebefreite Zone, die Abwehr ist bei Flanken verwundbar.
Finnland, 4-4-1-1: Phantasiebefreite Zemtrale und die Abwehr ist bei Flanken verwundbar.

Die nötige Qualität ließ mit Finnland der Hauptgegner des ÖFB-Teams um Gruppenplatz zwei in der im September startenden WM-Quali für Kanada 2015 vor allem in zwei Bereichen vermissen: Bei der Kreativität im Mittelfeld (die ist nicht vorhanden) und beim Verteidigien von Flanken (ein Desaster).

Der Schwung der Heim-EM 2009 (wo man sogar als Gruppensieger ins Viertelfinale kam) ist verflogen, da konnte auch Andrée Jeglertz, ein erfahrener und erfolgreicher Frauenfußball-Trainer nicht viel retten. Aus dem Mittelfeld-Zentrum kommen überhaupt keine Ideen, das ist eine phantasiebefreite Zone. Und, das wurde vor allem bei der 0:5-Abfuhr gegen Schweden deutlich: Die Außenverteidiger können Flanken nicht verhindern und die Innenverteidiger können sie nicht verteidigen.

Hier hat Österreich durchaus eine Chance, weil man rein vom Talent her garantiert nicht hinter Finnland einzureihen ist. Von der Erfahrung in wichtigen Spielen aber sehr wohl.

Fazit: Niemand ohne Flaws – und die Spielanlagen haben sich komplett gedreht

Vom Zuschauer-Zuspruch (8.600 pro Spiel, 41.000 beim Finale) war das Turnier die beste Frauen-EM überhaupt, und das gilt auch für das gezeigte Niveau – wiewohl natürlich klar ist, dass es noch ziemlich Luft nach oben gibt. Es ist keine Mannschaft dabei gewesen, der man aktuell zutrauen könnte, die USA in einem Ernstkampf zu besiegen.

Alle Teams zeigten Flaws. Alle, die ihre Ziele nicht erreicht haben, müssen sich an der eigenen Nase nehmen. Bis auf Island kann keine Mannschaft mit den gezeigten Leistungen wirklich zufrieden sein, nicht einmal Deutschland. Oder: Gerade Deutschland nicht. Es war ein erkämpfter Titel, kein glanzvoller. Zustandegekommen auch deswegen, weil sich mit Frankreich und Schweden die zwei Haupt-Konkurrenten mehr oder weniger selbst besiegten. Anders gesagt: Obwohl das generelle Niveau hoch wie nie bei einer EM war, wurde Deutschland vor allem deshalb Europameister, weil es alle anderen verdaddelt haben.

Frankreich durch Ratlosigkeit und schwache Elfer gegen Dänemark. Schweden mit horrend schlechter Chancen-Verwertung gegen Deutschland. Norwegen durch zwei verschossene Strafstöße im Finale.

Augenscheinlich wurde, dass (bis auf Dänemark) kein Team einen echten Plan hatte, wie man mit Rückständen umgehen solle. Dänemark hatte einen solchen zwar, aber dafür fehlten die torgefährlichen Spielerinnen. Nur wenige Teams nahmen wirklich das Heft des Handelns konsequent selbst in die Hand (Schweden, Frankreich, bis zu einem gewissen Grad auch Dänemark und Spanien). Das heißt: War es früher so, dass die guten Mannschaften vor allem von guten Stürmerinnen lebten (wie Hamm bei USA, Marta bei Brasilien, Prinz bei Deutschland, auch Morace/Panico bei Italien, Svensson/Ljungberg bei Schweden) oder Mittelfeld-Gestalterinnen (wie Moström bei Schweden, Neid bei Deutschland, Riise bei Norwegen), so ist diese EM der endgültige Pflock im Boden, der die Umkehr der Spielanlagen markiert.

Die überwiegende Mehrheit der Teams spielt nun aus einer gesicherten Defensive heraus ein Umschalt- und Konterspiel oder, wie etwa Deutschland, ein Pressing- und Umschaltspiel. In jedem Fall aber darauf ausgelegt, in den Umschaltphasen die Unordnung beim Gegner zu nützen, anstatt durch eigenes Kreativspiel zum Torerfolg zu kommen.

Womit auch der Frauen-Fußball von einem modernen Trend des Herren-Fußballs erfasst wurde.

(phe)

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Papierform heißt gar nix. Gell, England? https://ballverliebt.eu/2013/07/16/papierform-heist-gar-nix-gell-england/ https://ballverliebt.eu/2013/07/16/papierform-heist-gar-nix-gell-england/#comments Mon, 15 Jul 2013 22:10:28 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9088 Papierform heißt gar nix. Gell, England? weiterlesen ]]> 11. Juni 2005: Dänemark braucht bei der Frauen-EM in England am letzten Gruppenspieltag gegen Finnland ein Remis, um die nächste Runde – damals gleich das Semifinale – zu erreichen. Es gab ein 1:2, Dänemark war raus. 29. August 2009: Dänemark braucht bei der Frauen-EM in Finnland am letzten Gruppenspieltag gegen Holland ein Remis, um die nächste Runde – damals das Viertelfinale – zu erreichen. Es gab wieder ein 1:2, Dänemark war wieder raus. Nun ist die Situation eine andere: Dänemark braucht gegen Finnland einen Sieg, um noch eine Chance zu haben. Laut Papierform müssten sie das schaffen.

Aber was „Papierform“ heißen muss, erfährt der noch amtierende Vize-Europameister England. Gar nix nämlich. Denn trotz des Ausgleichs in der Nachspielzeit zum 1:1 gegen Russland: Weil man gegen die auch beim 1:0 über Spanien souveränen Französinnen gewinnen wird müssen, ist man zu 99% ausgeschieden. Zumindest laut Papierform. Über die sich aber auch bei den Organisatoren nicht alle klar sein dürften…

Frankreich - Spanien 1:0 (1:0)
Frankreich – Spanien 1:0 (1:0)

Ecke von der rechten Seite, die 1.87 m große Wendie Renard ist mit dem Kopf zur Stelle, das 1:0 für Frankreich in der 5. Minute. Im Grunde war das Spiel da schon vorentschieden. Denn konnte Spanien gegen England noch die überlegene Technik ausspielen, hatten Boquete und Co. diesen Vorteil gegen das starke Teamaus Frankreich nicht mehr. Zumal die Französinnen zwar – wie England – ein recht flexibles Mittelfeld-Trio hatten, dabei aber immer genau wussten, wer was wann wie tut.

Bruno Bini, der seit Jahren in einem 4-2-3-1 spielen hatte lassen, hat umgestellt – auf ein 4-3-3 mit Louisa Nécib auf der (nominell) rechten Offensivseite. Somit hatte Bini sowohl die technisch starke Nécib in seiner Aufstellung, als auch die extrem umsichtige Bussaglia UND Camille Abily, die von der Acht aus für Impulse sorgte. Und musste dabei nicht auf Kapitänin Soubeyrand verzichten.

Klar zu erkennen: Frankreichs 4-3-3
Klar zu erkennen: Frankreichs 4-3-3

Während die pfeilschnelle Thiney aber auf links eher die Außenbahn hielt, spielte Nécib deutlich zentraler, zuweilen als Zehn, ging aber auch immer wieder nach hinten und Abily besetzte dafür die Flanke. Frankreich verhinderte durch geschicktes Anpressen schon in der gegnerischen Hälfte, dass Spanien einen geordneten Spielaufbau zusammen bringen konnte. Frankreich hatte trotz der knappen Führung so wenig Probleme und war so souverän, dass Bruno Bini seiner bald 40-Jährigen Kapitänin Soubeyrand eine Pause gönnen konnte und Élodie Thomis brachte. So war es in der zweiten Hälfte wieder ein4-2-3-1, mit Thomis und Thiney auf den Flanken, Nécib zentral, Abily auf der Acht und Bussaglia auf der Sechs.

Nachdem es einige Minuten so ausgesehen hatte, als würde Frankreich nicht nur das Spiel einschläfern sondern vor allem sich selbst, rückte man so ab der 55. Minute wieder etwas nach vorne und beruhigte das Spiel. Erst, als Spanien im Finish frische Kräfte brachte, zitterten die Französinnen noch etwas, aber wirklich in ernsthafte Gefahr kam der Sieg nicht mehr.

Wie soll England da was holen?

Denn wann immer es darum ging, mit dem Ball schnell zu denken und mindestens ebenso schnell zu handeln, war Spanien überfordert. Wie kein anderes Team bei dieser EM bisher klappt bei Frankreich die Arbeitsaufteilung im Mittelfeld, es wurden praktisch nie Räume durch Unachtsamkeiten aufgemacht, Spielerinnen werden so gut wie alle auf ihrer besten Position eingesetzt (nur Nécib wirkte fahrig, ging verlorenen Bällen nicht nach und musste nach einer Stunde dann auch raus). In dieser extrem souveränen Form ist Frankreich wohl sogar der Top-Kandiat auf den Titel. Besser als Schweden ist man ganz klar – und wirklich gefestigt sieht das deutsche Team noch nicht aus.

Gegen dieses komplette französiche Mittelfeld wird England aller Voraussicht nach im letzten Spiel aber gewinnen müssen, um als einer der besseren Dritten noch ins Viertelfinale zu rutschen. Wird schwer, denn wieder war im Zentrum das Chaos, das Aufbauspiel purer Zufall und der Ausgleich zum 1:1 tief in der Nachspielzeit eher glücklich, weil abgefälscht. Was das Team von Hope Powell zeigte, war einmal mehr planlos hoch drei.

Die einzige Hoffnung für die Three Lionesses: Die Papierform. Denn dieser wurde nun schon zweimal zu ihren Ungunsten nicht entsprochen – nun müssen sie selbst die Papierform umdrehen können. Viel mehr kann England nicht mehr retten.

Papierform auch im Journalisten-Raum

Dass die Papierform auch im Medienraum nicht ganz leicht einzuhalten zu sein scheint, wurde schon vorm Abendspiel in Norrköping klar. Als es nämlich erst hieß: Nein, wir dürfen die Parallelpartie nicht zeigen, hier im Medienraum. Die UEFA erlaube das nicht – seltsamerweise war das aber in keinem anderen Stadion bisher ein Problem (zumindest nicht so begründet). Dann schaltete doch einer den schwedischen Sender TV4 ein, der das Spiel zeigte.

Ehe einer von der UEFA in seiner Panik erst aus- und dann den TV-Feed einschaltete – ohne das TV4-Logo, mit dem sonst aber exakt selben Bild. Wohlgemerkt: Es handelte sich nicht um ein Public Viewing, sondern um einen Raum von 16 Journalisten (!), von denen die Hälfte ohnehin nicht hinschaute. Die Sache endete damit, dass halb durch die zweite Hälfte von England-Russland doch wieder einer daherkam und vom TV-Feed auf TV4 umschaltete – sogar mit aufgedrehtem Ton und schwedischem Kommentar.

Nicht ganz leicht zu wissen, was man darf und was nicht. Darüber aber ein anderes Mal noch viel mehr.

(phe)

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12 Teilnehmer, 3 Titel-Kandidaten: Fußball-Europa sucht seine Königinnen https://ballverliebt.eu/2013/07/09/12-teilnehmer-3-titel-kandidaten-fusball-europa-sucht-seine-koniginnen/ https://ballverliebt.eu/2013/07/09/12-teilnehmer-3-titel-kandidaten-fusball-europa-sucht-seine-koniginnen/#comments Mon, 08 Jul 2013 22:02:22 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8984 12 Teilnehmer, 3 Titel-Kandidaten: Fußball-Europa sucht seine Königinnen weiterlesen ]]> Natürlich: Wer nur auf das Tempo, die Athletik oder allgemein das, um es mal platt zu formulieren, Offensichtliche schaut, wird mit dem Frauenfußball nie eine Herzensbeziehung eingehen. Darum versuchen wir es vor der Europameisterschaft in Schweden mal mit Inhaltlichem. Mit Taktischem. Mit etwas Hintergrund-Information. Denn wer mit einem Mindestmaß an Wissen um die Personen, die Teams, die Leiungsstärken im Vergleich zur Konkurrenz, ihre Stärken und Schächen in ein Turnier geht – auch als Zuseher – der ist schon mal grundsätzlich im Vorteil.

Hier also: Acht Fragen und acht Antworten zu Schweden 2013.

1.: Wird’s Deutschland zum 6. Mal in Folge?

Die einfachste Antwort wäre „Ja“. Die Buchmacher sagen zumindest „Wahrscheinlich“. Die Eindrücke der letzten zwei bis drei Jahre aber sagen, vor allem mit Blick auf Frankreich, nur „Gut möglich“. Hinzu kommt eine schon fast unheimliche Ausfalls-Serie.

Verena Faißt, die derzeit wohl beste Linksverteidigerin der Welt? Pfeiffer’sches Drüsenfieber, fehlt. Babett Peter, verlässliche Linksverteidigerin und gesetzt seit vielen Jahren? Kahnbeinfraktur, fehlt. Alex Popp, Alternative in der Spitze und am linken Flügel? Knöchel bedient, fehlt. Linda Bresonik, fix vorgesehen für die rechte Angriffsseite? Achillessehne entzündet, fehlt. Kim Kulig, Stammkraft im zentralen Mittelfeld? Immer noch Probleme mit dem vor zwei Jahren im WM-Viertelfinale gerissenen Kreuzband, fehlt. Viola Odebrecht, Routinier im offensiven Mittelfeld? Meniskusriss und Knorpelschaden, fehlt auch.

Bezeichnend, dass bei einem Image-Spot beim letzten Test, dem 4:2 gegen Japan vor 46.000 Zusehern in der Allianz Arena, von den drei Spielerinnen, die über die Vidiwall ihre Message abgaben, zwei (Kulig und Popp) nicht dabei sein werden und eine nach einem Innenbandriss gerade noch rechtzeitig fit wurde (Krahn).

Da Deutschland, neben Olympiasieger USA, das weltweit größte Reservoir an Spielern hat, ist das in der Kadertiefe immer noch kein Problem, Bundestrainerin Silvia Neid wird immer eine personell gute Mannschaft aufbieten können. Sie muss aber sehr wohl innerhalb des Teams ein wenig umschichten und Spelerinnen an Positionen einsetzen, an denen sie ihre Stärken nicht optimal ausspielen können.

Deutschland
Deutschland

Vor allem der Ausfall der kompletten linken Seite zwang zum Umbau. Statt Peter, Faißt und auch Popp (die alle LV spielen können) muss mit Jennifer Cramer die vierte Wahl aushelfen. Auf den Außen-Positionen im Mittelfeld kommen zwei gelernte Mittelstürmerinnen zum Einsatz – bei Anja Mittag noch nicht so ein Problem, weil die das schon öfter gemacht hat, aber Bayern-Angreiferin Lena Lotzen spielt ziemlich out of Position.

Vom System her hat sich das 4-2-3-1, das in den letzten Jahren DFB-Standard wurde, schon wieder ziemlich deutlich zu einem 4-4-2 ausgewaschen. Darin machen die zwei Viererketten gegen den Ball den Raum extrem eng und die beiden Spitzen stehen kaum 25 Meter vor der Abwehrkette.

Ob Dzenifer Marozsán wirklich am besten ist, wenn sie als de facto zweite Spitze neben Célia Okoyino da Mbabi spielt, ist zumindest Geschmackssache – tendenziell dürfte sie aufgrund ihrer enormen Übersicht und ihrem Blick für den guten Pass und für sich öffnende Räume aber womöglich auf der Acht besser aufgehoben sein.

Unstrittig ist aber, dass Abwehr-Chefin Saskia Bartusiak überhaupt nicht damit umgehen kann, angepresst zu werden (wie es Frankreich in den letzten Test-Begegnungen tat). Unstrittig ist auch, dass Leonie Maier, die sich auf der Zielgeraden zur EM den Rechtsverteidiger-Posten von Bianca Schmidt gekrallt hat, eine unglaubliche Waffe in der Vorwärtsbewegung ist – aber extreme Schwächen im schnellen Umschalten von Offensive auf Defensive hat.

2.: Was spricht für, was gegen Frankreich?

Erster Herausforderer ist Frankreich. Unter Bruno Bini hat sich das Team in den letzten Jahren in der Weltspitze etabliert, im Endeffekt aber noch nichts gewonnen. Das war bei aller Klasse die Schwäche: In wichtigen Spielen ging’s oft schief. Vor zwei Jahren bei der WM als bessere Mannschaft das Halbfinale gegen die USA und dann als bessere Mannschaft das kleine Finale gegen Schweden verloren. Letztes Jahr bei Olympia zwar Schweden besiegt, aber dann im Semi gegen Japan und im Bronze-Spiel gegen Kanada verloren – wieder nur Platz vier.

ger-fra tweet

Frankreich und Deutschland testeten seit dem Olympiaturnier zweimal gegeneinander, beide Spiele endeten in für Deutschland schmeichelhaften Unentschieden. Die Equipe Tricolore traute sich, die deutsche Defensive Vollgas anzupressen und wurde mit billigen Ballgewinnen und leichten Toren belohnt. Im Aufbau versucht man zumeist, auf spielerischem Weg nach vorne zu kommen.

Frankreich
Frankreich

Verdeutlicht wird das durch die Maßnahme, Camille Abily von der Zehn (wie vor der WM) bzw. vom Flügel (wie bei und unmittelbar nach der WM) auf die Acht zu stellen. Dafür opferte Bini eine der eher zurückhaltenden Sechser (also Élise Bussaglia). Gemeinsam mit der technisch starken Louisa Nécib verleiht sie dem Team gutes Passspiel nach vorne.

Bini ekelte nach Olympia Linksverteidigerin Sonia Bompastor aus dem Team, ansonsten ist die Mannschaft aber seit Jahren personell praktisch unverändert und damit perfekt aufeinander eingespielt. Was man aber nicht außer Acht lassen darf: Es gibt praktisch keine Alternativen. Élodie Thomis könnte statt Le Sommer auf dem Flügel spielen, mit Élise Bussaglia (DM) und Ophélie Meilleroux (IV) gibt es noch routinierte, aber langsame Optionen; Amandine Henry (ZM) könnte zur Not statt Abily spielen – aber das war’s. Fallen Schlüsselkräfte wie Renard, Franco oder Nécib aus, hat Frankreich ein großes Problem.

Größter sportlicher Schwachpunkt auf dem Feld ist wohl die Position ganz vorne. Marie-Laure Delie ist nicht gerade die Torgefährlichste. Eine Sturmspitze wie Lotta Schelin oder Célia Okoyino da Mbabi, und Frankreich wäre der ganz klare Titel-Favorit.

Größter sportlicher Vorteil auf dem Feld ist dafür die personelle Blockbildung: Bouhaddi, Franco, George, Renard, Abily, Le Sommer und Nécib spielen alle bei Lyon – in den letzten vier Jahren immer im CL-Finale, zweimal gewann man dieses.

3.: Kann Gastgeber Schweden Europameister werden?

Grundsätzlich schon, es müsste aber viel zusammenpassen. Beim Spielplan hat man schon mal dafür gesorgt, dass man nicht über Deutschland UND Frankreich drübermüsste – diese beiden Teams treffen sich, geht alles nach der erwartbaren Papierform, schon im Semifinale. Die Spiele mit Schweden-Beteiligung sind alle ausverkauft, an der Unterstüzung von den Rängen wird es also nicht fehlen.

Schweden
Schweden

Dafür fehlt es dem Team eindeutig an der Klasse von Deutschland und Frankreich. Die wenigsten Sorgen gibt es vorne – mit Lotta Schelin hat man eine der profiliertesten Stürmerinnen vorne drin, mit Kosse Asllani eine talentierte Nebenfrau. Aber sonst… Die Außenverteidigerinnen – aufgepasst im Übrigen auf die Weitschüsse von Sara Thunebro – neigen dazu, gegen den Ball zu weit einzurücken. Ein Relikt aus der Zeit von Thomas Dennerby, dass die aktuelle Teamchefin Pia Sundhage nicht ganz wegbrachte. Das ist deshalb ein Problem, weil Josefine Öqvist und Antonia Göransson auf den Flügeln die Aufgabe haben, vorne das Sundhage’sche Pressing-Spiel zu erfüllen.

Dazu ist in der Vorwärtsbewegung Caroline Seger im zentralen Mittelfeld zwar fähig, aber oft zu zögerlich. Dem Mangel an Spielaufbau versucht Sundhage auszugleichen, indem sie Sechser Nilla Fischer, die Frau mit der eigenwilligen Frisur, zur Innenverteidigerin umschulte. Das ist gut für die Spieleröffnung, aber ein Risiko in der Abwehr, wie sich beim Algarve Cup zeigte. Wo Sundhage auch Torfrau Kristin Hammarström heftig kritisierte. Weil Einsergoalie Hedvig Lindahl aber verletzt fehlt, wird Hammarström dennoch spielen.

4.: Ist ein Überraschungs-Sieger denkbar?

Nein. Am ehesten hätte es wohl England drauf, aber der Finalist der letzten Europameisterschaft in Finnland müsste seine Vorrunden-Gruppe schon vor Frankreich abschließen, um nicht im Viertelfinale schon gegen Deutschland ran zu müssen. Spätestens im Halbfinale würde sich das DFB-Team aber nicht verhindern lassen. Das 1:4 im letzten Test gegen Schweden, bei dem man vorne harmlos und hinten katastrophal war, macht aber ohnehin nicht viel Hoffnung.

Wenn schon, dann hätte eher der vermutliche Halbfinal-Gegner von Schweden eine Chance – also, sofern alles normal abläuft, Norwegen. Auch Italien und Dänemark können sich auf den quasi „verbleibenden“ vierten Halbfinalplatz Hoffnungen machen. All diese Teams bräuchten aber ein mittleres Wunder, um tatsächlich Schweden zu besiegen UND dann auch noch im Finale gegen Deutschland oder Frankreich etwas reißen zu können.

Finnland fehlt Goalgetter Sällström und Kapitänin Maija Saari, dürfte in der Gruppe A gegen Schweden, Dänemark und Italien kaum etwas holen können. Holland schlich sich per Elferschießen-Sieg gegen Frankreich vor vier Jahren sensationell ins Halbfinale – die K.o.-Runde ist auch diesmal realistisch, mehr eher nicht. Wie es Island schaffte, dass nur ein Tor im letzten Quali-Spiel zur Direktqualifikation gegenüber Norwegen fehlte, ist ein Mysterium. Beim Algarve Cup fehlten zwar mit Gunnarsdóttir und Vidarsdóttir die zwei Besten, aber wie unglaublich naiv verteidigt wurde, war ein Wahnsinn. Kaum vorstellbar, dass es bei der EM nicht drei klare Niederlagen setzt.

Russland hatte schwerste Mühe, im Play-Off gegen Österreich zu bestehen und in der Gruppe Frankreich und England vor der Nase. Dazu gab’s in der Vorbereitung ein 0:5 in einem Test in Finnland und Torhüterin Elvira Todua ist mit einer Schulterverletzung zumindest gehandicapt – dafür gab’s im letzten Test einen 3:2-Sieg gegen Norwegen. Alles nicht so einfach zu deuten. Und Spanien ist nur dank eines Tores in der 123. Minute des Play-Off-Rückspiels gegen Schottland dabei. In der Quali gab’s zwar ein achtbares 2:2 gegen Deutschland, aber die Erfahrung auf dem großen Level fehlt. Gut möglich, dass selbst ein Sieg gegen Russland nicht zum Viertelfinale reichen würde.

5.: Ist Österreich dabei?

Nein, aber die ÖFB-Frauen waren so knapp dran wie noch nie. Im Play-Off gegen Russland machte man eine gute Figur, letztlich fehlte aber die Erfahrung. Besonders im Auge zu behalten gilt es bei dieser EM aus österreichischer Sicht die Teams aus Frankreich und Finnland, diese werden nämlich in der September startenden Quali für die WM 2015 in Kanada Gruppengegner sein.

quali

6.: Wie sieht der Modus aus?

Zwölf Teams sind dabei – zum letzten Mal, denn 2017 wird das Turnier auf 16 Mannschaften aufgestockt. Die zwölf Teams teilen sich in drei Vierergruppen auf. Die jeweils Ersten und Zweiten jeder Gruppe kommen ins Viertelfinale, die zwei besten Dritten auch. Der selbe Modus kam schon bei der letzten EM 2009 in Finnland zum Einsatz.

Spielplan

7.: Werden die Stadien halbwegs voll sein?

Ja und nein. Die Schweden-Spiele werden alle vor ausverkauftem Haus stattfinden, die Partien von Deutschland zumindest vor halbvollem. Alle anderen Spiele drohen aber weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattzufinden – im Schnitt sind für die restlichen Partien 1.000 Karten verkauft. Trotz moderater Preise von umgerechnet etwa 20 Euro.

8.: Wo gibt’s die Spiele im TV zu sehen?

Auf Europsort – live, und zwar alle. Lediglich vier Spiele (Schweden-Finnland und die drei Parallelspiele im letzten Gruppendurchgang) werden auf Eurosport2 gesendet. Zusätzlich teilen sich ARD und ZDF die Übertragungen der deutschen Einsätze. Sobald Deutschland aber raus ist, sind auch ARD und ZDF raus.

(phe)

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